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Tiedtke (Hrsg.

) · Allgemeine BWL
Jürgen R. Tiedtke (Hrsg.)

Allgemeine BWL
Betriebswirtschaftliches Wissen für
kaufmännische Berufe – Schritt für Schritt
Erarbeitet von
Birga Döring, Tim Döring, Wilfried Giesler,
Wolfgang Harmgardt, Regina Kühn, Axel W. Lange,
Kai Michaelsen, Jürgen R. Tiedtke

2., überarbeitete Auflage


Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 1998
2., überarbeitete Auflage Januar 2007
Alle Rechte vorbehalten
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
Lektorat: Dr. Riccardo Mosena
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
www.gabler.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vevielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im
Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher
von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-409-29740-0
V

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser!


Wirtschaftsleben ist ohne Betriebe undenkbar. Ihre Vielfalt, ihre Komplexität und ihre Verbindungen un-
tereinander und zu allen Gruppen der Gesellschaft und zu Einzelpersonen im In- und Ausland haben eine
umfassende Lehre nach sich gezogen, nämlich die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Sie öffnet die
Blicke sowohl für inner- als auch außerbetriebliches Geschehen, ihr Zusammenspiel und ihre grundlegen-
den Strukturen.
Deshalb erlernen Sie mit Hilfe des vorliegenden Werkes das gesamte betriebswirtschaftliche Wissen für
Ihre kaufmännische Ausbildung bzw. Ihren kaufmännischen Beruf – Schritt für Schritt – in wechselseiti-
ger Bezugnahme von theoretischen Lehrinhalten und Beispielen aus der Praxis. Die übersichtliche, klare
Gliederung und anschauliche Aufbereitung des Stoffs anhand zahlreicher Beispiele, Praxisberichte, aktuel-
ler Zeitungsberichte u.v.m. macht Ihnen dabei schnell die Zusammenhänge verständlich.
Anhand der Zusammenfassungen am Ende eines Kapitels bekommen Sie das Gelernte nochmals in den
Blick. Aufgaben bieten Ihnen die Möglichkeit den Stoff zu bearbeiten und sich das Wissen somit leichter
anzueignen. Die Darstellung des Inhalts in zwei Spalten, die Sachinformation links, die Ergänzungen aus
Alltag und Praxis rechts, erleichtert Ihnen ein gezieltes Arbeiten mit dem Buch. Denn die Sachinformatio-
nen sollten Sie nach dem Lesen und Lernen auf jeden Fall kennen. Die Ergänzungen hingegen sind ein
Angebot, auf das Sie je nach Bedarf zugreifen können. Sie bieten Ihnen die Möglichkeit, sich mit dem
Thema tiefer auseinander zu setzen oder aber trocken Theoretisches in der Praxis einfach nur richtig ein-
zuordnen.
Die handlungsorientierte Darstellung anhand des durchgängigen Beispielunternehmens der Deutschen
Motorenwerke AG (DMW AG) erleichtert Ihnen den notwendigen Einblick in das Ineinandergreifen bzw.
die Verzahnung der verschiedenen Arbeits- bzw. Funktionsbereiche eines Unternehmens. So gelangen Sie
leichter zum Verständnis von Sinn und Zweck dessen, was Ihnen auf den ersten Blick als trockener lang-
weiliger Lernstoff erscheint.

Wir hoffen, dass Sie Freude am Buch und an der Erarbeitung der Inhalte haben und Ihr Interesse für alle
wirtschaftlichen Fragen geweckt und verstärkt wird.

Für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik sind wir Ihnen dankbar.

Die Autoren
VI

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft ...........................................................................1


1. Grundlagen der Leistungserstellung .........................................................................................3
1.1 Der Betrieb als Zelle der Gesamtwirtschaft ...........................................................................3
1.2 Die Arten der Betriebe und ihr Zusammenhang ....................................................................6
1.3 Industriebetriebe...................................................................................................................10
1.4 Der innerbetriebliche Kreislauf eines Industriebetriebes .....................................................16
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe ....................................................................21
2.1 Betriebliches Erstziel (Primärziel) .......................................................................................21
2.2 Andere betriebliche Ziele (Zweitziele) ................................................................................29
2.3 Das Zusammenwirken der Kennzahlen................................................................................41
2.4 Das betriebliche Gleichgewicht ...........................................................................................42
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess..............................................................................45
3.1 Die menschliche Arbeitskraft...............................................................................................45
3.2 Betriebsmittel .......................................................................................................................49
3.3 Werkstoffe ............................................................................................................................53
3.4 Informationen .......................................................................................................................56
3.5 Elementarfaktoren im Überblick ..........................................................................................61
4. Die Geschäftsführung ...............................................................................................................63
4.1 Führungsbegriff ....................................................................................................................63
4.2 Das innere und äußere Umfeld der Führung ........................................................................65
4.3 Die Verantwortung der Führung ..........................................................................................67
4.4 Die Organisation der Führung..............................................................................................67
4.5 Führungsanforderungen .......................................................................................................77
4.6 Führungskultur .....................................................................................................................80
4.7 Neue Führungsaufgaben.......................................................................................................87
4.8 Unternehmenskultur .............................................................................................................91
5. Kurzer Abriss der Organisation ..............................................................................................94
5.1 Organisationsbegriff.............................................................................................................94
5.2 Die Aufbauorganisation .......................................................................................................95
5.3 Die Stababteilung „Controlling“ ........................................................................................101
5.4 Der umweltorientierte Unternehmensaufbau .....................................................................105
VII

5.5 Die Ablauforganisation...................................................................................................... 108


5.6 Organisationsgrundsätze.................................................................................................... 112
6. Verschiedenes .......................................................................................................................... 114
6.1 Der industrielle Standort.................................................................................................... 114
6.2 Ausgewähltes zum Steuersystem....................................................................................... 118

Kapitel 2 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen ....................................... 125


1. Zum Finanzierungsbegriff ..................................................................................................... 127
1.1 Zum Investitionsbegriff ..................................................................................................... 128
1.2 Die Verbindung zwischen Investition und Finanzierung .................................................. 128
2. Finanzierungsentscheidungen................................................................................................ 132
2.1 Grundlagen der Finanzierung ............................................................................................ 132
2.2 Der Cashflow ..................................................................................................................... 143
2.3 Die Quellen der Finanzierung............................................................................................ 148
2.4 Formen der Innenfinanzierung........................................................................................... 157
2.5 Formen der Außenfinanzierung ......................................................................................... 173
2.6 Leasing – eine Sonderform der Finanzierung.................................................................... 210

Kapitel 3 Rechtliche Grundlagen .............................................................................................. 219


Teil 1: Einführung und Rechtsnormen............................................................................................. 221
1. Einführung .............................................................................................................................. 221
2. Die Einpersonenunternehmung............................................................................................. 222
3. Gesellschaftsrecht ................................................................................................................... 223
3.1 Gesellschaftsformen........................................................................................................... 223
3.2 Personengesellschaften ...................................................................................................... 223
3.3 Kapitalgesellschaften ......................................................................................................... 231
3.4. Unternehmenszusammenschlüsse...................................................................................... 245
Teil 2: Der Kaufmann.......................................................................................................................... 249
Teil 3: Allgemeine Rechtsgeschäftslehre........................................................................................... 252
1. Arten von Rechtsgeschäften................................................................................................... 252
2. Zustandekommen von Verträgen.......................................................................................... 253
2.1 Der Inhalt von Verträgen ................................................................................................... 253
2.2 Einigung der Vertragspartner............................................................................................. 253
2.3 Nichtigkeitsgründe............................................................................................................. 254
3. Verbraucherschutzvorschriften ............................................................................................ 255
3.1 Die Vorschriften zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen......................... 255
VIII

3.2 Die Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften ..258
3.3 Die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge .......................................................260
4. Der Kaufvertrag ......................................................................................................................262
4.1 Inhalt des Kaufvertrages.....................................................................................................262
4.2 Pflichten der Kaufvertragsparteien.....................................................................................265
4.3 Übereignung .......................................................................................................................266
4.4 Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt.............................................................................267
4.5 Pflichtverletzungen beim Kaufvertrag ...............................................................................269
4.6 Besondere Kaufvertragsarten .............................................................................................274

Kapitel 4 Materialwirtschaft ........................................................................................................277


1. Grundlagen der Materialwirtschaft ......................................................................................279
1.1 Einleitung ...........................................................................................................................279
1.2 Organisation der Materialwirtschaft...................................................................................284
1.3 Daten- und Informationsverarbeitung in der Materialwirtschaft .......................................287
1.4 Qualitätssicherung in der Materialwirtschaft .....................................................................288
2. Materialdisposition..................................................................................................................290
2.1 Einleitung ...........................................................................................................................290
2.2 Bedarfsmengenplanung ......................................................................................................290
2.3 Die Bestellmengenplanung.................................................................................................295
3. Beschaffung..............................................................................................................................299
3.1 Einleitung ...........................................................................................................................299
3.2 Aufbauorganisation des Einkaufs.......................................................................................300
3.3 Die operativen Aufgaben des Einkaufs ..............................................................................302
3.4 Die strategischen Aufgaben des Einkaufs ..........................................................................316
3.5 Materialentsorgung und Materialverwertung.....................................................................324
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik.......................................................................325
4.1 Einleitung ...........................................................................................................................325
4.2 Lagerplanung......................................................................................................................327
4.3 Ablauf der Lagerhaltung ....................................................................................................332

Kapitel 5 Personalwesen ................................................................................................................339


1. Das Unternehmen am Markt .................................................................................................341
1.1 Neue Impulse......................................................................................................................341
2. Das Personalwesen und seine Funktion ................................................................................343
2.1 Die Definition „Personalwesen“ ........................................................................................343
IX

2.2 Die Bedeutung des Personalwesens................................................................................... 344


2.3 Die Anforderungen an das Personalwesen ........................................................................ 345
2.4 Die Ziele des Personalwesens............................................................................................ 348
2.5 Externe und interne Einflüsse auf das Personalwesen....................................................... 349
2.6 Aufgaben des Personalwesens ........................................................................................... 354
2.7 Die Organisation des Personalwesens ............................................................................... 356
3. Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor .................................................................... 358
3.1 Personal im Industriebetrieb .............................................................................................. 359
4. Personalplanung und der Mitarbeiterbedarf....................................................................... 364
4.1 Bestimmung des quantitativen Personalbedarfs ................................................................ 364
4.2 Qualitative Aspekte des Personalbedarfs........................................................................... 367
4.3 Personalplanung und Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ............................................. 370
5. Die Möglichkeiten der Personalbeschaffung........................................................................ 370
5.1 Die innerbetrieblichen Möglichkeiten der Personalbeschaffung....................................... 371
5.2 Externe Personalwerbung .................................................................................................. 372
5.3 Die Eignungsanalyse.......................................................................................................... 374
6. Die Einstellung von Mitarbeitern.......................................................................................... 377
6.1 Die Bewerbung .................................................................................................................. 377
6.2 Der Arbeitsvertrag ............................................................................................................. 382
7. Personaleinsatz........................................................................................................................ 386
7.1 Begriff, Inhalt und Abgrenzung......................................................................................... 386
7.2 Personaleinsatz bei Veränderungen von innen .................................................................. 389
7.3 Einzelaufgaben beim Personaleinsatz................................................................................ 391
8. Die Personalbetreuung an zwei Beispielen ........................................................................... 400
8.1 Allgemeines ....................................................................................................................... 400
8.2 Personalentwicklung.......................................................................................................... 400
8.3 Die Mitarbeiterbeurteilung ................................................................................................ 403
9. Das Arbeitsentgelt................................................................................................................... 407
9.1 Der Elementarfaktor Arbeit ............................................................................................... 407
9.2 Bestimmungsfaktoren der Lohnhöhe................................................................................. 408
9.3 Arbeitsrechtliche Grundlagen ............................................................................................ 409
9.4 Die Arbeitsbewertung ........................................................................................................ 411
9.5 Entlohnungsformen............................................................................................................ 414
9.6 Die Mitbeteiligung der Arbeitnehmer................................................................................ 417
9.7 Die Lohnzahlung................................................................................................................ 418
10. Personalfreisetzung................................................................................................................. 422
X

10.1 Anlässe ...............................................................................................................................422


10.2 Kündigung im gegenseitigen Einvernehmen .....................................................................422
10.3 Auflösung durch Zeitablauf oder durch Zweckerreichung ................................................422
10.4 Kündigung des Arbeitsverhältnisses ..................................................................................423
10.5 Kündigungszeiten...............................................................................................................424
10.6 Massenentlassungen ...........................................................................................................426
11. Hinweis zum Betriebsverfassungsgesetz ...............................................................................427

Kapitel 6 Produktionswirtschaft ................................................................................................429


1. Überblick..................................................................................................................................431
2. Langfristige und mittelfristige Produktionsplanung ...........................................................432
2.1 Bestimmung von Produktfeldern und Produktgruppen......................................................434
2.2 Forschung und Entwicklung...............................................................................................436
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen..........................................................................439
3.1 Arten der Produktion..........................................................................................................439
3.2 Organisationsformen ..........................................................................................................444
4. Innerbetriebliche Standortplanung .......................................................................................454
4.1 Kurzdarstellung eines Verfahrens der Layoutplanung.......................................................456
4.2 Kostenverminderung durch Layoutplanung.......................................................................457
5. Kurzfristige Produktionsplanung..........................................................................................458
5.1 Mengenmäßige Planung .....................................................................................................460
5.2 Zeitliche Planung................................................................................................................464
6. Produktionssteuerung.............................................................................................................467
6.1 Grundlagen .........................................................................................................................467
6.2 Die Durchlaufzeit als zentrale Größe .................................................................................468
6.3 Einfache Steuerungskonzepte ............................................................................................470
6.4 Spezielle Steuerungskonzepte ............................................................................................475
7. Produktionskontrolle ..............................................................................................................478
7.1 Kontrolle nach ökonomischen Kriterien ............................................................................479
7.2 Kostenerfassung und Kostenverläufe.................................................................................482
7.3 Kontrolle der Qualität.........................................................................................................486

Kapitel 7 Marketing .........................................................................................................................491


1. Grundlagen des Marketing ....................................................................................................493
1.1 Definition ...........................................................................................................................493
1.2 Die Entstehung des Marketing ...........................................................................................494
XI

1.3 Heutige Rolle und Aufgaben ............................................................................................. 495


2. Marketingplanung .................................................................................................................. 496
2.1 Die Analyse........................................................................................................................ 497
2.2 Die Marketingziele ............................................................................................................ 498
2.3 Strategien ........................................................................................................................... 498
2.4 Die Maßnahmen................................................................................................................. 499
2.5 Die Kontrolle ..................................................................................................................... 499
2.6 Die Bewertung ................................................................................................................... 499
3. Die Neuproduktentwicklung.................................................................................................. 501
3.1 Gründe für neue oder verbesserte Produkte....................................................................... 501
3.2 Risiken und Probleme bei der Neuproduktentwicklung .................................................... 502
3.3 Der Ablauf einer Neuproduktentwicklung ........................................................................ 502
4. Marktforschung ...................................................................................................................... 507
4.1 Definition und Aufgaben ................................................................................................... 507
4.2 Arten und Formen.............................................................................................................. 507
4.3 Methoden der Marktforschung .......................................................................................... 509
4.4 Vollerhebung und Teilerhebung ........................................................................................ 511
5. Segmentierung......................................................................................................................... 512
5.1 Die Vor- und Nachteile der Marktsegmentierung ............................................................. 513
5.2 Produkt- und zielgruppenbezogene Marktsegmentierung ................................................. 513
5.3 Segmentierungsstrategien .................................................................................................. 514
6. Produktpolitik ......................................................................................................................... 516
6.1 Merkmale eines Produktes................................................................................................. 516
6.2 Der Service ........................................................................................................................ 519
7. Der Produktlebenszyklus ....................................................................................................... 521
7.1 Die Einführungsphase........................................................................................................ 521
7.2 Die Wachstumsphase ......................................................................................................... 521
7.3 Die Reifephase/ Sättigungsphase....................................................................................... 522
7.4 Die Rückgangsphase.......................................................................................................... 522
8. Die Sortimentspolitik.............................................................................................................. 524
8.1 Die Breite, die Tiefe und die Geschlossenheit des Sortiments .......................................... 524
8.2 Variation, Differenzierung, Diversifikation und Eliminierung ......................................... 525
9. Entgeltpolitik........................................................................................................................... 527
9.1 Die Preispolitik .................................................................................................................. 527
9.2 Die Konditionenpolitik ...................................................................................................... 533
10. Distributionspolitik................................................................................................................. 534
XII

10.1 Absatzwege ........................................................................................................................534


10.2 Vertriebssystem ..................................................................................................................537
10.3 Die Absatzformen...............................................................................................................538
10.4 Physische Distribution/Logistik .........................................................................................538
11. Kommunikationspolitik ..........................................................................................................539
11.1 Werbung .............................................................................................................................539
11.2 Die Verkaufsförderung.......................................................................................................544
11.3 Publicrelations....................................................................................................................544
11.4 Sponsoring..........................................................................................................................545
11.5 Persönlicher Verkauf..........................................................................................................545
12. Planung und Kontrolle ...........................................................................................................547

Stichwortverzeichnis .........................................................................................................................551
XIII

Ein Unternehmen stellt sich vor


Deutsche Motoren Werke,
Aktiengesellschaft (DMW AG)

1. Merkmale des Unternehmens und Produkte


• Wir gehören zu der Branche der Kraftfahrzeughersteller.
• Wir zählen nicht zu den Großen des Sektors, vielmehr sind wir ein mittelständisches Unternehmen, das
an drei Standorten produziert. Unser Stammwerk ist in Hannover, zwei weitere befinden sich in Halle
und Emden.
• Wir stellen seit Jahren erfolgreich kleine Autos her und nennen sie liebevoll „Kisten für den Haus-
gebrauch“. Aber schlecht sind sie nicht, die Umsätze beweisen das. Und wie ist es mit der komfortab-
len Ausstattung? Na, ja. Unsere Autos sind so etwas wie der damalige Käfer für die erste Nachkriegs-
generation. Allerdings sind viele Teile recycelbar.

Abb. 1: Modernste Produktion in Halle


XIV

Besondere Kennzeichen:
• preisgünstig durch kundenfreundliche Kalkulation
• sicher durch Seitenverstrebungen und Airbag
• diebstahlgeschützt durch Sicherheits-Code-Verschluss
• kurvenstabil durch das elektronische Kurvamatik-System
• laufruhig
• frisch und lebendig durch Design und Farbe.

Wir bieten verschiedene Autotypen an. Da gibt es


• den „Single", ein preiswertes Einsteigermodell mit wenig PS und nur als Zweitürer lieferbar
• den „Shopper", das klassische Zweitauto mit verschiedenen Extra-Ausstattungspaketen
• den „Sporty", ein kleiner Sportflitzer für junge Leute von heute.

Seit zwei Jahren basteln unsere Ingenieure an einem Geländewagen (Funny) herum. Jetzt kann das Modell
in Serie gehen. Dafür ist das Werk in Halle vorgesehen, das bislang den Single produziert.
Die Planung für das Projekt Elektro-Auto sind weit vorangeschritten. Auch für den Roadster „Joy" sind
bereits die Weichen gestellt. Jedoch ist die Planung erst in der Anfangsphase. Lean Production (schlanke
Produktion) bei gleichzeitiger Teamarbeit in der Herstellung ist für uns kein Fremdwort mehr. System-
statt Komponentenanbieter und der Einbau der Teile – z. B. der Elektrizität –, der von ihnen übernommen
wird, garantieren höchste Qualität. Wir selbst liefern Chassis, Motor, Getriebe, Bleche und anderes
(Abb. 2).
XV

2. Die Zahlen des Unternehmens sehen so aus:


2.1 Bilanz der DMW AG 2005 (in Mio. EUR, auf-, abgerundet)
Aktiva

Immaterielle Vermögensgegenstände 18
Sachanlagen 328
Finanzanlagen 96
Anlagevermögen 442

Vorräte 166
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 275
Übrige Forderungen und sonstiges Vermögen 28
Wertpapiere 152
Flüssige Mittel 47
Umlaufvermögen 668

Rechnungsabgrenzungsposten 10

1.120

Passiva

Gezeichnetes Kapital 90
Kapitalrücklage 82
Gewinnrücklagen 260
Jahresüberschuss 24
Eigenkapital 456

Pensionsrückstellungen 224
Übrige Rückstellungen 210
Rückstellungen 434

Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 16


Verbindlichkeiten aus Lieferungen/Leistungen 118
Sonstige Verbindlichkeiten 96
Verbindlichkeiten 230

1.120
XVI

2.2 Sonstige Daten 2005


• Mitarbeiter 1.800
• Produktionsmenge in Stück 124.000
• Absatzmenge in Stück 108.400
• Umsatz in Mio. EUR 108.400
• Entwicklungen: siehe Abbildung 3

180

Umsatz
160 Personalaufwand

140
Automobilproduktion

Mitarbeiter
120

100

2000 2001 2002 2003 2004 2005


Abb. 3: Umsatz, Personalaufwand, Automobilproduktion und Mitarbeiter des DMW-Unternehmens
(Index: 2000 = 100)
XVII

3. Einkaufsvolumen und Lieferanten


DMW kaufte 2005 Material, Betriebsstoffe und Energie sowie Investitionsgüter im Wert von l ,8 Mrd.
EUR.
Die Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie an Halb- und Fertigfabrikaten für das Fahrzeugge-
schäft konnten auf niedrigem Stand gehalten werden. Als Folge der Wirtschaftsschwäche in den großen
Industrieregionen war die Entwicklung der Weltmarktpreise für viele Werkstoffe abwärts gerichtet.
Die Investitionen wurden planmäßig fortgeführt. Sie beliefen sich im Berichtsjahr auf 300 Mio. EUR und
wurden wiederum voll aus dem Cash-Flow finanziert. Diese aus der Innenfinanzierung stammenden Fi-
nanzmittel nahmen auf 290 Mio. EUR zu. In den letzten fünf Jahren haben die DMW l Mrd. EUR in die
Erweiterung und Modernisierung des Werkes Hannover sowie in die Gründung des sächsischen Betriebes
gesteckt.
Inzwischen sind längerfristige Verträge mit vier Systemanbietern abgeschlossen (elektrisches und elektro-
nisches Zubehör, Armaturen und Armaturenbord, Fenster, Türen, Heber, Sicherheitssystem und Beleuch-
tung). Sechzig Lieferanten sorgen für den pünktlichen Eingang der Werkstoffe. Mit zwei Lieferanten be-
stehen Datenverbundsysteme.
In enger Kooperation mit den Zulieferern werden große Teile, Produktionsmaterial und Fahrzeuge mit der
Bahn befördert. Waggons und Container sind meistens in zwei Richtungen ausgelastet. Systemlieferer be-
nutzen eigene Spediteure. Neuester Clou für den Transport sind Doppelstockwaggons. Sie gelten als be-
sonders diebstahlgesichert.

4. Personal
Ende 2005 arbeiteten in den Werken und Verwaltungen 18.800 Mitarbeiter. 400 weniger als ein Jahr zu-
vor. Mit weiteren 700 Mitarbeitern wurden Vereinbarungen über einen vorgezogenen Ruhestand geschlos-
sen, soweit es gesetzlich möglich ist.
Für die Aus- und Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter sowie für das technische Training und die Ver-
kaufsschulung von Mitarbeitern hat das Unternehmen hohe Geldsummen eingesetzt. Der Standard der
Mitarbeiter ist hoch. Förderprogramme für den Nachwuchs geben jungen Menschen Orientierungshilfe für
den künftigen Berufsweg.
Eine eigene Betriebskrankenkasse schafft für Mitarbeiter günstige Tarife.

5. Verkauf
Der Verkauf wurde zu sogenannten Gewinnzentren umorganisiert. Jedes Produkt bildet im Unternehmen
eine eigene Sparte mit eigener Ergebnisverantwortung. So hatten es die Händler immer gleichzeitig mit
mehreren Kundenberatern und Verkäufern zu tun. Auch wurde Spartenwerbung mit eigener Strategie be-
trieben, was zur Konkurrenz im eigenen Unternehmen führt und eine höhere Effizienz mit sich bringt.

6. Altfahrzeuge
Außer Betrieb genommene Fahrzeuge mit der DMW-Marke werden von selbstständigen Verwerterbetrie-
ben zerlegt. Die Bestandteile werden zum großen Teil aufbereitet und stofflich verwertet. Und das alles im
Auftrag von DMW.
Kapitel 1

Der Betrieb als Teil der


Wirtschaft
von Jürgen R. Tiedtke
3

1. Grundlagen der Leistungserstellung

1.1 Der Betrieb als Zelle der Gesamtwirtschaft

Alles Wirtschaften vollzieht sich in Betrie- Arbeitsleistungen Betriebsmittel


ben. Sie sind Sozialgebilde und Zellen des = alle von = alle Sachgüter,
Menschen die im Produktions-
wirtschaftlichen Lebens. im Betrieb prozess genutzt
erbrachten werden, jedoch
Jeder Einzelbetrieb ist ein wirtschaftliches Tätigkeiten nicht untergehen
Aktionszentrum. Es verfügt über eine eigene
Planung und einen eigenen Betriebsprozess.
In ihm werden nach den Zielvorgaben der
Führung und unter ihrer Leitung Güter und Werkstoffe Informationen
Leistungen hergestellt. Die Herstellung geht = alle Roh-, Hilfs- = alle
und Betriebsstoffe Informationen, die
durch die Tätigkeit der Mitarbeiter (Arbeits- sowie Halb- und ein Element zur
leistungen), durch den Einsatz von Maschi- Fertigerzeugnisse, Erreichung der
die in das Erzeug- Unternehmensziele
nen, maschinellen Anlagen und Werkzeugen nis eingehen darstellen
(Betriebsmittel), mit Hilfe der Werkstoffe
und unter Einsatz und Austausch von Infor-
mationen vonstatten. Diese Bausteine der
Herstellung heißen Elementarfaktoren. Erst Betriebsprozess
ihr Zusammenwirken – ihre Kombination –
lässt Güter und Leistungen hervorbringen
Abb. 1: Elementarfaktoren
(siehe Abb. 1). Betriebe sind also Produkti-
onsstätten.
Ergänzendes zum Betrieb
Auch Haushalte gelten im weiteren Sinne als
In diesem Sinne gehört die Deutsche Motoren
Betriebe. Sie werden ursprüngliche Betriebe
Werke AG (DMW AG) zu den abgeleiteten
genannt, weil ursprünglich alles Wirtschaften,
Betrieben. Abgeleitete Betriebe gliedern sich
also das Herstellen von Erzeugnissen, von
in Wirtschaftsbetriebe und öffentliche Haus-
ihnen ausging, zunächst nur für den Eigenbe-
halte. Zu den Wirtschaftsbetrieben zählen
darf, später im Austausch mit anderen Haus-
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie
halten. Heute sind sie meist nur Verbraucher.
Gewerbebetriebe. Gewerbebetriebe umfassen
Demnach sind sie Stätten des Verbrauchs
Handwerks-, Industrie-, Handels- und Versi-
(Stätten der Konsumtion). Im Gegensatz dazu
cherungsbetriebe sowie Banken (siehe Abb.
werden Produktionsstätten auch abgeleitete
2). Die DMW AG lässt sich demnach als
Betriebe genannt.
gewerblicher Wirtschaftsbetrieb herausstel-
Abgeleitete Betriebe stellen Güter und Leis- len, der seine Güter industriell herstellt. Die
tungen her. Dabei kann es sich um Güter DMW AG ist ein Industriebetrieb.
handeln, die die Haushalte benötigen. Sie
heißen Konsumgüter. Werden sie sofort
verbraucht, wie Brot und Obst, heißen sie
Verbrauchsgüter. Kann man sie längere Zeit Aufgabe
benutzen, wie zum Beispiel eine Waschma-
schine, einen Computer und ein Auto, dann 1. Warum bezeichnet man Produktions-
sind es Gebrauchsgüter. stätten als geleitete Betriebe?
4 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Auch Betriebe benötigen Güter. Diese haben Betriebe


einen eigenen Namen. Es sind Produktions-
güter. Unter ihnen gibt es solche, die sofort in
der Herstellung verbraucht werden. Zum
Beispiel die Milch, die zu Butter verarbeitet ursprüngliche abgeleitete
wird. Andererseits können sie länger benutzt Betriebe Betriebe

werden, wie zum Beispiel Maschinen und


Werkzeuge.
Um den Unterschied zu den Gütern, die im
Wirtschafts- öffentliche
Haushalt verbraucht und gebraucht werden, betriebe Haushalte
deutlich zu machen, bezeichnet man sie als
produktive Verbrauchs- und Gebrauchsgüter
(Milch/Werkzeuge). Letztere werden auch
Investitionsgüter genannt (siehe Abb. 3). Land- und
forstwirt- Gewerbe-
Zu den wirtschaftlichen Gütern gehören auch schaftliche betriebe
Dienstleistungen und Rechtsverhältnisse. Betriebe

Beide „Güterarten“ werden sowohl von den


Betrieben als auch von den Haushalten stän-
dig in Anspruch genommen. Zu denken ist Ver-
Hand- Indu-
unter anderem an Bankgeschäfte (Dienstleis- werk strie
Handel Banken siche-
rungen
tungen) oder an die Vergabe von Lizenzen
zwischen den Betrieben. Ebenso lassen sich
hier Notare, Rechtsanwälte, Apotheker, Mak- Abb. 2: Betriebe und Haushalte
ler usf. einordnen.
Ohne Güter und Dienstleistungen lässt sich Aufgaben
keine Wirtschaft erklären. Mit ihnen wird
aber der Zusammenhang deutlich, der zwi- 2. Nennen Sie jeweils zwei bis drei ver-
schen beiden Wirtschaftsgruppen, den Her- schiedene Betriebsarten von Handels-
stellern (Produzenten) und den Verbrauchern und Industriebetrieben! Nennen Sie auch
(Konsumenten), besteht. Beispiele aus der Praxis (mit Namen)!
Die von den Herstellungsbetrieben (Produkti- 3. Wieso können Dienstleistungsbetriebe
on) angefertigten Verbrauchs- und Gebrauchs- auch Produktionsbetriebe genannt wer-
güter werden sowohl von anderen Betrieben den?
als auch von den Haushalten (Konsumtion) 4. Ordnen Sie die folgenden Güter den
gekauft. Letztere brauchen sie zum Leben. richtigen Bezeichnungen zu:
Erstere, um sie weiterzuverarbeiten bzw. zu
benutzen (z.B. Bleche, Teile für ein Kraft- • das im Haushalt benutzte Fahrrad
fahrzeug). Dabei hängt die Dauer der Nut- • die Werkzeuge eines Klempners
zung von der Intensität der Inanspruchnahme
ab. Herstellungsmaschinen räumt man ein • die einzubauenden Lenkräder für
„Leben von bis zu 5 Jahren“ ein, Computern Kraftfahrzeuge
von ca. 2 Jahren. • das Fleisch zum Mittagessen!
1. Grundlagen der Leistungserstellung 5

Rechtsverhältnisse Dienstleistungen

Wirtschaftliche
Güter

Konsumgüter Produktionsgüter

(produktive)
(produktive)
Verbrauchsgüter Gebrauchsgüter Gebrauchsgüter =
Verbrauchsgüter
Investitionsgüter

Rohstoffe, Gebrauchsmittel wie


Nahrung Kleidung
Antriebsmittel Maschinen

Abb. 3: Güterarten

Aufgabe
5. Sie haben in Abb. 3 die Güterarten vor
sich.
a) Wieso spricht man von wirtschaftli-
chen Gütern?
b) Kennen Sie nicht-wirtschaftliche Gü-
ter? Nennen Sie diese!
c) Sehen Sie sich bitte Abb. 4 genau an.
Da ist von Gütern unterschiedlicher
Ordnung die Rede, da ist der Begriff
„Kombination“ ausgewiesen, und da
sind die Elementarfaktoren darge-
stellt.
ca) Wieso nennt man die Güter,
die ein Betrieb für andere Be-
triebe herstellt, Güter „höhe-
rer Ordnung“?
cb) Welche Aufgaben haben Gü-
ter „niederer Ordnung“ und
welche Güter „höherer Ord-
nung“ zu erfüllen?
cc) Können Sie die Abb. 4 inter-
pretieren? Versuchen Sie es
bitte! Vielleicht lässt sich sogar
Abb. 4: Zusammenhang von Produktion eine Art Kreislauf heraus-
und Konsumtion lesen.
6 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Zusammenfassung
Haushalte sind Stätten des Konsums, Betriebe Stätten der Produktion. Hier werden Güter
und Leistungen erzeugt, die einerseits den Haushalten dazu dienen, ihr Leben abzusichern
und zu gestalten, und andererseits erlauben sie den Betrieben, auf der Grundlage der Ele-
mentarfaktoren – Arbeitskräfte, Betriebsmittel, Werkstoffe und Informationen – neue Gü-
ter herzustellen, die sowohl an die Betriebe als auch an die Haushalte veräußert werden.

1.2 Die Arten der Betriebe und ihr Zusammenhang

Eine erste Unterteilung der Betriebe ist Abb.2 Beispiel:


zu entnehmen. Aber diese ist noch sehr un-
vollständig. Die DMW AG als Sachleistungs-
betrieb
Allgemein werden alle Betriebe in Sachleis-
tungsbetriebe und in Dienstleistungsbetrie- Die DMW AG gehört auch zu den Sachleis-
be eingeteilt. Abb. 5a) verdeutlicht das. tungsbetrieben, die Kraftwagen unterschied-
lichster Ausprägung herstellen. Wie ist dieser
Die Vielfalt der Dienstleistungsbetriebe ist
Betrieb einzuordnen? Ist es ein Konsumgüter-
bekannt, weil jeder sie täglich in Anspruch
oder Produktionsgüterbetrieb? In jedem Fall
nimmt. Ob es sich dabei um einen Supermarkt
handelt es sich um einen Weiterverarbeiter.
handelt oder um eine Sparkassenfiliale, um
Weil der größte Teil der PKWs an Haushalte
eine Drogerie oder einen Blumenladen, um
veräußert wird, kann man ihn der Konsumgü-
städtische Busse oder um Theater, Hotels und
terbranche zuordnen. Er wird dann auch Kon-
Versicherungsbetriebe.
sumgüterbetrieb genannt. Man spürt schon,
Sachleistungsbetriebe sind Herstellungsbe- dass das nicht ganz richtig ist, weil PKWs
triebe. Die wenigsten Menschen haben direkt selbstverständlich auch an Betriebe geliefert
mit ihnen zu tun, es sei denn, sie sind dort werden. Anders wäre es in einem Betrieb, der
beschäftigt. Dennoch haben die meisten eine Lastwagen herstellt, und die werden nur in
Vorstellung von Herstellungsbetrieben und den Betrieben benötigt. Daher würde dieser
verbinden mit ihnen Fabrikhallen, Schorn- zu den Produktionsgüterbetrieben zählen.
steine, Kühl- und Fördertürme, Fließbänder, Leichter ist es wiederum, Rohstoffgewin-
Roboter und vieles mehr. nungsbetriebe von den anderen zu trennen.
Es gibt eine ganze Reihe von weiteren Eintei- Sie produzieren Grundstoffe wie Erdöl, Erd-
lungen. Einige seien hier nur kurz erwähnt. gas, Eisen, Kohle, Aluminium etc. Wo würde
man einen Zementhersteller einordnen, der
Geht man von der Größe aus und meint damit
eigene Kiesgruben unterhält? Kies zählt zum
die Umsätze, dann gelangt man zu
wichtigsten Rohstoff für die Zementindustrie.
• Kleinbetrieben Somit ist der Zementhersteller Rohstoffge-
• Mittelbetrieben winnungs- und Produktionsgüterbetrieb in
einem. Die DMW AG steht zwischen den
• Großbetrieben. Mittel- und Großbetrieben. Verglichen mit
den bekannten deutschen Autoherstellern wie
Audi, BMW, Ford, Mercedes, Opel, VW sind
die DMW nur ein Mittelbetrieb.
1. Grundlagen der Leistungserstellung 7

Werkstoffe, Bleche, Investitionsgüter wie Nahrungs- und


Kohle, Erdöl, Erdgas
Zahnräder, Motoren, Produktionsmaschinen, Genussmittel,
u.a.
Zubehörteile u.a. Fertigungsstraßen u.a. Bekleidung u.a.

Rohstoffgewinnungs- Produktionsgüter- Konsumgüter-


betriebe betriebe betriebe

Sachleistungsbetriebe

Betriebe
(Produktionswirtschaft)

Dienstleistungsbetriebe

Handels- Bank- Versicherungs- Verkehrs- sonstige Dienst-


betriebe betriebe betriebe betriebe leistungsgewerbe

Großhandel Kreditbanken Lebens- Güter-, Hotels


Einzelhandel Sparkassen Kranken- Nachrichten-, Theater
Versandhandel Genossen- Unfall- Personen- Krankenhäuser
u.a. schafts- Invaliden- verkehr Detekteien
banken Feuer-
versicherung

Abb. 5 a Betriebsarten

Abb. 5 b Betriebsarten unter dem Aspekt der Arbeitsteilung


8 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Wird die Anzahl der Produkte, die hergestellt Auch Porsche ist wegen der Exklusivität
werden, in den Vordergrund gerückt, dann seiner Sportwagen ein Großbetrieb (hoher
führt das zu Umsatz), von der Menge der fabrizierten
• Betrieben mit Massenfertigung Wagen dagegen ein Mittelbetrieb.
Die DMW AG ist zugleich Serienhersteller,
• Betrieben mit Sortenfertigung
die obengenannten Autofirmen, außer Por-
• Betrieben mit Chargenfertigung sche, produzieren in Massen.
• Betrieben mit Partieleistungen
• Betrieben mit Serienfertigung Aufgaben
• Betrieben mit Einzelfertigung. 6. Versuchen Sie herauszufinden, was unter
Während es Klein-, Mittel- und Großbetriebe einem Gewerbebetrieb zu verstehen ist!
sowohl bei Dienstleistungsbetrieben als auch Ziehen Sie hierzu ein Wirtschaftslexikon
bei Sachleistungsbetrieben gibt, gehören die zu Rate!
Betriebe, die Produkte herstellen, einzig und 7. Einzel-, Serien- und Massenfertigung
allein zu den Sachleistungsbetrieben. Auch sind bekannte Begriffe.
hier sind Kleinbetriebe (z.B. Klempnereien,
a) Erläutern Sie diese!
Dachdeckereien, Tischlereien etc.) ebenso
anzutreffen wie Mittelbetriebe (örtliche Brau- b) Machen Sie sich über Sorten-, Partie-
ereien) und Großbetriebe. und Chargenfertigung kundig!
Viele Betriebe sind miteinander verbunden. c) Warum hat die Massenfertigung im
Von einigen wissen wir, dass sie mehr als Laufe der Zeit ständig zugenommen
hundert Lieferanten haben, von den vielen und andere Fertigungen ersetzt?
Kunden ganz zu schweigen. Dann unterhalten
sie meist Konten bei verschiedenen Geldinsti-
tuten und sind bei einigen Versicherungsge- Auch die DMW AG unterhält vielfache Ge-
sellschaften gegen alle möglichen Risiken schäftsbeziehungen zu ihren Lieferanten und
(Feuer, Diebstahl, Brand, Unfall, Haftpflicht Abnehmern. Dabei spielen in- und ausländi-
etc.) versichert. sche Kontakte eine gleichgroße Rolle.

Abb. 6 a: Wirtschaftsbereiche
1. Grundlagen der Leistungserstellung 9

Hinzu kommen Geschäftsbeziehungen zu Aufgaben


Anwälten, Maklern, Marktforschungsinstitu-
8. Bitte verfolgen Sie in Abb. 6 a noch
ten, Werbeagenturen, zu Speditionen, zur
einmal den Warenstrom! Vielleicht sind
Deutschen Bahn AG und Telekom, zu Archi-
Sie in der Lage – ausgehend von einem
tekten, Luftfahrtgesellschaften, Softwarean-
forstwirtschaftlichen Betrieb –, die
bietern, Reisebüros usw.
Wohnmöbelherstellung eines kleinen In-
Abb. 6 a stellt zwar den Zusammenhang zwi- dustriebetriebes bis hin zum Verkauf an
schen Betrieben und Haushalten untereinan- Haushalte unter Berücksichtigung einiger
der vereinfacht dar, aber verdeutlicht doch, Dienstleistungsbetriebe zu verfolgen und
wie sie alle mit der Wirtschaft verflochten dem Warenstrom den Geldstrom gegen-
sind. Die Pfeile zeigen den Warenstrom an, überzustellen.
der von der Urproduktion über die Weiterver-
9. a) Sammeln Sie aus Zeitungen und
arbeitung (und bei ihr untereinander) zu den
Zeitschriften und möglicherweise aus
Haushalten verläuft. Die Linien zwischen den
Fachblättern (einiges bekommen Sie
Sektoren symbolisieren die weiteren Bezie-
bei Handels- und Handwerkskam-
hungen der Betriebe untereinander und die
mern) Beiträge über die Wirtschafts-
der Haushalte. Heute gewinnen die Betriebe
sektoren!
des tertiären Wirtschaftssektors angesichts der
Medienentwicklung zunehmend an Bedeu- b) Dem Konsumenten sind fast alle Ein-
tung. Dennoch nimmt in Deutschland die zelhandelsformen bekannt, weil er
Industrie den ersten Platz unter den Wirt- beinahe täglich mit einigen von ihnen
schaftssektoren ein. zu tun hat. Welche sind gemeint? Ma-
chen Sie Unterschiede klar!

Zusammenfassung
Die vielen Unterscheidungsmerkmale der Betriebe erschweren eine eindeutige Systematik.
Wichtig ist, dass einerseits nach Dienstleistungs- und Sachleistungsbetrieben unterteilt
wird und andererseits nach Betrieben, die den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren zuge-
rechnet werden. Primärsektor ist die Urproduktion, Sekundärsektor die Weiterverarbei-
tung, der Tertiärsektor umfasst Dienstleistungen.

Elektro Maschinenbau Chemie


Betriebe 3.317 6.051 1.861
in % der Industrie 6,9 12,5 3,8
Beschäftigte 819.000 884.800 444.345
in % der Industrie 13,4 14,4 7,2
Umsatz in Mrd. EUR 154,9 132,4 108,7
in % der Industrie: 11,5 9,8 8,1
je Beschäftigten in EUR: 189.133 149.638 244 630
Exportquote in %: 73** 68,20** 64,10**
Abb. 6 b: Ausgewählte Betriebe des Sekundärsektors der BR Deutschland 2003
10 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

1.3 Industriebetriebe

1.3.1 Abgrenzung zum Handwerk


Industriebetriebe sind Herstellungsbetriebe Hersteller 2003
mit einer für sie geeigneten technisch- Rang Hersteller Jan.-Dez 2003 Veränd. in %
organisatorischen Ausstattung. 1 Volkswagen 600.380 -0,7
2 Mercedes 369.099 -5,0
Soll der Industriebetrieb kurz beschrieben 3 Opel 332.737 -1,3
werden, so wäre vielleicht diese Aussage 4 Audi 238.742 -1,4
angebracht: 5 Ford 235.279 -11,2
6 BMW 227.922 0,8
Mit Hilfe von hochwertigen, oft automatisier- 7 Renault 204.344 -0,8
ten Maschinen, maschinellen Anlagen, Vor- 8 Peugeot 123.791 14,0
richtungen und Werkzeugen auf der Grundla- 9 Toyota 110.200 6,7
ge bis ins Detail durchdachter, arbeitsteiliger Abb. 7: Verkäufe der Konkurrenz für
Tätigkeiten werden Werkstoffe, Betriebsmit- Deutschland 2003
tel und Arbeitsleistungen sowie Informatio-
nen (zusammen als „input“ bezeichnet) im Aufgabe
Produktionsprozess zu neuen Gütern verarbei- 10. Versuchen Sie herauszufinden, was für
tet und als Sachgüter (an Haushalte und Be- weitere Einteilungsgesichtspunkte es für
triebe) veräußert („output“). Betriebe geben kann, und nennen Sie
Dabei fallen in vielen Industriebetrieben Ma- Beispiele für Ihre Vorschläge.
schinen ins Auge, die von Zentralen aus ge- Wenn Martin Kohlhausen, früher Vorstands-
steuert werden. Auch sind die zahlreichen sprecher der Commerzbank AG, auf sein neu-
Roboter bekannt – besonders in den Fabrika- estes Bauprojekt zu sprechen kam, geriet er fast
tionshallen der Autoindustrie eingesetzt –, die in Verzücken. Europas höchstes Bürogebäude
nur noch wenige Arbeitskräfte notwendig wird „ein Zeichen setzen für den Aufbruch ins
machen. Meist stehen diese an den Leitstel- nächste Jahrtausend“, schwärmte er.
len, das heißt jenen Orten, von denen die Der Turm postuliere nämlich, so der Bankma-
Fertigung gesteuert wird. Neu geschaffene nager, „eine Kombination von Wirtschaftlich-
keit und Erkenntnissen der Umwelttechnik“.
Industriebetriebe bedienen sich bei Errichtung
Alle Arbeitszimmer haben Tageslicht und
eines Werkes modernster Erkenntnisse des werden auf natürliche Art belüftet. Für die
Umweltschutzes, wie das im nebenstehenden Büros „des Ökohochhauses“ sind Kühldecken
Beitrag (siehe auch unter 5.4) – zwar an ei- geplant, durch die kaltes Wasser fließt. Sie
nem Beispiel aus dem Dienstleistungssektor – sparen Energie und belasten die Gesundheit der
verdeutlicht wird (siehe Abb. 8). Mitarbeiter weniger als eine herkömmliche
Klimaanlage. Zukunftweisend ist zudem die
Auch Handwerksbetriebe sind Herstel- hausinterne Mülltrennung und –entsorgung.
lungsbetriebe. Mit seinem Engagement für die Umwelt stand
Aber sie unterscheiden sich erheblich von In- Kohlhausen nicht allein: Auch die Deutsche
dustriebetrieben. Mag für viele der Unterschied Messe AG in Hannover hat ihre Halle 26 nach
in der Anzahl der hergestellten Produkte und einem neuartigen Konzept gebaut, das eine
Klimaanlage überflüssig macht. „Damit“,
möglicherweise in der Größe der Anlagen und
freute sich Vorstand Klaus Goehrmann, „wur-
ihrer typischen Gestaltung liegen. de das Motto der Weltausstellung 1998
„Mensch, Natur, Technik“ verwirklicht.

Abb. 8: Wie sich das Äußere der Be-


triebe ändert.
1. Grundlagen der Leistungserstellung 11

Wer aber tiefer in diese Frage eindringt, wird Aufgaben


feststellen, dass es viele Merkmale gibt, die
11. Welche Gewerke aus dem Handwerk
beide voneinander trennen.
kennen Sie? Beschreiben Sie deren Auf-
Hier seien weitere genannt: gaben in der Volkswirtschaft!
• Arbeitsteilung 12. Sehen Sie sich bitte Abb. 10 an, dabei
• Anlagenintensität handelt es sich um die Zentrierung eines
Motorgehäuses. Was sollte diese Art der
• Auftragsstruktur Zergliederung bewirken? Sie alle kennen
• Organisation der Leitung ein Fließband. Wird hier die gesamte Ar-
beit nur zergliedert, oder/und findet hier
• Organisation der Herstellung
ein weiterer Prozess statt, der der Zu-
• Erzeugnisprogramm sammenlegung?
• Mitarbeiterzahl und -qualität.
Zentrales Anliegen der Herstellungsbetriebe
ist die Produktion von Gütern. Ihr Mittelpunkt
ist also die Produktion selbst. Sie unterliegt
zahlreichen betrieblichen Einflüssen und
Entscheidungen. Andererseits beeinflusst sie
diese in großem Maße (siehe Abb. 9).
Dass die Ausprägungen im Handwerksbetrieb
weit weniger stark sind und dass es meistens
keine besonderen Abteilungen für die Organi-
sation, Finanzierung und für das Personal
gibt, liegt wegen der Größe und des Umsatzes
auf der Hand.
Abb. 9: Die besondere Stellung der
Der Begriff der Arbeitsteilung wird mit Produktion
Männern wie H. Ford und W. Taylor in Ver-
bindung gebracht. Sie waren es, die eine Zer-
gliederung der Arbeitsverrichtungen bis in
kleinste messbare Einheiten vorschlugen und
durchführten. Das erlaubte Produktionspla-
nern, Menschen, Werkstücke und Ablauf
aufeinander abzustimmen. Minutiös. Fließ-
band und Arbeitsstrecke waren die Resultate
ihrer Denkweise. Diese machten die hohen
Produktionszahlen erst möglich. Massenferti-
gung war das dazugehörige Schlagwort.
Schon hier sei darauf hingewiesen, dass die
gegenwärtige Entwicklung eine neue Rich-
tung aufgezeigt hat, weil die Fließfertigung
keine höhere Produktivität mehr erreichen
lässt. Lean Production ist das, was in vielen
Unternehmen Eingang gefunden hat, oft als
Lean Management bezeichnet oder als
Reengineering ausgewiesen. Abb. 10: Arbeitszergliederung
12 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Der Umwandlungsprozess hat sowohl in die Einiges über Lean Production


Verwaltung als auch in die Fertigung einge-
Lean Production meint eine Arbeitsor-
griffen. Waren es hier Teamarbeit und ganz-
ganisation, die ihre ersten Anfänge schon
heitliche Herstellung, sind es dort Hierarchie-
abbau und Eigenverantwortlichkeit der Abtei- im schwedischen Automobilkonzern Volvo
lungen (siehe Kapitel 4.7 u.a.). Auch heute im Frühjahr 1972 fand und durch Arbeits-
noch spielt die Arbeitsteilung und mit ihr die wechsel (Job rotation), Arbeitserweiterung
Zerlegung von Arbeitsgängen bis hin in Ar- (Job enlargement) und Arbeitsbereicherung
beitsgriffe (Arbeitszerlegung) eine große (Job enrichment) Bedeutung erlangte. Hin-
Rolle. Aber in vielen Betrieben werden die ter der Lean Production steht eine Füh-
Menschen mit ihr besser fertig, weil sie durch rungsphilosophie, die den Mitarbeiter in
die Teamarbeit entkrampft wird, und weil den Mittelpunkt des Unternehmens rückt.
die im Team arbeitenden Mitarbeiter durch So wurde zum neuen Opelwerk in Eisenach
ein ständiges Wechseln des Arbeitsplatzes ausgeführt:
innerhalb der Gruppe (job rotation) immer „Die Vordenker – und das ist ein wichtiges
wieder neu zur Arbeit motiviert werden.
Element der stark auf permanente Kommu-
Stumpfsinnigkeit – wie am Fließband –
nikation abzielenden Philosophie – sitzen
kommt auf diese Weise gar nicht erst auf.
nicht abgehoben auf Vorstandsetagen, son-
Die Anlagenintensität ist ein weiteres dern mitten unter ihren Mitarbeitern in einem
Merkmal, das den Unterschied zu Hand- riesigen Großraumbüro.“ Und mehr als je
werksbetrieben erläutern lässt. Handwerksbe- zuvor ist das Team eigenverantwortlich für
triebe sind überschaubar. Ihre Umsätze stehen die Qualität seiner Arbeit. Es ist dafür ver-
in keinem Verhältnis zu denen der Industrie-
antwortlich, dass die Folgegruppe, die das
betriebe. Sie arbeiten in Werkstätten oder
Werkstück weiter bearbeitet, einwandfreie
direkt am Produktionsort, der vom eigenen
Betrieb ausgelagert ist. Zu denken ist unter Produkte erhält. Damit ist jeder Fehler zu-
anderem an das Baugeschäft, das zusammen rechenbar und wird vermieden. Die besonde-
mit Subunternehmern, z.B. mit Tischlereien, re Bedeutung liegt also bei den selbstständi-
Dachdeckern, Klempnern, Elektrikern, Ein- gen Gruppen, die als Unternehmen im Un-
familienwohnhäuser errichtet. Oft sind die ternehmen (Profitcenter) arbeiten.
Bauteile zwar vorgefertigt, und das könnte
schon industriell organisiert sein, ein Großteil Die DMW AG hat bei einem Gesamtvermö-
des Hauses kann aber noch herkömmlich gen von 1,12 Mrd. EUR 328 Mio. EUR an
gemauert und errichtet werden. Dazu werden Sachanlagen ausgewiesen. Das macht circa
Werkzeuge, Mischmaschinen, Vorrichtungen, ein Drittel des Gesamtvermögens aus. Auch
Baugerüste u.a. benötigt, Betriebsmittel, de- diese Sachanlagen verschlingen jedes Jahr
ren Wert immer noch relativ gering ist. große Beträge. Und da auch die DMW stän-
Industrieunternehmen mit ihren Verwaltungs- dig größer geworden sind, weil das Produkt-
gebäuden, Werkshallen, Lagerräumen, Park- programm eine große Nachfrage nach sich
plätzen, Autoparks unterhalten Anlagen, de- zieht, musste bisher die Kapazität ständig
ren Wert in die Millionen und Milliarden geht erweitert werden. So waren die Investitionen
(Anlagenintensität). Und das hat Konse- auch im vergangenen Jahr erheblich (300
quenzen. Mio. EUR).
Hier sei nur einiges erwähnt. Wesentliche
Inhalte sind den Kapiteln Finanzierung und
Produktionswirtschaft zu entnehmen.
1. Grundlagen der Leistungserstellung 13

Zuerst einmal mussten all diese Sachgüter Aufgaben


angeschafft werden. Sie verschlangen Un-
13. Erklären Sie, welchen Einfluss die Ent-
summen an Geld. Oft werden sie durch Kredi-
wicklung und Forschung eines Industrie-
te finanziert. Manchmal im Wege des Lea-
betriebes auf die Herstellung nimmt! Wa-
sing. In jedem Fall binden sie Kapital und
rum kann es starke und weniger starke Ein-
kosten natürlich auch durch die Benutzung
flüsse geben? Halten Sie die in Abb. 9 dar-
Geld. Sie müssen nämlich ständig gewartet,
gestellten Pfeile für richtig? Wenn nein,
oft repariert werden. Ganz besonders Werk-
dann erläutern Sie Ihre Überlegungen!
zeuge, Vorrichtungen und maschinelle Anla-
gen sowie Kraftfahrzeuge und Transportmit- 14. Beschreiben Sie aus Ihren Vorstellungen
tel, z.B. Gabelstapler, verschleißen durch die die Tätigkeit an einer Arbeitsstrecke!
Benutzung. Auch das bezeichnet man als 15. a) Informieren Sie sich noch einmal
Kosten (Abnutzung). Je höher demnach der über die Begriffe
Wert dieser Sachgüter ist, desto höher sind
auch die Kosten. • Degression
Solche Kosten der Abnutzung werden Ab- • Abnutzung
schreibungen genannt. Der Begriff Abschrei- • fixe Kosten!
bungen ist auch in der Buchhaltung und im
• Nehmen Sie u. a. ein Fremdwör-
Steuerrecht zu Hause. Diese werden in der
terbuch zu Hilfe!
Regel als fixe (gleichbleibende) Kosten ange-
sehen. Jedes Jahr wird ein unveränderter Betrag b) Nennen Sie zwei weitere fixe Kos-
ausgeworfen und in die Preise eingerechnet. tenarten!
Nun haben fixe Kosten einen besonderen Cha-
rakter. Je größer der Ausstoß einer Unterneh- Ergänzung zu den Abschreibungen
mung ist, desto geringer ist der Anteil der fixen
Kosten an einem einzelnen Stück. Das leuchtet Bei Vermögensgegenständen des Anlagever-
auch schnell ein. Man spricht vom Gesetz der mögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist,
Massendegression. Hiermit ist nichts anderes sind die Anschaffungs- oder Herstellungskos-
gemeint, als dass der Fixkostenanteil bei zu- ten um planmäßige Abschreibungen zu ver-
nehmender Kapazitätsauslastung pro Stück mindern. Der Plan muss die Anschaffungs-
kleiner wird. (Genauer ausgedrückt kann man oder Herstellungskosten auf die Geschäftsjah-
sagen, dass sich die fixen Kosten auf das ein- re verteilen, in denen der Vermögensgegen-
zelne Stück degressiv verhalten.) stand voraussichtlich genutzt werden kann.
Ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung
Die hohen fixen Kosten erfordern demnach zeitlich begrenzt ist, können bei Vermögens-
eine Produktion in großen Mengen. Wenn gegenständen des Anlagevermögens außer-
nun der Absatz zurückgehen sollte, dann planmäßige Abschreibungen vorgenommen
steigt der Anteil der fixen Kosten pro Stück werden, um die Vermögensgegenstände mit
natürlich wieder an, weil sie als Kostensum- dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen
me gleich bleiben, sich nunmehr aber auf am Abschlussstichtag beizulegen ist. Sie sind
weniger Erzeugnisse verteilen. vorzunehmen bei einer voraussichtlich dau-
ernden Wertminderung.
14 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Und darin liegt die Unflexibilität von Groß-


betrieben. Statt dass sie bei zurückgehendem
Absatz die Preise senken, sind sie eigentlich
gezwungen, diese zu erhöhen, weil die Kosten
pro Stück gestiegen sind.
Kennzeichen von Industriebetrieben ist
neben der Anlagenintensität deren fehlen-
de Flexibilität. Das muss man sich merken.
Handwerksbetriebe unterhalten keinen umfas-
senden und teuren Maschinenpark. Wohl
verwenden sie auch Maschinen und Werk- Abb. 11: Ein Blick in eine Werkshalle
zeuge – denken wir z.B. an den Tischler, der
oft über automatische Hobelbänke und elekt- Mit dem Verhältnis von Sachanlagen zu dem
rische Sägen ebenso verfügt wie über das für Gesamtvermögen steht die DMW AG mit
ihn notwendige Werkzeug. Kleine Bauunter- anderen großen Automobilherstellern auf
nehmen benutzen eigene Mischmaschinen derselben Ebene. Auch sie unterhalten ein
und Gerüste, manchmal Kleinstaufzüge etc. großes Sachanlagevermögen mit circa einem
Der nicht sehr aufwendige Maschinen- und Drittel des Gesamtvermögens.
Werkzeugpark verringert die fixen Kosten
In einer Pressemitteilung des Jahres 2004 hieß
und macht den Handwerksbetrieb flexibel.
es: „Die DMW AG hatte 2003 finanzielle
Allerdings ist eine Vergrößerung des Betrie-
Mittel aufgebracht, um das Werk in Halle zu
bes dadurch oft begrenzt.
gründen und das Emdener Werk zu moderni-
Die Auftragsstruktur bei Industriebetrieben sieren. Im Stammwerk (Hannover) musste
ist variantenreicher als bei Handwerksbetrie- eine Formpresse durch eine neue Anlage
ben. Sie pendelt zwischen zwei Polen. Entwe- ersetzt werden. Die Gesamtsumme dieser
der handelt es sich um Massenfertigung, meist Investitionen betrug 300 Mio. EUR in den
im Rahmen der Fließfertigung und Automation letzten 5 Jahren erforderte die Investitionstä-
verwirklicht, oder um Kleinstserienherstellung tigkeit einen Mitteleinsatz von 1 Mrd. EUR.“
beziehungsweise um Einzelfertigung (Schiff-
Die Anlagenintensität der DMW AG ent-
bau). In der Regel produzieren Industriebetrie-
spricht der der Konkurrenz.
be für den anonymen Käufer.
Anders der Handwerksbetrieb. Er kennt sei-
nen Auftraggeber, hat mit ihm abgesprochen, Aufgabe
wie das Produkt aussehen soll, und wird die
ganz besonderen (individuellen) Wünsche 16. Eine automatische Fertigungsanlage
seines Kunden bei der Herstellung berück- wurde Anfang des Jahres in Betrieb ge-
sichtigen. Das verleiht dem Handwerksbetrieb nommen. Die Abnutzung dieser Ferti-
eine gewisse Existenzsicherheit in schlechten gungsanlage je Monat wurde auf 120 000
wirtschaftlichen Phasen. EUR geschätzt. Im Januar konnten nur
Die übrigen Unterscheidungsmerkmale sind 20.000 Stück mit ihr hergestellt werden,
in einer Tabelle kurz dargestellt. weil Maschinen und Personal noch im
Versuchsstadium arbeiteten. Im Februar
stieg die Ausbringung auf 40.000 Stück,
im März auf 44.000, im April auf 50.000.
1. Grundlagen der Leistungserstellung 15

Industrie Handwerk
Kapazität meist groß; Herstellung in Serien und meist begrenzt; Einzelprodukte
Massen
Käuferkreis anonym Individualnachfrage
Anlagen- hohes Anlagevermögen; Fertigungsma- relativ geringes Anlagevermögen;
struktur schinen Maschinen als Hilfsmittel
Arbeitskräfte unterschiedliche Quantitäten, bei auto- meist relativ wenig Arbeitskräfte (AK). Lehr-
Quantität und matischer Fertigung wenig Arbeitskräf- zeit (beruflich gut und lange ausgebildet)
Qualität te (AK), bei Fließbandfertigung sehr
viele AK beschäftigt, meist oben Tech-
niker, unten angelernte Kräfte
Produktions- verschiedene; Werkstattfertigung; weniger arbeitsgeteilt
verfahren sehr starke Arbeitsteilung
Art der Auf- hohe Aufwendungen für Instandhaltung geringe Abnutzungsaufwendungen, aber hohe
wendungen der Maschinen, hohe Abnutzungsauf- Personalausgaben, weil geschulte AK
wendungen
Erzeugnis- Einproduktunternehmen, Mehrprodukt- mehrere Produkte, Individualfertigung, Son-
programm unternehmen (verwandte Produkte, derwünsche
Baukastensystem)
Abb. 12: Wesentliche Merkmale zur Unterscheidung von Industrie und Handwerk

1.3.2 Betriebssysteme der a) Wie hoch waren die Abnutzungskos-


Industrie ten (Abschreibungen) pro Monat und
Stück?
Die Fabrik ist das modernste Betriebssystem
b) Wie hoch waren die durchschnitt-
der Industrie. In ihren unterschiedlichsten
lichen Abnutzungskosten pro Stück
Ausprägungsformen mit heute modernen
der in Frage kommenden Monate?
Stilelementen wie Glas, Stahl und Farbe ist
sie allen bekannt. Bei der Besichtigung der Federschleiferei erklärte der
Der Verlag kommt dem Handwerk am nächs- Metallmeister: „Alles, was hier liegt, ist Gold. Die Feder-
fertigung besteht aus 66 Arbeitsgängen und ist zu 80
ten. Zwischen Produktionsstätte und Absatz- Prozent reine Handarbeit. In der Stanzerei wird das
markt steht der Verleger. Dieser liefert seinen gelieferte Goldband gewalzt, gestanzt, mit Angaben über
Vertragsproduzenten Werkstoffe, Werkzeuge Federtypus und Karat sowie der Meterhöhe des höchsten
und Vorrichtungen und erteilt die Aufträge Alpengipfels „4810" gestempelt, geglüht und gepresst.
Der aus Iridium bestehende Federpunkt wird geschweißt
zum Herstellen. Meist holt er die fertigen und vorgeschliffen. Anschließend wird das aus 14 oder
Erzeugnisse von dort ab. Die Verbraucher der 18 Karat bestehende Goldstück in der Schleiferei auf die
auf diese Weise gefertigten Produkte sind gewünschte Schriftbreite zurechtgeschnitten, ausgegli-
anonym. chen, poliert und per Hand eingeschrieben. Acht limitier-
te Auflagen haben seit 1992 den Weg in Sammlerhände
Die Manufaktur ist eine Produktionsweise gefunden." Auch der Füllhalter, von dem hier die Rede
mit umfangreicher Handarbeit. Sie produziert ist, wird in dieser begrenzten Stückzahl hergestellt.
für den anonymen Markt. Sie unterhält aus- Kernstück ist die Feder. Sie auf die verschiedenen
Schriftbreiten einzuschleifen, ist fast künstlerische Ar-
gedehnte Produktionsstätten mit hohem beit. Kennzeichen der Manufaktur.
Anlagevermögen. Ihre Produkte sind in der
Abb. 13: Montblanc, die Feder aus der
Regel künstlerisch gestaltet (Porzellan).
Manufaktur (Quelle: Hambur-
ger Abendblatt)
16 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Abb. 14 Das Handwerk in der Volkswirtschaft

Handwerksbetriebe sind quer zu allen Bran- Aufgabe


chen als Hersteller und Dienstleister bzw.
17. Das Handwerk bildet auch heute noch
Händler tätig. Man unterscheidet mehrere
mehr junge Menschen im gewerblichen
Handwerksgruppen, u.a.: Holzgewerbe, Bau-
Sektor aus als es die Industrie tut. Was für
und Ausbauhandwerk, Metall- und Elektro-
eine Erklärung könnte es hierfür geben?
gewerbe, Gesundheitshandwerke und Körper-
pflege u.a.

1.4 Der innerbetriebliche Kreislauf eines Industriebetriebes


1.4.1 Die Prozesskette
Industriebetriebe sind Hersteller von Sachgü-
tern unterschiedlichster Art. Daher benötigen
sie ebenso unterschiedliche Sachanlagen, und
das sind unter anderem Maschinen, Vorrich-
tungen, Werkzeuge, Werkshallen, Verwal-
tungsgebäude, Fuhrparks etc. All diese Ge-
genstände werden bei Gründung bzw. nach
Gründung beschafft. Dafür ist Kapital nötig,
und dieses wird von Eigentümern und von
fremden Kapitalgebern aufgebracht. Man
spricht von Eigen- und Fremdkapital.
Manchmal bringen die Eigentümer Sachanla-
gen ein, sollten sie hierüber verfügen (z.B.
Kraftwagen). Meistens aber stellen sie ihr
Kapital in Form von Bargeld zur Verfügung.
Und das wird zum Teil für die Einkäufe der
Sachanlagen verwandt. Abb. 15: Einsatzfaktoren (Betriebsele-
mente) im Betriebsprozess
1. Grundlagen der Leistungserstellung 17

In der Betriebswirtschaftslehre wird von Be- Beispiele:


triebsmitteln gesprochen. Nun ist es damit
Ausgewählte Werkstoffe der DMW AG bei
natürlich noch nicht getan. Die Herstellung
der Herstellung ihrer Personenwagen
von Gütern setzt Werkstoffe voraus, die – je
nach Art des Produktes und nach den Ferti- Innenraum
gungsverfahren – umgeformt, umgewandelt Instrumententafel, Zeituhr, Rückspiegel, Son-
oder veredelt werden. Dass dazu Menschen nenblenden, Spiegel, Luftdüsen, Hupe, Blin-
gebraucht werden, ist selbstverständlich. Das ker- und Fernlichtanzeige, Lenkrad, Gaspe-
Verwaltungspersonal z. B. im Einkauf sorgt dal, Handbremshebel, Bremspedal, Kupp-
für die pünktliche Anlieferung der Werkstoffe lungspedal, Kilometerzähler, Drehzahlmesser,
und Teile, das technische Personal in der Öldruckwarnleuchte, Fernlichtanzeige, Sitze,
Herstellung für die Planung des Fertigungs- Rücksitzbank, Kopfstütze, Sicherheitsgurt,
prozesses, und das heißt unter anderem, wel- Armstütze, Führungsschienen für die Sitze,
che einzelnen Werkstätten eingesetzt und auf Rückenlehne, Gurtverschlüsse, Armstützen in
welchen Maschinen die Werkstoffe be- und der Tür, Seitenspiegelverstellhebel, Scharnie-
verarbeitet werden. Der gesamte Betriebspro- re für die Türen, Türverkleidung, Türsiche-
zess und – hier insbesondere – der Ferti- rungsknöpfe u.a.
gungsprozess werden organisiert. Ohne eine
Motor
sinnvolle Organisation wird ein reibungslo-
ser Ablauf unmöglich. Lüfter, Kolbenringe, Kurbelwelle, Keilrie-
men, Kolben, Schwungrad, Lichtmaschine,
Die Arbeitnehmer sind in der Prozesskette die
Nockenwelle, Einspritzdüse, Zündverteiler,
wichtigste Größe, auch wenn die Technisie-
Auspuffkrümmer, Riemenscheibe, Ventilfe-
rung so fortgeschritten ist, dass vielfach auf
dern, Kompressor etc.
Menschen verzichtet werden kann. Heute
wird das Arbeitskräftepotential anders bewer-
tet als früher. Immer wieder und fast überall Ergänzungen zur Kombination der Ele-
hört man, dass neue Organisationsformen der mentarfaktoren
Arbeit, die den Arbeitskräften mehr Verant- Abb. 16 soll noch einmal verdeutlichen, dass
wortung übertragen, zu einer veränderten der Produktionsprozess auf der Basis der Ele-
Unternehmenskultur geführt haben. So wird mentarfaktoren abläuft. In jedem Sektor des
beim Staat nicht mehr nach Arbeitern und Betriebes, also in seinen großen Organisations-
Angestellten unterschieden, eine Entschei- bereichen „Beschaffung, Produktion und Ab-
dung, die sich auch in der Privatwirtschaft satz“, aber auch in anderen bedeutenden Teilen
durchsetzen wird. des Betriebes, z.B. im Personalwesen, im
Die Herstellung dauert manchmal nur Stun- Rechnungswesen – Abteilungen, die hier nicht
den, manchmal Tage, vielleicht aber sogar ausgewiesen sind, um die Abbildung nicht zu
Wochen und Monate. Die Herstellung eines kompliziert zu machen –, werden die Betriebs-
Öltankers z.B. mehr als ein Jahr. Das Ergeb- elemente (Elementarfaktoren) zusammenge-
nis der Produktion sind die Güter, die veräu- führt. Mal sind es alle Faktoren, mal fehlen
ßert werden sollen. Sie werden als Fertig- Werkstoffe, mal sind es qualitativ hochwertige
erzeugnisse bezeichnet. Bei ihnen handelt es Betriebsmittel wie Steuerungsanlagen, mal
sich um absatzreife Produkte. Im Gegensatz sind es nur einfache Werkzeuge, mal benötigt
dazu gibt es unvollendete Produkte, also Er- man erfahrene Fachleute, mal kann man „New-
zeugnisse, die noch nicht fertiggestellt oder comer“ einsetzen. Jeder Bereich ist auf seine
zwischengelagert werden. Sie heißen unferti- Weise kombiniert. Aber letztlich ist der gesam-
ge Erzeugnisse. te Prozess aufeinander abgestimmt.
18 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Wird für den anonymen Markt produziert – So legt sich eine Organisation wie ein Netz
also bei Massenerzeugnissen und Serienpro- über das gesamte Unternehmen, verbindet
dukten –, dann werden sie bis zum Verkauf Abteilungen miteinander und schafft Bezie-
gelagert (Nachlagerung). Schließlich gelan- hungen zu den Arbeitsplätzen mit Regeln, die
gen sie zu den Kunden. Oft über Groß- und für alle verbindlich sind. Nach außen tritt die
Einzelhändler, oft direkt. Mit diesen Aussa- Organisation als Firma mit einem Namen in
gen sind die für die Produktion notwendigen Erscheinung.
Faktoren – in der Betriebswirtschaftslehre als
Elementarfaktoren bezeichnet (menschliche
Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werk-
stoffe) – noch nicht ganz vollständig aufge-
zählt. Es fehlt als weitere Größe ein Informa-
tionssystem, das sich durch alle Abteilungen,
zu allen Arbeitsplätzen, einschließlich denen
der Leitung, zieht. Wie ein Büro im einzelnen
ausgestattet ist, mit welchen Geräten gearbei-
tet wird, welche Formulare wann und wo
eingesetzt werden, wie Nachrichten weiterge-
leitet und Anweisungen erteilt werden, ist in
diesem Zusammenhang nicht wichtig. Wich-
tig aber ist, dass alle Faktoren aufeinander
abgestimmt sein müssen (Kombination), damit
der Prozess reibungslos abläuft. Kein Betrieb
kann es sich nämlich leisten, dass bei Ausfall
einer Maschinenanlage das ganze Unterneh-
men stillgelegt wird. Ersatzanlagen stehen Abb. 16: Die Kombination der Betriebs-
daher meist bereit. Für viele Eventualfälle elemente mit Abteilungsver-
werden vorher Konzepte ausgearbeitet, die je knüpfung am Beispiel der
nach Art des Geschehnisses realisiert werden. DMW AG
Dass es allerdings immer wieder zu Pannen und
Fehlentscheidungen kommt, liegt daran, dass
die verantwortlichen Planer nicht alle Einflüs-
se und Möglichkeiten voraussehen können. Aufgaben
1.4.1.1 Organisation in der 18. Sehen Sie sich bitte noch einmal Abb. 16
Prozesskette an! Was besagen die Pfeile, die sich
Die hier erwähnte Kombination der Elemen- durch die Einzelsektoren ziehen?
tarfaktoren läuft natürlich nicht von selbst und 19. Man nennt den Betriebsprozess auch
ohne Zwischenfälle ab. Wertbildungsprozess. Versuchen Sie zu
erläutern, was man sich hierunter vorstel-
len könnte!
1. Grundlagen der Leistungserstellung 19

Die Organisation setzt das um, was die Lei- Zur Produktqualität
tung und die entsprechenden Mitarbeiter
Mehr denn je scheint in der Gesellschaft Qua-
geplant haben. Damit jeder einzelne seine ihm
lität der Produkte gefragt zu sein. Ein moder-
zugewiesenen Aufgaben auch erfüllt, damit
nes Qualitätsprodukt hat es leichter, am Markt
die Reihenfolge der Abläufe eingehalten wird.
platziert zu werden; es ist haltbarer, reparatur-
Mehr noch. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
unanfälliger und erzielt höhere Wiederver-
der Organisationsabteilungen suchen ständig
kaufswerte. Da lassen sich die Betriebe die
nach Verbesserungen. Für Belegschaft und
Qualitätskontrolle im eigenen Hause schon
einzelne Mitarbeiter werden Arbeitsplatzbe-
etwas kosten.
schreibungen, Explosionszeichnungen der
Erzeugnisse, Stücklisten für die Teile, Lauf-
karten, Arbeitszeitregelungen, Betriebsver-
einbarungen, Teamordnungen u.a. entwickelt,
die den reibungslosen und möglichst schnel-
len Prozess unterstützen, weil sie ihn durch-
sichtig machen.

1.4.1.2 Die Leitung als oberstes


Organ der Prozesskette
Man kann sich gut vorstellen, welche große
Verantwortung diejenigen tragen, die all das
austüfteln (planen) und das Gerüst eines Be-
triebes bestimmen, in dem und nach dem
gearbeitet wird. Der Leitung zur Seite stehen
Abteilungen, die extra hierfür eingerichtet Abb. 17: Auto Bild macht Vorschläge
werden. Sie sind mit Fachleuten besetzt, ha- zur Qualitätsverbesserung
ben aber nur beratende Funktion. Man nennt (Quelle: Auto Bild)
sie Stababteilung. Trotz der Hilfe bleibt der
Leitung eine endgültige Entscheidung über Die DMW haben es sich zur Aufgabe ge-
die Struktur und den Ablauf eines Unterneh- macht, auch ihre Klein- und unteren Mittel-
mens vorbehalten. Daher wird sie auch als klassewagen mit höchster Qualität auszustat-
besonderer Elementarfaktor hervorgehoben ten. Sie haben daher – ebenso wie Ford – auf
(siehe Abb. 66/67). die japanische Herausforderung geantwortet.
Ein Weg dazu sind die Standards, die vom
Lieferanten gefordert werden.

Zusammenfassung
Das Betriebsgeschehen ist ein sich ständig erneuernder Prozess. In ihm werden die Elemen-
tarfaktoren „menschliche Arbeitskräfte“ (Belegschaft und Leitung), Betriebsmittel, Werk-
stoffe und Informationen auf der Basis von Leitungsentscheidungen kombiniert. Er bringt
Güter und Dienstleistungen nach bestimmten Regeln hervor. Je kürzer die Durchlaufzeit ist,
desto produktiver ist ein Unternehmen. Die fertiggestellten Erzeugnisse wandern meist in
die Nachlagerung, von dort über den Verkauf zum Kunden. Die Prozesskette ist ein Wert-
bildungsprozess, weil aus den Werkstoffen neue Produkte entstanden sind.
20 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

1.4.2 Der Geldprozess Der Q1 Award von Ford. „Es ist ein Geschäftsgrundsatz
von Ford, Geschäftsbeziehungen nur mit solchen Liefe-
Dem „Strom“ aus Gütern und Leistungen von ranten zu unterhalten, die ständig danach streben, ihre
Qualität zu verbessern und ihre Produktivität zu stei-
der Beschaffung zum Absatz – ein Halbkreis- gern.“ Mit diesem Satz leitet das Corporate Quality
lauf also – wird der Geldstrom gegenüberge- Office der Ford Motor Company seinen „Leitfaden Q1 –
stellt. Er verläuft genau entgegengesetzt. Das Qualitätsauszeichnung für Kaufteillieferanten“ ein. Der
Geld wird beim Absatz vereinnahmt, wenn Leitfaden erläutert die weltweit gültigen Auswahlkrite-
rien und Prüfstandards (Q 101a und Q 101b), nach denen
Kunden die Rechnungen begleichen. Und es Lieferanten des Automobilherstellers als „bevorzugt“,
wird der Kasse (Kassenhaltung) zugeführt, „geeignet“ oder „ungeeignet“ eingestuft werden.
von wo aus die nachrückenden Werkstoffe Lieferanten, die als „bevorzugt“ beurteilt werden und die
bezahlt werden können. Auch die übrigen Q1-Auszeichnung (Q1 Preferred Quality Award) erhalten
wollen, müssen eine Reihe von Mindestanforderungen
Faktoren werden entgolten. Die Arbeitnehmer erfüllen, beispielsweise
erhalten meist am Monatsende ihr Gehalt, • bei der „Systemüberprüfung“ (vom Einkauf über die
Miete dagegen wird im voraus fällig. Produktion bis zum Kundenservice) in 20 Kategorien
wenigstens 160 von 200 möglichen Punkten erreichen
Wie auch immer: Das Geld wird für betriebli- • dieses Niveau vor der Auszeichnung ein halbes Jahr
che Zwecke eingesetzt. Hier dient es zur Auf- lang dauerhaft und ohne jede Beanstandung beibehal-
rechterhaltung der Prozesskette und stammt ten haben
von den Kunden. Bei Gründung müssen es • ein hohes „Qualitätsbewusstsein der Führungskräfte“
nachweisen.
die Eigentümer und Kreditgeber aufbringen,
um den Prozess überhaupt in Gang zu setzen. Abb. 18: Qualitätsstandards (Quelle:
manager magazin)

Wertbildungsprozess
istungss
rle
te

tro

Güter und
Geld
Leistungen

Geld Güter

Ge
Wertverteilungsprozess ldstrom

Abb. 19: Die entgegengesetzten Halbkreisläufe, der Güter- und Leistungsstrom im Wert-
bildungsprozess und der Geldstrom im Wertverteilungsprozess
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 21

Fließt mehr Geld in das Unternehmen zurück Die DMW AG erzielt ihre Einnahmen durch
als Ausgaben anfallen werden, dann können den Verkauf ihrer drei Autotypen „Single“,
neue Pläne geschmiedet werden. So kann man „Shopper“, „Sporty“. Von den Einnahmen
z.B. neue Maschinen kaufen, die entweder die (Umsatz 900 Mio. EUR) müssen 9.400 Mit-
Kapazität erhöhen oder die die Fertigung arbeiter bezahlt werden. Die Ausgaben für
modernisieren. Beides zum Vorteil für den Werkstoffe, Energie und Investitionsgüter
Betrieb. Dass sich mit der Durchführung der waren im vergangenen Jahr beträchtlich. Sie
Entscheidung die Kombination ändert, wird werden sicher auch das nächste Jahr belasten.
deutlich.
Kaufleute und Betriebswirte sprechen – wenn Aufgaben
sie vom Geldprozess im Betrieb reden – vom
Wertverteilungsprozess, weil das eingehende 20. In der Presse ist folgendes bekannt gewor-
Geld sozusagen auf die Betriebselemente auf- den: „Mittlerweile laufen die Opelrückrufe
geteilt oder auf sie verteilt wird. Soundso viel 3 und 4. Erst war es der Tankstutzen, dann
bekommen die Mitarbeiter und die Leitung, so der Airbag links, jetzt der Benzinschlauch
und so viel muss für neue Werkstoffe aufge- im Motor.“ (Quelle: Auto Bild).
wandt werden, so und so viel kosten Werkzeu- Welche Folgen wird das für den großen
ge und Vorrichtungen, Maschinen und Fahr- deutschen Autohersteller – jedenfalls
zeuge, so und so viel ist für Reparaturen fällig, kurzfristig – haben?
so und so viel verschlingt die Miete etc.
21. Prüfen Sie, wie viel Bargeld laut Bilanz
Für alles wird Geld beansprucht. Es verlässt der DMW AG zur Verfügung stand! Fin-
den Betrieb. Damit ist der Kreislauf dann den Sie in der Bilanz weitere Positionen,
geschlossen. die dem Unternehmen zu Bargeld verhel-
fen, damit es seine künftigen Ausgaben
decken kann!

2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher
Betriebe

2.1 Betriebliches Erstziel (Primärziel)

2.1.1 Bedeutung des Gewinns

Erwerbswirtschaftliche Betriebe sind solche Die DMW AG verzeichnete im Jahre 2003


Betriebe, die auf Dauer Gewinn erzielen wol- einen Gewinn – laut Gesetz wird er Jahres-
len. überschuss genannt – von nur 24 Mio. EUR,
Als gewerbliche Tätigkeit gilt nicht gelegentli- ein geringer Betrag, wenn man den Umsatz
che Betätigung (Gablers Wirtschaftslexikon). von knapp über 1 Mrd. DM betrachtet oder
das gesamte Eigenkapital in Augenschein
nimmt.
22 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Sie stellen den größten Teil aller Betriebe in Eine nähere Beschäftigung mit diesen Zahlen
unserer sozialen Marktwirtschaft. Daneben erfolgt im Kapitel Finanzierung – und hier
gibt es solche, die einzig und allein auf Be- besonders im Rahmen der Selbstfinanzierung
darfsdeckung aus sind, und solche, die für – und soll daher nicht weiter verfolgt werden.
sich und ihre Mitglieder Vorteile erwirtschaf-
ten wollen. Düsseldorf - Die Adam Opel AG ist 2003 noch tiefer in
Der Gewinn gilt als Antriebsmotor unserer die roten Zahlen gefahren. Das Minus in der Bilanz des
Rüsselsheimer Automobilherstellers stieg von 227 Mio.
Wirtschaft. So setzen Betriebsgründungen
Euro 2002 auf 384 Mio. Euro.
meist voraus, dass diejenigen, die das Kapital Als Grund für den hohen Verlust nannte er schwierige
hierzu bereitstellen, Geld verdienen wollen, Bedingungen im westeuropäischen Markt und die Kauf-
und das heißt Gewinne erwirtschaften, die zurückhaltung der Verbraucher.
Frankfurt - Der Stuttgarter Sportwagenhersteller Por-
eine gute Verzinsung mit sich bringen. Be-
sche hat offenbar im abgelaufenen Geschäftsjahr 2002/03
triebe, die Gewinne erzielen, werden als ren- vor Steuern einen Rekordgewinn von gut 950 Mio. Euro
tabel bezeichnet. Um rentable Betriebe ver- eingefahren. Dies entspreche einer Bruttorendite von 17
gleichbar zu machen, werden die Gewinne Prozent, berichtete „Der Spiegel" unter Berufung auf
namentlich nicht genannte Porsche-Manager. „Gesünder
mit dem eingesetzten Kapital in Beziehung
kann eine Firma nicht sein", zitierte das Magazin zudem
gesetzt. Zunächst soll sich hier auf das Eigen- Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. „Wir leiden auf
kapital beschränkt werden. Die so ermittelte hohem Niveau", fügte der Vorstandsvorsitzende von
Kennziffer heißt Rentabilität. Genau gesagt: Porsche – angesichts der schwachen Konjunktur und des
ins Stocken geratenen Verkaufs der Sportwagen – hinzu
Eigenkapitalrentabilität.
Nun soll der Gewinn nicht irgendeine Höhe Abb. 20: Gewinn- und Verlustrechnungen
haben, sondern er soll hoch ausfallen. In vie- 2003 Opel/Porsche (Die Welt)
len Büchern wird vom Maximalgewinn ge-
sprochen. Dennoch scheint es sinnvoller zu
sein, auch mit einem angemessenen Gewinn
zufrieden zu sein, und seine Höhe sollte eben Aufgabe
so bemessen sein, dass sie über derjenigen
liegt, die bei Investition des gleichen Betrages 22. a) Wie würden Sie zur Zeit ererbte
bei einer Bank herauskommt, und das über 1.000 EUR anlegen? Holen Sie bei
Jahre hinweg. Kreditinstituten Vorschläge ein!
Da die Zukunft aber nicht voraussehbar ist b) Zwei Freunde stritten miteinander.
und einige wirtschaftliche Entwicklungen nur Der eine sagte, er habe 500 EUR
abgeschätzt werden können, haben manche verdient. Der andere meinte, er müs-
Gründer von Betrieben und manche Geldge- se sich mit 200 EUR begnügen, dies
ber nach ersten Erfolgsjahren große Enttäu- sei aber viel rentabler. Wie wird er
schungen erleben müssen, weil der Gewinn das begründen?
spärlicher floss oder ganz versiegte. Ein Un- c) Suchen Sie bitte in diesem Buch und
ternehmen dann gleich aufzulösen, ist aller- in wirtschaftswissenschaftlicher Lite-
dings keine Alternative, oftmals gibt es ande- ratur nach weiteren Begriffen der
re Möglichkeiten zur Existenzsicherung. Rentabilitätsrechnung.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 23

2.1.2 Der Gewinn Leistungs- Neutrale


gewinne Gewinne
Grundsätzlich lassen sich drei Gewinnbegriffe
herausstellen:
entstehen durch entstehen durch
• Leistungsgewinn (Leistungserfolg) Herstellung und besondere
Verkauf der Geschäfte
• neutraler Gewinn (neutraler Erfolg) produzierten (Wertpapieran- und
Erzeugnisse -verkäufe)
• Gesamtgewinn (Gesamterfolg), als Un-
ternehmensgewinn bezeichnet.
Unternehmens-
2.1.2.1 Leistungsgewinn gewinne

Industriebetriebe erzielen Gewinne durch den


Verkauf ihrer Produkte. In diesem Fall wird ermittelt aus allen
vom Leistungsgewinn (Gewinn aus der be- erzielten Erträgen
und allen
trieblichen Leistung) oder vom Leistungser- Aufwendungen
folg gesprochen. Es ist der Gewinn aus der
betrieblichen Zwecksetzung. Er sollte den
enthalten
wesentlichen Teil des Gesamtgewinnes (Ge-
samterfolg) ausmachen.

2.1.2.2 Neutraler Gewinn und Arbeitsentgelt Zinsen für das Restgewinn,


(Unternehmer- eingesetzte nachdem
Gesamtgewinn lohn) für de Eigenkapital Unternehmer
unternehme- einschließlich und Kapital
Neben diesem Gewinn können auch andere rische Arbeits- Risikoprämie bereits
Geschäfte Gewinn bringen. Zum Beispiel, leistung entgolten sind.
wenn ein Grundstück teurer verkauft wird als
es an Wert ausweist oder wenn im Betriebs- Abb. 21: Gewinnarten und Gewinn-
besitz befindliche Wertpapiere mit Gewinn zuordnungen
veräußert werden können. Diese Art des Ge-
winns nennt man neutralen Gewinn oder Aufgabe
neutralen Erfolg. Beide addieren sich zum
23. a) Von welchen außerbetrieblichen
Gesamtgewinn (Gesamterfolg), der auch
Größen und Einflüssen hängt der
Unternehmensgewinn oder „Gewinn“ heißt
Gewinn ab?
(siehe Abb. 21).
b) Was ein Betrieb mit dem „Restge-
2.1.2.3 Verzinsung winn“ (Abb. 22) anfängt, ist seine
Sache. Die DMW haben einen Teil
Meistens wird der Gewinn (Gesamtgewinn)
für die Eigentümer vorgesehen, den
zu dem Eigenkapital in Beziehung gesetzt,
diese als Dividende bar erhalten. Ei-
womit die Eigenkapitalrentabilität ermittelt
nen weiteren Teil bilden sie als
wird. Sie wird Rentabilität genannt. Ebenso
Rücklage für Eventualfälle. Mögli-
lässt sich aber auch der Leistungsgewinn mit
cherweise wird ein letzter Teil an
dem Kapital in Verbindung bringen. Nur
Arbeitnehmer ausgeschüttet. Somit
muss es das Kapital sein, das die betriebliche
sind mehrere Möglichkeiten zur
Leistung auch hervorgebracht hat. Man nennt
Verwendung des Restgewinns aufge-
es betriebsnotwendiges Kapital.
zeigt. Welche Unterschiede stellen
Sie fest? Könnten Sie eine weitere
Verwendungsart finden?
24 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Wer den Gewinn mit dem Gesamtkapital Beispiel:


(Eigen- und Fremdkapital) verknüpft, will
Einfache Rentabilitätsberechnung
Antwort auf die Frage haben, wie rentabel der
Einsatz dieses Kapitals gewesen ist (siehe Eingesetztes Eigenkapital 50.000 EUR
Abb. 24). Erzielter Gewinn 4.000 EUR
In allen Fällen bezieht man sich auf ein Jahr. Gewinn × 100
Es ist meist die Arbeitsperiode der Betriebe.
R[EK ] = Eigenkapit al
4000 × 100
2.1.2.4 Interesse am Gewinn R[EK ] = 50000
Der Gewinn eines Unternehmens stößt auf R[EK ] = 8%
vielfaches Interesse. Er interessiert
Das eingesetzte Eigenkapitel hat sich hier-
• die Unternehmer selbst
nach mit 8 % verzinst. 8 % stellen die Renta-
• die Eigentümer, z.B. Aktionäre bilität dar.
• die Leitungsorgane
• die Mitarbeiter
• die Kreditgeber
• die Finanzämter (Staat)
• die Lieferanten
• die Controller etc.
Warum ist das so? Alle haben unterschiedli-
che Auffassungen über den Gewinn.

2.1.2.5 Unternehmer und


Eigentümer
Der Unternehmer ist zugleich Eigentümer des Abb. 22: Gewinnverwendungen
Unternehmens. Nach Auffassung von Wirt-
schaftspraktikern und vielen -theoretikern
steht der Gewinn ihm zu. Begründet wird dies
so: Er hat nämlich das Eigenkapital bereitge-
stellt. Außerdem wird er Geld für seine Tätig-
keit verlangen. Und die wird aus dem Gewinn
entgolten. Auch wird er Teile des Gewinns
für Investitionen zurückhalten, um die Kapa-
zität zu erweitern, Arbeitsplätze zu sichern
und die Existenz des Betriebes zu erhalten. Es
gibt hierzu aber auch viele andere Meinungen
(vgl. hierzu Seite 49, Die Mitbeteiligung der
Arbeitnehmer).

Abb. 23: Umsatzrenditen


2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 25

Rentabili- Berechnung Berechnungsweg Bedeutung


tätsart
Rentabilität auf G* × 100 Ermittlung des Unterneh- Aus der R ersichtlich,
das Eigenkapital
=
R[EK ] = EK
mensgewinnes (G) aus der
Differenz von Erträgen und
wie das eingesetzte Kapi-
tal der Eigentümer bzw.
Eigenkapitalren- Aufwendungen. Danach des Unternehmers verzinst
tabilität R Inbeziehungsetzen dieses wurde.
Gewinnes (G) zu dem Eigen-
kapital (EK).
Gesamtkapitalre (G + FKZ ) × 100 Ermittlung des Unterneh- Durch die Addition der FKZ
ntabilität = R R[GK ] = GK
mensgewinnes. Addition der und durch die Division
Fremdkapitalzinsen (FKZ). (GK) kann ersehen wer-
Inbeziehungsetzen des Er- den, wie sich das Gesamt-
gebnisses zu dem Gesamtka- kapital verzinst hat. Auch
pital (GK). wird deutlich, ob der Ein-
satz des Fremdkapitals
zusätzlich Gewinn er-
wirtschaften ließ (Über-
prüfung: Leverage-Ef'fekt).
Umsalzrentabili- LG × 100 Ermittlung des Umsatzes aus R lässt den Umsatzge-
tät R[U] = Umsatz
der Korrekturen (Rabatte winn ermitteln, der lediglich
=R u.a.). Bildung des Zählers durch die Verkäufe erzielt
durch Errechnung des Ge- wurde. Oft als Vergleichs-
winns aus den Verkäufen ab- grundlage zu anderen
züglich der Kosten. Ergebnis: Betrieben hinzugezogen.
Leistungsgewinn.
Rentabilität auf (LG + FKZ ) × 100 Ermittlung des Leistungsge- Durch die Ermittlung des
das betriebs- R[bnK ] =
bnK
winns (LG), Addition der FKZ, LG und Addition der FKZ
notwendige die für die Leistungserstellung und durch Division mit bnK
Kapital R aufgewandt wurden. Division wird überprüft, ob sich das
durch bnK = Kapital, das der Hauptziel des Unterneh-
Leistungserstellung dient. mens erfüllt hat.

* Gewinnarten siehe Abb. 25


Abb. 24: Rentabilitäten

Nun gibt es Menschen, die nur ihr Geld in Die DMW stellen eine Aktiengesellschaft
einem Unternehmen anlegen (z.B. Aktionäre), (AG) dar. Ihr Vorstand leitet das Unterneh-
ohne es zu leiten und in der Leitung mit- men. Vorstände sind keine Eigentümer. Sie
bestimmen zu wollen. Sie sind Eigentümer haben daher auch keinen Anspruch auf eine
und ausschließlich an einer hohen Verzinsung Verzinsung.
(Rendite) interessiert.
Aufgabe
2.1.2.6 Leitungsorgane
24. Die DMW hatten 2005 durch den Ver-
Die Unternehmensleitung, die nicht zugleich kauf ihrer PKW 130 Mio. EUR verdient.
Eigentümer ist (Manager), z.B. der Vorstand Hinzu kamen 20 Mio. Gewinn aus dem
in einer Aktiengesellschaft, eventuell Ge- Verkauf einer nicht genutzten Lagerhalle.
schäftsführer einer GmbH, würde am liebsten Das gesamte Eigenkapital belief sich auf
alle Gewinne im Unternehmen belassen. Das 456 Mio. EUR.
liegt daran, dass sie ihre Politik ganz dem
Unternehmen verschrieben haben. Sie wollen a) Wie hoch war die Eigenkapitalrenta-
seine Kraft stärken, gegebenenfalls die Macht bilität ( R[EK ] ). Sie ist eine Signal-
ausbauen und vor allen Dingen die Existenz kennziffer (vgl. 2.1 – 2.9). Was
des Unternehmens für die Zukunft absichern. meint man damit?
26 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

neutrale
Aufwendungen
neutrale Ergebniszahlen aus
Erfolge nicht
zweckbezogenen
neutraler Gewinn Vorgängen
(neutraler Erfolg)
Gesamt-
gewinn = G
Unternehmens- Leistungsgewinn
gewinn (U-K)
(Leistungserfolg)

Ergebniszahlen aus
Umsätze durch der Zwecksetzung
Kosten für die den Verkauf des Unternehmens
verkauften der
Erzeugnisse hergestellten
=K Erzeugnisse
(auch
Umsatzerträge
genannt) = U

Abb. 25: Gewinnberechnung (vereinfacht)

Insofern unterscheiden sie sich nicht von b) Das Unternehmen hatte für die Pro-
Unternehmern selbst. Der Unterschied ist nur duktion und deren Vertrieb insge-
der, dass Unternehmer eben auch Eigentümer samt an Kapital ca. 650 Mio. EUR
des Unternehmens sind. Geht ein Unterneh- eingesetzt. In diesem Kapital sind
men in Konkurs, verliert der Eigentümer nur solche Titel enthalten, die unbe-
sozusagen Haus und Hof, der Vorstand in dingt für den Prozess und Verkauf
einer Aktiengesellschaft seine Stellung. Das benötigt wurden (betriebsnotwendi-
Verlustrisiko tragen letzten Endes immer ges Kapital). Wie hoch war seine
diejenigen, die das Kapital zur Verfügung Verzinsung? Vergleichen Sie beide
gestellt haben, und die Mitarbeiter, die ihren Zinssätze! Welche Schlüsse ziehen
Job verlieren. Den Managern geht es genauso. Sie daraus?
c) Das in der Bilanz ausgewiesene Ge-
2.1.2.7 Mitarbeiter und Controller samtkapital hatte seinerzeit (2002)
Auch die Mitarbeiter verfolgen die Gewinn- ein Volumen von 950 Mio. EUR. An
entwicklung ihres Betriebes mit Interesse, Fremdkapitalzinsen wurden 10 Mio.
sofern ihnen die Zahlen bekannt sind. Denn EUR abgeführt. Versuchen Sie nun,
der Gewinn ist schließlich auch Ausdruck die Gesamtkapitalrendite zu ermit-
ihrer Arbeitsleistung. Ein guter Gewinn lässt teln!
auf Tantiemen hoffen, und er wird, wenn er d) Im März 2006 rechneten die Planer
gut angelegt ist, das Unternehmen stärken und mit einem Umsatz von 190 Mio.
damit die Arbeitsplätze sichern. EUR. Als Leistungserfolg (Umsatz-
erfolg) werden 3,8 Mio. EUR veran-
schlagt. Wie hoch wird die Umsatz-
rendite sein?
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 27

Controller haben ihr Augenmerk eher auf die Aufgabe


Quellen des Gewinns gerichtet. Woher
25. a) Welche Bedeutung hat nach Ihrer
stammt er? Handelt es sich vornehmlich um
Meinung und unter Einbeziehung
Gewinne aus dem Verkauf der Produkte?
von Abb. 26 der Gewinn für alle
Wenn ja, dann ist der Zweck des Unterneh-
Gruppen der Gesellschaft?
mens weitgehend erfüllt. Stammt der Gewinn
aus neutralen Quellen? Dann ist er meist b) Aus der Abbildung lassen sich die
kurzfristiger Natur, und dann werden die Funktionen des Gewinns ablesen.
Controller Vorschläge unterbreiten, welche Welche sind es?
Veränderungen nötig sind. c) Die DMW AG konnte im März 2005
Ersatzteile im Wert von 26 Mio.
2.1.2.8 Lieferanten und sonstige EUR verkaufen, die selbst hergestellt
Wieso verfolgen auch Lieferanten, Kredit- wurden. Die Kosten betrugen 22
geber und der Staat die Betriebs- und Ge- Mio. EUR. Wie heißt der erzielte
winnentwicklung? Gewinn, und wie hoch war er?
d) Versuchen Sie mit Hilfe der folgen-
den Begriffe einen Zusammenhang
herzustellen, indem Sie – wie in
Abb. 26 – die Beziehungen durch
Pfeile darstellen!

öffentliche
Leistungen

Lebens-
Freizeit qualität

Lebens-
standard

Abb. 26: Gewinnzusammenhänge


28 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Grundlage der betrieblichen Einkommensbe- • Umsatz


steuerung für den Staat ist der Gewinn. Dass
• Leistungsgewinn
der Gesetzgeber höchstes Interesse an ihm
bekundet, liegt daran, dass Einkommen und • Qualität der Produkte
Lohn- und Gehaltssteuern einen großen Teil • Kosten
seiner Einnahmen repräsentieren.
• Mitarbeiterbeteiligung am Ge-
Gewinne sichern möglicherweise auch die winn
Kreditrückzahlungen ab, so dass Kreditgeber
beruhigter die bisherigen Schuldner einschät- • Motivation
zen und vielleicht sogar weiter unterstützen • Forschung und Entwicklung
können. Auch Lieferanten sind in der Regel
Kreditgeber. (Allerdings sind ihre Forderun- • Gewinn (Gesamtgewinn)
gen meist kurzfristiger Natur.) Gewinne ihrer • Kundenzufriedenheit
Geschäftspartner sichern Rückzahlungen. e) Die DMW AG steht insgesamt nicht
Dauerhafte Gewinne können außerdem für sie schlecht da. Ihre Umsätze haben die
bedeuten, über lange Zeit einen festen Ab- Kosten erwirtschaftet und sogar ei-
nehmer gefunden zu haben. nen geringeren Leistungsgewinn ge-
bracht. Daran war die Leitung eben-
2.1.2.9 Rentabilität als so beteiligt wie die 9400 Mitarbeiter.
Signalkennziffer des Der Betrieb muss aber noch einiges
Gewinns tun, um seine Position zu stärken und
Die Rentabilität gehört zu einer der Kenn- das Gleichgewicht zu vertiefen.
zahlen, die Aussagen über die Ertragskraft Was würden Sie hierzu vorschlagen?
des Unternehmens treffen lassen. Sie ist eine
sogenannte Signalkennziffer, und zusammen Berücksichtigen Sie das über die
mit anderen (z.B. Wirtschaftlichkeit, Produk- DMW Gesagte, soweit es Ihnen als
tivität, Liquidität) lässt sie darauf schließen, sinnvoll erscheint, und unter Beach-
wie gut ein Betrieb insgesamt arbeitet. tung des Informationstextes über die
DMW.

Zusammenfassung
Der Gewinn ist eine zentrale Größe der betrieblichen Aktivitäten. Sein größter Teil ergibt
sich aus der Differenz der Kosten und der verkauften Erzeugnisse und ihren Umsätzen. Er
wird Leistungsgewinn genannt.
Ein Betrieb, der Gewinne erzielt, ist rentabel. Setzt man das eingesetzte Eigenkapital in
Beziehung zum erzielten Gewinn, gelangt man zur Eigenkapital-Rentabilität, kurz Renta-
bilität genannt.
Der Gewinn hat sowohl für Unternehmer als auch für nicht leitende Teilhaber, sonstige Ei-
gentümer, für Kreditgeber und für Mitarbeiter etc. große Bedeutung. Betriebe, die ange-
messene Gewinne erwirtschaften, sitzen meistens fest im Sattel der sozialen Marktwirt-
schaft.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 29

2.2 Andere betriebliche Ziele (Zweitziele)

2.2.1 Versuch einer Systematik

Es gibt viele andere Ziele, die ein Unterneh-


men anstrebt. Es ist jedoch außerordentlich
schwierig, sie zu klassifizieren.

2.2.1.1 Ergebnisziele
Es ist unbestritten, dass als Ergebnis der ge-
schäftlichen Tätigkeit eine hohe Rentabilität
erreicht werden soll. Sie ist das Primärziel
eines Unternehmens. Andere Ergebnisziele –
und sie gelten als Zweit- oder Sekundärziele
– werden
• durch Wirtschaftlichkeitskennzahlen
(mit denen offenbart wird, wie rationell im
Betrieb gearbeitet wird)
• durch Liquiditätskennzahlen, die im
Rahmen des gesamten betrieblichen Fi-
nanzverhaltens beurteilt werden (und die
aufdecken sollen, wie weit die Zahlungs-
verhältnisse gediehen sind)
Abb. 27: Ergebniszahlen nach Schott
• durch Produktivitätskennzahlen (die
ersehen lassen, mit welchem Einsatz die Ergebnisziele und Ergebniszahlen
Leistungen erbracht werden)
Die Ergebniszahlen sind Ausdruck der Er-
nachgewiesen. gebnisziele. Abb. 27 soll die zentrale Stellung
der Rentabilität dokumentieren. Die hier nicht
2.2.1.2 Andere Differenzierungen bezeichneten „Ableger“ lassen sich auffüllen.
Eine anerkannte Zielunterteilung geht von So zählen zur Wirtschaftlichkeit auch die
drei Zielbereichen aus. Dazu gehören Herstellungsdurchlaufzeit, die Rationalität der
Kostenstellen, die Abfallmengen u.a., zur
• Leistungsziele
Rentabilität der Verschuldungsgrad.
• Erfolgsziele
• Finanzziele.
Hiernach gehören die obengenannten Ziele
Wirtschaftlichkeit und Rentabilität in den
Erfolgszielsektor, Produktivität ist den Leis-
tungszielen zuzuordnen, wobei es z.B. um Aufgabe
den Menschen geht (Arbeitsproduktivität)
oder um Sachen (z.B. Maschinenstundenpro- 26. Ein Zulieferer der DMW AG veröffent-
duktivität), und die Liquidität findet unter den lichte folgende Anzeige. Können Sie dar-
Finanzzielen Platz. in dessen Ziele erkennen?
30 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

In beiden Fällen fehlen Mitarbeiter- und Um- Wir sind ein Hersteller mit einem Servicemanage-
weltziele. Daher müssen sie um solche Ziele ment. Sie werden fragen, was das ist? Hier ist die
Antwort:
erweitert werden.
• Viele Unternehmer und deren Mitarbeiter wissen
wenig über industriellen Service. Die meisten sind
2.2.1.3 Personale und Service-Ignoranten. Wir nicht. Denn die Verbesserung
umweltbezogene Ziele der Information über Kosten und Nutzen von Services
ist unabdingbar für ein professionelleres Servicemana-
Was könnten personale Ziele beinhalten? gement. Das haben wir. Und das kommt Ihnen zugute.
Dazu könnten zählen: • Services bieten einerseits ungeahnte Chancen für
dauerhafte Wettbewerbsvorteile, die Sie in der Zu-
• menschenwürdige Arbeitsbedingungen sammenarbeit mit uns spüren werden, weil wir uns als
• Mitverantwortung Dienstleister mit Herstellerbasis verstehen. Wir planen
• Arbeitsplatzsicherheit mit Ihnen und stimmen Produktion, Lagerhaltung, Lie-
ferung, Einbau und Entsorgung mit Ihren Vorstellun-
• Mitsprache gen ab. Andererseits teilen wir uns die Ersparnisse
• gerechte Entlohnung durch genaueste Kosten-Nutzen-Analysen.
• Beteiligung der Arbeitnehmer am Ge- • Service beginnt bereits bei der Auswahl der richtigen
winn und Vermögen Mitarbeiter. Unsere Führung garantiert deren Motiva-
• Bevorzugung von Teamarbeit tion.
• Gleichbehandlung in Quoten, Positionen • Früher konzentrierte sich das Servicemanagement
und Gehältern von Frauen und Männern ausschließlich am Produkt. Diese Konzentration hat zu
einem hohen Qualitätsstandard geführt. Den haben wir
Lassen sich ebenso einige betriebliche Um- beibehalten. Aber wir konzentrieren uns auf mehr:
weltziele formulieren? nämlich auf Anwendungsberatung, auf Beschwerde-
management, auf schnelle Reaktion, auf Lieferflexibi-
Dies könnten sein: lität, auf Liefersicherheit und auf unsere Kunden integ-
rierende Teams mit dem Ziel, Zulieferer und Kunden
• Entwicklung und Produktion umwelt- in Entwicklungsaktivitäten, Logistikfunktionen und
freundlicher Produkte Qualitäts-Shifts verantwortlich einzubinden.
• umweltbewusster Einkauf von Werkstof- Abb. 28: Anzeige (Auszug)
fen und Zubehörteilen Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
• Verringerung und Eigenentsorgung pro-
duktionsbedingter Schadstoffe
• Rücknahme und Entsorgung von nicht
mehr gebrauchsfähigen verkauften Er- Die DMW AG hatte mit den Betriebsräten
zeugnissen und Teilen von Anfang an eine Mitarbeiterbeteiligung in
• offensive Informationen über die eigenen einer Betriebsvereinbarung unter bestimmten
umweltfreundlichen Erzeugnisse und de- Voraussetzungen festgeschrieben. Beide Sei-
ren umweltfreundliche Handhabung ten erhofften sich die Erfüllung einiger Ziele.
• Einrichtung von Seminaren über die Und in der Tat: Ein Großteil dieser Ziele wird
betriebliche Umweltpolitik für alle Mit- ständig erreicht, wenn dies auch von der Zu-
arbeiter weisung von Geld, Zinsen und Anteilen ab-
• Aufbau eines Ressorts, das für den Um- hängt. Als es dem Unternehmen im Jahre l997
weltschutz im Unternehmen und für die nicht sehr gut ging, wurden die Arbeitsentgel-
eigenen Erzeugnisse zuständig ist. te mit Zustimmung der Belegschaft eingefro-
Weitere Ausführungen sind in Abschnitt 5.4 ren. Ein Zeichen für ihre „Emanzipation“, ein
enthalten. Erfolg für die Atmosphäre.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 31

2.2.2 Wirtschaftlichkeit
Ein Betrieb ist wirtschaftlich, wenn er kos- Wirtschaftlichkeitskennzahlen (W)
tengünstig arbeitet. Je weniger Kosten anfal- Die Praxis unterscheidet drei Formeln:
len, desto eher besteht die Chance, dass die
auf dem Markt erzielbaren Produktpreise Kosten
W (1) =
nicht nur alle Kosten decken, sondern auch Leistungen
noch Gewinn einbringen. Ein wirtschaftliches Aufwand
Unternehmen arbeitet rationell. Um seine W ( 2) =
Erträge
Rationalität zu messen, werden Wirtschaft-
lichkeitskennzahlen gebildet. Istkosten
W (3 ) =
Da sich in einer sozialen Marktwirtschaft die Sollkosten
Betriebe in Konkurrenz mit anderen befinden, Für alle drei Kennzahlen gibt es weitere Un-
bemühen sich Hersteller, Dienstleister wie terteilungen.
Banken, Handelsunternehmen, Spediteure,
Verkehrsgesellschaften etc. ständig darum,
die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Sie ist Beispiel:
zu einem fundamentalen Prinzip der Markt- W (1) beantwortet die Frage, wie viel EUR
wirtschaft geworden. Dieses Prinzip wird Kosten in einem EUR Leistung stecken. Ist
auch ökonomisches Prinzip genannt. die Kennzahl z. B. 0,60, dann lässt sich aus-
sagen, dass in einer EUR Leistung 60 EUR-
2.2.2.1 Das Minimalprinzip Cent oder 0,60 EUR an Kosten enthalten sind.
Das ökonomische Prinzip kommt in zwei Multipliziert man das Ergebnis mit 100, dann
Spielarten zum Ausdruck. Sie heißen gelangt man zu 60% und kann nun ausführen,
dass in den hergestellten Leistungen insge-
• Minimalprinzip und samt 60 % an Kosten stecken. Diese Berech-
• Maximalprinzip. nung der Wirtschaftlichkeit ist deutlich und
aussagekräftig. Sie wird auch in anderen
Das Minimalprinzip besagt, dass eine be- Kapiteln berücksichtigt.
stimmte Leistung mit geringstmöglichen Dabei sind zwei Dinge zu bedenken:
Kosten, die mit der Prozesskette verbunden
sind, erbracht werden soll. Kosten sind alle Verbräuche (man nennt sie
auch Aufwendungen), die für die Prozesskette
In die Praxis übertragen kann dieser Grund- aufgewandt werden. Und das muss in einer
satz für den Einkauf lauten, dass bei einem Periode sein und für die Produkte, die in die-
Vergleich zwischen verschiedenen Lieferan- ser Periode auch hergestellt werden.
ten, die die gleichen Rohstoffe zu denselben
Qualitäten und Quantitäten liefern können, W (2) setzt Größen in Beziehung, die nicht
derjenige den Zuschlag bekommt, der am allein der Prozesskette der gegenwärtigen
preiswertesten ist (siehe hierzu auch das JIT- Periode angehören. Die Aufwendungen ent-
Prinzip im Einkauf). Für die Herstellung halten nämlich alle Verbräuche, die für die
würde das Prinzip besagen, dass ein herzu- betriebliche Leistung (Erzeugnisse) und eben
stellendes Produkt in kürzester Durchlaufzeit auch für anderes (z. B. Spenden bei Kapital-
produziert wurde. gesellschaften) anfallen. Auch bezieht man in
die Erträge solche ein, die nicht auf das Be-
triebsziel ausgerichtet sind (Wertpapierver-
käufe u.a.).
32 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Oder ein anderes Beispiel – dass, wenn W (3) sagt aus, wie weit die Istkosten die
Nachtstrom billiger angeboten wird, in der Sollkosten unterschreiten oder höher sind.
Nacht betriebene Maschinen bei derselben Eine Zahl über 1 weist darauf hin, dass die
Dauer dieselbe Menge (wie tagsüber) herstel- Istkosten über den Sollkosten liegen und
len lassen. Aber die Energiekosten werden damit die Norm übersteigen. Multipliziert
geringer. man die Kennzahl mit 100, dann bedeuten
Produkte, die konventionell entwickelt wer- zum Beispiel 120 %, dass die Istkosten 20 %
den, brauchen Wochen und Monate, bis sie in höher als die Sollkosten sind oder dass die
Serie gehen können. Bedenkt man, wie viele Istkosten 120 % der Sollkosten betragen.
Teile beim PKW zu entwickeln sind, dann ist Demnach wäre dieser Betrieb (in dem hier
das auch verständlich. Heute helfen Computer gemessenen Rahmen) unwirtschaftlich.
und ganze Programm-Systeme. Sie reichen Alle Berechnungen müssen kritisch hinterfragt
von der Konstruktion (CAD – computerge- werden, denn allen Wirtschaftlichkeitskenn-
stütztes Aussehen – Computer Aided Design) zahlen haften Probleme an. Sind es bei der
über computergestützte Fertigung (CAM – Kennzahl W (1) insbesondere Bewertungs- und
Computer Aided Manufacturing) bis hin zur Abgrenzungsfragen (hier vornehmlich von
computerunterstützten Qualitätssicherung Aufwendungen und Kosten sowie von einzel-
(CAQ – Computer Aided Quality), siehe Abb. nen Leistungen – Fertigerzeugnissen, unferti-
29. So haben die Verkürzung der Entwick- gen Erzeugnissen, Eigenleistungen –), bei der
lungszeit und die Senkung der Gesamtkosten Kennzahl W (2) Interpretationsfragen, so han-
die Prozesskette wirtschaftlicher gemacht. delt es sich bei der Kennzahl W (3) schließlich
um Planungsfragen (Kostenhöhe, die das Soll
2.2.2.2 Das Maximalprinzip vorgibt) und Bewertungsfragen (Kostenhöhe,
Das Maximalprinzip besagt, dass mit gege- die das Ist mit sich bringt). Wirtschaftlichkeits-
bener Kostenhöhe der Prozesskette die analysen werden sich daher nie auf nur eine
höchstmögliche Leistung erbracht wird. Sichtweise beschränken.
Die industrielle Entwicklung ist bis heute eine
Entwicklung zu höchsten Präzisionsmaschi-
nen gewesen. Diese arbeiten so genau, dass
sich Abweichungen kaum mit der Lupe mes-
sen lassen. Sie betragen manchmal nur hun-
dertstel Millimeter. In der Autoindustrie kön-
nen heute mehr Teile aus einem Blech ge-
stanzt werden als es früher vorstellbar war.
Bei gleichem vorstellbarem Kosteneinsatz
(Bleche) hat sich die Leistung (Teile) erhöht.
Heute wird in vielen unternehmen verlangt,
ohne zusätzlichen Lohn länger zu arbeiten.
Das aber zieht eine höhere Produktivität nach
sich. Auch die Arbeitsplätze haben sich
grundlegend geändert.

Abb. 29: Wenn die konventionelle Pro-


duktentwicklung abgelöst wird
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 33

Ihre ergonomische Ausstattung, ihre Hellig- Ergänzendes zur Wirtschaftlichkeit


keit, ihr umweltfreundlicher Anstrich und die 450 Manager hatte Ford geladen. Und die
Leichtigkeit, mit der Gerätschaften bedient meisten kamen hoffnungsfroh. Was konnte
werden können, haben vielerorts die Motiva- man ihnen schon sagen? Doch es kam anders,
tion der Mitarbeiter gefördert. Sie kann tat- als alle erwarteten. Der Fordchef verteilte
sächlich bewirken, dass in den Büros, aber schlechte Noten. „Nur japanische Autofirmen
auch in den Werkshallen, wenn hier nicht und ihre Zulieferer“, schimpfte er, „bieten zur
Fertigungszeiten durch die Maschine vorge- Zeit bei Qualität, Kosten und Service einen
geben werden, mehr gearbeitet wird. Mögli- exzellenten Standard. Dagegen ist die Quali-
cherweise bei gleichem Lohn. tät, die wir gemeinsam produzieren, zu
schlecht, die Kosten sind zu hoch, die Ent-
Minimalprinzip Maximalprinzip wicklungszeiten zu lang – das gilt für Ford,
und das gilt für die meisten von Ihnen.“
Ökono-
misches Prinzip
(Quelle: manager magazin.)
-
Wirtschaftlich-
keitsprinzip

Minimalprinzip Minimalprinzip

Arbeitsplatz-Engagement-Index
im internationalen Vergleich

Abb. 30 Das Wirtschaftlichkeitsprinzip Abb. 31: Warum in Deutschland die


Leistungen hinterherhinken
34 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Die Veränderung der Kosten-/Leistungsver- Aufgabe


hältnisse bei gleichbleibenden Kosten zielt auf
27. Die DMW AG hatte für ihren Kleinwa-
eine höhere Ausbringung (siehe Abschnitt
gen, der in den erweiterten Fabrikations-
2.2.3), die sowohl qualitativer als auch quanti-
stätten in Halle gebaut wird, Personalkos-
tativer Natur sein kann. Sie wird qualitativer,
ten pro Wagen von 6.800 EUR und Ma-
wenn die Abstimmung von Menschen, Be-
terialkosten von 5.100 EUR kalkuliert.
triebsmitteln, Werkstoffen und Informationen
Der Wagen sollte zu einem Verkaufspreis
alle erdenklichen Nuancen berücksichtigt, z.B.
von 17.000 EUR abgegeben werden (oh-
wenn das Können der Mitarbeiter seine ent-
ne Mehrwertsteuer). Die übrigen Kosten
sprechende Verwendung im Betriebsprozess
waren mit 4.000 EUR veranschlagt.
findet. Sie wird quantitativer, wenn durch
andere Organisationsformen bei gleichem a) Wie hoch war W (1) nach den Vor-
Mitteleinsatz die Ausbringung angehoben gaben?
werden kann, weil die Durchlaufzeit der Er- b) Die Istkosten betrugen 16.200 DM.
zeugnisse verkürzt werden konnte. Errechnen Sie W (3)!
c) Beurteilen Sie Ihre Ergebnisse!

Zusammenfassung
Das Wirtschaftlichkeitsprinzip – auch ökonomisches Prinzip genannt – ist die Richt-
schnur, nach der der Betriebsprozess organisiert wird. Es umfasst das Minimal- und das
Maximalprinzip. In beiden geht es darum, die Kosten-/Leistungsverhältnisse zu verbes-
sern. Das bedeutet, dass mit den Elementarfaktoren sparsam und rationell umgegangen
wird. Es ist vornehmlich an dem Quotienten K:L zu messen.

2.2.3 Produktivität Aufgabe


Die Produktivität stellt das Verhältnis von 28. Die DMW AG konnte in den neuen Wer-
Ausbringungsmenge zur Einsatzmenge dar. ken in Halle und Emden von vornherein
die wirtschaftlichsten Verfahren und Or-
Ausbringung oder output im Industriebetrieb
ganisationsformen einbeziehen. Schwer-
sind seine Erzeugnisse. Hierzu gehören die
punkte waren:
absatzfähigen Produkte (Fertigerzeugnisse),
seine nicht absatzfähigen (unfertigen) Erzeug- • Abbau der Fertigungstiefe
nisse und schließlich seine Eigenleistungen, • Konzentration auf wenige Lieferanten
wozu man z.B. Werkzeuge zählen kann, die das
• Bezug von Systemen (z.B. elektrische
Unternehmen selbst hergestellt hat, oder Vor-
Anlagen) statt Komponenten
richtungen oder Gebäude und Lagerhallen etc.
Einsatz oder input stellen die Elementarfakto- • Aufbau einer schlanken Hierarchie
ren dar wie Werkstoffe, Betriebsmittel, Ar- • Teamarbeit.
beitsleistungen und Informationen.
Insbesondere die Teamarbeit hat den Ar-
beitsprozess in der Fertigung nachhaltig
verändert (siehe auch Re-engineering).
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 35

Da die Einsatzfaktoren sehr verschiedenartig a) Welche Wirkungen werden allge-


sind, können sie nicht addiert werden, es sei mein von diesen Maßnahmen ausge-
denn, dass ein einheitlicher Nenner gefunden gangen sein?
werden kann (Geld). Um aber den Wert aus b) Wieso hat wohl die Teamarbeit die
der Berechnung auszuklammern, werden die Fertigungsweise verändert?
Faktoren voneinander getrennt, so dass man
zu unterschiedlichen Produktivitäten kommt.
Dazu gehören Allgemein Beispiel
• Arbeitsproduktivität P=
Output in Mengen
Arbeitskräfte = 500 Stück
Input in Mengen
• Arbeitsstundenproduktivität Ausstoß (output) = 10.000 Stück
• Maschinenproduktivität AP = 10.000
500
• Maschinenstärkeproduktivität
AP = 200 Stück
• Flächenproduktivität
Abb. 32: Produktivitätsberechnung
und andere.
Die betriebliche Arbeitsteilung – wie man sie Mit 63 Prozent produktiv genutzter Arbeits-
durch das Fließband beschreibt – hatte bis in zeit liegt Deutschland gemeinsam mit den
die achtziger Jahre dazu beigetragen, dass die USA auf Platz eins im weltweiten Produktivi-
Ausbringung im Laufe der Jahre immer wei- täts-Ranking. Zu diesem Ergebnis kommt die
ter erhöht werden konnte, weil immer wie- internationale Unternehmensberatung Czipin
derkehrende Handgriffe der Arbeitskräfte zur & Proudfoot in ihrer »Globalen Produktivi-
Routine wurden. Heute muss man feststellen, tatsstudie 2003«. Dennoch gelten hier zu
dass ein weiterer Anstieg der Arbeitsproduk- Lande noch immer 9,6 Milliarden der geleis-
tivität so nicht mehr möglich ist. Daher ist teten Arbeitsstunden pro Jahr als vergeudet,
Neues (z.B. Teamarbeit) angesagt. etwa wegen untätigen Rumsitzens oder unra-
tioneller Arbeitsabläufe. Das kostet die Be-
2.2.3.1 Produktivität und triebe etwa 238 Milliarden Euro – knapp 1,3
Wirtschaftlichkeit Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Im Gegensatz zur Wirtschaftlichkeit ist die (vgl. Abb. 54)
Produktivität eine Mengenkennzahl. Daher Abb. 33: Produktiv genutzte Arbeitszeit
lässt sich von ihr aus nicht ohne weiteres auf
Werte schließen. Während aber Werte oft
abhängig vom Betrachter sind und somit Aufgabe
subjektiven Einflüssen oder solchen des
Marktes unterliegen (z.B. durch Änderungen 29. Im Jahre 2000 stellte die DMW AG ins-
der Preise, der Konditionen, der Währungen), gesamt 124.000 Wagen her. Seinerzeit
sind Mengen überall gleich definiert, wenn belief sich die Mitarbeiterzahl auf 18.800
sie auch bestimmte Unterscheidungsbereiche Personen. Mercedes-Benz schaffte im
erlauben (bei Kraftwagen Einteilung in Klas- gleichen Zeitraum 529.000 Kraftwagen.
sen). Ganz bekannt sind solche Kennzahlen Beschäftigt wurden 70.533 Mitarbeiter.
aus der Landwirtschaft: Milchleistung je Liter Auch die Zahlen von BMW konnten sich
(bei Kühen), wöchentliche Eiermengen je sehen lassen. Mit 588.600 Einheiten und
Legehenne, Zentner Roggen je Hektar. 73.500 Arbeitskräften schien BMW an
der Spitze der Produktivität aller drei Un-
ternehmen zu stehen.
36 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Mengenvergleiche haben in der Produktivi- a) Ermitteln Sie die Arbeitsproduktivi-


tätsberechnung Berechtigung. tät eines Mitarbeiters im Jahr!
Nun kann man eine der beiden Größen aus b) Treffen Sie über die ermittelten
dem Quotienten (output : input) als Wertzahl Kennzahlen Ihre Aussagen hinsicht-
angeben und erhält dadurch eine wertbezoge- lich der Personalkosten, der Arbeits-
ne Produktivität. Das macht man z.B. bei verfahren!
internen Vergleichen, aber auch wie hier c) Produktivitätsrechnungen können
(siehe Abb. 32), wenn die Wertschöpfung pro auch wertbezogen sein, wobei meist
Kopf oder wenn z.B. die Umsatzleistung pro der Zähler den Wert darstellt (z.B.
Quadratmeter (in Waren- und Kaufhäusern) Umsatz pro qm, Umsatz pro Arbeits-
gemessen werden soll. kraft). Was steht umgekehrt hinter
Wird der Ausstoß eines Unternehmens höher, dem Ausdruck Arbeitskräfte : Um-
dann lässt das auf dreierlei schließen: satz?
• Die Kapazitätsausnutzung bei der vor- d) Versuchen Sie, Gegenwartszahlen
handenen Kombination der Elementar- für Benz und BMW aufzutreiben.
faktoren hat sich verbessert (z.B. ist sie
von 80% auf 90% gestiegen).
Neue Arbeitsstrukturen und Laufbahnmodelle
• Neuinvestitionen haben zur Anhebung
Automatisierung und leistungsfähige, vernetzte
der Gesamtkapazität geführt und eine hö-
Computersysteme waren die entscheidenden Vor-
here Produktionsmenge in die Wege ge-
aussetzungen für höhere Arbeitsproduktivität in
leitet.
den Werken. Durch die Verbreitung bildschirmun-
• Durch Maßnahmen wie Neugestaltung terstützter Arbeitsplätze im gesamten Unternehmen
der Arbeitsplätze, Anordnung der Ma- konnten in den letzten Jahren auch Forschungs-,
schinen, Einsatz von Computern ist die Entwicklungs- und Planungsarbeiten sowie kauf-
Durchlaufzeit der Erzeugnisse verkürzt männische Tätigkeiten effizienter gestaltet werden.
worden, was zu einer erhöhten Ausbrin- Mit neuen Techniken verändern sich Arbeitsfor-
gung führt (Veränderung der Kombinati- men und Arbeitsinhalte. So arbeiten die Wissen-
on der Elementarfaktoren). schaftler, Ingenieure, Fach- und Assistenzkräfte im
Im ersten und letzten Beispiel hat sich bei Forschungs- und Ingenieurzentrum verstärkt in
gestiegener Produktivität die Wirtschaftlich- Projektgruppen. Diese Organisationsform dringt
keit verbessert. Bei Neuinvestitionen muss auch in andere Bereiche des Unternehmens vor.
das nicht der Fall sein. Abb. 34: Die Produktivität bei BMW

Die DMW AG hatte in Halle bereits ein Werk


2.2.4 Liquiditäten errichtet, das modernsten Ansprüchen Genüge
leistet. „Mit schlanker Fertigung und demo-
2.2.4.1 Statische Liquiditäten kratischer Gruppenarbeit ist der Anspruch
Verfügt ein Betrieb über Bargeld, dann besitzt verbunden, nicht nur die veralteten Produkti-
er Barvermögen, kurz gesagt: Geld. Aber onsmethoden in Westdeutschland abzulegen,
auch Schecks von Kunden lassen sich schnell sondern damit auch die fortschrittlichsten
zu Geld umwandeln. Barschecks sofort, Ver- Verfahren zu überholen.“ Mit ihnen konnten
rechnungsschecks in zwei, drei Tagen, sofern günstige Kostenverhältnisse erreicht werden,
sie von deutschen Kreditinstituten stammen. die die Existenz der neuen Werke bis heute
So zählen auch sie zum Barvermögen. Bar- geändert haben.
vermögen werden liquide Mittel genannt. (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung)
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 37

Mit ihnen ist ein Betrieb zunächst zahlungs- Statische Liquidität*


fähig. Je höher die Barmittel sind, desto
1 Zahlungsmittel × 100
schneller können fällige Rechnungen selbst Ls =
kurzfristige Verbindlichkeiten
bezahlt werden.
2 ( Zahlungsmittel + Forderungen ) × 100
Erstes Liquiditätsziel eines Unternehmens Ls =
kurzfristige Verbindlichkeiten
ist es, regelmäßig seinen Verpflichtungen
pünktlich nachkommen zu können. Ist es 3
Ls =
Umlaufverm ögen

nicht liquide, gerät es in ernste Schwierigkei- kurzfristige Verbindlichkeiten

ten (siehe hierzu Abb. 36). Liquide Mittel 1. Ordnung stehen sofort zur Verfü-
Soll festgestellt werden, wie zahlungsfähig gung, liquide Mittel 2. Ordnung können z.T. erst
nach einer bestimmten Zeit verflüssigt werden,
das Unternehmen (Qualität der Zahlungs- jedoch besteht hierauf ein Anspruch (Forderungen,
fähigkeit) zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, aber auch Wechsel, Schecks), liquide Mittel 3.
setzt man die Zahlungsmittel zu den Verbind- Ordnung müssen z.T. erst umgesetzt werden (Er-
lichkeiten in Beziehung. Die Verbindlichkei- zeugnisse, die noch verkauft werden müssen u.a.).
ten auf Grund von Warenlieferungen und Dynamische Liquidität**
Leistungen stellen die eingegangenen Rech- ( Zahlungsmittel + Forderungen + Umsätze ) × 100
nungen für die eingekauften Werkstoffe und L2dyn =
Verpflichtungen
Betriebsmittel dar. Sie sind meist innerhalb
eines Monats fällig. Man spricht von Kurz- * Zahlen aus der Finanzwirtschaft und der Bi-
lanz. L bedeutet Liquidität 1. Grades.
fälligkeit. Reichen die liquiden Mittel zur
** Meist bezogen auf einen bestimmten Zeitraum,
Zahlung der Verbindlichkeiten aus, dann ist
zum Beispiel einen Monat. Selten als L1 dar-
der Betrieb nicht nur allein liquide, sondern er gestellt und meist in Über- und Unterdeckung,
hat eine Liquidität, deren Zahl über 1 (siehe nicht aber in % ausgedrückt.
hierzu Abb. 35) ist. Abb. 35: Verschiedene Liquiditäten
Unter Liquidität ist eine Kennzahl zu verste- „Es war schon ein weiter Weg von der ersten Näh-
hen, die angibt, ob ein Betrieb zu einem be- maschine bis zum Großunternehmen Pfaff, der
stimmten Zeitpunkt (statische Liquidität) oder größten europäischen Nähmaschinenfabrik mit rund
innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (dy- 10 000 Mitarbeitern in aller Welt“, schrieb die Mitar-
beiterzeitschrift „Pfaffianer“ zum 125jährigen Jubi-
namische Liquidität) seine Verbindlichkeiten läum der traditionsreichen Firma. Das war 1987.
(statisch) oder Verpflichtungen (dynamisch) Den Weg in die Beinahe-Pleite schafften die Pfälzer
erfüllen kann. Die statische Liquidität errech- weit schneller: In nur zwei Jahren sackte der Um-
nen Außenstehende bei Kapitalgesellschaften satz von mehr als einer Milliarde Mark auf inzwi-
schen weniger als 900 Millionen Mark ab, die Zahl
mit Hilfe von deren Bilanzen um sich über der Mitarbeiter halbierte sich, und nach vielen Jah-
den finanziellen Status des Unternehmens ein ren mit guten Gewinnen schrieb das Unternehmen
Bild zu verschaffen. plötzlich tiefrote Zahlen.
So purzelte der Marktanteil in Deutschland von 50
Ähnlich steht es mit Forderungen auf Grund Prozent (1985) auf weniger als 25 Prozent (1990).
von Warenlieferungen und Leistungen. Sie Bald stürzten die Pfälzer noch tiefer. Und in den
sind durch den Verkauf entstanden und stellen asiatischen Wachstumsregionen, die fast zwei
Drittel des gesamten Weltmarktes ausmachen,
die Verpflichtung des Käufers dar, die er auch spielte Pfaff wenig später mit einer Quote von weni-
in der Regel ausgleicht. Meist sehr schnell ger als 2 Prozent faktisch keine Rolle mehr. Heute
nach Ablieferung der Ware und Rechnungs- ist Pfaff nicht mehr in deutscher Hand. Erhalten
zustellung, um den Skonto in Anspruch zu blieb nur der Markenname. Der Hersteller firmiert
nun mit VSM Deutschland.
nehmen. Auch Forderungen auf Grund von
Warenlieferungen haben eine kurze Laufzeit. Abb. 36: Wie in der Vergangenheit ein
großes deutsches Unternehmen
in Schwierigkeiten geriet (Quel-
le: manager magazin)
38 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Die statischen Liquiditätsrechnungen sind in Aufgabe


ihrer Aussagekraft begrenzt. Da sie vergan-
30. Wie werden sich die Umsatzrückgänge
genheitsorientiert sind, lassen sie keine oder
des auf Seite 37 genannten Unterneh-
nur eine vage Prognose für die Zukunft zu.
mens ausgewirkt haben?
Sie sind der Vergangenheit zugehörig, weil
der Zahlungsmittelbestand aus Einnahmen Die DMW AG weist in der Bilanz von 2005
resultiert, die vor dem Erfassungszeitpunkt flüssige Mittel von 47 Mio. EUR aus. Dage-
entstanden sind (meist handelt es sich um gen betragen die Verbindlichkeiten aus Liefe-
Einnahmen aus Umsätzen) und weil auch die rungen und Leistungen 118 Mio EUR Die
übrigen Größen wie Forderungen und Ver- Liquidität 1. Grades beträgt danach 0,39. Die
bindlichkeiten u.a. aus „alten Zeiten“ stam- Deckung der Verbindlichkeiten ist nicht ein-
men. Wenn auch ihre Zahlungsein- und - mal 50 %. Hier natürlich noch keine Katast-
ausgänge in der näheren Zukunft sein werden rophe, weil Wertpapiere und Forderungen den
(i.d.R. innerhalb von 30 Tagen), so ist ihre Zähler der Rechnung verändern. Er beläuft
Entstehung (und also die Ursache) früher sich bei der Liquiditätsrechnung 2. Grades auf
gewesen. 474 Mio. EUR. Die Verbindlichkeiten haben
eine Höhe wie oben. Demnach beträgt die
Außerdem beziehen sie nur kurzfristige Ver-
Liquidität hiernach 4,0.
bindlichkeiten ein, obwohl jeden Tag andere
Zahlungen fällig werden können, wie zum
Beispiel Versicherungsverträge, Steuervor- Aufgabe
auszahlungen, Gebühren etc. Aus diesem 31. Sehen Sie sich bitte die Zahlen der DMW
Grunde bezieht man andere Größen in die noch einmal an. Erweitern Sie die Rech-
Rechnung ein und gelangt zu der dynami- nung oben um übrige Rückstellungen im
schen Liquiditätsrechnung. Nenner der Gleichung!
a) Versuchen Sie herauszubekommen,
2.2.4.2 Dynamische Liquidität
was unter Rückstellungen verstanden
Die dynamische Liquidität sagt aus, wie mit wird! (vergl. Finanzierung)
den vorhandenen Zahlungsmittelbeständen
b) Wie verändert sich nunmehr die Li-
(einschließlich noch umzuwandelnder Ver-
quidität?
mögenstitel) und prognostizierten Umsätzen
in einer kommenden Periode, meist 1 bis 3
Monate, die in dieser Zeit anfallenden Ver- „Eine Betriebswirtschaft befindet sich im
pflichtungen einschließlich der Kosten, die finanziellen Gleichgewicht, wenn sie zu je-
Ausgaben nach sich ziehen, eingelöst werden dem Zeitpunkt den fälligen Zahlungsver-
können (siehe Abb. 38). Sie ist eine Art Vor- pflichtungen uneingeschränkt nachkommen
schaurechnung. Daher ist sie auch vornehm- kann.“
lich zukunftsorientiert. Die dynamische Li- Heinen (IBL, S. 44)
quidität dient daher der Ergänzung der stati- „Die Notwendigkeit zur Deckung des Kapi-
schen Liquiditäten. Außenstehende sind von talbedarfs folgt aus dem Liquiditätsprinzip. L.
ihr ausgeschlossen (vergl. S. 138). Diese wird definiert als Fähigkeit, den Zahlungsver-
Liquiditätsbetrachtung hat ihren Namen von pflichtungen termin- und betragstreu nachzu-
bewegliche Zukunftsgrößen, die die Einnah- kommen. Ist die Unternehmung liquide, be-
me-/Ausgabeströme bestimmen. findet sie sich im finanziellen Gleichge-
wicht.“
Krabbe (BWL, S. 144)
Abb. 37: Aussagen zum finanziellen
Gleichgewicht
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 39

2.2.4.3 Finanzielles Gleichgewicht


Die aufgeführten Liquiditätskennziffern sind
das Ergebnis vergangener Finanzpraktiken und
zukünftiger Finanzplanung. Ihnen zugrunde
liegt die Idee, das Unternehmen finanziell ab-
zusichern. Diese Zielsetzung wird als finan-
zielles Gleichgewicht (siehe Abb. 37) be-
zeichnet. Es wird im Rahmen der Finanzierung
näher betrachtet. Nur soviel sei hier gesagt:
Das finanzielle Gleichgewicht richtet den
Blick auf liquide Mittel. Von ihm wird ge-
sprochen, wenn ein Unternehmen mit Geld-
mitteln so versorgt ist, dass es regelmäßig
seine Verpflichtungen erfüllen kann. Die
Sicht ist eher kurzfristig.
Mit dieser Definition wird deutlich, dass es
die Kassenbestände, Vermögenstitel, die
schnell zu Geld transferiert werden können,
und alle Verpflichtungen – von den Kredit-
mitteln bis zu den Kosten –, so wie es die
Abb. 38 ausweist, enthält.
Bei seiner Beurteilung genügen statische
Liquiditätskennziffern allein daher nicht.

2.2.4.4 Finanzwirtschaftliches Abb. 38: Verpflichtungen eines Betriebes


Gleichgewicht – Grundlagen für eine dynami-
sche Liquiditätsrechnung
Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht ist
dem finanziellen übergeordnet. Dieses ist Teil Die Zahlungsfähigkeit ist mit der Kassenhaltung
von ihm. Das finanzwirtschaftliche Gleich- verbunden. Kassenhaltung und Rentabilität hängen in
gewicht umfasst auch die güterwirtschaftli- gewisser Weise zusammen. Eine hohe Kassenhal-
tung mindert, wie alle Bestände, die zinsorientierte
chen und finanziellen Strukturen einer be- Verwendung. Je höher die Kassenhaltung, desto
stimmten Qualitätsnorm und die notwendigen sicherer zwar die Zahlungsfähigkeit, aber desto ge-
Finanzdispositionen, die das Unternehmen in ringer die Gesamtdividende. Dem Unternehmen
eine gute Gewinnlage bringen. entgehen Zinsen. Je mehr Sicherheit (je geringer das
Zahlungsfähigkeitsrisiko), desto weniger einladend
Eine bestimmte Qualitätsnorm besagt, dass wird die Rendite sein. Ein Zielkonflikt. Überliquiditäten
Vermögenstitel (güterwirtschaftliche Struktu- sind also schädlich. Unterliquidität und Zahlungsauf-
schub gehören eng zusammen. Verwendet das Un-
ren) dem Zweck des Unternehmens angepasst ternehmen liquide Mittel für zinsträchtige Geschäfte,
und auf das Ziel ausgerichtet sind. Minder- so steigt zwar die Rendite an, jedoch nimmt auch das
wertige Maschinen erfüllen diese Vorausset- Risiko der Zahlungsfähigkeit zu. Da die Liquidität eine
zungen nicht, ebenso schlechte Patente u.a. generelle Existenzbedingung darstellt, rüttelt Illiquidi-
tät an der Existenz des Unternehmens. Haben sich die
(sie auch nächste Seite rechts). Zahlungsbeeinträchtigungen ohne Andersverwen-
dung der Kassenbestände entwickelt, gehen sie mit
hohen Risiken einher:
40 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht gilt – Kapitalgeber könnten ihren Einsatz zurückverlan-


als erreicht, wenn die betrieblichen Zahlungs- gen.
– Lieferanten könnten ihre Waren nur noch gegen
verpflichtungen regelmäßig und pünktlich Bargeld verkaufen.
gezahlt werden (finanzielles Gleichgewicht) – Kredite zur Deckung der Finanzlücken könnten
und wenn die Vermögens- und Kapitalstruk- hohe Zinsen verursachen.
tur (güterwirtschaftliche und geldliche Struk- – Gestiegene Zinskosten könnten Verluste nach
sich ziehen, und
tur) optimal aufeinander abgestimmt sind und – Kreditgeber könnten massiven Einfluss auf die
wenn auf ihrer Grundlage die Voraussetzungen Entscheidungen der Unternehmensleitung neh-
für gute Gewinne langfristig gesichert sind. men.
Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht trifft Die möglicherweise eintretenden Risiken machen
das Unternehmen unelastisch.
daher eher den Investitionsbereich und erlaubt Da das Primärziel einer Unternehmung die Hoch-
es, Neuinvestitionen zu tätigen, Forschungs- rendite, wenn nicht die Höchstrendite ist, stellt das
und Entwicklungsinvestitionen einzugehen finanzwirtschaftliche Gleichgewicht eine wichtige
und Bildungsinvestitionen zu finanzieren. Bedingung hierzu dar.

Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht Abb. 39: Interdependenz von Rentabilität


schließt das finanzielle ein. Es kann nur ein und Liquidität (Quelle: IK, Zeit-
Gleichgewicht geben, wenn auch das finan- schrift für Industriekaufleute)
zielle Gleichgewicht vorhanden ist. Der Um-
kehrschluss ist nicht möglich. Ein finanzielles Ergänzungen zur Qualitätsnorm
Gleichgewicht kann ohne ein finanzwirt- Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht ist nicht zu
erreichen, wenn ein Unternehmen nur eine sehr
schaftliches eintreten. Kurzfristige Mittelzu-
dünne Eigenkapitaldecke hat. Weder werden dann
fuhr durch Sondergeschäfte, Subventionen Kredite zu beschaffen sein – oder wenn das doch
und Geldbereitstellung durch Eigentümer in der Fall ist, dann wird man sie überteuert bezahlen
Personengesellschaften sind hierfür Beispiele. müssen –, noch werden weitere Teilhaber für die
Finanzierung neuer Projekte gefunden werden
Daher müssen für die Beurteilung der gesam-
können. Norm ist, dass sich Eigen- und Fremdkapi-
ten Finanzverhältnisse immer auch die Ver- tal möglichst entsprechen sollen. Als unterste Gren-
mögens- und Kapitalstrukturen herangezogen ze werden Drittelverhältnisse, d.h. Eigenkapital zu
werden. Fremdkapital wie 1:2, angesehen. Weitere Überle-
gungen sind im Kapitel Finanzierung zu finden.
2.2.4.5 Liquidität und Rentabilität Wenn die eingekauften Werkstoffe nur unter Eigen-
tumsvorbehalt beschafft werden können, dann führt
Beide Kennzahlen lassen sich losgelöst von- eine verzögerte Bezahlung der Rechnungen oder
einander beurteilen. Sie können aber ebenso sogar ein Aussetzen der Zahlung dazu, dass der
Lieferant seine ihm gehörenden Produkte wieder
nach ihrer Abhängigkeit (Interdependenz) abholt, so dass die eigene Produktion gestört wer-
voneinander untersucht werden. Von Unter- den könnte und vielleicht die Herstellung eingestellt
nehmen, die Gewinne erzielen, lässt sich werden muss. Sie aber ist ja gerade Garant für
vermuten, dass sie durch die erzielten und künftige Zahlungseingänge. Demnach kann und
darf es nicht Norm sein, alle Werkstoffe unter die-
vereinnahmten Gewinne liquider als vorher
sem Vertragsinhalt zu beziehen.
sind. Dagegen kann aus einer guten Liquidität
Das Ziel, das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht zu
nicht ohne weiteres auf die Rentabilität ge- erreichen, kann nur unter der Voraussetzung gelin-
schlossen werden. gen, solche Normen für den Betrieb festzulegen und
umzusetzen. Mit ihnen schwinden erhebliche Risi-
ken, die jede wirtschaftliche Arbeit begleiten.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 41

Zusammenfassung
Zu den betrieblichen Sekundärzielen zählt die Erreichung des finanzwirtschaftlichen
Gleichgewichts, das das finanzielle einschließt. Und letzteres kommt durch die Liquidi-
tätskennzahlen zum Ausdruck. Diese Kennzahlen sollten auch unter der Perspektive der
Vermögens- und Kapitalstrukturen beurteilt werden. Die statischen Liquiditäten sind das
Ergebnis der betrieblichen Arbeit der Vergangenheit (Ergebnisziele). Die dynamische Li-
quiditätskennzahl gibt den Status (Ergebnis) an, der sich unter den Voraussetzungen der
Planung (Soll) – Umsatz/Kosten – und des Kassenbestandes (Ist) [bei Berücksichtigung von
Forderungen und Verbindlichkeiten] ergibt (siehe Finanzierung).

2.3 Das Zusammenwirken der Kennzahlen

Die vier Kennziffern Allgemeine Aussagen zum Gleichgewicht


• Rentabilität Das Wörterbuch definiert es so: „Relativ
• Wirtschaftlichkeit ausgeglichener Zustand eines Körpers ohne
größere, sichtbare Schwankungen“ und er-
• Produktivität gänzt es durch Beispiele, u.a. durch „aus dem
• Liquidität Gleichgewicht kommen oder die Waage ist
im Gleichgewicht“. In der Volkswirtschaft
werden als Signalkennziffern bezeichnet,
wird u.a. vom Gleichgewicht gesprochen,
weil sie dem Betrachter und Analytiker signa-
wenn alle nachgefragten und angebotenen
lisieren, wie der Betrieb in der Vergangenheit
Mengen an Gütern und Dienstleistungen
gewirtschaftet hat. Sie werden sowohl allein
übereinstimmen.
untersucht als auch im Verbund miteinander
und in ihren Wirkungen untereinander be- Wann ist ein Betrieb im Gleichgewicht? Wäh-
trachtet (siehe Abb. 40 u.a.). rend das Gleichgewicht einer Waage schnell
zu bestimmen ist, bereitet das für Betriebe
Jeder erwerbswirtschaftliche Betrieb strebt
große Probleme. Denn hier gilt es nicht nur,
danach, langfristig zu überleben. Eine gute
zwei Seiten durch Austarieren der Gewichte
Rentabilität allein genügt hierfür nicht, auch,
miteinander in Einklang zu bringen. Jedes
wenn sie sicher Grundlage einer dauerhaften
Unternehmen ist nämlich sowohl von außen
Existenz ist, wenn sie regelmäßig eintritt. Der
als auch von innen zu betrachten. In beiden
Betrieb muss zugleich wirtschaftlich sein und
Fällen gibt es bestimmbare und nicht be-
immer danach streben, seine Kosten-/ Leis-
stimmbare Größen. Bestimmbar ist z.B. der
tungsverhältnisse zu verbessern. Sind es nur
Zinssatz, mit dem ein Betrieb bei Inanspruch-
kleine Mengen, die hervorgebracht werden,
nahme von Krediten zu rechnen hat. Nicht
dann werden die Kosten pro Stück und die
genau bestimmbar ist der künftige Umsatz.
Gesamtkosten hoch sein. Daher gehört zu
Gar nicht vorauszusehen sind Neuentwick-
einer hohen Wirtschaftlichkeit eine gute Pro-
lungen der Konkurrenz. Im Unternehmen
duktivität. Sehr wirtschaftlich arbeitende
lassen sich Vermögenswerte aus den Bilanzen
Unternehmen, die zugleich hochwertige Pro-
ersehen. Auch sind Ausgaben exakt feststell-
dukte auf den Markt bringen, könnten, wenn
bar. Nicht in Werte umzurechnen dagegen ist
der Bedarf vorhanden ist, gute Umsätze erzie-
die Motivation der Mitarbeiter. Sie aber trägt
len. Sie werden – wie wir das wissen – zu
wesentlich zur Leistung des Unternehmens
Einnahmen. (Innovationen tragen hierzu bei.
42 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

günstige Einkaufspreise, günstige Verkaufspreise,


hohe Ausbringung durch preiswerter Einkauf,
minimale Durchlaufzeiten guter Umsatz durch
richtige Ausnutzung der pünktliche Bezahlung der
der Produkte, richtiger Qualitätsprodukt und
Elementarfaktoren Kunden
Mann am richtigen Platz Image

gute gute gute gute


Produktivität Wirtschaftlichkeit Rentabilität Liquidität

sinkende Stückkosten, zusätzliche Gelder


sinkende genügend Bargeld für
insbesondere bei anlage- (Gewinn) für Erfüllung
Stückkosten anfallende Aufgaben
intensiven Betrieben neuer Aufgaben

Markt- Investitions- Finanzierungs-


vorteile vorteile vorteile

Verbesserung des betrieblichen Gleichgewichts

Abb. 40 Einige Wirkungen der Signalkennziffern

Auch könnten Marktnischen, die ein Unter- bei. So stehen einer überzeugenden Berech-
nehmen mit seinen Erzeugnissen ausgemacht nung des betrieblichen Gleichgewichts zu
hat, zu guten Umsätzen beitragen. Diese ga- viele Unwägbarkeiten entgegen. Daher be-
rantieren meistens auch einen Gewinn.) Ver- schränkt man sich auf verschiedene Kennzah-
einnahmte Umsätze, die auch Gewinne ent- len, die den ausgewogenen Zustand des Un-
halten, stabilisieren die liquiden Verhältnisse ternehmens einigermaßen widerspiegeln.
eines Unternehmens.
Aufgaben
32. Die DMW AG stellt trotz ihrer Größe
2.4 Das betriebliche hervorragende Kleinwagen her. Die
Gleichgewicht DMW produzieren wirtschaftlicher als
manche Konkurrenz, und doch ist die li-
quide Basis des Unternehmens be-
Der Volksmund würde sagen, dass ein Be-
schränkt. Wie ist das zu erklären?
trieb im Gleichgewicht ist (betriebliches
Gleichgewicht), wenn er funktioniert. Und 33. Sie sehen hier eine Abbildung (Abb. 41),
der Gewinn ist sicher Indiz dafür, dass es ihm die auch verschiedene Zielsetzungen do-
gut geht. Aber diese Aussagen genügen für kumentiert. Sehen Sie Unterschiede zu
eine Definition nicht. dem bisher Gesagten?
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 43

Das betriebliche Gleichgewicht ist ein Zu-


stand, den ein Betrieb am Ende einer be-
stimmten Zeit erreicht haben kann (z.B. am
Ende einer Periode). Während dieses Zeit-
raums muss er produktiv gewesen sein und sehr
wirtschaftlich gearbeitet haben. Die hergestell-
ten Erzeugnisse müssen auf dem Markt zu
angemessenen Preisen verkauft worden sein.
Die Umsätze müssen alle Kosten vergütet und
Gewinne mit sich gebracht haben. Ihr Gegen-
über sind Einnahmen, die in den Betrieb geflos-
sen sind. Ist unter diesen Aspekten das finanz-
wirtschaftliche und finanzielle Gleichgewicht
erreicht, ist ein wesentlicher Teil des betriebli-
chen Gleichgewichts erreicht worden.
Hinzu kommen innerbetriebliche Verhältnis-
se, die ein betriebliches Gleichgewicht mit-
bestimmen. Sie können die Informationen
betreffen und deren Weitergabe und Verarbei-
tung, die Struktur meinen, d.h. den Aufbau
eines Betriebes mit seinen Führungskräften Abb. 41: Betriebliche Zielsetzungen,
und Abteilungen, die Ablauforganisation einmal anders gesehen.
umfassen und insbesondere das Miteinander
der Mitarbeiter und die Zusammenarbeit mit Wolfsburg – „Erst kommt die Pflicht, dann
der Unternehmensführung. die Kür“, stutzte VW-Chef Ferdinand Piëch
noch beim Genfer Autosalon Frager zurecht,
All das lässt sich unter dem Stichwort Unter- die eine VW-Antwort auf die vielen Roadster
nehmenskultur unterbringen. Selbst wenn ein und Vans der härtesten Wettbewerber haben
Unternehmen seine gesetzten Normen (Kenn- wollten.
zahlenvorgaben) erreicht bzw. überschritten
hat, so kann es dennoch vom betrieblichen Damit wird klar, in welcher Phase sich
Gleichgewicht entfernt sein, weil die Zusam- Volkswagen gegenwärtig befindet. Die halbe
menarbeit der Belegschaft zu wünschen übrig Wegstrecke, vom sanierungsbedürftigen Au-
lässt, weil die Fluktuation des Personals groß tobauer zum profitabelsten wie attraktivsten
ist, weil zurückgehaltene Informationen ihren Fahrzeugproduzenten Europas, ist geschafft.
Durchlauf erschweren. Die Fabriken sind renoviert, die Fertigungs-
prozesse optimiert, die Entwicklung marken-
Ein Gleichgewicht setzt eine bestimmte Har- übergreifend koordiniert und rationalisiert.
monie voraus. Diese schließt Konflikte nicht
aus. Treten sie auf, werden sie im Interesse Doch die zweite Hälfte des Weges in eine
der Mitarbeiter und der Sache gelöst (siehe erfolgreiche Zukunft liegt noch vor VW.
Konfliktmanagement). Ein Gleichgewicht lebt Für jede Nische entwickelt die Piëch-Truppe
auch von der Integration der Individuen in die ein neues Modell, wobei speziell in den klei-
Gesamtbelegschaft. neren Fahrzeugklassen die VW-Dominanz
deutlich ausgebaut werden soll.
Von Peter HANNEMANN
Abb. 42: Wie VW seine Ziele bestimmt hat
Quelle: Hamburger Abendblatt
44 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Los Angeles – Mit der wohl ungewöhnlichsten Jordan Manufacturing ist eine Superfirma. Sie hat
Kette amerikanischer Lebensmittel-Supermärkte Supergewinne, eine Superpolitik, Superprodukte,
haben die deutschen Albrecht-Brüder (Aldi) in den Superproduktivität, Superpotential und die Leute,
USA großen Erfolg. An der Westküste sind ihre die das alles bewirken – Supermitarbeiter.
Trader-Joe’s-Märkte schon seit zwei Jahrzehnten Dies ist die spannende Geschichte von Jim Jack-
geradezu Kultobjekte. In diesen Monaten geht die son, dem Eigentümer und Gründer von Jordan.
Kette, die mit 83 Geschäften 750 Millionen Dollar Jacksons Konkurrenzstrategie basiert auf Qualität
umsetzt, auch an die Ostküste nach Massachusetts, und Service, worüber heutzutage alle reden. Etwas
New York und Washington D. C. ganz anderes ist es aber, diese dem Kunden tat-
Das Erfolgs-„Geheimnis“ ist ein Konzept, das am sächlich zu bieten, und das tut Jordan. Zwischen
US-Markt bislang einmalig blieb. Gourmetwaren 1982 und 1983 erhöhten sich die Umsätze von 74
verkauft Trader Joe’s zu Discountpreisen. Die Aus- auf 90 Millionen Dollar, und die Gewinne stiegen im
wahl ist gering. Wo ein normaler Supermarkt ein gleichen Zeitraum um über 700 Prozent. Die Aktien
Sortiment von 20000 Artikeln führt, gibt es bei Tra- des Unternehmens stiegen 1982 um 42 Prozent und
der Joe’s gerade mal 2000. Dennoch gilt die Kette 1983 ebenso. Der Verfasser eines Zeitschriftenarti-
in Kalifornien zum Beispiel als umsatzstärkster kels über Jordan bemerkte: „Der Erfolg des Unter-
Weinanbieter des Bundesstaates. nehmens basiert in erster Linie auf einer wohl-
Die Kundschaft wird monatlich mit einem 24seitigen durchdachten Strategie, die darauf abzielt, Vertrau-
Heft bedacht, das wie eine Mischung aus Mad en zwischen Mitarbeitern und den Eigentümern
Magazine und Stiftung Warentest anmutet. Inklusive aufzubauen.“ Jackson lässt es sich angelegen sein,
Cartoons, Witzen und jeder Menge kleiner Ge- mindestens zweimal wöchentlich in der Fabrikhalle
schichten über die Produktpalette von Trader Joe’s. zu erscheinen, um all jenen ein Lob auszusprechen,
Um die typisch kalifornisch-freundliche Kunden- die besonders gut gearbeitet haben, um zu fragen,
betreuung auch in den neuen Filialen an der Ost- wie es den Angehörigen geht, und um das Betriebs-
küste zu garantieren, hat das Unternehmen Filiallei- klima zu überprüfen. Seine Mitarbeiter brauchen
ter wie Mitarbeiter nach Boston transferiert. „Trader nicht zu befürchten, dass er sie über ihre Aufgaben
Joe’s hat eine Reputation als extrem kundenfreund- belehren wolle, da er so gut wie nichts über Einzel-
licher Supermarkt, wir nehmen uns alle Zeit der heiten der Fertigung weiß. Er lässt sich gern mit
Welt, um unseren Kunden die neuesten Importe zu dem Ausspruch zitieren, dass er „kaum weiß, wie
erklären.“ (von Holger HOETZEL) man ein Auto anlässt“.
Abb. 43: Ein Unternehmen im Gleichgewicht Abb. 44: Der Erfolg durch Menschenführung
Quelle: Hamburger Abendblatt Quelle: Führungskräfte

Zusammenfassung
Das betriebliche Gleichgewicht ist der Zustand, der die gegenwärtige Betriebsexistenz sichert
und die Grundlage für das zukünftige Dasein bildet.
Es setzt voraus, Es wird gemessen an den Kennzah-
• dass die Ertragsquellen ausge- • dass die Mitarbeiter einsatzfä- len
schöpft sind hig und mit Interesse entspre-
• in Umsatzeinnahmen** zu markt- chend ihren Kenntnissen und • Produktivität
gerechten Preisen transferiert wer- ihrem Können arbeiten • Wirtschaftlichkeit
den • dass die Arbeitsatmosphäre • Rentabilität
• dass auf der Grundlage* einer durch gegenseitige Anerken- • Liquidität,
ausgewogenen Vermögens- und nung geprägt ist • die als Signalkennziffern ausge-
Kapitalstruktur die Kapazität aus- • dass die Kunden umworben wiesen sind und um, meist aus
genutzt und die kürzesten Durch- und zuvorkommend behandelt ihnen abgeleitete, Nebenkennzah-
laufzeiten wirtschaftlich produziert werden. len (Derivate) erweitert werden,
werden • und am vorgegebenen Soll.
• dass Unternehmer, Handwerks-
meister und Leitung innovationsge-
richtet und flexibel, verantwor- * Langfristige Liquiditätsdimension
tungsbewusst und motivationsför-
** kurzfristige Liquiditätsdimension
dernd agieren
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 45

3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess

3.1 Die menschliche Arbeitskraft

3.1.1 Der Mensch im Mittelpunkt Selten hat der Neubau einer einzigen Fabrik
für noch nicht einmal zweitausend Arbeits-
Jeder Betriebsprozess braucht Menschen. Sie plätze ein solches öffentliches Echo ausgelöst
sind heute genauso wichtig wie früher. wie das Eisenacher Opel-Werk.
Datenverarbeitungssysteme, computergesteu- Mit schlanker Fertigung und demokratischer
erte Produktionsverfahren und Roboter haben Gruppenarbeit ist der Anspruch verbunden,
zahlreiche Arbeitsplätze in den Werkshallen nicht nur die veralteten Produktionsmethoden
überflüssig gemacht. Neue Arbeitsplätze sind in Westdeutschland abzulegen, sondern damit
im Dienstleistungssektor – sowohl innerhalb auch die fortschrittlichsten Verfahren in Japan
der Unternehmen als auch auf den Märkten – und Amerika zu überholen. Humanisierung
dazugekommen. der Arbeitswelt und Produktivitätssteigerun-
In vielen Fällen stellt die veränderte Arbeits- gen von beachtlichem Ausmaß könnten sich
welt höhere Anforderungen an den einzelnen. zum Wohle von Umland und Umfeld gegen-
seitig bedingen … In steter Reihe, genau
Seit den achtziger Jahren zeichnet sich eine gesprochen nach jeweils 122 Sekunden, darf
Entwicklung ab, die den Mitarbeitern im jeder Arbeitnehmer einen neuen Corsa (zu-
Betriebsgeschehen wieder eine zentrale Stel- weilen auch Astra) bedienen. Sie tragen –
lung einräumt. Nicht mehr das Taylorsche ausnahmslos alle vom Werksleiter bis zum
Prinzip der Arbeitsteilung (siehe Fließband- Bandarbeiter – weiße Hemden und graue
fertigung), das den Arbeitnehmer durch im- Hosen mit verdeckter Knopfleiste und Klett-
mer wiederkehrende Arbeitsgriffe zu einem verschluss.
menschlichen „Roboter“ mit höchster Produk-
tivität machte, sondern eine Art ganzheitliche Abb. 45: Die Eisenacher und die Rüs-
Herstellung in einem Team rückt in den Mit- selsheimer
telpunkt der Produktionsverfahren. Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kombination der Zusammenführung und


Elementarfaktoren Aufeinanderabstimmung
von menschlichen Arbeits-
Entwicklung der leistungen, Werkstoffen und
Kombination Betriebsmitteln

Mittelalter = vornehmlich unmittelbare Vergangenheit = z.T. Gegenwart = kapitalintensive


arbeitsintensive Herstellung kapitalintensive Herstellung unter Herstellung, computergesteuert,
und Verwendung von Verwendung relativ vieler Arbeits- Mensch als Bediener der
Werkzeugen kräfte (Fließband), auch heute Computer
noch üblich

Abb. 46: Veränderungen in der Prozesskette


46 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Auch die Arbeitsplätze in der Verwaltung Die DMW AG beschäftigte im vergangenen


haben ein anderes Aussehen als früher. Ob im Jahr 12.800 Mitarbeiter. Von ihnen waren
Einkauf, Verkauf, im Personalsektor oder in insgesamt 4.400 im Herstellungssektor, der
der Buchhaltung, ob am Banktresen oder Rest in der Verwaltung tätig. In vielen Teilbe-
Postschalter, überall hat der Bildschirm Ein- reichen ist Gruppenarbeit eingeführt worden.
gang gefunden. Außerdem arbeiten Teams an gesonderten
So können Mitarbeiter schnell Informationen Projekten.
nicht nur abrufen und verwerten, sondern Aufgabe
verfügen über dieselbe Informationsdichte
34. Fertigungsberufe in der Industrie und im
wie ihre Mitstreiter. Daher wird die vielfach
produzierenden Handwerk haben sowohl
praktizierte Teamarbeit effizienter.
absolut als auch relativ an Bedeutung ver-
Trotz oder und wegen dieser Entwicklung loren. Mit einem Minus von l5% oder
sind in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze knapp l,5 Mio. Arbeitsplätzen gegenüber
verloren gegangen. Computer, Arbeitsformen 2003 ist ihr Beschäftigtenanteil von 28 auf
und Kostensteigerungen haben u.a. hierzu nur noch 21 % gesunken (Quelle: iwd).
beigetragen.
a) Welche Folgen lassen sich aus dieser
Entwicklung für eine Industriegesell-
schaft abzeichnen?

Schlüsselqualifikationen: die Elemente


Kenntnisse 1. Berufsübergreifende, das heißt allgemeinbildende Kenntnisse und Fertigkeiten – wie Kultur-
und techniken, Fremdsprachen, technische, wirtschaftliche und soziale Allgemeinbildung
Fertigkeiten 2. Neuaufkommende Kenntnisse und Fertigkeiten – wie Befähigung zum Umgang mit elektroni-
scher Datenverarbeitung und neuen Technologien
3. Vertiefte Kenntnisse und Fertigkeiten, das heißt Ausbau von Grundlagen, die wenig veränderbar
sind wie Fachfremdsprachen
4. Berufsausweitende, das heißt über den Einzelberuf hinausgehende. Kenntnisse und Fertigkeiten
wie Arbeitsschutz und Umweltschutz
Fähigkeiten 1. Selbständiges, logisches, kritisches, kreatives Denken
2. Gewinnen und Verarbeiten von Informationen, Informiertheit über Informationen
3. Selbständiges Lernen, das Lernen lernen, sich etwas erarbeiten können
4. Anwendungsbezogenes Denken und Handeln. Einsatz der eigenen Sensibilität und Intelligenz –
hei Umstellungen und Neuerungen, im Vorschlags- und Erfindungswesen
5. Entscheidungsfähigkeit, Führungsfähigkeit, Gestaltungsfähigkeit – wie Selbständigkeit hei
Planung. Durchführung und Kontrolle
Verhaltens- 1. Verhaltensqualifikationen mit einzelpersönlicher Betonung – wie Selbstvertrauen, Optimismus.
weisen Wendigkeit. Anpassungsfähigkeit, Gestaltungskraft, Leistungsbereitschaft, Eigenständigkeit
2. Verhallensqualifikationen mit zwischenmenschlicher Betonung – wie Kooperationsbereitschaft,
Fairness, Verbindlichkeit. Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Dienstbereitschaft, Teamgeist, Solidarität
3. Verhaltensqualifikationen mit gesellschaftlicher Betonung – wie Fähigkeit und Bereitschaft zu
wirtschaftlicher Vernunft, technologischer Akzeptanz und zum sozialen Konsens
4. Arbeitstugenden – wie Genauigkeit. Sauberkeit, Zuverlässigkeit. Exaktheit, Pünktlichkeit,
Ehrlichkeit, Ordnungssinn, Konzentration. Ausdauer, Pflichtbewusstsein, Fleiß, Disziplin,
Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme
Abb. 47: Schlüsselqualifikationen
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 47

3.1.2 Qualität der Arbeit b) Seit l973 sind in Westdeutschland al-


lein 3,9 Mio. Arbeitsplätze im Dienst-
Noch vor kurzem wurde das Personal erstens leistungssektor geschaffen worden.
nach Funktionen in Wo könnte das gewesen sein?
• leitendes und
• ausführendes
Begriffsklärungen
und zweitens nach der Ausbildung in
Gruppenarbeit: Hierbei werden einzelne
• ungelerntes Aufgaben der Gruppe zusammengefasst. Die
• angelerntes Gruppe übernimmt nicht nur die Ausführung,
sondern in gewissem Umfang Planung, Kon-
• berufspraktisch geschultes und trolle und Rückmeldung des Arbeitsfortschrit-
• wissenschaftlich ausgebildetes tes. In den DMW werden die Kraftwagen
nicht mehr am Fließband zusammengebaut,
Personal untergliedert.
sondern von mehreren Arbeitsgruppen neben-
Auch heute noch gibt es genügend Stellen, die einander erledigt.
keine hohen Anforderungen an den Inhaber
Diese neue Art der Arbeitsorganisation hebt
stellen, weil sie vornehmlich ausführender
die Trennung von ausführender und planender
Natur sind. Dennoch: Die Qualifikationen, die
Arbeit (arbeitsteiliges Konzept) auf.
ein Arbeitnehmer heute mitbringen muss, um
erfolgreich zu arbeiten (siehe Abb. 47), sind Fertigungsinsel: Sie ist eine besondere Form
anspruchsvoller geworden. der Gruppenarbeit. Charakteristisch ist, dass
eine Gruppe eine bestimmte Teilautonomie
Der Wandel in der Berufswelt durch den
hat. Sind die notwendigen Betriebsmittel
Siegeszug der Informationstechnologie in der
räumlich und organisatorisch zusammenge-
Verwaltung und durch die veränderten Her-
fasst, kann die Gruppe mit den Ausgangsma-
stellungsverfahren, und hier insbesondere da,
terialien Produktteile oder Endprodukte voll-
wo computerintegrierte Produktion – CIM –
ständig fertigen.
stattfindet, steht erst am Anfang. Mit beiden
ist oft auch eine Veränderung der Organisati- (Anlehnung an iwd – WuU)
onsstruktur verbunden. Nicht mehr die Funk-
tionen (Beschaffung, Produktion, Absatz)
bestimmen den Ablauf, sondern die Prozess- Die DMW AG hat 2003 wieder 16 Mio. EUR
kette, auch Wertschöpfungskette genannt. in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter ge-
Beispiel hierfür ist der Beschaffungsbereich, steckt (Mitarbeiter-Investitionen), um den
dessen Einfluss in die Fertigung reicht (integ- Anforderungen an die moderne Technik und
rierte Materialwirtschaft). den veränderten Arbeitsabläufen gerecht zu
werden.
Viele Betriebe haben sich bisher gescheut
oder sahen keinen Grund, ihre Arbeitsorgani- Auch in den folgenden Jahren wird dieses Vor-
sation zu ändern. Andere – wie die Kraftfahr- haben fortgesetzt, den noch immer gibt es zu
zeugindustrie – sind in die Vorreiterrolle viele Mitarbeiter, die als Einzelkämpfer arbei-
geschlüpft. Schon längst haben sie ein ten. Hauptthema daher: erfolgreiches Team-
schlankes Management (Lean Management) arbeiten.
eingeführt und praktizieren eine schlanke
Produktion (Lean Production) [siehe Ge-
schäftsleitung].
48 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Mit letzterer gehen autonome Arbeitsgruppen, Was ist Total Quality Management?
Fertigungsinseln und Qualitätszirkel, die aus Auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruhende
dem „Qualitätsmanagement“ (Total Quality Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den
Management) abgeleitet sind, einher. In die- Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kun-
sen Fällen ist dem Mitarbeiter eine größere den auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen
für die Mitglieder der Organisation und für die Gesell-
Verantwortung zugewachsen. schaft zielt.
Was heißt das? Total: Einbeziehung aller Beteiligten (Mitar-
beiter, Lieferanten, Öffentlichkeit)
Alle in der Gruppe arbeitenden Mitarbeiter
sind an planerischen Aufgaben, die früher nur Quality: Qualität der eigenen Arbeit, Qualität
aller Prozesse, Qualität des Unterneh-
der Leitung zugedacht waren, beteiligt. Da mens mit dem Ergebnis: die Qualität der
sind z.B. Produkte und Dienstleistungen
• Arbeitsverteilung Management: Führen, Fördern der Teamfähigkeit,
Vorbild sein
• Terminplanung
Abb. 48: Qualitätsmanagement
• Maschinenwartung Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
• Teileversorgung und -nachschub
• Qualitätssicherung und Urlaubsplanung Frankfurt/Main – Die deutsche Industrie könnte
mit einem besseren Einkauf jährlich zweistellige
zu regeln.
Milliardenbeträge einsparen. Das geht aus einer
Das „Mehr“ an Verantwortung hat sich viel- Studie der Universität Köln und der Unterneh-
fach ausgezahlt: mensberatung Masai hervor, die den Einkauf von
• Erstens arbeiten Mitarbeiter engagierter. französischen, deutschen und spanischen Unter-
nehmen verglichen haben.
• Zweitens identifizieren sie sich eher mit
ihrem Betrieb. Vor allem bei der Qualifizierung der Einkäufer und
der weltweiten Suche nach Lieferanten ist
• Drittens werden die Arbeiten zuverlässig Deutschland weit abgeschlagen: In nur knapp 20
erledigt. Prozent der deutschen Unternehmen verfügen
• Viertens schafft Verantwortung eine mehr als die Hälfte der Mitarbeiter über einen
größere Arbeitsfreude und mit ihr Ar- Hochschulabschluss. In Spanien sind es 48 Pro-
beitszufriedenheit. zent, in Frankreich sogar zwei Drittel.
So zahlt sich humaneres Arbeiten für alle aus. Abb. 49: Qualifizierung (DW 2003)

3.1.3 Frauen in der Arbeitswelt Aufgabe


Die Erwerbstätigkeit der Frauen hat in den 35. Bitte erfragen Sie in Ihrem Unternehmen
letzten 30 Jahren zugenommen. Insbesondere die vielfältigen Berufe und Tätigkeiten,
bei den so genannten mittleren Jahrgängen, die dort ausgeübt werden! Sollten Sie
und damit sind Frauen gemeint, deren Alter sich noch in Ihrer Ausbildung befinden,
zwischen 20 und 60 Jahren liegt. Das liegt versuchen Sie herauszufinden, welche
daran, dass Anforderungen an den Beruf des Indust-
riekaufmanns/der Industriekauffrau ge-
• auch die Ausbildung der Frauen qualifi-
stellt werden! Prüfen Sie auch, ob noch
zierter geworden ist
ein Unterschied unter den Menschen ge-
• Frauen Berufe erobert haben, die früher macht wird, die man früher als Arbeiter
nur den Männern vorbehalten waren. und Angestellte bezeichnete.
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 49

Sowohl das eine als auch das andere hat nicht Pressenotiz
bewirken können, dass Frauen Männern ge- Frauen verdienen bis zu 30 Prozent weni-
genüber im Beruf gleichberechtigt sind, eine ger
Forderung, die überall erhoben, aber bisher
nur teilweise verwirklicht worden ist. Diese Wiesbaden – Frauen mit einem Vollzeitjob
nicht zu begründende mangelnde Gleichbe- verdienen immer noch weniger als Männer.
rechtigung wird spürbar bei Weibliche Angestellte bekamen 2003 im
Schnitt 2560 Euro im Monat – 30 Prozent
• der Bezahlung weniger als ihre männlichen Kollegen. Arbei-
• den Positionen und Stellen terinnen in der Industrie hatten brutto 1885
Euro – 26 Prozent weniger. (dpa)
• der Behandlung.
Abb. 50: Frauenverdienste
In vielen großen Betrieben und in der öffent- Quelle: Hamburger Abendblatt
lichen Verwaltung sind zur Gleichstellung der
Frauen Frauenbeauftragte ernannt bzw.
gewählt worden, die die Rechte der Frauen
vertreten. Auch existieren Programme zur
Frauenförderung. Da aber der größte Teil der Zusatzinformationen
Frauen in Klein- und Mittelbetrieben beschäf-
tigt ist, bei denen derartige Stellen fehlen, In mehr als 60 Berufen von circa 180 ehema-
weil die finanziellen Mittel hierfür nicht frei- ligen Männerberufen gehen Frauen eine Aus-
gemacht werden können, müssen die dort bildung ein und üben ihren Beruf darin auch
beschäftigten Frauen ihre eigenen Belange aus, manchmal allerdings nur in Teilzeitar-
vertreten. Das ist angesichts der Leitungseta- beit. Immerhin machen sie circa 35% aus. So
gen, die vornehmlich von Männern besetzt gibt es vermehrt Konditorinnen, Chemigra-
sind, schwierig (siehe Abschnitt 4.5). finnen, weibliche Postfachkräfte, Restaurant-
fachfrauen, Raumausstatterinnen, Gärtnerin-
Gesetzliche Bestimmungen über die Gleich- nen, Floristinnen, Vermessungstechnikerin-
berechtigung lassen sich u.a. aus dem Grund- nen und Köchinnen. Eine traditionelle Domä-
gesetz (Artikel 3, Absatz 2) ableiten, aus dem ne der Frauen sind Tätigkeiten im Dienstleis-
Betriebsverfassungsgesetz (§75 u.a.) und aus tungssektor. Da der Zuwachs an Arbeitsplät-
dem BGB, §§611, 612, Absatz 3. zen hier besonders hoch ist (Reisebüros, Wer-
beagenturen, Arztpraxen, Krankenhäuser,
Sozialstationen), konnten viele Frauen neue
3.2 Betriebsmittel Beschäftigungsverhältnisse eingehen. Zählt
man hierzu auch schreibtechnische Berufe
3.2.1 Arten der Betriebsmittel und und Sekretärinnen, dann allerdings hat in
Charaktermerkmale dieser Sparte der Abbau von Arbeitsplätzen
durch den Computer erhebliche Wirkung
Zu den Betriebsmitteln zählen u.a. gehabt. Dass für Teilzeitarbeitskräfte nicht die
• Grundstücke (Gebäudestandort, Außen- gleichen Positionen offen stehen, versteht sich
läger) von selbst. Sicher würden sich manche Frau-
en überlegen, ganztägig zu arbeiten, würden
• Gebäude (Verwaltung, Produktion) sie wie ihre männlichen Kollegen besoldet
• Ausstattungen (Büroeinrichtungen) werden.
50 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

• Maschinen und Fertigungsanlagen Die DMW AG schickte auf den internationalen


Frauentag vier Vertreterinnen. „Frauen haben
• Vorrichtungen (Schütten, Rutschen)
inzwischen oft die gleichen Rechte wie Män-
• Werkzeuge (Zangen, Bohrer, Lötlampen) ner, aber längst noch nicht die gleiche Macht“,
• Fahrzeuge (Kraftfahrzeuge, Gabelstap- sagte Gleichstellungssenatorin Christina Weiß
ler). zur Feier des 85. Internationalen Frauentages
im Rathaus (8. März) vor rund 200 Frauen.
Je nach Branche, Spezialisierung, Größe, Gerda Gmelin, die große alte und inzwischen
technischen Möglichkeiten und Kapital unter- verstorbene Dame des Zimmertheaters in Ham-
scheiden sich die Betriebsmittel der Einzelbe- burg, ergänzte: „Ja, wenn wir etwas sein
triebe. Generell aber nehmen sie in allen Her- wollen, müssen wir immer tüchtiger sein als
stellungsbetrieben mit vornehmlich maschi- die Männer.“
neller Produktion einen großen Teil des ein-
gesetzten Kapitals in Anspruch. Frauen der DMW AG haben diese Probleme
nicht.
Ihr Charakter (Charaktermerkmale) lässt sich
durch Analyse folgender Merkmale heraus- Die DMW AG hatte 2002 als Sachanlagen –
finden: ein Begriff aus der Bilanz, der dem Begriff
• Kapazität „Betriebsmittel“ entspricht – 328 Mio. EUR
• Lebensdauer ausgewiesen. Davon beliefen sich die
Grundstücke und Gebäude auf 68 Mio. EUR,
• Verwendungsfähigkeit die technischen Anlagen und Maschinen auf
• Kosten 180 Mio. EUR, andere Anlagen, Betriebs-
und Geschäftsausstattung auf 20 Mio. EUR,
• technischer Fortschritt. Anlagen im Bau auf 30 Mio. EUR, Werkzeu-
ge und Vorrichtungen sowie Fahrzeuge auf 30
3.2.2 Kapazitäten Mio. EUR.
Die Kapazität, d.h. die Leistungsfähigkeit
eines Betriebes, hängt von vielen Faktoren ab,
u.a. auch von den Sachanlagen, mit denen die
Produkte hergestellt werden. In jedem Fall
bestimmen sie die maximale Menge, die ein
Unternehmen ausstoßen kann. In diesem Fall Aufgaben
wird auch von der technisch-maximalen 36. Die technische Entwicklung der Compu-
Menge gesprochen oder von der technisch- ter schreitet ständig voran. Fast monat-
maximalen Kapazität. lich kommen neue Sensationsmeldungen
Nun kommt es natürlich darauf an, wie Be- über noch größere Prozessoren mit mehr
triebsmittel und Menschen einander zugeord- Leistungsfähigkeit etc. heraus. Was be-
net sind. Da Menschen im Laufe ihres Ar- deutet das für Sie als Computerbesitzer
beitstages ermüden, können sie nicht immer und für die Betriebe?
mit gleich bleibendem Einsatz arbeiten. Somit 37. Überlegen Sie, wenn Sie mit Ihrem Fahr-
bestimmt ihr Leistungspotenzial auch die rad, Motorrad oder PKW ständig mit der
Tagesausbringung (oder die Monats- und Ihnen möglichen Höchstgeschwindigkeit
Jahresproduktion). Von hier ist der Weg zur fahren, welche Folgen das für Mensch
maximalen Menge oder maximalen Kapazi- und Material hat! Beziehen Sie in Ihre
tät (siehe Abb. 53) nicht mehr weit. Überlegungen auch die Umwelt mit ein.
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 51

Es ist die mögliche Ausbringungsmenge, die


auf der Basis aller Elementarfaktoren und
deren Zuordnung geschafft werden kann.
Meist beträgt sie 90% der technisch-
maximalen Kapazität. Sie kann darüber oder
darunter liegen. Die maximale Kapazität
(Sollausbringung) ist diejenige Größe, von
der die Istausbringung ermittelt wird.
Produziert ein Unternehmen da, wo es die
günstigsten Kostenverhältnisse ausweist,
spricht man von optimaler Kapazität. Sie
wird auch wirtschaftliche Kapazität genannt.
Hier erreicht das Unternehmen unter den
gegebenen Verhältnissen seine höchste Wirt-
schaftlichkeit. Die wirtschaftliche Kapazität
liegt bei circa 75–85% der maximalen Kapa- Abb. 51: Ergiebigkeit der Betriebsmittel
zität. Das kommt auf den Betrieb an.
Wie Abbildung 51 verdeutlicht, werden,
wenn man von der Leistungsfähigkeit der Die DMW AG schreibt in ihrem letzten Ge-
Anlagen spricht, der technische Leistungs- schäftsbericht:
stand und die technische Eignung genannt. Wir haben unsere diesjährigen Modelle mit
Betriebsmittel sind natürlich nur dann zu einer neuen Generation von Motoren ausges-
Höchstleistungen in der Lage, wenn sie ent- tattet. Diese sind leistungsfähiger, obwohl sie
weder neu sind (Modernität), oder – sollten weniger an Benzin- und Dieselkraftstoff
sie schon längere Zeit in Gebrauch sein (Ab- verbrauchen, und ruhiger geworden. Dafür
nutzungsgrad) – wenn sie regelmäßig gewar- sind sie spurtstärker und schneller geworden.
tet und anlagengerecht repariert werden. Hin- Schon mit dem Single kann heute eine Dauer-
zu kommt, dass sie für das, was sie bewirken reisegeschwindigkeit – ohne körperliche Be-
sollen, auch geeignet sein müssen. Das gilt lastungen – von 145 km /h gehalten werden.
für ihre Qualität und für ihre Ausbringungs- Die Höchstgeschwindigkeit ist sogar von 155
menge (Quantität). km/h auf l62 km/h gestiegen, was das Überho-
len erleichtert.
3.2.3 Lebensdauer und
Verwendungsfähigkeit
Pressenotiz
Betriebsmittel überdauern zum Teil viele Die Auslastung der deutschen Industrie ist
Jahre. Gebäude sind zwar nicht unbegrenzt unterschiedlich. In der Kraftfahrzeugbranche
haltbar, aber ihre Lebensdauer übersteigt haben die veröffentlichten Absatzzahlen 1995
i.d.R. die eines Menschen. Maschinen und für ernste Mienen gesorgt. Ihre Auslastung ist
sonstige Anlagen sowie Vorrichtungen und auf 78% geschrumpft. Wenn es auch in den
Fahrzeuge dagegen halten nur ein paar Jahre. Folgejahren immer wieder zu besseren Er-
Je nach Einsatz werden sie betrieblich 4 oder gebnissen kam, so kämpft heute (2006) die
5 Jahre benutzt. Werkzeuge sind oft schon Autoindustrie immer noch um eine optimale
nach kürzerer Gebrauchsdauer unbrauchbar. Auslastung.
Alle müssen je nach Zustand mal eher, mal
Abb. 52: Die gegenwärtige Auslastung
später ersetzt werden.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung
52 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Werden Anlagen beschafft, deren Verwen-


dungsfähigkeit weit über den Ansprüchen
liegt, die an sie gestellt werden – und in ei-
nem solchen Fall spricht man von Überdi-
mensionierung –, dann hat der Betrieb fehl-
investiert. Dasselbe gilt, wenn Anlagen nur
unter größten „Anstrengungen“ eine geforder-
te Leistung hervorbringen, die sie nur im
äußersten Fall schaffen können. Hier spricht
man von Unterdimensionierung. Diese ist
genau so schädlich.
Die Anlagen müssen also genau auf den
Zweck, den sie zu erfüllen haben, abgestimmt
sein. Und sie müssen insgesamt zueinander Abb. 53: Kapazitäten
passen wie Rohre, die miteinander verbunden
werden. Die Bestellungen der Kunden bleiben aus. Zwi-
Anlagen, die benutzt werden, verlieren durch schen Januar und Mai brachen die Auftragseingän-
den Gebrauch ständig an Wert. Diese Wert- ge in Deutschland gegenüber dem Vorjahreszeit-
minderungen werden Abschreibungen ge- raum insgesamt um 7,7 Prozent ein, beim Tiefbau
nannt. sogar um 13,4 Prozent. Vollbremsung auch bei der
bisherigen Konjunkturlokomotive Wohnungsbau:
Abschreibungen (vgl. S. 161 f.) sind Kosten, ein Rückgang um stolze 25 Prozent. Die Baubran-
die in den Preis der Produkte einkalkuliert
che, mit einem Jahresumsatz von 250 Milliarden
werden. Ihre Höhe richtet sich nach der Bean-
Euro Stützpfeiler des möglichen Aufschwungs,
spruchung der Anlagen bzw. nach Abschrei-
krankt an Überkapazitäten und einer schlechten
bungssätzen, die der Gesetzgeber vorgegeben
Zahlungsmoral der Kunden. Mit 8000 Pleiten
hat. Sie werden über die Umsätze verein-
rechnet der Verein Creditreform allein im Jahr
nahmt und können danach wieder für veralte- 2003, im nächsten Jahr sollen es sogar über 9000
te, ausgemusterte und abgeschriebene Anla- werden.
gen verwandt werden. Dadurch kann das
Sachanlagenniveau immer auf einem hohen Abb. 54: Die Auslastung der deutschen
Stand gehalten werden. Die für die zu erset- Wirtschaft
zenden Maschinen, Vorrichtungen, Werkzeu- Quelle: Capital
ge und Fahrzeuge beschafften neuen Anlagen Zur Dimensionierung
werden als Ersatzinvestitionen bezeichnet Wer sich einen Sportwagen anschafft und mit
(siehe auch Kapitel Finanzierung). ihm nur zum Einkaufen fährt, mag zwar sei-
Der Gesetzgeber hat über die Wertansätze der nem Prestige gerecht werden, nicht aber dem
Vermögensgegenstände in den §§ 252 ff HGB Motor und letztlich dem Preis. Hierfür ist der
feste Richtlinien vorgeschrieben. In § 253, 1 Wagen überdimensioniert. Wer ständig mit
heißt es (auszugsweise): „Vermögensgegens- einem Kleinwagen sechs Personen befördert,
tände sind höchstens mit den Anschaffungs- wird bald das Nachsehen haben. Der Wagen
oder Herstellungskosten, vermindert um Ab- ist unterdimensioniert.
schreibungen … anzusetzen.“
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 53

3.2.4 Kosten und technischer Aufgabe


Fortschritt 38. Können Sie sich vorstellen, welche Folgen
Die Wertminderungen an Sachanlagen wer- der Sportwagenbesitzer in Kauf nehmen
den als fixe Kosten angesehen. Dies sind muss, wenn sein „Flitzer“ nicht ausgefah-
Kosten, die bei unterschiedlichen Ausnut- ren und nur zu Einkaufszwecken benutzt
zungsgraden gleich hoch sind. Gleiches gilt wird? Was wird der Kleinwagenbesitzer
für Versicherungsprämien. Ob man einen wohl nach kurzer Zeit feststellen müssen,
PKW viel oder wenig fährt, ist für die Höhe wenn er ihn ständig, mit mehreren Perso-
der Versicherungssumme uninteressant. nen überladen, strapaziert? Übertragen Sie
Ihre Überlegungen auf einen Betrieb!
Je mehr ein Unternehmen produziert, desto
günstiger wirken sich die fixen Kosten auf Natürliche Materialien
das einzelne Stück aus. Das bedeutet, dass ein Zahlreiche weitere Produkte untermauern dies: So
Unternehmen bei steigender Produktivität (bei verwendete zum Beispiel die Staatliche Mineral-
gleich bleibender Kapazität) günstigere brunnen GmbH in Bad Brückenau bei der Errich-
Stückkosten ausweist, weil sich die Fixkosten tung ihres Gebäudes insbesondere Materialien wie
Kork, Holz, Sandstein und Linoleum. Beschich-
auf mehrere Stücke verteilen lassen (man
tungen, Farben und Klebstoffe enthalten keine
spricht hierbei vom Gesetz der Kostende- Lösungsmittel mehr, die Recyclingtapeten keine
gression und dem der Massenproduktion). Kunststoffe. Für ein ausgeglichenes Raumklima
Umgekehrt steigen die Fixkosten pro Stück sorgen Pflanzen im Innenbereich, an der Außen-
an, wenn der Ausstoß zurückgeht. wand und auf dem Dach. Schwingungs- und Auf-
Da das Sachanlagevermögen durch technische prallgeräusche werden durch Abfederungen und
Puffer geschluckt. Maschinenlärm durch Plexi-
Neuerungen immer moderner wird, steigt sein glashüllen gedämpft. Spezielle Wand- und De-
Wert an. Mit ihm wachsen auch die fixen ckenelemente schlucken weitere Schallwellen,
Kosten. Ein Grund, einen höheren Ausstoß sodass die Produktionsgeräusche außerhalb der
hervorzubringen. Abfüllanlage nur noch leise zu hören sind. Exem-
plarisch auch das Projekt des Freiburger Solarzent-
rums: Die Bauherren ließen hier mit Fördergeldern
3.3 Werkstoffe1 der Europäischen Union ein Bürogebäude errich-
ten, dessen Glasfassade aus vorgefertigten Fotovol-
3.3.1 Materialarten taik-Modulen besteht.
Werkstoffe werden in Produkt- und Be- Abb. 55: Neue Natürlichkeit
triebsmaterialien unterschieden. Innerhalb der
Produktmaterialien nehmen die Rohstoffe die
wichtigste Position ein. Sie bilden den Haupt-
bestandteil des neuen Erzeugnisses. Man
nennt sie auch Grundmaterialien, was die
Bedeutung für das herzustellende Produkt
zum Ausdruck bringt. Hilfsstoffe gelten als
Ergänzungsmaterial, das für das Endprodukt
zwar weniger bedeutend, oft sogar unbedeu-
tend, aber notwendig ist.

Abb. 56: Rationalisierungserfolge


1 Mit der Beschaffung von Werkstoffen beschäf-
tigt sich ausführlich das 3. Kapitel. Aus diesem
Grunde soll hier nur noch auf zwei Besonderhei-
ten hingewiesen werden.
54 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Betriebsmaterialien umfassen Betriebsstof- Beispiel:


fe, die die Produktion erst möglich machen
Abschreibungen
(Energie, Öle, Benzin), und weiteres Material,
wie zum Beispiel Putzlappen und Reparatur- Der jährliche Abschreibungsbetrag wird er-
material. mittelt, indem das Anlagevermögen zum
Anschaffungspreis durch die Nutzungsdauer
Bezogene Fertigteile werden heutzutage von
geteilt wird. Bei einer Nutzungsdauer von 5
vielen Industrieunternehmen eingekauft.
Jahren beträgt der Abschreibungssatz (lineare
PKW-Hersteller überlassen die Ausrüstung
Abschreibung) 20 %.
ihrer Fahrzeuge mit Elektrik (Lampen, Radi-
os, Beleuchtung) so genannten Systemanbie- Anlagevermögen 200 Mio. EUR
tern. Deren Aufgabe besteht nur darin, alles, Nutzungsdauer 5 Jahre
was zur Autoelektrik gehört, herzustellen und
Abschreibungs- Anlagevermögen
gegebenenfalls bei fremden Herstellern im =
betrag Lebensdauer
Rahmen des JIT-Prinzips zu bestellen.
Abschreibungs-
= 40 Mio. EUR/jährlich
3.3.2 Werkstoff- und betrag
Materialkosten
Alle Werkstoffe gehen in die Produktion ein. Die Nutzungsdauer kann verschieden sein.
Sie bilden einen Hauptbestandteil der Stück- Der Gesetzgeber hat für einzelne Anlagege-
kosten eines Produktes. Alle von ihr verur- genstände unterschiedliche Abschreibungs-
sachten Kosten und sie selbst als Kostenbe- sätze festgelegt.
standteil machen zusammen die Materialkos-
ten aus (oft werden Materialbewirtschaf-
tungskosten extra ausgewiesen). Die Materi-
alkosten enthalten:
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
• die Einkaufswerte (Menge x Preis) (2003, in Dollar)
• die Bezugskosten
Norwegen 48.972
• die Bestellkosten und
Schweiz 42.506
• die Lagerkosten.
Dänemark 39.175
Wie können Materialkosten verringert wer-
den, um die Stückkosten zu senken? Irland 37.513
Als erfolgreiche Kostensenkungsstrategien USA 36.675
der Hersteller haben sich u.a. erwiesen: Schweden 33.684
• Kooperationen mit ihren Lieferanten auf Japan 33.372
der Grundlage der Datenfernübertragung
Großbritannien 30.219
• die Anwendung des JIT-Prinzips
Deutschland 29.129
• Auslagerung von Randbereichen (z.B.
Elektro-Systeme) und Übertragung auf Frankreich 28.475
Fremdhersteller Abb. 57: Internationale Leistungsfähigkeit
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 55

• Modernisierung der Lagerwirtschaften Zu den Anlagen


(Verringerung der Lagermengen und Der Ersatz verbrauchter Anlagen sorgt für die Sub-
Ausnutzung aller Räume durch chaoti- stanzerhaltung des Unternehmens. Abschreibungen, die
sche Lagerhaltung) in die Selbstkosten einkalkuliert und vereinnahmt werden
(Vollkostenkalkulation) gehören daher in den sich stän-
• Einführung von Logistiksystemen zur dig erneuernden (revolvierenden) Geldprozess, der sich
Verkürzung der Durchlaufzeiten zwischen Beschaffungs- und Absatzmarkt (siehe Kreis-
lauf) bewegt.
• Verwendung von genormten Teilen. Nun wissen wir, dass Preise weltweit steigen. Strategie-
Qualitätskontrollen sind für Werkstoffe un- bewusste Unternehmen kalkulieren Preissteigerungen
von vorneherein mit ein, sodass Neuanschaffungen von
umgänglich. Rückrufaktionen von Herstellern der Finanzierungsseite keine Probleme bereiten.
(siehe Abb. 58) oder Produkthaftung bei In-
Mit der schleichenden Geldentwertung werden Unter-
anspruchnahme werden meist teurer als nehmen ständig in eine höhere Wertlage „geschaukelt“,
strengste Überprüfungen beim Lieferanten das heißt, ihr Anlagevermögen ist nur scheinbar wertvol-
und im eigenen Haus (siehe Abb. l7 u. l8). ler geworden. In Wirklichkeit ist das Niveau gleich
Mit ihnen werden möglicherweise Abfall und geblieben. Die künftigen Abschreibungen werden nur
jedes Jahr höher. Wenn wir voraussetzen, dass auch die
Ausschuss vermindert. übrigen Kosten in gleicher Weise steigen, bleibt die
Struktur von fixen und den übrigen Kosten (variable
3.3.3 Normung Kosten) erhalten.
In der Abb. 40 (Kreislauf der Abschreibungen, Seite 166)
Eine Norm ist die einmalige Lösung einer ist das neue Anlagenniveau sowohl bei derselben Kapazi-
sich wiederholenden Aufgabe. Normung ist tät (1) als auch bei einer höheren (2) beziehungsweise
die Vereinheitlichung von Einzelteilen nach besseren gekennzeichnet.
Arten, Größen, Abmessungen, Typen und Letzteres tritt dann auf, wenn mit den neuen Anlagen auch
technischer Fortschritt wirksam wird, was besagt, dass
Begriffen. Sie kann zugleich als Qualitätsga-
Investitionsgüterhersteller zwar ihren Preis erhöht haben,
rantie verstanden werden (z.B. DIN A4). weil deren Kosten gestiegen sind, aber die Preiserhöhung
Im Gegensatz dazu steht die Typisierung, die mit einer Qualitätsverbesserung koppeln. Dann ist das neue
Anlagenniveau doch besser, und die daraus resultierenden
der Vereinheitlichung von Endprodukten fixen Kosten gewinnen eine andere Qualität.
dient. Die Grenze zwischen beiden ist flie-
Werden die Maschinen qualitativ verbessert, d.h., sind sie
ßend, da Produkte für bestimmte Betriebe genauer, verursachen sie weniger Abfall und bedürfen oft
Vorprodukte und für andere wieder Endpro- einer geringeren Pflege. Auch entfällt ein Teil des Bedie-
dukte sein können. nungspersonals. Ihre durch sie verursachten Kosten
sinken möglicherweise. Der Senkungseffekt kompensiert
Am 23. Dezember 1920 wurde das Warenzei- vielleicht sogar den Kostensteigerungseffekt durch die
chen DIN (Deutsche Industrie Norm) in die höheren Abschreibungen. Dann sind die Stückkosten (bei
Zeichenrolle des Patentamtes eingetragen. DIN unveränderter Ausbringungsmenge) sogar gefallen. Man
spricht von Rationalisierungseffekten, die der technische
(siehe Seite 57) bedeutet heute „Deutsches Fortschritt mit sich bringt, siehe Abb. 56. Der optimale
Institut für Normung“. DIN garantiert, dass Punkt wird nach unten verschoben (OP2/OP3).
Produkte, die sein Zeichen tragen, neben einer In jedem Fall wächst das Anlagevermögen stetig in eine
gleich bleibenden Qualität eine gleich bleiben- höhere Qualität hinein. Diese Entwicklung geht meist
de Größe, Form, dieselben Abmessungen und auch mit einer quantitativen einher. Das Unternehmen
kann nicht nur bessere Produkte hervorbringen, sondern
dasselbe Aussehen haben. Gleichgültig, wel-
auch mehr. Was die Stückkosten weiter fallen lässt.
che Hersteller Produkte mit DIN liefern, ihre
Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
Erzeugnisse können kaum unterschieden wer-
den. Möglicherweise in der Farbe.
56 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Fast kein Erzeugnis wird mehr ohne Normen Rückruf 1: Volvo. Weltweit müssen 105.000
hergestellt. Handelt es sich nur um betriebsei- Volvo der Modelle S60, S80 und V70 in die
gene Normen, spricht man auch von Stan- Werkstätten, davon 8000 in Deutschland. Bei
dards. den zwischen 31. März und 12. Oktober 2003
gebauten Fahrzeugen kann sich eine nicht
ausreichend angezogene Mutter am Kugelge-
lenk des Querlenkers lösen.
3.4 Informationen Rückruf 2: Corvette. General Motors ruft
weltweit 117 000 Chevrolet Corvette der Bau-
Der vierte Elementarfaktor – in vielen Lehr- jahre 1997 bis 2000 wegen eines Defekts an
büchern noch nicht enthalten – hat einen der elektronischen Lenkradsperre in die
Werkstätten.
anderen Charakter. Es sind Informationen, um
die es sich handelt (siehe auch S. 58 f.). Abb. 58: Keine Kostensenkungspoten-
ziale durch Pfuscharbeit
Informationen sind Beschreibungen von
Quelle: Auto Bild
vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen
Sachverhalten, die für bestimmte Adressaten Wir stehen seit vielen Jahren in Geschäftsverbindungen.
Dabei haben wir mit Ihnen gute Geschäfte abgeschlossen,
verständlich sind und von mindestens einem auch wenn sich die Verhandlungen über Mengen und
genutzt werden. Die Beschreibung von Sach- Preise Wochen hinzogen.
verhalten wird in Form von Daten dargestellt. Das hat zu einem erheblichen Aufwand geführt, den wir
Daten sind somit die Darstellungsform der nicht mehr zu tragen gewillt sind. Wir können ihn auch
Informationen. nicht mehr übernehmen, weil die Kostenschraube unauf-
hörlich weiterläuft. Die Konkurrenz zieht mit günstigeren
Der Elementarfaktor Information muss aus Angeboten davon, weil deren Kosten weit unter den
zwei sich ergänzenden und sich überschnei- unsrigen liegen.
denden Sichtweisen gesehen werden: Wir haben bei uns schon einiges getan, wie Sie wissen.
Insbesondere haben wir Millionen in den Service gesteckt,
1. Informationen sind Rohstoff. um den Kunden wenig Anlass zur Kritik zu bieten. Dennoch
hat sich der Kampf um die Absatzmärkte verschärft.
2. Informationen gehören einem logischen Wir bitten zu prüfen, ob Sie bei unseren nächsten Preisver-
System an. handlungen nicht mit einem Preissenkungsvorschlag von
circa 5 Prozent aufwarten. Das würde uns und Ihnen helfen.
Zu 1. Dieser Abschlag wäre noch nicht einmal ausreichend, um
Als Rohstoff werden Informationen innerhalb die Konkurrenzpreise in der Zuliefererindustrie zu errei-
des Betriebes bearbeitet, veredelt und an- chen, hilft aber, unsere eigenen Kosten zu drücken und
unsere Preise für ein weiteres Jahr stabil zu halten.
schließend zur Planung und Steuerung des
Wir wissen, dass wir mit diesem Vorschlag erhebliche
Unternehmens eingesetzt. Widerstände errichten. Wir werden in den Preisverhand-
Hierbei kann es sich um Marktdaten handeln, lungen der kommenden Runde auch Ihre Wünsche nicht
unberücksichtigt lassen. Schließlich möchten wir unsere
die im Rahmen einer Marktforschungsanalyse alten Geschäftspartner, mit denen wir lange Zeit gut
verdichtet und umgeformt werden, um die zusammengearbeitet haben, nicht ohne weiteres verlieren.
Erschließung neuer Absatzsegmente vorzube- Aber die Anbieter aus dem Ausland, bei mindestens
reiten. Es können auch nur Zahlen aus dem derselben Qualität, würden uns bei einer Ablehnung
Ihrerseits zu neuen Geschäftsverbindungen zwingen.
eigenen Prozess sein oder nur solche, die
Bitte überdenken Sie unseren Vorschlag, und lassen Sie
befreundete Unternehmen zur Verfügung uns wissen, ob wir mit einem Entgegenkommen rechnen
stellen. Es kann sich jedoch auch um Techni- können.
ken handeln, die zur Prozessinnovation des Mit freundlichen Grüßen
Unternehmens beitragen. Abb. 59: Wie die DMW AG zu
Kostensenkungen kommen
wollte
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 57

Die Handhabung von Informationen erinnert Zusatzinformationen zu DIN


stark an den Herstellungsprozess. Denn bei Hinter DIN verbirgt sich ein eingetragener
beiden wird transportiert/übertragen, verarbei- Verein mit Sitz in Berlin. Das DIN wird als
tet und gelagert bzw. gespeichert. Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft getra-
Zu 2. gen und hat u.a. die Aufgabe, Normen zu
Informationen durchlaufen den Betrieb. Ähn- entwickeln.
lich wie ein Werkstück von der Beschaffung DIN-Normen haben zunächst den Charakter
zum Absatz. Je länger der Durchlauf, desto unverbindlicher Empfehlungen. In dem Maße,
kostenintensiver die Produktion. Immer noch in dem DIN-Normen allgemeine Anerken-
werden bei der Herstellung von Gütern Liege- nung in der Praxis finden, erfüllen sie die
und Transportzeiten von bis zu 95% der ge- Absicht, den neueren Stand der Technik wi-
samten Fertigungszeit ermittelt. Die Erfah- derzuspiegeln, und führen sich als „anerkann-
rung lehrt, dass es sich nicht nur um techni- te Regeln der Technik“ ein.
sche Fragen handelt, die unzureichend gelöst Man unterscheidet Stoff-, Abmessungs-,
zu sein scheinen. Vielmehr liegen diese nicht Verfahrens-, Güte- und Klassifizierungsnor-
gewollten „Ausfallzeiten“ an dem Informati- men.
onssystem, das herkömmlich oft mit veralte-
ten Informationsmitteln wie Blättern, Karten
und Listen (Konstruktionszeichnungen, Lauf-
und Arbeitskarten, Stücklisten) arbeitet.
Ebenso wie bei der Bearbeitung eines Werk- Aufgabe
stücks besteht auch in den rein informations-
39. Hersteller, die bei der Produktion ihrer
verarbeitenden Bereichen die Gesamtdurch-
Erzeugnisse genormte Teile und genorm-
laufzeit eines Vorgangs nur zu etwa 5 bis
te kleine Endprodukte benutzen (und die-
10% aus Bearbeitungszeit, während der Vor-
se werden nicht unter der Typisierung
gang in der restlichen Zeit liegt oder besten-
ausgewiesen), haben gute Gründe hierfür.
falls transportiert wird (Abb. 61).
a) Prüfen Sie in Ihrem Unternehmen im
Ein wesentlicher Grundgedanke der Informa-
Verwaltungssektor, wo Ihnen das
tionslogistik ist die Vermeidung von Warte-
Zeichen DIN begegnet!
zeiten zwischen den Verarbeitungsschritten
eines Informationsprozesses, damit eine Ab- b) Prüfen Sie, wenn Sie Ihre Produkti-
stimmung der Informationsflüsse mit den onsstätte kennen lernen, inwieweit
Material- und Warenflüssen herbeigeführt genormte Teile verwandt werden!
werden kann. Für eine wirtschaftliche Ver- c) Versuchen Sie herauszufinden, wel-
sorgung des Produktionsprozesses mit Infor- che Begründungen die Mitarbeiter
mationen gilt daher folgendes logistisches aus der Herstellung für die Verwen-
Prinzip: dung von genormten Teilen geben
Die richtige Information zum richtigen Zeit- und welche der Einkauf!
punkt, in der richtigen Menge, am richtigen d) Machen Sie klar, warum die Ver-
Ort und in der erforderlichen Qualität. wendung von Normen Reparaturen
beschleunigen kann.
58 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Arten von Normen nach dem Inhalt der Norm


Aufgrund ihres Inhalts kann eine Norm zu mehreren der nachstehend definierten Arten gehören.
Dienstleistungs- Dienstleistungsnorm ist eine Norm (6). in der technische Grundlagen für Dienst-
norm leistungen festgelegt sind.
Gebrauchstaug- Gebrauchstauglichkeitsnorm ist eine Norm (6), in der objektiv feststellbare Eigenschaf-
lichkeitsnorm ten in Bezug auf die Gebrauchstauglichkeit eines Gegenstandes festgeIegt sind. Ent-
spricht DIN 66 050 (Ausgabe Juni 1966)
Liefernorm Liefernorm ist eine Norm (6), in der technische Grundlagen und Bedingungen für Liefe-
rungen festgelegt sind. Beispiel: Technische Lieferbedingungen
Maßnorm Maßnorm ist eine Norm (6), in der Maße und Toleranzen von materiellen Gegenständen
festgelegt sind. Bisher auch Abmessungsnorm genannt.
Planungsnorm Planungsnorm ist eine Norm (6), in der Planungsgrundsätze und Grundlagen für Ent-
wurf, Berechnung, Aufbau. Ausführung und Funktion von Anlagen, Bauwerken und
Erzeugnissen festgelegt sind.
Prüfnorm Prüfnorm ist eine Norm (6), in der Untersuchungs-, Prüf- und Messverfahren für techni-
sche und wissenschaftliche Zwecke um Nachweis zugesicherter und/oder erwarteter
(geforderter) Eigenschaften von Stoffen und/oder von technischen Erzeugnissen festge-
legt sind.
Qualitätsnorm Qualitätsnorm ist eine Norm (6), in der die für die Verwendung eines materiellen Ge-
genstandes wesentlichen Eigenschaften beschrieben und objektive Beurteilungskriterien
festgelegt sind.
Sicherheits- Sicherheitsnorm ist eine Norm (6), in der Festlegungen zur Abwendung von Gefahren
norm für Menschen, Tiere und Sachen (Anlagen, Bauwerke, Erzeugnisse u.a.) enthalten sind.
Stoffnorm Stoffnorm ist eine Norm (6), in der physikalische, chemische und technologische Eigen-
schaften von Stoffen festgelegt sind.
Verfahrensnorm Verfahrensnorm ist eine Norm (6), in der Verfahren zum Herstellen, Behandeln und
Handhaben von Erzeugnissen festgelegt sind.
Verständi- Verständigungsnorm ist eine Norm (6), in der zur eindeutigen und rationellen Verständi-
gungsnorm gung terminologische Sachverhalte. Zeichen oder Systeme festgelegt sind.
Abb. 60: Die Arten von Normen

Die Verwirklichung dieses Grundsatzes wird Die DMW AG verwendet genormte Schrau-
im Verbundsystem einer computerintegrierten ben, Muttern, Scheiben, Walzlager, Stifte,
Fertigung ermöglicht. Passfedern, Ringe, Dichtungen, Bolzen, Flan-
schen, Rohrverschraubungen, elektrische
Es beginnt bei der Konstruktion. Auf der Leitungen, Keile, Kondensatoren, Nieten,
Grundlage standardisierter Vorgaben wie Widerstände, Stecker, Relais etc.
Normen, Richtlinien etc. im Computer und
unter Ausnutzung des Know-hows des Kon- Zum Begriff der Information
strukteurs werden Teile und Erzeugnisse Der Vollständigkeit wegen sind Aussagen
konstruiert. Man spricht von computerunter- über „Wissen“, „Nachrichten“ und „Zeichen“
stützter Konstruktion (CAD). zu ergänzen.
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 59

Genau definiert hört sich dieser Begriff so an: Wissen ist die Voraussetzung dafür, Sachver-
CAD (Computer Aided Design) ist ein Sam- halte zu erkennen, zu beschreiben, zusam-
melbegriff für alle Aktivitäten, bei denen die menzuführen und Entscheidungen treffen zu
EDV direkt oder indirekt im Rahmen von können.
Entwicklungs- und Konstruktionstätigkeiten Nachrichten sind konkrete Mitteilungsfor-
eingesetzt wird. Dies bezieht sich im engeren men einer Information.
Sinne auf die grafisch interaktive Erzeugung
Zeichen stellen die Grundelemente der Daten
und Manipulation einer digitalen Objektdar-
dar. Sie erlauben eine allgemein anerkannte
stellung, zum Beispiel durch zweidimensiona-
Ordnung, die jedem, der sie kennt, den Zugriff
le Zeichnungserstellung oder durch dreidi-
zu den Daten gestattet.
mensionale Modellbildung (räumliche Dar-
stellung von Gegenständen). Zur Speicherung und Übermittlung dienen u.a.
Vernetzungssysteme (Computer und Bild-
Ihm folgt die computerunterstützte Planung schirme) und Disketten.
(CAP – Computer Aided Planning) Sie über-
nimmt die Daten aus der Konstruktion und
Die moderne Welt
arbeitet sie entsprechend ihrer Aufgabenstel-
lung auf. So werden von der computerunter- Informationen kommen von außen (externe
stützten Planung die für die Produktion und Informationsbeschaffung) und werden mit
für den Einkauf notwendigen Stücklisten den Daten des Betriebes innen (interne Infor-
aufgestellt. Sie enthalten die für die einzelnen mationsbeschaffung) zusammengeführt. Die
Erzeugnisse oder Erzeugnisteile erforderli- Globalisierung der Märkte und der Struktur-
chen Abmessungen, Gütegrade etc. Auch wandel der Industrie zwingen ständig zur
lassen sich hier Arbeitspläne ableiten, deren Aufnahme der vielfältigen Mitteilungen.
Inhalt vom Fabrikat über die zu verwenden- Nicht nur das. Der Wandel ist auch in den
den Werkstoffe bis hin zu Arbeits- oder Ferti- Betrieben selbst bemerkbar. Er vollzieht sich
gungsgängen, -stufen, Arbeitsgriffen und u.a. durch die Abnahme der Hierarchien.
Griffelementen reicht. Folge ist, dass sich die Aufgabenbereiche der
Entscheidungsträger erweitern. Das bedeutet,
Nach diesem Schritt hat die Fertigung das
dass der Informationsbedarf größer wird.
Wort. Ob die Herstellung nun schon compu-
Auch bedingt der Wandel, dass aus Gründen
tergesteuert verläuft, ist eine Frage des Be-
der innerbetrieblichen Koordination die Ein-
triebes. Tut sie es, dann sprechen wir von
zelstellen und Abteilungen untereinander
computerunterstützter Herstellung (CAM
mehr Informationen austauschen müssen.
– Computer Aided Manufacturing). Rechner
übergeben Teileprogramme an einzelne CNC- Der Strukturwandel hat es auch mit sich ge-
Bearbeitungsmaschinen, sorgen dafür, dass bracht, dass die Fertigungstiefen verringert
Werkzeuge und Werkstücke über Transport- werden. Dabei ist von schlanken Fabriken die
systeme an die Maschinen gelangen, kurz, sie Rede. Sie machen es aber erforderlich, dass
übernehmen die Fertigungssteuerung und mehr Teile zum Endprodukt hinzugekauft
Fertigungsüberwachung. Die computerunter- werden müssen. Also müssen die Verbindun-
stützte Herstellung trägt dazu bei, dass Men- gen zu Lieferanten verstärkt oder neu aufgebaut
schen eingespart werden. Für sie eine bedenk- werden. Nun werden in den Herstellungsbe-
liche Entwicklung. trieben die Durchlaufzeiten verringert.
60 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Was folgt, ist die Qualitätskontrolle. Auch sie Voraussetzung ist die Abstimmung der ge-
ist computerunterstützt. Fachwort hierfür ist samten Prozesskette. Hierin einbezogen sind
CAQ. Sie kann endproduktbezogen sein, aber die Lieferanten. So gilt es auch hier, sich
auch prozessbezogen. Man spricht von Com- gegenseitig zu informieren. Was ja so weit
puter Aided Quality – computerunterstütz- geht, dass über Computeranbindung zusam-
ter Qualitätssicherung. mengearbeitet wird. Siehe hierzu auch: JIT.
Unter das Dach der computerintegrierten Bleibt noch hinzuzufügen, dass heute bereits
Herstellung gehören auch die Planung und 75% der Belegschaft eines Industrieunter-
Steuerung des gesamten Betriebsgeschehens. nehmens nichts mehr mit der Verarbeitung zu
Das leistet das so genannte PPS-System. Die tun haben. Vielmehr erfasst sie Daten und
drei Buchstaben stehen für Produktionspla- Informationen, verarbeitet, speichert und
nung und -steuerung. Es integriert die Men- überträgt sie. Folgende Beobachtungen sind
gen-, Termin-, Personal-, Kapazitäts- und gemacht worden:
Personalplanung einschließlich der Maschi-
• Bis zu 50 % der Produktionskosten sind
nenbelegung (siehe auch Kapitel Produkti-
Kosten für Information.
onswirtschaft).
• Mehr als 50 % der Gemeinkosten sind
Dass der Informationsaustausch im Unter-
Kosten für Information.
nehmen selbstverständlich auch die Verwal-
tung berührt, bedarf keiner Erläuterung. Die Das bekräftigt die Aussage, dass Informati-
Verwaltung (z.B. Lager und Rechnungswe- onserzeugung und Informationsbe- und -
sen) muss mit der Fertigung zusammenarbei- verarbeitung ebenso wie die Produktion pro-
ten. Wie kann sie es besser als über eine Ver- duktive Vorgänge sind.
netzung? So ist LAN das lokale Netzwerk des
Betriebes.
Verarbeitungs- Liege und
Die Eingabe von Daten in das betriebliche zeit ca. 10 % Wartezeit ca. 90 % 100 %
Netzwerk hat (sozusagen im Nebeneffekt)
bewirkt, dass alle Zugriffsberechtigten in der
Regel zum selben Zeitpunkt über alle Infor-
mationen verfügen können, die für sie und
Lesen Suchzeiten
ihren Sektor – und bei den Führungsorganen Schreiben Kapazitätsengpässe
über alle Disziplinen – wichtig sind. Das Verdichten Fehlende Informationen
Umformen Abstimmungsschwierigkeiten
bedeutet, dass die Abteilungs- und Einzel- Entscheiden Übertragungszeiten
egoismen abgebaut und die oft damit verbun-
dene Zurückhaltung von Materialien verhin- Abb. 61: Determinanten der Informati-
dert wird. Der Verbund mit der Außenwelt onsdurchlaufzeit
oder mit Tochterfirmen im In- und Ausland
erlaubt Metakonferenzen am Bildschirm und
kann vielleicht auf Probleme schneller einge-
hen und ausgewogenere Entscheidungen
bewirken.
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 61

3.5 Elementarfaktoren im
Überblick

Die vier Elementarfaktoren (Betriebselemen-


te) Arbeitskräfte, Werkstoffe, Betriebsmittel
und Informationen als die Pfeiler eines Unter-
nehmensprozesses und die Führung als Teil
der Arbeitskräfte, aber aus der Perspektive
der Betriebswirtschaftslehre i.d.R. als eigen-
ständiger Faktor angesehen – nach Gutenberg
als dispositiver Faktor bezeichnet –, haben so
zusammenzuwirken, dass u.a.
• Verhältnisse zwischen Mengen und Qua- Abb. 62: Das Verbundsystem in der
litäten zielgerichtet und ausgewogen sind computerintegrierten Fertigung
(Harmonisation) (CIM)
• die Prozesskette aufeinander abgestimmt
ist (Koordination)
Was die Zukunft hinsichtlich Informatio-
• gute Zusammenarbeit von allen gewollt nen mit sich bringt:
und praktiziert wird (Transparenz, Mo-
tivation, Integration und Kooperation) Schon heute schwindelt uns der Kopf ange-
sichts der vielen Möglichkeiten zum Informa-
• Leistungsbereitschaft und Leistungsein- tionsaustausch. Die Hoffnung, dass in Canada
satz der Belegschaft und der Führung im Auftrag einer PKW-Zentrale ein Auto
vorhanden sind. konstruiert wird, dass in Mexiko die Teile für
Die optimale Kombination der Betriebsele- den Wagen hergestellt werden und die Wagen
mente sichert ein Unternehmen zwar nicht in den USA zusammengebaut und schließlich
gegen alle Risiken und Einflüsse vom Markt von Deutschland aus vertrieben werden und
ab, bietet aber die Basis dafür, dass es auf der Verkauf hier verwaltet wird, ist keine
lange Sicht gesehen bestehen kann. Zukunftsvision. Das Bild vom globalen Dorf,
in dem jeder mit jedem weltweit kommunizie-
Multimedia – das ist die Integration von
ren kann und Zugang zu allen nur denkbaren
Text, Daten, Sprache, Video und Audio.
Informationen hat, ist bald Gegenwart. Beg-
Durch die fortschreitende Digitalisierung
riffe wie Telemedizin, Electronic Publishing,
wachsen die bisher getrennten Bereiche Elek-
Telelearning, Telebanking und Teleworking
tronische Datenverarbeitung, Information und
sind nur ein paar Beispiele. Dahinter steckt
Kommunikation sowie Fernsehen und Hör-
Multimedia.
funk zusammen. Personalcomputer und Fern-
sehgeräte bilden eine Einheit. Ergebnis: Un-
terschiedliche Geräte verschmelzen mit-
einander zum multimedialen Computer-/
Rundfunkterminal. Transportwege der Bits
und Bytes sind die Daten- oder Informations-
autobahnen und/oder Satelliten.
Quelle: iwd
62 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Merkmale Arbeitskräfte Werkstoffe Betriebsmittel Informationen


Betriebs- Wesentliche Vorausset- Im Industriebetrieb Im Betriebsprozess Sie sind die Grundlage
prozess zung für den Betriebs- Grundlage der herzustel- wesentlicher Teil, durch des Prozesses; fehlende
prozess, ohne Arbeitskräf- lenden Produkte; Werk- hohen Technisierungs- Informationen führen zu
te kein Betriebsgesche- stoffe werden ständig stand verdrängen sie Unterbrechungen, zu
hen, verbindendes Ele- durch andere, meist immer mehr den Men- Missverständnissen und
ment der übrigen Fakto- bessere, ersetzt. schen. Fehlentscheidungen; zur
ren; menschliche Arbeits- schnelleren Benachrichti-
kraft zunehmend in die gung, Computereinsatz
Bereiche Planung u. mit Vernetzung.
Kontrolle gedrängt.
Kapital- Im eigentlichen Sinne Kapitalbindung unter Bedeutungsvoll, weil Kapitalbindung durch
bindung keine Kapitalbindung, schiedlich, je nach einge- Betriebsprozess immer Datennetze und compu-
jedoch im weiteren Sinne kaufter Menge und anlagenintensiver wird; tergesteuerte Arbeitspro-
eine Art Kapitalbindung bezahltem Preis; bedeu- besondere Fragen bei zesse; auch bei der Infor-
durch die Tatsache, dass tungsvoll bei Fragen der Abschreibungen und bei mationsspeicherung nach
Kündigungsschutz be- optimalen Bestellmenge, Ersatz. herkömmlicher Art hohe
steht. aber auch beim Sicher- Kapitalbindung durch Art
heitsbestand Abnahme der der Speicherung sowie
Kapitalbindung durch JIT, Raumbedarfe.
aber Besinnung auf
Kernbereiche.
Qualität und Veränderungen in den Wenn von der Natur Selbst bei Ersatz höhere Informationsverarbeitung
Veränderungen Anforderungen; mit vorgegeben, wenig Qualitäten feststellbar; oft auf immer höherem
zunehmenden Betriebs- veränderbar, jedoch durch durch höhere Preise zum Niveau; Informationsspei-
mittelbeständen Abdrän- physikalische und chemi- Ausdruck kommend, cherung leichter und ohne
gung in die Kontrollfunk- sche Verfahren oft ver- meist mit erhöhter Pro- großen Raumbedarf;
tion; Spezialisten einer- edelt; neue Stoffe durch duktivität verbunden; unaufhaltsame stetige
seits und Bediener der Forschung und Entwick- ständige und mutative Verbesserungen.
Aggregate andererseits; lung; Schutz der Vor- Veränderungen gang und
Qualität kann durch kommen durch Recycling gäbe.
Lernprozesse verbessert und durch sparsame
werden. Verwendung.
Umfeld Als Mittler zwischen den Schaffung neuer Werk- Veränderte Produktions- Informationserfassung
übrigen Faktoren: heute stoffe bedingen andere prozesse haben neue und -speicherung sowie
vornehmlich in der und veränderte Verfahren Formen von Fabrikations- Verarbeitung und Weiter-
Verwaltung und im und Betriebsmittel, auch hallen nach sich gezogen; gabe haben die Büros
kreativen Sektor der ziehen sie Entsorgungs- auch der Einsatz der übersichtlicher gemacht;
Unternehmen; zunehmen- fragen nach sich, die es Informationstechnik hat aber auch menschliche
de Bedeutung bei Dienst- vorher nicht gab. die Arbeitsplätze verän- Probleme mit sich ge-
leistungen. dert bracht, weil ältere Ar-
beitskräfte der neuen
Technik nicht gewachsen
waren.
Lebensdauer Begrenzte Lebensdauer, Gesellschaft wird als Lebensdauer begrenzt. Informationsmaterial mit
begrenzte Erwerbsfähig- Wegwerfgesellschaft Während Werkstoffe ins relativ unbegrenzter
keit; sozialpolitische bezeichnet; zunehmend Fertigerzeugnis eingehen, Lebensdauer; veraltete
Forderungen verkürzen Wiederverwendung der haben Betriebsmittel eine Informationen können
möglicherweise die Rohstoffe; Lebensdauer längere Lebensdauer schnell und dauerhaft
Lebensarbeitszeiten des der Fertigerzeugnisse (meist 4- 10 Jahre). Sie ersetzt werden.
einzelnen; Bevölkerungs- begrenzt; je nach Pro- werden regelmäßig ersetzt
entwicklung bringt neue duktart unterschiedlich. (Abschreibungen, Rein-
Arbeitskräfte hervor. vestitionen).
Verantwort- Der Mensch ist das einzige Betriebselement, das die Verantwortung für alle anderen Faktoren zu tragen hat.
lichkeit

Abb. 63: Merkmale der Elementarfaktoren (Betriebselemente)


4. Die Geschäftsführung 63

4. Die Geschäftsführung

4.1 Führungsbegriff

Das leitende Organ eines Unternehmens stellt Beispiel:


die Unternehmensführung dar.
Die DMW AG hat erstmalig einen ausländi-
Sie offenbart sich als Institution einerseits schen Designer (aus Turin) damit beauftragt,
und als Handeln andererseits. Wer führt, ein Cabriolet der unteren Mittelklasse zu
steht einer anderen Gruppe von Menschen vor entwickeln. Die hierfür vorgegebene Zeit
(ist der Verantwortliche, der Sprecher, der einschließlich der Herstellung eines Modells
Entscheidende) und gibt ihr Anweisungen, in eigenen Werkstätten soll ein Jahr nicht
was zu tun ist. Letzteres wird als Führungs- überschreiten. Der eigene Modellbau wurde
handeln bezeichnet. aufgegeben. Der Italiener ist weltweit dafür
Oft sind mehrere Personen mit der Führung bekannt, dass seine eigenwilligen und doch
einer Unternehmung beauftragt. Meist ist eine sparsamen Formen und seine sehenswerten
von ihnen der Vorsitzende. Sein Führungs- Modelle bisher überall zum Erfolg geführt
handeln wirkt auf derselben Ebene, der Füh- haben. Die DMW AG spart auf diese Weise
rungsebene. Werden Führungsentscheidun- eine Menge Geld ein.
gen bei den Mitarbeitern durchgesetzt, wird Aufgabe
die vertikale Ebene des Betriebes berührt.
Damit hat Führungshandeln aus dieser Sicht 40. In dem neuen Werk der DMW AG in
zweidimensionalen Charakter. Halle war an der Informations- und An-
zeigentafel zu lesen:
Jede Person, die ein Unternehmen nach innen
und außen führt, muss ihre Vorstellungen Unsere Fertigungsorganisation basiert
vom Unternehmen als Ziel oder Zielbündel auf Teamarbeit. Dennoch bedarf es auch
festlegen und hierfür planen, wie es mit den hierbei der Führung. Wer fühlt sich beru-
Mitarbeitern und den Elementarfaktoren er- fen, ein Team zu leiten, dessen Aufgabe
reicht werden kann. Dass über solche Ziele in der Montage der Sitze besteht?
mit Untergebenen, Beratern, Geschäftsfreun- Warum handelt es sich nicht um einen
den gemeinsam nachgedacht wird, ist erwäh- Widerspruch, wenn von Team und Füh-
nenswert, aber für die Beurteilung der Füh- rung die Rede ist?
rungsmerkmale nicht wichtig. Steht die Pla-
nung einmal, dann hat sich die Leitung für
einen oder mehrere Wege entschieden, die Zum Begriff
einzuschlagen sind (dieser Prozess wird auch Geschäftsführung und Geschäftsleitung wer-
Willensbildung genannt). Das Beschlossene den in den folgenden Ausführungen synonym
muss auch durchgesetzt werden. Dazu müssen gebraucht. Beide Begriffe beinhalten nach
Arbeiten und Informationen, Menschen und gesetzlichen Vorschriften
Maschinen gesteuert werden. Nun tun Men-
schen nicht immer das, was andere wollen, • die Geschäftsführung (als die Führung
selbst wenn es keine andere Marschroute gibt. eines Unternehmens nach innen) und
Daher bedarf es der Überwachung. Der Steu- • die Geschäftsvertretung (als die Führung
erung folgt also die Kontrolle. eines Unternehmens nach außen).
64 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Steuerung lässt sich auch mit Willensdurch- Diese beiden Begriffe werden im Kapitel
setzung beschreiben, die Kontrolle mit Wil- „Rechtliche Grundlagen“ behandelt. In die-
lenssicherung. Viele der gegenüberstehenden sem Abschnitt wird von einem Führungsbeg-
Definitionen enthalten den Begriff der riff ausgegangen. Hiernach hat die Geschäfts-
Kontrolle. Obwohl viele Menschen Kontrollen führung die Aufgabe, einem Unternehmen
als überflüssig ansehen, machen Beispiele aus nach innen und außen vorzustehen, d.h. nach
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft deutlich, innen und außen zu lenken.
dass sie unerlässlich ist (vgl. Abb. 58,
S. 56 u.a.). Führung von Unternehmen als „Gesamtheit aller
Hiernach werden in der Literatur (siehe auch Bestimmungsgrundlagen in der Unternehmung“, das
heißt „aller Vorgänge, welche das Verhalten des Systems
Abb. 64) immer wieder vier Führungsmerk- Unternehmung festlegen“ (H. Ulrich, Unternehmung, S.
male herausgestellt: 317).
Führungsentscheidungen sind „diejenigen Entschei-
• Planung dungen, die von den Führungsorganen der Unternehmung
getroffen werden, … und die durch ihre Relevanz für den
• Entscheidung Unternehmensbestand, ihren Bezug auf die gesamte
Unternehmung und ihre Nicht-Delegierbarkeit charakte-
• Steuerung risiert sind“ (Gutenberg, Produktion, S. 132–133).
• Kontrolle. Führung wird „als Tätigkeit definiert, die die Steuerung
und Gestaltung des Handelns anderer Personen zum
Gegenstand hat. Sie vollzieht sich in Teilprozessen (wie
Zielbildung, Planung, Entscheidung, Kontrolle), die wir
Das kann nicht zufrieden stellen. Denn die Führungsprozess nennen, und schafft Systeme, die der
Führung hat neben sachrationalen Aufgaben Konditionierung dieser Prozesse dienen. Einzelne Füh-
rungsfunktionen (wie Planung, Entscheidung, Organisa-
personale Funktionen zu lösen. tion) können aus den Teilprozessen der Steuerung bezie-
In vielen Fällen wird davon ausgegangen, hungsweise den Tätigkeiten der Systemgestaltung abge-
leitet werden“ (K. Bleicher, Führung in der Unterneh-
dass der Mensch in den Mittelpunkt eines mung, S. 37).
Unternehmens gehört und ihm entsprechende Führung wird als Prozess der Willensbildung und Wil-
Aufmerksamkeit zuteil zu kommen hat (siehe lensdurchsetzung unter Übernahme der hiermit verbun-
Aufgabe 40). Neuere Entwicklungen bestäti- denen Verantwortung definiert. Ihr immanent sind Füh-
gen diese Ansicht. rungsaufgaben wie Planung, Steuerung und Kontrolle
(Dietger Hahn, Puk 24, in Anlehnung an Gutenberg,
Unternehmensführung, S. 11 u. 59 ff.).
Zur Führung gehören alle Handlungen, die sich in der
Unternehmung zur Sicherung eines dauerhaften Bestan-
des vollziehen. Daher werden alle ökonomischen und
Führung ist eine Tätigkeit, die den betriebli- sozialen Ziele aus dieser Sicht der Überlebenssicherung
chen Prozess einschließlich der in ihm tätigen formuliert (N. Luhmann, Zweckbegriff, Tübingen).
Menschen zu gestalten (planen und entschei- Führen bedeutet, dass ein Vorgesetzter auf seine Mitar-
beiter einwirkt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
den) und zu lenken (steuern) hat, und zwar in
Dabei sollen die Mitarbeiter im Betrieb zu einer be-
einer Weise, dass unter Beachtung der vor- stimmten Leistung „hingeführt“ werden. Somit ist Füh-
handenen und zukünftigen Bedingungen (wie rung die Voraussetzung dafür, dass untergeordnete
Gesetzgebung, Standort, Infrastruktur, Be- Mitarbeiter selbstständige Funktionen übernehmen
können (Dezentralisation). Der Führende muss dabei
triebsaufbau, Gesellschaftsform u.a.) und
mehrere Teilaufgaben erfüllen, damit bei den Mitarbei-
unter Einhaltung humaner Prinzipien die tern die gewünschte Wirkung erzielt wird (Handbuch für
Unternehmensziele erreicht werden und die den Industriekaufmann, Driehaus/Zschenderlein, S. 11).
Existenz gesichert wird (überwachen). Abb. 64: Führungsbegriffe aus der Lite-
ratur
4. Die Geschäftsführung 65

4.2 Das innere und äußere


Umfeld der Führung Mitarbeiter-
ebene
emot. sachrat.
Ebene Ebene
Zur weiteren Kennzeichnung der Führung
Führungs-
muss das innere und äußere Umfeld eines
ebene
Betriebes berücksichtigt werden. Über die
Beziehung einer Unternehmung nach außen
ist bereits vieles gesagt worden. Das innere
Umfeld, geprägt durch Orga-
Sach-
ebene nisations-
• Führung und Zielsetzungen ebene
• Mitarbeiter
Betriebsmittel, Aufbau,
• Betriebsmittel, Informationen und Werk- Werkstoffe Prozess
stoffe
• Organisation, Abb. 65: Inneres Umfeld mit Über-
ist vielschichtig (siehe Abb. 65). schneidungen
Da alle Ebenen miteinander verwoben sind
(in der Abbildung als Kreise dargestellt), Aufgabe
wirkt jede Entscheidung der Führung, aber 41. Sie sehen hier eine Abbildung (Abb. 66),
auch jedes Tun der Mitarbeiter mehrdimensi- die die Führungsebene mit anderen Ebe-
onal. Das macht sie so schwierig. nen verbindet. Interpretieren Sie den Zu-
Wird von der Leitung – Führungsebene – ein sammenhang.
neues Ziel vorgegeben, zum Beispiel, dass ein
neues Produkt hergestellt werden soll, dann
Zum Unternehmensbegriff
werden hiervon die Mitarbeiter berührt.
In den vorausgegangenen Kapiteln ist des
Ein neues Produkt fällt nicht wie eine reife
Öfteren von Unternehmung und Betrieb die
Frucht vom Baum. Menschen müssen hierzu
Rede.
Ideen haben (Mitarbeiterebene). Denn es ist
zu entwerfen (Forschung und Entwicklung), Nach Auffassung von Nicklisch und Schma-
vielleicht zu konstruieren (Konstruktion), lenbach ist die Unternehmung der Betrieb
oder es sind andere Zutaten zu mischen eines Unternehmens. Von Betrieb spricht
(sachrationale menschliche Ebene). Es man, wenn man eher an die Herstellung
muss bekannt gemacht (Werbung) und herge- denkt, an seine technische Ausstattung, an
stellt (Produktion) und vertrieben (Absatz) seine Struktur. Von Unternehmung spricht
werden. Überall sind Menschen, Werkstoffe man, wenn ein Betrieb nach außen in Er-
und Betriebsmittel im Einsatz (Sachebene). scheinung tritt, als Einzelgesellschaft, als
Möglicherweise mussten neue Abteilungen Personen- oder Kapitalgesellschaft – schlicht,
eingerichtet werden, um den Prozess für die- wenn man ihren rechtlichen Status meint. Die
ses neue Produkt sicherzustellen (Organisa- Unternehmung ist das Gehäuse des Betriebes.
tionsebene). Und vielleicht mussten Mitar- Hinzu kommt, dass dem Unternehmen in
beiter sogar erst vom Produkt überzeugt wer- unserer Wirtschaftsform das Streben nach
den, damit sie sich mit ihm identifizieren Gewinn innewohnt. So werden sozialistische
können. Betriebe nicht von Unternehmern geleitet.
66 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Führung (Leitung) von Unternehmen


Verantwortung der Führung für den ganzen Bereich

Hauptziel Verzinsung des Kapitals (=angemessene Gewinnhöhe)


Personalfunktion
Funktionen
Sachfunktion
Vorgehens-
Willensbildung Willensdurchsetzung Willenssicherung
weise
Instrumente Planungskommis- Organisation Kontrollsysteme
sionen, im einzelnen im einzelnen
Planung und Entscheidung

Teams, - Organisationsstruktur, - Rechnungswesen mit


Stäbe, - Arbeitsabläufe, Statistik,

Überwachung
Planungsmetho- - Informationsdurchlauf, - Marktforschung,

Steuerung
den, - Menschenführung, - Marktanalysen,
Abstimmungen - Arbeitsanweisungen, - Unternehmensanalyse,
etc. - Betriebsvereinbarun- - Schwachstellen-
gen, ermittlung,
- Geschäftsordnungen - Stellenabgrenzungen
u.v.m mit Verantwortungs-
bereichen
u.v.m.
Abb. 66: Führung aus vielfältiger Perspektive – Zusammenfassung (siehe auch Abb. 67)

Es mag auch Gerangel um Positionen gege- Aufgabe


ben haben (emotionale, menschliche Ebene).
42. a) Versuchen Sie die Personalfunktion
Flexible Mitarbeiter aber sind den Verände-
der Führung mit einfachen Worten
rungen gewachsen. Sie passen sich der an-
zu beschreiben!
dersartigen Situation an.
b) Ob Sie in der Lage sind, nunmehr
Die Abhängigkeit des gesamten Betriebes
eine noch bessere Kennzeichnung
(Interdependenz) von dieser Entscheidung der
der Führung abzugeben? Versuchen
Führung wird an diesem Beispiel sichtbar.
Sie es!
Und all das muss sie vorher in ihre Überle-
gungen einbezogen haben, um die Entschei-
dung optimal umzusetzen. Intrapreneurship steht für eine Kultur, in der
jeder Mitarbeiter die Chance hat, selbststän-
Mit diesen Aussagen – insbesondere zum Mit- dig zu sein. Und das bedeutet für ein Mana-
arbeiter – wird der etwas andere Führungs- gement nicht Entlastung, sondern Mehrarbeit.
begriff bestätigt (Seite 65) – und um eben diese Es erfordert ein Klima, in dem Fehler nicht
Dimension erweitert. Die Führung muss näm- bestraft, sondern gefördert werden und in dem
lich die Fähigkeiten der Belegschaft wecken nicht angeordnet werden kann, sondern über-
und fördern und schließlich für das Unterneh- zeugt werden muss. Wer wie Lego bereits
men im Interesse aller ausnutzen, und sie muss Intrapreneure hat, braucht ständig neue Ma-
verstehen, das Miteinander der Menschen so zu nagementmethoden, wenn er sie auf Dauer
formen, dass diese einerseits gern im Unter- behalten will.
nehmen arbeiten und andererseits sich gegen-
seitig Rat holen und unterstützen (Synergie- Spaß an der Arbeit war für Management
effekt). Damit wird die personale Funktion der und Belegschaft bei Lego immer wichtig –
Führung herausgefordert. Sie ist aber nie los- in dem profitablen Unternehmen kann
gelöst von der Sachfunktion der Führung zu jeder kreativ sein.
sehen. Beide Aufgabensektoren sind unzer- Abb. 68: Intrapreneurship
trennlich miteinander verbunden. Quelle: manager magazin
4. Die Geschäftsführung 67

4.3 Die Verantwortung der Beispiel


Führung Personale Führungsfunktion
Die DMW AG hat in ihrem Stammhaus ein
Führungshandeln und Führungsentscheidun- Vorschlagswesen eingeführt, das durch die
gen stehen unter einem gemeinsamen Dach. besondere Honorierung die Mitarbeiter immer
Es ist die Verantwortung, die der Leitung wieder angeregt hat, über Verbesserungen
grundsätzlich obliegt. Kein Leitender kann nachzudenken. Die letzte kleine Veränderung
sich ihr entziehen. Wer Führungsaufgaben am „Single“ war der Einbau eines Außentem-
übernimmt, muss sich darüber im Klaren sein, peraturanzeigers in der Instrumententafel.
dass ihm gleichzeitig die Verantwortung Schon tüfteln Ingenieure an weiteren Verbes-
hierfür übertragen wird. Auch sie hat mehrere serungen herum. Von der Mitarbeiterseite
Ausmaße: Sie bezieht sich auf kam der Vorschlag, Seiten-Airbags einzufüh-
ren. (Vergl. auch S. 299)
• die Belegschaft und
• die eingesetzten sonstigen Faktoren.
Unheilvolle Allianz
Und sie lässt sich u.a.
MARCUS..HEITHECKER
• sozialethisch und
Der 29. April 2004 ist ein schwarzer Tag
• materiell für die deutsche Unternehmenskultur.
begründen. Viele Betriebswirte haben daher Jürgen Schrempp hat die Welt AG an die
neben der Planung (und Entscheidung), Steu- Wand gefahren und Milliarden Euro an
erung und Kontrolle des Unternehmens die Aktienkapital vernichtet. Und seine Kon-
Verantwortung gleichberechtigt ausgewiesen. trolleure schaffen es nicht, Konsequenzen
Der Unterschied zwischen den drei ersten zu ziehen. Nachdem sich bereits im Vorfeld
Begriffen und der Verantwortung besteht der Aufsichtsratssitzung die Arbeitnehmer-
allerdings darin, dass die drei ein Tun bein- seite hinter Schrempp gestellt hatte, war
halten, Verantwortung dagegen eine Haltung klar: Eine unheilvolle Allianz zwischen
darstellt. dem Vorstandschef, dem Aufsichtsratsvor-
sitzenden Hilmar Kopper und den Arbeit-
4.4 Die Organisation der nehmervertretern lässt den dringend erfor-
derlichen Neuanfang nicht zu.
Führung
Ausgerechnet Schrempp, einer der führen-
den Verfechter einer modernen Aktionärs-
4.4.1 Der Unternehmer kultur, nutzt die deutsche Mitbestimmung,
Als Unternehmer werden Personen bezeich- um seinen Job nicht zu verlieren. Gleiches
net, die an der Spitze ihres eigenen Unter- tut sein Förderer Kopper, der sich als Ban-
nehmens stehen. Sie verkörpern deren Füh- ker doch gerade an Kollegen in London und
rung. Zur Unterscheidung von Managern New York messen lassen wollte. Damit
müssen ihre wichtigsten betriebswirtschaftli- fehlt der Unternehmensspitze die Glaub-
chen Merkmale gegenübergestellt werden. würdigkeit bei Investoren.
Unternehmer sind
• Eigentümer
• Leiter und
• Gestalter
68 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

ihrer Unternehmung. Ihnen gehört das Unter- Auf eigenen Füßen


nehmen, das sie führen und dessen Aufbau Selbstständige in Deutschland
(Struktur) und Ablauf (Prozess) sie bestim- Männer Frauen
(insg. 2.456.000) davon in (insg. 880.000)
men. Daher wird auch von der Eigentümer- 768.000 Dienstleistungsgewerbe 414.000
funktion, der Direktionsfunktion und von der 622.000 Handel, Gastgewerbe 310.000
Gestaltungsfunktion gesprochen. Manager 350.000 Verarbeitendes Gewerbe 65.000
314.000 Landwirtschaft 53.000
sind keine Eigentümer eines Unternehmens.
291.000 Baugewerbe 19.000
Sie werden meist zur Leitung von den Eigen- 111.000 Verkehr, Nachrichten- 19.000
tümern hierzu berufen. übermittlung

Abb. 69: Die Selbstständigen

Die Misserfolge eines Managers


Sein Name: Jürgen E. Schrempp. Seine Position: Vorstandsvorsitzender von Daimler-Chrysler.
Als Schrempp freudig den Zusammenschluss des Deutschen Autokonzerns mit dem Amerikani-
schen Chrysler vor einigen Jahren bekannt gab, wurde die Strategie vom Chef selbst als Bau-
stein zu einer Welt-AG gepriesen. Mit dem Rückzug aus der Allianz mit dem japanischen Au-
tohersteller Mitsubishi im April 2004 sind Vision und Umsetzung gescheitert. Dazwischen
liegen Mrd. Euro, die die Flops von Schrempp gekostet haben. So schreibt die WAMS vom
25.04.2004 u.a.:
„Weil Daimler-Chrysler rund 2,1 Mrd. Euro für die Mitsubishi-Beteiligung gezahlt habe, stünden
nun durch den jetzt ausgelosten Werteverlust der Beteiligung massive Wertberichtigungen in Mil-
liardenhöhe bevor.” Die Flops des Vorstandes: 1992 übernahm Daimler-Benz-Aerospace AG
(DASA) unter Schrempp 76 % der Fokker-Holding NV. 1996 stellte Daimler die finanzielle Unter-
stützung ein. Bisher hatte der Konzern 2,7 Mrd. Euro in das Unternehmen investiert. 1997 wird von
Schrempp, Vorstandsvorsitzender von DB-AG, die Entwicklung eines neuen 4 Zylinder-Motors
gestoppt, weil die Abgaswerte nicht zufriedenstellend waren. Millionen in Sand gesetzte Euro sind
das Fazit. 2003 gerät DC-AG mit seiner Beteiligung am Toll-Collect-Konsortium in die Schlagzei-
len. Folge: Schadenersatz in Millionenhöhe. Vom Niedergang der DC-AG Aktiennotierung ist
ganz zu schweigen. Fachleute sprechen von 50 %.(Vergl. S. 81, Abb. 88a).

Wenche Marshall Foster


Die Chefin des Mineralwasserabfüllers Perrier in Großbritannien ist sonnengebräunt. Sie trägt
Designerkostüm, Goldschmuck und Cartier-Uhren. ,,Sie ist die Verkörperung des exklusiven
und schicken Produkts, dessen Unternehmen sie seit acht Jahren leitet.“ Doch die Fünfzigjähri-
ge ist wesentlich mehr als nur ein Aushängeschild. Sie machte aus der unscheinbaren Mineral-
wasser-Firma der 70er Jahre mit bescheidenen 800.000 Flaschen Absatz den britischen Markt-
führer für die sprudelnden Softdrinks (60 %). Perrier verkaufte Ende der 80er Jahre 75 Millio-
nen Liter der Edel-Quelle.
Als sie das Produkt kennen lernte, war sie begeistert. Sie stieg in die Firma ein, die es vertrat,
und leitete zusammen mit zwei anderen Frauen die Verkaufsabteilung. Später wurde sie deren
Chefin. Sie verlässt sich auf Intuition und sagt wörtlich: ,,Entweder man hat es oder man hat es
nicht.“ Sie gilt im Unternehmen als pragmatisch. Als sie zum weiblichen Boss avancierte,
machte sie das französische Sprudelwasser zu einem Getränk, das heute in keiner Bar fehlt. Mit
der von ihr erfundenen Eau-Kampagne mit dem Slogan ,,Eau-la-la“ ist sie eine der bedeutenden
Managerinnen der Insel geworden.
Quelle: Hamburger Abendblatt Abb. 70: Zwei Unternehmenspersönlichkeiten der Gegenwart
4. Die Geschäftsführung 69

Als Eigentümer bringen sie das Kapital auf, Aufgabe


mit dem ihr Unternehmen ausgestattet wird.
43. Versuchen Sie herauszufinden, was unter
Ihr Kapital ist es auch (Eigenkapital), das die
Basis für das Vermögen bildet. Daher können • Direktionsfunktion und
Unternehmer auch über ihr Vermögen nach • Gestaltungsfunktion
ihrem Ermessen verfügen (Verfügungs-
macht). Dafür müssen sie in Kauf nehmen, zu verstehen ist, und verknüpfen Sie Ihre
für misslungene Geschäfte ebenso zu haften Aussagen mit den Aufgaben der Füh-
wie für Forderungsausfälle. Ist nicht genü- rung!
gend Bargeld vorhanden, müssen sie dafür Einpersonenunternehmung
sorgen, dass es dem Unternehmen wieder In Einpersonenunternehmen ist der Unternehmer
zufließt. Versagen Banken Kredite, dann Eigentümer seines Betriebes. (Viele Dienstleis-
müssen sie aus eigener Tasche bezahlen. Für tungsbetriebe und Handwerksbetriebe sind Einper-
sie heißt Haftung (siehe Kapitel Gesell- sonenunternehmen.)
schaftsformen), ihr gesamtes Privat- und Stille Gesellschaft
Geschäftsvermögen heranzuziehen, wenn es Die Führung des Unternehmens obliegt dem Un-
die Lage des Unternehmens erforderlich ternehmer. Der stille Gesellschafter hat nicht das
macht. Anders der Manager (siehe Abb. 70). Recht, an der Leitung mitzuwirken.
Er wird sicher auch dafür sorgen, dass genü- Offene Handelsgesellschaft (oHG)
Zur Geschäftsvertretung und Geschäftsführung ist
gend Geld zur Verfügung steht. Nur braucht
jeder Gesellschafter berechtigt. Besondere Rege-
er nie an sein eigenes Vermögen heranzuge- lungen sind vertraglich möglich. Die Anzahl der
hen. Für die Unternehmung ist dieses tabu. Gesellschafter ist unbegrenzt. Die Mindestzahl ist
zwei.
4.4.2 Die horizontale Kommanditgesellschaft (KG)
Organisation der Führung Zur Geschäftsvertretung und -führung sind nur die
Komplementäre berechtigt. Sie sind sog. Vollhaf-
4.4.2.1 Die Singularinstanz ter. Die Kommanditisten sind hiervon ausgeschlos-
sen. Kommanditgesellschaften können nur einen
Unter Instanz ist eine Stelle zu verstehen, die Komplementär, aber mehrere Kommanditisten
Leitungsaufgaben zu erfüllen hat. In den haben und umgekehrt. Komplementäre sind die
meisten Betrieben gibt es viele solcher In- Unternehmer der KG.
stanzen. Sie sind auf unterschiedlichen Ebe- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
nen angesiedelt. Zum Beispiel die Ebene der Leitendes Organ der GmbH ist ein oder sind meh-
rere Geschäftsführer. Sie vertreten die GmbH nach
• obersten Leitung außen, und sie führen sie. Geschäftsführer sind
• mittleren Leitung Manager. Oft gehört ihnen die Gesellschaft (siehe
auch Kapitel Gesellschaftsformen).
• Junior-Leitung. Aktiengesellschaft (AG)
Wird ein Unternehmen von einer Person – Die Aktiengesellschaft wird vom Vorstand geleitet.
wie es bei einer Einpersonenunternehmung Dieser kann aus einer Person bestehen, so weit es
der Fall ist – geleitet, in diesem besonderen das Aktiengesetz zulässt. In der Regel umfasst er
Fall also von einem Unternehmer, dann mehrere Personen, die in dieses Amt gewählt
werden. Vorstandsmitglieder sind Manager.
spricht man von Singularinstanz auf oberster
Genossenschaft
Ebene. Sie heißt auch Direktorialinstanz.
Genossenschaften (eGmbH, eGmbuH) werden
Sowohl der Geschäftsführer (Alleinführung)
vom Vorstand repräsentiert. Er muss mindestens
einer Einpersonen-GmbH als auch der einzige aus zwei Mitgliedern bestehen.
Vollhafter einer Kommanditgesellschaft ist
Stelleninhaber einer Direktorialinstanz. Abb. 71: Unternehmensleitungen nach
dem Gesetz
70 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

4.4.2.2 Die Pluralinstanz


Meist werden mittlere und große Unterneh-
men von mehreren Personen – Pluralinstanz
– geführt. Dabei taucht natürlich die Frage
auf, wie die Leitungsgruppe miteinander
umgeht.
Zunächst ist wichtig zu wissen, dass die Plu-
ralinstanz als System zu verstehen ist. Ein
System ist dadurch gekennzeichnet, dass es
mehrere Elemente (hier Personen) enthält, die
untereinander in Beziehung stehen. Schon
zwei Geschäftsführer in einer GmbH oder
zwei Gesellschafter in einer oHG bilden so Abb. 72: Formen kollegialer Leitung
ein System, d.h., sie sind beide Teile eines
Leitungssystems. Einpersonenunternehmung
Interessanterweise gibt es zwei Spielarten der Einpersonen-GmbH
Pluralinstanz. Sie werden KG mit einem Komplementär
AG mit einem Vorstandsmitglied
Singularinstanz

• Direktorial- und
Pluralinstanz
• Kollegialsystem
Leitungssystem
genannt.
Das Direktorialsystem muss deutlich von der Direktorialsystem Kollegialsystem
Direktorialinstanz unterschieden werden. Es
oHG
ist nämlich Teil der Pluralinstanz, und das
KG mit mehreren Komplementären
besagt, dass die Leitung durch mehrere Mit-
GmbH mit mehreren Geschäftsführern
glieder vertreten wird. Worin ist der Unter-
AG mit mehreren Vorstandsmitgliedern
schied zu sehen?
Das Direktorialsystem hebt eine Person aus Beachtung gesetzlicher Vorschriften
den übrigen heraus und stattet sie mit beson- Abb. 73: Horizontale Leitungsorganisation
deren Rechten aus, die Entscheidungen
betreffen:
• Sie kann z.B. allein entscheiden (ohne
auf die übrigen Leiter Rücksicht zu neh-
men).
• Sie kann z.B. gegen die qualifizierte
Mehrheit Entscheidungen treffen.
• Sie kann z.B. gegen eine einfache Mehr-
heit bestimmen, was zu tun ist.
Abb. 74: Abstimmungskollegialitäten
4. Die Geschäftsführung 71

Kennzeichen des Kollegialsystems ist die Die DMW hatten sich bei Gründung die fol-
Gleichberechtigung seiner Mitglieder. In der gende Satzung gegeben:
Regel tritt es als Abstimmungskollegialität in Satzung
Erscheinung. Ein ähnliches System findet man
§1
in der Politik, z.B. im Kabinett. In Koalitionen
Die Aktiengesellschaft führt die Firma „Deutsche
allerdings richtet sich der Streit auf die Frage, Motoren Werke“ AG. Ihr Sitz ist Hannover.
ob Kanzler oder Kanzlerin die Richtlinien der
§2
Politik der Regierung bestimmen. Die Ausei-
Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung
nandersetzung ist noch nicht beendet. Daneben
von Kraftfahrzeugen aller Art.
gibt es andere Ausprägungsformen, die auf der
§ 18
Seite 70 näher beschrieben werden.
Der Vorstand besteht nach der Gründung in den
Um den Auseinandersetzungen über Abstim- ersten beiden Jahren aus drei Vorstandsmitglie-
mungsmodalitäten zu entgehen, geben sich dern. In den folgenden Jahren kann der Vorstand
Unternehmen so genannte Geschäftsordnun- auf bis zu 7 Mitglieder aufgestockt werden. Dazu
gen, in denen festgelegt ist, nach welchem muss die Satzung nicht geändert werden.
Verfahren bei Unstimmigkeiten vorzugehen Abb. 75: Satzung der DMW AG
ist. Bei Aktiengesellschaften bildet das Akti-
engesetz in den §§76ff. die Grundlage.

4.4.3 Führungsaufbau und


Weisungssystem

4.4.3.1 Führungsebenen
Der Führungsaufbau eines Unternehmens,
also seine Führungsstruktur, sieht von oben
(Führung) nach unten (Mitarbeiterebene)
meist wie eine Pyramide aus (siehe Abb. 76).
In kleinen und mittleren Betrieben werden
drei Führungsebenen unterschieden. Vorstell-
bar ist aber auch eine weitere Differenzie-
rung. Jede Führungsebene verfügt über Füh-
rungs- oder Leitungsbefugnisse. Ihre heraus-
ragenden Ermächtigungen sind die
• Entscheidungs- und
• Weisungsbefugnis. Abb. 76: Herkömmliche Untergliederung
Letztere begründet das Vorgesetzten-Unter- einer Unternehmung
gebenenverhältnis (Hierarchie). Je mehr Be-
fugnisse (Verpflichtungs-, Verfügungs- und Aufgabe
Informationsbefugnis sowie die oben genann- 44. a) Versuchen Sie, die Vor- und
ten) übertragen werden, desto größer wird Nachteile der Leitungssysteme her-
auch die Verantwortung (siehe Abb. 78), d.h. auszustellen!
das persönliche Einstehen für die Folgen, die
sich durch das eigene Handeln und durch die b) Die DMW AG praktiziert das Kolle-
eigenen Entscheidungen ergeben. gialsystem. Warum ist eine ungerade
Zahl von Mitgliedern gewählt wor-
den?
72 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Der Aufbau eines Unternehmens von der Der Vorstand der DMW AG musste mit einer
Spitze bis zur Basis (vertikaler Aufbau) lässt Geschäftsordnung leben, die der Aufsichtsrat
unterschiedliche Weisungssysteme einzie- erlassen hatte. Ein Vorsitzender war be-
hen: stimmt. Ihm war das Recht zugebilligt wor-
Die Unterscheidung richtet sich u.a. nach der den, dass bei Stimmengleichheit seine Stim-
Unterstellung der Mitarbeiter. Unterstehen sie me entscheidet.
nur einer Instanz, dann heißt das Einfachun-
Geschäftsordnung für den Vorstand
terstellung, nehmen sie die Weisungen von
Der Aufsichtsrat der … Aktiengesellschaft erlässt gemäß
mehreren Stellen an, dann wird von Mehr- § 15 Abs. II der Satzung nachstehende Geschäftsordnung
fachunterstellung gesprochen. für den Vorstand:
Die 1. Der Vorstand führt die Geschäfte nach dem Aktien-
gesetz, der Satzung und dieser Geschäftsordnung.
• Linienorganisation und die 2. Die Geschäfte werden unter die einzelnen Vor-
standsmitglieder nach dem beigefügten Geschäftsver-
• Stablinienorganisation teilungsplan verteilt. Die einzelnen Ressorts werden
gehören zur Einfachunterstellung, die im Vorstand durch die Direktoren dieser Bereiche
vertreten. Die Direktoren entscheiden in ihren Res-
• Funktionsmeisterorganisation und die sorts allein, so weit es sich um den normalen Ge-
schäftsgang handelt. Alle über diesen Rahmen hi-
• Matrixorganisation zählen zur Mehr- nausgehenden Geschäfte müssen im Vorstand zur
fachunterstellung. Abstimmung gebracht werden.
3. Der Aufsichtsrat kann auch bestimmen, dass einzelne
Geschäfte außerhalb des Geschäftsverteilungsplans
bestimmten Vorstandsmitgliedern zur Erledigung ü-
Zunahme der Anforderungen
bertragen werden.
und der Verantwortung
4. Dem Aufsichtsrat bleibt vorbehalten, ein Vorstands-
mitglied zum Vorsitzenden des Vorstandes zu bestel-
len, der bei Meinungsverschiedenheiten eine einheit-
liche Entscheidung des gesamten Vorstandes und not-
falls eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen soll.
5. Die Mitglieder des Vorstandes sind verpflichtet, sich
gegenseitig dauernd über wichtige Geschäftsvorgän-
ge zu unterrichten. Angelegenheiten von größerer
Bedeutung sollen in regelmäßig stattfindenden ge-
meinschaftlichen Besprechungen unter den Vor-
standsmitgliedern erörtert und entschieden werden.
Abb. 77: Auszug aus der GO der DMW AG

Zu Hierarchien
Zurzeit werden überall Hierarchieebenen
gestrichen. Es hat sich herausgestellt, dass
viele Hierarchieebenen zu umständlich arbei-
ten und oft Entscheidungen hinauszögern.
Dabei wird von Verdünnung der Hierarchien
gesprochen. Das Ergebnis wird mit dem Beg-
riff „Lean Management“ erfasst. Auch ist der
Abb. 78: Zunahme der Verantwortung Begriff „schlanke Führung“ üblich.
innerhalb der betrieblichen Hie-
rarchie
4. Die Geschäftsführung 73

4.4.3.2 Die Linien- und


Stablinienorganisation
Linien- und Stablinienorganisation sind eng
verwandt. Die Weisungen gehen bei beiden
gradlinig von der Leitung über die Abtei-
lungsleiter an die unteren Ebenen bis hin zu
den Mitarbeitern. Das Organisationsprinzip –
von dem Franzosen Fayol entwickelt – geht
davon aus, dass ein Auftrag (Weisung, Be-
fehl) nur von einer Stelle ausgehen kann und
darf. Daher ist es gekennzeichnet durch
• ein geradliniges Weisungssystem
• eindeutige Wege
• klare Instanzen mit ihren Befugnissen.
Abb. 79: Die Stablinienorganisation mit
Der Rücklauf der Kontakte geht umgekehrt Einfachunterstellung
vom Mitarbeiter zum Abteilungsleiter, von
dort zur Leitung. Da die Wege lang und Zeit Aufgabe
raubend sein können, und da möglicherweise
Informationen unterwegs liegen bleiben oder 45. a) Wieso werden bei vielen Unterneh-
verloren gehen, gibt es Unternehmen, die auf men die Hierarchien verdünnt?
mittlerer Führungsebene Verbindungen einge- b) Können Sie Nachteiliges über die
richtet haben, sodass bei Angelegenheiten, die Linienorganisation sagen?
nur die mittlere Führungsebene angehen, der c) Welche Weisungsorganisation gibt
direkte Kontakt zwischen ihnen genommen es bei Ihnen im Unternehmen?
werden kann.
d) Sie sehen in der folgenden Abbil-
Wie ersichtlich, handelt es sich zugleich um dung (80) eine Art der Aufbauorga-
eine Einfachunterstellung, d.h., dass jeder nisation. Kennzeichnen Sie diese!
Untergebene nur einen Vorgesetzten hat.
Das Stabliniensystem unterscheidet sich vom
Unternehmensleitung
Liniensystem dadurch, dass sich Führungs-
ebenen mit so genannten Stäben umgeben, die
keine Instanz sind und also auch keine Wei-
sungsbefugnisse besitzen. Sie haben die Auf-
gabe, die Führung in bestimmten Fragen zu
beraten. Voraussetzung ist, dass die Stäbe mit Produkt A Produkt B Produkt C
Fachleuten besetzt werden, die sich mit einem
bestimmten Aufgabengebiet auseinander zu
setzen haben und auf Basis ihrer Kenntnisse
und Erkenntnisse Entscheidungen der Leitung
Beschaffung Produktion Absatz
vorbereiten. Zu Stäben werden u.a. Personal-
sektor, Organisation und Revision gezählt
(siehe Abb. 79). Solche Stäbe gibt es auch in Abb. 80: Der produktbezogene Aufbau
der Politik (z.B. die fünf Weisen). einer Unternehmung
74 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

4.4.3.3 Das Mehrliniensystem Arbeitnehmer


Funktionsmeistersystem)
Das Mehrliniensystem (nach dem Amerika-
ner F.W. Taylor – dem Erfinder – auch Tay-
lorsches Organisationssystem genannt) ist
dadurch gekennzeichnet, dass eine Person von
mehreren Instanzen Anweisungen (Mehr-
fachunterstellung) bekommt (siehe Abb. 81).
Während das Fayolsche Organisationsprinzip
dem Grundsatz der einheitlichen Auftragser-
teilung Rechnung trägt, geht es bei Taylor
darum, den Grundsatz der Arbeitsteilung auch
auf den Sektor der Arbeitsanweisungen zu
Meister Meister
übertragen. So muss sich bei einem Arbeit-
nehmer theoretisch die Summe der Anwei- Abb. 81: Das Mehrliniensystem
sungen verschiedener, im Allgemeinen paral-
lel geschalteter Instanzen zu einem Zum Linien- und Stabliniensystem
Gesamtauftrag verdichten. Auf diese Weise Das Stabliniensystem wird als eine „Symbio-
ergibt sich ein stark aufgespaltenes und se“ beider Organisationssysteme verstanden.
spezialisiertes Führungssystem, das meist in Es soll die Vorteile des Ein- und Mehrlinien-
der Fertigung seinen Ausdruck findet. systems übernehmen, dagegen die Nachteile
Der Begriff Mehrliniensystem ist aus den zahl- ausklammern. Diese Ansicht ist unrichtig,
reichen Anweisungslinien abzuleiten, die von weil es die strenge Linienführung der Ein-
mehreren auf eine Stelle ausgerichteten Instan- fachunterstellung beibehält (und damit auch
zen ausgehen. Der Begriff Funktionsmeister- die Nachteile in Kauf nimmt) und die Mehr-
system geht auf die Herstellung zurück, in der fachunterstellung von vornherein ausschließt,
gleichberechtigte Meister derselben Produkti- wodurch es eigentlich gar nichts von dieser
onsstätte, z.B. die Vorrichtungs-, Prüf-, Organisationsart übernimmt. Wenn sich die
Geschwindigkeits- und Aufsichtsmeister, den Leitung mit Stäben umgibt, so hat das wenig
Fertigungsablauf planen, steuern und kontrol- mit Mehrfachunterstellung zu tun. Die Stäbe
lieren, was heute so nicht mehr üblich ist. erhalten ihre Anweisungen von einer Instanz,
der Leitung.
Die Nachteile sind schnell auszumachen.
Dieses Organisationssystem bringt es mit Übernommen ist die Idee von Taylor, dass
sich, dass ihm mehrere Fachleute (Spezialisten) einen ge-
meinsamen Auftrag eines Leitungsorgans
• Übersichtlichkeit fehlt (Direktor, Abteilungsleiter) arbeitsgeteilt
• Straffheit verloren geht erledigen. Dabei erteilt eine Instanz (Leitung)
einer Stelle (Stab) und möglicherweise meh-
• Kompetenzgerangel anhaftet
reren Stelleninhabern Arbeitsaufträge. Das
• Arbeitsverzögerungen folgen Funktionsmeistersystem ist hiermit nicht
• Demotivationskräfte innewohnen. vergleichbar, weil in ihm Instanzen (Fachleute
verschiedener Arbeitszweige) Anweisungen an
eine oder mehrere Personen gleichzeitig oder
nacheinander ergeben, während ein Stab Wis-
sen fokussiert, aber keine Weisungen erteilt.
4. Die Geschäftsführung 75

4.4.3.4 Die Matrixorganisation Sowohl im Stabliniensystem als auch in der


Das Wort Matrix kommt aus dem Lateini- Projektorganisation wird die Teamarbeit (vgl.
schen und hat hier die Bedeutung eines Dar- auch Führungsstil) bevorzugt, weil ihre Auf-
stellungssystems in Form gleich-, über- und gaben nur durch verschiedene Aufgabenträger
untergeordneter Ebenen. Es ähnelt einem mit den unterschiedlichsten Kompetenzen
Rechenrechteck. gemeinsam gelöst werden können. Beide
Formen müssen aber in die entsprechende
Eine Matrixorganisation (siehe Abb. 83) ist betriebliche Hierarchie eingepasst werden.
durch Mehrfachunterstellung gekennzeich- Für eine Stableiterin beispielsweise, die Vor-
net. Sie kann – wie hier – in der oberen Ebene gesetzte ihrer Stabmitglieder ist, heißt das,
(nach der Führungsebene) nach Objekten, dass sie zwar Anweisungen innerhalb ihrer
dagegen in der vertikalen Seitenebene nach Befugnis und Abteilung geben darf, dass aber
Funktionen (Verrichtungen) gegliedert sein. die Aufgaben, die ihre Mitglieder in anderen
Sie kann sich im Rahmen der Linienorganisa- Abteilungen zu lösen haben (in dem sie u.a.
tion ebenso wie in der Stablinienorganisation die Organisation in anderen Betriebssektoren
bewegen. prüfen), nur mit den jeweiligen Abteilungslei-
Typische Matrixorganisationen sind das Pro- terinnen und -leitern der betroffenen Sparten
duktmanagement sowie das Projektmanage- abgesprochen werden müssen.
ment. Kennzeichen des Produktmanage-
ments ist, dass über eine vorhandene Auf- Aufgabe
bauorganisation eine weitere Struktur gelegt
wird. Die zweite Strukturebene ist dabei nach 46. Dem Projektleiter standen 20 Mio. EUR
Erzeugnissen gegliedert. Befindet sich ein für Investitionszwecke zur Verfügung. Er
Arbeitnehmer in der Montage, dann ist er dem sollte dem Mindener Kaffeeunternehmen
Fertigungsleiter und dem Produktleiter unter- hiermit endlich den großen Durchbruch
stellt. verschaffen. Bisher dümpelte der Um-
satz-Mächtige auf diesem Sektor in
Die Projektorganisation (siehe Abb. 82) seichten Gewässern, und die 100 Ab-
ähnelt dem Produktmanagement. Jedoch liegt nehmerländer für die hauseigenen Kaf-
es im Wesen eines Projektes, dass es zeitlich feemaschinen mit 30 Grundmodellen
begrenzt ist. Ihr Kennzeichen ist die Konzent- kauften zögerlich und insgesamt nur we-
ration der Aufgaben eines Projektes auf eine nig. Billiganbieter machten das Rennen,
Projektgruppe, deren Leiter eben der Pro- und der deutsche Kaffeemaschinen- und -
jektmanager ist. Der Projektleiter, z.B. zu- zubehöranbieter geriet immer mehr ins
ständig für ein neu zu entwickelndes Produkt, Hintertreffen. Das sollte anders werden.
greift mit seinem Projekt meist in die bisheri- Wie Projektleiter O. den „Turnaround“
ge Organisation ein und muss sich mit den schaffte, kann als Vorbild gelten:
übrigen Leitern über Zuständigkeiten und
Abläufe einigen. Die Untergebenen werden • Zunächst kappte O. die Kosten und
bei Überlappung von zwei Instanzen betreut schaffte Miniserien ab. Den gesam-
(Mehrfachunterstellung). Schwachstelle des ten Weltmarkt beliefert das Haus nur
Systems ist der Eingriff in eine bestehende noch mit 6 Modellen.
Organisation, ohne deren Akzeptanz kann das • Die neuen Geräte bestehen aus we-
Projekt scheitern. niger Formteilen als herkömmliche
Modelle. Weil ihr Innenleben ohne
Schrauben und Kabel auskommt,
werden sie preiswert vollautomatisch
hergestellt.
76 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Leitung
• Dann verlangte er von seinen Tech-
nikern erlebbare Produktvorteile ge-
Projekt- genüber der Konkurrenz. Die kamen
leitung mit dem Intervall-Brüh-System
(IBS). Der Kaffee schmeckt, ver-
spricht die Werbung, wie von Hand
Fertigung Vertrieb Beschaffung aufgegossen.
• Ein weiterer Vorsprung wurde durch
das Design geschaffen. Die Form der
Maschine wurde aus der weltbekann-
ten M-Filtertüte übernommen und
lässt die Herkunft ohne Markenzei-
chen erkennen (Quelle: manager
magazin).
a) Stellen Sie grafisch die Organisations-
struktur dar, die aus dem „Turnaround“
Abb. 82: Projektorganisation abzuleiten sein müsste. Ergänzen Sie die-
se aus Ihren eigenen Überlegungen und
würdigen Sie diese Organisationsform!
Leitung
b) Die Produktion der neuen Kaffeemaschi-
nen auf der Grundlage der alten Modelle
Produkt A Produkt B musste auch zu Veränderungen in den
Fabrikhallen führen. Als das neue Pro-
Produkt- Produkt- dukt entwickelt war, nahm sich der Pro-
leiter leiter
jektleiter einen Projektassistenten zu Hil-
fe. Dem oblag es, die Fertigungsstätten
bis zur Nullserie vorzubereiten. Können
Technik Fertigung Fertigung Sie auch hier die Organisationsform gra-
fisch darstellen? Erläutern Sie, was sich
möglicherweise verändert haben könnte!
Markt-
Vertrieb Vertrieb
forschung

Abb. 83: Matrixorganisation mit Linien-


system (Produktmanagement)

Zusammenfassung
Die Führung eines Unternehmens ist aus horizontaler und vertikaler Sicht zu sehen. Sie ist
horizontal, wenn es um den Entscheidungsprozess geht, der sich in der obersten Führungs-
etage vollzieht. Dazu gehört auch die Organisation, wie Entscheidungen getroffen werden.
Die vertikale Sicht offenbart die Hierarchie eines Unternehmens, d.h. seine Instanzen mit
den dazugehörigen Befugnissen. Dazu wird insbesondere die Anweisungsfunktion gezählt,
aus der sich Befehlslinien und viele Informationswege ableiten lassen.
4. Die Geschäftsführung 77

4.5 Führungsanforderungen Einiges zu den Veränderungen in der Welt


Hierzu zählen:
Der Erfolg von Unternehmern, Managern und • Globalisierung der Märkte
anderen Arbeitnehmern in leitender Funktion
hängt von einer Summe von Faktoren ab. Das • Zunahme der internationalen Konkurrenz
Beispiel (siehe Abb. 70) des Höhenflugs einer • Bildung noch größerer Zusammenschlüsse
Frau in die Leitungsposition eines großen (Konzentration)
Unternehmens lässt Ursachen herausfiltern, • Zu- und Abwanderungen ganzer Men-
die zugleich auf individuellem Charakter schenmassen
beruhen.
• Entstehen neuer Techniken für Herstel-
Unternehmer und Manager werden in beson-
lung, Information und Dienstleistungen
derem Maße mit einer sich verändernden
Wirtschafts- und Gesellschaftswelt konfron- • Wandel der inländischen Gesellschafts-
tiert. Das ist auf nationalem Terrain ebenso strukturen
wie auf internationalem zu spüren. Selbst in • Wachsen des Umweltbewusstseins
den eigenen Unternehmen vollziehen sich
Prozesse, mit denen sich die Unternehmens- • Erhöhung der sozialen Spannungen im
führung intensiv auseinander setzen muss. Sie Inland
kann ein Unternehmen nur aussichtsreich
führen, wenn sie selbst über Eigenschaften Pressenotiz
verfügt, die dieses ermöglichen.
1995 tagte die Weltfrauenkonferenz in Pe-
Eine Umfrage des Instituts der deutschen king, in einem Land, in dem immer noch das
Wirtschaft (IW) hatte bei 10 Anforderungs- Sprichwort gilt: „Drei Tugenden zeichnen
merkmalen zu folgender Rangfolge geführt: eine Frau aus: Gehorsam gegenüber dem
1. Einsatzbereitschaft Vater, gegenüber dem Mann und gegenüber
2. Führungsqualitäten dem Sohn.“ In offenbar stillem Gehorsam
werden weltweit Millionen Frauen benachtei-
3. Kooperationsbereitschaft ligt. Armut ist weiblich. Siebzig Prozent der
4. Initiative Menschen in Not sind Frauen. Sie leiden
5. Durchsetzungskraft unter unzureichender Gesundheitsversorgung,
niedriger Bildung und Gewalt.
6. Verantwortungsbereitschaft
Abb. 84: Benachteiligung von Frauen
7. Kommunikationsfähigkeit Quelle: Die Zeit
8. Entscheidungskraft
9. Problemlösungsfähigkeit Aufgabe
10. Teamgeist. 47. a) Prüfen Sie, ob die Behauptungen
noch Gültigkeit haben und ob sich
„Spitzenführungskräfte müssen außergewöhn-
die Situation der Frau in der Wirt-
liche Persönlichkeiten sein. Sie erweisen sich
schaft und bei uns geändert hat.
als extrem unkonventionell im Denken und
Handeln, sie sind deutlich flexibler, unbefan- b) Sehen Sie sich die Zusammenset-
gener und begeisterungsfähiger als der zung des Bundestages an. Was lässt
Durchschnitt“, schreibt das Capital. sich hierzu sagen?
78 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Faktorbezeichnung Wettbewerbsvorteil Faktorbezeichnung


(niedrige Werte) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 (hohe Werte)
F1 Sachorientierung Kontaktorientierung F1
F2 Konkretes Denken Abstraktes Denken F2
F3 Emotionale Störbarkeit Emot. Widerstandsfähigk. F3
F4 Soziale Anpassung Selbstbehauptung F4
F5 Besonnenheit Begeisterungsfähigkeit F5
F6 Flexibilität Pflichtbewusstsein F6
F7 Zurückhaltung Selbstsicherheit F7
F8 Robustheit Sensibilität F8
F9 Vertrauensbereitschaft Skeptische Haltung F9
F10 Pragmatismus Unkonventionalität F10
F11 Unbefangenheit Überlegtheit F11
F12 Selbstvertrauen Besorgtheit F12
F13 Sicherheitsinteresse Veränderungsbereitsch. F13
F14 Gruppenverbundenheit Eigenständigkeit F14
F15 Spontaneität Selbstkontrolle F15
F16 Innere Ruhe Innere Gespanntheit F16
Managerinnen
Manager Durchschnitt der Bevölkerung
Abb. 85: Eigenschaften von Führungskräften

Verteilung der abhängig Erwerbstätigen nach ihrer Stellung im Betrieb

Bürokraft
angelernter Arbeiter
Facharbeiter
Verkäufer
Sachbearbeiter
Vorarbeiter
Herausgehobene
qualifizierte Fachkraft
Sachgebietsleiter, Referent,
Amts-, Betriebsleiter
Direktor

Prokurist

Handlungsbevollmächtigter
Abteilungsleister

13,7
14,0
13,6

16,9
12,8
15,1

28,8
32,6
40,0
49,6

37,6
24,3
21,9
16,1
0,6
2,4
0,9
2,2

0,9
3,5
1,9
3,7

1,1
3,2
1,9
3,1

8,7

5,9

West, weiblich West, männlich Ost, weiblich Ost, männlich

Abb. 86: Führungspositionen Frauen und Männer im Vergleich


Quelle: Frauenleitbild 2000, A. Springer Verlag
4. Die Geschäftsführung 79

Nach der Untersuchung des „Capital“ verfü- Vergangenheit?


gen Spitzenunternehmerinnen und -unterneh-
Von 21 Mio. Frauen im erwerbsfähigen Alter
mer über nahezu dieselben Eigenschaften.
Ende l989 in den alten Bundesländern war
Frauen sind sozial etwas anpassungsfähiger,
jede zweite berufstätig. Das waren so viele
etwas unbefangener, sind eher gruppenver-
Frauen wie nie zuvor. Mikrozensus stellte
bunden und spontaner, Männer dagegen sind
fest, dass die Zahl der weiblichen Erwerbs-
vertrauensbereiter, noch begeisterungsfähiger
personen von l964 bis 1989 um gut l8 Pro-
und weniger emotional störanfällig. Aber in
zent, nämlich von 9,8 auf 11,7 Millionen,
allen Fällen handelt es sich um Nuancen, die
gestiegen ist. Das Statistische Bundesamt
insgesamt keinen Unterschied zwischen den
meldete jedoch, dass nur 2,7 Prozent der
Geschlechtern ausmachen. Warum sind Frau-
berufstätigen Frauen ihre Arbeit als Füh-
en dennoch in den Führungsetagen unterrep-
rungstätigkeit bezeichnen. Von 1304 Füh-
räsentiert?
rungskräften deutscher Aktiengesellschaften
sind nach einer am
4.5.1 Frauen im Management
27. November l991 veröffentlichten Untersu-
Führungspositionen werden meistens von chung des Wirtschaftsmagazins Forbes nur
Männern eingenommen. Und selbst wenn neun Frauen. Das sind 0,7 Prozent. Davon
Frauen an der Spitze stehen, werden sie in der seien vier entweder Eigentümerinnen oder
Regel schlechter bezahlt, sofern es sich nicht Erbinnen der Firma, und nur fünf seien beru-
um eine Position beim Staat handelt. Frauen fen worden.
sind in der Praxis noch nicht gleichberechtigt. „Wenn man die Gleichberechtigung im Be-
Wie lässt sich dieser Zustand u.a. begründen? trieb erreichen will, braucht man eine ganz
Er breite Basis. Das fängt unten an, nicht oben
• beruht auf Traditionen … Ein paar Frauen im obersten Führungskreis
schaden meiner Erfahrung nach der Gleichbe-
• basiert auf Vorurteilen der Frau gegen- rechtigung mehr als sie nützen.“ – Aussage
über des A. Schwarz, Vorsitzender des Konzernbe-
• ist durch Ängste der Männer zu erklären, triebsrats der DASA
ihre Position zu verlieren (aus: U. Schwarzer, Arbeit schützt vor Armut
• kann daran liegen, dass Frauen weniger nicht, Serie Pieper Frauen, S. 11).
selbstbewusst als Männer und damit nicht
durchsetzungsfähig genug sind
• kann darauf zurückgeführt werden, dass
Frauen nur zeitbegrenzt arbeiten werden, Aufgabe
bis eine Familie gegründet wird.
48. a) Verfolgen Sie für eine Woche die
Presse! Wo sind darin Artikel, Statis-
4.5.1.1 Problemfelder
tiken, Berichte über Frauen zu fin-
Frauen in Führungspositionen verzichten weit den? Sammeln Sie diese, und werten
gehend auf Familie bzw. auf ihre Betreuung. Sie sie aus!
80 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

So wie ihre männlichen Kollegen sind die b) Verfolgen Sie Zeitungs- und Praxis-
meisten weiblichen Führungskräfte durch ihre berichte über Frauen, die hohe Lei-
Tätigkeit, Verantwortung und durch ihr En- tungsfunktionen innehaben! Achten
gagement gezwungen, nicht nur länger zu Sie besonders auf die Politik! Stellen
arbeiten als die Normalbeschäftigten, sondern Sie Ihre Ergebnisse zusammen, und
herumzureisen, Verhandlungen außerhalb des diskutieren Sie hierüber miteinander!
Betriebes zu führen und möglicherweise Ge- Und was tut sich bei der DMW AG in dieser
schäftsfreunde mehrere Wochen lang aufzu- Hinsicht? Aus dem Informationsblatt der
suchen. DMW:
Eine Direktorin kann in der Regel nicht von Ein „Frauenauto“ gibt es noch nicht. Die
einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung Gebrauch DMW basteln daran. Immer mehr Frauen
machen, kann kaum Familienpausen in An- haben bei der Konstruktion ein entscheiden-
spruch nehmen oder gar Erziehungsurlaub des Wort mitzureden, weil sich ihre Ansich-
eingehen. Ebenso entfallen für sie Halbtagstä- ten über Autos von denen der Männer abhe-
tigkeit und Jobsharing. Etwa ein Drittel aller ben. Damit tragen sie dazu bei, dass die
beschäftigten Frauen übt eine Teilzeitbeschäf- Kombination unterschiedlicher Erwartungen
tigung aus. Für sie entfällt die Chance, eine und Denkansätze zu einem perfekten Produkt
leitende Stelle zu bekleiden. führt. Das Frauenauto ist ein neues Projekt
Die Diskrepanz zu verkleinern zwischen dem, der DMW. Chefkonstrukteurin ist die Ingeni-
was Gesetzgeber fordern, nämlich der Gleich- eurin Frau Dr. Lara Weniger. Sie arbeitet mit
stellung von Mann und Frau, und dem, was weiteren Frauen zusammen.
die Praxis verwirklicht hat, ist nach führenden
Frauenpolitikerinnen nur möglich, wenn Be-
triebe Gleichstellungsstellen schaffen (Instan- Das Wochenpensum der
zen), die Führungscharakter haben.
Selbstständigen
Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in
4.6 Führungskultur Stunden 2005
Land Arbeitszeit
4.6.1 Begriff Irland 58,4
Führungskultur ist Teil der Unternehmens- Niederlande 56,3
kultur (siehe Kapitel „Personalwirtschaft“). Belgien 54,9
Sie wird hier verstanden als das Führungsver-
Frankreich 54,6
halten. Verhalten kann als Funktion der Inter-
aktion von Person und Umfeld aufgefasst Luxemburg 54,2
werden. Das Umfeld der Unternehmensfüh- Deutschland 53,5
rung ist bestimmt
Dänemark 53,3
• nach innen durch Personen gleicher
Ebene (z.B. Vorstand) und durch die Großbritannien 51,4
Mitarbeiter Portugal 50,8
• nach außen u.a. durch Teilhaber ohne Griechenland 50,4
Führungsanspruch, durch Kunden und Spanien 47,2
Lieferanten, durch Mitbewerber und Ge-
schäftsfreunde, durch Verbände und Poli- Italien 45,6
tiker. Abb. 87: Arbeitszeit der Selbstständigen
4. Die Geschäftsführung 81

Führungsverhalten ist also ein soziales Ver- Pressebericht zum Führungsverhalten


halten, das sich im Umgang mit anderen W. St. trauert seinen früheren Mitarbeitern nicht nach.
Menschen ausdrückt. Wer führt, will Einfluss Der Grund: Sie haben ihn um seinen Job gebracht. Bis
Ende vergangenen Jahres war St. Vertriebschef der KSM
ausüben. Wer Menschen führt, möchte diese Deutschland. Dann kam die Umfrage unter 800 Ver-
beeinflussen. Dass sich andererseits Füh- triebsmitarbeitern. Ihr Ergebnis: 46% kritisierten vehe-
rungsverhalten verändert, weil es selbst sozia- ment seine interne Informationspolitik, nur l4% waren
len Einflüssen ausgesetzt ist, ist immer wieder mit der Führung ihres Chefs zufrieden. Die Folge: W. St.
wurde entthront.
nachweisbar. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter öfter nach der
Ein Verhalten in dem hier gebrauchten Sinne Führungskunst ihrer Chefs befragen. Sie würden sich
wahrscheinlich über das Ergebnis wundern, die Vorstän-
ist nur dann Führungsverhalten, de in deutschen Unternehmen müssten gleich reihenweise
• wenn die Beeinflussung in einer direkten ausgetauscht werden. Ihre Einschätzung und die ihrer
Untergebenen zu ihrer Führungskunst klaffen weit aus-
sozialen Beziehung steht einander. Sie halten sich für Partner und handeln wie
• wenn die Beeinflussung der Existenz des Diktatoren. Demokratur im Betrieb. Mitarbeiter reihen
knapp 70% der Manager in die Phalanx der autoritären
Betriebes dient Typen ein. (Quelle: Wirtschaftswoche)
• wenn der Beeinflussende über ein gewis- Abb. 88a: Führungsverhalten
ses Aktionspotenzial und über einen In- Produktivitätskiller Nummer eins sind in der Bundesre-
formationsvorsprung verfügt. publik die Fehler der Manager: Rund 44 Prozent der
Verluste sind auf mangelnde Planung und Steuerung
Da jeder in einer Gruppe von Menschen solche zurückzuführen, weitere 23 Prozent auf Fehler in Füh-
Eigenschaften entwickeln kann (wie es z.B. in rung oder Aufsicht. Schlechte Arbeitsmoral der Mitarbei-
Vereinsmannschaften bekannt ist), gehört zum ter ist für 13 Prozent der Verschwendung verantwortlich.
(Quelle: Impulse 12/2003)
Führungsverhalten im Unternehmen die forma-
le Organisation, die den Unternehmer bzw. die Abb. 88b: Führungsfehler
Unternehmer von vornherein und den Vorstand Beispiel:
durch Wahl zu Führenden macht.
Führungsverhalten
4.6.2 Führungsstile Die DMW AG verfügt über ein Leitungsor-
gan, das auf der Basis von Führungsleitlinien
Führungsstile sind Teil des Führungsverhal- handelt.
tens. Sie drücken die Art und Weise aus, wie
Auszug
die Unternehmensführung gehandhabt wird.
Wer erfolgreich führen möchte, muss sich mit
So beispielsweise, wie Mitarbeiter eingesetzt
einer betriebswirtschaftlichen und vernetzten
und an der Entscheidungsfindung beteiligt
Denkweise auseinander setzen.
werden oder wie die Vorgabe von Zielen gere-
gelt ist. Führungsstil ist diejenige Verhaltens- Erfolgreiches Führen setzt Führungseigen-
weise des Vorgesetzten im Unternehmen, die schaften und -fähigkeiten voraus.
auf der Grundlage der persönlichen und der von Wer erfolgreich führen möchte, muss sich als
der Unternehmensspitze geforderten (oder „sozialer Architekt“ des Unternehmens be-
zugelassenen) Einstellung das Führungsver- greifen. Darunter ist auch zu verstehen,
hältnis gestaltet, indem sie durch entsprechen-
de Maßnahmen auf die Arbeit des Geführten • die Kommunikation untereinander zu
einwirkt und den Leistungsvollzug bewirkt. fördern (Führende, Geführte)
• Vertrauen der Mitarbeiter zu der Führung
zu schaffen, sodass
• das gemeinsame Ziel (Vision) bei allen
aufgenommen und verinnerlicht wird und
ihr Handeln danach bestimmt ist.
82 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Führung hat sich in jüngster Zeit vor allem im Aufgabe


Gefolge eines Wertewandels (Abb. 90) von
49 Wie beurteilen Sie in Ihrem Umfeld
einer nur betriebswirtschaftlich sachlich ori-
(Familie, Verein, Freundeskreis, Unter-
entierten Aufgabe zu einer ebenso psycholo-
nehmen) diejenigen, die eine „stille oder
gisch menschlichen entwickelt (siehe hierzu
formale Führerschaft“ innehaben?
Abb. 44, 66 und Kapitel 3.1).
Die so veränderte Rolle der Führung, die auf
viele Einzelprozesse und -elemente zurückzu-
führen ist (gesellschaftlicher, technologischer,
struktureller und politischer Wandel), siehe
auch Abb. 89, hat die Begegnung der Men-
schen im Betrieb, also die der Leitung und der
Mitarbeiter sowie der Mitarbeiter untereinan-
der, verändert.
Die Wirksamkeit der Führungsstile hängt ab
von
• der Fähigkeit der Führenden,
• der Persönlichkeit der Mitarbeiter,
• der Struktur der zu führenden Gruppe,
• der Anzahl der zu führenden Mitarbeiter,
• der Art der gestellten Aufgabe, Abb. 89: Die Rolle der Führungskräfte
bei Teamarbeit
• den Arbeitsbeziehungen generell,
• Kontrollformen, Die DMW hatten diese Aufgaben (Abb. 89)
für ihre Werke in Halle und Emden im Rah-
• rechtlichen Rahmenbedingungen u.a.
men ihrer Fertigung entwickelt und tatsäch-
Ein Führungsstil wird autoritär genannt, lich auch verwirklichen können. Gruppenar-
wenn der Vorgesetzte sämtliche Entscheidun- beit steht hier an erster Stelle.
gen trifft und sie in Form von unwiderrufli-
chen Anweisungen oder Befehlen weitergibt.
Oft ist der Führungsstil so beherrschend, dass
Mitarbeiter Angst haben.
Er ist patriarchalisch, wenn die Mitarbeiter
wie unmündige Kinder behandelt und ihnen
jegliche Entscheidungs- und Verantwortungs-
kompetenzen abgenommen werden. Als Aus-
gleich hierzu sorgt sich der Patriarch um alle
arbeitsmäßigen, privaten, materiellen und
möglicherweise persönlichen Angelegenhei-
ten seiner Mitarbeiter. Die relativ große Si-
cherheit wird mit dem Nachteil der Bevor-
mundung erkauft.

Abb. 90: Wertewandel in der Gesellschaft


Quelle: team connex
4. Die Geschäftsführung 83

Von einem formellen Führungsstil wird ge- Informationen zur Gruppenarbeit


sprochen, wenn es zwischen dem Vorgesetz-
Team-(Gruppen-)arbeit hat sich als starke
ten und den Mitarbeitern keinerlei persönliche
Säule sozialer Energie entwickelt. Sie ist die
Beziehungen gibt. Maßgebend für das beider-
Kraft, die von Menschen ausgeht, die sich
seitige Verhalten sind Vorschriften und fixier-
zusammengefunden haben und etwas Ge-
te Regeln. Meist fordert der Führende Aner-
meinsames entwickeln. Im betrieblichen Sin-
kennung und Unterordnung der Mitarbeiter
ne sind das Aufgaben und Probleme, die sie
kraft Amtsautorität.
bearbeiten und gemeinsam lösen. Nur mit
Im kooperativen Führungsstil ist die Einstel- Eigenreglementierung, ohne ein Gegenüber
lung des Führenden, ungeachtet tatsächlicher von Macht und Abhängigkeit, regen sich
Stellungsunterschiede, auf die ausdrückliche Menschen gegenseitig an, erleben das Gegen-
Zusammenarbeit mit dem Untergebenen ge- über, hören das Andersartige, kommunizieren
richtet. Im Sinne menschlicher Gleichberech- in allen Varianten. Für sich selbst und für das
tigung vollzieht sich die Zusammenarbeit des Unternehmen, in dem sie tätig sind.
Führenden mit den zu Führenden in allen
Phasen des Führungsvorganges.
Autoritärer Führungsstil Kooperativer Führungsstil

Abb. 91: Führungsstile und Entscheidungsspielraum

Ihre wesentliche Auswirkung findet die An- Die DMW AG musste es sich gefallen lassen,
erkennung von menschlicher Gleichberechti- dass der Betriebsrat u.a. veröffentlichte:
gung und Gleichstellung darin, dass die Un- Eine zukünftige Anpassung der Unternehmen
tergebenen als Träger eines Selbstständig- an den zunehmenden Wettbewerbsdruck –
keitsanspruches angesehen werden. Sie sind und das wird selbst in den konservativen
als Mitarbeiter anerkannt, die mit dem Vorge- Lagern der Arbeitgeber so gesehen – kann nur
setzten gemeinsam die Aufgaben im Betrieb dadurch erreicht werden, dass den Beschäftig-
zu bewältigen versuchen. Allerdings erfordert ten mehr Entscheidungs- und Beteiligungs-
dieser Führungsstil vom Führenden Vertrauen möglichkeiten gegeben werden und mehr als
zu den Mitarbeitern und von diesen Verant- bisher auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse
wortungsbewusstsein. vertraut wird.
84 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Der kooperative Führungsstil ist mehr als nur Sie sind die eigentlichen Experten, die durch
die Zusammenarbeit zwischen den Vorgesetz- ihr Know-how und das Nutzen informeller
ten und den Mitarbeitern. Er erlaubt eine Kanäle viele Unternehmen überhaupt am
Mitwirkung an den Führungsentscheidungen. Leben erhalten. Deshalb wird Beteiligung im
Das aber kann nicht im „freien Raum“ passie- betrieblichen Management einen immer wich-
ren. Er erfordert eine Reihe von Regeln, die tiger werdenden Stellenwert erhalten. Auch
beide Partner einhalten müssen. Aus diesem bei uns ist in Hannover die Trendwende ein-
Ansatz haben sich so genannte Führungs- geleitet. Nun müssen wir folgen.
modelle entwickelt, die unter der Bezeich-
nung „Management by…“ bekannt gewor-
den sind. Führungsstil
autoritär kooperativ

4.6.3 Führungsmodelle Führungsphilosophie Führungsphilosophie


Der Führer ist der Der Führer ist Lenker
Zu diesen Führungsmodellen zählen u.a.: Herr, die Geführten und Koordinator einer
sind Untergebene und Kooperation, die Ge-
• Management by Objectives (MbO) Gefolgsleute. führten sind Mitarbeiter
und Partner.
• Management by Delegation (MbD)
Unterstellungen über Unterstellungen über
• Management by Exception (MbE) Mitarbeiter Mitarbeiter
Sie haben eine Abnei- Sie finden Erfüllung in
• Management by Conflicts (MbC) gung gegen die Arbeit. der Arbeit, wenn ihre
Es fehlt ihnen an persönlichen Ziele
• Management by Results (MbR). Intelligenz, ihre Arbeit gleichzeitig realisierbar
selbst einzuteilen. sind. Die Mitarbeiter
sind hinreichend intelli-
gent, selbst den jeweils
besten Weg zu einer
Lösung zu finden.
Beim MbO entwickelt der Vorgesetzte unter
Beteiligung der Mitarbeiter Zielvorstellungen Willensbildung Willensbildung
(Entscheidungsvorbe- (Entscheidungsvorbe-
(z.B. Einführung eines neuen Frauenautos), die reitung) reitung)
aus den Unternehmenszielen abgeleitet sein Die Führung weiß und Die Führung ist, um zu
müssen. Diese werden den Mitarbeitern vorge- kann alles besser als einer sachgerechten
geben. Zur Motivations- und Kreativitätsförde- die Untergebenen. Entscheidung zu
Deswegen kann kommen, auf die
rung entwickeln sie selbst Maßnahmen, deren grundsätzlich auf Mitwirkung der Mitar-
Ergebnisse sie weitgehend selbst kontrollieren. Besprechungen und beiter angewiesen.
Meist werden Arbeitsgruppen eingerichtet, die Beratungen verzichtet Deswegen wird der
die Maßnahmen festlegen und Kontrollmecha- werden. Einsatz von Koordina-
tionsmitteln angestrebt
nismen einrichten. Schwerpunkte dieses Mo- (Stäbe, Kollegien).
dells sind demnach Eigeninitiative und Selbst-
Entscheidungsbildung Entscheidungsbildung
kontrolle. Der Führer koordiniert Der Führer koordiniert
Voraussetzungen, dass das Verfahren tatsäch- durch Einzelentschei- durch Einschaltung der
dungen. Singularin- Mitarbeiter in den Ent-
lich funktioniert, sind stanzen sind typisch scheidungsprozess.
• das Wollen der Mitarbeiter, an der Ges- (Direktorialprinzip).
taltung einer neuen Aufgabe mitzuwirken Abb. 92: Gegenüberstellung zweier Füh-
• eine klare Zielformulierung rungsstilpole nach Bleicher
4. Die Geschäftsführung 85

• ein Zusammenpassen von Gesamtziel Aufgabe


und Einzelzielen
50. a) Zwei Führungsstile – Gegenüberstel-
• ein Handlungsspielraum der Mitarbeiter, lung
der eigene Entscheidungen zulässt Als Gegensatz zum autoritären Füh-
(Fließbandarbeit ist demnach ungeeig- rungsstil wird der kooperative ge-
net). nannt. Besser wäre, die Laissez-faire-
Nun ist zu fragen, wer bei Misserfolgen die Führung dagegenzuhalten. Was ist
Verantwortung hierfür zu tragen hat. letzterer für ein Führungsstil? Warum
Im MbD-Modell werden Aufgaben und Ent- sollte man ihn dem autoritären gegen-
scheidungen auf die Mitarbeiter übertragen, überstellen?
die zugleich die Eigenverantwortung hierfür b) Kooperativer Führungsstil
zu übernehmen haben. Auf diese Weise füh- Wenn Sie vor die Entscheidung ge-
len sie sich motiviert und werden sich mehr stellt würden, entweder in einem Team
als sonst für das Unternehmen engagieren mit gleichberechtigten Mitgliedern
(Steigerung der Leistungsbereitschaft). oder allein – nur Ihrem Chef unter-
Als Voraussetzungen lassen sich herausstel- stellt – zu arbeiten, wie würden Sie
len: sich entscheiden? Begründen Sie Ihre
• Vorhandensein der Delegationsfähigkeit Entscheidung mit den Vorteilen, die
der Mitarbeiter Sie damit verbinden!

• Formulierung delegierbarer und nicht c) Führungsstil einer Chefin


delegierbarer Aufgaben Renate Korn ist Chefin und Eigentü-
merin von zwei Friseursalons. Frau
• Entwicklung eines Kontroll- und Be-
Korn ist eine energische junge Dame,
richtssystems
die ihre eigenen Vorstellungen im Ge-
• Versorgung der Mitarbeiter mit ausrei- schäft in die Tat umgesetzt hat. Ihr zur
chendem Informationsmaterial. Seite stehen zwei junge Friseusen, die
Das Prinzip des MbE-Modells bezieht sich aus den beiden besten Salons Ham-
auf das Eingriffsrecht des Vorgesetzten in den burgs kommen. Die Chefin verfügt
Aufgabenbereich seiner Mitarbeiter. Der über eine große Ausstrahlungskraft.
Vorgesetzte schaltet sich nur ein, wenn Sie ist selbst eine Topkraft, packt an,
wenn die beiden übrigen Damen aus-
• die Leistung der Mitarbeiter nicht mit den gebucht sind. Sie weiß aber auch, was
gesteckten Zielen übereinstimmt sie will. Manchmal überzieht sie ihren
• neue Ziele gesetzt werden müssen Ton. Allerdings passiert das nicht vor
Kundinnen. Neulich gab es gerade
• Innovationen eingeführt werden sollen
wieder eine kleine Auseinanderset-
• außergewöhnliche Entscheidungen anste- zung, weil sie von Frau Meinhard ver-
hen. langte, länger da zu bleiben, um Ware
Das MbE-Modell ist daher ein Führungsmo- anzunehmen. Was diese dann auch tat.
dell, das von Abweichungsanalysen und dem Die Bezahlung ist sehr gut. Ein volles
Einschreiten im Ausnahmefall lebt. Will man Weihnachtsgeld ist seit Jahren gang
solche Abweichungen erkennen, bedarf es und gäbe. Extrawünsche der Mitarbei-
einiger Sollvorgaben (Norm) oder Sollergeb- terinnen werden meist erfüllt.
nisse. Als wichtigste Voraussetzungen lassen Beurteilen Sie das Führungsverhalten!
sich nennen:
86 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

• Vorhandensein eines Berichtssystems Beispiel


• Bestehen eines Kontrollsystems Modell bei der DMW AG
• klare Regelung der Zuständigkeiten Wir starten einen neuen Versuch, um unsere Füh-
rungsspitze zu entlasten. Gleichzeitig mit der
• Akzeptanz der Ziele, Abweichungstole- Neuerung sollen Eigeninitiative und Leistungsmo-
ranzen und Ausnahmen. tivation der Mitarbeiter gefördert werden. Aus
Auch hier – wie bei den schon dargestellten diesem Grunde führen wir ein neues Führungssys-
tem ein. Da wir bereits ein gutes, leistungsfähiges
Modellen – werden Entscheidungen auf unte-
Planungs-, Informations- und Kontrollsystem
re Ebenen übertragen, jedoch hängt ihr Spiel- haben und da sowohl unsere Vorgesetzten über
raum von der Definition der Ausnahmefälle Delegationsbereitschaft verfügen, als auch unsere
ab. Mitarbeiter zum größten Teil delegationsfähig
MbC beruht auf der Idee, in dezentralen Füh- sind, dürfte die Einführung des Führungssystems
keine großen Schwierigkeiten bereiten. Sie werden
rungssystemen auftretende Konflikte positiv
im Laufe der Zeit feststellen, dass durch eigene
als Indiz für sich entwickelnde oder bereits Verantwortung, die Sie tragen, und durch Ent-
vorhandene Koordinationsmängel aufzufassen scheidungsfreiheit, die Sie besitzen, das Führungs-
und sie für das Unternehmen nutzbar zu ma- system den Menschen mehr denn je berücksichtigt,
chen. also humaner ist, ohne in ein System abzugleiten,
MbR ist die Bezeichnung für eine ergebnis- in dem bald ein Chaos herrschen wird, weil jeder
jedes tun kann und will. Dennoch, auch dieses
orientierte Methode der Unternehmens- füh-
Führungssystem kommt nicht ohne von der Lei-
rung. Ähnlich dem MbO werden alle Abtei- tung vorgegebene Ziele aus, überlässt es aber den
lungen angehalten, auf Grund sorgfältiger Arbeitsgruppen, die organisatorisch zusammenge-
Ergebnisanalysen die Ziele für die nächste hören, Unterziele aus der betrieblichen Zielsetzung
Periode zu bestimmen. herauszubrechen, sie zu formulieren und entspre-
Alle hier genannten Führungsmodelle schlie- chende Maßnahmen einzuleiten. Ziel – Ergebnis-
analysen werden so zu einem Kernpunkt des Sys-
ßen sich nicht gegenseitig aus, stellen keine tems, weil sie neue Teilziele formulieren und in die
Alternativen dar, sondern können zueinander Tat umsetzen lassen.
different beziehungsweise voneinander unab-
hängig sein.
Hausmitteilung – Der Vorstand
die Damen und Herren des dezentralisierten Ein-
kaufs Frau Speh, Frau Godmann, Herr Günther,
Herr Peters, Herr Wolfram, Herr Fink.

Wir bitten Sie zu einem Gespräch


am 15. März um 09:00 Uhr in das Hauptgebäude,
Zusammenfassung Raum 602,
Die Gesamtheit der Reaktionsweisen der um Ansätze für die Kostensenkung im Bereich des
Führung auf Situationen, Einflüsse und Materialverbrauchs zu erarbeiten und zur Umset-
Anstöße nennt man Führungsverhalten. zung ein entsprechendes Projekt aufzusetzen.
Führungsstile sind Teil des Führungsver- Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Sitzung.
haltens. Der kooperative Führungsstil of- Mit freundlichen Grüßen
fenbart sich in verschiedenen Führungs- gez. Hero Brahme
modellen, u.a. im MbO. Es ist modern, Constantin von Flohr
fördert die Eigeninitiative und erhöht die Abb. 93: Originalhausmitteilung der
Wirtschaftlichkeit. DMW AG
4. Die Geschäftsführung 87

4.7 Neue Führungsaufgaben Zusätzliche Informationen zum Bench-


marking
4.7.1 Aufgabenfelder Benchmarking wird von der Idee getragen,
die den Wandel als Teil der Unternehmens-
Angesichts der veränderten Wirtschafts- und kultur begreift. Damit wird Benchmarking
Betriebswelt haben sich neue sachrationale zum dynamischen Part der Unternehmensstra-
Aufgabenfelder ergeben, die in den Begriffen tegie.
Benchmarking, Re-engineering, Lean Mana- Benchmarking stellt keine Abteilung dar. Zu
gement, Target-Costing, Total Quality, Um- seinem Zweck wird ein Team gebildet, das
weltmanagement zum Ausdruck kommen. aus leitenden Kräften und aus Mitarbeitern
Einige von ihnen sind in manchen Abschnit- des Unternehmens besteht. Es dringt in der
ten dieses Kapitels berührt worden, andere Regel nicht in das gesamte Rechnungswesen
werden in den betreffenden Kapiteln (z.B. zur Ermittlung von Struktur- und Prozess-
Total Quality im Rahmen der Produktion) kennzahlen (Schwachstellenanalyse) ein und
behandelt. Hier nur ein paar Aussagen zu macht dies auch nicht zur ständigen Aufgabe,
ausgewählten Themen. sondern wird vielleicht zweimal im Jahr ak-
tiv, recherchiert über zwei bis drei Monate,
4.7.2 Benchmarking zielt zum Beispiel auf ein Produkt, auf die
Benchmarking ist „die Methode zur Be- Forschung und Entwicklung, auf den Ferti-
stimmung der/des eigenen Lücke/Vorsprungs gungsprozess.Benchmarking ist auch kein
im Vergleich zum Klassenbesten sowie zur Controlling, das als Stabsstelle der Unter-
Schließung der/des Lücke/ Ausbaus der Stär- nehmensleitung fungiert. Benchmarking soll
ke durch die Umsetzung neuer industrieller die Nutzungspotenziale des Unternehmens
Praktiken und Handlungsweisen“ (Burck- erkennen und ausnutzen. Im Team muss die
hardt). Befähigung vorherrschen, Neues hervorzu-
bringen. Meist ist das Neue ein neues Pro-
Hinter Benchmarking verbirgt sich das deut- dukt, ein anderes Produkt oder nur dasselbe
sche Wort Messlatte. Gemeint sind in der mit verändertem Aussehen. So ist Benchmar-
Betriebswirtschaftslehre Daten und Kennzah- king eine Art Unternehmensführung vom
len des besten Konkurrenten, die als Maßstab Markt her. Es wirft alte Regeln über Bord und
für das eigene Unternehmen gesetzt werden. viel Hergebrachtes. Daher stellt es auch zuerst
Dabei ist die Sichtweise die des Kunden, kundenorientierte Fragen.
insbesondere desjenigen,
• der sich für das Konkurrenzprodukt ent-
schieden hat Aufgabe
• und das möglicherweise wegen der 51. a) Sie werden in der Presse zurzeit
Technik, des Preises und der Qualität o- ständig lesen, dass viele Unterneh-
der aber men ihren Betrieb „ummodeln“. Be-
gründen Sie diese Entwicklung!
• wegen der Dienstleistungen des Konkur-
renten nach der Kaufentscheidung (Nach- b) Warum reicht dieser Schritt oft nicht
sorge, Instandhaltung, Reparaturdienste). aus, die Betriebe hier zu belassen?
88 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Ziel

Abb. 94: Was zum Benchmarking gehört

Benchmarking beginnt mit einer Schwachstel- Aufgabe


lenanalyse des eigenen Unternehmens, dabei
52. Interpretieren Sie das obige Schaubild.
können ebenso Teilbereiche wie der gesamte
Überlegen Sie, was unter Istkennzahlen
Betrieb unter die Lupe genommen werden.
aus dem Wertefeld und dem Geschehen
Anlass hierzu geben meist Umsatzeinbrüche,
zu verstehen ist!
Finanzierungslücken, Organisationsmissstän-
de, Kostenentwicklungen u.v.m.

4.7.3 Re-engineering
Re-engineering ist das „fundamentale Über-
denken und radikale Umformen von geschäft-
lichen Prozessen mit dem Ziel, Leistungsda-
ten wie Kosten, Qualität, Service und Ge-
schwindigkeit dramatisch zu verbessern“.
Re-engineering wird durch fünf Forderungen
begleitet, die mit der Umwandlung einherge-
hen. Sie sind zum Teil zugleich auch Voraus-
setzungen für den Erfolg:
• Ziel ist der höhere Kundennutzen, d.h. es
rückt den Abnehmer in den Vordergrund Abb. 95: Inhalt des Re-engineering in
(und seine Zufriedenheit). Anlehnung an Gemini-
Consulting
4. Die Geschäftsführung 89

• Und da sich Wirtschaft (z.B. der Markt), Beispiel:


Gesellschaft (z.B. Auffassungen über Wie es Rolls-Royce erging: RR warf alle
Umwelt) und Betriebe (Technik) ändern, Traditionen über Bord und verordnete eine
bedarf es eines ständigen Einsatzes der drastische Business Transformation (siehe
Menschen, diese Entwicklung mitzutra- Abb. 96 und 97). Damals wurde RR nur noch
gen. 1 768 Wagen los. Anzeichen für eine rasche
• Hierzu muss das Re-engineering-Konzept Erholung des von einer tiefen Rezession ge-
von Führung und Mitarbeitern akzeptiert plagten Unternehmens konnte niemand aus-
werden. machen. Re-engineering musste her. Bei RR
ist die Operation gelungen. 40 Mio. Pfund
• Ein Konzept kann nur anerkannt werden,
Fixkosten wurden gekappt. Wörtlich heißt es
wenn man dieses versteht. Daher müssen
weiter: „Konsequente Greenfield-Analysen
genügend Kenntnisse und Erfahrungen
führten RR zu den unverhältnismäßig teuren
über ein Unternehmen und über dessen
Betriebsfunktionen, die sich per Outsourcing
Einbindung in ein ganzes System bei
preisgünstiger erfüllen ließen.“ Inzwischen
Führung und Belegschaft vorliegen. Die
arbeitet RR schneller, flexibler und besser.
Sichtweise muss holistisch sein.
Quelle: manager magazin
• Die Akzeptanz erleichtert die Kommuni-
kation zwischen Führung und Beleg-
schaft.
Das hat zur Folge, dass mit der Einführung
des Re-engineering (Abb. 95) meist vier
Schritte parallel gefahren werden:
• Einstellungsänderung (Reframing)
• Erneuerung (Renewing)
• Revitalisierung (Revitalizing)
• Restrukturierung (Restruction).

4.7.4 Target-Costing
Target-Costing ist ein kundenorientiertes
Konzept der Kostenplanung, -steuerung und -
kontrolle. Man nennt dieses Vorhaben auch
Zielkostenmanagement (target, engl. = Ziel).
Target-Costing geht weit über seinen Kosten-
charakter hinaus, weil es
• das Rechnungswesen zum strategischen Abb. 96: Re-engineering bei Rolls-Royce
Instrument eines Unternehmens treibt
• den besten Konkurrenten und dessen
Kosten (vom Markt erlaubte Kosten) zur
Richtschnur der eigenen Kosten macht
(Soll), die nicht höher als die Zielkosten
sein dürfen
90 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

• zu einem veränderten Ansatz der Preispo- %


litik führt, in der eine Deckung der Voll- 30
30
kosten verlangt und das Erzielen eines 24
Gewinns vorausgesetzt werden. 20 17 18
Da Target-Costing ebenso wie das Bench- 11
9
marking und das Re-engineering vom Markt 10 7
ausgeht, haben alle diese Denkweisen (und
danach ausgerichtete Maßnahmen) etwas 0
gemeinsam: Die Kundenorientierung wird 1 2 3 4 5 6 7
zum Impulsgeber der Veränderungen. 1. Kostenreduzierung 5. Produktivitätssteigerung
2. Durchlaufzeit 6. Qualitätsverbesserung
Die Kunst des Target-Costing besteht darin, 3. Umsatzsteigerung 7. Kundenzufriedenheit
die aus dem Markt abgeleiteten Zielkosten 4. Marktanteilauswertung
(erlaubte Kosten) nicht nur zu planen, son- Abb. 97: Durchschnittliche Erfolgsquote
dern zu erreichen. Damit tritt die Frage, was nach Re-engineering-Maßnahmen
ein Produkt kosten wird, in den Hintergrund.
An ihre Stelle tritt die Frage: Was darf unser
Produkt kosten? Zielkosten werden auch als
vom besten Konkurrenten zugelassene Kosten
genannt. Bericht aus der Presse
Re-engineering ist ein holistisches Prinzip. Es krempelt
Hat man diese ermittelt, dann werden sie auf das Unternehmen völlig um. Und das dauert längere Zeit.
Produkteigenschaften (-funktionen) herunter- Re-engineering umfasst alle nur möglichen Maßnahmen,
gerechnet, auf Produktteile und Produktkom- die die Transformation einleiten und durchsetzen. Ein-
ponenten. Warum? Ist die Höhe für eine be- zelmaßnahmen sind verfehlt. Diese stopfen hier Löcher
und reißen dort welche auf. Alle Maßnahmen werden so
stimmte Eigenschaft ermittelt, dann kann getroffen, als würde das Unternehmen neu gegründet.
davon ausgegangen werden, dass Kunden Dass das bei laufender Produktion nicht realisierbar ist,
eine ähnliche Eigenschaft an einem anderen versteht sich von selbst. Dennoch gibt es gleichzeitig
Produkt in gleicher Weise honorieren. Auf genügend Ansätze. Re-engineering ist kein Konzept für
die Leitungsebene allein, aber auch keins ohne sie. Mit
diese Weise kommt auch eine gewisse Markt- seiner Installation sind folgende Maßnahmen verbunden:
ausrichtung (Kundenorientierung) in die Be- • Einrichtung innerbetrieblicher Computersysteme
trachtungsweise. • Umsetzung von job enrichment, job enlargement und
Ein Vergleich der Zielkosten mit den eigenen job rotation
Kosten (meist handelt es sich um Standard- • Aufbau von Qualitätszirkeln (Total Quality Manage-
ment)
kosten) zwingt beim Auseinanderklaffen zur
Analyse. Sind die Gründe aufgedeckt, die die • Aufbau eines Zeitmanagements (Time Based Mana-
gement)
hohen Kosten verursachen, und sind diese
• Paradigmenanalyse und Schulung zu kundenorientier-
beeinflussbar, dann können Maßnahmen zur tem Verhalten aller Mitarbeiter (Client Quality Mana-
Veränderung eingeleitet werden. Praktiker gement)
berichten heute schon davon, dass dieses neue • Ablösung der alten Hierarchien (Lean Management)
Kostendenken zukunftssicherer, effektiver • Auflösung der produktionsgebundenen Abläufe (Lean
und zielgerichteter ist. Production)
• Benchmarking
Die Ermittlung der aus dem Markt abgeleite-
• Target-Costing
ten Zielkosten ist äußerst schwierig. Besser
wäre es, käme man an die tatsächlichen Kos- • Just- in-time-Belieferung
ten des besseren Konkurrenten heran. Meist • Kanban.
nur ein frommer Wunsch. Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
4. Die Geschäftsführung 91

Total Quality
Management

Target-Costing Time Based


Management Management

Abb. 98: Elemente für Wettbewerbsvorteile

Zusammenfassung
Wesentliche politische und soziale Veränderungen im Inland und in Europa, in den Ent-
wicklungs- und Schwellenländern sowie in den übrigen Industrienationen haben den Kon-
kurrenzkampf verstärkt. Um in der Zukunft überleben zu können, müssen Strategien ent-
wickelt werden, die sich von den früheren unterscheiden. So haben sich in den letzten Jah-
ren Führungsansätze gebildet, die auf eine neue Sichtweise betrieblicher und wirtschaftli-
cher Vorgänge basieren. Sie ist holistisch, d.h. ganzheitlich, und fordert vernetztes Denken
heraus. Das TQM war wohl der Wegweiser für den Umwälzungsprozess, der später seinen
Ausdruck in der schlanken Produktion und dem schlanken Management (Lean Produc-
tion, Lean Management) fand. Parallel dazu wurde schon das Just-in-time-Management
praktiziert, oder es wurden Führungstechniken wie MbO, MbE, MbD eingeführt. Heute
stehen Re-engineering, Benchmarking und Target-Costing im Vordergrund. Sie alle ma-
chen die Kundenorientierung zum Mittelpunkt.

Hier wurden erfolgreiche Unternehmen nach


4.8 Unternehmenskultur ihren wichtigsten Erfolgsfaktoren gefragt.
Ergebnis: An der Spitze landen gute Produkte
vor qualifizierten Mitarbeitern und zufriedenen
Unternehmenskultur wird definiert als ein Kunden. Die viel zitierten Innovationen werden
Gefüge von Normen, Werten, Verhaltens- offenbar als weniger wichtig empfunden.

und Arbeitsweisen, das die betriebsinternen Ist für den Erfolg wichtig
Strukturen, Abläufe und Entscheidungen auf
der Ebene der zwischenmenschlichen Bezie- Produktqualität 33 %

hungen, der Technik und des Produkts be- Mitarbeiterqualität 22 %


stimmt. Die Definition ist so komplex, dass es Kundenorientierung 20 %
Schwierigkeiten bereitet, sie nachzuvollzie- Wirtschafts-/Marktlage 20 %
hen. Das liegt am Begriff „Kultur“. Strategie/Führung 14 %
Unternehmenskultur hat viele Facetten. Sie Innovationen 12 %
kommt durch die Beziehungen der Führung Abb. 99: Erfolgsfaktoren für Unternehmen
und Belegschaft untereinander und zur Au-
ßenwelt ebenso zum Ausdruck wie durch Ergänzungen zur Unternehmenskultur
Gestaltung der Organisation, ihrer Regeln,
Abteilungen und Abläufe. Die Unternehmenskultur kommt auch zum
Teil durch das Erscheinungsbild eines Unter-
Anhand der folgenden Fragen (Auswahl) nehmens (Corporate Identity – kurz CI ge-
sollen die in Frage kommenden Einzelaspekte nannt) zum Ausdruck. Gemeint ist das Bild,
einer Unternehmenskultur herausgestellt mit dem sich ein Unternehmen darstellt, und
werden. wie es von der Öffentlichkeit wahrgenommen
wird.
92 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

• Welche Ziele verfolgt ein Unternehmen? Was wird hierzu gezählt?


• Wie viele Personen führen ein Unter- Ein Unternehmen wird meist danach beurteilt,
nehmen?
• welche Produkte es anbietet
• Wie geht die Führung bei Entscheidungs-
• welche Qualität diese haben
findung miteinander um?
• Welche Stellung wird der Belegschaft • wie zuverlässig es ist
beigemessen? • wie die Kunden behandelt werden (Kun-
• Welcher Führungsstil wird praktiziert? denorientierung)
• Welches Führungskonzept findet beson- • mit welchen Serviceleistungen es aufwartet.
dere Anwendung? Die Gesamtheit aller Faktoren der hier oben
• Wie arbeiten die Mitarbeiter untereinan- genannten, aber auch Teile des inneren Gefü-
der zusammen? ges (durch nebenstehende Fragen zum Aus-
druck kommend) mit seinen Beziehungen und
• Wie ist die Mitbestimmung in den Unter-
Strukturen prägen sein Erscheinungsbild.
nehmensprozess integriert?
Um dieses in der Öffentlichkeit abzugeben
• Wie werden zwischenmenschliche Kon-
und nachhaltig zu erhalten (CI-Strategie),
flikte gelöst?
haben Unternehmen eine gezielte Öffentlich-
• Wie ernst wird der Unfallschutz genom- keitsarbeit entwickelt (siehe Abb. 100).
men?
Sie wird insgesamt mit Corporate Communi-
• Wie ist er eingerichtet? cations bezeichnet. Unter diesem Begriff
• Wie werden Arbeitszeiten, Urlaubszeiten, werden auf operationaler Ebene u.a. unter-
Überstunden geregelt? schieden:
• Welche Löhne werden gezahlt? • Corporate Behavior (CB)
• Welche Sondervergünstigungen sind • Corporate Design (CD)
festgelegt?
• Corporate Advertising (CA)
• Welche Stellung beziehen Frauen im
Unternehmen? • Corporate Sales Promotion (CSP).

• Gibt es leitende Frauen?


• Welchen Stellenwert genießt die Ausbil-
dung von jungen Menschen?
• Wie wird sie gehandhabt?
Aufgabe
• Wie ist die Gesamtstruktur des Unter-
53. Klären Sie die oben genannten Begriffe
nehmens angelegt?
sowie die in Abb. 100 erwähnten! Hilf-
• Wie sind die Abläufe organisiert? reich hierfür sind deutsch-englische Wör-
• Welche Fertigungsverfahren sind instal- terbücher. Außerdem verfolgen Sie bitte
liert? in Zeitschriften und Magazinen, welche
Unternehmen ständig Anzeigen veröf-
• Wo werden Gruppenarbeiten ausgeführt?
fentlichen und welche Inhalte diese ha-
(Teamwork)
ben. Vielleicht stoßen Sie auf solche, die
• Wie sind die Werkstätten, Abteilungen, dem Erscheinungsbild eines Unterneh-
Arbeitsplätze ausgestattet? mens dienen sollen. Wenn Sie zwei An-
• Welche Bedeutung haben Umweltfragen zeigen dieser Art gefunden haben, stellen
und Umweltschutz? Sie die Erscheinungsbilder gegenüber!
4. Die Geschäftsführung 93

• Welche Modernität besitzen Gebäude, Strategische Ebene

Läger, maschinelle Anlagen?


Corporate Identity
• Welche Geschäftsverbindungen sind
vorhanden? Taktische Ebene
• Welche Kooperationsformen in der Be-
schaffung gibt es? Corporate Communications

• Wie werden Kunden behandelt?


Operationale Ebene
• Wo und wie werden Mittel zur Finanzie- Adver-
rung beschafft? PR Design VKF
tising
• Welche Produkte werden produziert?
• Welches Markenzeichen wohnt ihnen
inne?
• Wie ist die Qualität der Produkte etc.?
• Welches Erscheinungsbild bietet das Abb. 100: Teilinstrumente der CI
Unternehmen nach außen?
Die Vielzahl der Fragen lässt eine einheitliche
Begriffsbestimmung kaum zu, und die hier Leitbild der DMW – Aussagen zu den
angebotene Begriffsdefinition zu Anfang des Mitarbeitern
Abschnittes erscheint abstrakt und schwer Worauf wir uns verlassen können
verständlich. Daher ist es sinnvoller, die Un- Erfolg und Anerkennung unseres Unternehmens beruhen
ternehmenskultur durch Fragen zu erforschen, wesentlich auf Kompetenz und Engagement aller Mitar-
wie das hier geschehen ist. beiterinnen und Mitarbeiter. Kooperativer Führungsstil
und systematische Ausbildungs- und Fördermaßnahmen
Die Unternehmenskultur wird sowohl von der in einem an der Leistung des Einzelnen orientierten
Führung als auch von den Mitarbeitern getra- Umfeld sowie eine flexible Organisation schaffen hierfür
gen. Sie ist nicht allein Sache der Leitung, bestmögliche Voraussetzungen.
Die Zusammenarbeit im Unternehmen wird durch Team-
wenn diese das Unternehmen auch nach au-
geist geprägt. Dazu gehören offener Informations- und
ßen verkörpert. Auch die Führungskultur, Meinungsaustausch, die Beteiligung an Entscheidungen,
worunter das Führungshandeln im Besonde- die Gewährung von Freiräumen, die Förderung individu-
ren zu verstehen ist (das durch die Art der eller Verantwortungsbereitschaft und der konstruktive
Umgang mit Fehlern. Information und Kommunikation
Entscheidungsfindung und durch den Füh-
verstärken die Identifikation aller Mitarbeiter mit dem
rungsstil zum Ausdruck kommt), ist Teil der Unternehmen.
Unternehmenskultur. Eingeleitet allerdings Gemeinsam mit der Belegschaftsvertretung schaffen wir
wird sie durch Unternehmensgründer. Besteht die Voraussetzungen für eine gute und vertrauensvolle
ein Unternehmen bereits, dann wird die Füh- Zusammenarbeit, in der Leistung anerkannt und Rechte
geachtet werden. Jeder soll nach seinen individuellen
rung durch ihr Verhalten (Führungsgrundsät- Eignungen und Fähigkeiten eingesetzt und gefördert
ze, Führungsstil und Führungskonzepte) und werden.
durch ihr Konzept die Grundlage für das Wir verwirklichen die Grundsätze der Chancengleichheit
Miteinander bestimmt haben. Insofern ist sie und der Fairness. Leistungsgerechte Bezahlung sowie
auch zum großen Teil verantwortlich hierfür. soziale Absicherung und Fürsorge für unsere Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter haben bei uns Tradition.
Ebenso trägt auch die Belegschaft durch ihren
Wir fordern und fördern Eigeninitiative, konstruktive
Umgang mit der Führung und mit sich selbst, Beiträge zur Weiterentwicklung des Unternehmens und
aber auch mit den Kunden und Lieferanten zu die Bereitschaft, auf allen Ebenen unternehmerisch
der Gestaltung der Unternehmenskultur bei. (verantwortlich) zu denken und zu handeln.
94 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Zusammenfassung
Die Unternehmenskultur ist ein schwierig zu definierender Begriff. Hinter ihr verbirgt
sich das äußere und innere Erscheinungsbild eines Betriebes. Herausragend sind die Bezie-
hungen von Führung zu Mitarbeitern und umgekehrt sowie der Umgang der Betriebsange-
hörigen untereinander.

5. Kurzer Abriss der Organisation

5.1 Organisationsbegriff

Die Organisation eines Unternehmens


kommt durch seinen Aufbau (Struktur) und
durch seinen Ablauf zum Ausdruck. Beide
zusammen bilden eine Einheit. Und beide
sind voneinander abhängig, beeinflussen sich
gegenseitig und nachhaltig.
Der Aufbau macht das äußere Erscheinungs-
bild des Unternehmens aus. Es sind die Füh-
rung, in Aktiengesellschaften die Vorstände
und ihre Aufsichtsräte, und es sind die Instan-
zen, Abteilungen und Stellen.
In jedem Herstellungsunternehmen sind Men-
schen, Werkstoffe und Betriebsmittel sowie
Informationen zu einem einheitlichen Ganzen
zusammenzuführen. Das kann nicht ohne
Vorgaben, Regeln und Anweisungen, nicht Abb. 101: Der Organisationswürfel
ohne vorgezeichnete Abläufe und schon gar
nicht ohne Aufgabenverteilungen und Kom-
petenzen gehen. All das und mehr noch wird
Ablauforganisation genannt, in der sich die
Organisation im Regelkreislauf des Füh-
Beziehungen der Belegschaft offenbaren.
rungssystems
Wer sorgt für die Prozesskette, für die Abfol-
Organisation hat für die Umsetzung der be-
ge der Verwaltungstätigkeiten und für die
trieblichen Zielvorgaben (Willensbildung) zu
Geschlossenheit der Herstellung, für den
sorgen (siehe Kapitel Führung). Sie dient
Informationsfluss, die Aufgabengliederungen
daher der Willensdurchsetzung, der die Kon-
etc.? Das ist Aufgabe der Organisationsabtei-
trolle (Controlling) folgt (siehe 5.3). Die
lung. Sie ist sowohl für den Aufbau als auch
Organisationsabteilung wird damit Teil des
für den Ablauf zuständig. Sie verfügt über die
Regelkreislaufs im Führungssystem, organisa-
Fähigkeit, organisieren zu können.
torisch ist sie meist als Stabsstelle der Füh-
In der Regel ist sie eine Stabsabteilung, vgl. rung angesiedelt.
5.3 Seite 101.
5. Kurzer Abriss der Organisation 95

Organisation ist ein lebendiges Gewebe, das Problemerkenntnis Rückkopplung


sich wie ein Netz über das gesamte Unter-

Leitungsebene
Problemanalyse (Feedback) Infor-
nehmen spannt. Sie ordnet es, verknüpft mation
Planung
Haupt- und Nebenstellen, schafft Schnitt-, (Willensbildung)
Durchgangs- und Endstellen. Mit ihr wird die
Arbeit im Betrieb geregelt. Organisation ist Zielformulierung
Kontrolle
überall. Sie vollzieht sich in Raum und Zeit,

Revisionsebene
(Willenssicherung)
ihre Regelungen können einmalig und dau-
ernd sein, sodass ihre Anzahl (Menge) die Ziel- Maß- Ergebniskontrollen
vorgabe nahmen
dritte Dimension hierin ist. Wer Organisation Verfahrenskontrollen
Verhaltenskontrollen
beschreiben will, kann sich des Organisati- Ist-Sollvergleich
onswürfels bedienen.

Organisation
5.2 Die Aufbauorganisation

Mitarbeiterebene
(Willensdurchsetzung)

Zeitablauf
Beschaffung
5.2.1 Herkömmliche Produktion
Absatz
Betriebsstruktur
Umsetzung der Ziele
Unternehmen werden theoretisch in zwei
Sektoren gegliedert, in die Verwaltung und Abb. 102: Der Regelkreislauf im Füh-
die Herstellung. Das ist ihr äußerst grob rungssystem
strukturierter Aufbau.
Die beiden Begriffe sind nicht mit dem Beg- Aufgabe
riff „Abteilung“ gleichzusetzen. Die Herstel- 54. Interpretieren Sie Abbildung 102!
lung ist meistens räumlich von der Verwal-
tung getrennt. Sie findet in Fabriken statt.
Zum Begriff „Verwaltung“
Eine weitere Differenzierung hängt von der
Branche, von der Größe des Betriebes, von Der Verwaltungsbegriff wird unterschiedlich
den Produkten, von der Zugehörigkeit zu ausgelegt. Spricht man im Volksmund von
anderen Unternehmenseinheiten, vom Alter ihm, dann meint man behördliche Tätigkeiten,
des Betriebes, von seinen Herstellungsverfah- die mit der Erfassung von Daten (z.B. Eintra-
ren, von der Art der Führung u.a. ab. gung von Geburten, Eheschließungen, Sterbe-
fällen, Ausstellen von Ausweisen, Führer-
Zur Verwaltung zählen alle Abteilungen, die scheinen und Zeugnissen) und mit deren
nicht der Produktion zugeordnet werden kön- Überwachung zu tun haben. Man könnte dies
nen. Das sind der Einkauf (siehe auch Abb. alles als Verwaltung im engeren Sinne be-
105), der Verkauf, die Buchhaltung, die Per- zeichnen. Verwaltung ist aber mehr. Sie um-
sonalabteilung (siehe Abb. 104). fasst neben der Durchführung und Überwa-
chung auch die Planung und Organisation. Im
eigentlichen Sinne lässt sie sich wie folgt
ordnen: Planung – Organisation – Durchfüh-
rung – Überwachung.
96 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Der Herstellung gehören u.a. Werkstätten, Ausgewählte Ziele der Verwaltung


Fabrikhallen, Produktions- und Zwischenlä-
• Gewährleistung eines reibungslosen
ger an, aber auch alle Abteilungen, die der
Ablaufs
Herstellungsplanung und -steuerung dienen.
Auch hier seien ein paar genannt: Arbeitsvor- • Speicherung von Informationen
bereitung, Konstruktion, Entwicklung, Ferti- • Sicherung des Betriebsprozesses
gungssteuerung und -kontrolle. Viele von
ihnen werden in den weiteren Ausführungen • Schaffen günstiger Voraussetzungen für
berührt und in vielen Abschnitten in ihrer niedrige Kosten
Arbeit verfolgt. • Vereinfachung von Arbeiten
Zum Aufbau wird auch die Leitung gerechnet • Suchen nach besseren Methoden
und die sich aus dem Weisungssystem
ergebenden Instanzen, Abteilungen und
Stellen (siehe auch Abb. 103).
Wonach richtet sich die Einrichtung von Ab- Klein- Mittel- Groß-
betrieb betrieb betrieb
teilungen? Sind es nur die Funktionen, die die
Abteilungsgliederung bestimmen? Gibt es
andere Merkmale, die für die Abteilungsbil-
Chef, manchmal Hauptabteilungsleiter
dung verantwortlich sind? Ist es die Größe Abteilungsleiter Absatz
eines Betriebes, abhängig von der Beleg-
schaft, oder geht man mehr von den Umsät-
Verkauf Inland Abteilungsleiter Abteilungsleiter
zen aus? Verkauf Ausland Verkauf Inland Verkauf Inland
Versand Verkauf Ausland
Alle diese Elemente tragen dazu bei, dass sich Rechnungslegung Versand Abteilungsleiter
Reklamation Rechnungslegung Verkauf Ausland
ein Unternehmen eine strukturelle Ordnung Werbung Reklamation
gibt, in der Schwerpunkte mal hier, mal dort Marktforschung Abteilungsleiter
Public Relations Abteilungsleiter
zu setzen sind. Werbung
Versand

Marktforschung Abteilungsleiter
Eine automatisierte Fertigung z.B. mit dem Public Relations Werbung
eingeführten CIM wird weniger Abteilungen
haben als ein Unternehmen, das herkömmlich Abb. 103: Mögliche Abteilungsorganisation
produziert. Lagergröße und -ablauf sowie
Lagerhaltung werden bei produktionssyn-
chroner Beschaffung anders als bei üblicher
Belieferung aussehen. Heute geht die Koope-
ration mit Lieferanten bereits so weit, dass
Komponentenanbieter ihre Produkte nicht nur
herstellen und liefern, sondern diese beim Beispiel DMW AG:
Besteller einbauen, sodass die eigene Produk- In den DMW in Hannover gibt es eine Abtei-
tion „schlanker“ wird. lung, die „Allgemeine Verwaltung“ heißt.
Sieht man sich die Ziele der Verwaltung an, Hinter ihr verbergen sich die Registratur und
kann man bei der Herstellung ergänzen, dass Datenverwaltung, Hausmeister und Gebäude-
in fast allen ihren Abteilungen gleichzeitig versorgung, Telefonzentrale und Betriebsarzt
auch verwaltet wird. mit Krankenzimmer.
5. Kurzer Abriss der Organisation 97

Abb. 104: Aufbauorganisation einer Industrieunternehmung

Abb. 105: Der Einkauf der „jungen“ Abb. 106: Neubestimmung der Arbeitsfel-
DMW AG in Halle, heute durch der eines Unternehmens
Logistik völlig geändert
98 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Begriffe in Kurzform Aufgabe


Treasuring 55. Versuchen Sie bitte, die Merkmale einer
Es übernimmt Aufgaben im Zusammenhang Abteilung herauszustellen und sie danach
mit der Finanzdisposition (Cash Manage- zu definieren! Prüfen Sie bitte außerdem,
ment) zum Zweck der Liquiditätssicherung, welche Abteilungen sich in Ihrer Unter-
der Finanzsicherung (und damit der externen nehmung „Verwaltungsabteilungen“
Rechnungslegung) sowie der allgemeinen (Allgemeine Verwaltung) nennen!
Verwaltung (Liegenschaften, Mahn-, Steuer-,
Versicherungs- und Rechtswesen).
Marketing
Ergänzungen zum Aufbau
Planung, Koordination und Kontrolle aller auf
die aktuellen und potenziellen Märkte ausge- Die Führungsebene und die damit verbunde-
richteten Unternehmensaktivitäten mit dem nen Weisungswege haben bereits aufgezeigt,
Zweck einer dauerhaften Befriedigung der dass es mehrere Führungsebenen gibt, die mit
Kundenbedürfnisse einerseits und der Erfül- Sektoren- und Abteilungsgliederungen ein-
lung der Unternehmensziele andererseits. hergehen (Sektoren z.B. für den Bereich der
Beschaffung und des Absatzes; Abteilungen
Logistik
z.B. für den Verkauf Inland und Verkauf
Beschreibung, Erklärung und Gestaltung aller Ausland, siehe Abb. 103).
mit dem Material-, Energie- und Produktfluss
Während früher die Abteilungen durch die
(Durchlauf und Umlauf) zusammenhängen-
klassischen Funktionen Einkauf, Verkauf,
den Prozesse innerhalb des Unternehmens
Produktion, Personal bestimmt waren, wird
und zwischen den Unternehmen und der
heute vielfach die Prozesskette mit überlap-
Umwelt.
penden Aufgaben (Einkauf und Produktions-
Innovation planung z.B.) zum Vorbild für Abteilungs-
Die Verwirklichung neuer wirtschaftlicher gliederungen gewählt, sodass die Aufgaben in
Konzepte – speziell neuer Produkte und den Abteilungen neu verteilt werden mussten
Dienstleistungen –, aber auch neuer Verfah- (siehe Abb. 106). Typisch hierfür ist auch in
ren in Produktion, Management und Organi- der Produktion, wenn mehrere Arbeitsgrup-
sation. pen jeweils ein Kraftfahrzeug zusammenbau-
en. Nicht mehr die Arbeiten am Fließband
Developing
(als Abteilung „Zusammenbau“ ausgewie-
Pflege und Entwicklung des Personals, der sen), sondern die Einzelteams bilden das
Organisation und der betriebswirtschaftlichen äußere Bild der Fabrikationshalle (als Unter-
Systeme. abteilungen der Produktion).

Zusammenfassung
Die Aufbauorganisation beschäftigt sich mit den einzelnen Unternehmensbereichen, Ab-
teilungen und Stellen. Eingeschlossen ist die oberste Führungsetage eines Betriebes. Ihre
Untergliederung richtet sich bei herkömmlichen nach den bekannten Funktionen Beschaf-
fung, Produktion, Absatz etc. Diese Organisationsstruktur ist zum Teil durch überlappende
Sektoren abgelöst worden (siehe auch Projekt O.).
5. Kurzer Abriss der Organisation 99

5.2.2 Aufgabengliederungspläne Aufgabe


Die Organisation sorgt für die Ordnung im 56. Die DMW AG hatte die Abteilungsleitung
Betrieb. Sie ist aus zwei Blickwinkeln zu für das Zentralsekretariat ausgeschrieben.
beleuchten: Als Ziel war angegeben: Mit vorhandenen
Arbeitskräften (2 Schreibkräfte, 2 Sekretä-
• aus der disziplinarischen und rinnen) täglich anfallende Sekretariatsar-
• der sachlich-funktionalen beiten jeweils zum gleichen Abend zu er-
Sicht. ledigen. Höchste Wirtschaftlichkeit ist an-
zustreben. Im Text hieß es über Tätigkei-
Zur ersten zählt das Befehls- und Weisungs- ten u.a.: 1. Von der Poststelle vorsortierte
system. Zur zweiten wird die Aufgabenglie- Post für Abteilungsleiter öffnen und sortie-
derung und -verteilung gezählt. ren lassen. 2. Von der Poststelle vorsortier-
Aufgaben können nach Tätigkeiten gegliedert te Post für Hauptabteilungsleiter weiter-
werden, dann heißen sie eindimensionale, reichen. 3. Eingehende Arbeiten (Briefe,
oder nach Befugnissen, und dann spricht man Terminabsprachen, Belegungen) für Ab-
von mehrdimensionaler Gliederung. teilungsleiter auf Mitarbeiter verteilen und
Befugnisse stellen ausdrücklich zugeteilte nach Fertigstellung prüfen. 4. Bestellung
Rechte dar. Diese lassen sich mit Sachaufga- von Büromaterialien für das Sekretariat
ben kombinieren. Viele Arbeitnehmer erledi- vornehmen. 5. Freistellungsgesuche der
gen so genannte Realisationsaufgaben, ande- Mitarbeiter bearbeiten. 6. Kostenabrech-
re Kontrollaufgaben, und schließlich gibt es nungen für Abteilungsleiter erledigen.
Planungs- und Entscheidungsaufgaben. a) Was für Aufgaben sind zu erledigen?
Arbeitnehmer mit Planungs- und Entschei- b) Welche Befugnisse sind der Leiterin
dungsaufgaben haben hierfür demnach die übertragen?
besondere Befugnis erhalten. Sie zählen zu c) Ist diese Organisation noch zeitge-
den Führungsaufgaben. Auch Arbeitnehmer mäß?
haben gewisse Planungsaufgaben zu erledi-
gen. Sie müssen nämlich planen, wie sie ihre
Arbeit einteilen und den Arbeitsberg abarbei-
ten. Diese Art der Tätigkeiten hat aber nichts
mit Führungsaufgaben zu tun. Sie gehören zu
jedem Arbeitsplatz.
Realisationsaufgaben umfassen solche, die
für die Zielerreichung ausgeführt werden müs-
sen. Wer Konstruktionszeichnungen aufstellt,
wird wissen, wie er das macht.
Kontrollaufgaben schließen eigentlich jeden
Arbeitsprozess ab. Ob hierfür der Vorgesetzte
zuständig ist oder der Arbeitnehmer selbst, ist
für die Einordnung dieser Aufgabenart gleich-
gültig. Die Überwachung eines ganzen Unter-
nehmens überlässt man dem Controlling.

Abb. 107: Funktionsdiagramm als Teil eines


Aufgabengliederungsplanes
100 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Mit dem aufgabenbezogenen Würfel (Abb. Aufgabe


108) lässt sich ein gesamtes Aufgabensystem
57. Versuchen Sie, das Schaubild zu erläu-
darstellen, und es lassen sich Einzelaufgaben
tern! Vielleicht ist es Ihnen sogar mög-
beschreiben.
lich, die genannten Aufgabentypen hinter
den Einzelaufgaben wiederzufinden.
5.2.3 Funktions- und
Objektprinzip
Das Funktions- oder Verrichtungsprinzip
der Organisation stellt Arbeitsreihenfolgen
(kurz Arbeitsfolgen genannt) in den Vorder-
grund der Abteilungs- und Aufgabengliede-
rung.
Der Beschaffung folgt die Produktion, nach
ihr kommt der Absatz. Oder innerhalb der
Beschaffung (Einkauf) schließt die Angebots-
bearbeitung an Marktforschung und Anfrage-
versand an. Einteilung und Gliederung sind
hierbei verrichtungsorientiert. Abb. 108: Der Aufgabenwürfel
Nun lassen sich Abteilungen auch nach einer
anderen Richtschnur einrichten. Aufgabe
Es ist das Objektprinzip, das besagt, dass die 58. Definieren Sie die unterschiedlichen
Objekte (um die es geht – und in der Beschaf- Aufgabentypen! Unterscheiden Sie Auf-
fung sind es z.B. Werkstoffe und Betriebs- gaben von Befugnissen!
stoffe) für die Einrichtung von Abteilungen
ausschlaggebend sind.
Werden diese näher beschrieben, dann sind
die dortigen Tätigkeiten herauszustellen und
in Zusammenhang mit den entsprechenden
Mitarbeitern (Aufgabenträger – siehe Abb.
105) zu kennzeichnen. Sie lassen sich in kon- Beispiel:
zentrierter und dekonzentrierter Form unter- Beschaffung bei der DMW AG
scheiden. Die Beschaffung bildet einen der Hauptberei-
Nun lassen sich zwei weitere Begriffe für die che. Sie war beim jungen Betrieb in den Ein-
Beurteilung von Abteilungen, Stellen und kauf für Autobleche, den für Achsen, für
deren Aufgaben hinzuziehen. Einerseits geht Fenster und Zubehör etc. unterteilt. Hier wird
es um Breitengliederung und andererseits das Prinzip der Breitengliederung deutlich.
um Tiefengliederung. Breitengliederung liegt Hier herrschte das Objektprinzip vor. Die
vor, wenn mehrere Abteilungen oder Arbeiten einzukaufenden Produkte wurden dezentrali-
parallel geordnet sind. Tiefengliederung setzt siert betreut. Die Einkaufsarbeiten lasteten auf
mit den Hierarchiestufen ein und endet mit mehreren Mitarbeitern, wobei sich einige nur
der Reihenfolge mehrerer Aufgaben in einem um wiederkehrende Arbeiten kümmern muss-
begrenzten Aufgabenbereich (Abb.110). ten (Bestellungen). Siehe hierzu Abb. 105.
5. Kurzer Abriss der Organisation 101

5.3 Die Stababteilung Organisationsformen


„Controlling“ Objektprinzip Verrichtungsprinzip

5.3.1 Übersicht
Controlling ist als übergreifende, entschei-
dungsbezogene Informationsbereitstellung mit
Entscheidungsfindungshilfen zu verstehen.
Controlling ist nicht mit Kontrolle gleichzu-
setzen. Sein Rahmen ist sehr viel weiter ge-
steckt, weil es auch den Steuerungsbereich
umfasst. Controlling hat vier Funktionen:
• Planungsfunktion
• Kontrollfunktion
• Informationsfunktion
• Steuerungsfunktion.

Eine Kennzeichnung dieser Aufgaben sollte Abb. 109: Ergänzungen zum Objektprin-
nicht ohne Wissen um die Ansiedlung des zip (am Beispiel Einkauf)
Controlling in der betrieblichen Hierarchie ins
Auge gefasst werden.
Es ist eine Stababteilung der Führung. Sie ist
Zuträger an Informationen. Sie leistet Service-
oder Lotsendienst. Sie hat demnach – wie alle
Stababteilungen – Beratungs-, keine Entschei-
dungsfunktion. Aber sie hat, entgegen den
übrigen Stabsstellen, die i.d.R. nur ein begrenz-
tes Auftragsfeld zu bearbeiten haben, holisti-
schen Charakter. Die ist auch die Begründung
für die Begriffswahl! Hätte man nur „Kontrol-
le“ gesagt, dann wäre der Eindruck vermittelt,
dass es sich um Überwachung handelt.
Das Schaubild auf Seite 102 vermittelt, wie
das Controlling in den gesamten Prozess des
Betriebes greift. Die vielfältigen Beziehungen
sind nur fruchtbar, wenn alle Elemente ge-
willt sind, Informationen weiterzugeben.

Abb. 110: Aufgabengliederung nach


Funktionen unter Berücksichti-
gung von Tiefen- und Breiten-
gliederung.
102 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Unternehmens- Controller
leitung
Informationsverarbeitungsstufen

I II III IV

Leitung Beschaf-
Logistik- Produktions- Absatz-
Rechnungs- fungs-
leitung leitung leitung
wesen leitung

Werks- Werks- Verkaufs- Verkaufs-


leiter leiter leiter leiter

Meister Meister Meister Meister Verkäufer Verkäufer Verkäufer Verkäufer

Abb. 111: Controlling als Stabsstelle der Führung bei zentraler Einbindung nach Reichmann

In ihr ist dem Organisationsprinzip Zentrali- Aufgabe


sation Rechnung getragen. Es greift in alle
59. a) Stellen Sie eine ähnliche Tabelle wie
Betriebssektoren ein, sofern dies geboten
in Abb. 109 für das Verrichtungs-
erscheint und sofern es hierzu die Befugnisse
prinzip auf! Berücksichtigen Sie da-
bekommen hat. In dezentralisierter Form wäre
bei auch – so weit möglich – die
es in mehreren Bereichen, zum Beispiel in der
Begriffe Konzentration und Dekon-
Verwaltung und in der Herstellung, institutio-
zentration sowie Zentralisation und
nalisiert (Dezentralisation).
Dezentralisation!
Controlling kann als strategisches oder opera-
b) Der Aufgabenwürfel soll die Stel-
tives Controlling oder als beides geführt wer-
lenkennzeichnung erleichtern. Inwie-
den.
fern erlaubt er dieses?
Das strategische Controlling richtet sich
c) Was unterscheidet das strategische
nach außen und ist zukunftsorientiert. Es
vom operativen Controlling?
arbeitet mit den Instrumenten einer strategi-
schen Planung sowie einem Frühwarnsystem. d) Warum ist Controlling nicht mit
Dabei interessieren sämtliche Größen, die für Kontrolle gleichzusetzen?
die Sicherung der dauerhaften Existenz des e) In Abb. 111 ist das Controlling als
Unternehmens relevant sind. So werden viele Stabsstelle zentral eingerichtet. Wie
Faktoren und Ereignisse erfasst, die mögli- Sie sehen, berührt es den gesamten
cherweise Auswirkungen auf die Entwicklung Prozess. Welche Probleme könnte
des Unternehmens haben. diese besondere Organisationsform
mit sich bringen? Welche Vorteile
erkennen Sie?
5. Kurzer Abriss der Organisation 103

Das operative Controlling (wie es die Abb. Beispiel aus der Praxis
111 verdeutlicht) ist gegenwartsbezogen und Der Jahresabschluss traf Stefan Hofemeier wie ein
innerbetrieblich ausgerichtet. Dabei spielen Faustschlag: Monat für Monat hatte die kurzfristi-
die Soll-/Ist-Vergleiche von Zielvorgaben und ge Erfolgsrechnung der im ostwestfälischen Bünde
Zielerreichung der Mitarbeiter eine ebenso ansässigen Werner Hofemeier GmbH für 2004
große Rolle wie die Gegenüberstellung der weitgehend den Erwartungen entsprochen – und
plötzlich musste der Finanzchef des Küchenher-
Soll-/Ist-Budgets.
stellers seinen Mitgeschäftsführern Anfang 2003
unter dem Strich einen deftigen Gewinneinbruch
5.3.2 Controllingaufgaben beichten.
Die Ursache war schnell ausgemacht: Eine für 4,5
Planungsaufgaben sind im Stab nicht gleich-
Millionen EUR errichtete Produktionshalle hatte
zusetzen mit Entscheidungsaufgaben. Im für die – in dieser Höhe unerwartete – Ergebnisbe-
Controllingsektor werden Planungsvorgaben lastung gesorgt. Die Führungscrew hatte die Aus-
(Soll) mit dem Ist verglichen, Analysen hier- wirkungen der Investition auf die Bilanz unter-
zu aufgestellt und neue Vorgaben gemacht, schätzt.
die der Leitung unterbreitet werden. Sie wird Die Geschäftsführer reagierten sofort: Stefan Ho-
entscheiden, ob dem neuen Plan gefolgt wer- femeier erhielt den Auftrag, ein Controlling-
den soll oder nicht. System zu installieren, um in Zukunft gegen böse
Überraschungen gefeit zu sein.
Solche Planungsvorhaben haben auch mit der
Das Controlling, so Stefan Hofemeier, sollte also
Kontrolle zu tun. Denn jede Stelle, jede Ab-
eine Alarmfunktion erfüllen, um Blindflüge wie
teilung, jeder Ablauf, jedes Ereignis etc. muss 2004 zu verhindern. Zudem wollte der Finanzmann
erfasst (Ist) und verglichen (Soll) werden als solide Beschlussgrundlage fürs Management
(Kontrollaufgaben). Hierzu sind Informatio- ein System, mit dem sich schon zu Beginn des
nen notwendig. So genügt nicht nur ihre Be- Geschäftsjahres eine provisorische Bilanz bauen
schaffung. Sie werden sondiert, aufbereitet, und die Auswirkung verschiedener Entscheidungen
und das heißt auch: mit anderen Posten und auf das Ergebnis simulieren lässt.
Positionen, mit neuen Daten und Entwicklun- Durch das Controlling-System fällen die Hofemei-
gen in Zusammenhang gebracht, dabei umge- er-Geschäftsführer ihre Entscheidungen auf einer
formt, umgewandelt und kritisch gewürdigt. vergleichsweise sicheren Datenbasis und können
Solche Informationsaufgaben haben einen die künftige finanzielle Entwicklung des Unter-
nehmens besser einschätzen.
hohen Stellenwert, weil Fehlinformationen
und Fehlinterpretationen Leitung und den Durch größere Transparenz ließen sich bereits
2005 einige erst für dieses Jahr geplante Investitio-
Betrieb in fatale Situationen bringen können.
nen vorziehen, da das Controlling einen finanziel-
Diese drei Aufgabenfelder dienen der Festle- len Spielraum bei der Bilanzgestaltung angezeigt
gung von Leitlinien, Vorgaben und Sollgrö- hatte.
ßen und dazu, diese einzuhalten und Abb. 112: Einführung eines Controlling-
Schwachstellen aufzudecken. systems
Steuerungsaufgaben haben regulierende Wir-
kung. Beispiel aus der DMW AG:
Sie beginnen mit der Fragestellung, wie man Die DMW AG hat bei der Einrichtung ihres
auf den richtigen Weg zurückkommt. So neuen Werkes eine Analyse der Komponen-
gehört es auch zu den Steuerungsaufgaben, ten-Lieferer für die Artikel Vordersitze, Sitz-
Maßnahmen zu entwickeln, die Soll und Ist bänke, Kopfstützen, Sitzheizungen und Er-
angleichen lassen. satzbezüge (Lieferantenanalyse) gefordert.
Das Angebot an Herstellern ist groß und um-
fassend.
104 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Abb. 113: Controllingsystem

Alle Controllingfunktionen wirken zusam- Wer ist der richtige Lieferant? Wer kann zum
men. Mit der Steuerung ist der Regelkreislauf richtigen Zeitpunkt die gewählte Menge in
des Controlling geschlossen. Er ist anders als der geforderten Qualität bei günstigen
der Führungsregelkreislauf, weil das Control- Konditionen einschließlich angemessener
ling immer von der Leitung abhängig ist. Mit Preise liefern? Manche Lieferanten sind näm-
allen Funktionen bildet es ein ganzes System lich preiswert, aber nicht pünktlich in der
(siehe Abb. 113), ohne das es seine Ziele Ablieferung der Stoffe, andere sind zwar
nicht erfüllen kann. etwas teurer, dagegen aber im höchsten Grade
zuverlässig. Einige bieten nur Sitzbänke an,
andere nur Vordersitze.
Der Controller erfasste zunächst die Anforde-
rungsmerkmale. Hierzu einige Beispiele:
• Die Qualität der Stoffe muss durch Reiß-
Zusammenfassung festigkeit und Farbtreue gekennzeichnet
Das Controlling ist eine Stababteilung sein.
(Organisationsstruktur). Es ist in der Un- • Die Liefermenge von jährlich insgesamt
ternehmung ein System der Willenssiche- 100 000 Sitzen muss sichergestellt sein.
rung eingebettet. Es umfasst Qualitäten
• Die Preise pro Sitz dürfen 600 EUR nicht
und Quantitäten (vgl. S. 104) und ist im-
überschreiten.
mer ein Regelkreislauf.
Es kann zentralisiert oder dezentralisiert • Die DMW müssen wöchentlich 2500
sein. Die Aufgaben sind vielfältig. Alle Sitze abrufen können.
zusammengenommen bilden einen Regel- • Die Sitze für die jeweils kommende Pro-
kreislauf. duktionswoche müssen freitags in den
Fabrikationsstätten angeliefert werden.
5. Kurzer Abriss der Organisation 105

Die Qualität der Produkte kommt in den Pro-


dukteigenschaften zum Tragen. Sie stehen an
vorderster Stelle, weil ihnen höchste Priorität
eingeräumt wird. Fast gleichrangig ist der
Lieferservice. Die Bewertungen im Lieferan-
tenprofil ergeben sich aus dem Angebot und
zusätzlichen Informationen. Die Rangfolge
der Merkmale basiert auf der Einschätzung
der Controller in Zusammenarbeit mit dem
Einkauf und der Herstellung. Herausgekom-
men ist für den hier genannten Lieferanten
Abb. 114 a): Das von Controllern aufgestell- das vorliegende Profil (Abb.114). Ein Ver-
te Lieferantenprofil eines An- gleich aller Profile kann dann die Entschei-
bieters. dung bringen. Diese ist von der Leitung zu
treffen.
Abb. 114 b): Aussagen zum Lieferantenprofil.

5.4 Der umweltorientierte Unternehmensaufbau

5.4.1 Umfang
Unter Umweltorientierung eines Unterneh-
mens ist seine Rücksichtnahme auf die Natur
zu verstehen. Der Unternehmensaufbau ist
umweltorientiert, wenn
• ein Umwelt(schutz)management gebildet
worden ist
• Standort und Anbindung an das
Verkehrssystem nach Umweltent- statt -
belastung ausgewählt sind
• Gebäude und Anlagen Umweltfragen
berücksichtigt haben
• die Entsorgung umweltfreundlich von-
statten geht
• der Umweltschutz in alle betrieblichen
Abteilungen greift.
Abb. 115: Offensive Umweltschutzmana-
Über eine umweltorientierte Organisations- gement (mit ausgewählten
struktur liegen bis heute weder gesicherte Maßnahmen)
Erkenntnisse noch wissenschaftliche Analy- Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
sen vor, wenn auch umweltbezogene Einzel-
erscheinungen im Betrieb bekannt sind.
106 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Der Verzicht auf Klimaanlagen, die Kühlung Integrierter Umweltschutz?


mit so genannten Kühldecken, die Mülltren-
Bisher hatte Umweltschutz überwiegend
nung bereits im Unternehmen, die Verwen-
nachsorgende Qualitäten: Dem eigentlichen
dung von Abwasser aus der Produktion für
Produktionsprozess nachgeschaltete Anlagen
die Toiletten (Emdener Automobilwerk der
(End-of-Pipe-Technologien) neutralisieren die
DMW), eine ökologische Fertigbauweise sind
bei der Produktion entstandenen Schadstoffe
die ersten Ansätze einer so verstandenen
oder fangen diese vor ihrer Emission in die
Umweltpolitik, die durch ein Umweltmana-
Umwelt auf. Unter nachsorgendem Umwelt-
gement praktiziert werden. In allen Fällen
schutz lässt sich auch die nachträgliche Besei-
geht es um Umweltschutz.
tigung von Umweltbelastungen verstehen.
Vorstellbar ist ein eigenes Ressort in der Ge-
Problematisch ist der nachsorgende Umwelt-
schäftsführung, möglichst mit einer Stababtei-
schutz
lung Umwelt – wie das Controlling – mit weit
reichenden Befugnissen. Voraussetzung für • aus ökologischer Perspektive, da die
ihre Wirksamkeit ist, dass sie mit Fachleuten Schadstoffe häufig nur aus den Emissio-
besetzt ist, die Umweltfragen bei den Produk- nen an die Filter gebunden werden. So
ten, in der Produktion, in der Logistik, in der können zwar akute Schadstoffemissionen
Beschaffung, in der Produktion und auch in der verhindert werden, Probleme bereitet je-
Kommunikation stellen und gezielt abarbeiten doch die Entsorgung der häufig hochkon-
können. Letzteres besagt, dass „Umwelt- taminierten Filter;
schwachstellen“ aufgedeckt und beseitigt wer- • aus ökonomischer Perspektive, da nach-
den. geschaltete Umweltschutzmaßnahmen
Eine neuere Entwicklung geht dahin, eine immer mit zusätzlichen Kosten verbun-
Stabsstelle „Umwelt“ mit dezentralisierten den sind.
Beauftragten in den einzelnen Hauptabteilun- • Langfristig sinnvoller ist dagegen der
gen einzurichten. Das hat den Vorteil, dass integrierte Umweltschutz. Dieser ist eng
Fachleute vor Ort die Besonderheiten nicht mit den Prinzipien der Vermeidung und
nur kennen, sondern sie auch beobachten und Verwertung verbunden.
analysieren und mit ihren Ergebnissen Bera-
tungen in der Stabsstelle unterstützen können. Integrierter Umweltschutz bedeutet
Noch ist diese Organisationsform zu teuer, • die Anwendung von Produktionsprozes-
auch wenn neuerdings bereits betont wird, sen, bei denen von Anbeginn an mög-
dass der Versuch, in allen betrieblichen Be- lichst wenig Schadstoffe entstehen
reichen und Funktionen die Umweltschutzan-
• die Entwicklung und Herstellung von
forderungen, ausgehend vom Staat oder vom
Produkten, die hinsichtlich ihres
Markt, in die betrieblichen Abläufe offensiv
Gebrauchs und ihrer Entsorgung mög-
zu integrieren und sie als betriebswirtschaftli-
lichst umweltfreundliche Eigenschaften
ches Instrument zu benutzen, langfristig die
aufweisen.
Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes erhöht.
Eine wichtige Rolle spielen auch die Verwirk-
In der Schlussakte des Maastricht-Vertrages
lichung geschlossener Stoffkreisläufe und die
gemäß Artikel 130r (2) und (3) sowie Artikel
Entwicklung von über ihren ganzen Lebens-
130s (5) und der 20. Erklärung zur Beurtei-
zyklus hinweg umweltfreundlichen Produk-
lung der Umweltverträglichkeit von Gemein-
ten.
schaftsmaßnahmen ist unter den Prinzipien
zum Schutz der Umwelt auch das Verursa- Abb. 116: Integrierter Umweltschutz
chungsprinzip festgeschrieben. Quelle: iwd
5. Kurzer Abriss der Organisation 107

Hiernach soll jeder Verursacher von Umwelt- Beispiel:


schäden die Kosten zu ihrer Beseitigung oder
Umweltschutz bei der DMW AG
künftigen Vermeidung in vollem Umfang
tragen. Eine umweltorientierte Aufbauorgani- Die DMW AG hat im Montagewerk in Em-
sation mit integriertem Umweltschutz könnte den den Energieeinsatz durch Stromeinspa-
Umweltschäden vermeiden helfen. rung bei Verwendung von einstrahligen 58-
Watt-Leuchtstofflampen mit Spiegelreflekto-
5.4.2 Das Umweltmanagement ren halbiert und sowohl den Wärmebedarf als
auch den Wasserverbrauch verringert. In einer
Unternehmen, die ein „Umweltdenken“ in Verlautbarung heißt es: Auch den Wasser-
ihre Strategie übernehmen wollen, müssen verbrauch konnten wir optimieren. Zum Bei-
über eine Führung verfügen, die sich der spiel beträgt der Frischwasseranteil nur noch
Umweltfragen bewusst und bereit ist, sich 25% des Gesamtwasseraufkommens. Und die
ihnen zu stellen und nach Lösungen zu su- Ingenieure entwickelten für den Single einen
chen. Voraussetzung ist, dass sie diese Denk- „Abgasbehälter, der beim Starten die Abgase
weise ihren Mitarbeitern vorleben und wei- solange aufnimmt, bis der Katalysator ein-
tergeben. Trotz vieler Bekenntnisse zur Um- wandfrei und optimal arbeitet“.
welt gibt es überall erhebliche Hemmschwel-
len, sie in das Management aufzunehmen. Szenarien um einen Chemiegiganten
Das liegt nicht am Unvermögen der Leitung. Die Geschichte des Chemie-Werks Boehringer Ingelheim
Es sind die hohen Investitionen, die hierfür zu in Hamburg-Moorfleet liest sich wie eine unendliche
leisten sind und die als umweltbezogene Auf- Geschichte der Skandale. Hunderte Arbeiter des Unter-
nehmens erkrankten, viele starben. Das Ausmaß der
lagen des Gesetzgebers sogar noch beim Bau Umweltschäden durch Dioxin, das in Hamburg bei der
von Anlagen ausgesprochen werden. Aber Produktion von so genannten Pflanzenschutzmitteln und
auch nachträglich getroffene Umweltanord- Insektiziden entstanden ist, ist noch nicht abzusehen.
nungen und zusätzlich verordnete umweltbe- Eine Chronik.
1983 wird auf einer Müllhalde in Georgswerder Dioxin
zogene Eigenschaften bei Produkten erschwe-
gefunden. (Seit 1964 lagert die Firma Boehringer dort mit
ren die Umsetzung eines Umweltmanage- Behördengenehmigung Chloranisol. Auf dem eigenen
ments. Werksgelände türmen sich auf Halde Abfälle der Lindan-
Produktion.) Im Februar 1984 wird ein Parlamentarischer
Mit einer defensiven Einstellung zum Um- Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft
weltschutz wird versucht, die Anforderungen eingesetzt.
zu umgehen, die von Seiten des Staates ge- Am 18. Juni 1984 wird das Werk der Firma Boehringer
stellt werden, beziehungsweise ihre Berück- in Hamburg auf Druck der Behörde (Wolfgang Curilla
sichtigung verzögert. Diese Einstellung war damals Umweltsenator) stillgelegt. Allerdings erst
nach heftigen Protesten von Bürgerinitiativen und der
herrscht auch in Unternehmen vor, die Min- GAL-Fraktion.
destanforderungen erfüllen. Ein offensives Zwei Jahre später werden die Firmen-Anlagen abgebaut.
Umweltschutzmanagement versucht, in 1989 legt Boehringer ein Sanierungskonzept für das
allen betrieblichen Sektoren und Funktionen Fabrikgelände vor – am 20. September 1990 wird eine
Vereinbarung zwischen der Hansestadt und Boehringer
Umweltschutzanforderungen zu integrieren.
unterzeichnet. Im gleichen Jahr steht fest, dass die Bille-
Zielsetzung ist es, die staatlichen Vorgaben Siedlung in Moorfleet verseucht ist und saniert werden
nicht nur zu erfüllen, sondern sie geradezu als muss. Eine Langzeitstudie des Arbeitsmediziners Alfred
betriebliches Instrument zu nutzen. Die Manz stellt fest: Jeder dritte Mitarbeiter des chemischen
Werks in Hamburg starb an Krebs.
Denkweise ist mittel- und langfristig orien-
tiert (siehe Abb. 115). Abb. 117: Pressemitteilung
Quelle: Hamburger Abendblatt
108 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Gewässerschutz und Abfallbeseitigung dominieren Aufgabe


1975 1980 1985 1990 1995
60. Prüfen Sie in Ihrem Betrieb oder in den
Abfall- 4.580 5.720 6.220 9.770 15.326 Tageszeitungen, was über Umweltschutz
beseitigung
zu finden ist!
Gewässer- 14.070 16.790 15.730 19.710 242.22
schutz Dabei geht es meist um folgende The-
men:
Lärmbekämp- 420 650 720 860 876
fung
• Luftverschmutzung
Luftreinhal- 4.160 4.410 7.630 9.510 7.694
tung • Lärmbelästigung
insgesamt 23.220 27.570 303.00 39.840 48.118 • Gewässerverschmutzung

Abb. 118: Umweltschutz-Ausgaben 1995 • Bodenzerstörung


Quelle: Statistisches Bundesamt • Verpackungsmüll.
Versuchen Sie auch, grafische
Veröffentlichungen zu besorgen!

5.5 Die Ablauforganisation

5.5.1 Inhalte Beispiel:


Das Betriebsgeschehen folgt logischen Geset- Die Prozesskette als Beispiel eines Ablaufs
zen. Einzelne Arbeiten müssen Schritt für Die Prozesskette beginnt mit dem Einkauf,
Schritt und nacheinander gelöst werden. Wäh- führt über die Lagerhaltung zur Produktion.
rend die Aufbauorganisation das Gerippe des Die erzeugten Güter müssen oft bevorratet
Unternehmens darstellt, seine Bereiche, Ab- werden, manchmal werden sie direkt aus der
teilungen und Arbeitsplätze, Instanzen und Herstellung veräußert. Die Einnahmen erlau-
Kompetenzen ausmacht, verbindet die Ab- ben eine Bezahlung der Elementarfaktoren,
lauforganisation durch Aufgabenteilung und und der Prozess beginnt – sozusagen – von
-zusammenführung alle Elemente des Betrie- vorn (Wertekreislauf, siehe Seite 20). All das
bes über Belege, mündliche und schriftliche gehört zum Ablauf der Tätigkeiten, die im
Informationen (oft über die Datenverarbei- Industrieunternehmen zu erledigen sind. Hier
tung) miteinander. Die Ablauforganisation ist er noch sehr grob gezeichnet.
haucht der Struktur erst „den Atem“ ein, den
ein Betrieb zum Leben braucht.

Der Arbeitsprozess wird durch die Ablauf- Fragestellungen zur Ablauforganisation


organisation strukturiert. Sie vollzieht sich in Eine detailliertere Darstellung des innerbe-
bestehenden Unternehmen im Rahmen des trieblichen Ablaufs kann durch Betrachtung
betrieblichen Aufbaus, d.h. seiner Organe, eines Arbeitsplatzes und den dazugehörigen
Abteilungen und Stellen sowie seiner Instan- Aufgaben deutlicher werden:
zen und Kompetenzen.
5. Kurzer Abriss der Organisation 109

Die Ablauforganisation verbindet alle Ele- Ort:


mente miteinander, indem sie die Beziehun- • Wo ist der Arbeitsplatz?
gen festlegt, die durch Aufgabengliederungen,
-teilungen und -zusammenführungen gekenn- • Woher kommen die Arbeitsunterlagen?
zeichnet sind. Die Ablauforganisation beschäf- • Wohin werden sie nach Durchsicht wei-
tigt sich also mit der Arbeitsfolge der Aufga- tergeleitet?
ben, die nacheinander zu erfüllen sind und
örtlich, zeitlich und mengenmäßig anfallen. • Wer bringt die Papiere, Disketten und
weiteren Informationen?
5.5.2 Zielsetzungen • Wer holt sie ab?
Ziel der Ablauforganisation ist es, dafür zu • Welche Transportwege werden einge-
sorgen, schlagen?
• dass der Durchlauf von Informationen, Zeit:
Belegen, Unterlagen, Werkstoffen und Er- • Wann wird die Arbeit begonnen?
zeugnissen so kurz und schnell wie mög-
• Wie lange dauert sie?
lich erfolgt (Aufgabenteilung, -zusam-
menführung und Weitergabe der Ergeb- • Wann werden die Dokumente weiterge-
nisse) und leitet?
• dass Arbeitskräfte und Betriebsmittel den • Wie sind die Arbeitsfolgen zu organisie-
Anforderungen entsprechend beschafft ren (vom Anfang bis zum Ende), damit
und bestmöglich eingesetzt und zugeord- die kürzesten Durchlaufzeiten erzielt
net werden und werden?
• dass die Werkstoffe genau dafür ver- Menge:
wandt werden, wozu sie auch gut geeig- • Wie viele Vorgänge sind zu erledigen?
net sind.
• Wie viele Parallelvorgänge sind zu meis-
tern?
5.5.3 Darstellungsformen
• Wie viele Entscheidungen sind zu fällen
Zur Darstellung der Betriebsabläufe und der (als „Entweder-oder-Entscheidungen)?
einzelnen Arbeitsfolgen haben sich viele
Formen entwickelt, aus denen man Beginn • Wie viele Stellen sind anzusprechen?
und Ende eines Auftrages, einer Aufgabe und • Wie viele Informationen sind zur Ent-
Teilaufgabe ersehen kann, in denen die Be- scheidungsfindung nötig?
ziehungen der Abteilungen und Stellen er-
etc.
sichtlich werden, die die Belege von Stelle zu
Stelle verfolgen lassen und vieles mehr. Ganz
besonders übersichtlich sind Beispiel:
• Ablaufdiagramme Belegablauf bei der DMW AG
• Datenflusspläne Die DMW AG hatte in ihrem Zweigwerk in
Speyer, das die Felgen für ihre 3 Autotypen
• Belegflusspläne herstellte, vor Einführung des JIT-Prinzips bei
• zeitbezogene Balkendiagramme der Mutter in Hannover und vor dem Re-
engineering und der Umorganisation ihrer
• Netzpläne
Autofertigung vom Fließband auf Arbeits-
• Spaltentensoren u.a. gruppen einen „veralteten Arbeitsablauf“.
110 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Kaufmännischer Technischer
Bereich Bereich

Abb. 119: Der aufgabenbezogene Ablaufplan

Ein Ablaufdiagramm kann grob nur mit Kunde


Abteilungen und deren Hauptaufgaben (siehe
Abb.119) gerastert sein, es kann aber auch
eine Funktion herausstellen und hierin sowohl
die Tätigkeiten nennen als auch den Weg der
Belege offenbaren. Datenflusspläne dagegen
Verkauf
lassen nur den Lauf der Informationen verfol-
gen. „Es ist eine EDV-orientierte genormte
Darstellungstechnik, die den Fluss der Daten Ware
vorh?
durch ein informationsverarbeitendes System
zeigt. Dabei wird die Bearbeitung nur ange-
deutet.“ (Schmidt.) Die Symbole hierzu sind Lager
unter DIN 66001 festgelegt (Abb. 120).
Sie enthalten „Ja-nein“-Beziehungen eben so
wie „Sowohl-als-auch“-Vorgänge. Sie können Rechnungs-
eine Nur-Aufeinanderfolge ausweisen, aber abteilung

ebenso mit einer Teilung der Abfolgen und


danach mit einer Zusammenführung verbun- Buch-
haltung
den sein. Weitere Differenzierungen ergeben
sich durch „Entweder-oder“-Schritte, Beispie-
le sind in Abb. 121 erfasst.

Abb. 120: Belegablauf beim Zulieferer der


DMW AG (Verkauf/ Lager/
Abrechnung)
5. Kurzer Abriss der Organisation 111

Balkendiagramme verdeutlichen den Zu-


sammenhang von Zeit und Aufträgen. Man
nennt sie auch Auftragsfortschrittspläne. Auf
der x-Achse werden Zeiten eingetragen, z.B.
Wochen oder Tage, auch Monate – je nach-
dem, wozu sie gebraucht werden. Auf der y-
Achse werden Vorgänge erfasst. Netzpläne
stellen keine Arbeitsabläufe dar. Sie sind für
den Organisator Hilfsmittel zur Durchdrin-
gung von Zusammenhängen, indem Bezie-
hungen unter Elementen erfasst und ihre Qua-
lität und Wirkungen in Form von einfachen
und verstärkten Strichen sowie mit Pfeilen
gezeichnet werden. Es lassen sich allerdings
Zahlen einbeziehen, die besagen können,
welche Wirkungen zuerst ausgelöst werden.
Netzpläne können die Vorarbeit für einen
Datenflussplan sein, der sich erst ergibt,
nachdem die Arbeitsschritte auf ihre Wirkun-
gen hin untersucht worden sind. Abb. 121: Ablaufdiagramme mit Teilung
und Zusammenführung von
Aufgaben bzw. Arbeiten und
mit „Entweder-oder-Schritten“.
Zusammenfassung
Der Zulieferer der DMW AG stellte fest, dass
Die Ablauforganisation einer Unterneh-
Kunden ein zweites und drittes Mal beliefert
mung zeichnet für den Weg der Informa-
wurden, ohne dass die erste Rechnung begli-
tionen und der Arbeitsfolgen verantwort-
chen war. Das lag eindeutig an der Organisa-
lich. Sie verbindet alle Elemente des Be-
tion des Arbeitsablaufs. Die Abb. 120 zeigt
triebes miteinander und sorgt dafür, dass
ihn deutlich.
der Betriebsprozess auch tatsächlich un-
gestört abläuft. Durch Regeln, mündliche Aufgaben
Absprachen, durch Anweisungen, durch
61. a) Verfolgen Sie bitte den Belegablauf
Grafiken und Darstellungen wird die Ab-
des Zulieferers! Was würden Sie an-
lauforganisation deutlich gemacht. Abläu-
ders machen, um sicherzustellen,
fe werden auch durch Aufgabengliede-
dass Kunden erst dann beliefert wer-
rungen und durch Befugnisse der Stellen-
den, wenn die letzte Rechnung be-
inhaber bestimmt. Auf diese Weise offen-
glichen ist? Stellen Sie bitte den ver-
bart sich zugleich der Zusammenhang von
änderten Ablauf in Form eines Pla-
Strukturen und Prozessen. Ebenso wie der
nes (vergleichbar dem der Abb. 120)
Aufbau durch Grafiken kenntlich gemacht
auf! Benutzen Sie die vorgegebenen
wird, dienen Schaubilder (Abläufe) der
Symbole. Bitte stellen Sie einen
hintereinander und parallel laufenden Ge-
Netzplan mit Fragestellungen aus Ih-
schehnisse. rem Unternehmen auf.
b) Begründen Sie Ihre Überlegungen.
62. Bitte versuchen Sie den Begriff „Spalten-
tensor“ zu klären!
112 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

5.6 Organisationsgrundsätze So wurde das Produkt ausgerufen: „Newton sei kein


aufgemotzter Taschenrechner, kein simpler Organizer
und auch kein verkleinerter Laptop, sondern ein persönli-
Organisatoren müssen sich bei Fragen der cher digitaler Assistent (PDA). Ein Gerät, so bediener-
freundlich, dass es ohne Tastatur auskomme, so intelli-
organisatorischen Gestaltung (zum Beispiel gent, dass es sogar die Handschrift seines Besitzers
Einführung der Datenverarbeitung, Änderung entziffern könne.“ Das Ergebnis ist eine Katastrophe.
des Belegablaufs, Verdünnung der Hierar- Denn die ersten 50000 Exemplare brachten es an den
chien) von zwei Grundprinzipien leiten las- Tag. „Denn Sculleys (inzwischen entlassener Apple-Chef
– d.V.) technologisches Wunderding erwies sich bei
sen. Die beiden Prinzipien lauten: näherer Betrachtung als Mangelware.“
• Grundsatz der Zweckmäßigkeit und „Wie kann etwas so Großartiges so nutzlos sein?“ fragte
entgeistert das US-Fachblatt „MacWorld“. Und Newton-
• Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Kunden wie Konkurrenten rätselten, weshalb Apple – bis
dahin ein Vorbild in der Entwicklung einfach zu bedie-
Was ist unter Zweckmäßigkeit zu verstehen? nender Hightech-Rechner – sein Image durch ein derart
Es ist schwierig, exakt zu beantworten, was unausgereiftes Produkt aufs Spiel setzen konnte. Dabei
im Betrieb alles zweckmäßig ist, zumal bei war die verfrühte Markteinführung nur eine Ursache für
den grandiosen Misserfolg.
Einführung einer Organisation beziehungs-
Fast eine Milliarde in Entwicklung und Produktion in den
weise ihrer Umgestaltung die Zweckmäßig- Sand gesetzt. Die Gründe: wechselnde Vorgaben des
keit oft erst in der Zukunft zum Ausdruck Managements, „mangelnde Einbindung des Entwick-
kommt. lungsteams, verfrühte Produktionsankündigungen, viel zu
knappe Zeitvorgaben und eine fragwürdige Marketing-
In jedem Fall muss eine Organisation zielge- strategie“.
richtet sein, d.h., sie muss die Ziele des Un- Abb. 122: Unzweckmäßiges Handeln –
ternehmens stützen und erfüllen helfen. Also Beispiel aus der Industrie
müssen Struktur und Prozess auf diese ausge- Quelle: manager magazin
richtet sein. Mit dieser globalen Feststellung
ist ein erster Schritt zum Verständnis getan. Aufgabe
Zweckmäßig heißt aber auch, um den Begriff 63. Worin sehen Sie die Vorteile eines Pro-
noch klarer zu machen, dass alle strukturie- grammablaufplanes? Können Sie sich
renden Maßnahmen (Belegdurchlauf, Ar- auch über Nachteile äußern?
beitsanweisungen, Betriebsmitteleinsatz u.a.)
das Ziel bestmöglich erreichen lassen. Zwei Beispiel:
Beispiele: Maschinelle Anlagen dürfen weder Organisationsgrundsätze
unter- noch überdimensioniert sein. Der Ab- Die DMW AG hat in Emden den beiden
lauf soll kurze Wege in Anspruch nehmen. Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit Rechnung
Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (sie- getragen. Sie konnte in der Produktivität mit
he 31 ff) besagt Japan gleichziehen. Dort stellt man ein Auto
in 16,8 Stunden her. In Emden braucht man
• erstens, dass alle Elementarfaktoren in
16,9 Stunden. Im übrigen Europa 36,2 Stun-
der Prozesskette sparsam verwandt wer-
den pro PKW. In Emden wurde zu 69% mit
den sollen, und dieser Grundsatz als Un-
Teams gearbeitet, im übrigen Europa dagegen
terprinzip der Wirtschaftlichkeit wird
nur zu 1%. Einhundert Mitarbeiter der DMW
Sparsamkeitsprinzip genannt
hatten 3235 Verbesserungsvorschläge einge-
• zweitens, dass bei gegebenen einzuset- bracht, die Umsetzungsquote belief sich auf
zenden Faktoren eine hohe Leistung er- 87%. Vergleichszahlen aus Deutschland: 14
zielt wird. Dieses Unterprinzip der Wirt- Vorschläge (auf 100 Mitarbeiter), Erfolgsquo-
schaftlichkeit heißt Ergiebigkeitsprinzip. te l4%.
5. Kurzer Abriss der Organisation 113

Das Sparsamkeitsprinzip meint nichts ande-


res als kostengünstig zu sein. Demnach sind
Arbeitskräfte, Betriebsmittel und Werkstoffe
so zu kombinieren, dass die Selbstkosten am
niedrigsten sind. Dafür hat die Organisations-
abteilung zu sorgen. Das Sparsamkeitsprinzip
geht von einer zu erreichenden bestimmten
Leistung aus, die mit den geringsten Kosten
anzustreben ist. Das Ergiebigkeitsprinzip
soll eine Höchstleistung oder hohe Leistung
(hohe Produktivität) erwirtschaften lassen,
wenn man es befolgt, zugleich aber die Kos-
ten stabil halten.
Die beiden genannten Organisationsprinzipien
sind um zwei weitere zu ergänzen, will man bei Abb. 123: Organisationsprinzipien
der Beurteilung einer Organisation relativ
objektiv sein. Der Organisator wird sich also Zum Stabilitätsprinzip
nicht nur fragen, ob eine Organisation sparsam Ein so kompliziertes Gebilde wie das einer
wirtschaftet und ergiebig ist, sondern auch, ob Unternehmung kann nicht ständig verändert
der Betriebsprozess so koordiniert ist, dass ein werden:
Rädchen ins andere greift (Grundsatz der Ko-
ordination = Koordinationsprinzip), und ob er • Erst dadurch, dass es auf der Grundlage
auf lange Sicht angelegt ist. Das bedeutet, dass vorhandener Elemente längerfristig arbei-
Dauerregelungen und Dauereinrichtungen ten kann, werden Kosten gesenkt. Denn
geschaffen sein müssen, damit die Prozesskette sich wiederholende Arbeiten verleihen
über einen langen Zeitraum stabil bleibt. Dieser dem einzelnen Arbeitnehmer die notwen-
Grundsatz wird Stabilitätsprinzip genannt. dige Routine, die manches unkomplizier-
Dauerregelungen werden z.B. durch Betriebs- ter macht und schneller verrichten lässt.
vereinbarungen erreicht, durch Arbeits- und Das spart Kosten.
Tarifverträge, durch Anweisungen und Ab- • Betriebsmittel müssen mehrere Jahre
sprachen. benutzt werden, damit sich die hohen In-
Nun weiß man, dass ein Unternehmen auch in vestitionsausgaben bezahlt machen. Im
der Lage sein muss, auf unerwartete, neuartige Übrigen können diese nicht ständig und
Einflüsse und Veränderungen zu reagieren. ohne weiteres ausgetauscht werden, weil
Wären seine Regelungen nur kurzfristiger modernere Teile oft nicht in das alte Sys-
Natur, könnte es sich plötzlichen Umstellun- tem passen. Manchmal verlangen sie
gen, Reformen und Neuerungen ständig anpas- auch andere Werkstoffqualitäten. All das
sen. Er wäre sozusagen „total elastisch“. Dieser käme dem Betrieb zu teuer.
Grundsatz wird Elastizitätsprinzip genannt. • Die Erzeugnisse eines Unternehmens
Dass ein solches Verhalten nicht umsetzbar ist, erfordern meistens bestimmte Werkstoffe
liegt auf der Hand. Es würde ja auch dem in festgelegten Normen oder mit vorge-
Grundsatz der Stabilität widersprechen. Also gebenen Formen und exakt definierten
muss ein Unternehmen einen Kompromiss Eigenschaften. Das lässt einen kurzfristi-
zwischen beiden Möglichkeiten finden. gen Wechsel kaum zu.
114 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Wo finden wir ihn? Zum Beispiel im Rahmen Aufgabe


der „Lean Production“ (S. 11 ff.). Da werden
64. Die Abb. 123 spricht vom Prinzip des
unter anderem Arbeitsgruppen gebildet, die
organisatorischen Gleichgewichts, das
festgelegte Produktionsaufgaben zu lösen
die beiden Unterprinzipien Stabilitäts-
haben. Letztere stellen dauerhafte Regelungen
prinzip und Elastizitätsprinzip enthält.
dar. Innerhalb dieser Arbeitsgruppen werden
Einzelarbeiten flexibel und nach Absprache Warum ist für beide Unterprinzipien der
kurzfristig verteilt. Begriff des organisatorischen Gleichge-
wichts gewählt?

Zusammenfassung
Aufbau- und Ablauforganisation müssen nach Grundsätzen eingerichtet werden, die die
Prozesskette bestmöglich (optimal) gestalten. Die primären Grundsätze sind das Zweck-
mäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsprinzip. Beide Organisationsarten können ihre Auf-
gaben nur erfüllen, wenn zugleich das Prinzip des organisatorischen Gleichgewichts und
das der Koordination eingehalten wird.

6. Verschiedenes
6.1 Der industrielle Standort Neue Arbeitsstrukturen in den Werken erprobt
Neben Personalentwicklung und wettbewerbsgerechter
Steuerung des Personalaufwands bildet die Gestaltung
6.1.1 Begriff der Arbeitsstrukturen einen Schwerpunkt der Personalar-
beit.
Jede menschliche Tätigkeit findet an einer Die komplexen, automatisierten Prozesse in fast allen
bestimmten Stelle der Erde statt, sie hat ihren Fertigungsbereichen von BMW ließen den Bedarf an
qualifizierten Mitarbeitern deutlich ansteigen. Innerhalb
Standort. Dieses „Irgendwo“ muss genau wie von zehn Jahren erhöhte sich der Anteil von Facharbei-
das „Irgendwie“ der Herstellung, der Vertei- tern in der Produktion von 30 Prozent auf mehr als 50
lung (Distribution) und des Verbrauchs (Kon- Prozent; er wird auch in Zukunft weiter steigen.
sumtion) nach besonderen Gesetzmäßigkeiten Neue Technologien und besser ausgebildete Mitarbeiter
verlaufen, die in der wirtschaftlichen Tätig- ermöglichen gleichermaßen flexible wie effiziente For-
men der Arbeitsorganisation. Immer mehr Arbeitsgrup-
keit selbst liegen. Damit ist gemeint, dass es pen in der Produktion übernehmen zusätzliche Aufgaben
Bestimmungsfaktoren gibt, die das wirtschaft- wie Instandhaltung, Logistik und Qualitätssicherung in
liche Tun beeinflussen. Zu ihnen gehören u.a. eigener Verantwortung. In Pilotprojekten wurde Grup-
penarbeit eingeführt, in der die Mitarbeiter wechselnde
• die Knappheit der Elementarfaktoren Tätigkeiten übernehmen.
Diese Art der Arbeitsorganisation hebt die Trennung von
• der technische Fortschritt
planenden und ausführenden Tätigkeiten weit gehend auf.
• der Stand der wirtschaftlichen Entwick- Sie verbindet die Flexibilität handwerklicher Fertigung
mit den Kostenvorteilen der Großserienproduktion und
lung
erhöht darüber hinaus die Attraktivität der Arbeitsplätze
• die Höhe der Standortkosten in der Fertigung.

• die Qualität der Arbeitskräfte Abb. 124: Ein Autohersteller setzt auf den
Grundsatz der Elastizität
• die Infrastruktur usw. Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
6. Verschiedenes 115

Die Bindung der Herstellung an einen be- OPEL


stimmten Rohstoff macht den Standort von
Produktions-Verlegung verteidigt
der Fundstätte abhängig, das Bergwerk liegt
demnach unmittelbar an der Rohstoffquelle. Der Präsident von General Motors Europa,
Diese elementare Bindung an den Raum löst Carl-Peter Forster, hat die geplante Verlage-
sich mit zunehmender Produktionsstufe auf rung eines Teils der Zafira-Produktion nach
und führt zu frei wählbaren Standorten. Polen verteidigt. Der Großteil der Produktion
Ihre Wahl wird meistens durch die Kosten, des Mini-Vans bleibe im Opel-Werk Bochum,
die mit dem Standort verknüpft sind, getrof- sagte Forster der „Welt am Sonntag“. Die frei
fen. Kostenprobleme werden so vielfach zum werdende Kapazität werde dort mit dem drin-
Standortproblem. gend benötigten Volumen für den Astra auf-
gefüllt. Im kommenden Jahr wolle Opel, das
zum amerikanischen GM-Konzern gehört,
450 000 Astra-Einheiten produzieren. dpa
6.1.2 Standortfaktoren
DW 18.06.2004
Standortfaktoren sind standortverursachen-
de Merkmale oder Gründe, die die Wahl der
Produktionsstätten beeinflussen und erleich- Aufgabe
tern. Es sind Vorteile, die sich in Kosten, also
im Selbstkostenpreis, quantifizieren lassen. 65. Welche der folgenden Betriebe sind
standortgebunden?
„Standortfaktor ist einer seiner Art nach
scharf abgegrenzter Vorteil, der für eine wirt- • Zementhersteller
schaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn er • Brauereien
sich an einem bestimmten Ort oder auch ge- • Werften
nerell an Plätzen bestimmter Art vollzieht, ein • Getränkeproduzenten
Vorteil, d.h. eine Ersparnis an Kosten und • Molkereien
damit für die Standortlenkung der Industrie • Importeure
eine Möglichkeit, dort ein bestimmtes Pro- • Transporteure
dukt mit weniger Kostenaufwand als an ande-
ren Plätzen herzustellen, noch genauer gesagt,
den als Ganzes betrachteten Produktionsab-
satzprozess eines bestimmten industriellen Standortqualitäten
Produktes nach irgendeiner Richtung billiger Die Bedeutung der Standortfaktoren für die
durchzuführen als anderswo.“ (Weber.) Wahl einer Unternehmung wechselt. War es
Der optimale Standort ist der Standort, an mal die Qualität der Arbeitskräfte einer Regi-
dem die Summe aller Standortfaktoren den on, die für einen Produktionsort entschied,
bestmöglichen Einsatz aller Elementarfakto- sind es mal Infrastruktur und Bedarf, sind es
ren wie Arbeitskräfte, Betriebsmittel, Werk- staatliche Vorgaben für Umwelt und Natur-
stoffe und Informationen und also auch den schutz sowie Steuererleichterungen, so ändern
günstigsten Bezug an Werkstoffen ermögli- sich diese Standortmerkmale durch Verände-
chen lässt und an dem der Absatz durch güns- rungen in der Gesellschaft und der Wirtschaft.
tige Selbstkosten trotz eventuell anfallender Der technische Fortschritt fordert andere
Transportkosten gesichert ist. Der optimale Fähigkeiten ein, die Arbeitnehmer mitbringen
Standort kann sich nur durch einen Vergleich müssen (Kenntnisse und Handhabung von
der Kosten wie Transportkosten, Arbeitskos- Computern, Techniker, Ingenieure). Streichen
ten, Kosten der menschlichen Gesellschaft, Gemeinden und Länder Zuschüsse und kür-
Materialkosten und Kapitalkosten und der zen Abschreibungsmöglichkeiten, wird ein
erzielbaren Erträge ergeben. früher bevorzugter Standort uninteressanter.
116 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Der optimale Standort ist ein Kombinations- Werden neue Verkehrswege in Aussicht ge-
standort, weil nicht nur ein Merkmal entschei- stellt, die schneller als die bisherigen sein
dend für seine Wahl sein kann. An ihm sind die werden, wächst ein neuer Standortfaktor her-
Standortrisiken gering. Standortrisiken lassen an (Magnetbahn zwischen Hamburg und
sich als Gefahren definieren, die die Vorteile Berlin – inzwischen abgelehnt). Einzelne
eines bestimmten Standortes vernichten, wenn Standortfaktoren haben an Wichtigkeit abge-
sie auftreten (Austrocknen eines Flusses, Kür- nommen, weil die Informationssysteme einen
zung der staatlichen Subventionen, Belastun- Austausch von Nachrichten innerhalb von
gen durch Umweltauflagen, Verschlechterung Minuten zulassen. Preiswerte Konstrukteure
der Grundwasserqualität etc.). in Schwellenländern übermitteln ihre Vor-
schläge per Datennetz. Arbeitskosten sind das
6.1.3 Ungebundene Standorte gegenwärtige Schlagwort, die in den Indust-
rieländern die Standorte verlagern lassen.
Mehr denn je sind Standorte ungebunden.
Dennoch gibt es Prioritäten, nach denen sich
die Wahl eines Standortes am ehesten richtet.
Auf diese Weise sind mehrere Standortarten
herauszustellen. Sie können als:
• absatzorientiert
• arbeitskostenorientiert
• bodenpreisorientiert
• kraftstofforientiert
• steuerorientiert
• traditionsorientiert
• transportkostenorientiert
• verkehrsorientiert
bezeichnet werden. Abb. 125: Standortqualität international
Die DMW hatten ihre neuen Standorte in Ost-
und Norddeutschland aus unterschiedlichen
6.1.4 Standortanalysen Gründen gewählt. Halle verfügt über gut aus-
gebildetes Personal aus dem Kraftfahrzeugsek-
Sucht ein Unternehmen einen Platz für seine tor der alten Republik mit einem hohen Grad an
Verwaltungsgebäude und Produktionshallen, geistiger Flexibilität (um einen Arbeitsplatz zu
dann werden Untersuchungen über das Um- erwerben und zu halten), Emden ist dem Meer
feld, die Natur, über andere Wirtschaftsunter- zugewandt und hat eine hervorragende Anbin-
nehmen am Ort, über Konkurrenz, über die dung an das Ausland, was den Export be-
Wohnmöglichkeiten, über Freizeitorientie- schleunigt und die Transportzeit verkürzt.
rungen etc. angestellt. Dabei handelt es sich
um solche Merkmale, die für das Unterneh- Zur Standortkonzentration
men vorrangig sind. Meist werden diese ge- Es lässt sich leicht ausmachen, dass es in
wichtet, sodass sich ihre Rangfolge ergibt. Deutschland Konzentrationen von Unterneh-
Den einzelnen Merkmalen gibt man eine men gibt. Im Ruhrgebiet, im Rhein-Main-
Punktzahl bis 10, je nachdem, wie sie ausges- Gebiet, in den Großstädten wie Berlin, Ham-
taltet sind. Eine Multiplikation der Punkte burg, München, Frankfurt, Köln, Leipzig,
und der Gewichtung führt zu Standortpunk- Rostock und Stuttgart. Das liegt u.a. auch
ten. Der Standort mit der höchsten Zahl ist daran, dass ein Unternehmen ein anderes nach
dann der ausgewählte. sich zog.
6. Verschiedenes 117

Druckfrisch liegt der Global Competitives Report (GCR) mit 574 Seiten auf den Konferenz-
tischen dieser Welt, und man reibt sich erneut verwundert die Hände: Im internationalen
Wachstums- und Wettbewerbsvergleich steht Deutschland (2003) besser da (Platz 13) als vor
zwei Jahren (Platz 17) und behauptet in einer Reihe von Indikatoren sogar weltweit beneidete
Positionen.
Deutschland ist einsame Spitzenklasse im Umweltschutz (Luft, Wasser, Gefahrenstoffe). Hier
finden wir einige der Haupt-Wettbewerbsländer (USA, GB, Japan) auf Rangplätzen zwischen 8
und 20.
Bei aller Vorschriften- und Regelungs-Dichte hat Deutschland eine der besten Infrastrukturen
einhergehend mit einer höchst intensiven internen Wettbewerbssituation – viele nationa-
le/internationale Unternehmen:
• keine/wenige marktdominierende Unternehmen,
• lokale Qualitätsanbieter,
• strenge Qualitäts- und Sicherheitsstandards,
• Spitzenpositionen im Export.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit (deutscher Unternehmen) beruht wesentlich auf ein-
zigartigen Produkten und Prozessen. Platz l zusammen mit Japan und Finnland; Exportunter-
nehmen beherrschen die gesamte Wertschöpfungskette von Produktdesign bis zum „after-sales-
service“, Platz l mit Schweden; international tätige Unternehmen haben eigenständige For-
schungs- und Entwicklungsprogramme. Für Produkte und Prozesse, Platz l mit Finnland und
Schweden.
(D. J. Pomerening, Prof. priv. Hochschule Schule Leipzig, DW)
Abb. 126: Standort Deutschland – anders bewertet

Zusammenfassung
Betriebe sind überall in genügendem Umfang und in genügender Variation angesiedelt. Sie
haben ihren Standort meist nach Kennzeichen gewählt, die ihnen am wertvollsten erschie-
nen. Grundsätzlich spielen bei der Wahl eines Standortes die Kosten (Standortfaktoren)
eine überragende Rolle.
118 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

6.2 Ausgewähltes zum Steuersystem

6.2.1 Die Steuerübersicht


Gliederung der
Steuern nach der

Ertragshoheit Steuerquelle

Verbrauch + grenz-
Besitz Verkehr überschreitender
Warenverkehr

Verbrauschssteuern
Besitzsteuern Verkehrssteuern
+ Zölle

Zölle und fast alle


Gesellschaftsteuer Verbrauchssteuern,
Bundessteuern Lastenausgleichs- Börsenumsatzsteuer z.B. Zuckersteuer
(B) abgaben Versicherungsteuer (Ausnahmen: siehe
Wechselsteuer bei Landes- und
Gemeindesteuern

Gesellschaftssteuer
Grunderwerbssteuer
Landessteuern Vermögensteuer Feuerschutzsteuer
Biersteuer
(L) Erbschaftsteuer Rennwett- und
Lotteriesteuer
Spielbankabgabe

Gemeindesteuern Gewerbesteuer Getränkesteuer


(G) Grundsteuer Vergnügungssteuer

Lohn- und Umsatzsteuer


Gemeinschafts-
Einkommensteuer B: 65 %
steuern
Körperschaftsteuer L: 35 %

Bund und Länder erhalten einen Anteil der Gewerbesteuerumlage

Abb. 127: Gliederung der Steuern


6. Verschiedenes 119

Wenige zahlen viel


6.2.2 Allgemeines
Moderne Industriestaaten benötigen zur Re- Aufteilung des Steueraufkommens nach Einkommensklassen
gulierung ihrer Haushalte enorme Einnahmen.
Einkünfte Steuer- Einkommensteuer-
Sie beziehen diese vornehmlich aus Steuern, in Euro pflichtige aufkommen
die Privathaushalte und Unternehmen auf- in Prozent in Prozent

bringen müssen. Da die öffentlichen Aufga-


ben im Laufe der Jahre gestiegen sind, zu
denken ist zum Beispiel an das Sozialwesen,
an die innere Sicherheit, an den Umwelt-
schutz, mussten entweder herkömmliche
Einnahmequellen noch stärker angezapft
werden, oder es musste nach neuen gesucht
werden. Die vielen Steuerarten verweisen auf
den Ideenreichtum der Finanzverwaltung und Abb. 128: Steuerzahler und Einkommen-
der Finanzministerien. steuer-Einnahmen 2003
Steuern sind Geldleistungen, die vom Bund,
von Bundesländern oder von Gemeinden zur Die DMW AG muss wie alle anderen Unter-
Finanzierung ihrer hoheitlichen Aufgaben nehmen erhebliche Steuersummen an den
erhoben werden. Sie ziehen keine Ansprüche Staat abführen. Da ist die einbehaltene
auf unmittelbare Gegenleistungen nach sich. Lohnsteuer der Arbeitnehmerbezüge, die in
Steuern sind die wichtigste staatliche Ein- Prozenten auf das Bruttogehalt ermittelt wird.
nahmequelle. Da ist die Mehrwertsteuer, die sie aus den
Verkäufen ihrer Kraftwagen bezieht, vermin-
Es ist außerordentlich schwierig, das gesamte dert um die Vorsteuer, die sie selbst z. B. an
Steuerrecht und die Steuerpraxis zu durch- Lieferanten entrichten muss. Mehr noch, da
dringen. Da das deutsche Steuerrecht keine sind Körperschaftsteuer, Grundsteuer, Ge-
eigentliche „Unternehmungs- oder Betriebs- werbesteuer etc.
besteuerung“ kennt, gibt es für sie auch keine
Systematik. Das erschwert die Erkenntnis für
den gesamten Steuersachverhalt. Wohl gibt es Andere Einnahmen des Staates
Bemessungsgrundlagen, die eine gewisse
Ordnung erkennen lassen, nur beziehen sich • Gebühren sind das Entgelt für die Inan-
diese eben nicht nur auf Unternehmen, son- spruchnahme einer öffentlichen Einrich-
dern z.B. auf Einzelpersonen, auf Kapitalge- tung (Müllgebühren u.a.). Bei ihnen ste-
sellschaften, auf Erzeugnisse, auf Bund, Län- hen Leistung und Gegenleistung in einem
der und Gemeinden. angemessenen Verhältnis.
• Beiträge sind Entgelte dafür, dass ein
6.2.3 Steuereinteilung Einzelner öffentliche Einrichtungen in
Anspruch nehmen kann. Er leistet für
Grundsätzlich lässt sich eine zweidimensiona- diese einen Beitrag, ohne dass ermittelt
le Matrix entwickeln, die einerseits die Steu- wird, wie häufig und ob überhaupt die
ereinnahmeberechtigten, also Bund, Länder Einrichtung benutzt worden ist (Kurtaxe).
und Gemeinden, ausweist, also jene, die den
Anspruch auf die betreffende Steuer haben, • Zölle stellen eine besondere Steuerart
und andererseits die Steuerquellen offenbart, dar. Sie werden im grenzüberschreiten-
aus denen der Staat seine Einnahmen erzielt den Warenverkehr auf den Warenwert
(siehe Abb. 127). erhoben.
120 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

In der Praxis hat sich eine Gliederung – wie • Er verfügt über weitere Einnahmequel-
Abb. 127 zeigt – von len. Dazu zählen u. a. eigene Betriebe,
• Besitzsteuern wie z. B. Energieversorgungsbetriebe,
Beteiligungen, wie zum Beispiel am
• Verkehrsteuern Volkswagenwerk, die Deutsche Bundes-
• Verbrauchsteuern und bank. Außerdem beschafft er sich Geld u.
a. durch Kreditaufnahmen.
• Zöllen
durchgesetzt.
Ergänzungen zum Allgemeinen Teil
Ein Teil der Besitzsteuern wird auch als Er-
tragsteuer bezeichnet, womit die Begriffe Steuererhebungen sollen unter dem Aspekt der
Erträge, Gewinne, Erfolge und Überschüsse Gerechtigkeit, der Durchsichtigkeit (Steuer-
gemeint sind, ein Teil umfasst Vermögen, transparenz), der Praktikabilität, der Stetigkeit,
Eigentum und Kapital. Er nennt sich Sub- der deckungspolitischen Anpassungsfähigkeit,
stanzsteuer. der Umverteilungsnotwendigkeit sowie der
Wirtschaftskraftsicherung vorgenommen wer-
Zu den Ertragsteuern gehören
den. Besonders in der Diskussion ist die Frage
• die Einkommensteuer* mit der daran- der Steuergerechtigkeit, aber auch die der Si-
hängenden Kirchensteuer sowie dem cherung des Wirtschaftspotenzials (Standort
Solidaritätszuschlag (und bei abhängig Deutschland) gekommen. In Zusammenhang
Beschäftigten wird die Einkommensteuer mit Letzterer ist die so genannte Öko-Steuer in
Lohnsteuer genannt) das Bewusstsein der Politiker, Gesellschafts-
• die Körperschaftsteuer mit dem Solida- wissenschaftler, Soziologen und Wirtschaftler
ritätszuschlag sowie gerückt. Hinter den Vorschlägen, die von allen
Seiten gemacht werden, steht ein besonderer
• die Gewerbeertragsteuer (das ist jener Gedanke: Umweltbelastendes Produzieren und
Teil der Gewerbesteuer, der den Gewer- Konsumieren soll mit einer staatlichen Abgabe
beertrag zur Bemessungsgrundlage hat). belegt werden, um Verursacher von Umwelt-
Ertragsteuern greifen sowohl in die Besteue- schäden anzuhalten, mit der Natur und ihren
rung der Privathaushalte als auch in die der Ressourcen schonender umzugehen. Solche
Unternehmen. Auf die Privathaushalte entfal- Steuern und Gebühren werden teilweise bereits
len Einkommen- und Lohnsteuer, auf die erhoben, z.B. Abwasserabgaben, Kraftfahr-
Kapitalgesellschaften Körperschaftsteuer, auf zeugsteuer, Zweitwohnsteuer und Grundsteu-
alle Unternehmen Gewerbeertragsteuer. Alle er. Viele von ihnen sind aber ohne Bezug zur
Ertragsteuern haben etwas gemeinsam: Die Umwelt, vielmehr aus finanzpolitischen Grün-
Bemessungsgrundlage ist abhängig von einem den eingeführt worden. Die neue Denkweise
wirtschaftlichen Ergebnis. hat auch Eingang in den Richtlinienentwurf der
Europäischen Union vom 12. April 1995 ge-
funden. Er lässt den Mitgliedstaaten bei der
Einführung einer Energie-Ökosteuer bis zum
Jahre 2000 in einem Übergangsplan freie Hand.
* Die Einkommensteuer beschert dem Staat eine große
Einnahme, weil sie von jedem Arbeitnehmer erhoben
wird (und das sind in Deutschland mehr als 30 Millionen
Menschen). Gegenwärtig (2005) stehen die Prozentsät-
ze (Abgabesätze) in der Diskussion. Mit der rot-grünen
Regierung unter Bundeskanzler Schröder (bis 2005)
wurde eine besondere Steuer auf Benzin und Diesel er-
hoben, um Autofahrer zu bewegen, verstärkt andere
Verkehrsmittel zu nutzen. Das schlug fehl.
6. Verschiedenes 121

Zu den Substanzsteuern zählen Steuerpolitik


• Vermögensteuer Steuerpolitik ist Finanzpolitik. Der Gesetzge-
• Grundsteuer ber erhebt nicht nur Steuern, um seine Ausga-
ben zu finanzieren, sondern er betreibt mit
• Gewerbekapitalsteuer sowie Veränderungen der Steuersätze bzw. mit der
• Erbschaft- und Schenkungsteuer. Aussetzung und Wiedereinführung von Steu-
ern und Abgaben eine bestimmte Strategie.
Auch hieran sind Betriebe beteiligt.
Denn die Wirkungen der Besteuerung oder
Allen Substanzsteuern ist die Anknüpfung an deren Unterlassung sind mannigfaltig.
die Bemessungsgrundlagen gemeinsam. Da-
Man spricht von Signalwirkungen, wenn
bei handelt es sich um Roh- oder Reinvermö-
Steuerpflichtige durch die Erhebung der Steu-
gensgrößen, wobei es sich um periodische
er oder durch die Veränderung ihrer Steuer-
Jahresabgaben (i.d.R.) auf Vermögensgegens-
sätze veranlasst werden, anders als bisher zu
tände und Vermögensgesamtheiten handelt.
reagieren. Marktwirkungen sind feststellbar,
Die Erbschaftsteuer fällt bei dieser Betrach-
wenn sich die Nachfrage über eine veränderte
tung aus dem Rahmen, weil sie nicht perio-
Steuerhöhe neu orientiert und wenn durch sie
disch ist und weil sie bei einem Vermögens-
die Investitionsbereitschaft der Unternehmen
übergang auf andere Personen oder Institutio-
getroffen wird.
nen fällig wird. Sie kann auch bei Verkehr-
steuern untergeordnet werden.
Verkehrsteuern beziehen sich auf den Ge- Aufgaben
schäftsverkehr im weitesten Sinne. Sie sind
nicht auf eine Verkehrsart (z. B. Kraftfahr- 66a. Im Jahre 2002 haben Bund, Länder und
zeugverkehr) beschränkt. Ihre Basis ist der Gemeinden 441 Mrd. Steuereinnahmen
Verkehr, der Umsatz, aber auch Veranstal- erzielt, wovon 48 % auf den Bund, 36 %
tungen, wie z. B. Pferderennen (Rennwett- auf die Länder, 12 % auf die Gemeinden
steuer, Spielbankabgaben). Ihr größter Posten fielen und 4 % an die EU zu entrichten
ist die Umsatzsteuer, die beim Einkauf als waren.
Vorsteuer und beim Verkauf als Mehr- - Wieso hat der Gesetzgeber Steuern an
wertsteuer bezeichnet wird. die EU zu zahlen?
- Warum führen die Verteilungsquoten
Der Zusammenhang von Verkehrsteuern und immer wieder zu Streitigkeiten?
Verbrauchsteuern ist eng. Denn der
Verbrauch von Benzin und Diesel für das 66b. Erläutern Sie den Unterschied zwischen
häusliche und geschäftliche Kraftfahrzeug direkten und indirekten Steuern und ver-
wird durch den Bezug des Kraftstoffes er- suchen Sie herauszubekommen, welche
möglicht. Für Tankstellen findet demnach ein Wirkungen ihre Erhebungsart auf den
Umsatz statt. Zu den Verbrauchsteuern zählen Staatshaushalt haben.
Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Branntwein- 67. Alle Einkommensbezieher sind unter
steuer, Kaffeesteuer etc. An diesen Steuern gewissen Voraussetzungen einkommen-
wird etwas Besonderes deutlich: Sie werden steuerpflichtig. Wieso hat der Gesetz-
in den Preis einkalkuliert und vom Letzt- geber Grundfreibeträge eingerichtet und
verbraucher getragen. Aber nicht er, sondern wieso alle Einkommen über circa 55 000
der Verkäufer führt sie an den Gesetzgeber ab EUR nur mit 48,5 % besteuert (höchster
(indirekte Steuer). Steuersatz), während Verdiener von circa
8 000 - 55 000 Mit steigenden Steuern
(19,9 % bis 48,5 % ) veranlagt werden?
122 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft

Abb. 129: neue Abbildung von Extrablatt

Demnach gibt es auch direkte Steuern. Eine Besteuerung von


Steuer ist direkt, wenn der endgültig Belastete Kapitalgesellschaften
seine Steuerschuld selbst abzuführen hat. Die
Lohnsteuer für Arbeitnehmerhaushalte ist 36,00
eine direkte Steuer, auch wenn der Betrieb die
Überweisung übernommen hat. Das Abgabe-
verfahren ist nur aus Vereinfachungs- und 29,48
Risikogründen entwickelt worden.
Zölle haben in der Wirtschaftsgeschichte im-
mer eine große Rolle gespielt. Ihre Erhebung
beim Außenhandel hat ihn in gewisser Weise 19,70

reguliert. Einfuhrzölle erschweren den Import,


weil ausländische Waren möglicherweise zu
teuer werden. Ausfuhrzölle hemmen den Ex-
port, weil ausländische Partner durch Verteue-
rung der Waren weniger zum Kauf geneigt sein
dürften. Die Bedeutung der Zölle hat abge-
nommen, um den Welthandel zu erleichtern.
Insbesondere trifft das für die EU zu. Abb. 130: Aus der Presse 2004
6. Verschiedenes 123

6.2.4 Einkommensteuer und Steuerlast


Umsatzsteuer Deutschlands Steuerpolitik steckt in einer tiefen Krise:
Wir brauchen eine große Steuerreform, und die Mehrheit
Die Einkommensteuer ist eine personenbe- der Parteien hat das auch erkannt. Es fehlt ihnen aber der
zogene Steuer. Sie wird aus den Einkünften Mut zum großen Wurf.
ermittelt. Auch die Körperschaftsteuer ist in Die effektive Durchschnittsbelastung hiesiger Kapitalge-
juristischer Hinsicht eine „Personensteuer“. sellschaften liegt mit 36 % deutlich über dem Mittelwert
der direkten Nachbarn von 29 % (vergl. Abb. 129).
Sie fällt für Aktiengesellschaften, Komman- Druck auf die Steuersätze üben vor allem die neuen EU-
ditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaf- Staaten aus: Die Attraktivität von Staaten wie Polen, das
ten mit beschränkter Haftung, für Erwerbs- mit einer effektiven Steuerlast von 17 % Werbung macht,
und Wirtschaftsgenossenschaften, für Versi- oder Tschechiens, das Unternehmen zur Zeit mit effektiv
26 % belastet und neu gegründete für zehn Jahre ganz
cherungsvereine auf Gegenseitigkeit u.a. an. von der Körperschaftssteuer befreit, setzen Maßstäbe für
Die Umsatzsteuer ist eine so genannte kumu- die Zukunft.
lative Allphasen-Nettoumsatzsteuer mit Vor- Der internationale steuerpolitische Wettbewerb ist nicht
steuerabzug. Sie hat die Wirkung einer allge- nur quantitativer Art, sondern hat auch eine qualitative
Dimension. Durch den Versuch, den Steuergesetzen
meinen Verbrauchsteuer. In der Unterneh- immer mehr wirtschaftspolitische Lenkungszwecke
merkette ist sie ein durchlaufender Posten. aufzupfropfen, ist unser Steuerrecht inzwischen zu einem
der kompliziertesten der Welt verkommen. Daher ist zu
Der Gesetzgeber ermittelt die unterschiedli- fordern, dass l. eine radikale Vereinfachung des Steuer-
chen Einkünfte, zu denen z.B. Einkünfte aus systems unabdingbar ist, dass 2. die zahlreichen Verzer-
Gewerbebetrieb, Einkünfte aus Kapitalver- rungswirkungen eingeschränkt werden (u.a. Einkom-
mögen, Einkünfte aus Vermietung und Ver- mensteuer, Kapitalertragssteuer), und dass 3. eine Quel-
lensteuer für ins Ausland fließende Gewinne mit Abgel-
pachtung zählen, aus allen anfallenden Arten. tungswirkung erhoben wird.
Für Unternehmer sind die Einkünfte aus sei-
DW vom 01.07 2004 unter Steuerlast senken von Dr.
ner Tätigkeit und aus dem Zweck der Unter- Thomas Borstell.
nehmung besonders hervorzuheben, weil sie
den Gewinn ausmachen. Aufgabe
68. Ziehen Sie Erkundigungen über Zölle
ein, die erhoben werden, wenn Touristen
aus ihren Reiseländern zurückkehren!

Zusammenfassung
Das Steuersystem in Deutschland ist außergewöhnlich kompliziert. Eine einheitliche Unter-
nehmens- oder Betriebssteuer gibt es nicht. In der Praxis hat sich die Gliederung in Besitz-
steuern, Verkehrssteuern, Verbrauchssteuern und Zöllen durchgesetzt. Unternehmer und
Unternehmen zahlen daher ebenso wie Haushalte eine Vielzahl von Steuern. Der Gesetzge-
ber ermittelt die unterschiedlichen Einkünfte aus allen anfallenden Arten. Für die Unter-
nehmer sind die Einkünfte aus seiner Tätigkeit und aus seinem Zweck besonders hervorzu-
heben.
Kapitel 2

Finanzierung
im betrieblichen
Leistungsgeschehen
von Dr. Wolfgang Harmgardt
überarbeitet von Jürgen Tiedtke
127

1. Zum Finanzierungsbegriff
Unternehmen benötigen für ihre Leistungser- Einsatzfaktoren
stellung Produktionsfaktoren in Form von • Werkstoffe
Arbeitsleistungen, Werkstoffen, Betriebsmit- • Arbeitsleistungen
teln und Informationen. Um den betrieblichen • Betriebsmittel
• Informationen
Produktionsapparat zu
• gründen
• unterhalten Der
• erweitern oder betriebliche
Produktions-
• modernisieren, apparat
werden Sachgüter eingesetzt und Dienstleis- muss…
tungen verbraucht. Diese Produktionsfaktoren
müssen beschafft und finanziert werden. Das
unternehmerische Handeln löst somit Finan- • gegründet
zierungsakte einmaliger und laufender Art • unterhalten
aus: • modernisiert
• erweitert
• Grundstücke und Gebäude, Fahrzeuge werden
und Maschinen sind anzuschaffen.
• Arbeitskräfte müssen entlohnt, und der Abb. 1: Finanzierungsanlässe
Bezug von Roh-, Hilfs- und Betriebsstof-
fen muss bezahlt werden.
Finanzielle Mittel werden benötigt, um den
laufenden Betrieb des Unternehmens zu si- Finanzierung
chern.
Finanzierungsentscheidungen können nicht
nur unter dem Aspekt, finanzielle Mittel zu
beschaffen, gesehen, sondern müssen auch Beschaffung von
Geld- und
unter dem Gesichtspunkt der kostengünstigs- Sachkapital
ten Finanzierungsart betrachtet werden.
Zur Finanzierung sollen Maßnahmen gerech- +
net werden, Maßnahmen zur
Kapitalfreisetzung
• die sich auf die Beschaffung von Eigen- und -herabsetzung
und Fremdkapital beziehen
• mit denen Sachkapital (z. B. in Form von Abb. 2: Finanzierungsbegriff
Grundstücken, Gebäuden oder Maschi-
nen) in das Unternehmen eingebracht
wird
• die eine Kapitalfreisetzung oder eine
Kapitalherabsetzung herbeiführen.
128 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

1.1 Zum Investitionsbegriff Beispiel:


Im Jahre 2000 erwarb die DMW AG einen
Unter „Investition“ ist das Anlegen von Anteil von 80 Prozent an ihrem bedeutenden
Kapital zu verstehen. Finanzielle Mittel wer- Zulieferer, der Tachometer GmbH.
den verwendet, um betriebliches Vermögen Mit diesem Kauf konnte die DMW AG ihren
zu schaffen. Dieses Kapital wird in betriebs- Umsatz um 20 Prozent steigern.
notwendiges Anlage- und Umlaufvermögen
Beispiel:
umgewandelt.
Die DMW AG hatte finanzielle Mittel aufge-
Im Mittelpunkt der Investitionstätigkeit ste-
bracht, um das Werk in Halle zu gründen und
hen Überlegungen, die sich auf die
das Werk in Hannover zu modernisieren; in
• Art der zu beschaffenden Vermögens- dem Stammwerk musste eine Formpresse
gegenstände durch eine neue Anlage ersetzt werden. Die
• Dauer der betrieblichen Kapitalbindung Gesamtsumme dieser Investitionen betrug
300 Mio. EUR; in den letzten 4 Jahren erfor-
• Wirtschaftlichkeit der Kapitalverwen- derte die Investitionstätigkeit einen Mittelein-
dung satz von 1 Mrd. EUR.
beziehen. Aufgabe
1. Durch welche Art des Investitionsanlasses
wurden in den beiden vorgenannten Bei-
spielen Finanzierungsvorgänge ausgelöst?

1.2 Die Verbindung zwischen Investition und Finanzierung

Der Zusammenhang zwischen Mittelver- Aktiva Bilanz Passiva


wendung (Investition) und Mittelherkunft
(Finanzierung) kann mit einem Blick in die Investitionsbereich Kapitalbereich
Bilanz verdeutlicht werden. Gebäude1, Grund-
stücke1, Maschinen1, Eigenkapital
1.2.1 Die Struktur der Bilanz – Rohstoffe2,
Aktiva Erzeugnisse2
Zahlungsbereich2 Fremdkapital
Der Aktivseite der Bilanz ist zu entnehmen, Zahlungsmittel-
in welchen Vermögensgegenständen das bestände wie Bank-
Kapital gebunden ist. Zu unterscheiden ist guthaben, Kassen-
zwischen lang- und kurzfristigen Vermö- bestand
genstiteln. Das Investitionsgeschehen der
Vergangenheit spiegelt sich in dem Anlage- Auskunft über Art Auskunft über
vermögen des Unternehmens wider. der Mittelverwen- Art der Mittel-
dung herkunft
Zu diesem Anlagevermögen gehören alle 1
Vermögensgegenstände, die auf Dauer oder zum Anlagevermögen gehörend
sehr langfristig an das Unternehmen gebun- 2
Bestandteile des Umlaufvermögens
den sind, z. B. Grundstücke und Gebäude,
Maschinen, Ausrüstungsgegenstände, Finanz- Abb. 3: Mittelherkunft und -verwen-
anlagen. dung in der Bilanz
1. Zum Finanzierungsbegriff 129

Alle übrigen Vermögensgegenstände, die Aus der Bilanz 2005 der DMW AG ist der
durch eine kurze Verweildauer gekennzeich- Zusammenhang zwischen Mittelverwendung
net sind, werden dem Umlaufvermögen und Herkunft der Mittel erkennbar:
zugerechnet: Bestände an Rohstoffen, halb
fertigen und fertigen Erzeugnissen, Forderun- Aktiva in Mio. EUR
A. Anlagevermögen
gen, Wertpapiere (zur vorübergehenden An- I. Immaterielle Vermögensgegenstände 18
lage liquider Mittel), Bankguthaben und Kas- II. Sachanlagen 328
senbestand. III. Finanzanlagen 96
442
B. Umlaufvermögen
1.2.2 Die Struktur der Bilanz – I. Vorräte 166
Passiva II. Forderungen und sonstige
Vermögensgegenstände
Die Passivseite der Bilanz weist die Herkunft – Forderungen aus Lieferungen und
des Kapitals aus. Kapitalquellen sind zum Leistungen 275
– Übrige Forderungen und sonstiges
einen im Eigenkapital und zum anderen im Vermögen 28
Fremdkapital zu sehen. III. Wertpapiere 152
IV. Flüssige Mittel 47
Das Eigenkapital wiederum setzt sich aus C. Rechnungsabgrenzungsposten 10
verschiedenen Positionen der Bilanz zusam- 678
men, und zwar aus Summe Aktiva 1 120

• dem Kapital, das von den Eigentümern


eingebracht wurde und deren Geschäfts- Passiva in Mio. EUR
anteile bezeichnet A. Eigenkapital
I. Gezeichnetes Kapital 90
• der Kapitalrücklage, die in den Kapital- II. Kapitalrücklage 82
gesellschaften entsteht, wenn z. B. neue III. Gewinnrücklagen 260
Aktien zu einem Kurs ausgegeben wer- IV. Jahresüberschuss 24
456
den, der über dem Nennbetrag liegt B. Rückstellungen
1. Pensionsrückstellungen 224
• den Gewinnrücklagen, die – ebenfalls bei
2. Übrige Rückstellungen 210
Kapitalgesellschaften – aus dem Jahres- 434
überschuss gebildet werden C. Verbindlichkeiten
1. Anleihen -
• dem Gewinnvortrag, wenn ein Teil des 2. Verbindlichkeiten gegenüber
Bilanzgewinns auf Beschluss der Gesell- Kreditinstituten 16
schafter in das neue Geschäftsjahr vorge- 3 erhaltene Anzahlungen auf
Bestellungen -
tragen wird
4 Verbindlichkeiten aus Lieferungen
• dem Jahresüberschuss, der das Ergebnis und Leistungen 118
-
der unternehmerischen Betätigung dar-
-
stellt. 8. sonstige Verbindlichkeiten 96
Das Fremdkapital gliedert sich in Rückstel- 664
Summe Passiva 1 120
lungen und Verbindlichkeiten:
Abb. 4: Die Bilanz der DMW AG
130 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

• Rückstellungen für Verbindlichkeiten, Aufgabe


die zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung
2. a) Überlegen Sie, welche Positionen der
erkennbar waren oder bestehen, aber hin-
Aktivseite mit Eigen- und/oder Fremd-
sichtlich ihrer Fälligkeit und Höhe nicht
kapital finanziert worden sind (siehe
genau zu bestimmen sind. Zu diesen
Abb. 4)!
Rückstellungen gehören Pensions- und
sonstige Rückstellungen (siehe Abschnitt b) In welcher Bilanzposition schlägt sich
2.4.3) die Kreditgewährung der Lieferanten
nieder?
• Verbindlichkeiten, deren Höhe und Fäl-
ligkeit am Ende des Geschäftsjahres ge- c) Für welchen Zweck werden Pensions-
nau feststehen. Hierzu gehören die Aus- rückstellungen gebildet?
leihungen der Kreditinstitute und die Beispiel:
Kreditierung durch Lieferanten.
Die unten stehende Abbildung 5 bildet die
Überwiegend wird Kapital durch Bereit- Ausgangsbasis für die folgenden Vorfälle:
stellung finanzieller Mittel beschafft. Des-
1. Die Eigentümer des Unternehmens bringen
halb lassen sich auch die Investitions- und
aus ihrem Privatvermögen ein weiteres
Finanzierungsvorgänge trennen.
Grundstück im Werte von 150 000 EUR
Werden dagegen Sachgüter (Grundstücke, ein.
Maschinen) oder Rechte in das Unternehmen
2. Ein Kredit in Höhe von 20 000 EUR wurde
eingebracht, so finden Finanzierung und In-
durch Banküberweisung getilgt.
vestition in einem Vorgang zu einem Zeit-
punkt statt. Der Bilanz ist diese Form der 3. Aus eigenen Mitteln werden Maschinen im
Kapitalzuführung nicht direkt zu entnehmen. Werte von 20 000 EUR angeschafft.
Denn die bewerteten Sachgüter und Rechte
werden auf der Passivseite als eingebrachtes Ausgangsbilanz
Eigenkapital des Eigentümers oder der Ge- Aktiva Passiva
sellschafter ausgewiesen. Auf der Aktivseite
Investitionen Kapital
der Bilanz erscheint dieses Kapital im Anla-
gevermögen als Sachkapital und – im Fall der Grundstücke/ Eigenkapital 300 000
Rechte – als immaterielles Vermögen. Gebäude 200 000
Maschinen/ Fremdkapital 200 000
Somit löst ein Investitionsvorgang nicht im- Anlagen 150 000
mer eine Beschaffung finanzieller Mittel aus. Lagerbestände 80 000
Ein anderer Teil der Finanzierungsvorgänge, Zahlungsmittel
der sich nicht in Investitionen niederschlägt,
ergibt sich aus der Notwendigkeit, den lau- Bank 60 000
fenden Verbrauch an Faktorleistungen zu Kasse 10 000
500 000 500 000
bezahlen: Mitarbeiter sind zu entlohnen, Lie-
ferantenrechnungen müssen beglichen oder Abb. 5: Finanzierung und Investition in
Steuerforderungen erfüllt werden. der Bilanz
Diese Finanzierungsvorgänge betreffen aus-
schließlich den Zahlungsmittelbereich.
1. Zum Finanzierungsbegriff 131

Sie wirken sich nicht auf den Investitionsteil Bilanzveränderung


der Bilanz aus. Aktiva Passiva
Nicht jeder Finanzierungsakt schlägt sich in Investitionen Kapital
dem Investitionsbereich nieder.
Grundstücke/ Eigenkapital 450 000
Finanzierungsakte sind in der Regel aus der Gebäude 350 000
Bilanz zu entnehmen. Allerdings müssen ihre Maschinen/ Fremdkapital 180 000
Vorgänge hierzu im Einzelnen bekannt sein, Anlagen 170 000
Lagerbestände 80 000
damit sie Schritt für Schritt verfolgt werden
können. Ausgangspunkt ist zunächst die Fest- Zahlungsmittel
stellung, dass in jeder Bilanz der Finanzbe-
reich dem Investitions- und Zahlungsbereich Bank 20 000
Kasse 10 000
gegenübersteht (vgl. Abb. 3).
630 000 630 000
Bei Herstellungsprozessen ohne Absatzleis- Ohne die Umsatztätigkeit des Unternehmens zu berück-
tungen finden auf der Aktivseite der Bilanz sichtigen, hat
1. die Sacheinlage (Grundstück) Eigenkapital und
Vermögensverschiebungen statt, die weder Anlagevermögen erhöht (Investitionsfinanzierung).
eine Bilanzverlängerung noch -verkürzung Diese Investition bewirkt eine Bilanzverlängerung
nach sich ziehen. 2. sich die Kredittilgung aus eigenen Mitteln nicht im
Investitionsbereich ausgewirkt. Zahlungsmittel- und
Durch den Verkauf der Erzeugnisse werden Fremdkapitalbestand verringern sich in gleichem
Gewinne erzielt, die den Kapitalbereich erhö- Maße. Dieser Finanzierungsvorgang führt zu einer
hen und den Zahlungsbereich anwachsen Bilanzverkürzung
3. Die Investition in eine neue Maschine den Kapital-
lassen (Bilanzverlängerung). Finanzielle Mit- bereich nicht verändert. Die Finanzierung wurde mit
tel stehen dann für Investitionszwecke zur eigenen Mitteln durchgeführt. Die Bilanzsumme
Verfügung. bleibt unberührt; das Vermögen hat sich insgesamt
nicht verändert.

Abb. 6: Bilanzwirksame Finanzierungs-


vorgänge

Zusammenfassung
1. Finanzierung umfasst alle Maßnahmen der Unternehmensführung, mit denen die Leis-
tungserstellung und -verwertung kurz-, mittel- und langfristig sichergestellt wird.
2. Finanzierungsvorgänge können sich sowohl auf die Bereitstellung von Eigen- und
Fremdkapital als auch auf das Einbringen von Sachgütern und Rechten erstrecken und
Maßnahmen der Kapitalfreisetzung und -herabsetzung umschließen.
3. Unter Investition wird verstanden
• die Umwandlung von Geldkapital in betriebsnotwendiges Anlage- und Umlaufver-
mögen
• das Einbringen von Sachkapital und immateriellen Vermögenswerten.
4. Eine Investition liegt erst dann vor, wenn das Kapital in betrieblichen Vermögenswerten
gebunden ist.
5. Die Investitionstätigkeit spiegelt sich in den Aktiv- und Passivpositionen der Bilanz
wider. Sie bewirkt im Falle des Kapital- und Vermögenszuwachses eine Bilanzverlän-
gerung. Werden dagegen Geldbestände des Umlaufvermögens in Sachkapital umge-
wandelt, verändert sich die Kapitalsumme nicht.
132 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2. Finanzierungsentscheidungen
2.1 Grundlagen der Finanzierung
2.1.1 Aufgaben der Finanzierung
Wie bereits in der Begriffsbestimmung zur
Aufgaben der Finanzierung
Finanzierung dargestellt, besteht die allge-
meine Aufgabe der finanzwirtschaftlichen
Führung des Unternehmens darin, den be-
trieblichen Leistungsprozess mit finanziellen Kapital- Kapital- Kapital-
beschaffung verwendung verwaltung
Mitteln auszustatten.
Aus dieser allgemeinen Aufgabenstellung
Abb. 7: Aufgaben der Finanzierung
lassen sich drei Aspekte der finanzwirtschaft-
lichen Führung bestimmen:
Kapital muss
1. beschafft werden, um in dem Unterneh- Kapitalbeschaffung
men (in der Regel) Geldkapital bereitzu-
stellen. Die finanzwirtschaftliche Füh-
rung muss deshalb entscheiden, ob
Kapitalherkunft Außen-/Innenfinanzierung
• dieses Kapital von außen (Außenfi- Kapitalart: Eigen-/Fremdkapital
nanzierung) dem Unternehmen zuge-
führt oder aus dem laufenden Betriebs- Abb. 8: Kapitalbeschaffung
prozess bereitgestellt wird (Innen-
finanzierung)
• dieses Kapital aus eigenen Mitteln (Ei-
genfinanzierung) oder als Fremdkapi- Finanzierungsanlässe
tal (Fremdfinanzierung) verfügbar ist
2. eingesetzt werden, um Investitionen zu
besondere Anlässe:
finanzieren (Kapitalverwendung). Die • Gründung
Kapitalverwendung erfolgt aus besonde- • Erweiterung
ren Anlässen, weil beispielsweise Betriebe • Modernisierung
• Rationalisierung
gegründet, erweitert, modernisiert oder • Sanierung
saniert werden
laufende Anlässe:
3. verwaltet werden, um die jederzeitige • Lieferantenrechnungen
• Löhne und Gehälter
Zahlungsfähigkeit (Liquidität) des Unter- • Kostensteuern
nehmens sicherzustellen. Weil die betrieb- • Versicherungsprämien
lichen Ein- und Auszahlungsströme in al-
ler Regel zeitlich auseinander fallen, muss Abb. 9: Finanzierungsanlässe
eine ständige Liquiditätsvorsorge betrie-
ben werden. D.h. für die finanzwirtschaft- Wie deutlich wird, beziehen sich laufende
liche Führung, dass häufig wiederkehrend Anlässe auf den Betriebsprozess, besondere
Finanzierungsentscheidungen getroffen eher auf die Struktur des Unternehmens. Die
werden müssen, um fristgerecht Ausgaben Übergänge können fließend sein (Rationali-
zu leisten (laufende Finanzierung). sierung z.B.)
2. Finanzierungsentscheidungen 133

2.1.2 Finanzwirtschaftliches Aufgabe


Gleichgewicht 3. a) Was verstehen Sie unter einer Sub-
Jährlich müssen einige tausend Unternehmen ventionsfinanzierung, und wie wür-
aufgeben, weil sie ihren Zahlungsverpflich- den Sie diese Finanzierungsart hin-
tungen nicht mehr nachkommen können. Im sichtlich ihrer Auswirkung auf ein-
Verlauf eines Konjunkturabschwungs wächst zelne Bilanzpositionen beschreiben?
diese Zahl zunehmend. Erstes Signal für ein b) Erkundigen Sie sich, welche Sub-
verstärktes Ansteigen der Unternehmenszu- ventionen es von staatlicher Seite gibt.
sammenbrüche ist eine schlechter werdende Welche Wirkung haben diese auf
Zahlungsmoral: Wirtschaftszweige, die von Subventi-
• Unternehmen nutzen vermehrt die einge- onen ausgenommen (2 Beispiele)
räumten Zahlungsziele und verzichten sind.
gleichzeitig auf die Möglichkeit, Skonto-
abzüge zu nutzen. Insolvenzen sind immer schwerer voraus-
zusehen
• Rechnungen werden erst nach mehrmali-
Deutsche Unternehmen sind noch zurückhaltend –
ger Mahnung beglichen. abgesehen von unvermeidlichen Ersatz- und Mo-
Die Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz), die dernisierungsinvestitionen. Viele Gründe spielen
zum Konkurs des Unternehmens führt, tritt hier eine Rolle: ungesicherte Auftragslage, noch
nicht plötzlich ein. Vielmehr liegen die Ursa- anhaltender Ertragsdruck, strukturelle Verwerfun-
chen, wie Analysen der Insolvenzfälle zeigen, gen, unterschiedliche Meinungen über den Zeit-
punkt einer durchgreifenden Konjunkturerholung.
in
Investitionen, insbesondere solche, die den Cash-
• einer zu geringen Eigenkapitalausstattung flow übersteigen, also mit zusätzlichem Kosten-
und Liquiditätsaufwand verbunden sind, wollen
• einer ungünstigen Fremdfinanzierung gut überlegt sein. Freundlicher klingen die Auf-
• Fehlinvestitionen tragssignale, die aus dem Ausland kommen. Gera-
de sie sind häufig mit dem Wunsch nach Finanzie-
• der Unternehmensführung, die nicht rung verbunden.
rechtzeitig auf Marktentwicklungen rea-
Dies macht das Leben für den Lieferanten von
giert hat Investitionsgütern nicht leichter. Zwar wird er im
und nicht zuletzt auch Allgemeinen zur Absatzfinanzierung bereit sein,
aber die Ausfallrisiken sind größer denn je. Zwi-
• einer unzureichenden oder unabwendba- schen Auftragsvergabe und endgültiger Zahlung
ren Finanzplanung. können Monate und Jahre vergehen …
So verdiente beispielsweise ein Fliesenleger- Im Jahre 2003 wurden 39.320 Insolvenzfälle ge-
geschäft an einer Handwerkerstunde (2005) meldet, ein Jahr davor waren es noch 37.579 und
1,96 EUR bei einer Rechnung von 41,12 EUR im Jahre 2001 waren es 32.278. Geht man nur 12
je Handwerkerstunde. Zu wenig, um neu zu Jahre zurück, so belief sich die Zahl auf 8.837. Das
investieren und den Unterhalt des Eigners zu Baugewerbe stand bei den Insolvenzen 2003 an
finanzieren. erster Stelle, gefolgt vom Verkehrsgewerbe und
der Nachrichtenübermittlung. Schließlich waren
Alle unternehmerischen Entscheidungen Unternehmen aus dem Energie- und Wassersektor.
wirken sich auf die Zahlungsfähigkeit der
Quelle: Sieffert, W.: Insolvenzen sind immer schwerer
Unternehmung aus.
vorauszusehen, in: Handelsblatt
Abb. 10: Insolvenzentwicklungen
134 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Hierzu zählen z. B. die Begleichung der Lie- Aufgaben


ferantenrechnungen für den Bezug von Werk-
4. Wodurch wird der zusätzliche „Kosten-
stoffen, die Zahlung von Löhnen und Gehäl-
und Liquiditätsaufwand“ hervorgerufen,
tern, das Einlösen von Wechselverbindlich-
wenn Investitionen über den Cashflow
keiten, die Tilgung der Kredite und die Über-
(vgl. Abschnitt 2.2) hinaus finanziert
weisung der Kreditzinsen.
werden?
Zahlungsfähigkeit – auch Liquidität ge-
5. Nehmen Sie Stellung zu der Aussage:
nannt – bedeutet, dass das Unternehmen zu
„Insolvenzen haben zu Forderungsausfäl-
einem bestimmten Zeitpunkt oder in einer
len bei Verkaufsfinanzierungen geführt
betrachteten Periode seinen Zahlungsver-
und auf Umsatzrendite sowie Liquidität
pflichtungen nachkommen kann. D. h., die
gewirkt.“
aus dem leistungs-(güter-)wirtschaftlichen
Prozess resultierenden Verpflichtungen müs-
sen erfüllt werden.
Das Unternehmen befindet sich dann im fi-
nanziellen Gleichgewichtszustand, wenn die
Zahlungsströme einander entsprechen. Als
Zahlungsströme sind nur ein- und ausgehende
Gelder anzugeben. Schwerpunkt der Eingän-
ge sind Umsätze, Schwerpunkt der Eingänge Abb. 11: Liquidität und Leistungsprozess
sind Kosten (Miete, Rohstoffe, Prämien,
Löhne und Gehälter).
Pressemitteilung
Das finanzielle Gleichgewicht (vgl. S. 39) ist
immer nur eine Momentaufnahme der be- Die Deutsche Motorenwerke AG schafft
trieblichen Zahlungsströme. Die gegenwärti- neue Arbeitsplätze in Halle
gen Zahlungsströme werden jedoch durch Die DMW AG nimmt in ihrem neuen Werk in
Entscheidungen der Unternehmensführung, Halle neben der Produktion des „Sporty“ die Ferti-
die in vorangegangenen Perioden getroffen gung ihres jüngsten Modells „Joy“ auf.
wurden, geprägt:
Die erste Auslieferung wird in den nächsten Tagen
So wurden Investitionen durchgeführt und erfolgen.
finanziert, um den Betriebsmittelbestand zu
Mit dem Joy wurde die Produktlinie der DMW AG
modernisieren und zu erweitern und damit
um ein weiteres Modell ergänzt. Der geplante
langfristig Rentabilität, Wirtschaftlichkeit und
Absatz des „Joy“ wird die bestehenden Arbeits-
Produktivität zu sichern.
plätze in Halle nicht nur sichern, sondern auch eine
Frühere Finanzierungsentscheidungen prägen Ausweitung des Mitarbeiterstammes ermöglichen.
die Zusammensetzung des Gesamtkapitals Es werden weitere 300 Arbeitsplätze geschaffen.
und die Höhe der Aufwendungen und Erträge.
In die Erweiterung der Produktionskapazitäten
Eine hohe Fremdfinanzierungsquote z B.
wurden 45 Mio. EURO investiert. Die Fertigungs-
bewirkt entsprechende Zinszahlungen und
technik konnte weit gehend automatisiert werden.
Tilgungsleistungen, die auch bei konjunktur-
Der Produktivitätszuwachs wird die Ertragskraft
bedingten Absatzrückgängen in unverminder-
der DMW AG nachhaltig verstärken.
ter Höhe anfallen und den Liquiditätsspiel-
raum einengen. Abb. 12: Aus der Presse
2. Finanzierungsentscheidungen 135

Unternehmensleitung

Absatz Beschaffung

Entscheidungen

Kapital- Umsatzerlöse + Produktions-


struktur Umlaufvermögen struktur

Betriebsmittel-
Eigenkapital
ausstattung

Fremdkapital Mitarbeiter

Werkstoff-
verbrauch

• ausgabewirksame Kosten
• kurzfristige Verbindlichkeiten
• Lieferantenverbindlichkeiten

Abb. 13: Finanzwirtschaftliches Gleichgewicht

Die Grundlagen für ein aktuelles finanzielles Aufgaben


Gleichgewicht werden durch langfristig wir-
6. Überlegen Sie, welche Wechselbezie-
kende Entscheidungen geprägt, die das fi-
hung zwischen dem hier angesprochenen
nanzwirtschaftliche Gleichgewicht (vergl.
Produktivitätszuwachs und der Ertrags-
S. 39) bestimmen.
kraft besteht!
Dieser Gleichgewichtszustand kann dann als
7. a) Welche Verbindung gibt es zwischen
erreicht betrachtet werden, wenn die kapital-
Produktivität, Ertragskraft und dem
und güterwirtschaftlichen Strukturen einander
finanzwirtschaftlichen Gleichge-
entsprechen und dazu beitragen, dass die
wicht?
Liquidität gesichert wird und die Gewinnsitu-
ation die gewünschte Rentabilität des einge- b) Warum werden die Grundlagen für
setzten Kapitals bewirkt. Das besagt dann, ein finanzielles Gleichgewicht durch
dass alle Verpflichtungen erfüllt werden kön- langfristig wirkende Entscheidungen
nen, dass die Kapitalgeber zufriedengestellt geprägt?
werden und die Mitarbeiter langfristig im c) Worin sehen Sie die Risiken einer
Unternehmen verbleiben können. langfristigen Betrachtung.
136 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.1.3 Die Beurteilung der Liquidität


Wenn fällige Rechnungen nicht mehr bezahlt kurzfristige Verbindlichkeiten
und die Ansprüche der Gläubiger auf Zins-
und Tilgungsleistungen nicht befriedigt wer-
Verbindlichkeiten aus
den können, ist es für das Unternehmen in Lieferungen und Leistungen
aller Regel zu spät, liquiditätssichernde Maß-
nahmen zu ergreifen.
Kontokorrentverbindlichkeiten
Wie kann aber – auch aus der Sicht eines
externen Betrachters – beurteilt werden, ob
Schuldwechsel
vorhandene Zahlungsmittel ausreichen, die
fälligen kurzfristigen Verbindlichkeiten zu
decken und möglicherweise überschüssige Abb. 14: Arten kurzfristiger Verbindlich-
Geldbestände bis zur Fälligkeit dieser Ver- keiten
bindlichkeiten ertragsteigernd anzulegen?
Zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten Umlaufvermögen
zählen
• Verbindlichkeiten aus Lieferungen und
Leistungen Zahlungsmittel geldferne
und geldnahe Vermögensteile
• Kontokorrentverbindlichkeiten und Vermögensteile (Bestände an
(Termingelder, Werkstoffen und
• kurzfristig fällige Schuldwechsel mit Forderungen) Fertigerzeug-
einer Restlaufzeit von ca. 3 Monaten. nissen)

Die Liquiditätssituation kann differenzierend


betrachtet werden, indem die Teile des Um- Abb. 15: Zusammensetzung des Umlauf-
laufvermögens entsprechend ihrer Liquidier- vermögens unter Liquiditätsas-
barkeit in geldnahe (Zahlungsmittelbestände) pekten
und geldferne Vermögensbestände gegliedert
werden. Die geldfernen Vermögenstitel um- Aufgaben
schließen dann das gesamte übrige Umlauf- 8. Ermitteln Sie die Liquiditätskennziffern
vermögen, das sich u. a. aus Forderungen, Be- 1., 2. und 3. Grades aus der Bilanz der
ständen an Werkstoffen, fertigen sowie halb DMW AG! Bei der Berechnung der Li-
fertigen Vermögensteilen zusammensetzt. quiditätskennziffern ist zu berücksichti-
Diese geldfernen Vermögenstitel müssen erst gen, dass die langfristigen Verbindlich-
noch in Zahlungsmittel umgewandelt werden. keiten 16 Mio. EUR betragen.
Insbesondere bei den Rohstoffen, die erst zu 9. Interpretieren Sie diese Liquiditätsgrade
verkaufsfähigen Produkten verarbeitet werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für das fi-
müssen, und den gelagerten Fertigerzeugnis- nanzwirtschaftliche Gleichgewicht!
sen kann sich die Verflüssigung über einen
längeren Zeitraum erstrecken. Die Tatsache, 10. Erläutern Sie, was unter dem Begriff der
dass das Umlaufvermögen in unterschiedli- „Statischen Liquiditätsbetrachtung“ zu
chem Maße liquidisierbare Mittel aufweist, verstehen ist!
führt zur Unterscheidung in drei Liquiditäts- 11. Nennen und erläutern Sie die Faktoren,
kennziffern. Diese Liquiditätsgrade beschrei- die die Verflüssigung geldferner Vermö-
ben die Liquiditätssituation: gensteile bestimmen!
2. Finanzierungsentscheidungen 137

Liquidität 1. Grades
Zahlungsmi tttelbes tan d
= L1
kurzfristige Verbindlichkeiten

Liquidität 2. Grades
Zahlungsmi tttelbes tan d + Forderunge n
=L
kurzfristige Verbindlichkeiten

Liquidität 3. Grades
Umlaufverm ögen Abb. 16: Liquiditätsplanung
= L3
kurzfristige Verbindlichkeiten

Aufgaben
Aus dieser statischen Liquiditätsbetrachtung 12. Ermitteln Sie den Grad der dynamischen
können nur zeitpunktbezogene Aussagen zur Liquidität aus folgenden Angaben für den
Zahlungsfähigkeit des Unternehmens abgelei- Monat März der DMW AG (Angaben in
tet werden. Es wird nicht berücksichtigt, dass Mio. EUR).
geldferne Vermögenstitel wie Rohstoffbe-
stände oder auf Vorrat produzierte Endpro- Erwartete Einnahmen aus
dukte erst einmal verarbeitet und verkauft Umsatzerlösen .................................190,0
werden müssen, um Einnahmen aus Umsatz- Forderungen..................................... 35,0
erlösen zu erzielen. Zeigt beispielsweise die Wertpapiere (im Umlauf-
Liquidität 3. Grades, dass die kurzfristigen vermögen)........................................120,0
Verbindlichkeiten durch das Umlaufvermö- Kassenbe-
gen zu einem bestimmten Zeitpunkt gedeckt stand/Bankguthaben .........................20,0
sind, so bedeutet dies nicht, dass das Unter- Materialausgaben...............................65,0
nehmen auch tatsächlich zahlungsfähig sein
Personalausgaben ..............................85,0
wird. Sind die Fälligkeitsfristen der kurzfris-
tigen Verbindlichkeiten in der Regel exakt zu Lieferantenverbindlichkei-
bestimmen, so ist nicht genau im Voraus ten ......................................................60,0
bestimmbar, ob auch die Warenbestände Kreditzinsen........................................ 0,5
fristgemäß liquidisierbar sein werden. Tilgungen.............................................0,3
Um eine verfeinerte Liquiditätsbeurteilung Abschreibungen .................................25,0
durchzuführen, müssen bei der Ermittlung der Zinsen auf das eingesetzte
Liquiditätsgrade Fälligkeitsfristen der kurz- Eigenkapital .........................................0,9
fristigen Verbindlichkeiten und die Zeiträu- sonstige Ausgaben .............................12,0
me, in denen geldferne Vermögenstitel in
13. Entwickeln Sie die Struktur eines Fi-
Zahlungsmittel umgewandelt werden können,
nanzplans, mit dem die Liquiditätsverfas-
in die Beurteilung einbezogen werden.
sung des Unternehmens monatlich darge-
Dennoch haben diese Liquiditätsberechnun- stellt werden kann!
gen ihre Bedeutung und werden in allen Be-
14. Überlegen Sie, mit welchen Maßnahmen
trieben mit wissenschaftlich orientierter Aus-
die Unternehmensführung auf rechtzeitig
richtung angewandt.
erkennbare Liquiditätsengpässe oder
-überschüsse reagieren kann!
15. Erläutern Sie die in der Abbildung 5
aufgezeigten Zusammenhänge!
138 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.1.3.1 Dynamische Liquidität


Um die Entwicklung der Zahlungsfähigkeit in
einem überschaubaren Zeitraum von z. B.
einem Monat, einem Viertel- oder Halbjahr
zu begutachten, sind auch die betrieblichen
Strömungsgrößen einzubeziehen. D. h., es
müssen zum einen die Einnahmen erfasst
werden, die aus den geplanten Umsatzerlösen
in dem betrachteten Zeitraum zu erwarten
sind. Zum anderen sind neben den fälligen
Verbindlichkeiten die voraussichtlich ausga-
bewirksamen Kosten in die Liquiditätsbeur-
teilung einzubeziehen. Zu diesen ausgabe-
wirksamen Kosten können beispielsweise
gerechnet werden:
• Personalausgaben
• Mieten
• Fremdkapitalzinsen Abb. 17: Grundlagen für die Berechnung
• Gebühren und Versicherungsbeiträge der dynamischen Liquidität

• Energie- und sonstige Rohstoffkosten.


Liquiditätsrechnungen
Die Liquiditätskennziffer wird somit im Nen- statische dynamische
ner um diese ausgabewirksamen Kosten und Merkmale Liquidität Liquidität
im Zähler um die erwarteten Periodenumsätze Herkunft der Bilanz Bilanz, Gewinn-
Zahlen und Verlust-
erweitert: rechnung,
Zahlungsmi ttel + Forderunge n + Umsätze Kostenrechnung
L dyn = Zweck Erkenntnis- Erkenntnis-
Verpflicht ungen gewinnung über gewinnung über
gegenwärtige zukünftige Zah-
Mit der dynamischen Betrachtungsweise kann Zahlungsfähigkeit lungsfähigkeit
die finanzwirtschaftliche Unternehmensfüh- Einordnung in Kontrollrechnung Vorschaurech-
rung frühzeitig Zahlungsengpässe oder Liqui- das Rech- nung (Finanzpla-
ditätsüberhänge erkennen und hierauf reagie- nungswesen nung)
ren. (vgl. S. 38) Zeitbezug zeitpunktbezogene zeitraumbezogene
Rechnung für die Rechnung für die
Die dynamische Liquiditätsrechnung ist Gegenwart Zukunft
daher auch die Grundlage für eine kurz- und Verwertbarkeit kurzfristige Analy- kurz- und mittel-
se zum finanziel- fristige Zahlungs-
mittelfristig ausgelegte Finanzplanung. len Gleichgewicht flussplanung
Oft werden zusätzliche zu erwartende Einnah- Ziel Finanzbedarfsermittlung und Einlei-
men berücksichtigt. So können z.B. Darlehen tung von Finanzierungsmaßnahmen
zurückfließen oder auf Grund von Lizenzen Abb. 18: Liquiditätsrechnungen im Über-
Gebühren von Lizenznehmern eingehen. blick
2. Finanzierungsentscheidungen 139

Maßnahmen, mit denen die Liquidität gesichert werden kann


• Mit der Hausbank kann, wenn ausreichende Sicherheiten vorhanden sind, eine Auswei-
tung des Kontokorrentkredits vereinbart werden. Auf diese Weise werden Überzie-
hungszinsen und damit zusätzliche Kreditkosten vermieden.
• Mit den Lieferanten können frühzeitig Verhandlungen mit dem Ziel aufgenommen
werden, Zahlungsfristen zu verlängern.
• Die Einkaufsabteilung kann angewiesen werden, in dem Zeitraum der Liquiditätsan-
spannung vorübergehend vorsichtiger zu disponieren. Materialbestellungen, die nicht
dringend benötigt werden, müssen hinausgeschoben werden.
• Die Entwicklung des Forderungsbestandes ist sorgfältig zu beobachten. Zu überprüfen
wäre, ob fällige Forderungen rechtzeitig angemahnt werden und ob eine zügige Rech-
nungsstellung erfolgt.
• Zu prüfen wäre, ob veränderte Skontoregelungen den Zahlungseingang beschleunigen.
• Um Forderungen vor ihrer Fälligkeit vorzufinanzieren, könnte überlegt werden, diese
an eine Factoring-Gesellschaft zu verkaufen (siehe Abschnitt 2.4.4.2).
Neben diesen Maßnahmen, die überwiegend kurzfristig realisiert werden können, kann
zusätzliche Liquidität hergestellt werden, indem
• auf Dauer nicht benötigte Teile des Anlagevermögens veräußert werden. Da Grundstü-
cke mit ihrem Anschaffungswert bilanziert werden, können stille Reserven aufgrund
höherer Verkaufspreise in Geld umgewandelt werden
• Gegenstände des Anlagevermögens an eine Leasinggesellschaft verkauft und von die-
ser wieder gemietet werden (siehe Abschnitt 2.6).
Entscheidungen, Teile des Anlagevermögens zu verflüssigen, wirken sich jedoch nicht
kurzfristig aus. Ein akuter Liquiditätsengpass kann mit diesen Maßnahmen nicht beseitigt
werden.

Maßnahmen, um Liquiditätsüberhängen entgegenzuwirken


• Belaufen sich die erwarteten Einnahmen aus der Umsatztätigkeit über einen längeren
Zeitraum auf mehr als ein oder zwei Monatsausgaben, so sollte die Kassenhaltung re-
duziert und der Liquiditätsüberhang einer ertragreicheren Anlage zugeführt werden.
• Es können festverzinsliche Wertpapiere wie Kommunal- oder Industrieobligationen
und Pfandbriefe erworben und noch vor Fälligkeit an der Börse verkauft werden, ohne
dass größere Kursverluste entstehen.
Auf diese Weise schafft das Unternehmen Liquiditätspolster, die bei akuten Finanzeng-
pässen schnell aufgelöst werden können.
• Bei kürzeren Liquiditätsüberdeckungen empfiehlt sich die Anlage dieser Mittel in Form
von Termineinlagen. Während der Anlagefrist sind diese Mittel nicht kündbar.
• Ferner sind die Lieferantenverbindlichkeiten daraufhin zu überprüfen, ob weitere Skon-
ti durch fristgerechtes Begleichen der Lieferantenrechnungen zu erzielen sind.
 Werden nachhaltige Liquiditätsüberschüsse erwartet, können diese Finanzmittel für
geplante Investitionsvorhaben genutzt werden.
140 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Zusammenfassung
1. Finanzwirtschaftliche Entscheidungen sind darauf gerichtet, Kapital
• zu beschaffen, das im Wege der Innen- und Außenfinanzierung bereitgestellt wird
• im laufenden Betriebsprozess einzusetzen, um die jederzeitige Zahlungsfähigkeit
(Liquidität) zu sichern
• für Investitionszwecke zu verwenden.
2. Kapitalbeschaffung, -verwendung und -verwaltung dienen dem Ziel, das finanzwirt-
schaftliche Gleichgewicht zu erhalten.
3. Der finanzwirtschaftliche Gleichgewichtszustand ist gegeben, wenn die kapital-und
güterwirtschaftlichen Strukturen einander entsprechen und die Liquidität auf längere
Sicht gesichert ist.
4. Das finanzielle Gleichgewicht ist gegeben, wenn das Unternehmen auf kurze Sicht
seine Verbindlichkeiten begleichen kann.
5. Der finanzielle Zustand wird mit Liquiditätskennziffern beurteilt, die entweder zeit-
punkt- oder zeitraumbezogen Aussagen über die Zahlungsfähigkeit ermöglichen.
6. Die statischen Liquiditätskennziffern 1., 2. und 3. Grades drücken das Verhältnis
zwischen Zahlungsmittelbestand und liquidisierbaren Teilen des Umlaufvermögens im
Verhältnis zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten aus.
7. In der dynamischen Liquiditätsbeurteilung
• wird die Zahlungsfähigkeit während eines bestimmten Zeitraumes vorausschauend
dargestellt
• werden neben den kurzfristigen Verbindlichkeiten, die im Planungszeitraum zu
Ausgaben führen, auch die ausgabewirksamen Kosten erfasst
• werden die erwarteten Einnahmen aus Umsatzerlösen den verfügbaren Geldmitteln
zugerechnet.
Die dynamische Liquiditätsrechnung ist Grundlage einer Finanz- und Liquiditätspla-
nung, die einen längeren Zeitraum des laufenden Geschäftsjahres umfasst
8. Die Finanzplanung erleichtert das Erkennen von Liquiditätsengpässen oder -überschüs-
sen und ermöglicht, frühzeitig gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen.
9. Mit diesen liquiditätssteuernden Maßnahmen können zusätzliche Erträge (Anlage liqui-
der Mittel) erzielt oder zusätzliche Kosten (kurzfristige Finanzierungsakte in Engpass-
situationen) vermieden werden.
2. Finanzierungsentscheidungen 141

2.1.4 Ermittlung des Einnahmen aus


Kapitalbedarfs Umsatzerlösen

Bevor das Unternehmen Einnahmen erzielt,


müssen einmalige und laufende Ausgaben
getätigt werden. Zwischen dem Einkauf der Kapitalbedarf

Werkstoffe und dem Absatz der Produkte


liegt eine mehr oder weniger lange Zeitspan-
ne. Während der Dauer des Produktionspro- Dauer der
zesses müssen Materialien gelagert, weiter- Kapitalbindung
verarbeitet und an die Abnehmer ausgeliefert
werden. In der Zwischenzeit sind aber Liefe-
rantenrechnungen zu bezahlen, Personalaus-
gaben und alle anderen Ausgaben zu leisten.
Investitions- Produktions-
Verarbeitungs- oder Produktionsdauer, Ge- ausgaben: prozess:
währung von Zahlungszielen, Umschlagsge- • Grundstücke • Lagerdauer der
• Gebäude Rohstoffe
schwindigkeit der gelagerten Werkstoffe • Maschinen • Verarbeitungs-
bestimmen folglich, wie lange das Unterneh- • Fahrzeuge dauer
• Lagerung/
men auf Rückflüsse in Form von Erlösen zu Transport der
warten hat. Endprodukte
• Zahlungsziele
Diese Zusammenhänge gelten aber auch im
Falle von Neu- oder Erweiterungsinvestitio-
nen, die sich im Anlagevermögen nieder-
schlagen. Bis zur Aufnahme der Produktion Anlage- Umlauf-
vermögen vermögen
und zum Verkauf der Erzeugnisse vergeht
Zeit, in der ein ausgabebedingter Kapitalbe-
darf besteht. Abb. 19: Kapitalbedarf und Dauer der
Kapitalbindung
Aus der Differenz dieser zeitlich verschieden
verlaufenden Zahlungsströme ergibt sich der
Umfang des benötigten Kapitals, das im Um-
laufvermögen gebunden ist. Dieser Kapital- Aufgaben
bedarf ist Ausgangspunkt, um konkrete Fi-
nanzierungsentscheidungen im Einzelfall zu 16. Wie verändert sich der Kapitalbedarf in
treffen. Mit der Kapitalbedarfsrechnung kann einer betrachteten Periode, wenn das Un-
das Unternehmen die Höhe der erwarteten ternehmen Lieferantenkredite in An-
Ausgaben zeitlich genau abschätzen. Der spruch nimmt?
Genauigkeitsgrad dieser Erwartungswerte 17. In welcher Weise wird der Kapitalbedarf
wird durch den Planungshorizont bestimmt. des Unternehmens beeinflusst, wenn
Eine Kapitalbedarfsrechnung, die für eine a) Rechnungsziele verkürzt und
Erweiterungsinvestition vorgenommen wird,
ist bei kürzeren Zeiträumen genauer als bei b) Kundenanzahlungen vereinbart wer-
einer Betrachtung der Investition über die den,
gesamte Nutzungsdauer. c) Anlagegegenstände geleast werden?
142 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Die jeweilige Finanzierungsart wird durch Beispiel:


die Art und Dauer der Kapitalbindung be-
Soll z. B. eine neue Maschine planmäßig 8
stimmt.
Jahre genutzt und in diesem Zeitraum linear
Investitionen im Anlagevermögen binden auf abgeschrieben werden, erfolgt der Kapital-
lange Sicht Kapital, das dementsprechend rückfluss in Höhe dieser Abschreibungen
langfristig bereitgestellt werden muss. Denn über Umsatzerlöse. Das gebundene Kapital
das investierte Kapital im Anlagevermögen wird erst im Verlauf der achtjährigen Nut-
fließt über Umsatzerlöse nur langsam in das zungsdauer freigesetzt. Verlaufen Produktion
Unternehmen zurück. und Absatz planmäßig, wird die erste Ab-
Zwischen den Ausgaben für Produktionsfak- schreibungsrate am Ende des ersten Nut-
toren bis zum erstmaligen Eingang der Um- zungsjahres vollständig zurückgeflossen sein.
satzerlöse liegt eine Zeitspanne, die den lang- Gleiches gilt auch für die Fremdkapitalzinsen,
fristigen Kapitalbedarf im Umlaufvermögen sofern die Anschaffung mit einem Kredit
festlegt. Dieser Kapitalbedarf muss vorfinan- finanziert worden ist. Während die Zinszah-
ziert werden. lungen im laufenden Jahr gleichmäßig erfol-
gen, hängt der Rückfluss dieser Kostenge-
Aus diesem Zusammenhang folgt, dass die genwerte von der Dauer des Produktions- und
Kapitalbindung im Umlaufvermögen umso Absatzprozesses ab.
kürzer ist, je schneller der Produktionsprozess
abläuft. Eine Veränderung dieser Bestimmungsfakto-
ren kann die Höhe des Kapitalbedarfs beein-
Auf die Geschwindigkeit des Umschlagspro- flussen: Lager- und Transportzeiten werden
zesses wirken ein: verkürzt, durch einen höheren Skontosatz
• die technische Ausstattung des Produkti- wird ein Anreiz geschaffen, in kurzer Zeit die
onsapparates, die dem geplanten Absatz- empfangene Ware zu bezahlen.
volumen entsprechen muss (Vermeidung
von Überkapazitäten) Aufgabe
• die Gestaltung der Arbeitsabläufe 18. (1) Grundstücke, Gebäude, Maschinen
• die Qualifikation der Mitarbeiter und der und Einrichtungsgegenstände verur-
Unternehmensführung sachen ein Investitionsvolumen von
1,5 Mio. EUR.
• der Standort des Unternehmens unter
dem Aspekt der Belieferung mit Werk- (2) Zeitbedarf im Durchschnitt:
stoffen und der Nähe zu den Absatzmärk- a) Lagerung der Rohstoffbestände:
ten 20 Tage
• das Leistungsprogramm b) Verarbeitungsdauer 10 Tage
• Umfang und Dauer der lagernden Werk- c) Lagerung des Fertigwarenbe-
stoffe standes 10 Tage
• Lagerzeiten der halb fertigen Erzeugnisse d) Zahlungsziel 20 Tage
(Zwischenlagerung) Beschaffung, Produktion, Lagerung und
• die Dauer des Fertigungsprozesses Vertrieb bewirken einen täglichen Auf-
wand von 12 500 EUR.
• Umfang und Dauer der Lagerung der
Endprodukte Ermitteln Sie den Finanzmittelbedarf im
Umlaufvermögen! Wie hoch ist der Kapi-
• der Transport der Endprodukte
talbedarf insgesamt, der durch die Erwei-
• die Zahlungsweise der Kunden. terungsinvestition nötig wird?
2. Finanzierungsentscheidungen 143

Da die Umsatzerlöse auch Kostenbestandteile Ergänzendes zu den Umsatzerlösen


abdecken, die nicht mehr ausgabewirksam Zu den Zuflüssen, die nicht zur Deckung der
werden und den kalkulierten Gewinn enthal- ausgabewirksamen Kosten benötigt werden,
ten, verringert sich der Finanzmittelbedarf um gehören
diese Teile der Umsatzerlöse.
• kalkulatorische Abschreibungen
Um den Kapitalbedarf zu ermitteln, muss eine
Finanzplanung durchgeführt werden, die als • kalkulatorische Mieten, Zinsen und
Daueraufgabe auf einem System kurz-, mittel- Wagnisse
und langfristiger Pläne aufbaut. • sowie der Stückgewinn (multipliziert mit
der verkauften Menge).
2.2 Der Cashflow Beispiel:
Geplanter Cashflow der DMW AG für das
Der Cashflow drückt den Finanzmittelzufluss Werk Halle nach Aufnahme der erweiter-
in einer Periode aus. Mit dem Cashflow als ten Produktion:
Kennziffer können Aussagen über die Er- • Umsatzerlöse1 7480000 EUR
trags- und Finanzkraft des Unternehmens
abgeleitet werden. • Skonto2 89760 EUR

Ausgangspunkt für die Berechnung des Cash- = Umsatzerlöse (netto) 7390240 EUR
flow ist die Gewinn- und Verlustrechnung. Ausgabewirksame Kosten:
Die dort aufgeführten Erträge werden um die • Personalausgaben 2992000 EUR
Aufwendungen verringert, die in der Rech-
nungsperiode zu Ausgaben geführt haben. Als • Materialausgaben 2244000 EUR
Differenz verbleiben die nichtausgabewirk- • übrige Kosten 1232000 EUR
samen Aufwendungen sowie der vereinnahm-
te Gewinn. Im Einzelnen: • Steuern und übrige Abgaben 132000 EUR

1. Abschreibungen auf das Sachvermögen


und auf das immaterielle Vermögen = Finanzmittelzufluss 790.240 EUR
2. Rückstellungen, die für Verbindlichkei-
ten gebildet werden müssen, die zum
Abschreibungen 495.000 EUR
Zeitpunkt der Rechnungslegung zwar
dem Grunde nach bekannt, deren Fällig-
keit und Höhe aber ungewiss sind. Zu Kalkulierte Kosten 198.000 EUR
diesen Rückstellungen gehören die Pen-
sionsrückstellungen im Rahmen der be-
trieblichen Altersversorgung. Andere Gewinn 97.240 EUR
Rückstellungen können z. B. für Gewähr-
leistungszusagen oder laufende Rechts- Abb. 19: Finanzmittelzufluss
streitigkeiten in der Bilanz passiviert
werden. In die Berechnung des Cashflow
werden nur die langfristigen Rückstel- 1 Umsatzerlöse ergeben sich unter der Annahme, dass
lungen (für Pensionen) einbezogen die Monatsproduktion von 440 Fahrzeugen vollständig
zum Stückpreis von 17 000 EURO (netto, ohne
3. Periodengewinn. MWSt.) abgesetzt wird.
2 Erlösschmälerungen durch Skonto wurden unter der
Bedingung ermittelt, dass 40 Prozent der Käufer den
Skontosatz von 3 Prozent nutzen und innerhalb von 14
Tagen die Rechnung begleichen.
144 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Berechnung des Cashflow


Bilanzgewinn/-verlust
+ Einstellungen aus dem Jahresüberschuss in Gewinnrücklagen
– Entnahmen aus den offenen Rücklagen
– Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
+ Verlustvortrag
= Jahresüberschuss
+ Abschreibungen
– Zuschreibungen
= Cashflow I
+ Erhöhung des Sonderpostens mit Rücklagenanteil
– Minderung des Sonderpostens mit Rücklagenanteil
+ Erhöhung der langfristigen Rückstellungen
– Minderung der langfristigen Rückstellungen
= Cashflow II
+ außerordentlicher Aufwand
– außerordentlicher Ertrag
= Cashflow III

Abb. 20: Berechnung des Cashflow


Erläuterungen zu den einzelnen Positionen der Cashflow-Berechnung:
1 Einstellungen aus dem Jahresüberschuss in Gewinnrücklagen
Ein Teil des Jahresergebnisses kann den Gewinnrücklagen zugeführt werden. Nach § 272 Abs. 3 HGB dürfen als
Gewinnrücklagen nur „solche Beträge ausgewiesen werden, die im Geschäftsjahr aus dem Ergebnis gebildet wor-
den sind. Dazu gehören aus dem Ergebnis zu bildende gesetzliche oder auf Gesellschaftsvertrag oder Satzung be-
ruhende Rücklagen und andere Gewinnrücklagen“. Für Aktiengesellschaften und für Kommanditgesellschaften
auf Aktien (KGaA) gilt, dass 5 Prozent des Jahresüberschusses so lange der gesetzlichen Rücklage zugeführt wer-
den, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen zusammen 10 Prozent des Grundkapitals erreicht ha-
ben (oder den durch Satzung bestimmten höheren Anteil am Grundkapital).
2 Gewinnvortrag aus dem Vorjahr
Der Gewinnvortrag entstammt dem vorangegangenen Geschäftsjahr. Hierbei handelt es sich um den Teil des Jah-
resüberschusses, der weder ausgeschüttet noch den Gewinnrücklagen zugeführt wurde. Um diesen Betrag muss
der Jahresüberschuss vermindert werden, um den Finanzmittelzufluss zu ermitteln.
3 Zuschreibungen
Mit den Zuschreibungen werden die Wertansätze für Gegenstände des Anlagevermögens, der Vorräte und Wert-
papiere korrigiert. Aufgrund vorangegangener niedriger Bewertung dieser Vermögensgegenstände können solche
stillen Reserven aufgelöst werden. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gelten als Obergrenze gegenüber dem letzten Bi-
lanzansatz die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Vermögensgegenstände.
4 Sonderposten mit Rücklagenanteil
Werden bestimmte Teile des Anlagevermögens (wie z. B. Immobilien) veräußert, so können nach § 6b EStG bis
zu 50 Prozent des Veräußerungsgewinns steuermindernd einer Rücklage zugeführt werden (bei Grundstücken und
Gebäuden bis zur vollen Höhe des Veräußerungsgewinns). Diese Rücklage wird als Sonderposten mit Rücklagen-
anteil gebildet. Werden die Rücklagen später aufgelöst, erfolgt eine Besteuerung des in früheren Perioden entstan-
denen Veräußerungsgewinns. Der Sonderposten mit Rücklagenanteil weist folglich einen Eigen- und Fremdkapi-
talanteil auf. Der Fremdkapitalanteil ergibt sich in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuern
vom Einkommen und Ertrag. Die Differenz zwischen Rücklage und Steueranteil bildet den Eigenkapitalanteil.
Der Sonderposten enthält also vorübergehend Rücklagen, die für Investitionszwecke wieder (gewinnerhöhend)
aufgelöst werden.
Die Erträge aus der Auflösung von Sonderposten sowie deren Erhöhung müssen in der GuV-Rechnung ausgewie-
sen werden. Einstellungen in den Sonderposten mit Rücklagenanteil müssen dem Cashflow I hinzugerechnet wer-
den. Auflösungen dagegen vermindern den Finanzmittelzufluss in der betrachteten Periode.
5/6 Außerordentliche Aufwendungen und Erträge
Nach § 277 Abs. 1 HGB sind alle Aufwendungen und Erträge, die nicht im Rahmen der gewöhnlichen Geschäfts-
tätigkeit entstanden sind, als außerordentlicher Aufwand oder Ertrag gesondert in der GuV-Rechnung auszuwei-
sen. Der Bilanzgewinn ist daher um die zahlungswirksamen außerordentlichen Aufwendungen zu erhöhen und um
die zahlungswirksamen außerordentlichen Erträge zu vermindern.
2. Finanzierungsentscheidungen 145

Welche Aussagekraft kann dem Cashflow Cash-Flow


zugeordnet werden?
Wenn unterstellt wird, dass die Erlöse der
abgelaufenen Rechnungsperiode vollständig Investitionsmittel
in Form liquider Mittel dem Unternehmen
zugeflossen sind, ergibt sich ein Betrag an
Liquidität, der für verschiedene Zwecke ver- Kredittilgung
wendet werden kann:
Mit dem Cashflow können
Gewinnausschüttung
• Kredite vorzeitig getilgt
• zusätzliche Investitionen finanziert oder
Ersatzinvestitionen durchgeführt Abb. 21: Verwendung des Cashflow

• Beteiligungen erworben Aufgaben


• Materialbestände ausgeweitet oder 19. Für welchen Zweck würden Sie den
• Gewinne ausgeschüttet Cashflow zuerst verwenden?
werden. 20. Berechnen Sie den Cashflow der DMW
Sollen die liquiden Mittel für die oben ge- AG mit Hilfe der vorliegenden Gewinn-
schilderten Vorhaben verwendet werden, so und Verlustrechnung!
ist zu berücksichtigen, dass diese Finanzmittel Gewinn- und Verlustrechnung der DMW AG
nicht unbeschränkt lange gebunden werden für das Jahr 2005 (in EUR)
können. Umsatzerlöse.............................................1030
Der für Gewinnausschüttungen vorgesehene Veränderungen des Bestandes an ferti-
Betrag ist nur so lange frei verfügbar, bis die gen und unfertigen Erzeugnissen................115
Hauptversammlung der Aktiengesellschaft sonstige betriebliche Erträge.........................25
einen Gewinnverwendungsbeschluss gefasst Materialaufwand ....................................... -515
hat. Personalaufwand1 ..................................... -564
Auch die Mittel, die für Erweiterungsinvesti- Abschreibungen auf immaterielle
tionen eingesetzt werden sollen, können nur Vermögensgegenstände des Anlage-
bis zum Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung vermögens und Sachanlagen....................... -65
verplant werden, weil ein Teil des Cashflow sonstige betriebliche Aufwendungen............ -6
aus Abschreibungsgegenwerten besteht. Und Erträge aus Beteiligungen.............................25
der Finanzmittelzufluss, in dessen Höhe Pen- sonstige Zinsen und ähnliche Erträge .............5
sionsrückstellungen gebildet wurden, wird Zinsen und ähnliche Aufwendungen ............ -9
dann ausgabewirksam, wenn die Ansprüche Ergebnis der gewöhnlichen Geschäfts-
der Belegschaftsmitglieder aus der zugesagten tätigkeit .........................................................41
betrieblichen Altersversorgung fällig werden. Steuern vom Einkommen und Ertrag ........... -4
sonstige Steuern ............................................ -3
Handelt es sich um Abschreibungen, die im Jahresüberschuss...........................................24
ersten Jahr der Nutzungsdauer veranschlagt Einstellung in Gewinnrücklagen ................ -12
wurden, bleiben bei einer Nutzungsdauer von Bilanzgewinn ................................................12
4 Jahren immer noch 3 Jahre bis zur nächsten
Ersatzbeschaffung übrig.

1 Enthalten sind 5,5 Mio. EUR für Pensionsrück-


stellungen
146 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.2.1 Cashflow und Verschuldungsgrad

Mit dem Cashflow als Kennzahl wird nicht Beispiel:


nur die innere Finanzkraft des Unternehmens
Die Berechnung des dynamischen Ver-
beurteilt, sondern auch die Fähigkeit, in wel- schuldungsgrades
chem Zeitraum die vorhandenen Verbindlich-
keiten aus dem Finanzmittelzufluss der be- Der Jahresüberschuss, den die DMW AG in
trachteten Periode getilgt werden können. ihrem Jahresabschluss 2005 (siehe Aufgabe
Diese Cashflow-Kennziffer wird als Ver- 20) ausgewiesen hat, ist Ausgangspunkt der
schuldungsgrad des Unternehmens be- Berechnung:
zeichnet. Jahresüberschuss 24,0 Mio. EUR
Unterstellt wird, dass der gesamte Finanzmit- + Einstellungen in
telzufluss einer Periode für die Kredittilgung Gewinnrücklagen 12,0 Mio. EUR
verwendet wird. + Abschreibungen 65,0 Mio. EUR
= Cashflow I 101,0 Mio. EUR
Bestand an Verbindlichkeiten
Verschuldungsgrad = + Pensionsrückstellungen 5,5 Mio. EUR
Cash-Flow
= Cashflow II 106,5 Mio. EUR
Ein niedriger Verschuldungsgrad weist auf
eine vergleichsweise günstige Finanzstruktur Bestand an Verbindlichkeiten (vgl. Abb. 4):
und eine geringe Abhängigkeit von Gläubi- Pensionsrückstellungen 224,0 Mio. EUR
gern hin. Für Fremdkapitalgeber gilt ein ge- übrige Rückstellungen 210,0 Mio. EUR
ringer Verschuldungsgrad als Hinweis, dass Verbindlichkeiten
das Unternehmen in der Lage ist, aus dem gegenüber Banken 16,0 Mio. EUR
laufenden Betriebsprozess die Tilgungs- und Lieferverbindlichkeiten 118,0 Mio. EUR
Zinsverpflichtungen zu bestreiten. sonst. Verbindlichkeiten 96,0 Mio. EUR
Umgekehrt gilt: Je höher dieser dynamische Summe
Verschuldungsgrad ausfällt, desto geringer Verbindlichkeiten 664,0 Mio. EUR
sind die Aussichten des Unternehmens, weite- – Flüssige Mittel
re Kredite von Gläubigern zu erhalten. Denn und Wertpapiere 199,0 Mio. EUR
für Gläubiger wächst mit höherem Verschul- = Netto-
dungsgrad das Risiko, dass das Unternehmen Gesamtverschuldung 465,0 Mio. EUR
nicht planmäßig seinen Tilgungs- und Zins-
zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, Gesamtverschuldung 465,0 Mio. EUR
wenn sich z. B. konjunkturbedingt die Ab- Cashflow 106,5 Mio. EUR
satzchancen verschlechtern. Für sie (Gläubi- = Verschuldungsgrad 4,37
ger) steigt demnach das Zahlungswagnis im
Rahmen des Vertriebswagnisses. Allerdings Die DMW AG benötigt 4,4 Jahre, um mit
haben sich die meisten Verkäufer durch eine dem Cashflow die Verbindlichkeiten zu til-
Wagnisprämie „selbst“ versichert. Wegen der gen. Bei der Betrachtung des dynamischen
Konkurrenzfähigkeit verzichten Kleinbetriebe Verschuldungsgrades wird aber unterstellt,
und mittlere Unternehmen auf eine derartige dass der Cashflow des Jahres 2005 in dieser
Wagnisprämie, insbesondere in konjunkturel- Höhe in den Folgejahren anfallen und aus-
len Schwächeperioden. schließlich zur Kredittilgung verwendet wird.
2. Finanzierungsentscheidungen 147

teilweise gebunden in
• erhöhten Beständen in Halb- und
Fertigerzeugnissen
• erhöhten Forderungsbeständen

Cash-Flow

Abschreibungen

Zuführung zu den langfristigen


Rückstellungen

Bilanzgewinn + Einstellungen in
offene Rücklagen

Abb. 22: Verwendung des Cashflow

Zusammenfassung
Mit Hilfe der Kennziffer „Cashflow“ kann die finanzielle Struktur des Unternehmens beur-
teilt werden.
Der Cashflow ist Teil einer dynamischen Liquiditätsbeurteilung. Während die Liquiditäts-
kennziffern des 1. bis 3. Grades nur eine zeitpunktbezogene (statische) Betrachtung der
Finanzkraft des Unternehmens erlauben, ermöglicht die Cashflow-Analyse Aussagen über
den Netto-Finanzmittelzufluss (einschließlich vereinnahmter Abschreibungserlöse) im Ge-
schäftsjahr.
Der Cashflow ist somit Ausdruck für den erwirtschafteten Überschuss der Einnahmen über
die Ausgaben. Dieser Einnahmeüberschuss konnte in der Rechnungsperiode für verschiede-
ne Zwecke verwendet werden:
• Schuldentilgung
• Investitionsfinanzierung
• Gewinnausschüttung
• Liquiditätszuführung.
Der Cashflow umreißt den finanziellen Spielraum, der für Zwecke der Innenfinanzierung
genutzt werden konnte. Wird der Cashflow um den Teil auszuschüttenden Gewinns verrin-
gert, ergibt sich der Überschuss, der für innenfinanzierte Investitionen zur Verfügung stand.
Im Vergleich über mehrere Jahre ist der Cashflow besser als der ausgewiesene Bilanzge-
winn geeignet, die Ertragslage des Unternehmens zu beurteilen. Da die Höhe der Abschrei-
bungen auf Investitionen in der Vergangenheit zurückzuführen ist, können aus dem Bilanz-
gewinn nur bedingt Aussagen über die Ertragskraft abgeleitet werden. So führt beispielswei-
se eine verstärkte Investitionstätigkeit zu höheren Abschreibungen, die bei gegebenen Um-
satzerlösen einen geringeren Gewinnausweis bewirken.
148 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Werden die Abschreibungen auf das Anlagevermögen in die Beurteilung einbezogen, kön-
nen die Auswirkungen der Investitionstätigkeit auf das Unternehmensergebnis eindeutig
beurteilt werden.
Der Aussagekraft des Cashflow sind aber auch Grenzen gesetzt, weil er nicht unbedingt die
verfügbare Liquiditätsmasse am Ende der Rechnungsperiode anzeigt:
• Im Jahresverlauf kann ein Teil des Überschusses in erhöhten Lagerbeständen an halb
fertigen und fertigen Erzeugnissen gebunden sein. Diese Lagerbestandsveränderungen
erscheinen in der GuV-Rechnung (siehe Aufgabe 20). Mit der Lagerproduktion sind a-
ber (überwiegend) ausgabewirksame Aufwendungen entstanden. Ein Teil des Gewinns
ist ebenfalls in dem Vorratsvermögen gebunden und wird erst durch Verarbeitung und
Veräußerung dieser Güter zu Umsatzerlösen.
• Verkäufe auf Ziel erhöhen den Forderungsbestand. Wenn diese Forderungen erst in der
kommenden Rechnungsperiode realisiert werden, so stehen die flüssigen Mittel auch
erst dann zur Verfügung.

2.3 Die Quellen der Finanzierung

2.3.1 Eigen- und Fremdkapital


Jede Investition bindet auf längere Sicht in
Formen der Finanzierung
dem Unternehmen Kapital. Geldkapital wird
in Sachkapital umgewandelt. Jedoch kann
nicht immer eine beabsichtigte Investition, sei
Mittelherkunft
sie noch so wirtschaftlich, sofort durchgeführt
werden. Zuerst einmal ist die Frage zu klären,
auf welche Weise sich das Unternehmen das Innenfinanzierung
benötigte Kapital beschafft. Neben der Frage,
ob eine geplante Investition auch vorteilhaft Rücklagen
ist, müssen also Finanzierungsüberlegungen
angestellt werden. Stille Reserven

Dem Unternehmen stehen verschiedene For- Abschreibungen


men der Finanzierung zur Verfügung. Zum
einen kann dem Unternehmen von außen
Eigen- oder Fremdkapital zugeführt werden Außenfinanzierung
(Außenfinanzierung). Zum anderen können
die benötigten finanziellen Mittel aus eigener Einlagen
Kraft im Rahmen der Selbstfinanzierung
gedeckt werden, es sei denn, dass es sich um Beteiligungen
neugegründete Unternehmen handelt, bei
Fremdkapital
denen noch keine Gewinne angefallen sind.
Über die Art, wie das Unternehmen finanziert
worden ist, gibt die Bilanz Auskunft.
Rechtsstellung der Kapitalgeber

Abb. 23: Formen der Finanzierung


2. Finanzierungsentscheidungen 149

Wird nach der Rechtsstellung der Kapitalge- Zusammensetzung des Eigenkapitals der
ber unterschieden, so kann der Bilanz ent- Kapitalgesellschaften
nommen werden, in welchem Umfang in dem
Unternehmen aus eigener Kraft (Eigenfinan-
zierung) Kapital erwirtschaftet wurde und in
welchem Maße Dritte als Gläubiger Fremd- • Gezeichnetes Kapital
kapital (Fremdfinanzierung) zur Verfügung (AG)
Rücklagen
gestellt haben. • Stammkapital
(GmbH)

2.3.1.1 Zum Eigenkapital


Je nach Rechtsform des Unternehmens wird
das Eigenkapital unterschiedlich bezeichnet.
Gewinnrücklagen Kapitalrücklage
In Einzelunternehmen und Personengesell-
schaften, zu denen die
• offene Handelsgesellschaft (oHG) Gesetzliche Agio bei Ausgabe
Rücklage eigener Anteile
• Kommanditgesellschaft (KG) und
• Gesellschaft mit beschränkter Haftung
& Co. KG (GmbH & Co. KG) Satzungs-mäßige Agio bei Wechsel-
Rücklage schuld-
gehören, wird dieses Kapital als Eigen- oder verschreibungen
Gesellschafterkapital bezeichnet. KG und
GmbH & Co. KG weisen darüber hinaus auch
das Einlagenkapital der Kommanditisten Rücklage für Zuzahlungen für
aus. eigene Anteile Vorzugsrechte

Das Eigenkapital der Kapitalgesellschaften


wird in der
Andere Andere Zuzah-
• Aktiengesellschaft (AG) als gezeichne- Rücklagen lungen der
tes Kapital oder Grundkapital Gesellschafter in
das Eigenkapita
• Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(GmbH) als Stammkapital
1 Gewinnrücklagen
bezeichnet. § 272 Abs. 3 HGB: „Als Gewinnrücklagen dürfen nur
Beträge ausgewiesen werden, die im Geschäftsjahr
Die Genossenschaften weisen die Einlagen oder in einem früheren Geschäftsjahr aus dem Ergeb-
der Genossenschaftsmitglieder als Geschäfts- nis gebildet worden sind. Dazu gehören aus dem Er-
guthaben aus. Zu dem Eigenkapital der Kapi- gebnis zu bildende gesetzliche oder auf Gesellschafts-
vertrag beruhende Rücklagen und andere Gewinnrück-
talgesellschaften gehören außerdem noch die lagen.“
verschiedenen Rücklagen, die aufgrund sat-
zungsmäßiger oder gesetzlicher Bestimmun- 2 Gesetzliche Rücklage
Nach § 150 Abs. 1 AktG müssen AG und KGaA in Höhe
gen (§§ 266 Abs. 2, 268 Abs. 1, 272 HGB) von 5 Prozent des Jahresergebnisses – abzüglich eines
oder freiwillig gebildet werden. Sie gehören Verlustvortrages – eine Rücklage bilden. Gewinnanteile
zu dem variablen Eigenkapital und werden sind so lange dieser Rücklage zuzuführen, bis diese – zu-
in Gewinn- und Kapitalrücklagen unter- sammen mit den Kapitalrücklagen – 10 Prozent des
Grundkapitals erreichen. Durch Satzung kann auch ein
schieden. Diese Differenzierung lehnt sich an höherer Wert bestimmt sein.
die Gliederung der Finanzierungsarten in
Außen- und Innenfinanzierung an.
150 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Die Gewinnrücklagen (siehe Abb. 24) enthal- 3 Satzungsmäßige Rücklagen


ten den Teil des Gewinns, der nicht an die In der Satzung der AG sowie im Gesellschaftervertrag
der GmbH kann über die gesetzliche Rücklage hinaus-
Kapitaleigner ausgeschüttet wurde. Er ver- gehend vereinbart werden, dass ein weiterer Teil des Jah-
bleibt im Unternehmen und wird damit the- resergebnisses in die Gewinnrücklagen eingestellt wird.
sauriert (einbehalten). Der thesaurierte Ge- 4 Rücklage für eigene Anteile
winn kann zur Finanzierung von Investitionen Besitzt die AG eigene Aktien, die auf der Aktivseite der
oder zur vorzeitigen Kredittilgung verwendet Bilanz auszuweisen sind, so muss für den entsprechen-
werden (siehe auch Berechnung des Cashflow), den Gegenwert eine Rücklage aus dem Jahresergebnis
gebildet werden (§ 272 Abs. 4 HGB). Dies gilt auch für
jedoch ist dazu notwendig, dass ihm Bargeld Anteile, die ein herrschendes Unternehmen oder ein mit
oder Geldtitel gegenüberstehen, die Investiti- Mehrheit beteiligtes Unternehmen hält.
onen bezahlen lassen. 5 Andere Rücklagen
Die Kapitalrücklagen, die abschließend in Nach § 58 Abs. 2 AktG kann die Gesellschaft über die
vorgenannten Möglichkeiten hinausgehen und einen
§ 272 Abs. 2 HGB aufgeführt sind, stehen für weiteren Teil des Jahresüberschusses den freien Rück-
zusätzliches Beteiligungskapital, das von lagen zuführen. Jedoch darf die freie Rücklage nicht
außen dem Unternehmen zugeführt wurde. mehr als die Hälfte des Grundkapitals ausmachen.
Gewinn- und Kapitalrücklagen werden in der 6 Kapitalrücklage
Nach § 272 Abs. 2 HGB sind für die folgenden Fälle
Bilanz offen ausgewiesen (offene Rückla-
Kapitalrücklagen zu bilden:
gen). Daneben können aber auch Rücklagen
7 Agio bei Ausgabe eigener Anteile
existieren, die aus der Bilanz nicht ersichtlich Werden die Anteile an der Gesellschaft zu einem höhe-
sind. Es handelt sich um stille Reserven. Sie ren Betrag als dem Nominalwert ausgegeben, so ist die-
entstehen vor allem, weil Teile des Anlage- ser Aufschlag (Agio) der Kapitalrücklage zuzuführen.
oder Umlaufvermögens unterbewertet wur- 8 Agio bei Wandelschuldverschreibungen
den: Grundstücke werden zum Anschaf- Dies gilt auch für Beträge, die bei Ausgabe von
fungswert bilanziert, obwohl sie zum Zeit- Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Op-
tionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt werden.
punkt der Bilanzierung einen höheren Markt-
(Verkehrswert) aufweisen; die Abschreibung 9 Zuzahlungen für Vorzugsrechte
Leisten Gesellschafter Zuzahlungen beim Erwerb ihrer
von Anlagegegenständen übersteigt die tat- Anteile, um bevorrechtigt am Gewinn oder Liquidati-
sächliche Wertminderung dieser Güter. onserlös des Unternehmens beteiligt zu werden, so ist
auch dieser über den Nominalwert hinausgehende Be-
Des Weiteren werden stille Reserven durch trag der Kapitalrücklage zuzuführen.
Überbewertung einzelner Positionen auf der
10 Andere Zuzahlungen
Passivseite aufgebaut. Die Bildung von Rück- Es handelt sich hierbei um Zuzahlungen der Gesellschaf-
stellungen bietet hierfür Ansatzpunkte, indem ter, die satzungsgemäß, freiwillig oder aufgrund gesetz-
zukünftig einzulösende Verpflichtungen sehr licher Bestimmungen zu erbringen sind. So bestimmt §
vorsichtig bewertet werden. Die stillen Reser- 26 GmbHG z. B., dass nach dem Gesellschaftsvertrag
neben den Stammeinlagen weitere Einzahlungen von
ven werden aufgelöst, wenn unterbewertete den Gesellschaftern eingefordert werden können (Nach-
Vermögensgegenstände veräußert werden schusspflicht).
oder der Rückstellungsgrund (z. B. Prozess-
Abb. 24 Die Zusammensetzung des
kostenrisiko) entfallen ist.
Eigenkapitals der Kapitalgesell-
schaften
2. Finanzierungsentscheidungen 151

Der Zahlungsmittelzufluss, der sich aus die- Aufgaben


sen aufgelösten Reserven ergibt, erhöht den
21. Von welcher Bilanzposition wird ausge-
Gewinn und ist damit der Besteuerung unter-
gangen, um den Bilanzgewinn zu ermit-
worfen. Um Investitionen zu finanzieren, sind
teln?
also zuerst stille Reserven aufzulösen, wäh-
rend einbehaltene und den Rücklagen zuge- 22. Stellen Sie die Gewinnverwendungsrech-
führte Gewinne sofort zur Verfügung stehen; nung nach der aktienrechtlichen Gliede-
es sei denn, ein Teil des Gewinns ist in dem rung (§ 158 Abs. 1 AktG) dar!
Vorratsvermögen gebunden und wird erst im 23. Ein Teil des Bilanzgewinns kann auf die
Verlaufe des Umsatzprozesses „verflüssigt“. neue Rechnung des kommenden Ge-
Dass Eigenkapital die sicherste Finanzie- schäftsjahres vorgetragen werden.
rungsform darstellt, steht außer Zweifel. Für Wie lange steht dieser Gewinnvortrag der
dieses Kapital müssen keine Zinsen gezahlt Gesellschaft als Eigenkapital zur Verfü-
und Tilgungen geleistet werden. Die Kapital- gung?
eigner erhalten ihren Anteil an dem ausge- 24. Interpretieren Sie Abbildung 23!
schütteten Gewinn. Sie tragen das Risiko, in
Verlustperioden keine Vergütung ihres Kapi-
taleinsatzes zu erhalten. Im Extremfall der
Insolvenz gehen sie das Risiko eines vollstän-
digen Kapitalverlustes ein.

2.3.1.2 Zum Fremdkapital


Der Unterschiedsbetrag zwischen Eigenkapi-
tal und Bilanzsumme weist die Verbindlich-
keiten (Fremdkapital) aus. Üblicherweise
wird das Fremdkapital nach der Kapitalüber-
lassungsdauer gegliedert in
• langfristiges Fremdkapital: Hierunter
fallen Hypothekarkredite und Grund-
schulden, Schuldverschreibungen und
Wandelobligationen. Nach § 285 Abs. 1
Nr. 1 HGB müssen Verbindlichkeiten mit
einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jah-
ren als langfristiges Fremdkapital in der
Bilanz ausgewiesen werden durch Rückzahlungen nur bei Austritt von Gesell-
schaftern in Personengesellschaften
• mittelfristiges Fremdkapital: Darlehen
mit einer Restlaufzeit von mehr als einem nur durch Mitgesellschafter (z. B. KG) möglich
Jahr (bis maximal fünf Jahre) Abb. 25: Merkmale des Eigenkapitals
• kurzfristiges Fremdkapital: Verbind- Quelle: In Anlehnung an Tiedtke, J./ Harm-
lichkeiten aus Lieferungen und Leistun- gardt, W.: Investition und Finanzierung, Bad
gen einschließlich der Wechselkredite Harzburg 1992
aufgrund eines Warengeschäfts sowie
kurzfristige Rückstellungen, die für die
Dauer eines Jahres gebildet werden (z. B.
für erwartete Reparaturen).
152 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Kapitalart Eigenkapital Fremdkapital


Merkmal
Liquidität wird nicht durch Rückzahlungsver- wird durch Zins- und Tilgungs-
pflichtungen eingeschränkt (Aus- leistungen eingeschränkt
nahme: bei Austritt von Gesellschaf-
tern aus Personengesellschaften)
Verzinsung keine; Verzinsung nur in Form eines zwischen Gläubiger und Schuldner
Gewinnanspruchs vertraglich vereinbart; Zinshöhe
auch abhängig von dem Kreditrisiko
zeitliche Verfügbarkeit unbegrenzt; Ausnahme wie bei dem wird vertraglich vereinbart
Liquiditätsmerkmal • kurzfristig: max. 1 Jahr
• mittelfristig: 1 – 5 Jahre
• langfristig: mehr als 5 Jahre
Stellung des Eigentümer des Unternehmens trägt Gläubiger trägt das Kreditrisiko in
Kapitalgebers das Risiko Höhe des überlassenen Kapitals
Beschränkung durch keine; Ausnahme durch Gesellschaf- möglich, wenn der Kredit zweck-
den Kapitalgeber ter möglich: Teilung der Geschäfts- gebunden gewährt worden ist
führungs- und Vertretungsbefugnis
in Personengesellschaften; in Kapi-
talgesellschaften Trennung zwischen
Organen und Anteilseignern
Abb. 26: Unterscheidungsmerkmale des Eigen- und Fremdkapitals im Überblick

Im Gegensatz zum Eigenkapital birgt das


Fremdkapital zusätzliche Liquiditätsrisiken,
wenn das Unternehmen Absatzeinbrüche
erlebt und auf Umsatzerlöse verzichten muss.
Denn Tilgung und Zinszahlungen sind unab-
hängig von der aktuellen Liquiditätsverfas-
sung zu tragen. Gläubiger können, wenn der
Schuldner mit seinen Leistungen aus dem
Kreditverhältnis in Verzug gerät, in aller
Regel den gesamten Kreditbetrag vorzeitig
kündigen und den Schuldner in zusätzliche
Bedrängnis bringen.
Außerdem werden sich Kreditgeber nur dann
auf ein entsprechendes Engagement einlassen,
wenn sie das Unternehmen als kreditwürdig
betrachten und Kreditrisiken für kalkulierbar
halten. Höhere Kreditrisiken werden von dem Abb. 27: Merkmale des Fremdkapitals
Kreditgeber nur gegen entsprechend höhere *Quelle: In Anlehnung an Tiedtke, J./ Harm-
Zinsansprüche in Kauf genommen. gardt, W.: Investition und Finanzierung, Bad
Harzburg 1992
2. Finanzierungsentscheidungen 153

Im Gegensatz zur Eigenfinanzierung durch Bilanz der Unternehmen nach Rechtsformen1


Kapitaleigner einer Gesellschaft geht das
kreditnehmende Unternehmen bis auf Zins- davon
Alle Kapital- Personen- Einzel-
und Tilgungsverpflichtungen keine weiteren Rechts- gesell- gesell- unter-
Position formen schaften schaften nehmen
Zugeständnisse ein, es sei denn, der Kredit % der Bilanzsumme
wurde zweckgebunden gewährt. Die Ge- Vermögen
Sachvermögen 49,1 42,8 55,2 74,3
schäftsführungs- und Vertretungsbefugnis Sachanlagen 25,9 24,1 26,8 35,0
Vorräte 23,1 18,6 28,4 39,2
liegt nach wie vor in den Händen des Unter-
nehmens und muss nicht mit weiteren Perso- Forderungsvermögen 50,5 56,9 44,3 24,8
Kassenmittel 4,4 4,0 5,5 3,8
nen geteilt werden.
Forderungen 31,4 32,9 32,2 19,9
kurzfristige 29,2 30,6 29,9 18,9
langfristige 2,2 2,3 2,3 1,0

Wertpapiere 3,0 4,3 1,0 0,1


2.3.2 Die Kapital- und Beteiligungen 11,7 15,7 5,6 0,9

Vermögensstruktur Rechnungs-
abgrenzungsposten 0,4 0,3 0,5 1,0
Aktiva insgesamt =
In ihren Untersuchungen zu den Ursachen Bilanzsumme 100,0 100,0 100,0 100,0
von Unternehmensinsolvenzen hat die Deut-
sche Bundesbank festgestellt, dass als relativ
Kapital
häufigster Grund eine mangelhafte Eigenka- Eigenmittel 17,6 24,3 11,4 -10,0
pitalausstattung zum Zusammenbruch von Fremdmittel 81,9 75,1 88,3 110,0
Unternehmen geführt hatte. Private Institute Verbindlichkeiten 62,4 50,4 75,6 106,1
kurzfristige 44,9 39,4 51,2 64,5
sehen als Ursache von Insolvenzen auch Ma- langfristige 17,5 11,0 24,4 41,6
nagementfehler, die gemacht wurden. Rückstellungen 19,6 24,7 12,7 4,1
darunter:
Konjunkturbedingte Absatzeinbußen führen Pensions-
rückstellungen 8,3 10,8 4,8 0,4
rasch zu Verlusten, die nur dann aufgefangen
werden können, wenn das Unternehmen über Rechnungs-
abgrenzungsposten 0,5 0,6 0,3 0,0
eine hinreichende Ausstattung mit Eigenkapi- Passiva insgesamt =
tal verfügt. Abbildung 29 zeigt, dass die Bilanzsumme 100,0 100,0 100,0 100,0

westdeutschen Unternehmen im Durchschnitt


nur eine sehr geringe Eigenkapitaldecke auf- Nachrichtlich: Umsatz 155,1 139,4 189,7 170,2
weisen. Erleidet das Unternehmen einen
nachhaltigen Verlust, verschiebt sich automa-
tisch die Kapitalstruktur zu Lasten des Eigen- geschätzt auf der Basis hochgerechneter Ergebnisse
kapitalanteils. Als Konsequenz ergeben sich Einschl. immaterieller Vermögensgegenstände
angesichts geringerer Mittelzuflüsse relativ Einschl. nicht abgerechneter Leistungen
Kasse und Bankguthaben
höhere Ausgaben, die für Tilgung und Ver- Abzüglich Berichtigungsposten zum Eigenkapital
zinsung der Kredite aufzubringen sind. Einschl. anteiliger Sonderposten mit Rücklageanteil
Um gegen – zumindest kurzfristige – Verluste
gewappnet zu sein, sollte das Unternehmen Abb.28: Bilanz der Unternehmen nach
bestimmte Finanzierungsregeln beachten. Rechtsformen
154 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwi- Einer der ältesten Flugzeugbauer der Welt muss ins
schen Eigen- und Fremdkapital herzustellen Gras beißen:
und zu erhalten. 1919: Firmengründung.
1985: Jungfernflüge der Fokker F 50 und F 100.
1. Grundsatz der Fristenentsprechung 1987: Niederländische Regierung muss Fokker vor
dem Konkurs retten.
Das langfristig gebundene Vermögen, zu dem 1993: Daimler Benz Aerospace (DASA) steigt bei
das Anlagevermögen und teilweise das Um- Fokker ein (Kauf von Fokker-Aktien und damit
laufvermögen gehören, sollte langfristig fi- Eigenkapitalhalter).
1994: Verlust bei Fokker häufen sich. Entlassungen.
nanziert sein. Diese Vermögensgegenstände 1995: Fokker bittet DASA und Regierung um Finanz-
sind mit Eigenkapital und langfristigem hilfen von 2,3 Mrd. Ablehnung der Aktionäre.
Fremdkapital zu finanzieren. Banken lehnen Kredite (Fremdkapital) ab.
1996: Fokker erklärt drei Kernbereiche für bankrott.
Anlagendeckung in Prozent: Übernahmeverhandlungen scheitern.
(Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) x 100 Abb. 29: Wenn kein Kapital mehr bereit-
Anlagevermögen + langfristig gebundenes Umlaufvermögen
gestellt wird

2. Vertikale Kapitalstrukturregel
Im Idealfall sollte das Fremdkapital vollstän-
dig durch Eigenkapital gedeckt sein. Der
Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital
wird durch die Eigenkapitalquote ausge-
drückt:
Eigenkapital x 100
EK
Gesamtkapital

Die vollständige Deckung des Fremdkapitals


durch Eigenkapital erhöht die Widerstandsfä-
higkeit gegen kurzfristig eintretende Verluste
und steigert die Kreditwürdigkeit bei Banken.

2.3.3 Der Leverage-Effekt


Mit dem Leverage-Effekt wird eine Bezie-
hung zwischen der jeweiligen Finanzierungs-
struktur (Eigen-/Fremdkapital) und der Ren- Abb. 30: Insolvenzursachen
tabilität des eingesetzten Eigenkapitals be-
schrieben.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann mit
einem verstärkten Einsatz von Fremdkapital
eine höhere Eigenkapitalrentabilität erreicht 50 %
werden.

50 %

Abb. 31: Größen für die Ermittlung von


Finanzierungsstrukturen
2. Finanzierungsentscheidungen 155

Eigenkapitalrentabilität: Beispiel zum Leverage-Effekt:


Gewinn × 100
R(EK ) = Gesamtkapital Rentabilität
Eigenkapit al in EUR
Eigen- Fremd FK- Ge- GK EK
Diese Erkenntnis wird als positive Hebelwir- kapital kapital zin- winn in % in %
kung des Fremdkapitaleinsatzes beschrieben. sen EUR
Ein positiver Leverage-Effekt ergibt sich 1000 0 0 200 20 20,0
dann, wenn die Verzinsung des Fremdkapitals 800 200 20 180 20 22,5
geringer ausfällt als die Gesamtkapitalren- 500 500 50 150 20 30,0
tabilität: 200 800 80 120 20 60,0
(Gewinn + FKzinsen) × 100
R(GK ) = Fremdkapitalzinsen bei einem Zinssatz von 10%
Eigen − und Fremdkapit al Gesamtkapitalrentabilität
Eigenkapitalrentabilität
D.h., die Kosten des Fremdkapitals sind nied-
riger als der Gewinn, der – nach Abzug der
Fremdkapitalzinsen – mit dem Einsatz dieses
Fremdkapitals erwirtschaftet werden kann. Aufgaben
Unter dieser Bedingung ist die Entscheidung
zu Lasten eines geringeren Eigenkapitalein- 25. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie
satzes allerdings nur dann sinnvoll, wenn aus der in dem Beispiel dargestellten
anderweitige, ertragreichere Kapitalanlage- Entwicklung der Eigen- und Gesamtkapi-
möglichkeiten vorhanden sind. talrendite?
Jedoch muss auf die Risiken hingewiesen 26. a) Die DMW AG beabsichtigt, in ihrem
werden, die bei ansteigendem Verschul- Hauptwerk eine Rationalisierungsin-
dungsgrad zunehmen. vestition durchzuführen. Wird diese
Investition, die zu einem Kapitalbedarf
2.3.4 Die Finanzierungsqualität von 1 Mio. EUR führt, vollständig mit
Eigenkapital finanziert, so wird ein
Die Frage, ob eine bestimmte Finanzierung, z. Gewinn von 0,2 Mio. EUR jährlich
B. die mit fremden Mitteln, günstig ist, wird erwartet.
in der Regel allerdings nicht nur nach den Als Finanzierungsalternative bietet
Zinssätzen – wie oben im Leverage-Effekt sich der Einsatz von Fremdkapital an,
beschrieben – beurteilt, vielmehr werden das zu einem Zinssatz von 10 % gelie-
weitere Besonderheiten herangezogen, die hen werden kann.
eine Bewertung eher erlauben (Finanzie-
rungsstrategie). So ist festgestellt worden, Wie verändert sich die Eigenkapital-
dass ein sehr rentables Unternehmen oft we- rentabilität, wenn im Vergleich zur
nig liquide ist, über einen nur engen Disposi- ausschließlichen Eigenfinanzierung
tionsspielraum verfügt und relativ unelastisch die Investition zu a) 20 %, b) 30 %
ist. Fasst man diese drei Größen zusammen fremdfinanziert wird?
und bezieht außerdem das Image der Unter- b) In der Regel wird eine Finanzierung
nehmung ein, dann wird von Finanzierungs- durch EK und FK (wie im 2. Beispiel)
qualität geredet. Die Rentabilität muss unter getätigt. Wird das FK über Gebühr er-
dem Aspekt einer solchen Finanzierungsqua- höht, sind für Teile von ihm höhere
lität gewürdigt werden. Zinsen fällig. Wieso ist das so?
156 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Fremdkapital aufzunehmen, weil die Zinslast Zur Fremdfinanzierungsstrategie


Die Aufnahme von Kapital muss sehr genau durchdacht
hierfür günstig ist und die Gesamtrendite die werden. Um ein relativ objektives Messergebnis zu
Fremdkapitalzinsen übersteigen wird, kann erhalten, werden Rentabilität (aus der Finanzierung) und
nicht ratsam sein, wenn das Unternehmen Finanzierungsqualität gleichberechtigt (in einer Matrix)
nicht mehr unabhängig auf dem Markt reagie- gegenübergestellt (Y-Achse oben: sehr hohe Rentabilität,
unten: sehr niedrige; X-Achse links: sehr niedrige Quali-
ren kann (Elastizität). Das geschieht, wenn tät, rechts: sehr hohe). Wie viele Einheiten auf der X- und
Kreditgeber vorschreiben, was zu tun ist. Y-Achse eingetragen werden, ist Sache des Bewerters.
Auch nützt eine Erhöhung der Eigenkapital- Man kann z. B. von 7 Einheiten ausgehen (X-Achse
rendite (Leverage-Effekt) nichts, wenn die beginnend ganz links). Den möglichen Qualitäten ordnet
man ebenso wie den Rentabilitäten Punkte zu. Beste
Liquidität dramatisch abfällt. Qualität = 7 Punkte, sehr gute Qualität 6 Punkte, gute
Qualität 4 Punkte etc. So gelangt man z. B. zu einem
Punkt 4/2. Er gibt an, wie die Finanzierungsart unter den
gegebenen Voraussetzungen einzuschätzen ist. Danach
ist die hohe Qualität auf Kosten einer schlechten Rentabi-
lität erkauft.

Zusammenfassung
1. Die Quellen der Finanzierung können nach verschiedenen Merkmalen unterschieden
werden:
a) Mittelherkunft
Entweder stammen die finanziellen Mittel aus dem betrieblichen Leistungsprozess
(Innenfinanzierung: Rücklagen, stille Reserven, Abschreibungen) oder von au-
ßen, indem Eigentümer aus ihrem Privatvermögen Einlagen in das betriebliche
Vermögen leisten (Einzelunternehmen, Personengesellschaften) oder Anteilseigner
Kapitalanteile erwerben (Außenfinanzierung).
b) Rechtsstellung der Kapitalgeber
Das Kapital wird von den Eigentümern im Wege der Innen- oder Außenfinanzie-
rung bereitgestellt (Eigenfinanzierung).
2. Das Eigenkapital (als Risikokapital) stellt aus der Sicht des Unternehmens das sichers-
te Finanzierungsmittel dar. Die Kapitaleigner tragen das Kapitalrisiko, werden dafür a-
ber auch an dem Gewinn beteiligt.
3. Das Fremdkapital wird von Dritten für eine bestimmte Vertragsdauer mit dem An-
spruch auf Zinszahlung und Tilgung überlassen.
4. Um das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren, sollte
a) der Grundsatz der Fristenentsprechung beachtet werden. Er besagt, dass das
Vermögen entsprechend seiner Bindungsdauer im Unternehmen finanziert sein
sollte
b) im Idealfall das Fremdkapital vollständig durch Eigenkapital gedeckt sein (vertika-
le Kapitalstrukturregel).
5. Der Leverage-Effekt wirkt sich positiv auf die Eigenkapitalrentabilität aus, wenn der
Fremdkapitalzins geringer ist als die Rentabilität des Gesamtkapitals.
2. Finanzierungsentscheidungen 157

2.4 Formen der Innenfinanzierung

Formen der Innenfinanzierung


(Selbstfinanzierung im weiteren Sinne)

Finanzierung aus Finanzierung durch


Umsatzerlösen Vermögens-
umschichtung

Auflösung stiller
Gewinne
Reserven

Verkauf von
Abschreibungen
Forderungen

Rückstellungen

Abb. 32: Formen der Innenfinanzierung

Zur Innenfinanzierung werden im weitesten Aufgaben


Sinne alle Finanzierungsmaßnahmen gerech-
27. Kann mit Hilfe des Cashflow (siehe Ka-
net, die aus eigener Kraft des Unternehmens
pitel 2.2) eine Aussage über den Umfang
erfolgen (Innenfinanzierung oder interne
der Innenfinanzierung abgeleitet werden?
Finanzierung). D. h., das Unternehmen fi-
Begründen Sie bitte Ihre Überlegung!
nanziert Investitionen aus Mittelzuflüssen, die
in dem betrachteten Geschäftsjahr erwirt- 28. In welchem Umfang konnte die DMW
schaftet wurden und denen keine ausgabe- AG ihre Erweiterungsinvestitionen im
wirksamen Aufwendungen gegenüberstanden. Werk Halle aus eigener Kraft finanzieren
Sie lässt sich in die Finanzierung aus Um- (siehe Beispiel S. 143)?
satzerlösen und Finanzierung aus Vermö- 29. Welche Möglichkeiten haben Kapitalge-
gensumschichtung unterteilen. sellschaften, einbehaltene Gewinne in der
Bilanz auszuweisen (siehe Abschnitt
2.3.1.1)?

2.4.1 Die Selbstfinanzierung im engeren Sinn

2.4.1.1 Die offene Selbstfinanzierung


Die Selbstfinanzierung ist eine Form der Definition in der Literatur: Die Selbstfinan-
Eigenfinanzierung. Das Unternehmen erhält zierung „stellt die Sammlung von Geldmitteln
seine Selbstfinanzierungsmittel aus dem Um- in konkreter Form ohne Beschaffung neuen
satzprozess, der zu Erlösen führt und im Re- Kapitals von außen“ dar. (Theisinger in
gelfall nicht nur die Aufwendungen deckt, „Festschrift für F. Schmidt, Berlin–Wien
sondern auch einen Überschuss bewirkt. 1942.)
158 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Werden die Gewinne nicht an die Anteilseig- Offene Selbstfinanzierung


ner ausgeschüttet (Kapitalgesellschaften) oder (Gewinnthesaurierung)

von den Eigentümern entnommen (Einzelun-


ternehmen und Personengesellschaften), so (Gewinne werden in den
Gewinnrücklagen offen ausgewiesen)
steht zusätzliches Kapital für die Investitions-
finanzierung zur Verfügung. Auf der Passiv-
seite der Bilanz werden die einbehaltenen
Gesetzliche Rücklagen für
Gewinne in den Gewinnrücklagen offen aus- Rücklage eigene Anteile
gewiesen (offene Selbstfinanzierung) und
führen zu einer Bilanzverlängerung, weil das
Satzungsmäßige Andere
Eigenkapital wächst. Rücklage Rücklage

2.4.1.2 Die stille Selbstfinanzierung Abb. 33: Offene Selbstfinanzierung


Wenn Gewinne in der Bilanz nicht offen
ausgewiesen werden, liegt eine stille Selbst-
finanzierung vor. Es sind zwar Gewinne
erwirtschaftet worden, aber durch Anwen- Stille Selbstfinanzierung
dung bestimmter Bewertungsansätze für ein-
zelne Bilanzpositionen wird ein niedriger
Gewinn ausgewiesen.
Unterbewertung Überbewertung
Um diesen verkürzten Gewinnausweis zu von Vermögens- von Vermögens-
erreichen, müssen Vermögensgegenstände der anteilen (Aktiva) anteilen (Pssiva)

Aktivseite mit einem niedrigeren Wert ange-


Abb. 34: Stille Selbstfinanzierung
setzt werden (Unterbewertung der Aktiva).
Auf der Passivseite werden Verbindlichkeiten
überhöht dargestellt (Überbewertung der
Passiva).
Ergänzung zur Bewertung
Handels- und aktienrechtliche Bestimmungen Um sowohl Überbewertungen weit gehend auszu-
legen den Rahmen fest, in dem sich das bilan- schließen als auch Unterbewertungen zu begren-
zierende Unternehmen bei der Bewertung von zen, hat der Gesetzgeber zahlreiche Vorgaben
Aktiva und Passiva bewegen darf. Gegens- entwickelt, die unter anderem in so genannten
allgemeinen Bewertungsgrundsätzen (§§ 238, 252)
tände des Anlagevermögens dürfen nach § und in den Definitionen von Anschaffungs- und
253, 2 HGB nur mit ihrem Anschaffungs- Herstellungskosten sowie Werten (§§ 253, 254, 255
oder Herstellungswert, der um die entspre- HGB z. B.) ihren Niederschlag finden. Dennoch hat
chenden Abschreibungen zu vermindern ist, der Gesetzgeber, den Erfordernissen der Wirtschaft
entsprechend, Spielräume für die Bewertung einge-
bilanziert werden. Auf der Passivseite können räumt, wenn es u. a. heißt: „Es ist vorsichtig zu
insbesondere Rückstellungen nach § 249 bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren
HGB für ungewisse Verbindlichkeiten und Risiken und Verluste … zu berücksichtigen. Gewin-
drohende Verluste aus schwebenden Geschäf- ne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Ab-
schlussstichtag realisiert sind.“ (§ 252, Abs. 1 Satz 4
ten gebildet werden. Der Kaufmann hat, den HGB.)
Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Buch-
Unterbewertete Aktiva können u.a. zur Folge haben,
führung folgend, diese Verbindlichkeiten sehr dass Käufer der Unternehmung davon abgehalten
vorsichtig anzusetzen. Die überhöhten Rück- werden, ihr Ziel zu verfolgen. Eine Überbewertung
stellungen erscheinen in der Bilanz als der Schulden wirkt ebenso. Oft wird das von der
Fremdkapital. Leitung gewollt.
2. Finanzierungsentscheidungen 159

Da die Bildung stiller Reserven den tatsächli- Betriebswirtschaftliche


Bedeutung der
chen und damit zu versteuernden Gewinn Selbstfinanzierung
niedriger ausfallen lässt, kann bis zur Auflö-
sung dieser Positionen eine Stundung der
gewinnabhängigen Steuern, die auf diesen
„versteckten“ Gewinnbetrag zu entrichten
gewesen wären, erreicht werden. In der Regel
sind Steuer- und nicht Wandelobligationen
Grundlage für die Steuerbemessung. Der
Gesetzgeber prüft sehr genau, ob die Bewer-
tungsvorschriften eingehalten werden. Abb. 35: Offene Selbstfinanzierung

Quelle: in Anlehnung an Tiedtke, J./ Harm-


gardt, W.: Investition und Finanzierung, Bad
Harzburg 1992

Beispiele zur offenen und stillen Selbstfinanzierung*

1. Offene Selbstfinanzierung 2. Stille Selbstfinanzierung


Die Unternehmensaktivitäten waren in der Die kalkulierten und vereinnahmten Ab-
vergangenen Rechnungsperiode durch fol- schreibungen betragen 300 EUR. Der Wert
gende Daten (in Mio.) gekennzeichnet: der Anlagen nach Abschreibungen beträgt
Herstellung von Erzeugnissen EUR 500
aber 800 EUR statt 700 EUR, was nicht aus-
davon ausgabewirksame Kosten EUR 300
gewiesen ist. Die Mittel werden wieder einge-
Abschreibungen EUR 200
setzt für Reinvestitionen in Höhe von 200
Verkauf, bar EUR 600
EUR, womit die alte Kapazität wieder er-
Ersatzinvestitionen EUR 200
reicht ist. 100 EUR werden für Werkzeuge
Anschaffung von Werkzeugen, bar EUR 100
aufgewandt. Aus Übersichtlichkeitsgründen
werden andere Kosten nicht erfasst. Der
Selbstkostenwert der Erzeugnisse beläuft sich
auf 300 EUR, und diese werden auch verein-
nahmt.
Ausgangsbilanz und ihre Veränderungen Ausgangsbilanz und ihre Veränderungen
Aktiva Bilanz Passiva Aktiva Bilanz Passiva

Maschinen 1 000 - 200 + 200 EK 600 + 100 Maschinen 1 000 EK 600


Werkzeuge –– + 100 Werkzeuge ––
Zahlungsmittel 1 000 - 600 + 600 FK 1 400 Zahlungsmittel 1 000 FK 1 400

2 000 2 000 2 000 2 000

Einnahmen und Ausgaben gleichen sich aus.


* Tiedtke, J./Harmgardt, W.: Investition und Finanzie-
rung, Bad Harzburg, 1992
160 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Schlussbilanz Schlussbilanz
Aktiva Bilanz Passiva Aktiva Bilanz Passiva
Maschinen 1 000 EK 700 Maschinen -300 + 200 = 900 EK 600
Werkzeuge 100 Werkzeuge + 100 = 100
Zahlungsmittel 1 000 FK 1 400 Zahlungsmittel 1 000 FK 1 400

2 100 2 100 2 000 2 000


Einnahmen und Ausgaben gleichen sich aus.
Hier hat eine offene Selbstfinanzierung in Weder Vermögen noch Kapital haben sich
Höhe von 100 EUR stattgefunden. Die Vor- verändert. Jedoch hat sich die Vermögens-
aussetzungen sind erfüllt: Ansammlung der struktur verschoben. Aus der Bilanz ist nicht
Mittel und Einsatz der Mittel für betriebliche ersichtlich, dass das „Anlagevermögen –
Vermögenszwecke. Maschinen“ kapazitiv den alten Stand behal-
ten hat. Es hat eine echte Selbstfinanzierung
in stiller Form stattgefunden.

2.4.1.3 Beurteilung der Selbstfinanzierung im engeren Sinn


Von einer Selbstfinanzierung im engeren Sinne kann nur dann Gebrauch gemacht werden,
wenn aus den Umsatzerlösen finanzielle Mittel zugeflossen sind, die nach Deckung der Auf-
wendungen als Überschuss für die Finanzierung von Investitionen zur Verfügung stehen (Ge-
winngegenwerte). Voraussetzung ist also, dass die Gewinnbestandteile z. B. nicht in dem Vor-
ratsvermögen (Material-, Halb- und Fertigwarenbestände) oder in den Forderungsbeständen
gebunden sind. Aus der Sicht des Unternehmens sind mit der Finanzierung aus Gewinngegen-
werten Vor- und Nachteile verbunden.
Zu den Vorteilen: Zu den Nachteilen:
• Thesaurierte Gewinne verstärken das • Insbesondere die Finanzierung durch
haftende Eigenkapital und damit die Kre- stille Reserven kann zu Fehlinvestitionen
ditwürdigkeit, um eine zusätzliche Fremd- führen, weil das Kapital „kostenlos“ zur
finanzierung durchzuführen. Gleichzeitig Verfügung steht und keine Rechenschaft
kann mit thesaurierten Gewinnen der Ruf über die Art der Mittelverwendung gege-
einer Unternehmung steigen, wenn sie pu- ben wird.
blik gemacht werden. • Die Gefahr besteht nämlich, dass Investi-
• Eigenfinanzierte Investitionen weiten den tionsprojekte finanziert werden könnten,
Liquiditätsspielraum in Zeiten rückläufi- die bei einer Fremdfinanzierung wegen
ger Umsätze und Gewinne aus, weil kei- unzureichender Rentabilität nicht reali-
ne Tilgungs- und Zinszahlungsverpflich- siert worden wären.
tungen – im Gegensatz zur Fremdfinan- • Stille Reserven, deren Bildung aus der
zierung – eingegangen werden. Bilanz nicht erkennbar ist, verschleiern
• Die Herrschaftsverhältnisse in dem Un- das Rentabilitätsbild. Die nach außen
ternehmen bleiben unverändert, weil kei- sichtbare Rentabilität des Unternehmens
ne weiteren Gesellschafter oder Anteils- fällt geringer aus. Denn bei einem Ge-
eigner aufgenommen werden müssen, die winnausweis ohne zusätzliche Bildung
möglicherweise Leitungs- und Entschei- stiller Reserven wäre die Rentabilität –
dungsfunktionen beanspruchen. im Verhältnis zum gegebenen Eigenkapi-
tal – höher gewesen.
2. Finanzierungsentscheidungen 161

• In ertragsschwachen Jahren können, und In dem Jahr der Auflösung solcher stillen
dies gilt für Aktiengesellschaften, Reserven steigt der Gewinn und damit
Gewinnrücklagen aufgelöst werden, um automatisch die Rentabilität, weil der um
eine kontinuierliche Dividendenzahlung den Auflösungsbetrag höhere Gewinn zu
an Aktionäre des Unternehmens zu dem Eigenkapital der vorangegangenen
gewährleisten. Das setzt natürlich voraus, Periode ins Verhältnis gesetzt wird.
dass genügend liquide Mittel (Kassen-
haltung) vorhanden sind.

2.4.2 Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten


2.4.2.1 AfA und Kapitalfreisetzung Aufgabe
Abschreibungen sind Kosten, die die perio- 30. „Andere Gewinnrücklagen“ werden im
denbezogene Wertminderung der Anlagegüter Regelfall durch Vorstand und Aufsichts-
ausdrücken. In der Gewinn- und Verlustrech- rat gebildet. Warum dürfen diese, wenn
nung werden die Abschreibungen als Auf- sie den Jahresabschluss feststellen, nur
wand erfasst. Um diesen Aufwand verringern einen Teil des Jahresüberschusses, ma-
sich die Vermögenswerte in der Bilanz (vgl. ximal die Hälfte, in „andere Gewinnrück-
auch S. 52). lagen“ einstellen?
Da die Abschreibungen als Kostenbestandteil Beispiel:
in der Kalkulation des Angebotspreises ent-
Kapitalfreisetzung durch lineare Ab-
halten sind, fließen sie über die Umsatzerlöse
schreibung
in das Unternehmen zurück. Aus den Erlösen
der verkauften Erzeugnisse stehen dem Un- Die DMW AG hat mehrere Lagerfahrzeuge
ternehmen während der Nutzungszeit der zu Beginn des Jahres 1 angeschafft. Der ge-
Anlagegüter die Abschreibungsgegenwerte samte Anschaffungswert in Höhe von 100000
zur Verfügung, um abgenutzte Gegenstände EUR wird während der geplanten Nutzungs-
des Anlagevermögens durch neue zu ersetzen zeit (5 Jahre) linear abgeschrieben.
(vgl. Abb. 40).
Jahr Abschreibung Restwert in
Mit diesen vereinnahmten Abschreibungsge-
in EUR1 EUR
genwerten wird also das Kapital freigesetzt,
das in den Anlagegütern gebunden war. Es 1 20000 80000
wird während der Abschreibungszeit ange- 2 40000 60000
sammelt, um abgenutzte Anlagegüter durch
neue zu ersetzen (Ersatz- oder Reinvestiti- 3 60000 40000
on). Ziel ist es, die betriebliche Substanz und 4 80000 20000
Leistungsbereitschaft auf Dauer zu erhalten.
5 100000 0
Ein Teil der Umsatzerlöse wird folglich zur
Wie sich die Kapitalfreisetzung durch Ab-
Finanzierung herangezogen.
schreibung darstellt, zeigt die Tabelle.

1 Kumulierte Abschreibungsbeträge am Ende des


jeweiligen Jahres
162 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Da aber in aller Regel die Ersatzgüter wegen Umsatzerlöse einer Periode


der
• allgemeinen Teuerungsrate und ausgabewirksame Kosten

ausgabeunwirksame Kosten
• qualitativen Veränderung aufgrund des
Gewinn
technischen Fortschritts
nur zu höheren Wiederbeschaffungspreisen zu u.a. Abschreibungsgegenwerte
erhalten sind, gehen viele Unternehmen in
ihrer Kostenrechnung von Wiederbeschaf-
fungspreisen aus, um die Abschreibungskos- Kapitalfreisetzung
ten in die Preiskalkulation aufzunehmen. Erhalt der Kapaztäts-
Kapaztät erweiterung
Jährliche lineare Abschreibung =
Ersatz der Erweiterungs-
Anschaffun gs − ( Wiederbesc haffungs −)preis Investitionen investitionen
Nutzungsda uer
Abb. 36: Verwendung des freigesetzten
Kapitals

2.4.2.2 Abschreibungen und Kapazitätserweiterung

Bis zum Zeitpunkt der Durchführung von Beispiel:


Ersatzinvestitionen stehen dem Unternehmen
Kapazitätserweiterung durch Abschrei-
liquide Mittel zur Verfügung, mit denen wei-
bungsgegenwerte
tere Anlagegüter beschafft und finanziert
werden können. Zusätzliches Eigen- oder In ihrer Hauptverwaltung plant die DMW AG
Fremdkapital wird nicht benötigt. In diesem den verstärkten Einsatz von Informations-
Fall werden die freigesetzten Mittel genutzt, technik an den Arbeitsplätzen der Verwal-
um den Bestand der Anlagegüter zu erhöhen tungsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen. Die
und die Produktionskapazität zu erweitern Systemeinheit je Arbeitsplatz wird zu An-
(Erweiterungsinvestition) vgl. auch Abb. 40. schaffungskosten von 10000 EUR führen. Es
ist eine Nutzungszeit von 5 Jahren geplant.
Dieser Zusammenhang zwischen Abschrei-
Aus den Abschreibungsgegenwerten sollen in
bungsgegenwerten und Kapazitätserweiterung
den nachfolgenden Jahren weitere Arbeits-
wird auch als Lohmann-Ruchti-Effekt1 plätze mit Informationstechnik ausgestattet
bezeichnet. werden.
Der Kapazitätserweiterungseffekt ergibt sich,
weil die Abschreibungsgegenwerte nicht erst
bis zur fälligen Ersatzinvestition angesammelt Aufgaben
werden, sondern schon während der Rück- 31. a) Beschreiben Sie die Entwicklung der
flusszeit für Neuanschaffungen eingesetzt Geräteausstattung (vgl. Abb. nächste
werden. Seite)!
b) Beschreiben Sie den Verlauf der
Liquiditätsreserven!
1 Von E. Lohmann und H. Ruchti beschriebene 32. Stellen Sie dar, wie sich die Geräteaus-
Wirkung der Abschreibung auf Neuinvestitio- stattung vom 11. bis 15. Jahr entwickeln
nen. Dieser Effekt wurde erstmalig von K. wird!
Marx in seinem Briefwechsel mit F. Engels
erwähnt.
2. Finanzierungsentscheidungen 163

Das investierende Unternehmen kann so seine


Jahr Anzahl Abschrei- Reinvesti- Liquiditäts-
Kapazität kontinuierlich ausweiten. Es muss
der bung tion reserve
aber auch festgestellt werden, dass im Falle
Geräte in EUR in EUR in EUR
einer ausschließlichen Finanzierung durch
Abschreibungsgegenwerte die Kapazität der 1 5 10000 10000 0
betrachteten Periode – zwar auf höherem 2 6 12000 10000 2000
Niveau – um einen Gleichgewichtswert 3 7 14000 10000 6000
schwankt. 4 8 16000 20000 2000
Um diesen Kapazitätserweiterungseffekt zu 5 10 20000 20000 2000
nutzen, müssen bestimmte Voraussetzungen 6 7 14000 10000 6000
erfüllt sein: 7 7 14000 20000 0
8 8 16000 10000 6000
• Bei einer vergrößerten Produktionskapa-
9 8 16000 20000 2000
zität muss auch gewährleistet sein, die
10 8 16000 10000 6000
zusätzlichen Güter zu kostendeckenden
Preisen abzusetzen. Der nach dem Voll- 1 Anzahl der Geräte zu Beginn des Jahres
kostenprinzip kalkulierte Angebotspreis 2 Zum jeweiligen Jahresende
3 Abschreibungsgegenwerte werden zu Beginn des
muss am Markt realisiert werden können. folgenden Jahres für die Anschaffung weiterer Ge-
• Die Abschreibungsgegenwerte müssen räte genutzt
4 Nach Abzug der Abschreibungsgegenwerte verblei-
kontinuierlich für Neuanschaffungen ver- bender Liquiditätsrest
wendet werden.
Kapatzitätseffekt
• Die Erstausstattung des Unternehmens
muss mit Eigen- oder langfristigem
Fremdkapital finanziert sein; die Wieder- Periodenkapazität =
Leistungsabgabe der
beschaffungspreise müssen den ursprüng- vorhandenen Maschinen in einer
lichen Anschaffungswerten entsprechen. Periode

Das Beispiel zum Kapazitätserweiterungs-


effekt zeigt, dass die Produktionskapazität Totalkapazität =
während der Nutzungsperiode (hier: ein Jahr) Summe der Restnutzungszeiten
aller Maschinen
zunimmt, da mit einer größeren Anzahl von
Geräten oder Maschinen produziert wird; die
Leistungsabgabe je Periode wird gesteigert. Abb. 37: Perioden- und Totalkapazität
Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber
heraus, dass die Restnutzungszeiten der ein- Ergänzung zur Kapazitätsentwicklung
zelnen Anlagegegenstände, die zu unter- Die Erweiterungsfinanzierung durch lineare
schiedlichen Zeitpunkten angeschafft wurden, Abschreibungen bringt es auch mit sich, dass
geringer ausfallen (im Vergleich zur Aus- das technische Niveau der Anlagen fällt.
gangslage). Stand zu Beginn der Investition Waren zu Anfang alle Maschinen neuwertig
eine Gesamtnutzungszeit aller Maschinen von und wurden gleichermaßen abgeschrieben,
25 Jahren zur Verfügung (Totalkapazität), so ändert sich die Abnutzungsstruktur der dazu-
wird diese im weiteren Verlauf der gekauften Maschinen. Mit anderen Worten:
Reinvestitionen nicht überschritten (siehe Die Modernität jeder neuen Anlage unter-
Beispiel). scheidet sich von der vorher bezogenen, so-
dass ständige Neuanpassungen und mögli-
cherweise unterschiedliche Reparaturausga-
ben anfallen. Das kann ein Unternehmen
zusätzlich belasten.
164 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Abschreibungen
Beispiel:

Zu Beginn Anzahl der Summe der


der Periode Maschinen Nutzungsjahre
Wertminderung der Anlagegüter 1 5 25

gebräuchliche 2 6 25
Abschreibungsmethoden
3 7 24
4 8 22
5 10 24
proportio-
zeit- 6 7 24
nal zur
abhängig degressiv
Leistungs-
(linear)
abgabe
Da lediglich die Abschreibungsgegenwerte
reinvestiert wurden, kann folglich auch keine
Abb. 38: Abschreibungsarten – auf die Gesamtnutzungszeit bezogene –
Ausweitung der Kapazität erfolgen.

2.4.2.3 Degressive Abschreibung und Finanzierungseffekt


In den vorangegangenen Überlegungen wurde Beispiel:
unterstellt, dass die Wertminderung der genutz-
In dem Werk Emden der DMW AG wurde
ten Betriebsmittel zeitabhängig erfolgt. Die ein weiterer Schweißautomat angeschafft.
Abschreibungsbeträge je Periode sind gleich
hoch. Es kann aber eine zusätzliche Finanzie- Anschaffungspreis: 50000 EUR
rungswirkung erreicht werden, wenn nicht Nutzungsdauer: 10 Jahre
linear, sondern degressiv abgeschrieben wird.
Degressiver Abschreibungssatz: 30 %
Im Unterschied zur linearen Abschreibung
(Nach § 7 Abs. 2 darf höchstens das Dreifa-
wird der Restwert im Falle der degressiven
che (bis zu 30 %) des linearen Abschrei-
Abschreibung um einen bestimmten Prozent-
bungssatzes als Absetzung für Abnutzung
satz jährlich gemindert. Dies hat zur Folge,
angesetzt werden.)
dass die Abschreibungsraten in den ersten
Nutzungsjahren hoch sind und mit abneh-
mendem Restwert in den nachfolgenden Peri-
oden während der Nutzungsdauer fallen. Als
Aufwand mindern Abschreibungen den zu Aufgabe
versteuernden Gewinn. Die Bemessungs- 33. Vergleichen Sie den linearen und degres-
grundlage für die Steuerermittlung fällt umso siven Verlauf der Abschreibungsbeträge!
niedriger aus, je höher der abschreibungsbe-
Überlegen Sie, welche Konsequenzen
dingte Aufwand angesetzt wird.
sich für das Unternehmen ergeben, wenn
das Anlagegut degressiv abgeschrieben
wird!
2. Finanzierungsentscheidungen 165

Am Ende degressive lineare Differenz


des Jahres Abschreibung
… Restwert Abschreibung Restwert Abschreibung
1 35000 15000 45000 5000 10000
2 24500 10500 40000 5000 5500
3 17150 7350 35000 5000 2350
4 12005 5145 30000 5000 145
5 8403 3602 25000 5000 – 1398
6 5882 2521 20000 5000 – 2479
7 4117 1765 15000 5000 – 3235
8 2882 1235 10000 5000 – 3765
9 2017 865 5000 5000 – 4135
10 0 2017 0 5000 – 2983

Abb. 39: Degressive und lineare Abschreibung im Vergleich

2.4.3 Finanzierung aus Rückstellungsgegenwerten

2.4.3.1 Zum Wesen der Zusätzliches zu Rückstellungen


Rückstellungen Nach § 266 Abs. 3 HGB müssen Kapitalge-
Wie im Zusammenhang mit der Darstellung sellschaften ihre Rückstellungen wie folgt auf
des Cashflow erwähnt, werden durch Rück- der Passiv-Seite der Bilanz ausweisen:
stellungen auf der Passiv-Seite der Bilanz „B. Rückstellungen:
stille Reserven gebildet. Nach dem Vorsichts- 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnli-
prinzip ist der Kaufmann gemäß § 249 HGB che Verpflichtungen;
verpflichtet, Verbindlichkeiten in die Bilanz 2. Steuerrückstellungen;
aufzunehmen, die zwar ihrem Grund nach 3. sonstige Rückstellungen.“
gegeben sind, aber hinsichtlich ihrer voraus-
sichtlichen Höhe und Fälligkeit zum Bilanz-
stichtag noch nicht genau feststehen. Beispiel:
Rückstellungen werden u. a. gebildet für 1. Dem Mitarbeiter, der zum 1. Januar 2004
eingestellt wurde, wird im Arbeitsvertrag
• eingegangene Gewährleistungszusagen eine betriebliche Altersversorgung zuge-
• drohende Verluste aus schwebenden sichert, die mit Erreichen des gesetzli-
Geschäften chen Rentenalters als laufende Pensions-
leistung gezahlt werden soll.
• Zusagen im Rahmen der betrieblichen
Altersversorgung. 2. Mitarbeiter haben am Bilanzstichtag
Urlaubsansprüche aus der abgeschlosse-
Rückstellungen dienen dem Zweck, betriebli-
nen Rechnungsperiode.
che Aufwendungen, obwohl sie noch nicht zu
Mittelabflüssen geführt haben, der Rech-
nungsperiode zuzuordnen, in der sie verur-
sacht wurden.
166 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

So wird verhindert, dass Scheingewinne aus- 3. Die Anlagenbau GmbH hat eine neuarti-
gewiesen werden, die im Falle der Gewinn- ge, vollautomatisch arbeitende Ferti-
ausschüttung einen Kapitalabfluss herbeifüh- gungsstraße an die DMW AG, bestimmt
ren und an der betrieblichen Substanz zehren. für das Werk in Halle, geliefert. Wegen
Sie müssen in dem Jahr wieder aufgelöst der Risiken, die in möglichen Anlauf-
werden und mit den tatsächlich entstandenen schwierigkeiten gesehen werden, besteht
Belastungen verrechnet werden, in dem der die DMW AG auf einer über den übli-
Entstehungsgrund fortgefallen ist. cherweise geltenden Umfang hinausge-
henden verlängerten Gewährleistungszu-
2.4.3.2 Finanzierungseffekt sage. Der Anlagenbauer schätzt den geld-
lichen Effekt seiner Zusage ab und bildet
Aus den gebildeten Rückstellungen fließen eine Rückstellung für eingegangene Ga-
dem Unternehmen keine zusätzlichen Mittel rantiezusagen.
zu. Ihr Finanzierungseffekt ist jedoch darin
zu sehen, dass Beispiel:

• sie durch Passivierung den Gewinnaus- Der Anlagenbauer bildete eine Rückstellung
weis in der Bilanz verringern und für die Garantiezusage in Höhe von 850000,–
EUR. Um diesen Betrag konnte er seinen
• in Höhe des Rückstellungsbetrages keine Gewinnausweis und die Körperschaftsteuer-
gewinnabhängigen Steuern entrichtet belastung reduzieren.
werden müssen.
An der neuen Fertigungsstraße zeigen sich
Flüssige Mittel, die aus den Verkaufserlösen dennoch – unerwartet – Mängel, die zu Pro-
stammen, verbleiben im Umfang der gebilde- duktionsausfällen und Nachbesserungen an
ten Rückstellungen in dem Unternehmen. Sie der Anlage führen. Der gesamte Aufwand aus
können für Finanzierungszwecke eingesetzt der über zwei Jahre laufenden Gewährleis-
werden, solange der Rückstellungsgrund tungszusage beträgt 700000,– EUR. In Höhe
besteht. des nicht aufgewendeten Betrages (150000,–
EUR) ist die Rückstellung gewinn- und steu-
ererhöhend aufzulösen.

Abb. 40: Kreislauf der Abschreibungen (vergl. S. 162 ff)


Quelle: Tiedtke, J./Harmgardt, W.: Investition und Finanzierung, Bad Harzburg 1992
2. Finanzierungsentscheidungen 167

Da Rückstellungen – mit Ausnahme der Pen- Schutz vor Erhaltung der


Kapitalentzug Liquidität
sionsverpflichtungen – kurzfristiger Natur
sind, stehen diese Mittel nur kurzfristig zur
Verfügung. Werden Rückstellungen kurzfris- Periodengerechter
Aufwand
tiger Art regelmäßig gebildet, so sind sie als
dauerhafte Finanzierungsmittel anzusehen.
Die aus dem Umsatzprozess stammenden
liquiden Mittel, die aufgrund der Pensions- Bildung von Rückstellungen
rückstellungen im Unternehmen verbleiben,
stehen dagegen für langfristige Investitionsfi-
nanzierungen zur Verfügung, sofern sie nicht
Verringerung Steuer-
in gleicher Höhe für Pensionszahlungen ver- des Gewinns entlastung
wendet werden müssen. In der Praxis der
großen Kapitalgesellschaften tragen insbe-
Finanzierungsmittel
sondere die Pensionsrückstellungen in erheb- für Investitionen
lichem Umfang zur betrieblichen Finanzie-
rung bei. So entfallen bei der DMW AG 20 % Abb. 41: Bildung von Rückstellungen
der Bilanzsumme auf Pensionsrückstellungen;
gemessen an ihren gesamten Verbindlichkei-
ten beträgt ihr Anteil 33,7 %.

2.4.4 Finanzierung durch Vermögensumschichtung

2.4.4.1 Auflösung stiller Reserven


Stille Reserven werden durch Überbewertung Beispiel:
von Rückstellungen und Unterbewertung von
Gegenständen des Anlage- und Umlaufver- Die DMW AG realisiert einen Wertzu-
mögens gebildet. wachs
Das Unternehmen kann weitere Finanzie- Um ihre Gründungsinvestitionen für den
rungsmittel beschaffen, indem es – im Regel- Aufbau des Werkes in Halle zu finanzieren,
fall – nichtbetriebsnotwendige Vermögensge- veräußerte die DMW AG ein Grundstück, das
genstände veräußert. Vielfach sind Unter- zu ihrem Hauptwerk gehörte. Es war ur-
nehmen in den vergangenen Jahren dazu sprünglich für eine Erweiterung der Produkti-
übergegangen, insbesondere ihre Verwal- onsanlagen vorgesehen. Da die Entscheidung
tungsgebäude an Leasing-Gesellschaften zu zu Gunsten des neuen Standortes in Ost-
verkaufen, um das Gebäude von dem Lea- deutschland getroffen worden ist, wurde die-
singgeber zu mieten (Sale-lease-back- ses Areal nicht mehr benötigt. Das Grund-
Verfahren; siehe Abschnitt 2.6.1). Stille Re- stück war mit seinem Anschaffungswert in
serven werden auch aufgelöst und in klingende Höhe von 800000 EUR bilanziert worden.
Münze umgewandelt, wenn ein bereits abge- Durch Verkauf konnte der zwischenzeitlich
schriebenes Anlagegut verkauft oder – im Falle eingetretene Wertzuwachs (400000 EUR)
einer vorzeitigen Ersatzanschaffung – der realisiert werden, was bedeutete, dass zusätz-
Vermögensgegenstand zu einem höheren als liche Mittel in den Zahlungsmittelbestand
seinem Restbuchwert liquidisiert werden kann. flossen.
168 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Aus dem Verkauf von Vermögensgegenstän- Finanzierung durch


den werden Gewinne erzielt, die jedoch zu Vermögensumschichtung

versteuern sind; finanzielle Mittel aus der


Auflösung stiller Reserven stehen dem Unter-
nehmen also nur in Höhe des um die Steuer-
belastung bereinigten Betrages zur Verfü-
gung.
Im Rahmen einer Umschichtungsfinanzie-
rung werden Barmittel gewonnen, indem
Vermögenswerte verflüssigt werden. Mit
Zuführung finanzieller Mittel
diesen flüssigen Mitteln können neue Vorha-
ben finanziert werden. Eine Umschichtungs- Abb. 42: Finanzierung durch Vermö-
finanzierung kommt vor allem bei der Finan- gensumschichtung
zierung von Ersatzinvestitionen durch Ab-
schreibungsgegenwerte vor.

2.4.4.2 Finanzierung durch Forderungsverkauf


Zu den Geschäftsgepflogenheiten gehört, dass Aufgaben
Unternehmen ihren Kunden Zahlungsziele
34. Wie wirkt sich der Verkauf von Vermö-
einräumen. Um den Kunden einen Anreiz zu
gensgegenständen auf die Zusammenset-
bieten, wird diesen oftmals ein Preisnachlass in
zung der Bilanz aus?
Form eines Skontos angeboten. Die Kunden
sollen bewegt werden, innerhalb einer kürzeren 35. Welche Liquiditätswirkungen sind kurz-
als der zugestandenen Zahlungsfrist die Rech- und mittelfristig zu verzeichnen, wenn mit
nung zu begleichen. Ein solcher Zahlungsauf- Vermögensgegenständen nach der „Sale-
schub begründet Forderungen aus Lieferungen lease-back-Methode“ verfahren wird?
und Leistungen, die Kapital binden und den 36. Ein Lieferant der DMW AG, die „Mess-
Liquiditätsspielraum des Verkäufers ein- geräte GmbH“, hat im abgelaufenen Ge-
schränken. Die Zahlungsziele sind unter- schäftsjahr ihren Wareneinkauf über ein-
schiedlich lang. Im Durchschnitt gewähren geräumte Lieferantenkredite finanziert.
Unternehmen 14 Tage Ziel, mitunter 30 Tage. Mögliche Skontoabzüge wurden nicht
genutzt. Die Wareneinkäufe im Volumen
von 2,0 Mio. EUR hätten im Durch-
Factoring: Verkauf von Forderungen aus schnitt mit 2 Prozent Skonto innerhalb
Lieferungen und Leistungen an den Factor von 10 Tagen nach Rechnungsstellung
(engl. für Agent, Kommissionär). Bei dem bezahlt werden können. Stattdessen wur-
Factor handelt es sich in der Regel um Finan- de das Zahlungsziel von 30 Tagen voll
zierungsgesellschaften, die von größeren Ge- ausgeschöpft.
schäftsbanken betrieben werden. Fortsetzung auf der nächsten Seite
2. Finanzierungsentscheidungen 169

Um sich noch während der Laufzeit dieser Im vergangenen Jahr beliefen sich die
Forderungen mit liquiden Mitteln zu versor- • Verbindlichkeiten aus Lieferungen
gen, kann der Gläubiger seine Forderungen an und Leistungen auf 225000 EUR
ein Finanzierungsunternehmen (Factor) ver-
• Forderungen an die DMW AG auf
kaufen. Der Factor nimmt für den Verkäufer
300000 EUR.
der Forderungen (Anschlusskunde) drei
Das Unternehmen erzielte einen Umsatz
wichtige Funktionen wahr:
von 3,0 Mio. EUR.
1. Finanzierungsfunktion:
Um die Finanzierungskosten im kurzfris-
Die Außenstände des Unternehmens werden tigen Bereich zu senken, werden in dem
vorfinanziert. In der Regel zahlt der Factor 90 Unternehmen verschiedene Handlungs-
Prozent des Forderungsbetrages sofort bei möglichkeiten untersucht:
Vorlage der Rechnung. Die verbleibenden 10
1. Abbau der Lieferantenkredite und
Prozent werden mit eventuellen Skontoabzü-
stärkere Nutzung des von der Haus-
gen oder Betragsminderungen aufgrund von
bank zur Verfügung gestellten Kon-
Reklamationen durch den Kunden verrechnet.
tokorrentkredits. Für den Kontokor-
Dieser Restbetrag wird an den Anschlusskun-
rentkredit berechnet die Bank zurzeit
den erst ausgezahlt, nachdem der Kunde die
12 Prozent Zinsen.
Rechnung beglichen hat.
2. Verkauf der Forderungen an eine
Der Anschlusskunde wird in die Lage ver- Factoring-Gesellschaft. Dem Unter-
setzt, nehmen liegt das Angebot eines Fac-
• den Forderungsbestand abzubauen tors zu folgenden Bedingungen vor:
• Forderungen werden zu 100
• seinen Kunden Zahlungsziele einzuräu- Prozent angekauft. Die Delcre-
men, ohne den Liquiditätsspielraum deregebühr beträgt für das zu
einzuengen übernehmende Ausfallrisiko
• Skontoerträge durch fristgerechte Rech- 0,25 Prozent vom Rechnungs-
nungsbegleichung zu erzielen und im ge- umsatz.
gebenen Falle • Die Zwischenfinanzierung der
• Warenangebote zu Sonderkonditionen Forderungen erfolgt zu einem
(Boni, Sonderrabatte) auch kurzfristig Zinssatz von 11 Prozent.
wahrzunehmen. • Die Dienstleistungsgebühr wird
mit 1,2 Prozent des Jahresumsat-
Bei wachsendem Umsatzvolumen braucht das zes (3,0 Mio. EUR) berechnet.
Unternehmen kein zusätzliches Kapital von
außen zuzuführen, um kapitalbindende Forde- Entscheidet sich das Unternehmen
rungen zu finanzieren. für eine langfristige Zusammenarbeit
mit der Factoring-Gesellschaft, wer-
2. Delcrederefunktion: den jährliche Einsparungen an Per-
Mit dem Erwerb der Forderungen übernimmt sonal- und Sachkosten von 25000
der Factor das Forderungsausfallrisiko. Der EUR erwartet.
Anschlusskunde sichert gegen Zahlung einer Mit dem Forderungsverkauf können
Prämie, deren Höhe an den Forderungsausfäl- zukünftige Forderungsausfälle, die
len in der Vergangenheit orientiert ist, seine sich im Jahresdurchschnitt auf rund
Liquidität. Unvorhergesehene Forderungsaus- 3 Prozent des ausgewiesenen Forde-
fälle können also nicht mehr das finanzielle rungsbestandes beliefen, vermindert
Gleichgewicht des Unternehmens stören. werden.
Fortsetzung auf der nächsten Seite
170 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Factor

Zahlung des Bezahlung der


Kaufpreises Forderung

Verkauf der Bonitäts-


Forderung prüfung

Verkäufer/ Kunde/
Lieferant Debitor

1. Finanzierungsfunktion
2. Decrederefunktion
3. Dienstleistungsfunkltion

Abb. 43: Das Factoring im Überblick

Vor dem Ankauf der Forderungen prüft der 3. Bislang gewährte die „Messgeräte
Factor die Kreditwürdigkeit (Bonitätsprü- GmbH“ ihren Kunden keinen Skon-
fung) eines jeden einzelnen Kunden. Das to. Um einen schnelleren Zahlungs-
bedeutet, dass der Faktor Einblick in Umsätze eingang zu erreichen, wird daran ge-
des Anschlusskunden erhält und über die dacht, einen Skonto von 2 Prozent
Zahlungsusancen von dessen Kunden aufge- einzuführen. Bei der Beurteilung
klärt wird. Das ist nicht immer vorteilhaft. dieser Alternative wird unterstellt,
Die Zahlungen zwischen Anschlusskunde, dass der Umsatz zu 80 Prozent von
Factor und Schuldner können entweder offen dieser eigenen Skontogewährung be-
(echtes Factoring) oder für den Schuldner troffen sein wird.
nicht erkennbar (unechtes Factoring oder a) Ermitteln Sie die Finanzie-
Inkasso-Zession) abgewickelt werden. rungskosten der jeweiligen
Handlungsalternative, und stel-
Im Falle des echten Factoring wird der Kunde len Sie die kostengünstigste Fi-
(Schuldner) über die Abtretung seiner Forde- nanzierungsart heraus!
rungen benachrichtigt und gebeten, Zahlun- b) Erläutern Sie, welche Funktio-
gen unmittelbar an den Factor zu leisten. Im nen der Factor für das Unter-
anderen Fall begleicht der Schuldner den nehmen wahrnimmt!
Rechnungsbetrag gegenüber dem Lieferanten c) Überlegen Sie, warum die Skon-
direkt, der die Kundenzahlung an den Factor togewährung oft nicht ausreicht,
weiterleitet. den Schuldner zur vorzeitigen
Zahlung zu bewegen.
2. Finanzierungsentscheidungen 171

3. Dienstleistungsfunktion:
In dem Vertrag zwischen Factor und An-
schlusskunde kann auch vereinbart werden,
dass der Factor nicht nur das Mahn- und In-
kassowesen, sondern auch die Debitoren-
buchhaltung übernimmt. In vielen Fällen wird
darüber hinaus vereinbart, dass der Factor die
Rechnung ausstellt. Das Unternehmen entlas-
tet sich von Verwaltungsaufgaben (Rationali-
sierungseffekt) und kann Verwaltungskosten
senken. Dieser Rationalisierungsgewinn ist
bei der Betrachtung der Factoringkosten zu
berücksichtigen.
Die erbrachte Leistung des Factors ist nicht
kostenlos. Der Factor berechnet für den For-
derungsankauf eine Gebühr, die sich aus
folgenden Bestandteilen zusammensetzt:
Abb. 44: Verschiedene Arten des Factoring
• Dienstleistungsgebühr für die Einzie-
hung der Forderung
• Delcrederegebühr, die das Forderungs-
ausfallrisiko abdeckt Aufgaben
• Zinsen für die Restlaufzeit des ausge- 37. Fragen Sie bei Factoring-Instituten oder
zahlten, aber noch nicht fälligen Forde- Banken nach, was sich hinter den einzel-
rungsbetrages: Die Verzinsung entspricht nen Factoringarten verbirgt, und geben
in etwa dem Zinssatz für Kontokor- Sie eine Kurzdefinition hierfür ab!
rentkredite. 38. Dem Factoring wird oft die Zession ge-
Die Höhe der Dienstleistungs- und Delcrede- genübergestellt. Erklären Sie den Unter-
regebühr hängt von dem Forderungsvolumen schied zum Factoring! Ziehen Sie das
und von dem Umfang der zu übernehmenden Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 398 ff.) hier-
Verwaltungsaufgaben ab. für zu Rate!

Zusammenfassung
1. Der Umfang der Selbstfinanzierung ist Ausdruck für die Kraft des Unternehmens,
Vorhaben aus Mittelzuflüssen zu finanzieren, die dem Umsatzprozess entstammen.
2. Die Finanzierung erfolgt
• aus Umsatzerlösen. Hierzu zählen die
– offene und stille Selbstfinanzierung sowie
– die Finanzierung aus Abschreibungs- und Rückstellungsgegenwerten
• durch Vermögensumschichtung, indem
– stille Reserven aufgelöst und
– Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft verkauft werden.
172 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Zur Finanzierung aus Umsatzerlösen:


3. Die offene Selbstfinanzierung erfolgt durch Thesaurierung von Gewinnen, indem die-
se in die Gewinnrücklagen eingestellt werden. Thesaurierte Gewinne erhöhen das aus-
gewiesene Eigenkapital und stärken die Kreditwürdigkeit des Unternehmens.
4. Durch Unterbewertung von Vermögenstiteln und Überbewertung der Verbind-
lichkeiten wird der Gewinnausweis verringert. Finanzielle Mittel verbleiben in dem
Unternehmen und stehen, sofern sie nicht in liquiditätsfernem Vermögen (z. B. Vor-
ratsbestände) gebunden sind, für Investitionszwecke bereit.
5. Eine Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten wird ermöglicht, weil Umsatzer-
löse, sofern kostendeckende und Gewinn bringende Preise realisiert wurden, auch die –
nicht-ausgabewirksamen – Abschreibungsaufwendungen enthalten. Der Mittelzufluss
in Höhe der kalkulierten Abschreibungen steht bis zur fälligen Ersatzanschaffung des
Anlagegegenstandes für Finanzierungszwecke zur Verfügung. Wie Lohmann und
Ruchti nachweisen konnten, können in begrenztem Umfang aus Abschreibungsgegen-
werten Erweiterungsinvestitionen finanziert werden.
6. Eine weitere interne Finanzierungsquelle sind die Rückstellungen. Sie dürfen für Ver-
bindlichkeiten gebildet werden, die zwar dem Grunde nach in der Rechnungsperiode
entstanden sind, deren Höhe und Fälligkeit zum Zeitpunkt des Jahresabschlusses je-
doch nicht exakt feststellbar war. Der Finanzierungseffekt ist zeitlich begrenzt auf den
verminderten Gewinnausweis und die verringerte Belastung mit gewinnabhängigen
Steuern. Stehen den Rückstellungen in künftigen Perioden keine entsprechend hohen
Aufwendungen gegenüber, müssen sie gewinn- und steuererhöhend aufgelöst werden.
Zur Finanzierung durch Vermögensumschichtung:
7. Finanzierungsmittel werden durch Auflösung stiller Reserven freigesetzt. So können
mit dem Verkauf unterbewerteter Anlagegegenstände zu Marktpreisen Wertzuwächse
gewinnerhöhend verflüssigt und der nach Steuerabzug verbleibende Nettozufluss für
Investitionszwecke genutzt werden.
8. Mit dem Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an eine Facto-
ring-Gesellschaft wird der Zufluss liquider Mittel beschleunigt und der Forderungsbe-
stand abgebaut. Mit der verbesserten Liquiditätsausstattung kann das Unternehmen
(Anschlusskunde) zusätzliche Skontoerträge durch fristgerechte Begleichung seiner
Lieferantenverbindlichkeiten erwirtschaften und Warenangebote zu Sonderkonditionen
kurzfristig ordern.
Der Factor übernimmt mit den erworbenen Forderungen das Forderungsausfallrisi-
ko; er mahnt und sorgt für den Zahlungseingang. Darüber hinaus kann auch vereinbart
werden, dass der Factor die Debitorenbuchhaltung und das Ausstellen von Rechnungen
übernimmt.
2. Finanzierungsentscheidungen 173

2.5 Formen der Außenfinanzierung

Außenfinanzierung

Einlagen *) Beteiligungen *) Kredite

Zuführung von Eigenkapital durch Eigentümer oder Zuführung von


Beteiligung von Gesellschaftern Kapital durch
Gläubiger

Stärkung der Kreditwürdigkeit

Abhängigkeit
Anspruch auf: durch Tilgung
Gewinnanteil, Mitsprache, Leitung und Zinsen
Stärkung der Liquidität:
keine Zins- und Tilgungsleistungen

*) Eigenfinanzierung

Abb. 45: Formen der Außenfinanzierung

2.5.1 Finanzierung durch Verstärkung des Eigenkapitals


Unternehmen im Rahmen der Außenfinanzie-
rung Eigen- oder Fremdkapital zugeführt. Eigenfinanzierung
Handelt es sich um Einzelunternehmen oder
Personengesellschaften, so erhöht das zuge-
führte Eigenkapital die Einlagen der Eigentü-
Einlagen Beteiligungen
mer (Einlagenfinanzierung): Kapitalgesell-
schaften erhalten zusätzliches Eigenkapital,
indem sich Dritte durch Erwerb von Anteilen
am Unternehmen beteiligen (Beteiligungsfi- Mehrpersonen-
nanzierung), Aktiengesellschaften durch Aus- Einpersonen- unternehmen = Kapital-
unternehmen Personen- gesellschaften
gabe von jungen Aktien und Gesellschaften mit gesellschaften
beschränkter Haftung durch Aufstockung/
Erweiterung von GmbH-Anteilen. oHG GmbH
KG AG
GmbH & Co. KG KGaA
2.5.1.1 Einlagenfinanzierung Genossenschaft*

Der Einzelunternehmer haftet für die Ver- * besondere Form der Kapitalgesellschaften

bindlichkeiten seines Unternehmens mit sei-


Abb. 46: Eigenfinanzierung durch Einla-
nem Betriebs- und Privatvermögen. Um ge- gen und Beteiligungen
plante Investitionen zu finanzieren, kann er
Teile seines Privatvermögens einsetzen.
174 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Will er aber im Falle eines größeren Kapital- §230 HGB


bedarfs Fremdfinanzierungsmittel nicht in Begriff und Wesen der stillen Gesellschaft
Anspruch nehmen, kommt für ihn nur noch (1) Wer sich als stiller Gesellschafter an dem Handels-
gewerbe, das ein anderer betreibt, mit einer Vermö-
die Beteiligung von Kapitalgebern in Frage. genseinlage beteiligt, hat die Einlage so zu leisten,
In einem solchen Fall muss die Einzelunter- dass sie in das Vermögen des Inhabers des Han-
nehmung entweder in eine Personen- oder delsgeschäfts übergeht.
eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wer- (2) Der Inhaber wird aus den in dem Betriebe geschlos-
senen Geschäften allein berechtigt und verpflichtet.
den. Werden Kapitalgeber als Mitgesellschaf-
ter aufgenommen, so handelt es sich um eine
Beteiligungsfinanzierung. Rechts- Kapitalver- Leitungs- Beteiligung
form hältnisse /Vertretungs- am Unter-
Eine Beteiligungsfinanzierung kann auch in rechte nehmenser-
„stiller“ Weise geschehen. Der stille Gesell- gebnis
Einzel- Eigentümer Rechte und ausschließ-
schafter leistet eine Einlage in das Vermögen unterne leistet Einla- Pflichten lich der
des Unternehmensinhabers, ohne an den Ge- hmung gen aus stehen dem Eigentümer
schäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen Privat- Eigentümer
beteiligt zu werden. Für seine Kapitalbeteili- vermögen zu
oHG mind. 2 alle Gesell- Verzinsung
gung spielen im Allgemeinen Rentabilitäts-
(§§105– Gesellschaf- schafter der Einlagen
überlegungen eine Rolle. 160 ter erbringen gleichberech-vorab mit
An bereits bestehenden Personengesellschaf- HGB) Einlagen tigt 4% aus dem
Gewinn;
ten können Kapitalgeber als Gesellschafter Restgewinn
beteiligt werden. Sie beteiligen sich entweder nach Köpfen
mit Geldkapital oder Sachwerten an der Ge- KG Komplemen- Komplemen- Verzinsung
sellschaft. (§§161– täre/Kom- täre gleichbe- der Einlagen
177a manditisten rechtigt; mit 4% aus
Treten weitere Gesellschafter der offenen HGB) leisten Einla- Komman- dem Ge-
Handelsgesellschaft (oHG) oder als vollhaf- gen ditisten üben winn; Rest-
Kontrollrech- gewinn in
tende Teilhaber (Komplementär) der Kom- te aus; Haf- angemesse-
manditgesellschaft (KG) bei, teilen sich alle tung bis zur nem Ver-
Gesellschafter die Leitungs- und Vertretungs- Höhe ihrer hältnis
rechte. Nach der Ausweitung der Einlagen Einlagen
GmbH GmbH als entweder geregelt
wird aber auch das Kapitalrisiko von einer
& Co. Komplemen GmbH- nach
größeren Gesellschafterzahl getragen. KG tärin der KG Gesellschaf- GmbHG und
Lediglich in der KG kann zusätzliches Eigen- ter = Kom- HGB für
manditisten KG;
kapital beschafft werden, indem (bedingt der KG oder zugrunde
haftende) Kommanditisten beteiligt werden. andere liegen
Ihnen stehen zwar keine Leitungs- und Ver- Komman- jeweils der
tretungsbefugnisse zu, sie besitzen aber in ditisten KG- und
GmbH-
beschränktem Maße Kontrollrechte gegen- Gesell-
über den Komplementären, indem sie Bilan- schafts-
zen/Gewinn- und Verlustrechnungen einsehen vertrag
dürfen. Stille Beteiligung Kontrollrecht angemesse-
Gesell- an allen des stillen ner Anteil
schaft Rechtsformen Gesellschaf- am Gewinn
(§§230– möglich ters; Haftung
237 bis zur Höhe
HGB) seiner Einla-
ge
Abb. 47: Kapitalzuführung in Personen-
unternehmen
2. Finanzierungsentscheidungen 175

Kritisches zur Einlagenfinanzierung Aufgaben


Die Praxis zeigt, dass die Eigenkapitalbeschaf- 39. Welche Überlegungen können einen Kapi-
fung über zusätzliche Einlagen in Einzelunter- talgeber veranlassen, sich in stiller Weise
nehmen und Personengesellschaften oft schwer an einem Unternehmen zu beteiligen?
fällt. Es müssen erst einmal interessierte Kapi-
40. Nehmen Sie Stellung zu der Aussage,
talgeber gefunden werden. Denn die Entschei-
dass bei Aufnahme weiterer Gesellschaf-
dung eines Kapitalgebers, sich an einer Perso-
ter in die KG oder oHG das Kapitalrisiko
nenunternehmung zu beteiligen, hängt auch
je Gesellschafter verringert wird!
von der Rendite alternativer Kapitalverwen-
dungen ab. Die erwartete Rendite aus einer 41 Stellen Sie dar, was unter dem Leitungs-
Kapitalbeteiligung muss zwangsläufig höher und Vertretungsrecht eines Komplemen-
ausfallen als eine bankübliche (sichere) Ver- tärs oder oHG-Gesellschafters zu verste-
zinsung. Sie muss dem aus der Beteiligung hen ist!
erwachsenden Kapitalrisiko entsprechen.

2.5.1.2 Beteiligung an Kapitalgesellschaften


2.5.1.2.1 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
l
In einer GmbH beschließt die Gesellschafter- Verhandelt
versammlung über die Erhöhung des Stamm- zu Köln am 17. Oktober 2003
kapitals, das mindestens 25000 EUR betragen Vor dem unterzeichnenden Notar mit dem
muss. Ein Anteil an dem Stammkapital muss Amtssitz in Köln sind erschienen:
über mindestens 100 EUR lauten. Darüber 1. Herr Gustav Thormählen, Diplom-
hinaus kann jeder Gesellschafter unterschied- Ingenieur, geboren am 25. Januar 1940,
lich hohe Stammeinlagen leisten. Einzige wohnhaft Holzgraben 9, 50375 Köln,
Bedingung, die das GmbH-Gesetz setzt: Die 2. Frau Gerlinde Thormählen, Kauffrau,
Stammeinlage muss durch 100 teilbar sein. geboren am 4. Dezember 1942, wohnhaft
Die Summe der Stammeinlagen muss mit Holzgraben 9, 50375 Köln,
dem Stammkapital übereinstimmen. In einem 3. Herr Hans Wassermann, Diplom-
Gesellschaftsvertrag, der notariell zu beur- Kaufmann, geboren am 19. Juni 1950,
kunden ist, werden die Stammeinlagen der wohnhaft Bergstraße 395, 50162 Köln,
Gesellschafter festgehalten. 4. Frau Anna Zühlsdorff, Diplom-Kauffrau,
geboren am 30. September 1952, wohnhaft
Um das Stammkapital zu erhöhen, verkauft Lindenstraße 61, 50162 Köln.
die GmbH entweder Anteile an Die Erschienenen wiesen sich aus durch Vor-
• die bereits vorhandenen Gesellschafter lage ihrer Personalausweise und erklärten:
oder 1. Wir errichten unter der Firma: „Mess- und
• neue Gesellschafter, die in die Gesell- Regelungstechnik GmbH“ eine Gesell-
schaft eintreten. schaft mit beschränkter Haftung mit dem
Sitz in Köln. Für das Gesellschaftsverhält-
In beiden Fällen können sich die Kapitalver- nis gilt der in der Anlage enthaltene Ge-
hältnisse der Gesellschafter zueinander ver- sellschaftsvertrag.
ändern, da das Stimmrecht in der Gesellschaf- 2. Vom Stammkapital der Gesellschaft in
terversammlung und der Gewinnanspruch der Höhe von 3 000 000 EUR übernehmen:
Gesellschafter von der Höhe ihrer Geschäfts- a) Herr Gustav Thormählen 900000 EUR
anteile abhängen. Je angefangene 100 EUR b) Fr. Gerlinde Thormählen 600000 EUR
besitzt der Gesellschafter eine Stimme.
176 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Soll der GmbH zusätzliches Eigenkapital c) Herr Hans Wassermann 800000 EUR
durch weitere Gesellschafter zugeführt wer- d) Frau Anna Zühlsdorff 700000 EUR
den, so kann sich die Suche langwierig gestal- Die Stammeinlagen sind zur Hälfte sofort
ten. in bar an die Gesellschaft zu zahlen; der
Rest ist innerhalb von 4 Wochen nach An-
2.5.1.2.2 Aktiengesellschaft (AG) forderung durch die Gesellschafterver-
Nach dem Aktiengesetz (AktG) ist die Grün- sammlung zu zahlen.
dung dieser Kapitalgesellschaft nur möglich, 3. Zu Geschäftsführern werden bestellt: Herr
wenn der Mindestnennbetrag des Grundkapi- Gustav Thormählen, wohnhaft Holzgraben
tals von 50 000 EUR von einem oder mehre- 9, 50375 Köln, Herr Hans Wassermann,
ren Gründern aufgebracht wird. Das Grund- wohnhaft Bergstraße 395, 50162 Köln.
kapital wird in Anteile (Nominal- oder 4. Der Notar wies darauf hin, dass die Gesell-
Nennwert) zerlegt. Nennbetragsaktien müs- schaft erst mit der Eintragung in das Han-
sen mindestens auf 1 EUR lauten. Stückaktien delsregister entsteht. Diejenigen, die vor
dürfen einen Euro nicht unterschreiten. Höhe- der Eintragung im Namen der Gesellschaft
re Anteile müssen auf volle EUR lauten. Über handeln, haften gemäß § 11 Abs. 2
seinen Anteil erhält der Kapitalanleger Teil- GmbHG persönlich als Gesamtschuldner.
haberpapiere (Aktien) ausgehändigt. Die 5. Die Kosten der Errichtung dieses Vertra-
Kapitalbeschaffung der AG erfolgt durch ges und der Anmeldung zum Handelsregis-
Ausgabe von Aktien, die von Kapitalanlegern ter, der Eintragung der Gesellschaft in das
an der Börse erworben werden können. An Handelsregister sowie die anfallende Kapi-
der Börse werden diese Wertpapiere auch talverkehrsteuer trägt die Gesellschaft.
wieder veräußert, wenn sich der Aktionär von Diese Niederschrift nebst der Anlage wurde
seinem Anteilsbesitz trennen will. Dabei den Erschienenen vorgelesen, von ihnen ge-
werden die Aktien auf der Grundlage von nehmigt und sodann von ihnen und dem No-
Angebot und Nachfrage bewertet. Es kommt tar eigenhändig – wie folgt – unterschrieben:
zum Börsenkurs, der höher sein kann als der ____________________
Nennwert, aber auch geringer. Die AG nimmt
die Aktien nicht zurück; somit steht ihr auf Abb. 48: Auszug aus dem Gesellschafts-
Dauer das Grundkapital zur Verfügung. vertrag der „Regel- und Mess-
technik GmbH“, einem Zuliefe-
Abhängig von der Art der Übertragung und rer der DMW AG
den Rechten, mit denen das Wertpapier aus-
gestattet ist, werden folgende Aktienarten
unterschieden:
Aufgabe
42. Die „Regel- und Messtechnik GmbH“
• nach der Übertragungsart:
will ihr Stammkapital um 700000 EUR
Inhaberaktien werden durch Einigung erhöhen, indem sie einen weiteren Ge-
und Übergabe übertragen. Der jeweilige sellschafter beteiligt.
Inhaber ist Eigentümer. Dieser formlose
a) Stellen Sie dar, wie sich die Beteili-
Eigentumsübergang macht die Aktie als
gungsverhältnisse durch Aufnahme
Finanzierungsinstrument so fungibel,
des neuen Gesellschafters verändern!
d. h. beweglich. Aktionäre, die Inhaber-
aktien besitzen, können diese an andere b) In welchem Verhältnis werden die
weitergeben (z.B. an Familienmitglieder Gesellschafter an dem Gewinn oder
verschenken). Dann werden diese Mitei- Verlust der GmbH beteiligt?
gentümer der Aktiengesellschaft. c) Warum gehört die GmbH zu einer
Gesellschaftsform, die gern einge-
gangen wird?
2. Finanzierungsentscheidungen 177

Namensaktien erhalten einen Übertra- Aktienarten


gungsvermerk auf der Rückseite der
Wertpapierurkunde (Indossament). Der
Eigentümer der Aktie wird in das Akti-
enbuch der Gesellschaft eingetragen. nach Rechten nach Übertragung
Namensaktien werden ausgegeben, wenn
1. die Einlage noch nicht voll erbracht
Stammaktie Inhaberaktie
ist oder
Vorzugsaktie Namensaktie
2. Aktionäre zu Nebenleistungen ver-
vinkulierte Namensaktie
pflichtet sind.
Vinkulierte Namensaktien können nur
Abb. 49: Aktienarten
mit Zustimmung der Gesellschaft den Ei-
gentümer wechseln.
• nach den Rechten, die das Wertpapier Unterscheidung der Aktien nach der Art ihrer
verbrieft Übertragung
Inhaber- Übertragung formlos Inhaber der Aktie
Stammaktien weisen alle Rechte auf, die aktie durch Einigung und ist Eigentümer
das Aktiengesetz mit dem Anteilseigen- Übergabe (Inhaberpapier)
tum verbindet. Hierzu gehören das Namens- Übertragung erfolgt Eigentümer ist,
aktie durch Einigung, wer im Aktienbuch
– Recht zur Teilnahme an der Haupt- Indossament und eingetragen ist
versammlung Umschreibung im (Orderpapier)
Aktienbuch der AG
– Stimm- und Auskunftsrecht vinkulierte wie bei Namensaktie
– Recht auf den Bezug junger Aktien Namens- Übertragung nur mit
aktie Zustimmung der
(Bezugsrecht) Gesellschaft möglich
– Dividendenrecht. Unterscheidung der Aktien nach ihren Rechten
An den Wertpapierbörsen werden über- Stamm- • Teilnahmerecht an und Stimmrecht in
wiegend Stammaktien als Inhaberpapiere aktie der Hauptversammlung
• Anspruch auf den ausgeschütteten
gehandelt. Gewinn (Dividende)
Vorzugsaktien sind mit bestimmten • Bezugsrecht auf junge Aktien
Vorrechten gegenüber den Stammaktien • Recht auf Liquidationserlös
Vorzugs- Dividendenvorzug (in der Regel) ohne
ausgestattet. Sie weisen oftmals den aktie Stimmrecht
Nachteil auf, dass der Aktionär auf sein • Vorzugsaktionär erhält eine Vorzugs-
Stimmrecht verzichtet. dividende aus dem Bilanzgewinn;
Restgewinn wird an Stamm- und
Diese besonderen Rechte beziehen sich Vorzugsaktionäre ausgeschüttet
auf eine bevorzugte Beteiligung des Ak- Stimmrechtsvorzug
tionärs an • mehrere Stimmen je Aktie; in
Deutschland auf Ausnahmen be-
– der Gewinnausschüttung und schränkt (§ 12 Abs. 2 AktG)
Liquidationsvorzug
– dem Liquidationserlös.
• Bevorzugung bei der Verteilung des
Die Möglichkeit, Aktien mit einem Vermögens im Falle der Liquidation
Mehrfachstimmrecht auszustatten, ist der AG
nach deutschem Aktienrecht auf Aus- Abb. 50: Merkmale wesentlicher Aktien-
nahmefälle beschränkt. arten im Überblick
178 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Formen der Kapitalerhöhung Auszug aus dem Aktiengesetz:


Ordentliche Kapitalerhöhung §6 (Grundkapital)
Das Grundkapital und die Aktien müssen auf einen
Die Hauptversammlung beschließt, das Grund- Nennbetrag in Deutscher Mark lauten.
kapital durch Ausgabe neuer (junger) Aktien §7 (Mindestnennbetrag des Grundkapitals)
zu erhöhen. Sie legt den Ausgabekurs der Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist
neuen Aktie fest. Gleichzeitig wird bestimmt, 50.000 Euro.
in welchem Umfang den Altaktionären zum §8 (Mindestnennbetrag der Aktien)
Ausgleich der eintretenden Kursverluste ihrer (1) Der Mindestnennbetrag der Aktien ist fünf
Altaktien ein Bezugsrecht zugeteilt wird. Deutsche Mark. Aktien über einen geringeren
Denn nach der Börseneinführung wird, wenn Nennbetrag sind nichtig …
der Ausgabekurs der neuen geringer ist als (2) Höhere Aktiennennbeträge müssen auf volle
der Börsenkurs der alten Aktie, der Markt- fünf Deutsche Mark lauten.
preis der Aktie zwischen diesen beiden Kur- § 192 (Bedingte Kapitalerhöhung,
sen liegen. Voraussetzungen)
(1) Die Hauptversammlung kann eine Erhöhung
Bezugsrechte können für den Erwerb neuer des Grundkapitals beschließen, die nur so
Aktien zum Ausgabekurs eingesetzt oder, weit durchgeführt werden soll, wie von einem
falls nicht beabsichtigt, an der Börse verkauft Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch ge-
werden. macht wird, das die Gesellschaft auf die neu-
en Aktien (Bezugsaktien) einräumt.
Die ordentliche Kapitalerhöhung ist der Nor- (2) Die bedingte Kapitalerhöhung soll nur zu fol-
malfall einer Eigenfinanzierung der AG. genden Zwecken beschlossen werden:
Bedingte Kapitalerhöhung 1. Zur Gewährung von Umtausch- oder
Bezugsrechten an Gläubiger von Wan-
Nach §192 AktG kann die Hauptversamm- delschuldverschreibungen; …
lung „eine Erhöhung des Grundkapitals be- § 202 (Genehmigtes Kapital; Voraussetzungen)
schließen, die nur so weit durchgeführt wer- (1) Die Satzung kann den Vorstand für höchstens
den soll, wie von einem Umtausch- oder 5 Jahre nach Eintragung der Gesellschaft er-
Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, das die mächtigen, das Grundkapital bis zu einem be-
Gesellschaft auf die neuen Aktien einräumt“. stimmten Nennbetrag (genehmigtes Kapital)
Zu unterscheiden sind folgende Fälle: durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen
zu erhöhen.
• Inhaber von Wandelschuldverschreibun- (2) Die Ermächtigung kann auch durch Satzungs-
gen oder Optionen der AG änderung für höchstens 5 Jahre nach Eintra-
• Inhabern von Aktien einer anderen Ge- gung der Satzungsänderung erteilt werden.
sellschaft, die mit der AG zusammenge-
schlossen werden soll, werden im Wege
des Tausches Aktien dieser AG angeboten Beispiel:
• Arbeitnehmer der AG erhalten Bezugs- Beschluss der Hauptversammlung zur
rechte zum Erwerb neuer Aktien. bedingten Kapitalerhöhung
Da die Personen, die zum Umtausch oder Die bedingte Kapitalerhöhung um 350000
Bezug von Aktien berechtigt sind, das Wahl- EUR wird nur insoweit durchgeführt, als die
recht besitzen, entscheiden sie mit ihrem Inhaber der bereits ausgegebenen 107565
Anlageverhalten über den Umfang der Kapi- Aktien im Nennbetrag von je 50 EUR von ih-
talerhöhung. Für die bedingte Kapitalerhö- rem Bezugsrecht Gebrauch machen und die
hung ist ein Mehrheitsbeschluss von 75 Pro- Bezugsaktien zum Ausgabekurs von 150 EUR
zent des Grundkapitals notwendig. erwerben.
2. Finanzierungsentscheidungen 179

Genehmigte Kapitalerhöhung Beispiel:


Die Hauptversammlung kann durch Beschluss Genehmigte Kapitalerhöhung
den Vorstand ermächtigen, innerhalb von fünf
Die Aktionäre der DMW AG hatten auf ihrer
Jahren das Grundkapital durch Ausgabe neuer
letzten ordentlichen Hauptversammlung am
Aktien zu erhöhen (vgl. §202 AktG).
25. August 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Die genehmigte Kapitalerhöhung darf aber
„Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustim-
nicht mehr als die Hälfte des Grundkapitals
mung des Aufsichtsrats das Grundkapital der
betragen, das zum Zeitpunkt der Ermächti-
Gesellschaft um bis 10000000 EUR durch
gung vorhanden war. Mit diesem Beschluss
ein- und mehrmalige Ausgabe neuer Stamm-
soll dem Vorstand ermöglicht werden, ohne
aktien und/oder Vorzugsaktien ohne Stimm-
Zeit raubende Beschlüsse im Einzelfall ab-
recht gegen Bareinlage bis spätestens zum ...
warten zu müssen, günstige Kapitalmarktsitu-
zu erhöhen. Dabei ist den Aktionären ein
ationen für die Ausgabe neuer Aktien zu
Bezugsrecht einzuräumen.“
nutzen. Die genehmigte Kapitalerhöhung,
wenn von der Hauptversammlung beschlos- Kapitalerhöhung der AG
sen, kann vom Vorstand innerhalb der 5 Jahre
jederzeit umgesetzt werden. Der Vorstand
kann auch zu verschiedenen Zeiten verschie-
dene Teilbeträge abrufen, nur müssen diese
im Rahmen der Gesamtsumme des genehmig- ordentliche bedingte genehmigte
ten Kapitals liegen.
§§ 182 – 191 §§ 192 – 201 §§ 202 – 206
Bezugsrecht und ordentliche Kapitalerhö- AktG AktG AktG
hung
Beschließt die Hauptversammlung eine or- Abb. 51: Formen der Kapitalerhöhung in
dentliche Kapitalerhöhung, so haben die der AG
Aktionäre vorrangig das Recht, neue Aktien
zu dem festgesetzten Ausgabekurs zu erwer- Beispiel:
ben. Das Verhältnis zwischen Kapitalerhö- Bezugsrecht und ordentliche Kapital-
hung und vorhandenem Grundkapital wird als erhöhung der DMW AG
Bezugsverhältnis bezeichnet. Es bestimmt Bekanntmachung der DMW AG:
den Umfang des Bezugsrechts.
Bezugsangebot
Grundkapit al
= Bezugsverh ältnis Wertpapier-Kenn-Nr. 441089/123 400
Kaptialerh öhung
Die ordentliche Hauptversammlung unserer
Das Bezugsrecht soll den relativen Anteil des
Gesellschaft vom 6. Juli 2005 hat beschlos-
Altaktionärs an dem Grundkapital und dessen
sen, das Grundkapital von 90000000 EUR um
Einfluss in der Hauptversammlung (Stimm-
10000000 EUR gegen Bareinlagen durch
recht) der AG sichern.
Ausgabe von 200000 Stück neuen, auf den
Inhaber lautenden Stammaktien zum Ausga-
bepreis von 300,– EUR je Aktie zu 50,– EUR
Nennwert zu erhöhen.
180 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Nach deutschem Aktienrecht muss der Aus- Ein Bankenkonsortium unter Führung der
gabekurs mindestens dem Nominalwert der Kreditbank AG hat die neuen Aktien mit der
Aktie entsprechen. In aller Regel wird der Verpflichtung übernommen, die neuen
Ausgabekurs der jungen Aktie unter dem Stammaktien den Inhabern der alten Stamm-
Börsenkurs der alten Aktie liegen. Nach der aktien im Verhältnis 9:1 zu den Ausgabebe-
Ausgabe (Emission) der zusätzlichen Aktien dingungen zum Bezug anzubieten. Nachdem
bildet sich ein neuer (niedrigerer) Kurs der die Durchführung der Kapitalerhöhung in das
nun insgesamt im Umlauf befindlichen Akti- Handelsregister eingetragen worden ist, bitten
en. Der Wert eines Bezugsrechts wird rechne- wir unsere Aktionäre, ihr Bezugsrecht auf die
risch – ohne andere Marktfaktoren zu berück- neuen Stammaktien zur Vermeidung des
sichtigen – den Unterschiedsbetrag zwischen Ausschlusses in der Zeit
altem und neuem Börsenkurs aufweisen. Das vom 20. Juli bis 2. August 2005
Bezugsrecht stellt ein eigenständiges Recht
dar. Es wird an der Börse während einer kur- bei einer der nachstehend aufgeführten Ban-
zen Zeit (mindestens 14 Tage) gehandelt. ken oder deren Niederlassungen während der
Altaktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung üblichen Schalterstunden auszuüben.
nicht beteiligen wollen oder können, werden Zu diesen Banken zählen:
ihr Bezugsrecht verkaufen. Der erzielte Ver- - Deutsche Bank
kaufserlös gleicht die Differenz zwischen
dem neuen und alten Börsenkurs aus. Andere - Dresdner Bank
Kapitalanleger müssen, um an der Kapitaler- - Commerzbank
höhung teilzunehmen, zuerst die entsprechen- Die Bezugsrechte werden vom 20. Juli bis 2.
de Anzahl an Bezugsrechten kaufen, um eine August 2005 ausschließlich an der Wertpa-
neue Aktie zum Ausgabekurs zu erwerben.
pierbörse in Hamburg gehandelt und amtlich
Rechnerisch bestimmter Wert des Bezugs- notiert werden. Die Bezugsstellen sind bereit,
rechts: den börsenmäßigen An- und Verkauf von
Bezugsrechten nach Möglichkeit zu vermit-
1. Berechnung des Durchschnittskurses teln. Vom Beginn der Bezugsfrist an werden
aller Aktien die alten Aktien „ex Bezugsrecht“ notiert.
Ka + Kn Die Zulassung der neuen Aktien zum Börsen-
= neuer (Durchschnitts−) Kurswert handel mit amtlicher Notierung an der Wert-
A
papierbörse Hamburg ist erfolgt. Es ist vorge-
2. Wert des Bezugsrechts sehen, dass die neuen Aktien alsbald nach
Kurswert der alten Aktie Ablauf der Bezugsfrist gehandelt und amtlich
– neuer Kurswert notiert werden.
= Wert des Bezugsrechts
Hannover, im Juli 2005
K = Kurswert der alten Aktien
K = Kurswert der neuen Aktien Der Vorstand
A = Summe alter + neuer Aktien

Der rechnerisch ermittelte Wert des Bezugs-


rechts kann sich von dem an der Börse festge-
stellten Wert unterscheiden. Denn letztlich
bestimmen die Angebots- und Nachfragever-
hältnisse an der Börse den Preis dieses
Rechts.
2. Finanzierungsentscheidungen 181

Rechts- Kapitalver- Organe/ Beteiligung Aufgaben


form hältnisse Haftung am Unter-
nehmens- 43. Berechnen Sie den Wert eines Bezugs-
ergebnis rechts! Berücksichtigen Sie hierbei, dass
GmbH mind. 1 Geschäfts- Beteiligung die alten Aktien vor der Kapitalerhöhung
Gesellschaf- führung/ Ge- abhängig
ter, Stamm- sellschafter- von der mit 400,– EUR je Aktie gehandelt wurden.
Rechts- einlagen versamm- Höhe des 44. Ein Kleinaktionär besitzt 10 alte DMW-
grundlage: mind. lung (evtl. Anteils am
GmbH- 50000 EUR Aufsichts- Stamm- Aktien. Er möchte zwei junge Aktien
Gesetz (Stammkapi- rat); Haftung kapital zum Ausgabekurs von 300,– EUR erwer-
tal); Min- auf Stamm- ben. Wie muss er vorgehen, um die jun-
destge- einlage/ Ge- gen Aktien während der Zeit des Bezugs-
schäftsanteil schäftsanteil
100 EUR begrenzt rechtshandels zu kaufen?
AG mind. 1 Vorstand, Beteiligung 45. Das Grundkapital der DMW AG ist in
Gründungs- Aufsichtsrat, abhängig
mitglied; Hauptver- von dem
nominale Anteilswerte von 50,– EUR ge-
Rechts- Grundkapital sammlung; Anteil am stückelt.
grundlage: 50000 EUR Haftung auf Grundkapital
Die jungen Aktien werden weit über ih-
Aktienge- Aktienanteil
setz begrenzt rem Nominalwert (Über-pari-Emission)
Genossen- mind. 7 Vorstand, Beteiligung angegeben.
schaft Genossen; Aufsichtsrat, abhängig
kein be- Generalver- von dem a) Wie wirkt sich die Über-pari-Emission
stimmtes sammlung; Anteil am auf die Bilanzpositionen der Passiv-
Rechts- Grundkapi- Haftung auf Vermögen Seite aus?
grundlage: tal; Höhe der das Vermö- der b) Welche Marktfaktoren können den
Genossen Einlage in gen der Ge- Genossen-
schaftsge- der Satzung nossenschaft schaft.
Preis des Bezugsrechts beeinflussen?
setz bestimmt begrenzt; c) Warum wird ein Kapitalanleger
abweichende stimmrechtslose Vorzugsaktien er-
Regelung im werben?
Statut mög-
lich d) Überlegen Sie, welches Ziel die AG
mit der Ausgabe von Namensaktien
Abb. 52: Strukturmerkmale der Kapital- verfolgt!
gesellschaften

Vor- und Nachteile der Beteiligungsfinanzierung

Vorteile Nachteile
1. Das Beteiligungskapital belastet nicht die 1. Die Kosten des Ausgabeverfahrens sind
Liquidität des Unternehmens, da der bei Aktienemissionen relativ hoch. Des-
Kapitaleigentümer keinen Anspruch auf wegen wird eine Beteiligungsfinanzie-
Zins- und Tilgungsleistungen gegen die rung nur aperiodisch zur Finanzierung
Gesellschaft besitzt. größerer Investitionsprojekte durchge-
2. Bei Über-pari-Emissionen wird das den führt.
Nominalwert übersteigende Kapital der 2. Die Ausweitung des Aktienbestandes
Kapitalrücklage zugeführt. Zusätzliches kann zu einer Veränderung der Stimm-
Eigenkapital steht bereit, um Investitio- verhältnisse und -mehrheiten in der
nen zu finanzieren. Die Differenz zwi- Hauptversammlung führen.
schen Nominalwert und Ausgabekurs
wird als Agio (Aufgeld) bezeichnet.
182 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

3. Thesaurierte Gewinne und ausgeschüttete 3. Aktionäre können aber nicht gezwungen


Gewinne werden mit 25% Körperschafts- werden, dass sie sich mit ihren ausge-
teuersatz belastet. Derselbe Körper- schütteten Gewinnen an der Kapitalerhö-
schaftssteuersatz für Gewinnthesaurie- hung beteiligen.
rung + Dividendenausschüttung benach- Insofern hängt der Rückholeffekt einer
teiligt niemand, was besagt, dass das Un- großzügigen Ausschüttungspolitik von
ternehmen sowohl die eine wie die ande- dem Verhalten der Aktionäre ab. Diese
re Form der Gewinnverwendung wählen werden ihre Anlageentscheidung auch
kann. von der erwarteten Rentabilitätsentwick-
lung der AG abhängig machen.
Einen vollständigen Rückfluss zuvor
ausgeschütteter Gewinne kann die AG
folglich nicht erwarten.

Zusammenfassung
Personenunternehmen
In Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird zusätzliches Eigenkapital durch den
oder die Eigentümer oder durch Aufnahme weiterer Gesellschafter (oHG, KG) aufge-
bracht. Sie leisten Einlagen in das Vermögen des Unternehmens (Einlagenfinanzierung).
Als vollhaftende Gesellschafter nehmen sie Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse
wahr. Sie haften für die Verbindlichkeiten des Unternehmens neben ihrer Einlage auch un-
eingeschränkt mit ihrem privaten Vermögen.
Erschwert wird die Eigenfinanzierung von Erweiterungsinvestitionen dann, wenn neue Ge-
sellschafter gesucht werden müssen.
In der KG wird – im Gegensatz zur oHG – die Eigenkapitalbeschaffung erleichtert, weil
Kommanditisten beteiligt werden können, ohne dass diese die Rechte der vollhaftenden Ge-
sellschafter schmälern.
Kapitalgesellschaften
In Kapitalgesellschaften wird das Eigenkapital erhöht, indem die bisherigen Anteilseigner
ihre Beteiligung ausweiten oder zusätzliche Kapitalgeber an der Gesellschaft beteiligt wer-
den (Beteiligungsfinanzierung).
Die Suche nach geeigneten Kapitalgebern für die GmbH kann sich ähnlich schwierig wie
bei oHG und KG gestalten.
Aktiengesellschaften dagegen erschließen sich mit ihren Neuemissionen den anonymen
Kapitalmarkt. Sie besitzen einen wesentlich leichteren Zugang zu neuem Beteiligungskapi-
tal. Aber auch hier gilt: Der Erfolg einer Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien wird
auch von der Rentabilitätsbeurteilung interessierter Kapitalanleger abhängen.
2. Finanzierungsentscheidungen 183

2.5.2 Formen der Fremdfinanzierung

Formen der Fremdfinanzierung

Abb. 53: Formen der Fremdfinanzierung

Kredite spielen in der Finanzierung der Un- Fremdkapitalpositionen auf der Passiv-
ternehmen eine wichtige Rolle. Ihr Vermögen Seite der Bilanz
ist überwiegend fremdfinanziert. Dieses • Anleihen
(fremdfinanzierte Vermögen) entspricht dem
Fremdkapital, das auf der Passivseite der • Verbindlichkeiten gegenüber Kreditin-
Bilanz seinen Ausdruck findet. Neben der stituten
Beteiligungsfinanzierung ist die Fremdfi- • erhaltene Anzahlungen auf Bestellun-
nanzierung eine weitere Form der Außenfi- gen
nanzierung. Man kann sogar davon ausgehen,
dass in fast allen deutschen Unternehmen das • Verbindlichkeiten aus Lieferungen
Fremdkapital überwiegt. und Leistungen
Wesentliche Merkmale des Kredits sind darin • Wechselverbindlichkeiten
zu sehen, dass Dritte • Verbindlichkeiten gegenüber verbun-
• im Vertrauen darauf, der Kreditnehmer denen Unternehmen
stehe für die Verbindlichkeiten ein • Verbindlichkeiten gegenüber Unter-
• Geld- und/oder Sachkapital gegen Entgelt nehmen, mit denen ein Beteiligungs-
befristet verhältnis besteht
überlassen. • sonstige Verbindlichkeiten
184 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.5.2.1 Instrumente der kurzfristigen Fremdfinanzierung

2.5.2.1.1 Lieferantenkredit
Ein Lieferantenkredit wird begründet, in- Beispiel:
dem der Lieferant seinem Vertragspartner die
Zahlungsbedingungen
Entrichtung des Kaufpreises für eine be-
stimmte Zeit stundet (Zahlungsziel). Die Zahlungsalternativen, die dem Kunden
angeboten werden, können beispielsweise
Das Zahlungsziel erstreckt sich meistens auf
darin bestehen, „bei Zahlung innerhalb von
einen Zeitraum von 30 Tagen (im Inland),
10 Tagen 2 Prozent Skonto von dem Rech-
kann aber auch, abhängig von branchentypi-
nungsbetrag abzusetzen“ oder aber „spätes-
schen Zahlungsgewohnheiten, länger oder
tens nach 30 Tagen den Rechnungsbetrag
kürzer sein. Der Käufer kann durch Ausnut-
ohne Abzug zu bezahlen“.
zen des Zahlungsziels sein Warenlager finan-
zieren und gewinnt einen Liquiditätsspiel-
raum. Neben dem Kontokorrentkredit nimmt
der Lieferantenkredit im kurzfristigen Finan- Kosten
zierungsbereich eine bedeutende Stellung ein,
weil er
• ohne große Formalitäten vom Käufer als
schnelles Kreditierungsmittel genutzt wer-
den kann
• keine banküblichen Sicherheiten erfor-
dert. Der Verkäufer behält sich als Si-
cherheit das Eigentum an der gelieferten
Ware bis zur endgültigen Bezahlung vor
(siehe: Eigentumsvorbehalt)
Abb. 54: Alternative zum Lieferanten-
• ein zinsloser Kredit ist, wenn keine wei- kredit
teren Zahlungsbedingungen vereinbart
wurden Aufgaben
• kein Abhängigkeitsverhältnis mit einem 46. Nehmen Sie Stellung zu der Aussage, der
Bankunternehmen begründet. Lieferantenkredit sei ein kostenloser
In aller Regel regt der Verkäufer seinen Kun- Kredit!
den zur schnelleren Zahlung des Kaufpreises 47. a) Ermitteln Sie den Zinsertrag/-
an, indem er ihm einen Preisnachlass (Skon- aufwand für den Kunden, der eine
to) anbietet, wenn er noch vor Ablauf des Rechnung über 10 000 EUR entwe-
Zahlungsziels die Rechnungssumme be- der innerhalb von 30 Tagen ohne
gleicht. Abzug (brutto) oder den skontierten
Dass der Lieferantenkredit nicht als kostenlo- Nettobetrag innerhalb von 10 Tagen
se Liquiditätshilfe anzusehen ist, wenn dem zahlt!
Abnehmer Skontozahlung während einer b) Wie verändert sich das Beispiel, wenn
bestimmten Frist eingeräumt wird, zeigen ein Skonto von 2 % auch bei 30 Tagen
folgende Überlegungen: Zahlungsziel gewährt wird?
2. Finanzierungsentscheidungen 185

1. Der Rechnungsbetrag ist während der 48. Prüfen Sie, ob es sinnvoller wäre, mit
Skontofrist netto zu zahlen. einem kurzfristigen Bankkredit (Konto-
2. Für den Zeitraum zwischen dem Ende korrentkredit) den Nettobetrag am 10.
der Skontofrist und dem Ende des Zah- Tag zu zahlen! Der Zinssatz des Bank-
lungsziels gewährt der Lieferant einen kredits beträgt 12 Prozent.
Kredit in Höhe des Netto-Rechnungs- Berechnung der Zinskosten (ZK) des Liefe-
betrages. rantenkredits:
3. Zahlt der Kunde am letzten Tag des Zah- Skontoertr ag × 100 365 Tage
ZK = ×
lungsziels, so „verschenkt“ er den Skon- Neubetrag Z
tobetrag.
Z=Zahlungsziel – Skontofrist in Tagen
4. Der Skontobetrag ist der Preis für die
Rechnungsbetrag: 2.000 EUR
Inanspruchnahme des Zahlungsziels. Skontosatz: 2%
5. Wird der Skontobetrag ins Verhältnis Skontofrist: 10 Tage
Zahlungsziel: 30 Tage
zum Netto-Rechnungsbetrag gesetzt –
unter Berücksichtigung des Zahlungsziels 40 EUR × 100 365 Tage
ZK = ×
–, ergeben sich die Zinskosten des Liefe- 1.960 EUR 20 Tage
rantenkredits.
ZK = 2,0408 x 18,25 = 37,24 %
Fazit Der entgangene Skontoertrag beträgt für die
20tägige Laufzeit zwar „nur“ 2,04 Prozent, auf das
Der Lieferantenkredit ist eine ausgespro- ganze Jahr hochgerechnet ergibt sich aber eine
chen kostspielige Form der kurzfristigen Verzinsung von 37,24 Prozent.
Finanzierung. In jedem Fall wäre das Un-
ternehmen gut beraten, überschüssige Aufgabe
liquide Mittel für die Begleichung der Lie- 49. Berechnen Sie die Skontoverzinsung bei
ferantenrechnungen während der Skonto- einem Zahlungsziel von 30 Tagen und
frist zu nutzen oder das eingeräumte Kredit- einem Skontosatz von
limit der Hausbank zu nutzen. Die Kosten a) 1 %
eines kurzfristigen Bankkredits sind gerin-
ger als der Verzicht auf den Skontoertrag. b) 3 %!

2.5.2.1.2 Kontokorrentkredit
Das Kontokorrentkonto ist nach §355 HGB § 355 HGB (Laufende Rechnung, Konto-
ein Konto, das in laufender Rechnung zwi- korrent)
schen einem Kaufmann und (in der Regel) (1) Steht jemand mit einem Kaufmanne derart in
einer Bank geführt wird. Auf diesem Konto Geschäftsverbindung, dass die aus der Ver-
werden die Ansprüche und Leistungen ein- bindung entspringenden beiderseitigen An-
schließlich der Zinsen den Vertragspartnern sprüche und Leistungen nebst Zinsen in
in Rechnung gestellt. In regelmäßigen Zeitab- Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeit-
ständen werden die gegenseitigen Ansprüche abschnitten durch Verrechnung und Feststel-
verrechnet (saldiert). Dadurch ist der Konto- lung des für den einen oder anderen Teil sich
korrentinhaber nicht ständig aufgefordert, mit ergebenden Überschusses ausgeglichen wer-
den (laufende Rechnung, Kontokorrent), so
der Bank zu verhandeln, sondern er kann in
kann derjenige, welchem bei dem Rechnungs-
einem gesetzten Kreditrahmen agieren. abschluss ein Überschuss gebührt, von dem Ta-
ge des Abschlusses an Zinsen von dem Über-
schusse verlangen, auch so weit in der Rech-
nung Zinsen enthalten sind.
186 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Der Saldo wird dann auf die neue Rechnung (2) Der Rechnungsabschluss geschieht jährlich
vorgetragen. Bestehen Zweifel an der Zah- einmal, sofern nicht ein anderes bestimmt ist.
lungsfähigkeit des Vertragspartners, kann der (3) Die laufende Rechnung kann im Zweifel auch
Gläubiger jederzeit den Forderungsbetrag von während der Dauer einer Rechnungsperiode
dem Schuldner verlangen. Die kurzfristige jederzeit mit der Wirkung gekündigt werden,
Kündigung des Kredits kann zu einem exis- dass derjenige, welchem nach der Rechnung
tenzbedrohenden Liquiditätsengpass führen. der Überschuss gebührt, dessen Zahlung be-
anspruchen kann.
Da der Kontokorrentkredit in der Regel ver-
längert wird, steht er als mittel- und langfristi-
ges Finanzierungsinstrument zur Verfügung.
Er wird zur Finanzierung des Umlaufvermö-
Aufgabe
gens eingesetzt (siehe Lieferantenkredit). 50. Dem Bankkunden ist von dem Kreditin-
Kosten des Kontokorrentkredits stitut ein Kontokorrentkredit zu folgen-
den Konditionen eingeräumt worden:
Ein Kontokorrentkonto kann nur durch be-
sondere Vereinbarung mit dem Bankunter- Kreditlinie: 20 000 EUR
nehmen als Kreditkonto genutzt werden. Im Sollzins (zurzeit): 10% p.a.
Allgemeinen wird ein Kreditlimit (Kreditli- Bereitstellungsprovision: 2%
nie) vereinbart. Sowohl für die eingeräumte
Kreditlinie als auch den tatsächlich genutzten der Differenz zwischen dem in Anspruch
Kredit werden Zinskosten berechnet. genommenen Kredit und der Kreditlinie.
Im Wesentlichen setzen sich die Kosten des a) Berechnen Sie die Verzinsung unter
Kontokorrentkredits zusammen aus der Annahme, dass die Kreditlinie
während des Jahres
1. dem Sollzinssatz auf den in der Abrech-
nungsperiode tatsächlich in Anspruch aa) vollständig und
genommenen Kredit. Der Zinssatz wird ab) zu 50 %
an dem Diskontsatz der Deutschen Bun- genutzt wird!
desbank orientiert
b) Begründen Sie den Kostenunter-
2. der Bereitstellungsprovision, die auf die schied zwischen den beiden Annah-
vereinbarte Kreditlinie bezogen wird. Die men!
Erhebungsmodalitäten sind bei den ein-
zelnen Bankunternehmen unterschiedlich c) Es wird dem Kunden alternativ ein
Sollzins von 12 % angeboten und auf
3. der Überziehungsprovision, wenn das die Erhebung einer Bereitstellungs-
Kreditlimit überschritten wird. Die Über- provision verzichtet.
ziehungsprovision wird dem Sollzins zu-
geschlagen Berechnen Sie die Verzinsung für die un-
ter aa), ab) und c) genannten Alternati-
4. weiteren Positionen wie Barauslagen und ven, und treffen Sie eine Auswahl zwi-
Umsatzprovision. schen den Alternativen!
2. Finanzierungsentscheidungen 187

2.5.2.1.3 Diskont- und Akzeptkredit

Der Wechsel ist eine Urkunde, mit der der Ein Wechsel muss folgende Bestandteile
Aussteller (Gläubiger) des Wechsels den aufweisen (gesetzliche Bestandteile gemäß §1
Bezogenen (Wechselschuldner) anweist, eine Wechselgesetz):
bestimmte Geldsumme an einem festgelegten 1. die Bezeichnung als Wechsel im Text der
Termin und Ort zu zahlen. Die Geldsumme ist Urkunde
an die im Wechsel genannte Person oder an
Order zu leisten. 2. die unbedingte Anweisung, eine be-
stimmte Geldsumme zu zahlen
Dem Akzept- und Diskontkredit liegt ein
Wechsel zugrunde, der auf ein Handelsge- 3. den Namen des Bezogenen
schäft zurückgeht. Der Abnehmer einer Wa- 4. die Angabe der Verfallzeit
renlieferung bittet den Verkäufer um Stun- 5. die Angabe des Zahlungsortes
dung der Kaufsumme. Zur Absicherung sei-
ner Forderung stellt der Lieferant einen 6. den Namen desjenigen, an den oder des-
Wechsel aus. Es handelt sich um einen gezo- sen Order gezahlt werden soll
genen Wechsel, wenn der Aussteller einen 7. die Angabe des Tages und des Ortes der
anderen anweist, einen bestimmten Geldbe- Ausstellung.
trag zu zahlen. Ein Solawechsel (eigener
Wechsel) liegt vor, wenn der Aussteller sich
verpflichtet, den Wechselbetrag selbst zu Funktionen des Wechsels
zahlen.
Erst wenn der Bezogene schriftlich die An-
nahme des Wechsels erklärt, wird aus dem
gezogenen Wechsel ein Akzept. Kredit- Zahlungs- Kredit-
Der Wechsel erfüllt drei wichtige Funktionen: sicherung mittel mittel

• Zahlungsmittelfunktion: Der Wechsel


Abb. 55: Funktionen des Wechsels
kann als Zahlungsmittel verwendet wer-
den. Durch Übertragungsvermerk auf der
Rückseite der Urkunde (Indossament)
wird der Wechsel weitergegeben. Warenlieferung

• Kreditsicherungsmittel: Aufgrund der Aussteller Bezogener

gesetzlichen Wechselstrenge wird der Akzept


Zahlungseingang gesichert. Wird der
Wechsel von dem Bezogenen nicht ein- Diskontierung Vorlage und
gelöst, so kann der Aussteller durch einen bei Hausbank Einlösung
vollstreckbaren Titel beim Bezogenen
pfänden lassen. Abb. 56: Wechseldiskontkredit
188 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

• Kreditmittelfunktion: Vor Ablauf der Beispiel:


Zahlungsfrist kann der Aussteller den Diskontierung eines Wechsels
Wechsel an die Bank verkaufen.
Ein Lieferant der DMW AG hat am 18. Sep-
Wechseldiskontkredit tember 2001 Montageteile geliefert. Über den
Der Bezogene kann den Wechsel vor Fällig- Rechnungsbetrag in Höhe von EUR 150 000
keit seiner Bank zum Diskont einreichen akzeptiert der Lieferant einen Wechsel, der
(Kreditmittelfunktion). am 20. Dezember 2001 fällig ist.
Durch den Ankauf räumt die Bank dem Aus- Der Lieferant reicht den Wechsel am 20.
steller einen Kredit (Wechseldiskontkredit) September seiner Hausbank zum Diskont ein.
ein. Die Hausbank diskontiert den Wechsel:
Da die ankaufende Bank die Wechselsumme Wechselsumme 150000 EUR
erst am Verfalltag des Wechsels erhält, be- Diskont für 90 Tage
rechnet sie von der Wechselsumme einen und i = 6 % 2625 EUR
Abschlag (Diskont). Die Höhe des Diskonts Auslagen 50 EUR
wird durch die Restlaufzeit des Wechsels und
Gutschrift 147325 EUR
den jeweiligen Diskontsatz der Deutschen
Bundesbank bestimmt. Der Aussteller belastet den Bezogenen mit
dem Diskontierungs- und Auslagebetrag. Bei
Akzeptkredit
Verrechnung wird die Auslage mit dem je-
Im Unterschied zum Diskontkredit wird der weils gültigen Mehrwertsteuersatz belastet.
Wechsel auf die Hausbank des Ausstellers
K × t×i 150 000 × 90 × 7
gezogen, die diesen Wechsel akzeptiert Z= = = 2 625 EUR
100 × 360 100 × 360
(Bankakzept). Der Aussteller ist verpflichtet,
den Geldbetrag der Bank einen Werktag vor K = Kapital i = Zinssatz
Fälligkeit zur Verfügung zu stellen. t = Laufzeit in Tagen Z = Zinsbetrag
Die Bank wird dann aus dem Wechselge-
schäft in Anspruch genommen, wenn der Wechselkredit
Aussteller den Wechsel nicht einlösen kann.
Mit dem Bankakzept erhält der Aussteller
keine finanziellen Mittel bereitgestellt. Inso-
fern handelt es sich bei dem Akzeptkredit um
eine Kreditleihe. Das Bankakzept wird von
dem Aussteller verwendet, um Forderungen Diskontkredit Akzeptkredit

zu begleichen oder um sich zu refinanzieren,


indem er den Wechsel bei einer Bank diskon-
tiert. Da die Bank im Außenverhältnis für die Ankauf von
Auf die Bank
Zahlungsverpflichtung ihres Kunden einsteht, Handelswechseln
bezogener Wechsel
durch
geht sie nur mit Unternehmen dieses Wech- Geschäftsbank
(Bankakzept)
selgeschäft ein, deren Bonität über jeden
Zweifel erhaben ist. Abb. 57: Erscheinungsformen des Wech-
selkredits
2. Finanzierungsentscheidungen 189

An Kosten für den Akzeptkredit fallen an:


Arten des Lombardkredits
• Akzeptprovision
• Bearbeitungsgebühren
• Diskont, der aber wegen der herausra-
genden Bonität des Ausstellers geringer Waren- Effekten- Wechsel-
lombard lombard lombard
ist als beim Diskontkredit.

2.5.2.1.4 Lombardkredit
Unter einem Lombardkredit ist die (kurz- kurzfristige Beleihung beweglicher
fristige) Verpfändung von Sachen und Rechte gegen deren
Hinterlegung
• Waren
Abb. 58: Arten des Lombardkredits
• Wechseln oder
• Wertpapieren
zu verstehen.
Ist der Kontokorrentkredit ausgeschöpft, kann Avalkredit
das Unternehmen den Finanzmittelbedarf
durch das teilweise Beleihen dieser bewegli-
chen Vermögensgegenstände decken.
Stundung von Zöllen und
Nachteilig ist, dass der Pfandgeber den Besitz Steuerzahlungen
an der Sache verliert, weil der beliehene Ge-
genstand von der lombardierenden Bank
Gewährleistungs-
verwahrt wird. Beim Warenlombard wird ansprüche
die Ware bei einem Spediteur oder einer La-
gergesellschaft während der Laufzeit des
geleistete Auszahlungen
Kredits unter Verschluss genommen. Eine
wirtschaftliche Verwertung der Ware, deren
Bezug durch einen Lombardkredit finanziert
Konventionalstrafen
wird, ist dann nicht mehr möglich. Deshalb
wird meist die Sicherungsübereignung als
unechter Lombard gewählt. Die beliehene ausstehende Einlagen
auf Beteiligungen
Sache verbleibt weiterhin im Besitz des
Schuldners und kann von diesem genutzt
werden.
Übernahme einer Bürgschaft durch die
Die Finanzierungskosten liegen in der Regel Bank und Besicherung von
um 1 bis 2 Prozentpunkte über den Kosten Forderungen Dritter gegenüber dem
eines Kontokorrentkredits. Kreditnehmer

Abb. 59: Gegenstände des Avalkredits


2.5.2.1.5 Avalkredit
Die Bank stellt für ihren Kunden eine Bürg-
schaft. Mit dieser Bürgschaft besichert sie
Zahlungsansprüche, die Dritte gegenüber
diesem Bankkunden besitzen.
190 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Wie beim Akzeptkredit handelt es sich um eine Aufgaben


Kreditleihe; Schuldner bleibt weiterhin der
51. Worin sehen Sie die betriebswirtschaftli-
Kunde. Im Importgeschäft spielt der Aval-
chen Funktionen des Diskontkredits?
kredit eine Rolle, wenn der Importeur aus
Liquiditätsgründen die fälligen Abgaben wie 52. Stellen Sie mögliche Vor- und Nachteile
Steuern und Zölle erst zu einem späteren der folgenden kurzfristigen Fremdfinan-
Zeitpunkt leisten kann. zierungsarten im Vergleich zueinander
heraus!
Des Weiteren können (u. a.) Bürgschaften
gewährt werden für a) Lieferantenkredit; b) Diskontkredit;
• Konventionalstrafen, falls der Schuldner c) Akzeptkredit; d) Lombardkredit
seinen Leistungsverpflichtungen nicht 53. Auch bei der Vergabe kurzfristiger Kre-
nachkommen sollte dite prüft der Gläubiger, ob der Schuld-
• geleistete Anzahlungen bei Großaufträ- ner kreditwürdig ist und ob er die Vor-
gen, für den Fall, dass der Schuldner den aussetzung für die vertragsgemäße Erfül-
Vertrag nicht erfüllt lung der Kreditverpflichtung bietet.
• Gewährleistungen bei der Ausführung Die Kreditwürdigkeitsprüfung bezieht
von Aufträgen durch die Bauindustrie. sich sowohl auf die wirtschaftliche als
auch auf die persönliche Kreditwürdigkeit.
Für die Einräumung des Avalkredits berech-
net die Bank eine Avalprovision. Sie wird bei Nennen Sie Merkmale (Prüfungspunkte),
Abgabe der Bürgschaftserklärung fällig und die bei der persönlichen und wirtschaft-
beträgt zwischen 1 und 3 Prozent der Bürg- lichen Kreditwürdigkeit des Schulders
schaftssumme. eine Rolle spielen können!

2.5.2.2. Instrumente der mittel- und langfristigen Fremdfinanzierung


Sollen Investitionen durchgeführt werden, die Aufgaben
auf längere Sicht Kapital (im Anlagevermö-
Unternehmen können ihren Kapitalbedarf, der
gen) binden, so muss – dem Finanzierungs-
kurz-, mittel- oder langfristig benötigt wird,
grundsatz entsprechend – dieses Kapital der
im Wege der Innen- und/oder Außenfinanzie-
Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes
rung decken.
entsprechend mittel- bis langfristig zur Ver-
fügung stehen. Neben der Eigenfinanzierung 54. Erläutern Sie, was unter den Begriffen
kommen verschiedene Instrumente der „Innen- und Außenfinanzierung“ zu ver-
Fremdfinanzierung in Betracht. Werden stehen ist!
Anlagegegenstände mit mittlerer Nutzungs- 55. Ordnen Sie die angeführten Finanzie-
dauer (z. B. Fahrzeuge) beschafft, so können rungsbeispiele entweder dem Bereich In-
sie mit Bankkrediten (-darlehen) fristentspre- nen- oder Außenfinanzierung zu!
chend finanziert werden.
a) Aufnahme eines weiteren GmbH-
Unter langfristigen Fremdfinanzierungsmit- Gesellschafters
teln sollen Kredite verstanden werden, die
eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren auf- b) Gewinne werden teilweise thesauriert
weisen. Diese Mittel werden in Form von c) Wohin würden Sie einen Kredit ein-
Realkrediten (Hypotheken, Grundschulden), ordnen, den Arbeitnehmer eines Un-
Schuldscheindarlehen oder durch Ausgabe ternehmens ihrem Arbeitgeber über
von Schuldverschreibungen auf dem Kapi- einen Lohnabzug (z.B. Weihnachts-
talmarkt beschafft. geld) einräumen?
2. Finanzierungsentscheidungen 191

Merkmale dieser Finanzierungsform sind in d) Verdiente Abschreibungen werden


einer für die Anschaffung einer Datenver-
• festen oder variablen Verzinsung und arbeitungsanlage eingesetzt
e) Aufnahme eines langfristigen Bank-
• regelmäßigen Tilgung des Kredits
darlehens
zu sehen.
f) Bildung einer Rückstellung für ein-
Kreditgeber sind Hypotheken- und andere gegangene Gewährleistungsansprü-
Banken, aber auch Versicherungsgesellschaf- che
ten.
g) Verkauf von Forderungen an eine
Factoring-Gesellschaft
2.5.2.2.1 Schuldscheindarlehen
h) Für ein Warengeschäft nutzt der
Zwischen Gläubiger und Schuldner wird ein
Kunde das vom Lieferanten angebo-
Darlehensvertrag geschlossen. Dem Gläubi-
tene Zahlungsziel von 30 Tagen aus
ger wird über die Höhe des Kreditbetrages ein
Schuldschein ausgehändigt. In diesem i) Arbeitnehmer eines Unternehmens
Schuldschein verpflichtet sich der Schuldner verzichten auf einen Teil ihres ver-
(Darlehensnehmer) zur regelmäßigen Tilgung einbarten Entgelts.
und Zinszahlung. Für die gesamte Laufzeit
des Darlehens (oft bis zu 15 Jahre) kann ein
fester Zinssatz vereinbart werden. Schuld-
Instrumente der langfristigen Fremdfinanzierung
scheindarlehen werden meistens in Millio-
nen-Euro gewährt und können, wenn es sich
um größere Beträge handelt, auch mehrfach
in Teilschuldscheine gestückelt werden. Auf
Schuldver- Schuldschein-
diese Weise wird die Zwischenfinanzierung Realkredit
schreibung darlehn
eines Investitionsprojektes ermöglicht, das
über einen längeren Zeitraum realisiert wird.
Da als Darlehensnehmer nur Großunterneh- Darlehens- Darlehens-
men mit herausragender Bonität in Frage geber nehmer
kommen, wird das Schuldscheindarlehen von
Banken und Lebensversicherungsgesellschaf- Schuldschein
- Zinssatz
ten als sicheres Anlagemittel gesehen. Versi- - Tilgung
cherungsgesellschaften werden solche Darle-
hen jedoch nur gegen zusätzliche dingliche
Sicherheiten geben. Nach den aufsichtsrecht-
lichen Bestimmungen des Bundesamtes für Laufzeit Besicherung:
Mindestbetrag
das Versicherungswesen müssen die Schuld- individuell
50.000 EUR
Grundpfand-
(max. 15 Jahre) rechte
scheine deckungsstockfähig (siehe Abschnitt
2.5.2.2.2) und durch Grundpfandrechte abge-
sichert sein. Abb. 60: Schuldscheindarlehen
192 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Schuldscheine sind zwar Urkunden, können Die DMW AG gibt die Zulassung ihrer Inha-
aber nicht wie Schuldverschreibungen an der ber-Teilschuldverschreibungen über 30 Millio-
Börse gehandelt werden. nen EUR bekannt:
Aufgrund der von der Hauptversammlung am 6.
Aus der Sicht des Schuldners ist ein Schuld- August 2003 erteilten Ermächtigung haben wir die
scheindarlehen eine preiswertere Finanzie- Begebung einer Anleihe über 30000000 EURO
rungsmöglichkeit als die Schuldverschrei- beschlossen.
bung, weil Emissionskosten entfallen. Für den Stückelung
Gläubiger wird die Sicherheit seiner Kapital- Die Anleihe ist eingeteilt in 10 000 Inhaber-
anlage mit dem Risiko erkauft, das sich aus Teilschuldverschreibungen zu je 1 000 EUR, Nr.
dem über einen längeren Zeitraum festge- 000001 bis 10000, 2000 Inhaber-Teilschuldver-
schriebenen Zinssatz ergibt. Ihm entstehen schreibungen zu je 10000 EUR, Nr. 10001 bis 12000.
höhere Refinanzierungskosten, wenn der Verzinsung
Kapitalmarktzins dem vereinbarten Darle- Die Teilschuldverschreibungen sind vom 1. Sep-
henszins vorauseilt. tember 2003 mit 7,5% jährlich zu verzinsen.
Die Zinsen sind jährlich nachträglich am 1. Sep-
2.5.2.2.2 Schuldverschreibungen tember eines jeden Jahres fällig. Der erste Zins-
Die Schuldverschreibung (Anleihe oder schein ist am 1. September 2004 fällig.
Obligation) gehört zu den Finanzierungsin- Rückzahlung
strumenten, mit denen Unternehmen, aber Die Teilschuldverschreibungen werden am 1.
auch Gebietskörperschaften, langfristiges September 2013 zum Nennbetrag zurückgezahlt.
Fremdkapital durch Ausgabe (meist) festver- Zahlstellen
zinslicher Wertpapiere an der Börse beschaf- Zahlstellen sind die in §7 Abs. 1 der Anleihebe-
fen. Der Gesamtbetrag einer Schuldverschrei- dingungen genannten Banken.
bung wird gestückelt, d.h. in Teilschuldver- Garantie
schreibungen ausgegeben. Die DMW AG hat ihre unbedingte und unwider-
rufliche Garantie für die ordnungsgemäße Zahlung
Ausstattungsmerkmale einer Schuldver- von Kapital und Zinsen der Teilschuldverschrei-
schreibung bungen gegeben.
Nicht jedes beliebige Unternehmen kann Sicherstellung
Anleihen zur Deckung seines Kreditbedarfs Die Gesellschaft hat sich verpflichtet, während der
begeben. Die Ausgabe einer Anleihe (Anlei- gesamten Laufzeit der Anleihe ihren Grundbesitz
heemission) setzt eine staatliche Emissions- in Deutschland nicht zu belasten, es sei denn, die
genehmigung voraus. Diese wird nur solchen Belastung erfolgt auch zugunsten der Gläubiger
Unternehmen gewährt, deren Bonität (Stan- dieser Teilschuldverschreibungen. Ausgenommen
sind hiervon Belastungen des Grundbesitzes als
ding) als einwandfrei beurteilt wird. Zu den
Sicherheit für Kredite aus öffentlichen Mitteln und
Merkmalen einer Bonitätsbeurteilung gehören normale Wohnungsbauhypotheken im Range der
u. a. die ersten Stelle in üblicher Höhe.
• Eigenkapitalausstattung Deckungsstockfähigkeit
Die notwendigen Schritte sind eingeleitet worden,
• Gewinnentwicklung
um die Deckungsstockfähigkeit der Anleihe zu
• Qualifikation des Managements. erlangen.
Bremen, im März 2003
Der Vorstand der DMW AG
Abb. 61: Auszug aus dem Börseneinfüh-
rungsprospekt der DMW AG
2. Finanzierungsentscheidungen 193

Stückelung der Anleihe Aus dem Kurszettel für Industrieobligatio-


Damit die Anleihe am Kapitalmarkt unterge- nen:
bracht (platziert) werden kann, muss sie 2.08.2003 3.08.2003
• vom Bundesminister der Finanzen ge- 6 Agrokult 98/08 100,00 100,00
nehmigt worden und 6 ChemoTech 95/02 100,60 bG 100,60 G
• mit Bedingungen ausgestattet sein, die 7,5 Kaufstadt 90/01 100,25 G 100,30 T
für den Kreditgeber (Kapitalanleger) inte-
ressant genug erscheinen. 7 Leeven 89/99 101,00 bG 101,00 T

Um einen größeren Anlegerkreis zu erreichen, 7 Otonia 92/00 100,60 G 100,85


wird die Anleihe gestückelt und in Teil- Erläuterung der Kurszusätze:
schuldverschreibungen emittiert. Üblich ist G: Geldkurs; zu diesem Kurs war Nachfrage
eine Stückelung in Beträge über 100, 500, vorhanden.
1 000, 5000 und 10000 EUR. Teilschuldver- B: Briefkurs; zu diesem Kurs war Angebot vor-
schreibungen sind gewöhnlich Inhaberpa- handen.
bG: bezahlt und Geld; zu dem festgestellten Kurs
piere. Die Wertpapier-Urkunde – auch Man- konnten nicht alle Aufträge ausgeführt wer-
tel genannt – enthält alle Bedingungen, die den. Es bestand noch Nachfrage.
das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger T: Taxkurs; geschätzter Kurs.
(Obligationär) und Schuldner (Emittent)
bestimmen. Zu den wichtigsten Bestandteilen
gehören: Beispiel:
• Laufzeit „6 Agrokult 98/2008 100,00 100.00“:
• Emissionskurs und Verzinsung Die Anleihe der Agrokult von 1998 mit einer
Laufzeit bis 2008 ist mit einem Nominalzins-
• Besicherung satz von 6 Prozent ausgestattet. Die Anleihe
• Tilgungsmodalitäten wurde an beiden Börsentagen mit einem Kurs
von 100,00 EUR gehandelt.
• Zahlstellen.

Laufzeit
Laufzeit
Gegenwärtig betragen die Laufzeiten 10 bis Zahl-
Emis-
15 Jahre. Anleihen mit längeren Laufzeiten sions-
stellen
kurs
sind am Kapitalmarkt kaum mehr unterzu-
bringen, weil Anleger längere Laufzeiten
hinsichtlich ihrer Finanzdispositionen nicht
für überschaubar halten.
Be-
Verzinsung und Emissionskurs siche- Zinssatz
rung
Anleihen sind überwiegend mit einem festen
Zinssatz ausgestattet, der sich auf den Nenn- Tilgung
wert der Teilschuldverschreibungen bezieht.
Er bleibt während der gesamten Laufzeit
unverändert. Anleihen werden deshalb auch Abb. 62: Ausstattungsmerkmale einer
als festverzinsliche Wertpapiere bezeichnet. Anleihe
194 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Um eine Feinabstimmung auf die zum Emis-


sionszeitpunkt herrschenden Bedingungen auf
dem Kapitalmarkt zu gewährleisten, kann die
Teilschuldverschreibung zu einem Kurs unter
oder über dem Nennwert abgegeben werden
(Unter-/Über-pari-Emission). Ein Kursab-
schlag (Disagio) stellt für den Anleger einen
zusätzlichen Reiz zum Erwerb dar.
Aus der Sicht des Emittenten ist im Fall einer
„Unter- oder Über-pari-Emission“ nicht der Abb. 63: Bestimmungsgrößen der Effek-
Nominalzins, sondern die Effektivverzinsung tivverzinsung
des aufzunehmenden Kapitals von Bedeu-
tung. Umgekehrt spielt dieser Aspekt auch in Beispiel:
der Anlageentscheidung des Kapitalgebers
Effektivverzinsung
eine Rolle:
Die Teilschuldverschreibung wird zum Unter-
Effektivverzinsung (rv)
pari-Kurs von 95 Prozent des Nominalwertes
No min alzins × 100 (1000 EUR) ausgegeben (Pari-Kurs bedeutet,
rv =
Ausgabe − (Erwerbs −)kurs dass sich Nominalwert und Ausgabekurs
Der Kapitalmarktzins kann während der entsprechen). Die Tilgung der Anleihe erfolgt
Laufzeit der Anleihe erheblichen Schwan- nach 10 Jahren zum Nominalwert. Das Disa-
kungen unterworfen sein. Bei gegebenem gio (50,00 EUR) ist folglich auf die einzelnen
Nominalzins wird sich deshalb ein von dem Jahre der Laufzeit zu verteilen; der Nominal-
Nominalwert der Anleihe abweichender Bör- zins beträgt 7,5 %:
senkurs einstellen. Bezogen auf den Börsen- Zinsertrag + ( jährliches ) Disagio
× 100 =
kurs ergibt sich eine effektive Verzinsung, die Ausgabe − (Erwerbs −)kurs
tendenziell das Niveau des aktuellen Kapi-
75,00 EUR + 5,00 EUR
talmarktzinses widerspiegelt. × 100 = 8,42%
950,00 EUR
Besicherung der Anleihe
Neben der Bonität des Emittenten wird auch
die Besicherung der Anleihe in die Anlage-
überlegung des Kapitalgebers einbezogen.
Die Besicherung der Obligation erfolgt, in-
dem unternehmenseigene Immobilien durch
Eintragung von Grundschulden und Hypothe-
ken belastet werden. Handelt es sich um ein
markt- und umsatzstarkes Unternehmen, wird
auf eine besondere Absicherung der Obligati-
on verzichtet. In diesem Fall gibt der Emittent
eine Negativerklärung ab und verpflichtet
sich, Abb. 64: Veränderung der Effektivver-
zinsung
2. Finanzierungsentscheidungen 195

• während der gesamten Laufzeit der An- Begriffsklärungen


leihe seinen Grundbesitz und/oder andere
Als Deckungsstock wird das Vermögen eines
Vermögensgegenstände zum Zweck wei-
Versicherungsunternehmens bezeichnet, mit dem
terer Kreditaufnahmen (mit Ausnahmen)
im Insolvenzfall die Ansprüche der Versiche-
nicht zu belasten
rungsnehmer befriedigt werden müssen und das
• keine weiteren Anleihen zu begeben, dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen ist.
solange die laufende Anleihe nicht getilgt Nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz müssen
worden ist die anlagefähigen Anleihen mündelsicher* sein.
• künftige Anleihen nicht besser zu besi- * Mündel: eine unter Vormundschaft stehende
chern als die gegenwärtig laufende. Person. Deren Geldvermögen darf nur in
Deckungsstockfähigkeit mündelsicheren Papieren angelegt werden.
Das Geldvermögen muss sicher angelegt wer-
Unternehmen der Versicherungswirtschaft den.
gehören mit zu den bedeutendsten Nachfra-
gern von Obligationen. Diese Unternehmen * Zur Anlage von Mündelgeldern zugelassene
können ihre freien Mittel, die ihnen aus dem Wertpapiere und verbriefte Forderungen sind
Prämienaufkommen zur Verfügung stehen, gem. §1807 I Nr. 4 BGB insbes.: Bundes- und
jedoch nur in solchen Titeln anlegen, die Länderanleihen (einschl. Schuldbuchforde-
durch besondere staatliche Genehmigung als rungen), vom Bund oder von einem Land ga-
deckungsstockfähig anerkannt wurden. rantierte Schuldverschreibungen, Anleihen
kommunaler Körperschaften oder ihrer Kre-
Tilgung der Anleihe ditanstalten, sofern sie von der Bundesregie-
Üblich sind folgende Tilgungsverfahren: rung mit Zustimmung des Bundesrates zur
Anlegung von Mündelgeldern für geeignet
• Am Ende der Laufzeit wird die Anleihe
erklärt sind.
zum (in der Regel) Nennbetrag getilgt.
• Nach einigen tilgungsfreien Jahren wird Zusatzinformationen zum Deckungsstock
die Anleihe in gleichen Teilbeträgen zu-
Das Aufsichtsamt für das Versicherungswe-
rückgezahlt. Die Anleihe wird in Jahres-
sen kann aber auch Industrieobligationen als
serien aufgeteilt und für jedes Tilgungs-
deckungsstockfähig erklären, wenn es sich
jahr eine Serie bestimmt. Die Serien-
um die Anleihe eines Emittenten handelt, die
nummer ist auf dem Mantel des Wertpa-
folgende Merkmale aufweist:
piers angegeben. Getilgt wird durch Aus-
losung. • Die Bonität des Unternehmens ist
Zahlstellen einwandfrei.

Nach dem Emissionsgesetz ist der Emittent • Das Unternehmen gehört der Grundstoff-
verpflichtet, in seinem Emissionsprospekt die industrie an oder ist ein anderes bedeu-
Namen der Banken bekannt zu geben, die als tendes inländisches Unternehmen.
Zahlstellen die Zinsscheine und zur Tilgung • Unternehmen der Versorgungswirtschaft
ausgelosten oder fälligen Teilschuldver- sind mit einem Grundkapital von mindes-
schreibungen einlösen. tens 6 Mio. EUR ausgestattet und dürfen
keinen starken Konjunkturschwankungen
ausgesetzt sein.
• Die dingliche Belastung der Nettobuch-
werte des Anlagevermögens soll sich auf
nicht mehr als 40 Prozent belaufen.
196 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Platzierung der Anleihe Aufgaben


Um die Anleihe im Publikum zügig unterzu- 56. Worin sehen Sie die Vorteile eines
bringen, kann das Unternehmen mehrere Schuldscheindarlehens gegenüber einer
Banken mit dem Verkauf der Teilschuldver- Schuldverschreibung?
schreibungen beauftragen. Sie bilden ein
57. Erläutern Sie, warum der Effektivzins
Konsortium, das die Anleihe insgesamt über-
einer Schuldverschreibung das jeweilige
nimmt. Die einzelnen Konsortialbanken er-
Zinsniveau des Kapitalmarktes wider-
halten für den auf sie entfallenden Anteil eine
spiegelt!
Provision.
58. Legen Sie dar, weshalb die Zwischenfi-
Ausstattung der Obligation mit Sonder-
nanzierung eines längerfristigen Investi-
rechten
tionsvorhabens durch die Begebung von
Wandelobligation Teilschuldverschreibungen erleichtert
Die Wandelobligation räumt dem Kapitalan- wird!
leger das Recht ein, die Teilschuldverschrei- 59. Welche Voraussetzung muss die Haupt-
bung während eines bestimmten Zeitraumes in versammlung der AG geschaffen haben,
Aktien des Unternehmens umzutauschen. Der um zusätzliches Kapital durch Emission
Wandlungspreis (Bezugskurs) wird bei Aus- einer Wandelobligation zu beschaffen?
gabe der Teilschuldverschreibung festgelegt.
60. Wie verändert sich die Kapitalstruktur
Aus dem Gläubiger mit Anspruch auf Tilgung der AG, wenn der Obligationär seine
und Zinszahlung wird ein Aktionär, der künf- Wandelobligation in Aktien des Unter-
tig an dem Gewinn und Vermögen des Unter- nehmens umtauscht?
nehmens beteiligt ist.

Obligationen

Wandelobligation Tilgungsanleihe Optionsanleihe

zusätzliche
Umtausch vertragsmäßige Tilgung wie
wie Wahl-
der Tilgungs-
Tilgungs- möglich-
Forderung anleihe
anleihe keiten
in Aktion
+

Aktien- Verkauf der


Verzinsung
option Option

Abb. 65: Gestaltungsmöglichkeiten einer Obligation


2. Finanzierungsentscheidungen 197

Für den Obligationär besteht jedoch kein Aufgabe


Zwang, von seinem Umtauschrecht Gebrauch
61. Die Hauptversammlung kann beschlie-
zu machen. Insbesondere Kapitalgeber, die
ßen, dass der Umtausch einer Teilschuld-
das Kursrisiko scheuen, werden mit steigen-
verschreibung in Aktien von einer Zuzah-
den Aktienkursen die Teilschuldverschrei-
lung beim Aktienerwerb abhängig ist.
bung wandeln. Bei dem Umtausch der Teil-
schuldverschreibung ist ein Wandlungspreis Wie wirkt sich der Umtausch von Teil-
(oder auch: eine Zuzahlung) für den Erwerb schuldverschreibungen unter Zuzahlung
von Aktien zu leisten. Wie bei dem Bezugs- auf die finanzielle Situation des Unter-
verhältnis für junge Aktien, so wird auch bei nehmens aus?
der Ausgabe der Teilschuldverschreibungen
ein Wandlungsverhältnis festgelegt. Beispiel:
Die Wandelanleihe ist in der Regel mit einem Vor einigen Jahren hatte die DMW AG über
Zinssatz ausgestattet, der unter dem Kapital- eine Wandelobligation zusätzliches Kapital
marktzins liegt. Damit besteht der Vorteil für aufgenommen. Damals betrug das Wand-
die kapitalsuchende AG, Fremdkapital mit lungsverhältnis 6:1, d. h., der Obligationär
vergleichsweise niedrigen Zinsbelastungen hatte die Möglichkeit, für sechs Teilschuld-
aufzunehmen. Und ein weiterer Vorteil: Im verschreibungen eine Aktie der AG – im
Falle der Wandlung wird langfristiges Nominalwert von 50,00 EUR vor Einführung
Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt, des Euro – mit einer Zuzahlung von 30,00
und Liquidität bleibt der AG erhalten. EUR zu erwerben. Das Wandlungsrecht
Optionsanleihe konnte während der gesamten Laufzeit der
Anleihe ausgeübt werden.
Das Recht, Aktien zu einem festgelegten
Preis zusätzlich zur Teilschuldverschreibung
zu erwerben, wird als Option bezeichnet. Das §221 AktG
Optionsrecht kann unabhängig von der Teil-
schuldverschreibung während eines bestimm- (1) Schuldverschreibungen, bei denen den
ten Bezugszeitraumes ausgeübt werden. Der Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugs-
Bezugspreis der Aktie ist zuvor durch Be- recht auf Aktien eingeräumt wird (Wan-
schluss der Hauptversammlung festgelegt delschuldverschreibungen), und
worden. Schuldverschreibungen, bei denen die
Rechte der Gläubiger mit Gewinnanteilen
Das Optionsrecht wird in einem Options- von Aktionären in Verbindung gebracht
schein als selbstständig wahrzunehmendes werden (Gewinnschuldverschreibungen),
Recht verbrieft und kann von der Teilschuld- dürfen nur auf Grund eines Beschlusses
verschreibung gelöst werden. der Hauptversammlung ausgegeben wer-
An der Börse kann den …
• die Teilschuldverschreibung mit oder (2) Eine Ermächtigung des Vorstandes zur
ohne Optionsschein oder Ausgabe von Wandelschuldverschrei-
bungen kann höchstens für fünf Jahre er-
• nur der Optionsschein
teilt werden …
gehandelt werden.
(3) Auf Wandelschuldverschreibungen, Ge-
winnschuldverschreibungen und Genuss-
rechte haben die Aktionäre ein Bezugs-
recht.
198 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Der Erwerber einer Optionsanleihe hat folg- Optionsscheine


lich die Wahl,
Jeder Optionsschuldverschreibung im Nennbetrag
• entweder den Optionsschein an der Börse von 1000,– EUR sind zwei Inhaber-Optionsscheine
zu veräußern, wenn er nicht an dem Be- mit Berechtigung zum Bezug von einer Inhaberak-
zug von Aktien interessiert ist tie im Nennbetrag von je 50,– EUR der DMW AG
• oder mit dem Optionsschein die ihm beigefügt.
zustehende Anzahl an Aktien zum festge- Die Optionsscheine können ab 2. November 2003
setzten Optionskurs zu kaufen. In diesem von den Optionsschuldverschreibungen abgeson-
Fall wird der Kapitalgeber zum Aktionär dert und von diesem Tag an getrennt übertragen
und Gläubiger zugleich. werden.
Der Zinssatz der Optionsanleihe liegt regel- Verzinsung
mäßig unter dem des Kapitalmarktes, weil die Die Optionsschuldverschreibungen werden vom
Option an sich schon einen Wert darstellt. 15. Oktober an mit 2,7% verzinst.
Wird der Optionsschein von der Teilschuld- Bedingtes Kapital
verschreibung getrennt und an der Börse
verkauft, so fällt der Wert der Obligation, da Zur Sicherstellung des Optionsrechts besteht ein
die Verzinsung der Anleihe unter dem Zins- bedingtes Kapital in Höhe von 20000000,– EUR.
niveau des Kapitalmarktes liegt. Der niedrige- Optionsrecht
re Kurswert bewirkt eine höhere effektive Die Inhaber der Optionsscheine sind berechtigt, für
Verzinsung. zwei Optionsscheine eine Inhaberaktie der DMW
Der Börsenwert des Optionsrechts wird durch AG zu beziehen (Bezugsverhältnis 2:1). Der Opti-
den Unterschiedsbetrag ausgedrückt, der onspreis beträgt 180,– EUR je Aktie zum Nenn-
zwischen dem Kurswert der Anleihe ohne wert von 50,– EUR.
Optionsschein und dem Kurswert der Anleihe Abb. 66: Auszug aus dem Bezugsange-
mit Optionsschein besteht. bot der DMW AG (Okt. 2003)
Die Entwicklung des Börsenkurses der Aktie
steht in enger Beziehung zu der Wertverände- Beispiel:
rung des Optionsrechts: Bei steigendem Akti- Hebelwirkung des Aktienkurses auf den
enkurs erhöht sich der Kurs des Optionsrechts Optionsrechtskurs
überproportional (und umgekehrt). Dieser
Zusammenhang zwischen Optionsrechtskurs Um eine Aktie zum Bezugskurs von 180,–
und Aktienkurs wird als Hebelwirkung be- EUR zu erwerben, müssen zwei Options-
zeichnet. scheine vorhanden sein. Bei einem Bezugs-
kurs von 180,– EUR und einem Börsenkurs
Für die AG ist die Optionsanleihe aus zwei von … EUR je Aktie ergibt sich ein rechneri-
Gründen eine interessante Finanzierungsal- scher Wert des Bezugsrechts von … EUR:
ternative:
Börse Veränderung rechnerischer Veränderung
1. Das Unternehmen erhält niedrig verzins- nkurs in % Wert je in %
liches Fremdkapital, und (EUR) Bezugsrecht
(EUR)*
2. es wird ihm Eigenkapital zugeführt, 180 0 0
wenn das Optionsrecht ausgeübt wird. 200 + 11,1 10
220 + 10,0 20 + 100,0
240 + 9,1 30 + 50,0
260 + 8,3 40 + 33,3
* (= Differenz zwischen Bezugs- und Börsenkurs) :
Anzahl der Optionsrechte je Aktie zum Bezugskurs
2. Finanzierungsentscheidungen 199

Gewinnschuldverschreibung Beispiel:
Es handelt sich um eine Anleihe, die getilgt Beschluss der Gesellschaft über die Ausgabe
und verzinst wird. Die Verzinsung kann ganz von Genussscheinen im Nennbetrag von 10,–
oder teilweise von der Gewinnentwicklung EUR zum Ausgabepreis von 50,– EUR:
abhängig sein.
Die Genussscheine gewähren einen Anspruch
Genussschein auf eine jährliche Ausschüttung, deren Höhe
Mit dem Genussschein werden dem Inhaber an den jeweiligen Dividendensatz der
des Wertpapiers bestimmte Rechte an dem Stammaktie der Gesellschaft für das abgelau-
Gewinn und/oder Vermögen des Unterneh- fene Geschäftsjahr geknüpft ist. Der jährliche
mens verbrieft. Den Genussscheininhabern Ausschüttungssatz beträgt das 1,2-fache des
stehen in aller Regel keine Stimmrechte in der Dividendensatzes auf Stammaktien. Bezogen
Hauptversammlung zu. auf den niedrigeren Nennbetrag der Genuss-
scheine berechnet sich die Ausschüttung auf
Gesetzliche Regelungen für die Ausgestaltung einen Genussschein im Nennbetrag von 10,–
von Genussscheinen existieren nicht. Gestal- EUR somit als 24% der auf eine Aktie im
tungsmöglichkeiten können daher unter- Nennbetrag von 50,–EUR ausgeschütteten
schiedlich weit gefasst sein und sich u. a. auf Dividende.
Verzinsung, Dividendenanteil, Bezugs- oder
Umtauschrechte beziehen. Unabhängig vom Bilanzergebnis der Gesell-
schaft wird für die Genussscheine eine Min-
destverzinsung von 5 % des Nennbetrages der
Genussscheine garantiert.

Zusammenfassung
Um langfristige Investitionen zu finanzieren, stehen dem Großunternehmen neben der Ei-
genfinanzierung verschiedene Formen der Fremdfinanzierung zur Auswahl.
Die Entscheidung für eine der beiden Alternativen muss folgende Überlegungen berück-
sichtigen:
1. Die Beschaffung von langfristigem Kapital im Wege der Kapitalerhöhung entlastet
das Unternehmen liquiditätsmäßig. In Zeiten der Rezession ist kein zusätzlicher
Fremdkapitaldienst zu leisten. Eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien kann
aber eine Veränderung in den Stimmverhältnissen zur Folge haben.
2. Die Aufnahme langfristigen Fremdkapitals setzt vor allem eine entsprechende Bonität
des Unternehmens voraus, um die staatliche Genehmigung zur Emission einer Anleihe
zu erhalten.
Tilgung und Verzinsung des Fremdkapitals engen den Liquiditätsspielraum ein.
Die Bildung von Rücklagen ist nur möglich, wenn die Gesamtkapitalrentabilität über
dem Fremdkapitalzins liegt (Leverage-Effekt).
3. Für den Fremdkapitaleinsatz spricht, dass die Mitbestimmungsbasis der Eigentümer
nicht verändert wird. In Gewinnjahren wird eine steuerliche Entlastung erzielt, da
Zinsausgaben als Betriebsausgaben bei der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns
abzugsfähig sind.
200 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

4. Ferner beeinflusst das Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt Finanzierungsentscheidungen.


Ist der Fremdkapitalzins niedrig, und wird eine Gesamtkapitalrentabilität erwartet, die
über dem Fremdkapitalzins liegt, so ist eine Fremdfinanzierung zu bevorzugen.
Die Wandelobligation und die Optionsanleihe mit in der Regel unter dem Kapital-
marktzins liegenden Zinssätzen empfiehlt sich vor allem in Hochzinsphasen. Sie bieten
– im Gegensatz zur Tilgungsanleihe – die Chance zur Umstrukturierung der Kapital-
ausstattung, wenn Obligationäre von ihren Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen.

2.5.3 Sicherheiten in der Bürgschaft


Kreditfinanzierung Für alle bestehenden und künftigen – auch bedingten
oder befristeten – Ansprüche, die der Bank mit ihrer
In aller Regel geht jede Form der Kreditge- Geschäftsstelle aus der Geschäftsverbindung, insbesonde-
re aus laufender Rechnung und aus der Gewährung von
währung mit der Stellung von Sicherheiten Krediten jeder Art, aus abgetretenen oder kraft Gesetzes
des Kreditnehmers einher. übergegangenen Forderungen sowie aus Wechseln (auch
Neben einer guten Bonität, die u. a. durch so weit diese von Dritten hereingegeben worden sind)
gegen
• Zahlungsmoral und -fähigkeit Tachometer GmbH, Bremerhaven
zustehen, übernimmt der Bürge
• Ertragsaussichten und Kapitalstruktur des
die betragsmäßig beschränkte selbstschuldnerische
Unternehmens Bürgschaft.
• Qualifikation der Unternehmensleitung Sie beläuft sich auf 5000000 (fünf Millionen) EUR.
Die Bürgschaft besteht bis zur Beendigung der Ge-
nachzuweisen ist, verlangen Gläubiger Si- schäftsverbindung und bis zur Rückführung aller gesi-
cherheiten. Die verlangten Sicherheiten kön- cherten Ansprüche der Bank; sie erlischt insbesondere
nen sich beziehen auf nicht durch eine vorübergehende Rückzahlung der Kredi-
te. Ein Anspruch gegen den Hauptschuldner auf Befrei-
• weitere Personen, die mit ihrem Vermö- ung von der Bürgschaft (§ 775 BGB) darf nur mit vorhe-
gen haften und/oder riger Zustimmung der Bank geltend gemacht werden.
Alle Zahlungen dienen als Sicherheitsleistung für diese
• das Erbringen dinglicher Sicherheiten an Bürgschaftsschuld, bis die Bank wegen ihrer sämtlichen
Grundstücken, Gebäuden, Anlagen oder Ansprüche gegen den Hauptschuldner, die im Zeitpunkt
Warenbeständen. der vollständigen Erfüllung dieser Bürgschaftsschuld
bestehen, befriedigt ist.
2.5.3.1 Bürgschaften Haften für die Ansprüche mehrere Bürgen, so haftet jeder
Einzelne unter Ausschluss eines Gesamtschuldverhältnis-
Nach §765 BGB ist die Bürgschaft ein Ver- ses unabhängig von den anderen für jeden Teil der ver-
trag, durch den sich der Bürge verpflichtet, bürgten Ansprüche.
die Verbindlichkeiten eines Dritten (Haupt- Alle Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Bank
hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung
schuldners) gegenüber dessen Gläubiger zu anderweitiger Sicherheiten für zweckmäßig erachtet,
erfüllen. berühren den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung
nicht. Insbesondere bleibt diese Bürgschaft bis zur vollen
Die Ausformung des Vertrages hängt von der Befriedigung der Bank auch dann unverändert bestehen,
Art der Bürgschaft ab (2.5.3.1.1). wenn die Bank dem Hauptschuldner Stundung gewährt.
Die Bürgschaft gehört zu den Kreditsicherhei- Für das Bürgschaftsverhältnis ist deutsches Recht maß-
gebend.
ten, die durch eine Person mit ihrem Vermö-
gen gegeben wird (Personalsicherheit).
Ort, Datum Unterschrift des Bürgen
Abb. 67: Auszug aus einem
Bürgschaftsvertrag
2. Finanzierungsentscheidungen 201

Der Bürgschaftsvertrag wird ohne Beteili- Beispiele:


gung des Hauptschuldners zwischen dem
1. Zwischen zwei Kaufleuten wird ein
Bürgen und dem Gläubiger abgeschlossen.
Kaufvertrag geschlossen. Dem Käufer
Der Vertrag bedarf der Schriftform. Bei Kauf-
wird der Kaufpreis gestundet. Der Gläu-
leuten gilt allerdings eine Ausnahme, wenn
biger kann verlangen, dass der Schuldner
Bürgschaftserklärungen zu ihrem Handelsge-
einen Bürgen benennt. Dieser Bürge wird
schäft gehören, wie es bei Geschäftsbanken
zur Begleichung des Kaufpreises heran-
der Fall ist. Hier reicht die mündliche Erklä- gezogen, wenn der Hauptschuldner die
rung der bürgenden Bank aus (§ 350 HGB). Zahlung nicht leisten kann. Diese Bürg-
Die Bürgschaft bezieht sich nur auf die Ver- schaft wird Ausfallbürgschaft genannt
bindlichkeit aus der Hauptforderung, für die (siehe nebenstehende Ausführungen).
der Bürge haftet, wenn der Hauptschuldner
2. Im Kontokorrentgeschäft kann die kre-
seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach- ditgewährende Bank die Benennung ei-
kommt. Eine Hauptforderung entsteht z. B. nes Bürgen verlangen, wenn der Konto-
durch einen Kaufvertrag und dessen Erfüllung
inhaber keine ausreichenden Sicherheiten
durch den Lieferanten. Der Gläubiger kann stellen kann.
darauf bestehen, dass der Schuldner des
Kaufpreises einen Bürgen benennt. 3. Zwischen zwei Kaufleuten wird ein
Kaufvertrag geschlossen. Der Käufer hat-
2.5.3.1.1 Arten der Bürgschaft te mit einem anderen Kaufmann verein-
bart, und zwar mündlich, dass dieser als
Ausfallbürgschaft Bürge auftritt. Kann sich der Käufer auf
Haben die Vertragsparteien keine andere die mündliche Vereinbarung berufen?
Abrede getroffen, hat der Bürge das Recht Grundsätzlich sollte man die Übernahme
(siehe §771 BGB), Zahlungen an den Gläubi- einer Bürgschaft sehr genau prüfen. Eine
ger zu verweigern. Der Bürge kann darauf mündliche Bürgschaft sollte man ableh-
bestehen, dass der Gläubiger durch Zwangs- nen. Will man trotzdem bürgen, so sollte
vollstreckung in das Vermögen des Haupt- man sich auf eine Ausfallbürgschaft be-
schuldners seinen Anspruch auf Befriedigung schränken.
der Forderung realisiert. Der Bürge wird erst
dann in die Pflicht genommen, wenn die
Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise Besicherung von Krediten
erfolglos geblieben ist. Bei teilweisem Erfolg
der Zwangsvollstreckung wird der Bürge für
den verbleibenden Teil der Hauptforderung in
Anspruch genommen. Personal- Dingliche
sicherheiten Sicherheiten
Selbstschuldnerische Bürgschaft
Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft ist Bürgschaft • Eigentumsvorbehalt
• Ausfallbürgschaft • Sicherung-
der Bürge dem Hauptschuldner gleichgestellt • Selbst- übereignung
(Verzicht auf die Einrede der Vorausklage). schuldnerische • Pfandrechte an
Gerät der Hauptschuldner in Zahlungsverzug, Bürgschaft beweglichen und
unbeweglichen
kann der Gläubiger den Bürgen in Anspruch Sachen
nehmen. Der Bürge kann also nicht verlan-
gen, dass zuvor in das Vermögen des Haupt- Abb. 68: Ausgewählte Formen der Kre-
schuldners vollstreckt worden ist. ditsicherung
202 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.5.3.2 Eigentumsvorbehalt
Eigentumsvorbehalt
Der Käufer einer beweglichen Sache (z. B.
einer Ware), die an ihn übergeben worden ist,
wird erst nach vollständiger Bezahlung des
Kaufpreises Eigentümer dieser Sache (vgl.
Einfacher Erweite- Verlän-
§455 BGB). Eigen- ter Eigen- gerter
tums- tumsvor- Eigen-
Zahlt der Käufer (Schuldner) den Kaufpreis vorbehalt behalt tums-
nicht, kann der Verkäufer von dem Kaufver- § 455 vorbehalt
BGB
trag zurücktreten. Der Eigentumsvorbehalt
ist spätestens bei Übergabe des Gegenstandes
gegenüber dem Käufer zu erklären. In den Abb. 69: Ausprägungsformen des Eigen-
Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in tumsvorbehalts
der Rechnung wird auf den Eigentumsvorbe-
halt hingewiesen. Beispiel:
Auszug aus den Allgemeinen Geschäfts-
2.5.3.2.1 Einfacher bedingungen der DMW AG
Eigentumsvorbehalt (…)
Gegenstand des einfachen Eigentumsvorbe- 5. Die Waren, einschließlich des Naturalra-
halts ist nur die gelieferte Sache. Kommt der batts, bleiben unser Eigentum bis zur vol-
Käufer seiner Zahlungsverpflichtung nicht len Bezahlung sämtlicher, auch der zu-
nach, kann der Gläubiger auf Herausgabe der künftigen Forderungen unserer Firma ge-
Ware bestehen. Dies setzt jedoch voraus, dass gen den Käufer aus der Geschäftsverbin-
sich die gelieferte Ware noch im Besitz des dung. Der Käufer darf zwar über die Wa-
Schuldners befindet. Der Gläubiger kann die re im Rahmen eines ordnungsgemäßen
zurückgenommene Ware veräußern und even- Geschäftsganges verfügen, sie jedoch
tuelle Mindererlöse von dem Schuldner ein- weder verpfänden noch sicherheitsüber-
fordern. Hat der Käufer die Ware bereits eignen. Die Forderungen des Käufers aus
weiterverkauft, macht er sich der Unterschla- dem Weiterverkauf der Waren werden
gung (§ 246 BGB) strafbar. Der Abnehmer bereits jetzt an uns zur Sicherheit abge-
dieser Ware ist – im Falle des gutgläubigen treten. Für den Fall, dass die Waren vom
Erwerbs (§ 932 BGB) – Eigentümer gewor- Käufer zusammen mit anderen, uns nicht
den. Der Erwerb ist gutgläubig, wenn der gehörenden Waren weiterverkauft wer-
Dritte (Käufer) nicht wusste und nicht wissen den, gilt die Abtretung der Kaufpreisfor-
konnte, dass der Verkäufer nicht Eigentümer derung nur in Höhe des Verkaufswertes
der verkauften Sache ist. Der gutgläubige unserer Waren aus dem Weiterverkauf.
Erwerb des Eigentums an einer Sache befreit Wir verpflichten uns, diejenigen Sicher-
den Veräußerer dieser Sache nicht von der heiten freizugeben, die den Wert der zu
Zahlung der geschuldeten Summe. Der erste sichernden Forderungen um mehr als 25
Verkäufer hat aber das Eigentumsrecht verlo- Prozent übersteigen. Der Käufer ist zur
ren und damit die Möglichkeit, im Falle der Einziehung der Forderungen aus dem
Insolvenz seines Abnehmers die gelieferten Weiterverkauf widerruflich ermächtigt.
Gegenstände aus der Masse auszusondern. Auf unser Verlangen hin hat der Käufer
uns die Schuldner der abgetretenen For-
derungen mitzuteilen und den Schuldnern
die Abtretung anzuzeigen.
(…)
2. Finanzierungsentscheidungen 203

2.5.3.2.2 Erweiterter §455 BGB (Eigentumsvorbehalt)


Eigentumsvorbehalt Hat sich der Verkäufer einer beweglichen
Der erweiterte Eigentumsvorbehalt bezieht Sache das Eigentum bis zur Zahlung des
sich auf alle anderen Forderungen, die der Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel
Verkäufer gegenüber dem Käufer besitzt. Mit anzunehmen, dass die Übertragung des Eigen-
der Zahlung des Kaufpreises für die gelieferte tums unter der aufschiebenden Bedingung
Sache erlischt der Vorbehalt nicht. Erst wenn vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt
alle Ansprüche aus der Geschäftsbeziehung und dass der Verkäufer zum Rücktritte von
befriedigt sind, verliert der Eigentumsvorbe- dem Vertrage berechtigt ist, wenn der Käufer
halt seine Wirkung. mit der Zahlung in Verzug kommt.

2.5.3.2.3 Verlängerter
Eigentumsvorbehalt
Mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt Sicherungsvertrag
wird dem Käufer das Recht zugestanden, die
Sache trotz Vorbehalts an Dritte weiterzuver-
äußern. Der Veräußerer tritt die Forderungen
aus dem Weiterverkauf der Sache an den Besitzkonstitut
ursprünglichen Lieferanten ab. Er erwirbt ein
Miteigentum an der neu hergestellten Sache.
Um einen weitergeleiteten Eigentumsvor- SN SG
behalt handelt es sich, wenn der Käufer der
Sache verpflichtet wird, diese nur unter Eigen-
tumsvorbehalt weiter zu veräußern. Der ur- Eigentumsübereignung
sprüngliche Verkäufer bleibt weiterhin Eigen-
tümer. Er kann sich bei Forderungsausfall un-
mittelbar in den Besitz der Sache bringen. Rückübertragung bei
Fortfall der Verbindlichkeit

2.5.3.3 Sicherungsübereignung
SN = Sicherungsnehmer; SG = Sicherungsge
Der Schuldner (Sicherungsgeber) übereignet
sein Eigentum an beweglichen Sachen dem Abb. 70: Sicherungsübereignung
Gläubiger (Sicherungsnehmer). Mit dieser
Übertragung werden dessen Forderungen Beispiel:
gegenüber dem Schuldner abgesichert. Wie der K. kauft von B eine bewegliche Sache unter
Eigentumsvorbehalt gehört die Sicherungs- Eigentumsvorbehalt. K. verkauft die Sache an
übereignung zur dinglichen Kreditsicherung. C unter Eigentumsvorbehalt weiter. K. zahlt
Für die Dauer der Sicherungsübereignung nicht und verweist auf C. Der verweigert die
erhält der Gläubiger das Eigentumsrecht an Zahlung. an K. mit der Begründung, dass
der übereigneten Sache übertragen. Er kann dieser gar nicht Eigentümer der Sache ist, und
das Eigentumsrecht aber nur dann verwerten lehnt eine Zahlung an B. ab. Wie sich heraus-
und auf Herausgabe des übereigneten Ge- stellt, ist B. ein Dieb, der nie Eigentum an
genstandes bestehen, wenn der Schuldner in einer gestohlenen Sache erwerben kann. So-
Zahlungsverzug gerät. mit sind alle Geschäftsbeziehungen nichtig.
204 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Während der Dauer der Übereignung ver- Zwischen der Firma


bleibt die Sache im Besitz des Sicherungsge- Tachometer GmbH, Bremerhaven
bers. Er hat diesen Besitz treuhänderisch zu (nachstehend Firma genannt)
verwalten (Besitzkonstitut) und darf ihn und der
nicht anderweitig belasten. Industriekreditbank AG, Oldenburg
wird folgender Vertrag abgeschlossen:
Das Unternehmen erwirbt eine Maschine mit 1. Sicherungszweck, Sicherungsgut und seine Bewer-
dem Investitionskredit und übereignet diese tung, Sicherungsgebiete
an die kreditgewährende Bank. Der Siche- a) Zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen,
rungsgeber kann die Maschine weiterhin auch befristeten, Ansprüche der Bank gegen die
nutzen. Firma in ihrer jetzigen Rechtsform wird die Firma
der Bank laufend Sicherheiten bis zur Höhe von 2,5
In dem Sicherungsvertrag ist die übereignete Mio. EURO verschaffen. Der Wert der Sicherheiten
Sache zu individualisieren; sie muss genau muss stets der gesondert vereinbarten Mindestde-
ckung entsprechen.
bezeichnet sein (z. B. Fahrzeug, Warenbe-
b) Bei der Bewertung der Sicherheiten ist für das
stand). Sicherungsgegenstand kann auch ein maschinelle Anlagevermögen der Buchwert, für
Warenlager sein. Weil der Lagerbestand stän- Rohstoffe der Einkaufspreis, für Halberzeugnisse
digen Veränderungen unterworfen ist, wird in und Fertigwaren der Herstellungspreis, höchstens
der Praxis das gesamte Warenlager übereig- aber der niedrigere Marktpreis anzusetzen. Wird der
Wert der Sicherheiten beeinträchtigt, so ist der ge-
net. Somit unterliegen auch die Zukäufe der ringere Zeitwert anzusetzen. Noch nicht bezahlte
Sicherungsübereignung. Restkaufpreise sind abzusetzen.
Problematisch kann die Sicherungsübereig- c) Als Sicherheiten dienen
nung eines Warenlagers werden, wenn – die maschinellen Anlagen der Fabrikationsstätten
– sämtliche Bestände der Firma an Halberzeugnis-
• angelieferte Waren einem Eigentums- sen und Fertigwaren.
vorbehalt unterliegen. Die Ansprüche des An den als Sicherheit dienenden Gegenständen
Sicherungsgebers kollidieren in diesem überträgt die Firma der Bank die Rechte, die ihr
Fall mit denen des Lieferanten selbst zustehen. So weit die Firma Eigentümerin
oder Miteigentümerin der Gegenstände ist, geht das
• durch Warenzukäufe der Lagerbestands- Eigentum oder das Miteigentum mit Abschluss des
wert den gewährten Kreditbetrag über- Vertrages auf die Bank über.
schreitet. 2. Verarbeitungsbefugnis
Die Bank gestattet der Firma vorbehaltlich eines
Hat der Sicherungsgeber seine Verbindlich- jederzeitigen Widerrufs, das zur Verarbeitung be-
keiten beglichen, wird das Eigentum an ihn stimmte Sicherungsgut aus den Sicherungsgebieten
rückübertragen. zu entnehmen, in ihrem eigenen Betriebe zu verar-
beiten oder in anderen verarbeiten zu lassen.
Die Sicherungsübereignung ist in ihrem 3. Verkaufsbefugnis
Wesen mit dem Pfandrecht (vgl. Abschnitt Die Firma ist befugt, das Sicherungsgut in ihrem
2.5.3.4) zu vergleichen. Der Unterschied ist in eigenen Namen im ordnungsmäßigen Geschäftsbe-
der Regelung zu sehen, dass der sicherungs- trieb – so weit es sich um Fertigwaren handelt – zu den
üblichen Preisen zu verkaufen und an die Käufer aus-
übereignete Gegenstand nicht von dem Siche- zuliefern. Die Bank ist zum Widerruf berechtigt.
rungsnehmer verwahrt wird, was besagt, dass Anstelle der verkauften Sicherungsgüter gehen die
der Gegenstand im Besitz des Schuldners Forderungen hieraus auf die Bank über (Zession),
bleibt, damit er ihn benutzen kann. es sei denn, dass neue Sicherungsgüter auf die Bank
übertragen werden.
Harmgardt, W./Tiedtke, J.: Investition und Finanzierung,
Bad Harzburg 1992
Abb. 71: Original-Sicherungsvertrag
2. Finanzierungsentscheidungen 205

2.5.3.4 Pfandrecht Pfandrecht


Das Pfandrecht gehört zu den dinglichen
Sicherungsrechten. Voraussetzung ist, dass
eine Forderung des Gläubigers (Pfandneh-
mers) gegenüber dem Schuldner (Pfandgeber) Pfandnehmer Pfandgeber
(Gläubiger) (Schuldner)
besteht. Zur Besicherung dieser Forderung
wird das Pfand an den Pfandnehmer überge-
ben.
(Gesetzliche Grundlagen: §§356, 366–368, Rechte
Wertpapiere Immobilien
397–399 und §§1204–1296 BGB) Edelmetalle
Befindet sich das Pfand bereits im Besitz
eines Dritten, wird das Pfand übergeben,
Grundpfand-
indem der Herausgabeanspruch an den rechte
Pfandnehmer abgetreten wird. Dem aktuellen
Besitzer wird die Abtretung mitgeteilt.
Pfandgegenstände können sein:
Hypo- Renten- Grund-
• Rechte (wie z. B. Forderungen aus einer thek schuld schuld
gelieferten Ware)
• Wertpapiere als Abb. 72: Arten des Pfandrechts
– Inhaberpapiere durch Übergabe
– Orderpapiere durch Indossament
• Lebensversicherungsverträge bis zu ei-
nem bestimmten Prozentsatz ihres Rück- § 1204 BGB (Pfandrecht, Begriff)
kaufwertes
(1) Eine bewegliche Sache kann zur Siche-
• Edelmetalle rung einer Forderung in der Weise belastet
• Immobilien. werden, dass der Gläubiger berechtigt ist,
Befriedigung aus der Sache zu suchen.
Kann der Pfandgeber das Pfand nicht einlö-
sen, erfolgt dessen Verwertung durch öffent- (2) Das Pfandrecht kann auch für eine künfti-
liche Versteigerung oder (bei Rechten) durch ge oder eine bedingte Forderung bestellt wer-
Zwangsvollstreckung. Wertpapiere werden an den.
der Börse zum aktuellen Börsenkurs verkauft. § 1205 BGB (Bestellung durch Einigung
und Übergabe)
2.5.3.4.1 Grundpfandrechte (1) Zur Bestellung des Pfandrechts ist erfor-
Kredite werden auch durch Belastung eines derlich, dass der Eigentümer die Sache dem
Grundstücks (Grundpfandrecht) abgesichert. Gläubiger übergibt und sich beide darüber
Es sichert dem Gläubiger das Recht, den einig sind, dass dem Gläubiger das Pfandrecht
Gegenwert der fälligen, aber nicht begliche- zustehen soll. Ist der Gläubiger im Besitze der
nen Forderung aus der Zwangsvollstreckung Sache, so genügt die Einigung über die Ent-
der Immobilie zu ziehen. stehung des Pfandrechts.
206 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Belastungen des Grundstücks werden im Deutscher Hypothekenbrief über 100000 Deut-


Grundbuch eingetragen. Das Grundbuch ist sche Mark
ein öffentliches Verzeichnis, das die Eigen- eingetragen im Grundbuch von Sigmaringen
tumsverhältnisse an einer Immobilie doku- (Amtsgericht Sigmaringen) Band 3 Blatt 82 Abtei-
mentiert. Es wird im Grundbuchamt des lung III Nr. 3 (drei).
Amtsgerichtes geführt und genießt öffentli- Inhalt der Eintragung
chen Glauben: Ist für jemanden ein Recht an
Nr. 3: 100000 (einhunderttausend) Deutsche Mark
der Immobilie eingetragen, so wird vermutet, Kaufpreisforderung mit 7 vom Hundert jährlich
dass ihm dieses Recht auch zusteht (§891 verzinslich für Josefine Klein in Sigmaringen,
BGB). geboren am 29. Oktober 1950. Unter Bezugnahme
auf die Eintragungsbewilligung vom 20. Oktober
2.5.3.4.2 Hypothek 2002 eingetragen am 10. Januar 1996.
Mit einer Hypothek wird ein Grundstück Belastetes Grundstück
belastet (vgl. §1113 BGB). Der Gläubiger ist Das im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter
berechtigt, für eine Forderung eine bestimmte Nr. 1 verzeichnete Grundstück.
Geldsumme aus dem Grundstück zu erlangen.
Zwischen der Höhe der Forderung und dem Sigmaringen, den 11. Januar 2003 Amtsge-
Umfang der eingetragenen Hypothek muss richt
ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Siegel (Unterschriften)
Das Gesetz sieht als Regelfall der Übertra- Erläuterungen zum Grundbuchauszug:
gung die Briefhypothek vor (vgl. §1116 Bestandsverzeichnis
BGB). Über den Hypothekeneintrag wird von Gibt Auskunft über Lage, Größe und Art des
dem Grundbuchamt eine bestätigende Urkun- Grundstücks
de (Hypothekenbrief) ausgefertigt. Der
Grundstückseigentümer reicht diesen Hypo- Abteilung I
thekenbrief an den Gläubiger weiter. Die Darstellung der Eigentumsverhältnisse
Übertragung der Hypothek auf einen Dritten Abteilung II
erfolgt durch Abtretungserklärung und Über- Ausweis der Belastungen und Beschränkun-
gabe des Hypothekenbriefes. gen mit Ausnahme der Grundpfandrechte
Wird die Hypothek als Buchhypothek ge- Abteilung III
währt, so wird diese nur in das Grundbuch Ausweis der Hypotheken, Grund- und Ren-
eingetragen. Bei einem Gläubigerwechsel tenschulden
wird die Buchhypothek durch Umschreibung Abb. 73: Hypothekenbrief
im Grundbuch übertragen.
Nachdem die Forderung beglichen worden ist, Aufgaben
geht die Hypothek auf den Grundstückseigen-
tümer über. Sie wird zur Eigentümergrund- 62. Worin sehen Sie den Vorteil der Briefhy-
schuld, sofern der Eigentümer die Löschung pothek gegenüber der Buchhypothek?
des Hypothekeneintrages nicht beantragt. 63. Welche Art von Forderungen werden
durch Grundpfandrechte abgesichert?
64. Durch welches Merkmal unterscheidet
Der Betrag, den ein Gläubiger für eine Hypo- sich die Sicherungshypothek von der
thek bezahlt, ist immer geringer als der tat- Verkehrshypothek?
sächliche Wert des Grundstückes, womit der 65. Überlegen Sie, für welche Zwecke eine
Gläubiger sein Risiko verringert. Sicherungshypothek eingetragen wird!
2. Finanzierungsentscheidungen 207

Im Normalfall wird die Buch- oder Briefhy- § 1113 BGB (Hypothek, Begriff)
pothek als Verkehrshypothek eingetragen.
(1) Ein Grundstück kann in der Weise be-
Die Verbindlichkeit wird als feststehender
lastet werden, dass an denjenigen, zu
Betrag in das Grundbuch eingetragen, d. h.,
dessen Gunsten die Belastung erfolgt, ei-
der Gläubiger kann sein Pfandrecht in An-
ne bestimmte Geldsumme zur Befriedi-
spruch nehmen, ohne die Höhe der Forderung
gung wegen einer ihm zustehenden For-
nachweisen zu müssen. Im Gegensatz hierzu
derung aus dem Grundstück zu zahlen ist.
steht die Sicherungshypothek. Sie kann nach
§ 1184 BGB „in der Weise bestellt werden, § 1115 BGB (Inhalt der Eintragung)
dass sich das Recht des Gläubigers aus der (1) Bei der Eintragung der Hypothek müssen
Hypothek nur nach der Forderung bestimmt der Gläubiger, der Geldbetrag der Forde-
und sich der Gläubiger zum Beweise der rung und, wenn die Forderung verzins-
Forderung nicht auf die Eintragung berufen lich ist, der Zinssatz, wenn andere Ne-
kann. Die Hypothek muss im Grundbuch als benleistungen zu entrichten sind, ihr
Sicherungshypothek bezeichnet werden“. Geldbetrag im Grundbuch angegeben
werden; im Übrigen kann zur Bezeich-
2.5.3.4.3 Grundschuld nung der Forderung auf die Eintragungs-
Die Grundschuld ist im Gegensatz zur Hy- bewilligung Bezug genommen werden.
pothek unabhängig von einer bestehenden § 1116 BGB (Briefhypothek)
Forderung zu sehen. Mit der Grundschuld
(1) Über die Hypothek wird ein Hypothe-
wird ein Grundstück belastet, aus dem eine
kenbrief erteilt.
bestimmte Geldsumme an denjenigen zu
zahlen ist, zu dessen Gunsten die Belastung (2) (Buchhypothek). Die Erteilung des Brie-
erfolgte (§1191 BGB). fes kann ausgeschlossen werden. Die
Ausschließung kann auch nachträglich
2.5.3.4.4 Rentenschuld erfolgen. Zu der Ausschließung sind die
Einigung des Gläubigers und des Eigen-
Die Rentenschuld ist mit der Grundschuld
tümers sowie die Eintragung in das
vergleichbar, weil auch sie unabhängig von
Grundbuch erforderlich; die Vorschriften
einer bestehenden Forderung bestellt werden
des § 873 Abs. 2 und der §§ 876, 878
kann. Sie unterscheidet sich von der Grund-
finden entsprechende Anwendung.
schuld, weil in regelmäßig wiederkehrenden
Raten eine bestimmte Geldsumme aus dem § 1191 BGB (Grundschuld, Begriff)
Grundstück zu leisten ist. Der Schuldner kann (1) Ein Grundstück kann in der Weise be-
die Rentenschuld jederzeit durch Zahlung lastet werden, dass an denjenigen, zu
einer Ablösesumme kündigen. Die Ablöse- dessen Gunsten die Belastung erfolgt, ei-
summe muss bei der Bestellung der Grund- ne bestimmte Geldsumme aus dem
schuld in das Grundbuch eingetragen werden. Grundstück zu zahlen ist.
(2) Die Belastung kann auch in der Weise
erfolgen, dass Zinsen von der Geldsum-
me sowie andere Nebenleistungen aus
dem Grundstücke zu entrichten sind.
208 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.5.3.5 Abtretung von Forderungen und Rechten (Zession)


Mit der Forderungsabtretung (Zession) tritt
Abtretung von Forderungen/
der Schuldner (Zedent) seine Forderungen Rechten (Zession)
aus Lieferungen und Leistungen oder Rechten
an den Gläubiger (Zessionar) ab. Gerät der
Schuldner mit seinen Tilgungs- und Zinsleis- Schuldner Gläubiger
tungen in Verzug, hat der Zessionar das (Zedent) (Zessionar)
Recht, Außenstände des Zedenten einzuzie-
hen. Es wird zwischen offener und stiller Forderungen
Zession unterschieden. und/oder
Rechte

2.5.3.5.1 Offene Zession


Zedent und Zessionar vereinbaren, dass die
an den an den
Abtretung von Forderungen und/oder Rechten
Zedenten Dritt- Zedenten
dem zahlungspflichtigen Kunden (Dritt- (stille (stille
schuldner
schuldner) des Zedenten angezeigt wird. So- Zession) leistet Zession)
bald der Drittschuldner Kenntnis von der Zahlun-
Abtretung erhalten hat, muss er alle Zahlun- gen
gen direkt an den neuen Gläubiger (Zessio-
nar) leisten.
Abb. 74: Die Zession
2.5.3.5.2 Stille Zession
Dem bisherigen Gläubiger und Zedenten kann
Umfang der Zession
wenig daran gelegen sein, dass seinem Kun-
den die Forderungsabtretung angezeigt wird,
da dieser Rückschlüsse auf die Kreditwürdig-
keit seines Gläubigers ziehen könnte. Er-
scheint der Zedent kreditwürdig genug, wird
zwischen ihm und dem Kreditgeber eine stille Einzel- Mantel- Global-
Zession vereinbart. zession zession zession
Der Drittschuldner wird weiterhin seine Zah-
lungen an den Gläubiger leisten. Dieser leitet Einzelzession:
die Zahlungseingänge an den Zessionar wei- Eine einzelne, genau umrissene Forderung wird
ter, um seinen Kredit zu tilgen. abgetreten.

Die stille Zession wird in eine offene umge- Mantelzession:


Vereinbarung eines Gesamtwertes der abgetrete-
wandelt, wenn der Zedent seine Forderungen nen Forderung während der Laufzeit des Kredits
nicht oder nicht rechtzeitig eintreibt. (absolut oder in Relation zum Kreditvolumen)
Aus der Sicht des Kreditgebers (Zessionars) Globalzession:
ist die Abtretung deshalb von Bedeutung, Abtretung aller bestehenden und zukünftigen Forde-
weil die kurzfristigen Forderungen, mit denen rungen während der Laufzeit des Kredits.
der Kredit abgesichert wird, eine stärkere Abb. 75: Umfang der Zession
Liquiditätsnähe besitzen als Gegenstände des
Anlage- oder Teile des Umlaufvermögens.
2. Finanzierungsentscheidungen 209

Wie die Praxis zeigt, ist die Abtretung von Aufgabe


Forderungen und Rechten nicht unproblema- 66. Die Tachometer GmbH erwirbt eine
tisch: Der Drittschuldner kann Einreden ge- Kunststoffpresse, deren Anschaffung über
gen den Anspruch geltend machen, oder der ein Bankdarlehen finanziert werden soll.
Zedent hat die gleichen Ansprüche an einen
weiteren Zessionar abgetreten. Meistens wird Entscheiden und begründen Sie, ob die
eine Mantelzession vereinbart. Bei ihr muss kreditgewährende Bank ihren Kredit im
der Zedent immer neue Forderungen bereit- Wege der Sicherungsübereignung oder
stellen, wenn Kunden ihre Schuld beim Ze- der Forderungsabtretung (Zession) absi-
denten beglichen haben. chern wird!

Zusammenfassung
1. Kredite werden in aller Regel nur gegen Stellung von Sicherheiten gewährt.
2. Nach der Art der Sicherheit wird in Personalkredite und in dinglich gesicherte (Real-)
kredite unterschieden:
• Um Personalkredite handelt es sich, wenn neben dem Schuldner weitere Personen
für die Verbindlichkeit haften.
• Realkredite werden durch Vermögensgegenstände materieller und immaterieller
Art gesichert.
3. Die Bürgschaft gehört zu den Kreditsicherheiten, die durch eine Person mit ihrem
Vermögen gegeben wird:
• Die Bürgschaft bezieht sich nur auf die Verbindlichkeit aus der Hauptforderung.
• Der Bürgschaftsvertrag wird zwischen Gläubiger und Bürgen geschlossen.
• Mit einer Ausfallbürgschaft übernimmt der Bürge die Haftung für den Teil der
verbürgten Schuld, die durch den Schuldner nach erfolgten Vollstreckungs-
maßnahmen nicht abgetragen werden konnte.
• Mit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft ist der Bürge dem Hauptschuldner
gleichgestellt. Für Zahlungsausfälle des Hauptschuldners haftet der Bürge unein-
geschränkt (im Rahmen der übernommenen Bürgschaft).
4. Zu den dinglichen Kreditsicherheiten zählen:
• der Eigentumsvorbehalt des Lieferanten: Der Verkäufer behält sich so lange sein
Eigentum an der gelieferten Ware vor, bis der Kaufpreis von dem Käufer gezahlt
wurde
• die Sicherungsübereignung von beweglichen Sachen: Zur Kreditabsicherung wird
dem Kreditgeber das Eigentum an einer beweglichen Sache übereignet. Der über-
eignete Gegenstand verbleibt weiterhin im Besitz des Kreditnehmers
• die Abtretung von Forderungen und Rechten (Zession): Der Kreditnehmer tritt
seine Ansprüche aus Forderungen und Rechten an den Gläubiger entweder in
Form der stillen oder offenen Zession ab
• das Pfandrecht an beweglichen Sachen: Wertgegenstände (Wertpapiere, Edel-
metalle, Forderungen und Rechte) händigt der Kreditnehmer dem Gläubiger als
Pfand aus
• das Pfandrecht an unbeweglichen Sachen: Immobilien können durch Eintragung
von Hypotheken und Grundschulden in das Grundbuch beliehen werden.
• Bei der Hypothek besteht zwischen der Höhe der Forderung und der eingetragenen
Hypothek ein unmittelbarer Zusammenhang.
• Mit einer Grundschuld wird ein Grundstück belastet, wenn die Belastung unab-
hängig von einer Forderung besteht.
210 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

2.6 Leasing – eine Sonderform der Finanzierung

Unter Leasing (engl. to lease = mieten) wird Leasing: Von der Schreibmaschine bis zum
die mittel- bis langfristige Vermietung Großkraftwerk*
(Gebrauchsüberlassung) von Wirtschaftsgü-
Wie Umfragen des Ifo-Instituts zeigten,
tern gegen Entgelt verstanden. Vermieter
schließen rund 60% der Unternehmen im
(Leasinggeber) kann der Hersteller dieser
Verarbeitenden Gewerbe mindestens einen
Güter oder eine Leasinggesellschaft sein.
Leasingvertrag pro Jahr. Von den außenfinan-
Mieter oder Pächter (Leasingnehmer) sind
zierten Investitionen des Verarbeitenden Ge-
Unternehmen, private und öffentliche Haus-
werbes bestreiten die Leasinggesellschaften
halte.
rund 44% …
2.6.1 Erscheinungsformen des Mit ihren raschen Marktanteilsgewinnen und
Leasing einer Produktpalette, die von der elektroni-
schen Schreibmaschine bis hin zum Groß-
Das Leasinggeschäft hat sich in den vergange- kraftwerk reicht, erarbeiteten sich die Lea-
nen Jahrzehnten zu einem bedeutenden Faktor singgesellschaften das Image, dynamisch,
unternehmerischer Investitionsentscheidungen kreativ und modern zu sein. Sie hatten jen-
und Finanzierungsüberlegungen entwickelt. seits des Bankkredits das erfolgreichste Fi-
Die Bandbreite der Leasingvarianten reicht von nanzierungsprodukt für Unternehmen ge-
der Miete eines Transportfahrzeuges, um kurz- schaffen …
fristig auftretende Kapazitätsengpässe aus- Wie die Ergebnisse der jüngsten Leasingum-
zugleichen, bis zum Verkauf unternehmensei- frage des Ifo-Instituts zeigen, dürften die
gener Immobilien an eine Leasinggesellschaft, Leasinggesellschaften im vergangenen Jahr
um diese Anlagegegenstände von dem Lea- 55,1 Mrd. EURO investiert und damit die
singgeber zurückzumieten (Sale-lease-back). Leasingquote von 10,5 auf 10,7% erhöht
Einen Überblick über einige Erscheinungsfor- haben, da der Rückgang der gesamtwirt-
men des Leasinggeschäfts vermittelt die Ab- schaftlichen Anlageinvestitionen ohne den
bildung 77. Wohnungsbau auf knapp 4% veranschlagt
Der Leasingvertrag kann auf unterschiedliche wird.
Art zustande kommen: * Städtler, A.: Die wachstumsstarke Lea-
• Tritt der Hersteller als Leasinggeber auf, singbranche wird von der Rezession nicht
so wird dieser Vorgang als Hersteller- verschont, in: Handelsblatt
oder direktes Leasing bezeichnet. Abb. 76: Pressebericht
• Von indirektem Leasing ist die Rede,
wenn spezielle Leasinggesellschaften
eingeschaltet werden. Aufgabe
67. Besorgen Sie sich einmal Leasingunter-
lagen vom Kraftfahrzeughandel, und stu-
dieren Sie diese!
2. Finanzierungsentscheidungen 211

Konsum- Investitions-
direktes indirektes Anlagen- Einzelgüter-
güter- güter-
Leasing Leasing Leasing Leasing
Leasing Leasing

Leasing-
Hersteller
gesellschaft

Leasinggeber Leasinggut Leasingumfang

Arten des Leasing

Leasingdauer Art des Leasinggutes Zahlungsvereinbarung

kurzfristig langfristig

Vollamorti- Teilamorti-
Operate Finance- Mobilien- Immobilien-
sations- sations-
Leasing Leasing Leasing Leasing
Leasing Leasing

Abb. 77: Wesentliche Erscheinungsformen des Leasingvertrages

Nach dem Leasingumfang, der Anzahl der Ausgewählte Begriffe zum Leasing-Vertrag
vermieteten Gegenstände, ist zu unterschei-
AfA = Absetzung für Abnutzung
den zwischen dem
Abschreibung als steuerrechtlicher Begriff.
• Einzelgüter- oder Equipment-Leasing Die Höhe des AfA-Satzes hängt von der be-
Objekte des Leasingvertrages sind Aus- triebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ab. Das
rüstungsgegenstände, wie z. B. Werk- Wirtschaftsgut wird linear abgeschrieben,
zeug- oder Büromaschinen, Datenverar- wenn die Anschaffungs- oder Herstellungs-
beitungsanlagen und Fahrzeuge kosten des Wirtschaftsgutes jährlich um einen
und gleich bleibenden Satz vermindert werden.
• Anlagen- oder Plant-Leasing
AfA-Tabelle
Vermietet werden u.a. Verwaltungsge-
bäude, Fabrikationsanlagen, komplette enthält die in der Finanzverwaltung verwen-
Büro- und Geschäftsausstattungen. Die deten betriebsgewöhnlichen Nutzungszeiten
Leasingverträge weisen oftmals Laufzei- der abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlage-
ten von bis zu 30 Jahren auf. vermögens.
212 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

Je nach Laufzeit des Leasingvertrages handelt AfA-Zeit


es sich um
ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer,
• Operate-Leasing, wenn die Laufzeit des die bei der Berechnung des jährlichen Ab-
Vertrages kürzer ist als die betriebsge- schreibungsaufwandes zugrunde gelegt wird.
wöhnliche Nutzungsdauer des Leasingge- Eigentümer des Leasinggutes
genstandes. Der Leasingvertrag ist mit ei-
nem Mietvertrag zu vergleichen, der die Es ist zwischen dem juristischen und dem
Kündigung durch den Leasingnehmer vor- wirtschaftlichen Eigentümer zu unterschei-
sieht. Mit Ablauf des Leasingvertrages ge- den. Juristischer Eigentümer (§903 BGB) ist
hen die Gegenstände in die Verfügungs- regelmäßig der Leasinggeber; der Leasing-
gewalt des Leasinggebers über, der sie nehmer ist der wirtschaftliche Eigentümer,
entweder wieder vermietet oder verkauft der während der Laufzeit des Leasingvertra-
ges die vertragsgemäße Verfügungsgewalt
• Finance- oder Finanzierungs-Leasing, über den geleasten Gegenstand besitzt.
wenn der Leasingvertrag eine längere
Laufzeit aufweist und während eines be- Grundmietzeit
stimmten Zeitraums (Grundmietzeit) Unkündbare Laufzeit des Vertrages, die min-
nicht gekündigt werden kann. destens 40% und maximal 90% der betriebs-
gewöhnlichen Nutzungszeit betragen muss,
damit der Leasinggegenstand dem Leasingge-
2.6.2 Zum Finanzierungs-Leasing
ber zuzurechnen ist.
Während der von beiden Seiten unkündbaren Vollamortisationsvertrag
Grundmietzeit trägt der Leasingnehmer alle
Der Leasingvertrag muss eine unkündbare
Risiken, die sich aus der Nutzung des Lea-
Grundmietzeit aufweisen. Die Leasingraten,
singobjektes ergeben. Hierunter fällt auch das
die der Leasingnehmer während der Grund-
Risiko des zufälligen Untergangs, also der
mietzeit zu entrichten hat, müssen mindestens
Zerstörung während der Mietzeit. Die Kosten
die Anschaffungs- oder Herstellungskosten
für Versicherungsprämien, mit denen Risiken
sowie alle Nebenkosten einschließlich der
abgedeckt werden, sind von dem Leasing-
Finanzierungskosten des Leasinggebers de-
nehmer zu tragen. Die noch ausstehenden
cken. Dem Leasingnehmer kann bei Vertrags-
Mietbeträge für die Restlaufzeit des Vertrages
abschluss eine Kauf- oder Mietverlänge-
sowie die Rückgabe des Gegenstandes wer-
rungsoption zugestanden werden.
den gefordert, wenn der Leasingnehmer mit
der Mietzahlung im Rückstand bleibt. Bei einer Kaufoption muss der Kaufpreis so
bemessen sein, dass dieser dem Restbuchwert
Vielfach wird das Finanzierungs-Leasing als
oder dem niedrigeren erzielbaren Marktpreis
eine Alternative zum fremdfinanzierten Kauf
entspricht.
von Investitionsgütern betrachtet, wobei die
Finanzierung der Investition beim indirekten Bei einer Mietoption muss die Summe der
Leasing durch eine Leasinggesellschaft vor- Verlängerungsmieten den Restbuchwert de-
genommen wird. cken.
2. Finanzierungsentscheidungen 213

2.6.2.1 Entstehung des Investor Leasing-


Vertragsverhältnisses (Leasing- gesell-
nehmer) schaft
Um zum Abschluss eines Leasingvertrages zu
gelangen, wählt der Investor das gewünschte
Investitionsgut aus und stellt einen Leasing-
antrag an die Leasinggesellschaft. Die Lea-
singgesellschaft prüft die Angebots- oder
Lieferung Rechnung Bestellung
Bestellunterlagen zusammen mit der Bonität
des künftigen Leasingnehmers und sagt die
Annahme des Leasingvertrages zu. Die Lea-
singgesellschaft erteilt dem Lieferanten, der Lieferant des
Investitionsgutes
von dem künftigen Leasingnehmer bestimmt
wurde, den Auftrag, den gewünschten Ge- Abb. 78: Indirektes Finanzierungs-
genstand an den Leasingnehmer zu liefern. Leasing
Die Lieferantenrechnung wird von der Lea-
singgesellschaft beglichen. Mit der Übertra-
gung des Leasinggegenstandes in die Verfü- Aufgabe
gungsgewalt des Leasingnehmers tritt der 68. Die Tachometer GmbH beabsichtigt, ihr
Leasinggeber die Gewährleistungsansprüche Verwaltungsgebäude einschließlich des
an den Leasingnehmer ab. Grundstücks an eine Leasinggesellschaft
zu veräußern, um es anschließend für die
2.6.2.2 Arten der Vertragsgestaltung Dauer von 30 Jahren von dieser anzumie-
Die Leasingraten werden von dem Leasing- ten (Sale-lease-back-Methode).
geber so kalkuliert, dass sie Der Buchwert des Gebäudes ist geringer
• die Anschaffungs- oder Herstellungskos- als sein Verkehrswert. Die Immobilie ist
ten sowie noch teilweise mit einer Hypothek be-
lastet.
• alle Nebenkosten einschließlich Finanzie-
rungskosten a) Erläutern Sie, wie sich der Verkauf
der Immobilie auf der Aktiv- und
• und einen kalkulierten Gewinn Passivseite der Bilanz auswirkt!
während der Grundmietzeit vollständig (Vol- b) Welche Gründe werden die GmbH
lamortisations-Leasing) oder überwiegend bewogen haben, das Grundstück an
(Teilamortisations-Leasing) decken. eine Leasinggesellschaft zu verkau-
Von der Ausgestaltung des Leasingvertrages fen?
hängt es im Einzelfall ab, ob der Gegenstand c) Welche Überlegungen wird der Lea-
beim Leasinggeber oder -nehmer zu bilanzie- singgeber anstellen, bevor er das
ren ist. Wird der Leasinggegenstand beim Lea- Verwaltungsgebäude erwirbt?
singgeber bilanziert, gehören die Leasingraten
zu den Betriebsausgaben des Leasingnehmers, d) Wie wirkt sich der Verkauf der Im-
die dessen zu versteuernden Gewinn mindern. mobilie auf die Eigenkapitalrentabi-
Der Leasinggeber hingegen schreibt das ver- lität aus?
mietete Objekt ab. Voraussetzung für diese e) Ziehen Sie Abb. 77 (Seite 211) zur
(ertragssteuerlich wirksame) Zuordnung des Lösung hinzu. Um welche Art von
Leasingobjektes ist, dass der Leasingvertrag Leasing handelt es sich in diesem Fall.
214 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

• eine unkündbare Grundmietzeit aufweist, Gestaltung des Leasingvertrages


die mindestens 40 und höchstens 90 Pro- und dessen Auswirkung auf die
Zurechnung des Leasinggegenstandes
zent der betriebsgewöhnlichen Nutzungs- beim Leasinggeber oder -nehmer
dauer aufweist und der Leasinggeber am
Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit
Grundmietzeit Bilan-
an möglichen Wertveränderungen des > 40 % und zierung
Gegenstandes partizipiert1. < 90 % der des
Nutzungsdauer Gegen-
standes
2.6.2.2.1 Ausgestaltung des beim
ohne Kaufoption Leasing-
Leasingvertrages oder geber

Es ist zwischen Vertragsarten zu unterschei-


den, die am Ende der Laufzeit dem Leasing- + Kaufoption:
nehmer Bedingung: Kaufpreis
mind. Restbuchwert
• kein Optionsrecht
• eine Kaufoption oder Mietoption:
Bedingung: Summe der
• eine Option auf Verlängerung des Leasingraten mind.
Restbuchwert
Leasingvertrages (Mietoption)
einräumen. Leasingnehmer
Leasingraten =
Folge
(steuermindernde)
Betriebsausgaben
2.6.2.2.2 Leasingvertrag ohne
Optionsrecht
Abb. 79: Gestaltung des Leasingvertrages
Enthält der Leasingvertrag keine Kaufoption
oder Option auf Verlängerung des Vertrags- Aufgabe
verhältnisses und beträgt die Grundmietzeit
mindestens 40 % und höchstens 90 % der 69. a) Bei welcher Leasingvariante liegt
betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des das Investitionsrisiko beim Leasing-
Leasinggegenstandes, so ist der Gegenstand geber?
dem Leasinggeber zuzurechnen. b) Mit welcher Leasingvariante wird
das Investitionsrisiko vom Leasing-
nehmer getragen?
1
c) Gesetzt den Fall, die Leasinggesell-
Das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 26. schaft muss den Gegenstand nach
Januar 1970 zur steuerlichen Behandlung von
der Mietzeit zurücknehmen und stellt
so genannten Finanzierungsleasing-Verträgen
wurde in mehreren Schreiben des Bundesmi- fest, dass der Gegenstand unbrauch-
nisters der Finanzen konkretisiert: bar geworden ist, was wird sie tun?
(1) BdF-Schreiben vom 19. April 1971 – Wenn der Leaser nicht mehr exis-
Mobilien-Erlass – IVB/2-S2170-31/71 tiert, wie könnte sich der Verleaser
absichern bzw. abgesichert haben?
(2) BdF-Schreiben vom 21. März 1972 –
Immobilien-Leasing-Erlass – IV B2-
S2170-11/2
(3) BdF-Schreiben vom 22. Dezember 1975
– Teilamortisationserlass – IV B2-
S2170-161/75
(4) BdF-Schreiben vom 23. Dezember 1991
– IV B2-S2170 -15/91
2. Finanzierungsentscheidungen 215

2.6.2.2.3 Leasingvertrag mit Beispiel:


Kaufoption In dem Leasingvertrag ist eine Grundmietzeit
Der Leasingvertrag sieht vor, dass der Lea- von 54 Monaten vereinbart worden. Sie um-
singnehmer am Ende der Grundmietzeit den fasst 90% der betriebsgewöhnlichen Nut-
Gegenstand erwerben kann (Kaufoption). zungsdauer von 60 Monaten.
Um das Leasingobjekt dem Leasinggeber
Für die Kaufoption gilt: Mit Ablauf der
zuzurechnen, muss
Grundmietzeit kann der Leasingnehmer das
• die Bedingung der Grundmietzeit erfüllt Wirtschaftsgut zu einem Preis erwerben, der
sein und 10% des Anschaffungswertes beträgt.
• der bei Vertragsabschluss vereinbarte Für die Mietoption gilt: Der Leasingnehmer
Kaufpreis am Ende der Grundmietzeit möchte den Leasingvertrag um 2 Jahre ver-
mindestens dem Restbuchwert des Lea- längern. Die Leasingrate beträgt demzufolge
singgegenstandes entsprechen. Der Rest- jährlich 5% des Anschaffungswertes.
buchwert wird unter Anwendung der li- Liegt der erzielbare Marktpreis unter dem
nearen Abschreibung nach der amtlichen Restbuchwert, ergibt sich ein niedrigerer
AfA-Tabelle ermittelt. Kauf- oder Mietpreis.
Liegt der Kaufpreis unter diesem Wertansatz,
wird der Leasinggegenstand dem Leasing- Beispiel:
nehmer zugerechnet. Auszug aus einem Fahrzeug-Leasing-
vertrag
2.6.2.2.4 Leasingvertrag mit Leasingnehmer (LN) und Leasinggeber (LG)
Verlängerungsoption vereinbaren (u.a.):
Leasingverträge können auch vorsehen, dass Haftung
der Leasingnehmer am Ende der Grundmiet-
zeit entscheiden kann, ob er den Vertrag fort- Für Untergang, Verlust, Beschädigung und
setzen möchte. Der Leasinggegenstand wird Wertminderung des Fahrzeuges und seiner
regelmäßig dem Leasinggeber zugerechnet, Ausstattung haftet der LN dem LG auch ohne
wenn der Vertrag die Verschulden, jedoch nicht bei Verschulden
des LG.
• Anforderung an die Grundmietzeit erfüllt
und Wartung und Reparaturen

• die Summe aller Leasingraten während Fällige Wartungsarbeiten hat der LN pünkt-
der Verlängerungszeit den Wertverzehr lich, erforderliche Reparaturen unverzüglich
für den Leasinggegenstand deckt. Der durch einen vom Hersteller anerkannten Be-
Wertverzehr lässt sich ableiten aus der trieb ausführen zu lassen.
Restnutzungsdauer und dem nach der Abrechnung nach Ablauf der vereinbarten
amtlichen AfA-Tabelle ermittelten Rest- Leasingzeit
buchwert. (1) Bei Beendigung von Verträgen mit Ki-
lometer-Abrechnung durch Ablauf der
2.6.2.2.5 Vertrag über Spezial-Leasing vereinbarten Leasingzeit werden dem LN
Unter Spezial-Leasing ist zu verstehen, dass bei Über- oder Unterschreitung der ver-
der Anlagegegenstand (z. B. eine komplette einbarten Gesamtfahrleistung die gefah-
Fabrikationsanlage oder ein Großkraftwerk) renen Mehr- bzw. Minderkilometer zu
speziell auf die Belange des Investors zuge- den im Leasingantrag genannten Sätzen
schnitten ist und an diesen vermietet wird. nachberechnet bzw. vergütet.
216 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

In einem solchen Fall ist der Gegenstand, (2) Bei Beendigung von Verträgen mit Fahr-
ohne Rücksicht auf das Verhältnis von zeug-Abrechnung durch Ablauf der ver-
Grundmietzeit und Nutzungsdauer sowie auf einbarten Leasingzeit ist die Differenz zu
Optionsklauseln, regelmäßig dem Leasing- ermitteln zwischen dem kalkulierten Net-
nehmer zuzurechnen. to-Rücknahmewert (vereinbarter Mindest-
wert bei Fahrzeugrücknahme) und dem
2.6.3 Zur betriebswirtschaftlichen geschätzten Netto-Händler-Einkaufspreis
Bedeutung des Leasing (Schätzwert) des zurückgegebenen Fahr-
zeugs. Übersteigt der Schätzwert den kal-
Der Zwang zur Modernisierung der Produkti- kulierten Netto-Rücknahmepreis, so erhält
onsanlagen angesichts der schnellen techni- der LN 75 % des Mehrbetrages erstattet. Ist
schen Entwicklung führt zu erheblichen fi- der Schätzwert geringer als der kalkulierte
nanziellen Belastungen. Der Investor muss im Netto-Rücknahmepreis, so hat der LN
Rahmen seiner Finanz- und Investitionspla- den entsprechenden Minderbetrag an den
nung abwägen, ob das Investitionsprojekt als LG zu zahlen.
Eigeninvestition oder in Form des direkten
oder indirekten Leasing realisiert werden soll.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Inves-
tor mit der Leasingalternative höhere Kosten
zu tragen hat als es bei der Fremdfinanzierung Ziele aus der Sicht des
der Fall wäre. Da sich Leasinggesellschaften Leasingnehmers
mit Fremdkapital refinanzieren, berechnen sie
die Leasingraten in Anlehnung an den markt-
Entlastung des
üblichen Kapitalmarktzins, beziehen sie antei- Eigenkapitals
lig ihre Verwaltungskosten und einen ent-
sprechenden Gewinnzuschlag in die Kalkula- Stabilisierung der
Liquiditätslage
tion ein.
Deshalb ist diese Finanzierungs- und Investi- Planbare Mietausgaben
tionsalternative unter quantitativen (Wirt-
schaftlichkeitsbetrachtungen (siehe hierzu Anpassung an techni-
Abschnitt 2.1.2) und qualitativen Aspekten zu schen Entwicklungsstand

beurteilen.
Risiken eines
Qualitative Aspekte: Leasingvertrages

1. Der Investor kann auf das „Know-how“


des Leasinggebers zurückgreifen, um ge-
Mangelnde Elastizität der
rade bei technisch komplexen Investiti- Preispolitik
onsgütern mit dessen Unterstützung die
Mangelnde Elastizität der
Investitionsplanung an die Entwick- Kapazitätsanpassung bei
lungsmöglichkeiten des Unternehmens unkündbaren Verträgen

anzupassen. Für mittelständische Unter- Risiko des wirtschaft-


nehmen spielt dieser Faktor, der kaum ei- lichen Umgangs beim LN

ner monetären Bewertung zugänglich ist, Bei Zahlungsverzug des


sicherlich eine größere Rolle als in einem LN wird Mietzahlung für
Restlaufzeit sofort fällig
Großunternehmen, das auf das Spezial-
wissen einzelner Mitarbeiter zurückgrei- Abb. 80: Ziele und Risiken einer Lea-
fen kann. singfinanzierung
2. Finanzierungsentscheidungen 217

2. Das technische „Know-how“ des Lea- Vertragsarten beim Auto-Leasing


singgebers kann (möglicherweise) durch für Geschäftskunden
Abschluss entsprechender Wartungsver-
träge für den Leasinggegenstand gezielter Kilometer-Vertrag
Bei einem Kilometervertrag wird die Laufleistung
eingesetzt werden als es bei eigener oder des Fahrzeugs durch Vereinbarung einer Kilome-
fremder Wartungsleistung der Fall wäre. terbegrenzung im Leasingvertrag festgelegt. Wird
diese innerhalb vereinbarten Freigrenzen über- oder
3. Eigenkapital kann für andere zusätzliche unterschritten, erfolgt eine Nachzahlung bzw. Rück-
Investitionen genutzt werden. vergütung.
4. Der Investor wird zwar in der Realisie- Kilometer-Vertrag mit Kaufoption
rungsphase des Investitionsprojektes li- Auch hier wird zu Vertragsbeginn eine bestimmte
quiditätsmäßig entlastet. Über die gesam- Kilometerleistung vereinbart. Am Ende der Vertrags-
te Nutzungszeit des Investitionsgutes be- laufzeit bieten sich Ihnen zwei Möglichkeiten:
Option 1: Sie erwerben das Fahrzeug in Höhe des
trachtet ist der Liquiditätsentzug stärker zu Vertragsbeginn vereinbarten Kaufpreises.
als bei einer Fremdfinanzierung. Die Option 2: Sie gegen das Fahrzeug mit Verrechnung
Leasingkosten sind vielfach höher als die von Mehr- oder Minderkilometer auf Basis ei-
Fremdfinanzierungskosten. nes Rücknahmeprotokolls an uns zurück, und
wir kümmern uns um die Verwendung.
5. Liquiditätsengpässe können durch die
Leasingalternative hervorgerufen werden, Mietkauf
Beim Mietkauf steht von vornherein fest, dass der
wenn konjunkturbedingt die Umsatzerlö- Kunde das Fahrzeug am Ende des Vertrages über-
se sinken. Während der Grundmietzeit nimmt. Mit den Mietraten wird der Anschaffungs-
unkündbare Leasingverträge schränken preis getilgt. Der Eigentumsübergang erfolgt mit der
den Handlungsspielraum des Investors letzten Rate. Die komplette Umsatzsteuer ist in der
Regel mit der ersten Mietrate fällig.
ein. Leasingraten sind ausgabewirksame
Fixkosten, die den Spielraum in der Sale-and-lease-back
Preisgestaltung (Preisuntergrenze) stärker Grundlage ist ein Kaufvertrag über Ihr Fahrzeug mit
einengen als in der etwas günstigeren anschließendem Leasingvertrag. Diese Form des
Leasings ist die ideale Plattform, um einen beste-
Kreditfinanzierung. henden Fahrzeugbestand zu einem bestimmte
6. Mit einer Leasingfinanzierung gewinnt Stichtag auf Full-Service-Leasing umzustellen.
der Investor kein wesentlich größeres Abb. 81: Ein Leasinganbieter stellt sich
Fremdfinanzierungspotenzial. Es ist zwar im Internet vor
richtig, dass die Eigenkapitaldeckung des
Anlagevermögens erhalten bleibt, weil Aufgabe
die Leasinggegenstände regelmäßig nicht
bilanziert werden und die Kapitalrelatio- 70. a) Begründen Sie, warum der Investor
nen auf der Passiv-Seite der Bilanz be- während der Realisierungsphase des
stehen bleiben. Das Kreditinstitut wird Investitionsprojektes liquiditätsmä-
bei einer zusätzlichen Kreditvergabe ßig entlastet wird!
nicht nur die verschiedenen Bilanzrelati- b) Ein Kunde hatte mit einem Auto-
onen in seine Kreditwürdigkeitsprüfung händler einen Leasingvertrag abge-
einbeziehen, sondern auch die künftige schlossen. Beim Abholen fährt er auf
Entwicklung des Cashflow beurteilen. dem Hof des Händlers gegen eine
Der Cashflow wird durch ausgabewirk- Säule, Kosten 400 EUR. Er bittet
same Leasingraten gemindert. den Händler um Übernahme, weil
dieser der Eigentümer des Wagens
ist. Wie wird der Händler reagieren?
218 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen

7. Da die Bindung an geleaste Wirtschaftsgü- Ergänzende Information


ter immer kürzer ist als an gekaufte, bietet „Finanzierungsleasingverträge“, so schreibt Tacke, „sind
Leasing – so ein weiteres Argument – die durch eine typische Interessenverteilung zwischen Lea-
Möglichkeit, das Investitions- und Überal- singgeber und Leasingnehmer geprägt. Das macht sie zu
terungsrisiko zu verringern. Eine flexible- atypischen Mietverträgen, auf die in erster Linie das
Mietrecht gemäß §§ 535 BGB Anwendung findet. Der
re Handhabung der Ausstattung mit In- Finanzierungs-Leasingvertrag orientiert sich am „Leitbild
vestitionsgütern ist dann gegeben, wenn des Leasingvertrages.“ Der Begriff Leitbild wird in den
die technische und wirtschaftliche Nut- Urteilen des BGH u. a. vom 28. Oktober 1981 VIII ZR
zungsdauer des Investitionsgutes die 175/80 verwendet.
Laufzeit des Leasingvertrages überschrei- Der Leasingvertrag ist durch die spezielle Dreipunktbezie-
hung zwischen den Beteiligten, und das sind der Leasing-
tet. Aber: Je kürzer die Grundmietzeit nehmer, der Leasinggeber und der Lieferant, gekennzeich-
(zwischen mindestens 40 und maximal net. Als Hauptpflichten des Leasinggebers sind die Finan-
90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungs- zierungsfunktion einerseits und die Nutzungsverschaf-
zeit), desto höher fallen tendenziell die fungspflicht auf der anderen Seite zu nennen. Der Leasing-
geber ist rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des
Leasingraten aus. Leasinggegenstandes. Der Leasingnehmer verfügt über die
Nutzung, und damit ähnelt dies der Miete. Außerdem trägt
er die Sach- und Preisgefahr.
Kapitel 3

Rechtliche Grundlagen
von Birga Döring
überarbeitet
von Sabrina Wandel
221

Teil 1: Einführung und Rechtsnormen


1. Einführung
Jedes Unternehmen unterhält rechtliche Be-
ziehungen nach innen und außen. Nach außen
z.B., wenn Kaufverträge abgeschlossen wer-
den, nach innen z.B., wenn mit einem Arbeit-
nehmer Sondervereinbarungen getroffen
werden. Solche und andere rechtliche Bezie-
hungen werden durch die Rechtsform eines
Unternehmens geregelt.
Die Rechtsformen der Unternehmen unter-
scheiden sich durch bestimmte Merkmale
(Abb. 1).
Sie treten nach außen als Einpersonenunter-
nehmen, als Gesellschaftsunternehmen oder
als Genossenschaften auf (Abb. 2). Abb. 1: Unterschiedsmerkmale der
Rechtsformen

Rechtsformen der Unternehmen

Einpersonenunternehmen Genossenschaften

Gesellschaftsunternehmen

Personengesellschaften Kapitalgesellschaften

Handels- unvollkommene Handels- unvollkommene


gesellschaften Gesellschaften gesellschaften Gesellschaften
• oHG • GbR • AG • bergrechtliche
• KG • stille Gesellschaft • GmbH Gesellschaft

• GmbH & Co. KG • KGaA • Reederei

Abb. 2: Ausgewählte Rechtsformen der Unternehmen


222 Rechtliche Grundlagen

2. Die Einpersonenunternehmung
Die Einpersonenunternehmung ist die häu- Historisches - zwei Beispiele
figste Rechtsform bei Klein- und kleineren Von der Einpersonenunternehmung zum Merck-
Mittelbetrieben. Vergrößern sich Kapazität Konzern
Im Jahre 1668 kaufte Friedrich Jacob Merck die Darm-
und Umsatz, wird in der Regel Geld ge- städter Engel-Apotheke, aus der später der Merck-
braucht. Dies beschafft man sich häufig durch Konzern hervorging. Begonnen hatte der Aufstieg im
Teilhaber, sodass aus der Einpersonenunter- Jahre 1816, als Emanuel Merck die Apotheke übernahm
nehmung ein Gesellschaftsunternehmen wird. und in seinem Labor verschiedene Arzneisubstanzen
mischte und verkaufte. Wenig später begann er mit der
Manchmal werden solche Einpersonenunter- Produktion von Morphinen, nachdem kurz vorher der
nehmen bei hohem Kapitalbedarf (aber auch alkalische Charakter von Opium entdeckt worden war.
aus anderen Gründen) von größeren Betrieben Noch zu seinen Lebzeiten musste das Unternehmen
übernommen, z.B. Nixdorf von Siemens. umfirmiert werden. Aus der Einpersonenunternehmung
wurde eine Personengesellschaft, die damals schon mit
Die Einpersonenunternehmung unterscheidet 800 einzelnen Artikeln handelte. Heute ist Merck ein
sich von den anderen Rechtsformen erheblich. Weltkonzern. Sein Sortiment umfasst nunmehr 15 000
Um eine Einzelhandelsgesellschaft handelt es Artikel, sein Umsatz ist inzwischen weltweit auf mehrere
Milliarden gestiegen.
sich zum Beispiel bei einem „Tante-Emma- Von einer Personengesellschaft zur AG
Laden“. Im Jahre 1883 gründete Karl Benz in Mannheim die
Firma ,,Benz & Cie.“ 1890 rief Gottlieb Daimler die
Hier hat der Inhaber das Kapital für das Ge- Daimler-Motoren-Gesellschaft ins Leben. Erst in den
schäft aufgebracht. Daher trägt auch er allein zwanziger Jahren des folgenden Jahrhunderts (1926)
das Risiko eines Misserfolges. Andererseits entstand die Daimler-Benz AG durch eine Fusion beider
kann er den erzielten Gewinn für sich behalten. Unternehmen. Benz und Daimler – zwei Namen, die sich
bald einprägten. Sie gehörten zu den innovativsten Per-
Neu gegründete Einpersonenunternehmen sönlichkeiten der aufstrebenden Automobil- und Motor-
haben es auch sehr schwer, fremdes Geld, z.B. branche, schreibt Rüdiger Liedtke. Gottfried Daimler,
von dem hier die Rede sein soll, hatte es sich zu seinem
von Banken, zu beschaffen. Da ihnen die Kapi- Lebensinhalt gemacht, eine Kraftquelle zu entwickeln,
talbasis fehlt und da sie oft über keine zusätzli- die nicht von Wasser, Kohle oder Dampf abhängig sein
chen Sicherheiten verfügen, tun sich die Kre- sollte. Interessant ist, dass sich Benz und Daimler nie
ditinstitute schwer, Kredite einzuräumen. begegnet sind. Zur gleichen Zeit aber – so schreibt Theo-
dor Heuss in seinem Buch ,, Deutsche Gestalten" – sehen
Obwohl die Erfolgsaussichten von neuge- die Stuttgarter „auf einmal ein Fahrrad, bei dem man gar
gründeten Einpersonenunternehmen der Grö- nicht strampeln muss, und eine Kutsche, die fährt, ohne
ße wegen relativ gering oder nicht immer dass ein Gaul davor gespannt ist, sie gehen an den Ne-
ckar, da fahren Boote herum, und kein Mensch muss
ganz positiv einzuschätzen sind, gibt es genü- rudern". Und die Mannheimer machen dieselben Erfah-
gend Menschen, die eine Einpersonenunter- rungen. Duplizität der Ereignisse. Benz und Daimler
nehmung gründen, weil sie im Berufsleben arbeiteten an der Entwicklung eines Motors, also an
selbstständig bleiben und Macht ausüben derselben Sache. Doch sie wussten nichts voneinander.
Es ist interessant zu wissen, dass Daimler im Gegensatz
wollen. Das nebenstehende Beispiel macht zu Lenoir in Frankreich einen vom Standort losgelösten
das deutlich. Motor entwickelte und sein Anliegen von der Konstrukti-
on her löste, Benz dagegen gestaltete ,,die Dinge" vom
Chassis aus. 1885 wurde von ihm das erste Motorrad der
Welt auf den Markt gebracht, 1886 schaffte er den ersten
brauchbaren vierrädrigen Motorwagen, 1891 wird mit
dem Bau von Lastkraftwagen begonnen. Heute jst Daim-
ler-Chrysler ein deutsch-amerikanischer Konzern. Siehe
auch Seite 68.
3. Gesellschaftsrecht 223

Manche von ihnen erreichen durch Können DW Frankfurt/Main – Um Jürgen Schneider entwickel-
und Fleiß, durch Geschick und Glück hohe te sich seit Ostern 1994 die größte deutsche Immobilien-
pleite. Die Chronologie:
Umsätze. Das allerdings dauert oft Jahre.
7. April 1994 –- Der Vorstand der Deutschen Bank AG
Einige Namen mögen hierfür als Beispiele erhält einen Brief Schneiders, in dem er vor einer dro-
dienen: Borgward, Schlieker, Schneider, henden Zahlungsunfähigkeit warnt und eine Finanzie-
Nixdorf. Doch: Letztlich sind sie alle aus rungshilfe beantragt. Er erklärt, sich aus Gesundheits-
unterschiedlichsten Gründen gescheitert. Der gründen zurückzuziehen, und taucht unter.
„Fall Schneider“ zeigt uns eine Ursache der 13. April – Strafanzeige der Deutschen Bank gegen
Schneider
Entwicklung.
14. April – Das Amtsgericht Königstein eröffnet das
erste Konkursverfahren.
25. April – Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper beziffert
die Bankschulden Schneiders zum Jahresende 1993 auf
3. Gesellschaftsrecht 5,3 Mrd. DM.
26. April – Die Genfer Staatsanwaltschaft bestätigt die
Beschlagnahme von 240 Mio. DM aus Schneiders Ver-
mögen.
3.1 Gesellschaftsformen 10. Mai 1995 – Laut Amtsgericht Königstein wird die
Konkursquote für nichtbevorrechtigte Gläubiger Schnei-
ders 10 Prozent betragen.
Anders als bei Einzelunternehmen ist bei
Gesellschaften mehr als eine Person beteiligt. Abb. 3: Chronologie eines Crashs
Quelle: Die Wirtschaftswoche
Gesellschaften stellen privatrechtliche Perso-
nenvereinigungen zur Verfolgung gemeinsa-
mer Zwecke dar.
Je nachdem, ob bei der Personenvereinigung
die Person als Gesellschafter oder aber die
Kapitalbeteiligung im Vordergrund steht,
wird zwischen Personen- und Kapitalgesell-
schaften unterschieden. Firma (Name)
von Personengesellschaften

3.2 Personengesellschaften
Einzelkaufmann (§ 18 HGB)

Für Personengesellschaften ist wesentlich, mindestens ein Vorname + Familienname


(kein Zusatz, der ein Gesellschaftsverhältnis
dass die jeweilige Gesellschaftsform auf die andeutet)
einzelnen Gesellschafter zugeschnitten ist.
Die Gesellschafter haften persönlich und oHG (§ 19 Abs. 1 HGB)
arbeiten selbst in der Gesellschaft mit. Letzte- Name wenigstens eines Gesellschafters
res wird als Selbstorganschaft bezeichnet. (Vorname nicht nötig) + Zusatz, der das
Vorhandensein einer Gesellschaft andeutet
Weiterhin lassen sich die Gesellschaften nach oder
Handelsgesellschaften und unvollkomme- Namen aller Gesellschafter

nen Gesellschaften unterscheiden. KG (§ 19 Abs. 2 HGB)


Handelsgesellschaften betreiben notwendig mindestens ein Vorname + Familienname
oder doch im Regelfall ein Handelsgewerbe (kein Zusatz, der ein Gesellschaftsverhältnis
andeutet)
im Sinne der §§1–3 HGB (Handelsgesetz-
buch).
Abb. 4: Firma von Personengesellschaften
224 Rechtliche Grundlagen

Sie sind Vollkaufleute und unterstehen dem Aufgabe


Handelsrecht. Die meisten Erwerbsgesell-
1. Welche der folgenden Gesellschaftsfor-
schaften sind Handelsgesellschaften, so von
men sind nichtrechtsfähige und welche
den Personengesellschaften die offene Han-
rechtsfähige Gesellschaften?
delsgesellschaft (oHG) und die Komman-
ditgesellschaft (KG). Erfüllt eine Gesell- • offene Handelsgesellschaft
schaft nicht alle Merkmale einer Handelsge- • Aktiengesellschaft
sellschaft, so wird sie als unvollkommene
Gesellschaft bezeichnet. Bei den Personenge- • Kommanditgesellschaft auf Aktien
sellschaften sind die Gesellschaft bürgerli- • stille Gesellschaft
chen Rechts und die stille Gesellschaft un-
vollkommene Gesellschaften. • Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die Personengesellschaften sind nichtrechts- • Gesellschaft mit beschränkter Haftung


fähige Vereinigungen. Dies bedeutet, die • Kommanditgesellschaft
Gesellschaft selbst kann nicht Träger von
Rechten und Pflichten sein. Bei den Personen- Beispiel
gesellschaften werden die Rechte nicht der
Das Risiko, das eine Personengesellschaft
Gesellschaft als solcher verliehen, sondern sie
aufgrund der persönlichen Schuldenhaftung in
stehen den Mitgliedern der Personenvereini-
sich birgt, sei an dem Bei spiel der Krogmann
gung gemeinsam zu. Dies führt zu einer starken
& Krüger oHG dargestellt.
Abhängigkeit der Gesellschaft von den einzel-
nen Mitgliedern. Bedeutsam ist die Unter- Volker Krogmann und Bert Krüger haben vor
scheidung rechtsfähige/nichtrechtsfähige Ge- drei Jahren ihr Unternehmen gegründet. Sie
sellschaft auch für die Schuldenhaftung. Bei entwickeln in erster Linie Software, speziell
den nichtrechtsfähigen Gesellschaften haften auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kun-
grundsätzlich die einzelnen Mitglieder für die den zugeschnitten, zusätzlich vertreiben sie
Schulden der Gesellschaft, während bei den aber auch Hardware, falls die Kunden an
rechtsfähigen Gesellschaften grundsätzlich die einem kompletten System interessiert sind.
Gesellschaft als Rechtssubjekt selbst mit dem Für die DMW AG hat die Krogmann & Krü-
Gesellschaftsvermögen haftet. ger oHG ein Logistikprogramm für die Ein-
zelteile, die bei Zulieferern eingekauft wer-
Einige nichtrechtsfähige Gesellschaften sind
den, entwickelt. Dieses Programm berück-
den Gesellschaften mit Rechtsfähigkeit ange-
sichtigt nicht nur den Produktionsbedarf und
nähert worden. So sind beispielsweise die
die Kapitalbindung, sondern auch die Größe
oHG und die KG parteifähig, d.h. sie können
der einzelnen Teile im Hinblick auf die Kon-
unter ihrer Firma (= Name der Gesellschaft)
struktion des Lagers.
klagen und verklagt werden. Sie können au-
ßerdem unter ihrer Firma Rechte erwerben Zunächst haben Herr Krogmann und Herr
und Verbindlichkeiten eingehen. Auch die Kriüger recht erfolgreich in ihrem Unterneh-
Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann eigene men gewirtschaftet. Mit einem Großauftrag
Rechte und Pflichten begründen, soweit sie allerdings, bei welchem sie in umfangreichem
am Rechtsverkehr teilnimmt. Maße Hardware liefern sollten, die sie zuvor
selbst eingekauft hatten, haben sie erhebliche
Verluste erlitten. Der Kunde ist in Insolvenz
gegangen.
3. Gesellschaftsrecht 225

3.2.1 Die offene Die Gesellschaft hatte kein sehr starkes finan-
Handelsgesellschaft (oHG) zielles Gerüst, da die beiden Gesellschafter
primär ihre persönliche Arbeitskraft investie-
Nach der gesetzlichen Definition der offenen ren wollten.
Handelsgesellschaft in §105 Abs. 1 HGB ist
Konsequenz war, dass die oHG in Zahlungs-
sie eine Gesellschaft, deren Zweck auf den
schwierigkeiten geriet. Herr Krogmann und
Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemein-
Herr Krüger waren nicht bereit, ihre Einlagen
schaftlicher Firma gerichtet ist, wenn bei
in dem erforderlichen Maße zu erhöhen, mit
keinem der Gesellschafter die Haftung ge-
der Folge, dass die Gesellschaft nicht alle
genüber den Gesellschaftsgläubigern be-
fälligen Verbindlichkeiten tilgen konnte.
schränkt ist.
Daraufhin wandten sich einige Gläubiger an
Letzteres ist das wesentliche Merkmal einer Herrn Krogmann und Herrn Krüger persön-
oHG, um sie von anderen Gesellschaften lich. Der eine hat einen Privatkredit zu nicht
abzugrenzen: Alle Gesellschafter haften un- ganz günstigen Bedingungen mangels ausrei-
beschränkt persönlich, auch mit ihrem Privat- chender Haftungsmasse aufnehmen müssen,
vermögen. der andere konnte sein Haus mit einer Hypo-
Die oHG ist in das Handelsregister einzutra- thek belasten und so einen besseren Kredit
gen. bekommen.
Zum Handelsregister
3.2.1.1 Rechtsverhältnisse der
Das Handelsregister ist ein Verzeichnis aller
Gesellschafter
Vollkaufleute und wird von den Gerichten
Nach dem Gesellschaftsvertrag bestimmen geführt (§ 8 HGB). Es ist öffentlich, was
sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschaf- besagt, dass jedem die Einsicht des Handels-
ter untereinander. Der Gesellschaftsvertrag registers und der zum Handelsregister einge-
bedarf keiner bestimmten Form, jedoch ist bei reichten Schriftstücke gestattet ist (§ 9 HGB).
Einbringung von Grundstücken in die Gesell- Alle Eintragungen im Handelsregister werden
schaft notarielle Beurkundung erforderlich. vom Gericht öffentlich bekannt gegeben (§ 10
Regelt der Gesellschaftsvertrag nicht sämtli- HGB).
che Rechte und Pflichten der Gesellschafter
im Innenverhältnis, finden ergänzend die
Vorschriften des HGB Anwendung. Aufgabe
Zu den wichtigsten Pflichten der Gesellschaf- 2. Zwei Mitarbeiter aus dem Einkauf der
ter untereinander gehört zunächst die Leis- DMW AG, Verena Schacht und Jens
tung der Einlage, die je nach Vereinbarung als Völckers, beabsichtigen, ihre Firma zu
Geld oder in Sach- und Rechtswerten geleistet verlassen und sich selbstständig zu ma-
werden kann. Wichtig ist auch, dass nach der chen. Während ihrer Tätigkeit im Ein-
gesetzlichen Regelung jeder Gesellschafter kauf haben sie festgestellt, dass die
allein zur Geschäftsführung verpflichtet und DMW AG diverse Einzelteile häufig von
berechtigt ist, was jedoch im Gesellschafts- Importfirmen bezieht, die ihre Waren aus
vertrag anders geregelt werden kann. Die Südostasien einführen.
Geschäftsführungsbefugnis gilt für alle Hand-
lungen, die der gewöhnliche Betrieb der je-
weiligen Gesellschaft mit sich bringt. Bei
darüber hinausgehenden, außergewöhnlichen
Geschäften ist ein Beschluss sämtlicher Ge-
sellschafter erforderlich.
226 Rechtliche Grundlagen

3.2.1.2 Vertretung der Sie haben selbst eine Kalkulation vorge-


Gesellschafter nommen und festgestellt, dass die Mar-
Nicht zu verwechseln mit der Geschäftsfüh- gen der Importfirmen recht beachtlich
rung ist die Vertretung der Gesellschaft. Bei sind. Die DMW AG möchte selbst den-
der Vertretung geht es um das Außenverhält- noch nicht direkt aus Südostasien impor-
nis der Gesellschaft zu anderen, wie bei- tieren, weil dann wieder eine weitere Ab-
spielsweise Zulieferern oder Kunden. Grund- teilung aufgebaut und der Mitarbeiterstab
sätzlich kann jeder Gesellschafter die oHG erweitert werden müssten. Direktimporte
nach außen hin allein vertreten. Es kann aber finden nur in Einzelfällen statt.
im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, Frau Schacht und Herr Völckers haben
dass nur mehrere Gesellschafter die Gesell- sich überlegt, dass sie inzwischen gute
schaft gemeinsam vertreten können oder dass Kontakte aufgebaut und Know-how ge-
einzelne Gesellschafter von der Vertretung sammelt haben und selbst eine Import-
überhaupt ausgeschlossen sind. Derartige firma eröffnen wollen. Dieses Unterneh-
Bestimmungen sind in das Handelsregister men soll den Zweck verfolgen, verschie-
einzutragen. Weitere Beschränkungen der dene Kunststoffteile, wie beispielsweise
Vertretungsmacht sind grundsätzlich nicht Steckverbindungen bei den Kopflehnen,
möglich bzw. nach außen unwirksam. einzuführen und – zu einem großen Teil-
an die DMW AG weiterzuvertreiben.
3.2.1.3 Gewinnverteilung Nach eigenen Berechnungen benötigen
Sofern der Gesellschaftsvertrag keine andere Frau Schacht und Herr Völckers zunächst
Verteilung vorsieht, wird der Gewinn folgen- etwa 40 000 EUR Startkapital, das sie
dermaßen verteilt: Jeder Gesellschafter erhält zusammen auch aufbringen können. Bei-
4% seines Kapitalanteils, der restliche Ge- de möchten aktiv an der Geschäftsfüh-
winn wird nach Köpfen verteilt. Reicht der rung mitwirken und sich auch gegenseitig
Gewinn nicht aus, so wird ein entsprechend vertreten können, insbesondere, falls der
niedrigerer Prozentsatz bestimmt. eine mal im Urlaub oder krank ist. Wäh-
Die Verteilung des Rest-Gewinns nach Köp- rend ihrer langjährigen gemeinsamen Tä-
fen ist bestimmt worden, weil nach dem Ge- tigkeit bei der DMW AG haben sie auch
setz Rechte und Pflichten der Vollhafter stets gut zusammengearbeitet, es besteht
gleich sind. eine gute Vertrauensbasis.
a) Aus welchen Gründen ist Frau
Schacht und Herrn Völckers die
3.2.1.4 Auflösung der oHG Gründung einer oHG zu empfehlen?
Die oHG wird bei Vorliegen der im Gesetz b) Welches Risiko besteht für die Ge-
oder im Gesellschaftsvertrag aufgeführten sellschafter einer oHG?
Auflösungsgründe aufgelöst, von denen nur c) Welche gesetzlichen Regelungen
die wichtigsten (im Gesetz genannten) kurz gelten für die oHG?
erwähnt seien:
d) Was haben Frau Schacht und Herr
• Zeitablauf Völckers bei Gründung ihrer Gesell-
• Gesellschafterbeschluss schaft zu unternehmen?
3. Gesellschaftsrecht 227

Nur die wichtigsten (im Gesetz genannten) Beispiel:


kurz erwähnt seien:
Geschäftsführung
• Zeitablauf Die alleinige Geschäftsführungsbefugnis er-
• Gesellschafterbeschluss streckt sich auf die Vornahme von „gewöhnli-
chen“ Geschäften der jeweiligen Gesellschaft.
• Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
Dies sind alle Handlungen, die typischerweise
das Vermögen der Gesellschaft
zu dem Betrieb des betroffenen Unterneh-
• Gerichtliche Entscheidung mens gehören, wie etwa der Einkauf von
Der Tod eines Gesellschafters oder die Eröff- Rohstoffen für die Produktion oder auch der
nung des Insolvenzverfahrens über das Ver- Kauf von Fertigungsanlagen, der Verkauf der
mögen eines Gesellschafters führen ebenso hergestellten Güter, die Abwicklung des Zah-
wie die Kündigung eines Gesellschafters lungsverkehrs, die Einstellung von Personal
hingegen lediglich zum Ausscheiden des usw. Außergewöhnliche Geschäfte, bei denen
jeweiligen Gesellschafters und nicht zur Auf- ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erfor-
lösung der Gesellschaft. derlich ist, sind beispielsweise die Auflösung
der Gesellschaft oder der Kauf/Verkauf von
3.2.1.5 Die oHG in der Praxis Grundstücken. Mit diesem Schreiben nahmen
Volker Krogmann und Bert Krüger seinerzeit
Die oHG ist die geeignete Gesellschaftsform,
ihre Anmeldung der errichteten oHG zum
wenn es den Gesellschaftern darum geht,
Handelsregister vor, die aber zunächst noch
sowohl ihre Finanz- als auch ihre Arbeitskraft
öffentlich beglaubigt werden musste:
in das Unternehmen einzubringen. Durch eine
höhere Anzahl von Gesellschaftern kann
mehr Kapital zusammengetragen werden als An das
Amtsgericht Bremerhaven
bei einem Einzelunternehmen. Zudem können
- Handelsregister -
sich Gesellschafter mit unterschiedlichen Nordstraße 10
Fähigkeiten zusammentun und ergänzen. 27580 Bremerhaven
Hierin liegt andererseits aber auch ein beson- Betr.: Firma Krogmann & Krüger
Zur Eintragung in das Handelsregister melden wir an:
deres Risiko der oHG. Da die Gesellschafter Wir, die unterzeichnenden Krogmann und Krüger, haben
unbeschränkt haften, sind sie in besonderer unter der Firma
Weise voneinander abhängig, was eine gute Krogmann & Krüger oHG
Zusammenarbeit unerlässlich macht. Aus die- eine offene Handelsgesellschaft gegründet, die die Ent-
wicklung von Software und den Handel mit Software und
sen Gründen ist die oHG hauptsächlich bei Hardware zum Gegenstand hat. Die Gesellschaft hat am 1.
mittleren und kleinen Unternehmen verbreitet. Juni 2004 begonnen. Sie hat ihren Sitz in Bremerhaven, die
Geschäftsräume befinden sich in der Augustenstr. 13.
3.2.2 Die Kommanditgesellschaft Zur Vertretung der Gesellschaft ist jeder Gesellschafter
allein berechtigt. Wir zeichnen die Firma nebst unseren
(KG) Namensunterschriften zur Aufbewahrung bei Gericht wie
folgt:
Die oHG ist die Grundgesellschaftsform der
KG. Auch der Zweck der KG ist auf den Krogmann & Krogmann &
Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemein- Krüger oHG Krüger oHG
samer Firma gerichtet. Krogmann/Krüger
Firmenzeichnung und Namensunterschrift
Abb. 5: Anmeldung zur Eintragung
228 Rechtliche Grundlagen

Kennzeichnend ist, dass – im Unterschied zur Aufgabe


oHG – mindestens zwei Gesellschafter vor-
3. Zwei Freunde von Verena Schacht und
handen sein müssen, von denen mindestens
Jens Völckers möchten sich gerne an
einer unbeschränkt – der sog. Komplementär
dem Unternehmen der beiden beteiligen,
– und einer der Höhe nach beschränkt mit sei-
jedoch ohne selbst aktiv mitzuwirken. Da
ner Einlage – der sog. Kommanditist – haftet.
Frau Schacht und Herr Völckers nach der
Durchführung weiterer Kalkulationen
3.2.2.1 Rechtsverhältnisse der
nun der Ansicht sind, eine weitere fi-
Gesellschafter
nanzkräftige Unterstützung gut gebrau-
Die gesetzlichen Regelungen der oHG finden chen zu können, sind sie damit einver-
auch auf die KG Anwendung, sofern für diese standen.
keine anderen Regelungen getroffen worden
Weshalb ist nunmehr die Gründung einer
sind. Die Geschäftsführung obliegt allein den
Kommanditgesellschaft sinnvoll?
Komplementären, die Kommanditisten sind
davon ausgeschlossen. Nur bei außergewöhn-
lichen Geschäften haben sie ein Mitbestim-
mungsrecht. Der Kommanditist ist auch nicht Auszug aus dem Gesellschaftsvertrag der Bargrün-
zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt. dung für die Kommanditgeselischaft von Verena
Die Gewinnverteilung ist ähnlich wie bei der Schacht, Jens Völckers, Kurt Weber und Ansgar
oHG geregelt, jedoch wird ein Restgewinn Burg
nicht nach Köpfen, sondern nach einem an- Zwischen
gemessenen Verhältnis der Anteile verteilt. 1. Verena Schacht, Ankersweg 12a, 27580 Bremerhaven
Die Auflösungsgründe sind ebenfalls diesel- 2. Jens Völckers, Schmidtkamp 31, 27580 Bremerhaven
3. Kurt Weber, Lavendelweg 43, 27580 Bremerhaven
ben wie bei der oHG, nur dass beim Tod eines 4. Ansgar Burg, Ohnhorststr. 37, 22607 Hamburg
Gesellschafters die Gesellschaft mit dessen wird eine Kommanditgesellschaft zum Zwecke des
Erben fortgesetzt wird. Handels mit Kunststofffertigteilen für die PKW- und
LKW-Produktion errichtet mit folgendem
3.2.2.2 Die KG in der Praxis
Gesellschaftsvertrag
Die Gesellschaftsform der KG ist insbesonde-
re bei mittelständischen Unternehmen häufig I. Firma, Sitz, Gesellschaftszweck
§ 1 Firma, Sitz
zu finden. Im Unterschied zu der oHG ist die
KG aufgrund erleichterter Kapitalbeschaffung Die Gesellschaft führt die Firma: „Schacht & Völckers
durch Aufnahme von Kommanditisten auch Handels KG“.
für größere Unternehmen geeignet. Ein weite- Sitz der Gesellschaft ist Bremerhaven.
rer Vorteil ist, dass die Vollhafter gegenüber § 2 Gesellschaftszweck
den Kommanditisten dennoch weit gehend Zweck der Gesellschaft ist der Handel mit Kunststofffer-
frei von Bindungen sind. tigteilen für die PKW- und LKW-Produktion.
3. Gesellschaftsrecht 229

3.2.3 Die Gesellschaft II. Gesellschafter, Gesellschaftskapital, Gesellschaf-


terkonten
bürgerlichen Rechts (GbR)
§ 3 Gesellschafter, Kapitalanteile, Einlagen, Haft-
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die summen
Grundform der Personengesellschaft, sie ist Persönlich haftende Gesellschafter sind:
im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt (§§705 Verena Schacht und Jens Völckers mit einem Kapitalan-
ff. BGB). teil von je 20000,- EUR

Nach der gesetzlichen Regelung verpflichten Kommanditisten sind:


sich die Gesellschafter durch den Gesell- Kurt Weber mit einem Kapitalanteil von 15000,- EUR,
Ansgar Burg mit einem Kapitalanteil von 10000,- EUR.
schaftsvertrag gegenseitig, die Erreichung
eines gemeinsamen Zwecks zu fördern. Be- Die Gesellschafter erbringen ihre Kapitalanteile durch
deutsam ist, dass dieser Zweck wirtschaftlicher Bareinlagen bei Abschluss dieses Gesellschaftsvertrages.
Art sein kann, aber nicht muss. Die Kapitalanteile sind fest; sie können nur durch Ände-
rung des Gesellschaftsvertrages geändert werden.
Die GbR hat keine Firma und wird nicht in das
Handelsregister eingetragen. Die Geschäfts- Die Kapitalanteile der Kommanditisten sind als ihre
Haftsummen in das Handelsregister einzutragen.
führung steht den Gesellschaftern gemein-
schaftlich zu, für jedes Geschäft ist die Zu- Die Gesellschafter sind weder berechtigt noch verpflich-
stimmung aller Gesellschafter erforderlich. tet, ihre Einlage zu erhöhen.
Auch nach außen hin können die Gesellschaf-
§ 4 Gesellschafterkonten
ter die Gesellschaft grundsätzlich nur ge- Für jeden Gesellschafter wird ein Kapitalkonto, ein
meinschaftlich vertreten. Das Vermögen der Rücklagenkonto und ein Darlehenskonto geführt.
GbR ist gemeinschaftliches Vermögen der
Gesellschafter, es wird als Gesamthands- Auf dem Kapitalkonto wird der Kapitalanteil des Gesell-
schafters gebucht. Die dem Gesellschafter zustehenden,
vermögen bezeichnet. Wichtig – und riskant jedoch nicht entnahmefähigen Gewinnanteile sowie die
– ist, dass jeder Gesellschafter unbeschränkt ihn treffenden Verlustanteile werden auf dem Rückla-
auch mit seinem Privatvermögen für die Ge- genkonto gebucht. Auf dem Darlehenskonto werden die
sellschaftsschulden haftet. entnahmefähigen Gewinnanteile, Entnahmen, Tätigkeits-
vergütungen und Zinsen gebucht.

3.2.4 Die stille Gesellschaft Die Kapital- und Rücklagenkonten sind unverzinslich.
Die Darlehenskonten sind mit einem Zinssatz entspre-
Bei der stillen Gesellschaft beteiligt sich der chend dem Bundesbankdiskontsatz im Jahresdurchschnitt
stille Gesellschafter an dem Handelsgewerbe am Jahresende zu verzinsen.
eines anderen mit einer Vermögenseinlage, III. Geschäftsführung, Gesellschafterbeschlüsse
die in das Vermögen des Inhabers des Han-
delsgeschäftes übergeht. § 5 Geschäftsführung, Vertretung
Der stille Gesellschafter ist nur Kapitalgeber, Die persönlich haftenden Gesellschafter sind zur Ge-
nach außen hin tritt er nicht in Erscheinung. schäftsführung und Vertretung der Gesellschaft allein
Daraus ergibt sich bereits, dass der stille Ge- berechtigt und verpflichtet.
sellschafter nicht an der Geschäftsführung Die persönlich haftenden Gesellschafter haben ihre ganze
Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft z u stellen.
beteiligt ist und die Gesellschaft nicht vertre- Sie erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung von 3000,-
ten kann. EUR monatlich, die zum Ende eines jeden Monats zahl-
bar ist. Die Vergütung ist zu Beginn eines jeden Ge-
schäftsjahres unter Berücksichtigung der Entwicklung der
Lebenshaltungskosten und der Ertragslage der Gesell-
schaft neu festzusetzen. Die persönlich haftenden Gesell-
schafter haben Anspruch auf fünf Wochen Urlaub im
Jahr. Der Urlaub ist so zu legen, dass die Belange der
Gesellschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.
Nicht genommener Urlaub wird entsprechend ausgezahlt.
230 Rechtliche Grundlagen

Das Gesellschaftsverhältnis einer stillen Ge- § 6 Gesellschafterbeschlüsse, Gesellschafterversamm-


sellschaft als solches wird auch nicht nach lung
außen sichtbar, weder ist es aus der Firma Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der
ersichtlich, noch wird es in das Handelsregis- Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch
ter eingetragen. Es handelt sich um eine reine Beschlussfassung. Die Gesellschafterbeschlüsse werden
Innengesellschaft. Der stille Gesellschafter in Gesellschafterversammlungen am Sitz der Gesellschaft
gefasst.
muss am Gewinn beteiligt werden, im Regel-
fall hat er auch einen Verlust mitzutragen. Die Gesellschafterversammlung wird von den persönlich
haftenden Gesellschaftern einberufen und geleitet. Die
Für den Inhaber des Unternehmens besteht Einberufung hat unter Beachtung einer Ladungsfrist von
ein großer Vorteil darin, dass er allein die vier Wochen zu erfolgen.
Geschäftsführung innehat und dem stillen
Gesellschafter nur sehr eingeschränkte Kon- Die persönlich haftenden Gesellschafter sind zur Einbe-
rufung verpflichtet, wenn es im Interesse der Gesellschaft
trollrechte und kein Widerspruchsrecht – auch erforderlich erscheint oder ein Kommanditist es unter
nicht bei außergewöhnlichen Geschäften – Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt.
zusteht. Für den stillen Gesellschafter wieder-
um ist es vorteilhaft, dass er stärker an der Soweit in diesem Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich
etwas anderes bestimmt ist, bedürfen Gesellschafterbe-
Gesellschaft beteiligt ist als beispielsweise bei schlüsse, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert
der Gewährung eines Darlehens, diese Betei- oder ergänzt wird, der Einstimmigkeit, sonstige Gesell-
ligung aber nicht nach außen bekannt wird. schafterbeschlüsse der Mehrheit der Stimmen aller
Aus diesem Grund lässt sich auch nichts stimmberechtigten Gesellschafter.
Konkretes über ihre Verbreitung im Wirt- Je 1000,- EUR Kapitalanteils gewähren eine Stimme.
schaftsleben darstellen.
In eigenen Angelegenheiten sind Gesellschafter von der
Beschlussfassung ausgeschlossen.

Eine Vertretung in der Gesellschafterversammlung und


der Beschlussfassung ist unzulässig. Jeder Gesellschafter
ist aber berechtigt, auf eigene Kosten einen Angehörigen
der rechts- und steuerberatenden Berufe als Beistand
beizuziehen.

IV. Jahresabschluss, Ergebnisverteilung, Entnahmen

§ 7 Geschäftsjahr, Jahresabschluss

Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäfts-


jahr endet am 31. Dezember 20..

Die persönlich haftenden Gesellschafter haben in den


ersten drei Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres
den Jahresabschluss nebst Gewinn- und Verlustrechnung
nach handelsrechtlichen Vorschriften aufzustellen.

Der festgestellte Jahresabschluss ist allen Gesellschaftern


zuzusenden und in der ordentlichen Gesellschafterver-
sammlung von den persönlich haftenden Gesellschaftern
zu erläutern und zur Aussprache zu stellen.

Abb. 6: Die stille Gesellschaft


3. Gesellschaftsrecht 231

§ 8 Gewinn- und Verlustverteilung


Zusammenfassung Erwirtschaftet die Gesellschaft einen Bilanzgewinn von
mehr als 50 000,- EUR, erhalten die persönlich haftenden
Personengesellschaften sind Gesellschaf- Gesellschafter eine Tantieme in Höhe von 7,5% dieses
ten, die in der Regel durch Vertragsabma- Gewinns. An dem verbleibenden Gewinn sowie an einem
chungen von zwei oder mehreren Perso- Verlust nehmen die Gesellschafter im Verhältnis ihrer
Kapitalanteile teil.
nen gegründet werden. Sie sind Gesell-
Die Gewinnanteile sind den Darlehenskonten der Gesell-
schaftsunternehmen, in der die so genann- schafter zuzuschreiben, soweit sich aus den folgenden
ten Vollhafter mit ihrem privaten und ge- Bestimmungen nichts anderes ergibt.
schäftlichen Vermögen haften. Solange und soweit Rücklagenkonten negativ sind, sind
sie durch spätere Gewinnanteile auszugleichen. Erst nach
ihrem Ausgleich können Gewinnanteile den Darlehens-
konten zugeschrieben werden.
3.3 Kapitalgesellschaften Die Gesellschafter können mit der Mehrheit ihrer Stim-
men beschließen, dass ein einheitlicher Prozentsatz der
Gewinnanteile, höchstens jedoch 25%, den Rücklagen-
Bei Kapitalgesellschaften ist die Mitglied- konten zugeschrieben wird.
schaft auf die reine Kapitalbeteiligung zuge-
schnitten, es geht nicht um die persönliche §9 Entnahmerecht
Jeder Gesellschafter darf jederzeit Guthaben auf seinem
Mitarbeit der Gesellschafter. Darlehenskonto entnehmen. Überziehungen des Darle-
Kapitalgesellschaften sind juristische Perso- henskontos bedürfen eines zustimmenden Gesellschafter-
nen, dies bedeutet, dass es sich um Personen- beschlusses.
vereinigungen handelt, deren rechtliche Selbst- V. Verfügungen, Tod eines Gesellschafters
ständigkeit vom Gesetz anerkannt worden ist.
§ 10 Rechtsgeschäftliche Verfügungen
Gesellschaften, die juristische Personen sind, Rechtsgeschäftliche Verfügungen eines Gesellschafters
treten im Rechtsverkehr als selbstständiges über seinen Gesellschaftsanteil sind nur mit Zustimmung
Rechtssubjekt auf. So können sie beispiels- aller Gesellschafter zulässig.
weise unter ihrem eigenen Namen klagen und
§ 11 Tod eines Gesellschafters
verklagt werden. Ein weiteres Kennzeichen Durch Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft
ist, dass sie in ihrem Bestand von den Mit- nicht aufgelöst, sondern mit dessen Erben oder Ver-
gliedern und deren Wechsel unabhängig sind. mächtnisnehmern fortgesetzt.
Die Gesellschaftsanteile können im Regelfall Die Nachfolger eines persönlich haftenden Gesellschaf-
ters werden Kommanditisten, falls der betreffende per-
frei veräußert werden und sind vererbbar. Ein sönlich haftende Gesellschafter durch letztwillige Verfü-
Gesellschafterwechsel ist üblicherweise ohne gung nichts anderes bestimmt.
Einfluss auf das Gesamtkapital der Gesell-
schaft. VI. Dauer, Kündigung

Wichtige Konsequenzen aus der rechtlichen § 12 Dauer der Gesellschaft, Kündigung


Selbstständigkeit folgen für die Schuldenhaf- Die Gesellschaft beginnt am 1. Juni 20.. Sie ist für unbe-
stimmte Zeit eingegangen.
tung. Bei den Kapitalgesellschaften haften Jeder Gesellschafter kann die Gesellschaft unter Einhal-
nicht die Gesellschafter persönlich, sondern tung einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines
grundsätzlich die Gesellschaft selbst mit dem Geschäftsjahres kündigen. Mit Ablauf der Kündigungs-
Gesellschaftsvermögen. frist scheidet der kündigende Gesellschafter aus der
Gesellschaft aus.
Von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung
sind die kapitalistischen Handelsgesellschaf-
ten Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit
beschränkter Haftung.
232 Rechtliche Grundlagen

3.3.1 Die Aktiengesellschaft (AG) VII. Abfindung

In § 1 des Aktiengesetzes (AktG) ist das We- § 13 Ausscheiden, Abfindung


sen der AG beschrieben als eine Gesellschaft Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so
mit eigener Rechtspersönlichkeit, für deren wird die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaf-
Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das tern unter der bisherigen Firma fortgesetzt. Verbleibt nur
Gesellschaftsvermögen haftet. Die AG hat ein noch ein Gesellschafter, so geht das Vermögen der
Gesellschaft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven
in Aktien zerlegtes Grundkapital. und dem Recht, die Firma fortzuführen, auf diesen über.

3.3.1.1 Die Gründung einer AG Der ausgeschiedene Gesellschafter erhält eine Abfin-
dung, für deren Höhe und Bezahlung gilt:
Das AktG enthält ausführliche und zwingende
Regelungen zur Gründung einer AG. Hierfür Der Gesellschafter erhält als Abfindungsguthaben den
waren früher mindestens fünf Gründungsakti- Buchwert seiner Beteiligung zuzüglich eiines Aufschla-
ges von 20 %. Das Darlehenskonto bleibt bei der Abfin-
onäre erforderlich. Nachdem das „Gesetz für dung außer Betracht. Ein Guthaben darauf ist dem Ge-
kleine Aktiengesellschaften und zur Deregu- sellschafter unverzüglich nach seinem Ausscheiden
lierung des Aktienrechts“ im August 1994 in auszuzahlen; ein Schuldsaldo unverzüglich von ihm
Kraft getreten ist, kann eine AG auch durch auszugleichen. Die Abfindung ist in sechs gleichen
Jahresraten zu bezahlen. Die erste Rate ist mit Ablauf des
nur eine Person gegründet werden. Bei der auf das Ausscheiden folgenden Jahres fällig.
sog. einfachen Gründung muss zunächst die
Satzung durch notarielle Beurkundung festge- Am Gewinn oder Verlust, der sich aus den am Tag des
stellt werden. Die Satzung muss einen Mindest- Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt, nimmt der
ausgeschiedene Gesellschafter nicht teil.
inhalt aufweisen, wozu u.a. die Firma und der
Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Un- Ändern sich die Jahresabschlüsse für die Zeit bis zum
ternehmens, die Höhe des Grundkapitals, die Ausscheiden des Gesellschafters infolge einer steuerli-
Nennbeträge der Aktien und ihre Zahl sowie chen Außenprüfung der Gesellschaft oder durch ander-
weitig veranlasste Änderungen der Veranlagungen, so ist
die Zahl der Vorstandsmitglieder gehören. die Auseinandersetzungsbilanz entsprechend zu ändern
Sodann ist das Grundkapital aufzubringen, und die Abfindung der Änderung anzupassen.
indem die Gründer die Aktien übernehmen,
VIII. Schlussbestimmung
was bedeutet, dass sie sich zur Einzahlung der
Einlagen verpflichten. § 14 Salvatorische Klausel
Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz
beträgt 50000 EUR. oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird
hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht
Damit ist die AG errichtet. begeührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung oder
Es folgt die Bestellung des Aufsichtsrates, der zur Ausfüllung der Lücke soll eine angemessene wirksa-
me Regelung treten, die dem angestrebten wirtschaftli-
seinerseits den Vorstand bestellt. Nun sind chen Zweck am nächsten kommt.
das Kapital einzuzahlen und ein schriftlicher
Bericht über den Hergang der Gründung zu Abb. 7: Auszug aus einem Original-
erstellen. Kommanditisten-Vertrag

Benötigt die Schacht & Völckers Handels KG


nach einer Weile weitere Mittel zur Finanzie-
rung von Investitionen, so wäre die Aufnah-
me eines stillen Gesellschafters in Erwägung
zu ziehen.
3. Gesellschaftsrecht 233

Schließlich ist die Gesellschaft zur Eintra- Die Deutschen Motoren Werke sind eine
gung in das Handelsregister anzumelden. Aktiengesellschaft. Ihr Grundkapital beträgt
Erst mit der Eintragung in das Handelsregister 90 000 000,-- EUR. Sie hat 18400 Mitarbeiter.
entsteht die AG als juristische Person.
Um eine qualifizierte Gründung handelt es Beispiel:
sich beispielsweise, wenn einzelnen Aktionä- Abbildung einer Aktie der DMW AG. Bei
ren Sondervorteile zugestanden werden oder Inhaberaktien ist die Führung eines Aktienbu-
Sacheinlagen geleistet werden dürfen. Es ches zwar nicht notwendig, dennoch wird ein
handelt sich um Abreden, die zum Schutz von solches häufig zu Beweiszwecken angelegt.
Aktionären und Gläubigern in die Satzung
aufgenommen werden müssen. DMW Aktiengesellschaft
in Hannover
Aktie über 50,- EUR
3.3.1.2 Die Anteile an einer AG Nr. 1370
Die AG hat ein in Aktien zerlegtes Grundka-
pital. Die Aktien müssen einen Nennbetrag Der Inhaber dieser Aktie ist im Nenn-
betrag von fünfzig EUR an der DMW Ak-
von mindestens 1 EUR haben. Ein höherer tiengesellschaft in Hannover nach Maß-
Nennbetrag muss auf volle EUR lauten. gabe ihrer Satzung als Aktionär betei-
ligt.
In den Aktien ist der Anteil des Aktionärs,
seine Mitgliedschaft an der AG, verbrieft. Hannover, August 20..
Aktien sind Wertpapiere, die ihrer Art nach
hinsichtlich der Übertragbarkeit unterschie- Eingetragen in das Aktienbuch S. 315
den werden. Meistens handelt es sich bei den Kallenberger Behr Schröder
Aktien um sog. Inhaberaktien. Dies bedeu- (Aufsichtsrats- (Vorstand)
tet, dass das Recht, das in der Aktie verbrieft vorsitzender)
ist, dem jeweiligen Inhaber der Aktie zusteht.
Die Übertragung ist einfach, sie erfolgt durch Abb. 8: Aktie der DMW AG
Einigung zwischen dem Inhaber und dem
Erwerber und der Übergabe der Aktie. Die an
der Börse gehandelten Aktien stellen Inhaber-
aktien dar.
Bei Namensaktien hingegen steht das ver-
briefte Recht demjenigen zu, auf dessen Na-
men die Aktie lautet. Der Name muss zumin-
dest auf der Rückseite der Aktie vermerkt
sein. Die Übertragung von Namensaktien
bedarf zusätzlich zu der Einigung und Über-
gabe eines Indossaments. Dies bedeutet, dass
der Inhaber auf der Rückseite der Aktie durch
eine rechtsgeschäftliche Erklärung die Aktie
auf den Erwerber überträgt.
Abb. 9: Stammaktien verbriefen Rechte
und Pflichten des Aktionärs
234 Rechtliche Grundlagen

Bei gebundenen (vinkulierten) Namensakti- Zusatzinformationen zum Aktiengesetz


en ist die Übertragung noch dadurch er- Das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und
schwert, dass die Zustimmung der Gesell- zur Deregulierung des Aktienrechts sieht Ände-
schaft erforderlich ist. Die jeweiligen Inhaber rungen des AktG und des Betriebsverfassungsge-
von Namensaktien sind im sog. Aktienbuch setzes von 1952 vor.
Problem: Im internationalen Vergleich ist die
der Gesellschaft einzutragen, sodass stets ein
Eigenkapitalausstattung der deutschen mittelstän-
Überblick über die Mitglieder der Gesell- dischen Unternehmen zu gering. Die Gesellschaf-
schaft besteht. ter können oftmals nicht das erforderliche Kapital
Je nachdem, welche Rechte dem Inhaber für Investitionen zur Sicherung der Wettbewerbs-
gewährt werden, unterscheidet man zwischen fähigkeit und von Arbeitsplätzen aufbringen.
Stammaktien und Vorzugsaktien. Die Folge: Die Unternehmen müssen verstärkt Fremd-
kapital aufnehmen und sind dadurch in wirtschaft-
Stammaktien sind der Normaltyp, die dem
lich schwierigen Zeiten eher krisen- und konzent-
Inhaber einen Anspruch am Gewinnanteil rationsanfällig.
(Dividende), bei Auflösung der Gesellschaft Lösung: Mittelständischen Unternehmen muss der
einen Anteil am Liquidationserlös und bei Zugang zum Eigenkapitalmarkt, der Börse, offen
einer Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht auf stehen.
neu auszugebende (junge) Aktien gewähren. Die Gesellschaftsform der AG soll für mittelstän-
Zudem hat der Inhaber ein Stimmrecht in der dische Betriebe attraktiver gemacht werden durch:
Hauptversammlung. - z. T. bereits durchgeführte steuerrechtliche
Änderungen, durch die nachteilige Belastungen
Vorzugsaktien gewähren den Inhabern ge- gegenüber anderen Gesellschaftsformen abge-
genüber den Stammaktieninhabern je nach schafft worden sind
Satzung bestimmte Vorrechte, wie beispiels- - Änderungen des Gesellschaftsrechts durch
weise einen höheren Gewinnanteil. Oftmals Erleichterungen und Deregulierung
sind Vorzugsaktien stimmrechtslos, dann - Gründung durch eine Person
bieten sie lediglich finanzielle Vorteile, aber - Vereinfachung bestimmter Formalien
- Einschränkung des Bezugsrechts bei Ausgabe
keinen Einfluss auf die Gesellschaftspolitik.
neuer Aktien
Über Belegschaftsaktien – Aktien, die den - Gleichbehandlung von AGs und GmbHs hin-
Mitarbeitern der Gesellschaft zu günstigen sichtlich der Mitbestimmung auc bei Gesell-
Konditionen angeboten werden – kann es zu schaften mit weniger als 500 Beschäftigten.
einer Beteiligung der Arbeitnehmer an ihrem
Arbeitgeber, der Gesellschaft, kommen (siehe Inhaberaktien Namensaktien
Abb. 13). leicht übertragbar mehrere Vorausset-
zungen müssen zur
Übertragung erfüllt
3.3.1.3 Die Organe der AG sein
hohe Verkehrsfähig- geringere
Die AG hat drei Organe, durch die sie han- keit Verkehrsfähigkeit
delt:
interessant für Anle- Vorteil: Ein Mitglied-
• den Vorstand ger, die ihre Anlage schaftswechsel kann
häufiger wechseln von der Gesellschaft
• den Aufsichtsrat möchten, z. B. Spe- nachvollzogen werden,
• die Hauptversammlung. kulationsgeschäfte die Mehrheitsverhält-
nisse in der Hauptver-
sammlung ändern sich
nicht
Abb. 10: Die Unterschiede zwischen
Inhaber- und Namensaktien
3. Gesellschaftsrecht 235

3.3.1.3.1 Der Vorstand Geschäftsordnung für den Vorstand


§ 77 AktG
Der Vorstand leitet die Gesellschaft unter
eigener Verantwortung (in der Regel jeweils 5 Dei Aufsichtsrat der DMW AG erlässt gemäß § 41 der
Jahre). Der Vorstand besteht aus ein oder Satzung die nachstehende Geschäftsordnung für dem
Vorstand:
mehreren Personen (siehe Abb. 11). Die Vor- 1. Der Vorstand hat die Geschäfte der Gesellschaft nach
standsmitglieder sind angestellt; sie können, dem Aktiengesetz, der Satzung und dieser Geschäfts-
müssen aber nicht Aktionäre sein. ordnung zu führen.
2. Die Geschäfte des Vorstandes werden durch die
Dem Vorstand obliegt die Geschäftsführung beiden Bereiche Verwaltung und Technik abgedeckt.
und die Vertretung der Gesellschaft, er ist für Sie werden auf die beiden Vorstandsmitglieder ver-
die Erstellung des Jahresabschlusses verant- teilt. Der Aufsichtsrat kann aber mit Stimmenmehr-
heit seiner Mitglieder die Geschäftsverteilung abän-
wortlich. Ferner hat der Vorstand dem Auf- dern. Dabei ist auf § 17 der Satzung zurückzugreifen.
sichtsrat regelmäßig über die Geschäftspoli- ...
tik, den Umsatz und weitere bedeutende 4. Jedes Vorstandsmitglied trägt die Mitverantwortung
Merkmale der Situation des Unternehmens für die gesamte Geschäftsordnung der Gesellschaft.
Zum Erlass von Weisungen istjedes Vorstandsmit-
Bericht zu erstatten. Eine weitere Aufgabe glied nur innerhalb des ihm zugeteilten Gescnäftsbe-
des Vorstandes ist die Einberufung der reiches berechtigt.
Hauptversammlung. 5. Die Vorstandsmitglieder sind nur gemeinschaftlich
zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Ist ein Proku-
rist berufen, so kann dieser in Zusammenwirken mit
3.3.1.3.2 Der Aufsichtsrat einem Vorstandsmitglied zur Vertretung der Gesell-
Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu schaft befugt werden.
überwachen. Als Kontrollorgan kann er die Abb. 11: Zur Arbeit des Vorstandes –
Bücher einsehen und prüfen. Der Aufsichtsrat Auszug
hat den Jahresabschluss und den Vorschlag
für die Gewinnverteilung zu prüfen und der
Hauptversammlung darüber Bericht zu erstat-
ten. Ihm obliegt die Aufgabe, den Vorstand
zu bestellen (siehe Abb. 12) und gegebenen- Bestellung eines Vorstandsmitgliedes durch den
falls auch abzuberufen. Zudem hat der Auf- Aufsichtsrat
sichtsrat eine ordentliche Hauptversammlung Niederschrift
einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesell- über die Sitzung des Aufsichtsrates der DMW AG in
schaft erfordert. Der Aufsichtsrat besteht aus Hannover am 11. Juli 20..
mindestens drei Mitgliedern, die Höchstzahl
Der Vorsitzende stellte die ordnungsmäßige Einladung
der Mitglieder ist gesetzlich zwischen neun und die vollzählige Anwesenheit der Mitglieder fest.
und einundzwanzig Mitgliedern, je nach der Die mit der Einladung bekannt gemachte Tagesordnung
Höhe des Grundkapitals, bestimmt. wurde wie folgt erledigt:
...
Der Aufsichtsrat wird für vier Jahre gewählt. Zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Hinsichtlich seiner Zusammensetzung beste- Der Aufsichtsrat hat in geheimer Abstimmung einstim-
hen verschiedene Regelungen. mig beschlossen:

Frau Rechtsanwältin Jutta Klahrmann in 27580 Bremer-


3.3.1.3.3 Die Hauptversammlung haven wird für die Dauer von drei Jahren zum weiteren
Die Aktionäre üben ihre Rechte in der Vorstandsmitglied der DMW AG bestellt. Gemäß § 5 der
Satzung vertritt sie die Gesellschaft gemeinschaftlich mit
Hauptversammlung aus. Die Hauptver- einem anderen Mitglied des Vorstandes. Der dem Auf-
sammlung ist die Versammlung der Aktionä- sichtsrat vorliegende Anstellungsvertrag wird genehmigt.
re, an der der Vorstand und der Aufsichtsrat ...
teilnehmen sollen. Abb. 12: Bestellung des Vorstandes
236 Rechtliche Grundlagen

Zu den Rechten der Hauptversammlung


gehören u.a.:
• grundsätzlich die Bestellung der
Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat
• die Bestimmung über die Verwendung
des Bilanzgewinns
• Kapitalerhöhung, -herabsetzung
• weitere Fragen den Aufbau der Gesell-
schaft betreffend, wie ihre Fusion oder
Umwandlung
• die Auflösung der Gesellschaft.
Die Rechte werden durch Abstimmung in der
Hauptversammlung ausgeübt, das Stimmrecht Abb. 13: Wenn die Arbeitnehmer am Ge-
richtet sich nach den Aktiennennbeträgen. Die sellschaftskapital beteiligt sind
Beschlüsse werden mit einfacher Stimmen-
mehrheit gefasst. Bei Satzungsänderungen ist VIAG
Aktiengesellschaft
eine sog. qualifizierte Mehrheit – mindestens
Einladung zur Hauptversammlung
75% der Stimmen des vertretenen Grundkapi- Die Aktionäre unserer Gesellschaft werden hiermit zu
tals – erforderlich. der am Mittwoch, dem 11. Juli 20.., 11:00 Uhr, in der
Beethovenhalle, Bonn, Wachsbleiche, stattfindenden
3.3.1.4 Die Pflicht zur ordentlichen Hauptversammlung eingeladen.
Rechnungslegung Tagesordnung:
1. Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses
In §264 ff. HGB ist die Pflicht von AG – und und des Lageberichtes für das Geschäftsjahr 20..
KGaA und GmbH – zur Aufstellung eines sowie des Berichts des Aufsichtsrates. Vorlage
Jahresabschlusses mit einer Bilanz und Ge- des Konzernabschlusses und des Konzernlage-
berichtes für das Geschäftsjahr 20..
winn- und Verlustrechnung sowie eines La- 2. Verwendung des Bilanzgewinns
geberichtes geregelt. Der Umfang der Pflicht 3. Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr
zur Prüfung dieser Aufstellungen durch Ab- 20..
schlussprüfer und der Pflicht zur Veröffentli- 4. Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäfts-
jahr 20..l|
chung ist unterschiedlich nach der Größe der 5. Wahlen zum Aufsichtsrat
Gesellschaften geregelt. Die Größe wird nach 6. Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr
den Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse 20..
und Anzahl der Arbeitnehmer ermittelt. 7. Satzungsänderung
8. Schaffung eines genehmigten Kapitals I, Ände-
rung von § 5 Abs. 4 der Satzung
3.3.1.5 Die AG in der Praxis 9. Zustimmung zum Abschluss eines Gewinnabfüh-
rungsvertrages
Die absolute Zahl von Aktiengesellschaften
Der vollständige Wortlaut der Einberufung dieser
ist gering, ihre wirtschaftliche Bedeutung Hauptversammlung ist im Bundesanzeiger Nr. 96/90
jedoch groß. Dies liegt daran, dass es sich bei vom 23. Mai veröffentlicht. Letzter Hinterlegungstag
Aktiengesellschaften in der Regel um große für die Aktien ist der 29. Juni 20..
Unternehmen handelt. VIAG Aktiengesellschaft
Georg-von-Boeselager-Str. 25, Bonn.
Bonn, im Mai 20.. Der Vorstand
Abb. 14: Originaleinladung des Vorstan-
des einer Aktiengesellschaft zur
Hauptversammlung
3. Gesellschaftsrecht 237

Wie bei der Beschreibung von Belegschafts- Zusammensetzung des Aufsichtsrats


aktien bereits angedeutet, ist es von besonde-
Unternehmen des Bergbaus und der Eisen-
rer Bedeutung, dass sich über den Erwerb von und Stahlerzeugenden Industrie
einzelnen Aktien auch private Personen mit
wenig Kapital an den Gesellschaften beteili- Montanmitbestimmungsgesetz
Der Aufsichtsrat ist voll paritätisch zu besetzen. Zu
gen können. Dies führt dazu, dass breite Teile gleicher Anzahl besteht er aus Vertretern der
der Bevölkerung an dem Produktionsvermö- Anteilseigner und der Arbeitnehmer sowie aus
weiteren Mitgliedern, von denen eines neutral ist.
gen Eigentum erwerben können. Darauf be- Das neutrale Mitglied hat bei Stimmengleichheit
ruht auch die wirtschaftliche Bedeutung der die entscheidende Stimme.
AG, denn bei einem breiten Publikum können
große Kapitalbeträge beschafft werden. AGs, KGaAs, GmhHs, bergrechtliche Gewerk-
schaften mit eigener Rechtspersönlichkeit
oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen-
3.3.2 Die Gesellschaft mit schaften mit in der Regel mehr als 2.000
Arbeitnehmern.
beschränkter Haftung
(GmbH) Mitbestimmungsgesetz von 1976
Der Aufsichtsrat besteht je zur Hälfte aus Anteils-
eignern und Arbeitnehmern, wobei die Arbeit-
Die GmbH ist im GmbH-Gesetz geregelt. nehmerhälfte teilweise auch aus Vertretern der
Auch ist sie eine juristische Person. Der Na- Gewerkschaften besteht. Bei Stimmengleichheit
entscheidet der Aufsichtsratsvorsitzende, ein
me dieser Unternehmensform „mit beschränk- Anteilseigner.
ter Haftung“ drückt aus, dass die Haftung für
andere Unternehmen
Verbindlichkeiten der Gesellschaft beschränkt
ist auf das Gesellschaftsvermögen, mit wel- Betriebsverfassungsgesetz von 1952
Danach muss der Aufsichtsrat bei AGs und
chem jedoch unbeschränkt gehaftet wird. Dies KGaAs, wenn sie bis zu 2.000 Arbeitnehmer
ist zwar grundsätzlich bei allen Kapitalgesell- beschäftigen, zu einem Drittel aus Vertretern der
Arbeitnehmer bestehen. Dies gilt für andere Unter-
schaften der Fall, die GmbH ist jedoch als nehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit nur bei
weitere Kapitalgesellschaft von dem Gesetz- mehr als 500 Arbeitnehmern. Eine Beteiligung der
geber insbesondere für kleine und mittlere Arbeitnehmer ist keine Voraussetzung für
Familien-Aktiengesellschaften mit weniger als 500
Unternehmen entwickelt worden. Arbeitnehmern und seit Inkrafttreten des Gesetzes
für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregu-
Die Gründung ist einfacher als bei der AG, lierung des Aktienrechts für alle AGs mit weniger
sie unterliegt weniger gesetzlichen Regelun- als 500 Beschäftigten, sofern sie nach Inkraft-
treten dieses Gesetzes eingetragen worden sind.
gen, allerdings ist der Unterschied seit In-
krafttreten des „Gesetzes für kleine Aktienge- Abb. 15: Wie sich der Aufsichtsrat
sellschaften und zur Deregulierung des Akti- zusammensetzt
enrechts“ nicht mehr so erheblich. Eine
GmbH kann durch nur eine Person gegründet
werden, was als Einmann-GmbH bezeichnet
wird. Auch bei einer GmbH ist die Aufstel-
lung einer Satzung erforderlich, die der nota-
riellen Beurkundung bedarf.
Aufgabe
as Kapital einer GmbH ist das Stammkapi-
tal, es beträgt mindestens 25000 EUR. Das 4. a) Was versteht man unter Bezugsrech-
Stammkapital setzt sich aus den Stammeinla- ten, und welche Bedeutung haben
gen der Gesellschafter, ihren Geschäftsantei- sie?
len, zusammen. Zur Gründung der GmbH b) Unter welchen Voraussetzungen
müssen mindestens 25% auf alle Stammein- würden Sie Ihr Verkaufsrecht von
lagen eingezahlt werden. Bezugsrechten wahrnehmen?
238 Rechtliche Grundlagen

Die Übertragbarkeit gestaltet sich bei Ge- 10. Mai 20..


schäftsanteilen an einer GmbH schwieriger Neueintragungen
als bei Aktien: Die Geschäftsanteile werden HRB 58511 KaDe Stores GmbH
Hamburg (Kimbernstieg 33). Ges.-Vertr. v. 7. Okt. 20.. ...
nicht an der Börse gehandelt; sie sind jedoch Gegenstand des Unternehmens: der Groß- und Einzel-
vererblich und veräußerlich, eine Veräuße- handel mit erlaubnisfreien Waren aller Art. Stammkapi-
rung muss notariell beurkundet werden. Wie tal: 25000,- EUR. Die Gesellschaft hat einen oder mehre-
die AG ist auch die GmbH in das Handelsre- re Geschäftsführer bestellt. Sind mehrere Geschäftsführer
bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäfts-
gister einzutragen. führer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer
zusammen mit einem Prokuristen vertreten. Geschäfts-
3.3.2.1 Die Organe der GmbH führer: Detlef Friedrichs, Kfm., Hamburg. Er vertritt
allein.
Auch die GmbH handelt durch drei Organe: Nicht eingetr.: Bekanntmachungen der Gesellschaft
erfolgen im Amtlichen Anzeiger, Teil II des Hamburgi-
• den/die Geschäftsführer schen Gesetz- und Verordnungsblattes.
• den Aufsichtsrat Abb. 16: Neueintragungen
• die Gesellschafterversammlung.
Wie dem Vorstand einer AG obliegt dem/den Aufgaben
Geschäftsführer(n) die Leitung der GmbH
und die Vertretung nach außen. Sie ist meist 5. a) Nach welchem Gesetz richtet sich die
in einem Geschäftsführervertrag geregelt. Je Zusammensetzung des Aufsichtsrates
nach der Größe der Gesellschaft haben auch der DMW AG (kurze Begründung)?
GmbHs dieselben Pflichten zur Rechnungsle- b) Ist der Aufsichtsrat der DMW AG voll
gung wie Aktiengesellschaften, wofür die paritätisch besetzt?
Geschäftsführung verantwortlich ist (siehe c) Begründen Sie, warum Belegschaftsak-
Abb. 16). tion zu befürworten sind! Ziehen Sie
Das GmbH-Gesetz sieht den Aufsichtsrat Abb. 13 zu Ihren Überlegungen hinzu.
nicht als zwingendes Organ vor. Eine Pflicht 6. a) Wo ist die GmbH gesetzlich geregelt?
zur Bestellung eines Aufsichtsrates besteht
jedoch nach dem Betriebsverfassungsgesetz b) Wie viele Personen sind zur Gründung
von 1952 für Gesellschaften mit mehr als 500 einer GmbH mindestens erforderlich?
Arbeitnehmern. Für die Besetzung des Auf- c) Welcher Form bedarf der Gesell-
sichtsrates gilt das bei der Beschreibung des schaftsvertrag?
Aufsichtsrates Ausgeführte entsprechend. d) Wie wird das Kapital bezeichnet, das
Die Gesellschafterversammlung hat mehr bei einer GmbH dem Grundkapital ei-
Rechte als die Hauptversammlung einer AG. ner AG entspricht?
Wenn die Geschäftsführer nicht bereits durch e) Wie hoch muss dieses Kapital mindes-
den Gesellschaftsvertrag berufen worden tens sein?
sind, werden sie von der Gesellschafterver-
sammlung berufen und auch abberufen. Die f) Welchen Betrag muss die Einlage eines
Gesellschafterversammlung (siehe Abb. 18) Gesellschafters mindestens erreichen?
stellt den Jahresabschluss fest, sie fasst Be- g) Können die Stammeinlagen der ver-
schlüsse über die Gewinnverwendung, über schiedenen Gesellschafter unter-
Satzungsänderungen und überwacht die Ge- schiedlich groß sein?
schäftsführung. h) Welche Organe hat jede GmbH
i) Wann muss eine GmbH einen Auf-
sichtsrat haben?
3. Gesellschaftsrecht 239

Einberufen wird die Gesellschafterversamm- Kommanditgesellschaft


lung von den Geschäftsführern. Die Anzahl Jani Gasttransport GmbH & Co. KG
der Stimmen eines Gesellschafters richtet sich GmbH & Co.
nach der Größe seines Geschäftsanteils, jede Teilhaber
50 EUR gewähren eine Stimme. Klaus Jani Klaus Jani
Peter Jani Peter Jani
Gesellschaft als Kom- Gesellschafter als
3.3.2.2 Die GmbH in der Praxis plementär Kommanditist
Die GmbH ist insbesondere bei Unternehmen
Abb. 17: Die typische GmbH & Co. KG
von mittlerer Größe eine verbreitete Gesell-
schaftsform. Es gibt annähernd 150-mal so 7. a) Wie alle Gesellschaften ist die GmbH
viele GmbHs wie AGs, wobei das Kapital auch gesetzlich geregelt. Überlegen
insgesamt in einem Verhältnis von ungefähr Sie bitte, in welchem Gesetz Bestim-
1,3 zu 1 steht. Die Anzahl von GmbHs ist mungen über diese Kapitalgesellschaft
nach der deutschen Wiedervereinigung des- zu finden sind!
halb gestiegen, weil die ehemaligen volksei- b) Warum bedarf der Gesellschaftsvertrag
genen Betriebe in der Regel in GmbHs um- einer GmbH einer notariellen Form?
gewandelt wurden.
c) Versuchen Sie bitte, eine veröffentlich-
Die GmbH ist vor allem auch für Einzelun- te Bilanz einer GmbH einzusehen! Wie
ternehmer, die ein gewisses Kapital aufbrin- heißt hiernach das von den Gesellschaf-
gen können, jedoch nur beschränkt haften tern eingebrachte Eigenkapital? Versu-
wollen, interessant. So sind fast ein Drittel chen Sie auch, eine Bilanz einer AG zu
aller GmbHs so genannte Einmann-GmbHs. bekommen! Wie setzt sich bei ihr das
Ähnlich wie bei offenen Handelsgesellschaf- Eigenkapital zusammen?
ten ist deshalb oftmals der Gesellschafter
d) Die Fritz Altmann GmbH ist einer von
zugleich auch Geschäftsführer, jedoch haftet
mehreren Verwertungsbetrieben, der
er nicht persönlich, sondern es wird lediglich
im Auftrag der DMW AG die Be-
mit dem Gesellschaftsvermögen gehaftet. Aus
standteile außer Betrieb genommener
diesem Grund besteht jedoch eine geringere
Fahrzeuge zerlegt und stofflich ver-
Kreditwürdigkeit von GmbHs im Vergleich
wertet. Die Stammeinlage des Gesell-
zu offenen Handelsgesellschaften.
schafters Thomas Altmann, einem
Bei einem Vergleich zwischen AG und Sohn des Gründers, beträgt 70 000,-
GmbH fällt auf, dass die Gründung einer EUR. Das Stammkapital der Gesell-
GmbH wesentlich leichter ist und weniger schaft beläuft sich auf 120 000,- EUR.
Kapital benötigt wird, zudem haben die Ge- Wie viele Stimmen gibt es bei der Ge-
sellschafter einen größeren Einfluss auf die sellschafterversammlung, und wie vie-
Gesellschaftspolitik. Diese Gründe und die le Stimmen hat Thomas Altmann?
Tatsache der erschwerten Übertragbarkeit der
e) Wie schon erwähnt: Im Gegensatz zu
Geschäftsanteile haben dazu geführt, dass die
Aktiengesellschaften gibt es viele Ge-
GmbH eine beliebte Rechtsform für Famili-
sellschaften mit beschränkter Haftung,
engesellschaften geworden ist.
die in Verbindung mit Kommanditge-
sellschaften eine Einheit bilden, näm-
lich die GmbH & Co. KG. Die Kon-
struktion der typischen Gesellschaft ist
in Abb. 17 gekennzeichnet. Was fällt
Ihnen hierbei auf? Im Gegensatz dazu
steht die atypische Gesellschaft. Wie
könnte sie aussehen?
240 Rechtliche Grundlagen

3.3.3 Die Kommanditgesellschaft Beispiel:


auf Aktien (KGaA) Einberufung einer ordentlichen Gesellschaf-
Die KgaG ist im Aktiengesetz definiert als terversammlung der Jonas Kienzle Maschi-
eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersön- nenbau GmbH, einem Unternehmen, von dem
lichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter die DMW AG Fertigungsanlagen bezogen hat.
unbeschränkt haftet und die übrigen Gesell- Einschreiben
schafter an dem in Aktien zerlegten Grundka-
An die Gesellschafter der
pital beteiligt sind, ohne persönlich für die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften Jonas Kienzle GmbH
(die sog. Kommanditaktionäre).
Die unterzeichnenden Geschäftsführer
Dementsprechend bildet die KGaA eine der Jonas Kienzle GmbH laden Sie hier-
Mischform zwischen KG und AG, die als mit zu einer ordentlichen Gesellschaf-
terversammlung für Montag den 9. Mai
juristische Person zu den Kapitalgesellschaf- 20.., um 10:00 Uhr, in die Geschäfts-
ten gehört. Die KGaA ist im Aktiengesetz räume der Gesellschaft ein.
geregelt, allerdings finden die Vorschriften
über die KG Anwendung, so weit es um das Tagesordnung:
Verhältnis der persönlich haftenden Gesell- 1. Feststellung des Jahresabschlusses
schafter untereinander, gegenüber den Kom- zum 31. Dezember 20... Eine Abschrift
manditaktionären und gegenüber Dritten geht. des Jahresabschlusses ist beigefügt.
Im Übrigen werden die Regelungen des Akti-
2. Gewinnverwendung
engesetzes entsprechend angewendet. Die
Gründung bestimmt sich nach den Regelun- Die Geschäftsführung schlägt vor, den
gen für die AG, wobei zu den Gründern alle Bilanzgewinn in Höhe von 738 650,- EUR
persönlich haftenden Gesellschafter gehören zu einem Teilbetrag von 300 000,- EUR
an die Gesellschafter auszuschütten,
müssen. Die persönlich haftenden Gesell- zu einem Teilbetrag von 300 000,- EUR
schafter bilden den Vorstand der KGaA. An- in die freien Rücklagen einzustellen
ders als bei der AG können sie nicht abberu- und zu einem Teilbetrag von 138 650,-
EUR auf neue Rechnung vorzutragen.
fen werden. Einerseits haben die persönlich
haftenden Gesellschafter ein besonderes Inte- 3. Entlastung der Geschäftsführer
resse an dem Erfolg des Unternehmens, ande-
rerseits ist das Schicksal mit der Fähigkeit der Münster, den 7. April 20..
persönlich haftenden Gesellschafter, denen Hubert Kienzle Rita Weitermann
die Leitung obliegt, verbunden. Die KGaA
hat nur eine geringe Bedeutung im Wirt- Abb. 18: Einladung zur Gesellschafter-
schaftsleben. versammlung
3. Gesellschaftsrecht 241

3.3.4 Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG)

Ein VvaG ist ein Privatversicherungsunter-


nehmen in der Form eines rechtsfähigen Ver-
eins. Die Mitglieder sind gleichzeitig Versi-
cherer und Versicherungsnehmer.
Geregelt ist der VVaG im sog. Versiche-
rungsaufsichtsgesetz (VAG), ergänzend
finden die Regelungen des Aktiengesetzes
Anwendung. Entsprechend hat ein VVaG
folgende Organe: Vorstand, Aufsichtsrat
und – ähnlich einer Hauptversammlung – die
oberste Vertretung. Die Verbreitung von Abb. 19: Der Versicherungsverein auf
VVaGs ist verhältnismäßig groß, sie haben Gegenseitigkeit
einen Marktanteil an Prämien von etwa gut
einem Viertel. Beispiel
Anja Riemann hat im August 20.. eine Aus-
3.3.5 Besondere bildung bei der DMW AG zur Industriekauf-
Gesellschaftsformen frau begonnen. Zurzeit wohnt sie noch bei
ihren Eltern, etwa 60 km entfernt. Da die
3.3.5.1 Die Genossenschaft Verkehrsverbindung nicht besonders gut ist,
möchte Anja Riemann sich eine kleine Woh-
Der Begriff der – eingetragenen – Genossen-
nung in Hannover suchen. Angesichts ihres
schaft ist in §1 des Gesetzes betreffend die
beschränkten Einkommens ist es nicht leicht,
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
eine für sie finanzierbare Wohnung zu finden.
(GenG) definiert.
Sie erfährt, dass es die „Wohnungsbaugenos-
Danach sind Genossenschaften Gesellschaf-
senschaft Hannover eG von 1952“ gibt. Ge-
ten von nicht geschlossener Mitgliederzahl,
genstand dieser Wohnungsbaugenossenschaft
welche die Förderung des Erwerbes oder der
ist nach der Satzung die Errichtung von Woh-
Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemein-
nungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern als
schaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken.
Bauherr zur nutzungsweisen Überlassung an
Eine eingetragene Genossenschaft ist zwar Mitglieder sowie die Betreuung und Verwal-
eine juristische Person, aber keine Kapitalge- tung eigener und fremder Wohnungen. Frau
sellschaft, sondern ein wirtschaftlicher Ver- Riemann bringt in Erfahrung, dass sie durch
ein. Genossenschaften gelten als Kaufleute im den Erwerb von Genossenschaftsanteilen für
Sinne des HGB. mindestens 1 200,- EUR Mitglied der Woh-
Anders als die Handelsgesellschaften betreibt nungsbaugenossenschaft wird und so zu güns-
eine Genossenschaft selbst kein eigenständi- tigen Bedingungen in Kürze eine Wohnung
ges Handelsgewerbe zur Gewinnerzielung, bekommen kann. Die Überlassung einer Woh-
sondern Zweck ist die wirtschaftliche Förde- nung führt zu einem Nutzungsrecht des Mit-
rung und Unterstützung der Geschäftsbetriebe glieds.
ihrer Mitglieder, den Genossen. So gibt es
beispielsweise Einkaufsgenossenschaften von
Landwirten, die auf diese Weise die Vorzüge
von Großbestellungen nutzen können.
242 Rechtliche Grundlagen

Zur Gründung sind mindestens sieben Genos- Alle gemeinnützig anerkannten Wohnungs-
sen erforderlich, die schriftlich ein Statut baugenossenschaften sind verpflichtet, Nut-
(Satzung) festlegen müssen. Sodann werden zungsverträge nur nach dem vorgeschriebe-
der Vorstand und der Aufsichtsrat gewählt. nen Mustervertrag abzuschließen. Nachdem
Die Genossenschaft ist in das Genossen- Frau Riemann die verlangten Mietzinse ande-
schaftsregister, das beim Handelsregisterge- rer Wohnungen verglichen hat mit dem Nut-
richt geführt wird, einzutragen. zungsentgelt, das die Wohnungsbaugenossen-
Die Haftung der Genossen ist in der Satzung zu schaft fordert, stellt sie fest, dass sie über die
bestimmen. Möglich ist, dass nur die Genos- Genossenschaft zu besseren Konditionen eine
senschaft mit ihrem Vermögen haftet, die ein- Wohnung bekommen kann.
zelnen Genossen aber keine Nachschusspflicht Aufgabe
trifft. In diesem Fall haften sie also lediglich mit
8. a) Es kommt vor, dass die Gläubiger
ihrem Geschäftsanteil. Es kann aber auch be-
eines verschuldeten Unternehmens die-
stimmt werden, dass die Genossen bis zu einer
ses durch weitere Kapitalzufuhr zu
bestimmten Summe oder sogar in unbe-
sanieren versuchen, um sich selbst
schränkter Höhe Nachschüsse leisten müssen.
größere Verluste zu ersparen. Dies ist
Die Nachschusspflicht besteht nur gegenüber
insbesondere dann zweckmäßig, wenn
der Genossenschaft, die Gläubiger können die
sich das Unternehmen in einer vorü-
Genossen nicht selbst unmittelbar in Anspruch
bergehenden Krise befindet.
nehmen.
Weshalb wäre die Umwandlung des sa-
Genossenschaften gibt es in Deutschland
nierungsbedürftigen Unternehmens in
bereits seit fast 150 Jahren. Aufgrund der weit
eine GmbH & Co. KG möglicherweise
reichenden Vorteile für die Genossen gibt es
für die Gläubiger empfehlenswert?
etwa gut 7000 Genossenschaften. Das macht
deutlich, dass den Genossenschaften eine b) Die Spedition H. Brinker KG besteht
besondere, gesamtwirtschaftliche Bedeutung seit 70 Jahren als Familienunternehmen,
zukommt. bei welchem auch einige Kommanditis-
ten nicht zur Familie gehören, sondern
Eine besondere gesellschaftliche Aufgabe
nur aus wirtschaftlichen Gründen betei-
erfüllen Baugenossenschaften. Mit ihren
ligt sind. Der Komplementär Georg
Genossenschaftsanteilen wird es den Genos-
Brinker, ein Enkel des Gründers, ist ver-
sen ermöglicht, in die von der Genossenschaft
storben. Seine Kinder sind noch zu jung,
gebauten und betriebenen Wohnhäuser zu
um die Leitung des Unternehmens zu
ziehen, d.h. eine Mietwohnung zu bekommen.
übernehmen, seine verwitwete Ehefrau
traut sich diese Aufgabe nicht zu. Den-
3.3.5.2 Die GmbH & Co. KG
noch möchte die Familie Brinker keinen
Die GmbH & Co. KG ist eine kombinierte Außenstehenden, der fachlich und fi-
Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit nanziell dazu in der Lage wäre, zum
einer Personengesellschaft. Komplementär machen, weil ein Frem-
Es handelt sich bei dieser Unternehmensform der nicht die starke Stellung des persön-
um eine KG, deren persönlich haftender Ge- lich haftenden Gesellschafters einneh-
sellschafter eine GmbH ist. men soll.
Weshalb wäre die Umwandlung in ei-
ne GmbH & Co. KG vorteilhafter als
in eine GmbH?
3. Gesellschaftsrecht 243

Als KG ist die GmbH & Co. KG primär eine


Personengesellschaft, obwohl keine natürliche
Person unbeschränkt haften muss. Die Ge-
schäftsführung obliegt der Komplementär-
GmbH, die durch ihren Geschäftsführer han-
delt.
Ursprünglich waren vor allem steuerliche
Gesichtspunkte für die Gründung von GmbH
& Co. KGs maßgebend. Nach der Änderung
von Steuergesetzen ist dies bereits seit Mitte
der siebziger Jahre kein bestimmendes Krite-
rium mehr. Die Kombination dieser beiden
Rechtsformen führt zu einer breiten Gestal-
tungsvielfalt hinsichtlich der Rechtsbeziehun-
gen. So sind heutzutage wohl gesellschafts-
rechtliche Gründe entscheidend für die Bil-
dung von GmbH & Co. KGs. Ein Vorteil ist
die Haftungsbeschränkung (siehe Abb. 20),
denn die persönlich haftende GmbH haftet
nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Ein
weiterer Vorteil ist die erleichterte Möglich-
keit der Kapitalbeschaffung. Durch Auf-
nahme weiterer Kommanditisten kann das
Eigenkapital auf einfachere Weise als bei
einer GmbH erhöht werden. Eine Umwand-
lung einer KG in eine GmbH & Co. KG bietet Abb. 20: Die Vorteile einer GmbH & Co.
sich auch an, wenn sich bei einem länger KG
bestehenden Familienunternehmen kein ge-
eigneter Nachfolger für den einzig persönlich
haftenden Gesellschafter findet. An dessen
Stelle tritt dann die GmbH, die von einem
fähigen Außenstehenden geleitet werden
Ergänzung zur GmbH & Co. KG
kann, dennoch behält die Familie ihre Gesell-
schafterstellung. Als Nachteil aus Sicht der Die Besonderheit einer solchen Gesellschaft
Gesellschafter ist der größere Verwaltungs- ist auch in der Art der GmbH zu sehen. Han-
aufwand einer GmbH & Co. KG zu nennen. delt es sich um eine Ein-Mann-GmbH und ist
Es bestehen zwei Gesellschaften mit eigener der Geschäftsführer zugleich Eigentümer, so
Satzung, eigenen Organen sowie eigenen bestimmt dieser auch die KG allein, was ihm
Bilanzierungspflichten. Dieser Nachteil spielt viel Macht verleiht. Handelt es sich um eine
meist in Anbetracht der gewährten Vorteile Mehrpersonen-GmbH, sind Entscheidungen
jedoch nur eine untergeordnete Rolle. für die KG sicher schwieriger zu fällen.
244 Rechtliche Grundlagen

GbR oHG KG AG GmbH


Geschäfts- Gesamt- Jeder Gesellschaf- Jeder Komplemen- Vorstand; gemein- Der/die Geschäfts-
führung, geschäftsführung, ter allein, die tär allein, Wider- schaftlich, falls führer gemein-
Kontrollrechte kann im Gesell- übrigen haben ein spruchsrecht der mehrere Personen schaftlich, falls
schaftsvertrag Widerspruchsrecht, übrigen Komple- im Vorstand sind. mehrere Personen
einem oder mehre- bei ungewöhnli- mentäre. Bei Die Satzung kann Geschäftsführer
ren Gesellschaftern chen Geschäften ungewöhnlichen dies abweichend sind, dies kann
übertragen werden ist ein Beschluss Geschäften müs- regeln; Kontroll- abweichend gere-
aller Gesellschafter sen Kommanditis- rechte des Auf- gelt werden;
erforderlich, an- ten zustimmen, sichtsrates Kontrollrechte der
derweitige Rege- Kommanditisten Gesellschafts-
lungen möglich haben Überwa- versammlung
chungsrechte,
anderweitige
Regelungen
möglich
Haftung Es haften die Die Gesellschaft Die Gesellschaft Die AG haftet als Die GmbH haftet
Gesellschafter mit haftet mit dem haftet mit dem juristische Person als juristische
dem Gesell- Gesellschafts- Gesellschaftsverm selbst Person selbst
schaftsvermögen vermögen, ögen, daneben
und dem jeweiligen daneben haften die haften die Kom-
Privatvermögen, Gesellschafter mit plementäre mit
außerdem die ihrem Privat- ihrem Privatvermö-
Gesellschaft selbst vermögen gen, nach Eintra-
mit dem Gesell- gung in das Han-
schaftsvermögen delsregister haften
die Kommanditis-
ten nur mit (in
Höhe) ihrer Einla-
gen
Vermögen Das Gesellschafts- Das Gesellschafts- Das Gesellschafts- Die AG ist als Die GmbH ist als
vermögen steht vermögen steht vermögen steht juristische Person juristische Person
den Gesellschaf- den Gesellschaf- allen Gesellschaf- selbst Vermögens- selbst Vermögens-
tern zur gesamten tern zur gesamten tern – auch den träger träger
Hand (gemeinsam) Hand zu Kommanditisten –
zu, Rechtsträger ist zur gesamten
die Gesamtheit der Hand zu
Gesellschafter

Abb. 21: Übersicht über die verschiedenen Gesellschaftsformen

Von einer Publikums- oder Kapitalanlage- Beispiel:


gesellschaft spricht man bei einer GmbH &
Die DMW AG bucht häufiger Teilnehmer-
Co. KG, für deren Kommanditbeteiligung
plätze bei Rhetorik- und Kommunikationsse-
öffentlich, beispielsweise in Zeitungen, Pros- minaren, die Sarah Fels und Tilman Möller
pekten oder über Anlageberater, geworben veranstalten. Die beiden haben bislang eine
wird. Gesellschaft bürgerlichen Rechts gebildet,
Bei derartigen Publikumsgesellschaften han- ihren Geschäftsumfang aber stetig erweitert
delt es sich oftmals um sog. Abschreibungs- und damit auch den Kapitalbedarf. So müssen
gesellschaften, bei denen den Kommanditis- sie zwei feste Mitarbeiter einstellen, hochwer-
ten Verluste zugewiesen werden, um so die zu tige Computer anschaffen und repräsentative
versteuernden anderweitigen Einkünfte zu Räumlichkeiten anmieten. Sie haben sich
vermindern. deshalb entschlossen, selbst eine GmbH zu
gründen und diese dann als persönlich haften-
den Gesellschafter bei einer GmbH & Co. KG
einzusetzen.
3. Gesellschaftsrecht 245

Kennzeichnend ist, dass die Herrschaftsmacht Sie beabsichtigen, Kunden als Kapitalgeber
den Gründern, die die Anteile an der Kom- zu gewinne und verschicken deshalb ein ent-
plementär-GmbH besitzen, obliegt. Die Kom- sprechendes Rundschreiben. Die DMW AG
manditisten sind an der Ausgestaltung des ist zwar nicht interessiert, eine solche Kapi-
Gesellschaftsvertrages nicht beteiligt, sondern talbeteiligung passt nicht in ihr Konzept, aber
werden im Wege des Beitritts Mitglied der einige der anderen Kunden beteiligen sich
Gesellschaft. gern an dem expandierenden Unternehmen.

3.4. Unternehmenszusammenschlüsse

In der Wirtschaft lässt sich eine zunehmende


Konzentration der Unternehmen beobachten.
Große Unternehmen kaufen kleinere Konkur-
renten auf und gliedern sie in ihr Unterneh-
men ein, oder es findet eine Kooperation
zwischen Unternehmen statt.
Ebenso ist feststellbar, dass sich konzentrierte
Unternehmen trennen, weil die Einzelunter-
nehmen nicht synchronisiert werden könnten
(vergl. S 247: Zeitungsnotiz).
Die Formen der Unternehmenszusammen-
schlüsse reichen von verhältnismäßig locke-
ren Bedingungen, bei denen die einzelnen
Unternehmen ihre rechtliche und wirtschaftli-
che Selbstständigkeit behalten, bis zur Ver-
schmelzung der Unternehmen zu einer einzi-
gen Gesellschaft, bei der die einzelnen Unter- Abb. 22: Konzentrationsformen
nehmen ihre rechtliche und wirtschaftliche
Selbstständigkeit aufgeben.
Aufgabe
3.4.1 Die verschiedenen Formen 9. a) Nachfolgend sind stichwortartig eini-
von Unternehmens- ge Vorteile von Unternehmenszusam-
zusammenschlüssen menschlüssen genannt. Bitte schil-
dern Sie jeweils kurz, wieso Unter-
3.4.1.1 Konsortium nehmenszusammenschlüsse für die
Unternehmen zu diesen Vorteilen
Ein Konsortium ist eine Gesellschaft bürger- führen!
lichen Rechts, die nur vorübergehend zur
Vornahme bestimmter Aufgaben gebildet • Steigerung der Wirtschaftlich-
wird. keit
• Verbesserung der
Wettbewerbsstellung
• Risikostreuung, Risikoverringe-
rung
• Stärkung der Finanzkraft
246 Rechtliche Grundlagen

Die Unternehmen, die Mitglieder des Konsor- b) Auch volkswirtschaftlich betrachtet


tiums sind, bleiben völlig selbstständig. Be- haben Großunternehmen, denen oft-
kannt sind insbesondere Bankkonsortien, mals wirtschaftliche und auch politi-
beispielsweise in der Form eines Kreditkon- sche Macht zukommt, Vorteile.
sortiums, bei welchen mehrere Banken ge- Meist sind nur größere Unternehmen
meinsam einen Kredit gewähren. in der Lage, intensiv Forschung und
Entwicklung zu betreiben, was für
3.4.1.2 Kartell den gesamten Inlandsmarkt – z. B.
Kartelle sind Zusammenschlüsse von gleich- auch aufgrund entsprechender Fol-
artigen Unternehmen (siehe horizontale Kon- geaufträge – von Bedeutung sein
zentration), die die Verringerung oder Aus- kann und auch zur Sicherung von
schaltung des Wettbewerbs bezwecken. Die Arbeitsplätzen führt. Großunterneh-
einzelnen Unternehmen behalten ihre rechtli- men tragen erheblich zur Steigerung
che Selbstständigkeit, gehen aber in wirt- des Bruttosozialproduktes und damit
schaftlicher Hinsicht Bindungen ein. zum Lebensstandard der Einzelnen
bei. Gesamtwirtschaftlich gesehen
Nach §1 des Gesetzes über Wettbewerbsbe- führt die stetige Bildung größerer
schränkungen (GWB) sind Kartellverträge, Unternehmen jedoch nicht nur zu
die geeignet sind, die Erzeugung oder die Vorteilen. Erklären Sie, weshalb!
Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren
oder gewerblichen Leistungen durch Be- Beispiel:
schränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen, Die DMW AG hat selbst schon unter den
unwirksam, also verboten. Untersagt sind Auswirkungen von Unternehmenszusammen-
beispielsweise Preiskartelle, wie etwa Ab- schlüssen anderer Unternehmen zu leiden
sprachen zwischen Mineralölgesellschaften gehabt. Als im Vergleich zu anderen deut-
hinsichtlich des Benzinpreises. Die nachfol- schen Autoproduzenten verhältnismäßig klei-
genden Regelungen des GWB zählen einige nes Unternehmen hat die DMW AG je nach
erlaubte Kartelle auf, die entweder nur an- der Konjunkturlage Wettbewerbsnachteile bei
meldepflichtig oder aber genehmigungs- Verhandlungen mit Zulieferern in Kauf zu
pflichtig sind. Ein Beispiel für ein anmelde- nehmen. Ist die Nachfrage aufgrund der guten
pflichtiges Kartell ist ein Konditionenkar- konjunkturellen Entwicklung hoch, hat die
tell. Dabei geht es um Vereinbarungen über DMW AG schon die Nachfragemacht großer,
die einheitliche Anwendung von allgemeinen zusammengeschlossener Unternehmen spüren
Geschäfts-, Lieferungs- und Zahlungsbedin- müssen. So scheiterten einige Anfragen bei
gungen, wobei sich die Regelungen nicht auf bestimmten Zulieferern bereits daran, dass
Preise oder Preisbestandteile beziehen dürfen. diese – wenn auch nicht ausdrücklich, so doch
Ein genehmigungspflichtiges Kartell ist etwa indirekt – zu verstehen gaben, keine Ge-
ein Syndikat, bei welchem zwecks Rationali- schäftsbeziehungen mit der DMW AG führen
sierung gemeinsame Beschaffungs- oder zu können, da sie an einen bestimmten ande-
Vertriebseinrichtungen gebildet werden. ren Autohersteller gebunden seien.
3. Gesellschaftsrecht 247

3.4.1.3 Interessengemeinschaft Auch preislich haben sich teilweise Nachteile


Ähnlich wie bei einem Kartell bleiben die ergeben. Aufgrund ihrer hohen Nachfrage-
Unternehmen auch bei einer Interessenge- macht können Großunternehmen manchmal
meinschaft rechtlich selbstständig, verpflich- Preisnachlässe in beträchtlicher Höhe erzwin-
ten sich aber zivilrechtlich zu wirtschaftlichen gen, die anderen, kleineren Nachfragern nicht
Bindungen. gewährt werden. Dies führt in weiterer Kon-
sequenz dazu, dass die großen Autohersteller
Diese Bindungen sind meist enger als bei einem günstiger produzieren konnten und somit eher
Kartell, wobei es in der Regel aber nicht um in der Lage waren, den Kunden Preisnachläs-
Wettbewerbsbeschränkungen geht, sondern se zu gewähren, falls der Absatzmarkt dies
um die Durchführung gemeinsamer Projekte erforderte. Bei einer guten konjunkturellen
zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Meist Lage mit einer hohen Nachfrage auch seitens
wird bei einer Interessengemeinschaft ein Ge- der Kunden kann sich die Macht größerer
winnpool gebildet, wobei die Verteilung des Unternehmen aber auch gegenüber den
gemeinsam erwirtschafteten Gewinns nach Verbrauchern nachteilig auswirken, weil die
einem bestimmten Schlüssel erfolgt. Unternehmen dann überhöhte Preise für ihre
Produkte fordern können.
3.4.1.4 Konzern
vollkommen rechtlich und - Konsortium
Die zu einem Konzern zusammengeschlos- wirtschaftlich selbst-
ständig, nur vorüber-
senen Unternehmen bleiben rechtlich selbst- gehende Bindungen
zunehmende Abhängigkeit

ständig, verlieren jedoch ihre wirtschaftliche


Selbstständigkeit, da sie unter einheitlicher rechtlich selbstständig, - Kartell
Leitung stehen. wirtschaftliche - Interessen-
Bindungen gemeinschaft
Besonders häufig sind Aktiengesellschaften
Konzernunternehmen, da Beteiligungen auf rechtlich selbstständig, - Konzern
wirtschaftlich unselbst-
einfache Art und Weise über den Kauf von ständig, da einheitliche
Aktien realisiert werden können. Aus diesem Leitung

Grund befinden sich einige Regelungen zum rechtlich und wirtschaftlich - Trust
Konzernrecht im Aktiengesetz. unselbstständig

Am häufigsten kommt der Konzern in der


Abb. 23 a: Unterscheidung der Zusam-
Form des Unterordnungskonzerns, mit einer
menschlüsse nach dem Grad
Mutter- und vielen Tochtergesellschaften,
der rechtlichen und wirtschaft-
vor. Bei einem Gleichordnungskonzern
lichen Selbstständigkeit.
stehen die Unternehmen ohne ein Abhängig-
keitsverhältnis nebeneinander, aber dennoch Die Krise der Airbus-Industrien durch den A 380
unter einheitlicher Leitung. (Lieferschwierigkeiten der Zulieferer für Airbustei-
Eine Holdinggesellschaft hält als Dachge- le) wird folgenschwer sein. Die Hauptwerke in
sellschaft eines Konzerns die Geschäftsanteile Toulouse und Hamburg stehen vor großen Verän-
oder Aktien der Konzernunternehmen, um derungen. Hamburg wird von 7 Standorten belie-
fert. Es gibt Berichte, wonach sich Airbus von
diese zu kontrollieren und möglicherweise zu
mehreren Betrieben trennen wird, damit diese in
leiten. Die Anteilseigner der zum Konzern Eigenverantwortung ihre Produktion bestimmen
gehörenden Unternehmen übertragen ihre und die Belieferung der Hauptwerke eigenständig
Anteile auf die Holding, wofür sie wiederum sicherstellen. Mehr Wettbewerb soll zu besserer
Anteile an der Holdinggesellschaft erhalten. Versorgung führen.
Abb. 23 b: Ein Konzern in der Krise (Ok-
tober 2006)
248 Rechtliche Grundlagen

3.4.1.5 Trust München – MAN geht im Übernahmepoker


Bei einem Trust verschmelzen mehrere Un- um Scania in die Offensive. Das Unterneh-
ternehmen zu einem neuen Unternehmen, men setzt den schwedischen LKW-Bauer
oder ein Unternehmen geht vollständig in durch Aufstockung seines Anteils unter
einem anderen Unternehmen auf. Druck. Die Münchner halten nun 14,27 Pro-
zent der Stimmrechte und 11,48 Prozent des
Dieser Vorgang wird auch als Fusion be- Scania-Kapitals, hieß es.
zeichnet. Hierbei handelt es sich um die wei-
testgehende Form eines Unternehmenszu- Zugleich erhöhte MAN den Angebotspreis.
sammenschlusses, das Unternehmen verliert Scania und der zweitgrößte Investor AB rea-
sowohl seine wirtschaftliche als auch seine gierten mit scharfer Ablehnung. Scania-
rechtliche Selbstständigkeit. Hauptaktionär VW äußerte sich dagegen nicht
und kündigte eine Sondersitzung des Aufsicht-
3.4.2 Unterscheidung der rates an, die offenbar für Sonntag geplant ist.
Zusammenschlüsse nach Abb. 25 a: Horizontale Verflechtung (HH
der Wirtschaftsstufe Abendblatt, 9.10.2006)

Unternehmenszusammenschlüsse können
auch nach der Wirtschaftsstufe unterschieden
werden: Bei der horizontalen Konzentration
vereinigen sich Unternehmen der gleichen
Produktions- oder Handelsstufe, wie etwa der
Zusammenschluss mehrerer Warenhäuser
oder Kosmetikhersteller. Zusammenschlüsse
auf vertikaler Ebene liegen vor, wenn sich
Unternehmen, die in aufeinander folgenden
Produktions- oder Handelsstufen tätig sind,
zusammenschließen. Von einer diagonalen
Konzentration spricht man (siehe Abb. 24),
wenn sich Unternehmen unterschiedlicher
Branchen zusammenschließen.

Abb. 24: Unternehmenszusammenschlüs- Abb. 25 b: Darstellung des Gothaer Kon-


se, unterschieden nach der Wirt- zerns um 1990
schaftsstufe
Teil 2: Der Kaufmann 249

Teil 2: Der Kaufmann


„Kaufmann“ ist ein Begriff des Handels-
rechts. Die Ausbildungsberufe Industrie-,
Bankkaufmann/frau etc. haben nichts mit dem
juristischen Begriff Kaufmann zu tun. Grund-
sätzliche Voraussetzung für einen Kaufmann
ist das Betreiben eines Gewerbes.
Unter Gewerbe ist jede selbstständige Tätig-
keit, die auf eine gewisse Dauer angelegt und
auf Gewinnerzielung gerichtet ist, zu verste-
hen.
Hierunter fallen jedoch nicht die sog. freien
Berufe, wie etwa Arzt oder Anwalt, und auch
nicht die Urproduktion (u. a. Land- und
Forstwirtschaft, Bergbau, Tierzucht).
Die früher vorgenommene Unterscheidung Abb. 1: Entstehen der Kaufmannseigen-
zwischen Voll- und Minderkaufleuten wurde schaft
mit der Reform des Handelsgesetzbuches
(HGB) 1998 aufgegeben. Das HGB unter-
scheidet heute zwischen folgenden Kauf-
Aufgabe
mannsbegriffen: 1. a) Wie definiert das Handelsgesetzbuch
den Begriff der Firma? Nennen Sie
Istkaufmann
Beispiele, wie Einzelkaufleute zeich-
Nach § l Abs. l HGB ist Kaufmann, wer ein nen dürfen.
Handelgewerbe betreibt. Nach § l Abs. 2
b) Welche Sanktionen drohen einem
HOB ist ohne Rücksicht auf die Branche
Istkaufmann, der sich nicht in das
jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe, es
Handelsregister eintragen lässt?
sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder
Umfang einen in kaufmännischer Weise ein- c) Wirkt die Eintragung in das Handels-
gerichteten Gewerbebetrieb nicht erfordert register bei einem. Kannkaufmann
(Kleingewerbe). konstitutiv oder deklaratorisch?
Kannkaufmann d) Der Metzgermeister Rüdiger Schmitz
beschäftigt einen Gesellen und einen
Nach § 2 HGB gilt jedes im Handelsregister
Lehrling. Die Metzgerei hat einen
eingetragene gewerbliche Unternehmen als
Jahresumsatz von 250.000 EUR und
Handelsgewerbe, selbst wenn es „nicht schon
wird nur von einem Lieferanten ver-
nach § l Abs. 2 Handelsgewerbe ist“, d.h. auch
sorgt. Die Abrechnung mit diesem
dann, wenn es sich um ein Kleingewerbe han-
erfolgt teils durch Barzahlung teils
delt, das nach Art und Umfang einen kaufmän-
durch Banküberweisung. Rüdiger
nischen Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
Schmitz übernimmt für Kreditschul-
den seines Bekannten Horst Meyer
eine Bürgschaft gegenüber der D-
Bank.
250 Rechtliche Grundlagen

Dies trifft z.B. auf Trödler oder kleine Hand- Nach einigen Monaten nimmt die D-
werksbetriebe zu. Unter kaufmännischer Bank Rüdiger Schmitz in Anspruch.
Einrichtung in diesem Sinne ist insbesondere Dieser wendet ein, die Bank müsse
kaufmännische Buchführung, Bilanzierung sich erst an Horst Meyer halten. Ist
und Organisation zu verstehen. Maßgebliche Rüdiger Schmitz Kaufmann und wel-
Kriterien für die Erforderlichkeit kaufmänni- che Bedeutung hätte dies für die Inan-
scher Einrichtungen sind für den Umfang spruchnahme aus der Bürgschaft?
beispielsweise Umsatz, Zahl der Beschäftig- e) Konrad Müller betreibt ein kleines
ten, Anlage- und Betriebskapital und für die Lebensmittelgeschäft und tritt nach
Art beispielsweise die Vielfalt des Geschäfts- außen als „Großhandel Müller“ auf.
gegenstandes, die Inanspruchnahme von Kre- Kann er sich darauf berufen, nicht ins
dit- oder Teilzahlungen und der Umfang der Handelsregister eingetragen zu sein?
Geschäftskorrespondenz.
h) Eine Initiative betroffener Familien
Kleingewerbe sind somit grundsätzlich nicht gründet eine Behindertentagesstätte.
kaufmännisch, sie können sich aber im Han- Betreut werden behinderte Familien-
delsregister eintragen lassen und erhalten mitglieder von Mitgliedern. Die Initi-
dadurch dann die Kaufmannseigenschaft. Sie ative will die Tagesstätte als GmbH &
werden als Kannkaufleute bezeichnet, da sie Co. KG führen und meldet sie zur Ein-
ein Wahlrecht haben, ob sie sich in das Han- tragung in das Handelsregister an.
delsregister eintragen lassen. Wird die GmbH & Co. KG eingetra-
Land- und Forstwirte gen werden (mit Begründung)?
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft wer- i) Der Baustoffhändler Reiner Ramcke
den nicht von § l und § 2 Handelsgesetzbuch hat an die V. Schröder KG, eine
erfasst, so dass sie kraft Gesetz keine Kauf- Bauuntemehmung, Baumaterial ge-
leute sind. Sie können sich jedoch in das liefert. Beide sind im Handelsregis-
Handelsregister eintragen lassen, wenn ihr ter eingetragen. Beim Einbau der
Unternehmen nach Art und Umfang einen in Materialien drei Monate später zeigt
kaufmännischer Weise eingerichteten Gewer- sich, dass die Baumaterialien schad-
bebetrieb erfordert ( § 3 HGB). Dies gilt auch haft sind, was auch erkennbar war.
für land- oder forstwirtschaftliche Nebenbe- Sind die Parteien Kaufleute, und
triebe, also wenn die Erzeugnisse vertrieben weshalb ist dies von Bedeutung?
werden, wie z.B. in Molkereien oder Säge-
werken. Landwirtschaftliche Tätigkeit setzt Beispiel:
voraus, dass der Grund und Boden in be- Geschäft unter Kaufleuten
stimmter Weise genutzt wird. So betreiben
Gärtnereien nur dann Landwirtschaft i.S.d. Die DMW AG und die Kern GmbH & Co.
§ 3 HGB, wenn der Betrieb auf Gewinnung KG haben konkrete Verhandlungen über den
und Züchtung von Pflanzen im Eigenanbau Kauf von Autoreifen geführt, die die Kern
gerichtet ist. Der bloße Vertrieb von gekauf- GmbH & Co. KG vertreibt. Der Einkäufer der
ten Pflanzen stellt keine Landwirtschaft dar. DMW AG, Herr Cremer, ist der Ansicht, dass
es zwischen ihnen zu einem Vertragsschluss
gekommen ist, und zwar dergestalt, dass die
DMW AG zunächst sechs Monate lang pro
Monat 5 000 Reifen 135 SR 13 abnimmt zu
einem Stückpreis von 34 EUR.
Teil 2: Der Kaufmann 251

Handelsgesellschaften Herr Cremer schickt der Kern GmbH & Co.


Handelsgesellschaften sind solche, die im KG ein Bestätigungsschreiben, in welchem er
Handelsregister eingetragen werden. Nach § 6 den seiner Meinung nach zustande gekomme-
Abs. l HGB sind die für die Kaufleute gelten- nen Vertrag in allen Einzelheiten schriftlich
den Vorschriften auf sie anwendbar. Auch festhält.
Gesellschaften, die ein Kleingewerbe betrei- Die Kern GmbH & Co. KG reagiert hierauf
ben, können sich eintragen lassen. nicht. Als die erste Lieferung nicht erfolgt,
Formkaufmann fragt Herr Cremer bei der Kern GmbH & Co.
KG nach. Diese teilt ihm mit, dass sie der
Nach § 6 Abs. 2 HGB gelten bestimmte Ge- Meinung sei, der vereinbarte Preis sollte nur
sellschaften auch dann als Handelsgesell- für eine Stückzahl von 6 000 Reifen pro Mo-
schaften, wenn sie kein Handelsgewerbe nat gelten. Da man sich über den Preis für 5
betreiben. Formkaufleute in diesem Sinne 000 Reifen nicht geeinigt habe, sei noch kein
sind die GmbH, die AG, die KGaA und die Vertrag geschlossen worden. Es ist unschäd-
Genossenschaft. § 6 Abs. 2 HGB stellt klar, lich, dass sich nicht mehr feststellen lässt, wer
dass diese auch dann Kaufleute sind, wenn recht hat, weil jedenfalls nach den Grundsät-
nach Art und Umfang kein kaufmännischer zen über das kaufmännische Bestätigungs-
Geschäftsbetrieb erforderlich ist oder wenn schreiben ein entsprechender Vertrag zwi-
sie überhaupt kein Gewerbe betreiben. Zu schen den Parteien zustande gekommen ist.
beachten ist, dass sich die Kaufmannseigen- Danach muss der Empfänger, der das Bestäti-
schaft jeweils auf die juristische Person als gungsschreiben widerspruchslos entgegen-
solche bezieht, nicht aber auf die Gesellschaf- nimmt, dessen Inhalt als richtig gegen sich
ter, den Vorstand oder die Geschäftsführer. gelten lassen. In diesem Fall gilt das Schwei-
Fiktivkaufmann gen als Zustimmung. Diese Regelung galt als
§ 5 HGB bestimmt, dass Gewerbetreibende, Handelsbrauch ursprünglich nur unter Kauf-
die im Handelsregister eingetragen sind, sich leuten, inzwischen findet diese gewohnheits-
nicht darauf berufen können, dass das unter rechtliche Verkehrssitte aber auch auf andere
der Firma betriebene Gewerbe kein Handels- Berufstätige Anwendung.
gewerbe sei. Der Anwendungsbereich dieser Handelsregister
Vorschrift ist allerdings gering, da ein Klein-
negative Publizität
gewerbetreibender, der behauptet kein Han- Ein Kaufmann, für den eine Tatsache im
delsgewerbe zu betreiben, bereits nach § 2 Handelsregister einzutragen war, aber nicht
eingetragen wurde, kann diese Tatsache
HGB Kaufmann ist. einem Dritten nur dann entgegenhalten, wenn
er beweist, dass der Dritte die einzutragende
Scheinkaufmann Tatsache kannte.
Wer im Rechtsverkehr als Kaufmann auftritt, positive Publizität
muss sich, soweit Treu und Glauben es erfor- Eine eingetragene Tatsache kann einem
dern, gegenüber Gutgläubigen an diesem Dritten entgegengehalten werden (außer bei
Rechtshandlungen, die innerhalb von 15
Rechtsschein festhalten lassen. Tagen nach der Bekanntmachung
vorgenommen werden, wenn der Dritte
beweist, dass er die Tatsache weder kannte
noch kennen musste.

Rechtsscheinhaftung
Ein Dritter kann sich auf eine unrichtig
eingetragene Tatsache demjenigen
gegenüber, für den sie einzutragen war,
berufen, es sei denn, er kannte die
Unrichtigkeit.

Abb. 2: Publizität des Handelsregisters


252 Rechtliche Grundlagen

Teil 3: Allgemeine Rechtsgeschäftslehre


Jedes Unternehmen schließt ständig eine Vielzahl von Rechtsgeschäften ab.
Ein Rechtsgeschäft besteht aus mindestens einer Willenserklärung, woran der Eintritt eines
rechtlichen Erfolges geknüpft ist. Mit einer Willenserklärung bringt eine Person ihren auf Erzie-
lung einer Rechtsfolge gerichteten Willen zum Ausdruck.

1. Arten von Rechtsgeschäften

Unterschieden wird zwischen einseitigen und Zu den Willenserklärungen


zwei- oder mehrseitigen Rechtsgeschäften.
Mit einer Willenserklärung wünscht der
Einseitige Rechtsgeschäfte bestehen nur aus
Erklärende seinen Willen kundzutun. Dem-
der Willenserklärung einer Person, wohinge-
nach ist sie mehr als nur eine Information und
gen für zwei- oder mehrseitige Rechtsge-
mehr als nur eine einfache Erklärung. Ihr
schäfte die Willenserklärung zweier oder
folgt nämlich eine Veränderung des bisher
mehrerer Personen erforderlich ist. Personen
bestehenden Zustands. Möglicherweise durch
in diesem Sinne sind nicht nur natürliche
eine Handlung. Wenn ein Erblasser letztwillig
Personen, sondern auch juristische Personen,
bestimmt, dass der Lebenspartner als Erbe
wie etwa eine GmbH. Der wichtigste Fall
eingesetzt wird, dann bekommt dieser, wenn
eines zweiseitigen Rechtsgeschäftes ist der
der Todesfall eintritt und er das Erbe annimmt
Vertrag. Einseitige Rechtsgeschäfte werden
(Handlung), das vermachte Vermögen des
meistens danach unterschieden, ob sie bereits
Verstorbenen (Veränderung eines Zustands).
mit Abgabe der Willenserklärung wirksam
Vergleichbares ist dem folgenden Schreiben
werden (nicht empfangsbedürftige Willens-
zu entnehmen: "Diese Bestellung können Sie
erklärung) oder erst mit Zugang (empfangs-
ganz oder teilweise schriftlich widerrufen
bedürftige Willenserklärung).
(Handlung). Hierfür haben Sie eine Frist von
Ein Großteil der Verträge, die in der Wirt- einer Woche, gerechnet ab dem Tag Ihrer
schaft abgeschlossen werden, sind Kaufver- Bestellung. Zur Wahrung der Frist genügt die
träge. So werden Rohstoffe und Zulieferteile rechtzeitige Absendung." Mit dem Eintreffen
für die Fertigung, aber auch Material für die des rechtzeitigen Widerrufes wird die Bestel-
Büroarbeit, wie etwa Papier und Schreibmate- lung storniert (Veränderung des Zustandes).
rialien, eingekauft und die erstellten Produkte
verkauft. Ein weiterer wichtiger Teil sind die
Dienstverträge, die zwischen dem Unter- Aufgaben
nehmen als Arbeitgeber und den Arbeitneh- 1. Die beiden Beispiele (siehe oben) stellen
mern geschlossen werden. Auch Werk-, Willenerklärungen dar. Zu welcher Art
Miet-, Leasing- und Darlehensverträge sind gehören sie? Machen Sie den Unter-
wichtige Vertragsarten. schied und ihre Bedeutung klar!
2. Zustandekommen von Verträgen 253

2. Die DMW AG steht in Vertragsverhand-


2. Zustandekommen lungen. Kaufobjekt: Metallschienen. Der
von Verträgen Lieferant bietet 100 Schienen zum Preis
von 20,70 EUR an, wenn 50 Hundertpa-
kete abgenommen werden (Gesamtmen-
2.1 Der Inhalt von Verträgen ge: 5 000 Stück). Der Einkäufer der
DMW AG antwortet umgehend, bestellt
zum Preis von 20,70 EUR, macht aber
Den Inhalt der Verträge handeln die beteilig-
darauf aufmerksam, dass er diesen Preis
ten Vertragspartner aus, und jeder ist bestrebt,
nur für 110 Metallschienen zu akzeptie-
seine Interessen möglichst gut durchzusetzen.
ren gewillt ist. Zwei Wochen später wird
So ist beispielsweise der Einkaufspreis von
die Ware geliefert. Der Rechnungsbetrag
Rohstoffen oder einzubauenden Teilen von
lautet auf 1138,50 EUR (Basis von 20,70
nicht unerheblichem Einfluss auf die insge-
EUR für 100 St.).
samt anfallenden Herstellkosten des Produk-
tes und somit wesentlich für die Kalkulation a) Ist im vorliegenden Fall ein Kaufver-
des Verkaufspreises bzw. die Größe der Er- trag zustande gekommen? Wenn ja,
folgsmarge. Auch die Bedingungen der zu welchem Preis?
Dienstleistungsverträge mit den Arbeitneh- b) Wer stellte den Antrag, wer die An-
mern können für den Erfolg des Unterneh- nahme?
mens eine Rolle spielen. Einerseits ist dem
Arbeitgeber daran gelegen, keine allzu hohen
Gehälter zu zahlen, um Kosten zu sparen,
andererseits aber benötigt er fähige und auch
gut ausgebildete Arbeitnehmer, die dem Un-
ternehmen ihre Arbeitskraft voll zur Verfü-
gung stellen und somit auch ihren Preis ha-
ben. Die Arbeitnehmer demgegenüber sind an
einem guten Gehalt interessiert und können
auch durch angenehme Arbeitsbedingungen
und Sozialleistungen motiviert werden und
möglicherweise bessere Arbeitsergebnisse er-
zielen.

2.2 Einigung der


Vertragspartner

Ein Vertragsschluss setzt zunächst die Eini-


gung der Vertragspartner über die wesentli-
chen Vertragsbestandteile voraus.
Ein Vertrag besteht aus einem Antrag und
der Annahme. Im Kaufvertrag spricht man
von Angebot und Bestellung.
Abb. 1: Einige Auswirkungen des Ver-
tragsinhaltes (am Beispiel des
Einkaufs von Zulieferteilen)
254 Rechtliche Grundlagen

Das Vertragsangebot muss inhaltlich so be- Zusätzliches zum Kaufvertrag


stimmt sein und dem anderen so angetragen
Auf einem Hof einer Verkaufsniederlassung
werden, dass das Zustandekommen des Ver-
stehen mehrere unterschiedliche Vorführwa-
trages nur noch von dessen Zustimmung
gen zum Verkauf, in denen jeweils ein Schild
abhängig ist. Bei einem Kaufvertrag müssen
mit Angaben zu dem Modell und dem Preis
etwa der Kaufgegenstand und der Kaufpreis
hängt. Mit einem Kunden steht der Niederlas-
bestimmt sein, wohingegen beispielsweise bei
sungsleiter für einen bestimmten Wagen in
einem Werkvertrag eine Vergütung nicht
Verhandlungen. Dieser Kunde ruft an und
ausdrücklich vereinbart worden sein muss, da
erklärt, dass er den Wagen nimmt. Nur wenig
mangels einer Absprache die übliche Vergü-
später betritt ein anderer Kunde den Ver-
tung als vereinbart gilt.
kaufsraum und sagt, dass er denselben Wagen
Am Beispiel des Zustandekommens eines kaufen möchte.
Kaufvertrages sei verdeutlicht, dass jeder der
Der Niederlassungsleiter sagt, dass der Wa-
Vertragspartner Antragender oder Anneh-
gen bereits verkauft sei. Der Kunde meint,
mender (Besteller) sein kann. So kann etwa
dass mit ihm ein Kaufvertrag zustande ge-
der Verkäufer (auf eine Anfrage hin) ein
kommen sei, weil er das Angebot, das im
Angebot abgeben (Antrag), welches der Käufer
Wagen hängt, angenommen habe.
durch die Bestellung annimmt (Annahme).
Oder der Käufer gibt eine Bestellung auf, die Der Niederlassungsleiter ist zu Recht der
sein Antrag beinhaltet („ich kaufe x Stück zum Meinung, dass mit dem zweiten Kunden kein
Preis von y EUR“), die der Verkäufer dadurch Kaufvertrag zustande gekommen ist. Es ist im
annimmt, dass er dem Käufer eine Bestellan- Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob
nahme zusendet oder sogleich liefert. ein rechtlich bindendes Angebot oder nur die
Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes –
eine sog. invitatio ad offerendum – vorliegt.
2.3 Nichtigkeitsgründe Bei Äußerungen an die Allgemeinheit, wie
beispielsweise in Schaufenstern oder Katalo-
Ferner muss die Einigung wirksam sein, es
gen, handelt es sich nicht um Angebote, son-
dürfen keine Nichtigkeitsgründe vorliegen.
dern nur um die Aufforderung, ein Angebot
Ein solcher wäre etwa mangelnde Geschäfts-
abzugeben. Ein rechtlich bindender Wille
fähigkeit. Unter Geschäftsfähigkeit ist die
fehlt. Anderenfalls könnten beliebig viele
Fähigkeit, wirksam Rechtsgeschäfte vorneh-
Personen einen Vertrag über denselben Ge-
men zu können, zu verstehen. So sind etwa
genstand zustande kommen lassen, den der
Kinder, die noch nicht sieben Jahre alt sind,
andere nicht erfüllen könnte.
geschäftsunfähig und Sieben- bis Achtzehn-
jährige nur beschränkt geschäftsfähig. Ein
weiterer Nichtigkeitsgrund ist beispielsweise
die Nichtbeachtung der gesetzlich vorge-
schriebenen Form. So kann etwa ein Grund-
stück nicht mittels eines schriftlichen Kauf-
vertrages verkauft werden, vielmehr ist die
notarielle Beurkundung erforderlich.

Abb. 2: Die Nichtigkeitsgründe des BGB


3. Verbraucherschutzvorschriften 255

3. Verbraucherschutzvorschriften
Von den zahlreichen Verbraucherschutzvorschriften seien hier nur drei genannt, die auch beim
Abschluss von Verträgen eine Rolle spielen.

3.1 Die Vorschriften zur Regelung der Allgemeinen


Geschäftsbedingungen (§§ 305ff BGB)

3.1.1 Bedeutung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Häufig verwenden Unternehmen bei Abgabe


ihres Angebotes sog. Allgemeine Geschäfts-
bedingungen (AGB). Unter AGB ist das
„Kleingedruckte“, das sich oftmals z. B. auf
der Rückseite von Vertragsformularen oder
Angeboten befindet, zu verstehen.
AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträ-
gen vorformulierten Vertragsbedingungen,
die eine Vertragspartei (Verwender) der ande-
ren Vertragspartei bei Abschluss eines Ver-
trages stellt.
AGB spielen in der Praxis eine bedeutsame
Rolle. Es gibt wohl kaum noch Versicherun-
gen, Banken, Warenhersteller oder Transport- Abb. 3: Vertragspunkte, die u. a. typi-
unternehmer, die nicht grundsätzlich ihre scherweise in Allgemeinen Ge-
AGB verwenden. Der Vorteil von AGB ist, schäftsbedingungen geregelt sind
dass sie einen Rationalisierungseffekt haben,
sofern eine Vielzahl von gleichgelagerten Aufgabe
Verträgen abgeschlossen wird. Das jeweilige 3. a) Die DMW AG hat vertragliche Be-
Unternehmen braucht nicht stets neu zu über- ziehungen zu einem neuen Händler
legen, welche Liefer-, Gewährleistungs- oder in Celle aufgenommen. Dieser
Zahlungsbedingungen z. B. Bestandteil des Händler, Fritz Baldur, hat in seinen
jeweiligen Vertrages werden sollen. Verkaufsbedingungen u. a. auch die
Die Verwendung von AGB kann jedoch zu leistende Gewährleistung gere-
nachteilig für die Vertragspartner der Ver- gelt. Dort ist vorgesehen, dass der
wender sein. Oftmals sind die AGB so aus- Käufer bei Mängeln an dem erwor-
gestaltet, dass sie einseitig zu Gunsten des benen Neuwagen auf den Anspruch
Verwenders und damit zu Lasten der jeweili- auf Beseitigung beschränkt ist.
gen Vertragspartner sind. Ist diese Klausel wirksam, welche
Regelung im BGB findet vorliegend
Anwendung?
256 Rechtliche Grundlagen

Zwar müssen die Vertragspartner keine Ver- b) Des Weiteren befindet sich in den
träge mit für sie nachteiligen Bedingungen Verkaufsbedingungen des Händlers
abschließen. Häufig bleibt ihnen aber nichts Fritz Baldur eine Klausel, wonach
anderes übrig, wenn sie die betreffende der Käufer ein Jahr lang nach der
Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen Abnehme des Wagens seinen Treib-
oder die jeweilige Ware dringend benötigen, stoff nur an bestimmten Tankstellen,
zumal oftmals die konkurrierenden Anbieter mit denen Fritz Baldur eine vertrag-
ähnliche AGB verwenden. Davon abgesehen, liche Übereinkunft getroffen hat, be-
ist für viele am Rechtsleben Beteiligte auch ziehen darf. Ist diese Klausel wirk-
die Bedeutung der AGB nicht stets erkennbar. sam (mit Begründung)?
Diese wird insbesondere von Privaten oftmals
erst erkannt, wenn es zu Schwierigkeiten in
der Vertragsabwicklung kommt. Auszug aus den Verkaufsbedingungen des Händ-
lers Schuchardt, der besonders in Mecklenburg-
Vorpommern mehrere Niederlassungen hat:
3.1.2 Einbeziehung der AGB in 5. Gewährleistung
den Vertrag a) Der Verkäufer gewährleistet eine dem jeweili-
gen Stand der Technik entsprechende Fehler-
AGB sind keine rechtlichen Regelungen. Sie freiheit für ein Jahr nach Auslieferung.
werden nur dann Inhalt des Vertrages, wenn b) Der Käufer kann die Beseitigung von Fehleren
der Verwender seinen Vertragspartner bei und dadurch an anderen Teilen des Wagens
verursachten Schäden (Nachbesserung) mit
Vertragsschluss ausdrücklich auf die AGB folgender Maßgabe verlangen:
hinweist bzw. – falls dies wegen der Art des • Der Käufer kann die Ansprüche beim
Vertragsschlusses unverhältnismäßig schwie- Verkäufer direkt oder bei vom Hersteller
rig ist – durch deutlich sichtbaren Aushang für die Betreuung des Kraftfahrzeugs an-
am Ort des Vertragsabschlusses. Darüber erkannten Betrieben geltend machen.
hinaus muss der Vertragspartner die Mög- • Der Käufer hat Mängel unverzüglich
nach deren Feststellung bei dem in An-
lichkeit haben, von dem Inhalt der AGB spruch genommenen Betrieb schriftlich
Kenntnis zu erlangen, und er muss mit der anzuzeigen oder von dem Betrieb auf-
Geltung der AGB einverstanden sein. nehmen zu lassen.
• Nachbesserungen erfolgen unverzüglich
3.1.3 Wichtige Regelungen der ohne Berechnung. Ersetzte Teile werden
Eigentum des Verkäufers.
§§ 305ff BGB • Für die bei der Nachbesserung eingebauten
Teile wird bis zum Ablauf der Gewährleis-
Vereinbaren die Parteien in einem bestimm- tungsfrist des Kraftfahrzeuges Gewähr
ten Punkt etwas anderes als in den AGB steht, aufgrund des Kaufvertrages geleistet.
so hat die Individualabrede Vorrang vor • Bei Betriebsunfähigkeit des Kraftfahr-
den AGB. Außerdem werden sog. „überra- zeuges sorgt der nächstgelegene, vom
schende Klauseln“ in den AGB, mit denen Hersteller anerkannte Betrieb für ein kos-
tenloses Abschleppen zum Zwecke der
der Vertragspartner nicht zu rechnen brauch-
Ausführung der Nachbesserung.
te, nicht Bestandteil des Vertrages. c) Kann der Fehler nicht beseitigt werden, oder
sind weitere Nachbesserungsversuche für den
Käufer unzumutbar, kann der Käufer Wand-
lung (Rückgängigmachung des Kaufvertrages)
oder Minderung (Herabsetzung des Kaufprei-
ses) verlangen. Ein Anspruch auf Ersatzliefe-
rung besteht nicht.

Abb. 4: Beispiel für Verkaufsbedingungen


3. Verbraucherschutzvorschriften 257

Das eigentliche Ziel der §§305 ff. ist die Vor- Beispiel:
nahme einer Inhaltskontrolle: Es werden
Herr Venden beauftragte eine Kfz-Werkstatt,
Grenzen für die Geltung von Allgemeinen
den defekten Auspuff seines PKWs zu erneu-
Geschäftsbedingungen gesetzt, wenn diese
ern. Bei Abholung wundert er sich über die
die gesetzlichen Regelungen einseitig zu
hohe Rechnung, stellt aber fest, dass der
Lasten des Vertragspartners abändern. So
Meister zusätzlich Vergaser und Zündkerzen
werden in den §§ 308, 309 einzelne Klausel-
ausgetauscht und entsprechend berechnet hat.
verbote aufgezählt. Da diese einzelnen Klau- Herr Venden stellt den Meister zur Rede. Der
selverbote aber nicht alle denkbaren Regelun- antwortet, dass sowohl der Vergaser als auch
gen aufzählen können, die den Vertragspart- die Zündkerzen dringend hätten erneuert
ner einseitig benachteiligen, existiert eine sog.
werden müssen. In diesem Zusammenhang
Generalklausel in § 307 BGB.
weist der Meister auf seine ausliegenden
Danach sind Bestimmungen in AGB unwirk- AGB (siehe Abb. 4) hin, nach deren Ziffer 6
sam, wenn sie den Vertragspartner entgegen der Auftrag auf Arbeiten, die der Meister für
den Geboten von Treu und Glauben unange- notwendig hält, erweitert werden kann. Herr
messen benachteiligen. Eine unangemessene Venden ist zu Recht empört: Diese Klausel ist
Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, gemäß § 9 AGBG unwirksam, da sie den
• wenn die Regelung in den AGB mit we- Kunden unangemessen benachteiligt.
sentlichen Grundgedanken der gesetzli-
chen Regelung nicht zu vereinbaren ist, Aufgabe
oder
3. c) Wieso wird der Kunde – Beispiel
• wenn die Regelung wesentliche Rechte oben – unangemessen benachteiligt?
und Pflichten des Vertrages so ein- Wieso hat der Gesetzgeber eine Ge-
schränkt, dass die Erreichung des neralklausel geschaffen? Begründen
Vertragszwecks gefährdet ist. Sie Ihre Überlegungen!
Um den Verbraucherschutz zu stärken, haben
nicht nur die einzelnen Vertragspartner das
Recht, gewissen Klauseln anzugreifen. Viel-
mehr können etwa Verbraucherschutzverbän-
de oder Industrie- und Handelskammern den § 2 Abs. 1. Einbeziehung in den Vertrag
Verwender von angreifbaren AGB auf Unter- Allgemeine Geschäftsbedingungen werden
lassung verklagen. nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn
der Verwender bei Vertragsabschluss
1. die andere Vertragspartei ausdrücklich
Zusammenfassung oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis
Die Vorschriften zur Regelung der All- wegen der Art des Vertragsabschlusses
gemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 nur unter unverhältnismäßigen Schwie-
ff.) sind wichtige Vorschriften zum rigkeiten möglich ist, durch deutlich
Schütze des Verbrauchers. Ihre General- sichtbaren Aushang am Ort des Vertrags-
klausel mit dem Gebot von Treu und abschlusses auf sie hinweist und
Glauben übt eine Art allgemeiner Schutz- 2. der anderen Vertragspartei die Möglich-
funktion aus. Daneben enthält es weitere keit verschafft, in zumutbarer Weise von
wichtige Bestimmungen, die den Bürgern ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.
im Geschäftsleben zugute kommen.
Abb. 5: Auszug aus dem AGBG
258 Rechtliche Grundlagen

3.2 Die Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften


und ähnlichen Geschäften

Haustürgeschäft o.ä. (ohne vorherige Bestellung)


Das im Mai 1986 in Kraft getretene Gesetz
über den Widerruf von Haustürgeschäften
und ähnlichen Geschäften (HWiG) wurde mit Überrumplung, psychische Zwangslage
der Schuldrechtsreform 2002 in das Bürgerli-
che Gesetzbuch integriert. Die §§ 312, 312 a übereilter Vertragsschluss, keine gründliche
und 355 BGB regeln jetzt den Direktvertrieb, Überlegung, keine Vergleichsmöglichkeiten
worunter der persönliche Verkauf von Waren
oder Dienstleistungen mittels eines eigenen Gefahr überhöhter Preise, Erwerb von Gegenständen,
die man gar nicht gewollt hat.
Vertriebsnetzes nach anbieterinitiierter Kon-
taktaufnahme zu verstehen ist. Vom Begriff des Kunde bereut Geschäft
Direktvertriebs werden nicht nur die typischen
an der Haustür durch Vertreter geschlossenen Bei Vorliegen der Voraussetzungen der
Verträge erfasst, sondern beispielsweise auch §§ 312, 355 BGB

Straßenverkäufe, Verkäufe am Arbeitsplatz,


Kaffeefahrten mit Verkaufsveranstaltungen Widerrufsrecht der Kunden

u.a.m.. Geschützt werden sollen Kunden, die


unerwartet und unvorbereitet angesprochen
Frist: 2 Wochen Ausnahme: bei nach-
werden und so möglicherweise übereilt einen ab Belehrung träglicher Belehrung
Vertragsschluss tätigen. über beträgt die Widerspruchs-
Widerrufsrecht frist 1 Monat
Insgesamt ist der Direktvertrieb zwar durch-
aus als seriös anzusehen. Dennoch hat sich Abb. 6: Rechte beim Haustürgeschäft
dieser Vertriebszweig andererseits auch als
besonders missbrauchsanfällig erwiesen.
Gerade hier fällt es unseriösen Geschäftema-
chern leicht, durch besonders aggressive Ver-
kaufsmethoden schnell Geschäfte zu machen. Typische Fallgestaltungen des Direktvertriebs

Die §§ 312, 312a, 355 BGB gelten nicht nur i.d.R. wettbewerbsrechtlich gebilligt
für Kaufverträge, sondern für alle Verträge, • Haustürgeschäfte im Sinne von unbestellten
die auf eine entgeltliche Leistung gerichtet Vertreterbesuchen
• Freizeitveranstaltungen, insbesondere
sind und bei denen die Willenserklärung des „Kaffeefahrten“
Kunden aufgrund der aufgeführten Situatio- • Geschäfte im privaten Bereich, insbesondere
„Partywerbung“
nen abgegeben wurde, somit auch z.B. Mak-
ler-, Dienst- und Werkverträge. i.d.R. wettbewerbsrechtlich missbilligt

Nach § 312, 355 BGB kann der Kunde seine • „Telefonwerbung“


• „anreißerische Straßenwerbung“
Erklärung binnen 2 Wochen widerrufen. In § • „Schneeballsystem“
315 Abs. l BGB ist ein abschließender Situa-
tionskatalog aufgestellt. Abb. 7: Arten des Direktgeschäfts
3. Verbraucherschutzvorschriften 259

Danach muss der Kunde seine Willenserklä- „Der Käufer kann binnen einer Woche ab
rung entweder Erhalt einer Ausfertigung dieses Vertrages
• aufgrund mündlicher Verhandlungen an seine auf den Abschluss des Kaufvertrages
seinem Arbeitsplatz oder im Bereich ei- gerichtete Willenserklärung widerrufen.
ner Privatwohnung oder Der Widerruf ist schriftlich zu richten an: ...
• anlässlich einer Freizeitveranstaltung, die Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige
von dem Vertragspartner oder einem Absendung der Widerrufserklärung.
Dritten in dessen Interesse durchgeführt ...
wird, oder
• im Anschluss an ein überraschendes
Ansprechen in Verkehrsmittel oder im Unterschrift Käufer“
Bereich öffentlich zugänglicher Ver- Abb. 8: Widerrufsbelehrung
kehrswege
Beispiel zum VerbrKrG:
abgegeben haben.
Im Juni 20.. kaufte Max Turner bei dem
Ein Widerrufsrecht besteht jedoch nicht,
DMW-Händler Frank Schuchardt einen ge-
wenn der Kunde seinen Vertragspartner vor-
brauchten DMW-Shopper zum Preis von
her bestellt hat und deshalb die mündlichen
11800,- EUR. Herr Turner konnte nur 3000,-
Verhandlungen geführt worden sind. Eben-
EUR anzahlen, weshalb die Parteien verein-
falls ist der Kunde nicht schutzwürdig, wenn
barten, den restlichen Kaufpreis über die
seine Erklärung notariell beurkundet worden
Teilzahlungs-, Handels- und Anlagebank
ist. Zudem sind Bagatellgeschäfte von dem
(THA-Bank) zu finanzieren. Herr Schuchardt
Schutzbereich des § 312 BGB ausgenommen
arbeitete häufig auf diese Weise mit der
worden. Bagatellgeschäfte in diesem Sinne
THA-Bank zusammen und hatte entsprechen-
liegen vor, wenn die Leistung sofort erbracht
de Darlehensformulare in seinem Schreibtisch
wird und das Entgelt nicht höher ist als 80,-
vorrätig. Herr Schuchardt und Herr Turner
EUR. Wichtig ist weiter, dass auf Vertragsab-
sprachen die Konditionen durch und füllten
schlüsse zwischen Privatpersonen, wie etwa
das Formular aus, das Herr Turner auch un-
beim Verkauf eines Gebrauchtwagens von
terschrieb. Danach sollte Herr Turner der
privat, das § 312 BGB keine Anwendung
Bank das Darlehen über 8800,- EUR zuzüg-
findet.
lich Bearbeitungs- und Kreditgebühren in
Das Widerrufsrecht für den Kunden ist die Höhe von 2000,- EUR ab 15. Juli 20.. in 18
einzige Rechtsfolge des § 312 BGB. Der Monatsraten à 600,- EUR zurückzahlen. In
Widerruf hat binnen einer Frist von zwei dem Vertrag war schriftlich vereinbart, dass
Wochen schriftlich zu erfolgen. Hervorzuhe- Herr Turner den gekauften DMW-Shopper
ben ist, dass der Lauf dieser Frist erst beginnt, der THA-Bank zur Sicherung des gewährten
wenn der Kunde schriftlich und deutlich über Kredits übereignet. Sobald Herr Turner das
sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Darlehen vollständig getilgt hat, würde das
Eigentum an dem Wagen automatisch wieder
an ihn zurückfallen. Die Darlehensvaluta von
8800,-EUR zahlte die Bank direkt an Herrn
Schuchardt aus, der den Wagen Herrn Turner
übergab.
260 Rechtliche Grundlagen

3.3 Die Vorschriften über Nach einem Monat stellte Herr Turner fest,
Verbraucherdarlehens- dass der Tank ein Leck hat, und reklamierte
dies bei Herrn Schuchardt. Dieser versprach,
verträge (§§ 491 ff. BGB) den Mangel kostenlos zu beseitigen. Während
der Reparaturzeit verweigerte Herr Turner die
Am 1. Januar 1991 trat das Verbraucherkre- nächste fällige Rate unter Hinweis auf die
ditgesetz in Kraft. Ein entsprechendes Gesetz Mangelhaftigkeit des Wagens. Zu Unrecht.
war erforderlich geworden aufgrund einer Zwar handelt es sich bei dem Kauf- und dem
Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, Kreditvertrag um ein so genanntes verbunde-
wonach ein angemessener Verbraucherschutz nes Geschäft im Sinne der §§ 358, 369 BGB.
bei Kreditverträgen zwischen gewerblichen Denn der Kredit diente allein der Finanzie-
Kreditgebern und Verbrauchern hergestellt rung des Kaufpreises, und die Verträge sind
werden sollte. Zuvor hatte bereits das Gesetz als wirtschaftliche Einheit anzusehen, insbe-
betreffend die Abzahlungsgeschäfte von 1894 sondere, da Herr Schuchardt und die THA-
fast einhundert Jahre lang für Verbraucher- Bank öfter auf diese Weise zusammenarbei-
schutz bei Ratenkäufen gesorgt. Der Käufer ten. Bei einem derartig verbundenen Geschäft
sollte insbesondere vor dem Verlust der ge- kann der Käufer dem Kreditgeber gegenüber
kauften Sache und der schon gezahlten An- die Einwendungen aus dem Kaufvertrag ent-
zahlung auf den Kaufpreis geschützt werden. gegenhalten und seine Leistung verweigern,
Im Wege der Schuldrechtsreform 2002 wurde wenn er sie auch gegenüber dem Verkäufer
das Verbraucherkreditgesetz in das Bürgerli- verweigern könnte (sog. Einwendungsdurch-
che Gesetzbuch integriert. Die Verbraucher- griff). Allerdings ist in § 359 BGB bestimmt,
darlehensverträge sind nun in den §§ 491 - dass dies bei einem Mangel, für welchen der
498 BGB geregelt. Käufer Nachbesserung fordert, erst möglich
ist, wenn die Nachbesserung fehlgeschlagen
ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall gewesen,
3.3.1 Der Anwendungsbereich
Herr Schuchardt hat das Leck einwandfrei
der §§ 491 ff. BGB repariert. Nach Aufklärung über die Rechtsla-
Die §§491 ff. BGB haben einen weiten An- ge hat Herr Turner seine Zahlung an die Bank
wendungsbereich. Sie regeln bis auf wenige auch geleistet.
Ausnahmen den gesamten Bereich der Insgesamt hat Herr Turner in der Folgezeit
Verbraucherkredite. Verbraucherschutz in die ersten zehn Monatsraten geleistet. Nach-
diesem Bereich ist besonders wichtig, denn dem er allerdings mit den folgenden drei
wie eine Untersuchung der Situation der Raten in Verzug geraten war, schickte ihm die
Schuldner von Ratenkrediten gezeigt hat, Bank das folgende Schreiben: siehe Seite 289.
geraten viele Schuldner, die die Einzelraten Herr Turner war aufgrund persönlicher Prob-
nicht mehr aufbringen können und denen leme jedoch zu keiner weiteren Zahlung in
aufgrund dessen der Kredit gekündigt und die der Lage, weshalb die THA-Bank ihm den
Gesamtsumme fällig gestellt wird, in wirt- Kredit im September 20.. kündigte und Herrn
schaftliche Not. Sie sind oftmals nicht in der Turner aufforderte, den finanzierten Wagen
Lage, den offenen Betrag sofort auszuglei- an sie herauszugeben. Herr Turner übergab
chen, weshalb die Schulden – auch wegen der dem Niederlassungsleiter den Wagen sowie
Zinseszinsen – schnell anwachsen. die dazugehörigen Schlüssel und Papiere. Sie
einigten sich darauf, dass die Bank versuchen
sollte, den Wagen möglichst gut zu verkaufen
und den erzielten Erlös sodann auf die restli-
che Darlehensschuld zu verrechnen.
3. Verbraucherschutzvorschriften 261

Dementsprechend sind Verbraucher im Sinne Teilzahlungs-, Handels- Tel: 54 13 66


dieser Vorschriften natürliche Personen, die und Anlagebank THA Fax: 54 13 67
Weimarer Str. 12b
einen Kredit für private Zwecke aufnehmen. 55124 Mainz
Kredite für gewerbliche oder freiberufliche
Zwecke werden grundsätzlich nicht von den
§§491 ff. BGB erfasst, es sei denn, es handelt Herrn Max Turner
Frankfurter Weg 6
sich um Kredite, die die Aufnahme der selb- 55127 Mainz Mainz, 17.08.20..
ständigen Tätigkeit erst ermöglichen (§ 507
Darlehensvertrag Nr. 616 Kb 13
BGB).
Sehr geehrter Herr Turner,
3.3.2 Wichtige Regelungen der leider mussten wir feststellen, dass Sie seit 15. Mai 20..
auf den o.g. Darlehensvertrag keine Zahlungen mehr
§§ 491 ff. BGB geleistet haben. Wir fordern Sie auf, den rückständigen
Betrag in Höhe von 1.8000 EUR bis zum
Von den umfassenden Regelungen der §§ 491 2. September 20..
ff BGB seien nur einige besonders wichtige zu zahlen. Sollte Ihnen dies nicht möglich sein, so bitten
hervorgehoben: Damit der Verbraucher sich wir Sie um eine entsprechende Mitteilung, damit wir in
eingehend über die Vertragsbedingungen und einem persönlichen Gespräch Möglichkeiten einer ein-
die Gesamtbelastung informieren kann, be- verständlichen Regelung erörtern können.
dürfen Kreditverträge grundsätzlich der Mit freundlichen Grüßen
Schriftform. Zudem hat der schriftliche Ver-
trag bestimmte Angaben zu enthalten, von Burckhard
denen die Nennung des effektiven Jahreszin- Niederlassungsleiter
ses besonders bedeutsam ist. Anhand des Abb. 9: Die Darlehensraten werden
effektiven Jahreszinses kann der Verbraucher angemahnt
deutlich die Gesamtbelastung erkennen und
vermag am besten Vergleichsangebote ande- Wegen erheblicher Verschleiß- und Mängel-
rer Kreditgeber zu beurteilen. Wird gegen erscheinungen konnte der Wagen jedoch nur
diese Vorschriften verstoßen, kann der Ver- für 4000,- EUR verkauft werden, weshalb die
trag unwirksam sein oder es gelten für den Bank von Herrn Turner noch die Zahlung von
Kreditnehmer günstigere Konditionen. So gilt restlichen 800,- EUR (10800,- abzügl. 6000,-
z.B. der gesetzliche Zinssatz von 5 Prozent- abzügl. 4000,- = 800,-) verlangt. Herr Turner
punkten über dem Basiszinssatz, wenn die meinte, er brauche nichts mehr zu zahlen, da
Angabe des effektiven Jahreszinses fehlt, oder der Darlehensvertrag mit Herausgabe des
nicht angegebene Kosten werden vom Kre- Wagens erloschen sei.
ditnehmer nicht geschuldet. Darüber hinaus In diesem Fall hat Herr Turner Recht. Es gilt
hat der Verbraucher bei allen Kreditverträgen (§503 Abs.2 BGB) die Wiederansichnahme
ein Widerrufsrecht, das wie beim Haustür- der aufgrund des Kreditvertrages gelieferten
widerrufsgeschäft in § 355 BGB geregelt ist. Sache – hier der DMW-Shopper – als Aus-
Das Widerrufsrecht schützt Verbraucher vor übung des der Bank zustehenden Rücktritts-
voreiligen Geschäftsabschlüssen bzw. erlaubt, rechtes. Dies gilt auch bei einem verbundenen
einen Vertragsabschluss rückgängig zu ma- Geschäft, bei welchem Verkäufer und Kredit-
chen, den man vielleicht durch Überredung geber nicht personengleich sind. Durch den
getätigt hat. wirksamen Rücktritt ist der Anspruch auf
Zahlung der restlichen Darlehensschuld erlo-
schen. Zu bedenken ist jedoch, dass Herr
Turner aufgrund des Rückabwicklungsver-
hältnisses möglicherweise noch eine Nut-
zungsentschädigung zu leisten hat.
262 Rechtliche Grundlagen

Bei drittfinanzierten Kaufverträgen, wenn also Aufgaben


der Käufer zur Finanzierung des Kaufpreises
4. Begründen Sie, warum der Gesetzgeber
einen Kredit bei einem Dritten nimmt, der z.B.
die Vorschriften über die Verbraucher-
auf diese Art und Weise ständig mit dem Ver-
darlehensverträge und die Haustürwider-
käufer zusammenarbeitet, so dass Kaufvertrag
rufsgeschäfte geschaffen hat. Welche
und Kreditvertrag als wirtschaftliche Einheit
Konsequenzen haben diese Vorschriften?
anzusehen sind, kann der Kreditnehmer Ein-
wendungen aus dem Kaufvertrag unter Um- 5. a) Überlegen Sie, ob beim Kauf eines
ständen auch dem Kreditgeber entgegenhalten. Frachters ein Stückkauf vorliegt.
Musste der Schuldner bislang bei Zahlungsver- b) Welchen Unterschied sehen Sie
zug von Zinsen auch auf diese den vereinbarten zwischen dem Kauf einer bewegli-
hohen Zinssatz zahlen, was zu einem raschen chen Sache und einer Immobilie?
Anwachsen der Schuld führte, ist als Verzugs-
schaden auf die fälligen Zinsen nunmehr nur
der gesetzliche Zinssatz von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz zu zahlen. Das BGB
enthält außerdem auch Verbraucherschutzvor-
schriften hinsichtlich der Vermittlung von
Krediten.

4. Der Kaufvertrag
Von wirtschaftlich herausragender Bedeutung
ist der Kaufvertrag, der hier genauer darge-
stellt werden soll.

4.1 Inhalt des Kaufvertrages

Bei einem Kaufvertrag müssen sich die


Vertragspartner zumindest über den Kaufge-
genstand und den Kaufpreis einigen. Ist bei
einem Kauf über eine Sache diese konkret
bestimmt, handelt es sich um ein bestimmtes
Einzelstück, wie beispielsweise bei einem
Kauf eines gebrauchten Autos, so liegt ein
Stückkauf vor. Ist die Kaufsache hingegen
nach allgemeinen Merkmalen bestimmt, z.B.
der Kauf eines neuen DMW-Single, rot, mit
ABS, handelt es sich um einen Gattungs-
kauf. Bei einem Gattungskauf schuldet der
Verkäufer einen Kaufgegenstand von mittle-
rer Art und Güte. Fehlen Vereinbarungen
über weitere Bedingungen des Vertrages, so Abb. 10: Kaufgegenstand können Sachen
gelten die gesetzlichen Regelungen. und Rechte sein
4. Der Kaufvertrag 263

Im Allgemeinen werden jedoch auch Verein- Werner Schuchardt


barungen getroffen über: Arnoldstr. 13
22765 Hamburg
Tel.: 040/3 90 13 17
4.1.1 Lieferbedingungen
Verbindliche DMW-Kfz-Bestellung
• Lieferzeit
Ingrid Kortsens
Wird der Kaufvertrag nicht sofort abgewi- Besteller Herr/Frau/Firma
ckelt, wie etwa beim täglichen Einkauf, so
wird meist eine Lieferzeit vereinbart. Diese Baron-Vogt-Str. 119
Straße
ist oftmals auf ein bestimmtes Datum festge-
legt, oder es heißt etwa „Lieferung in drei 22607 Hamburg
Wochen“ oder „Anfang April“. Es kommt PLZ Wohnort
auch vor, dass die Lieferzeit nicht genau be-
(040) 82 76 64
stimmt wird, so beispielsweise bei einer Lie- Telefon-Nr.
ferung auf Abruf. Hierbei richtet sich die
Lieferung nach den Bedürfnissen des Käufers, Unter Anerkennung der umseitigen »Verkaufsbedingun-
die Lieferung erfolgt – ganz oder in bestimm- gen für DMW-Kraftfahrzeuge« bestelle ich hiermit bei
oben genannter Firma in serienmäßigem Lieferumfang
ten Teilmengen – auf seine Anforderung hin.
Wird die Lieferzeit nicht vereinbart, so kann Anzahl Modell Bestell-Nr.
der Käufer die Lieferung verlangen und der 1 DMW Single A30745
Verkäufer sofort liefern. Farbe Bestell-Nr. Preis
rot 006885 15 380.00
• Erfüllungsort Sonderausstattungen
Nr. 013 Schiebedach 713,00
Als Erfüllungs- oder auch Leistungsort wird Nr. 473 Radio/Kass.G. 208,18
der Ort bezeichnet, an dem die geschuldete Nr. 124 Heckwischer 214,75
Leistung zu erbringen ist. Hiervon zu unter- Nr 079 Kofferraumabdeckung 89,90
Nr.
scheiden ist der Erfolgsort, das ist der Ort, an Nr.
welchem der Leistungserfolg eintritt. Erfül- Nr.
lungs- und Erfolgsort können zusammentref- Nr.
fen, müssen dies aber nicht. Unterschieden Nr.
wird zwischen: Überführungskosten 270,19
Holschuld: Der Schuldner hat seine Leistung Kraftfahrzeugbrief-Gebühr 8,50
Zulassungskosten 192,95
an seinem Ort vorzunehmen, dort tritt auch
der Erfolg ein. 16% Mehrwertsteuer 2561,62
Schickschuld: Die Leistung ist an dem Ort
Gesamtbetrag 19 639,09
des Schuldners vorzunehmen, der Erfolg tritt
jedoch am Ort des Gläubigers ein. Lieferzeit/Liefertermin
7 Wochen
Bringschuld: Die Leistung ist am Ort des
Gläubigers vorzunehmen, wo auch der Erfolg 16.09.20..
eintritt. Datum Unterschrift
Abb. 11: Ein „Single“ wird verkauft
264 Rechtliche Grundlagen

Ist vertraglich kein Erfüllungsort vereinbart, Die Lieferbedingungen des Händlers Schuchardt
so ist die Leistung am Ort des Schuldners 1. Liefertermine können verbindlich oder unverbind-
vorzunehmen. Im Zweifel liegt somit keine lich vereinbart werden. Sie sind schriftlich an-
zugeben.
Bringschuld vor, sondern eine Hol- oder eine
2. Vier Wochen nach Überschreiten eines unverbind-
Schickschuld. Im Handelsverkehr sind Wa- lichen Liefertermins kann der Käufer den Verkäufer
renschulden im Zweifel Schickschulden. Bei schriftlich auffordern, binnen angemessener Frist zu
der Abwicklung eines Kaufvertrages ist zu liefern. Mit dieser Mahnung kommt der Verkäufer
bedenken, dass sowohl der Verkäufer als auch in Verzug. Neben der Lieferung kann der Käufer
Ersatz des Verzugsschadens nur verlangen, wenn
der Käufer dem anderen Vertragspartner eine dem Verkäufer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
Leistung schulden. Für die Warenlieferung ist zur Last fällt.
i.d.R. der Ort des Verkäufers Erfüllungsort, Im Falle des Verzuges kann der Käufer dem Verkäu-
dort hat er die verkaufte Ware zu übergeben fer auch schriftlich eine angemessene Nachfrist set-
zen mit dem Hinweis, dass er die Abnahme des Fahr-
bzw. abzusenden. Bei der Zahlungsschuld des
zeuges nach Fristablauf ablehne. Nach erfolglosem
Käufers handelt es sich im Zweifel um eine Ablauf der Frist ist der Käufer berechtigt, durch
Schickschuld; der Käufer hat das Geld auf schriftliche Erklärung vom Kaufvertrag zurückzutre-
seine Gefahr und seine Kosten dem Verkäufer ten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu for-
dern. Dieser beschränkt sich bei leichter Fahrlässig-
an dessen Wohnsitz zu übermitteln.
keit auf höchstens 10 % des Kaufpreises.
• Transportkosten 3. Wird ein verbindlicher Liefertermin überschritten,
kommt der Verkäufer bereits mit Überschreiten des
Die Frage, wer die Transportkosten zu tragen Liefertermins in Verzug. Die Rechte des Käufers
hat, hängt von dem Erfüllungsort ab. Wenn bestimmen sich dann nach Ziffer 2 Absatz 1 Satz 3
nichts anderes vereinbart ist, hat der Verkäu- und Absatz 2.
fer die Kosten der Übergabe und der Käufer 4. Höhere Gewalt, Aufruhr, Streik, Aussperrung und
unverschuldete erhebliche Betriebsstörungen führen
die Kosten der Abnahme und der Versendung zu einer Verlängerung der Liefertermine um die
nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort Dauer dieser Störungen.
zu tragen. Häufig wird jedoch etwas anderes
Abb. 12: Beispiel für Lieferbedingungen
vereinbart. So sind etwa typische Klauseln im
innerdeutschen Handelsverkehr „ab Lager“
oder „ab Werk“ (der Käufer trägt sämtliche Aufgabe
Transportkosten) oder „frei Bahn“ (der Ver- 5. Was für eine Schuld im Hinblick auf den
käufer trägt die Beförderungskosten bis zur Erfüllungsort der verkauften Ware liegt
Bahn, die übrigen Kosten trägt der Käufer). in den folgenden Fällen vor?
Von besonderer Bedeutung im internationalen a) Frau Meier bestellt mehrere Klei-
Handelsverkehr sind die Incoterms dungsstücke bei einem Versandhaus.
(international commercial terms), eine Liste b) Das Ehepaar Krüger bestellt in ei-
von Klauseln, die die Internationale Handels- nem Möbelgeschäft eine Einbaukü-
kammer aufgestellt hat. Hierzu gehören bei- che auf Abruf für ihr gerade im Bau
spielsweise: befindliches Haus.
fas – free alongside ship: Der Verkäufer c) Frau Meier kauft im Supermarkt
trägt die Kosten bis an die Längsseite des einige Lebensmittel ein.
Schiffes im Verschiffungshafen. d) Die DMW AG bestellt bei einem in
fob – free on board: Hier übernimmt der Mainz ansässigen Zulieferbetrieb
Verkäufer zusätzlich die Kosten des Verla- Fertigungsteile, wobei vereinbart
dens auf das Schiff im Verschiffungshafen. wird, dass der Zulieferer die Trans-
portkosten trägt.
4. Der Kaufvertrag 265

c & f – cost and freight: Der Verkäufer über- e) Wie d), aber die DMW AG soll die
nimmt die Kosten, auch die der Fracht, bis Transportkosten zahlen.
zum Bestimmungshafen.
cif – cost, insurance, freight: Darüber hinaus
trägt der Verkäufer auch die Versicherungskos-
ten bis zum Bestimmungshafen.

4.1.2 Zahlungsbedingungen
Bei den Zahlungsbedingungen geht es dar-
Abb. 13: Hauptpflichten der Parteien
um, wann und wie der Käufer seine Zahlung
beim Sachkauf
zu leisten hat. Wie bereits erläutert, handelt es
sich bei Geldschulden um Schickschulden. Ist
Ergänzendes zum Lieferantenkredit
nichts anderes vereinbart, so kann der Ver-
käufer sofort Zahlung verlangen und darf der Lieferantenkredite sind im marktwirtschaftli-
Kunde sofort zahlen. Vereinbart werden kann chen System an der Tagesordnung. Ihr Cha-
jedoch z.B., dass der Käufer vor Lieferung rakter besteht darin, dass der Kredit des Liefe-
eine Anzahlung zu leisten hat oder dass in ranten zugleich mit der Lieferung von Waren
Raten gezahlt werden kann. Häufig wird eine einhergeht, ja, dass er nur so vor sich gehen
Vorauszahlung gefordert, wenn die Bonität kann. Er setzt einen Kaufvertrag voraus und
(Zahlungsfähigkeit) des Käufers fraglich verpflichtet den Käufer, die Rechnung inner-
erscheint. Oftmals wird dem Käufer ein Zah- halb einer bestimmten Frist, meist sind es 30
lungsziel von beispielsweise 30 oder 60 Ta- Tage im Inland, ohne Zinsaufschlag zu be-
gen gewährt (Lieferantenkredit), verbunden gleichen. Damit wird das Eingangslager des
mit dem Abzug von (3%) Skonto, falls die Kunden finanziert. Nun muss man wissen,
Zahlung innerhalb von z.B. 10 Tagen erfolgt. dass Lieferanten hierfür oft gewisse Sicher-
heiten verlangen. Meistens ist es der Eigen-
tumsvorbehalt (siehe Kapitel 4.4).
4.2 Pflichten der
Kaufvertragsparteien

Hauptpflicht des Verkäufers ist beim Sachkauf, Aufgabe


dass er dem Käufer die Sache übergibt und ihm
6. a) Irene Schneider hat einen Firmen-
das Eigentum daran verschafft. Bei einem
wagen von ihrem Arbeitgeber, einem
Rechtskauf hat der Verkäufer dem Käufer das
Zulieferer der DMW AG, zur Verfü-
Recht zu verschaffen und – falls es sich um ein
gung gestellt bekommen, weshalb
Besitzrecht handelt – die betreffende Sache zu
sie ihren Wagen einer Freundin ge-
übergeben. In beiden Fällen hat der Verkäufer
liehen hat. Nun will sie ihren Wagen
dafür zu sorgen, dass die Sache bzw. das Recht
aber verkaufen. Wer ist Eigentümer
frei von Rechten Dritter ist. Möglicherweise
und wer ist Besitzer des Wagens von
können den Verkäufer auch Nebenpflichten
Frau Schneider?
treffen, wie beispielsweise die Pflicht zur Un-
terweisung in die Handhabung eines techni- b) Im Kfz-Brief des Firmenwagens von
schen Gerätes oder dessen Wartung oder auch Frau Schneider ist ihr Arbeitgeber
die Pflicht zur Verpackung der verkauften eingetragen. Wer hat an dem
Sache für den Transport. Firmenwagen Besitz und Eigentum?
266 Rechtliche Grundlagen

Hauptpflicht des Käufers ist die Zahlung des c) Der Arbeitgeber hat den Frau
Kaufpreises. Eine typische Nebenpflicht für Schneider zur Verfügung gestellten
ihn ist die Abnahme der gekauften Sache. Wagen geleast. Wie ist nun die Ei-
gentums- und Besitzlage?
4.3 Übereignung d) Frau Schneider hat sich zu Anlage-
zwecken eine vermietete Eigen-
tumswohnung gekauft. Wer ist Ei-
Zu unterscheiden ist zwischen Besitz und gentümer, wer Besitzer?
Eigentum.
e) Jon Starck hat bei Herrn Schuchardt
Besitz ist die tatsächliche Gewalt über eine einen bestimmten Anhänger gekauft
Sache, wohingegen Eigentum das umfas- und sogleich bezahlt. Herr Schu-
sendste Recht an einer Sache ist. chardt bietet Herrn Starck an, den
Der Besitzer hat also die tatsächliche Gewalt Anhänger am Abend bei ihm abzu-
über eine Sache, eine rechtliche Zuordnung liefern. Wann hat Herr Starck das
erfolgt hierdurch nicht. Der Begriff Besitz Eigentum an dem Anhänger erlangt?
bezeichnet lediglich die tatsächliche Bezie-
hung einer Person zu einer Sache. Der Eigen-
tümer einer Sache kann aufgrund seiner recht- Beispiel:
lichen Herrschaft grundsätzlich mit der Sache Kaja Klose, Sachbearbeiterin bei der DMW
nach seinem Belieben verfahren. Diesem AG, hatte sich am Sonnabend auf eine Privat-
umfassenden Recht werden durch die Rechte anzeige hin einen Gebrauchtwagen von Herrn
anderer Personen und durch Gesetze Grenzen Wolf, einem Privatmann, gekauft. Den Wa-
gesetzt. gen hatte sie bar bezahlt und sogleich mitge-
Bewegliche Sachen werden übereignet, indem nommen. Im Kfz-Brief war als Eigentümer
der bisherige Eigentümer dem Erwerber die ein Michael Bruhns eingetragen. Herr Wolf
Sache übergibt und sich beide darüber einig erklärte ihr, dass Herr Bruhns sein Cousin sei
sind, dass das Eigentum übergehen soll (§929 und er den Wagen für ihn verkaufe. Leider
S. 1 BGB). Falls der Erwerber bereits im hat sich Frau Klose mit dieser Erklärung
Besitz der Sache ist, genügt die Einigung zufrieden gegeben. Zwei Tage später meldete
(§929 S. 2 BGB). Die Einigung ist auch aus- sich Herr Bruhns bei Frau Klose und wollte
reichend, wenn der Verkäufer den Besitz an seinen Wagen zurückhaben. Er erklärte, dass
der Sache behalten soll, in dem Fall müssen er Herrn Wolf seinen Wagen lediglich für das
der Verkäufer und der Käufer ein sog. Be- Wochenende geliehen habe. Keinesfalls sollte
sitzkonstitut, wie z.B. Leihe oder Miete, Herr Wolf den Wagen für ihn verkaufen. In
vereinbaren (§ 930 BGB). Ist der Verkäufer diesem Fall hat Frau Klose nicht gutgläubig
nicht im Besitz der Sache, sondern ist sie im das Eigentum an dem Wagen von dem nicht-
Besitz eines Dritten, etwa weil die verkaufte berechtigten Herrn Wolf erworben, da sie
und zu übereignende Sache vermietet ist, so grob fahrlässig gehandelt hat. Zwar besteht
wird die Übergabe dadurch ersetzt, dass der nicht grundsätzlich eine Nachforschungs-
Verkäufer dem Käufer seinen Herausgabe- pflicht, jedoch muss sich der Käufer bei ei-
anspruch abtritt (§ 931 BGB). nem Gebrauchtwagenkauf, wenn der Kfz-
Brief auf einen fremden Namen ausgestellt
ist, über die Berechtigung des Veräußerers
vergewissern.
4. Der Kaufvertrag 267

In diesen Fällen handelt es sich jeweils um


den Eigentumserwerb vom Berechtigten. Es
ist jedoch auch möglich, gutgläubig Eigen-
tum von einem Nichtberechtigten, einem
Nichteigentümer, zu erwerben. Die Voraus-
setzungen hierfür sind unterschiedlich, je
nach der zuvor bestehenden Besitzlage. Ein
Erwerber ist nicht gutgläubig, wenn er weiß
oder grob fahrlässig nicht weiß, dass die Sa-
che nicht dem Veräußerer gehört. Ein gut-
gläubiger Erwerb ist außerdem an gestohle-
nen Sachen ausgeschlossen.
Zur Übertragung des Eigentums an Grundstü-
cken sind die Einigung der Beteiligten und
die Eintragung in das Grundbuch erforderlich.
Die Einigung bedarf der notariellen Beurkun-
dung.
Abb. 14: Übereignung
4.4 Veräußerung unter
Eigentumsvorbehalt
Ausschnitt aus der Regelung des Eigentumsvorbehal-
tes in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des
Der Eigentumsvorbehalt ist in § 449 BGB Händlers Schuchardt:
geregelt. Durch die Möglichkeit der Verein-
1 Das Fahrzeug bleibt bis zum vollständigen Ausgleich
barung eines Eigentumsvorbehalts wird dem der dem Verkäufer aufgrund des Kaufvertrages zu-
Sicherungsbedürfnis des Verkäufers Rech- stehenden Forderungen Eigentum des Verkäufers.
nung getragen, wenn der Käufer den Kauf- Der Eigentumsvorbehalt bleibt auch für alle Forde-
preis nicht im Voraus oder Zug um Zug gegen rungen bestehen, die der Verkäufer gegen den Käufer
im Zusammenhang mit dem Fahrzeug, z. B. aufgrund
Übergabe der gekauften Sache zahlt. Das von Ersatzteillieferungen, nachträglich erwirbt.
Eigentum wird beim Eigentumsvorbehalt nur 2. Solange der Käufer seinen Verpflichtungen aus dem
unter der aufschiebenden Bedingung der Eigentumsvorbehalt nachkommt und sich nicht in
vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf Zahlungsverzug befindet, ist er während der Dauer
den Käufer übertragen. des Eigentumsvorbehaltes zum Besitz und Gebrauch
des Fahrzeugs berechtigt.
Gerät der Käufer in Zahlungsverzug oder kommt er
seinen Verpflichtungen aus dem Eigentumsvorbehalt
nicht nach, kann der Verkäufer das Fahrzeug heraus-
verlangen und nach schriftlicher Ankündigung mit
angemessener Frist das Fahrzeug unter Anrechnung
des Verwertungserlöses auf den Kaufpreis durch frei-
händigen Verkauf bestmöglich verwerten. Diese
Rücknahme gilt bei Teilzahlungsgeschäften eines
nicht als Kaufmann in das Handelsregister eingetra-
genen Käufer als Rücktritt. In diesem Fall gelten die
Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes.
Abb. 15: Eigentumsvorbehalt in den
Geschäftsbedingungen
268 Rechtliche Grundlagen

Der einfache (gewöhnliche) Eigentumsvor- Aufgabe


behalt erlischt beispielsweise bei gutgläubi-
7. Der Händler Herr Schuchardt hat bei
gem Erwerb des Eigentums durch einen Drit-
einem Verkauf eines Wagens auf Raten
ten oder durch Verarbeitung der Sache. In
versehentlich ein Auftragsformular ver-
diesen Fällen bietet der einfache Eigentums-
wendet, auf welchem die Allgemeinen
vorbehalt dem Verkäufer nicht genügend
Geschäftsbedingungen nicht abgedruckt
Sicherheit, weshalb häufig ein erweiterter
waren. Es handelte sich dabei um eine
Eigentumsvorbehalt vereinbart wird. Hierun-
Schlechtlieferung der Druckerei. Drei
ter fällt etwa der verlängerte Eigentums-
Tage nachdem der Käufer den Wagen er-
vorbehalt, bei welchem der Käufer die unter
halten hat, bemerkt Herr Schuchardt das
Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache zwar
Versehen und sendet die Allgemeinen
weiterverkaufen oder verarbeiten darf, dann
Geschäftsbedingungen zusammen mit der
jedoch die daraus entstandene Forderung des
Aufforderung zur Zahlung der nächsten
Erstkäufers gegen den Zweitkäufer bzw. die
Rate dem Käufer zu. Wer ist Eigentümer
neu entstandene Sache an die Stelle der ur-
des Wagens?
sprünglich verkauften Sache treten soll.
Eine andere Form eines erweiterten Eigen-
tumsvorbehalts, die im Wirtschaftsleben ins-
besondere bei ständigen Geschäftsbeziehun-
gen von großer Bedeutung ist, ist der Konto-
korrent- und Konzernvorbehalt. Der Eigen-
tumsvorbehalt erlischt noch nicht, sobald der
Käufer den vollständigen Kaufpreis für die
Vorbehaltssache entrichtet hat, sondern erst,
wenn alle Forderungen aus der Geschäftsver-
bindung beglichen sind, also ein Saldoaus-
gleich vorliegt. Das vorbehaltene Eigentum
sichert dann nicht nur die konkrete Kaufpreis- Abb. 16: Ausformung des EV
forderung, sondern alle Forderungen des
Verkäufers aus der jeweiligen Geschäftsver-
bindung. Erstreckt sich der Kontokorrentvor-
behalt nicht nur auf die Forderungen des Aufgabe
Verkäufers, sondern auch auf die Forderun- 8. Erkundigen Sie sich, was unter erweiter-
gen anderer Lieferanten des Käufers, die zu tem EV zu verstehen ist, und stellen Sie
dem gleichen Konzern wie der Verkäufer für den gewöhnlichen EV die Problema-
gehören, so liegt ein Konzernvorbehalt vor. tik für den Käufer heraus!
4. Der Kaufvertrag 269

4.5 Pflichtverletzungen beim Kaufvertrag

4.5.1 Pflichtverletzungen auf Seiten des Verkäufers

Durch die Schuldrechtsreform, die zum


1.1.2002 in Kraft trat, wurde das Recht der
Leistungsstörung vereinfacht. Zentralnorm ist
nun § 280 BGB, der den Schadenersatzan-
spruch wegen aller denkbaren Pflichtverlet-
zungen regelt. In § 437 BGB werden die dem
Käufer zur Verfügung stehenden Rechte bei
Mängeln der gekauften Sache aufgezählt. Neu
eingeführt wurde dabei, dass der Käufer jetzt
grundsätzlich ein Recht auf Nacherfüllung
hat. Das neue Schuldrecht ist nun auf alle
Verträge anwendbar, die nach dem 1.1.2002
Abb. 17: Pflichtverletzungen beim Kauf-
geschlossen wurden.
vertrag
Bevor die rechtliche Handhabung von
Pflichtverletzungen dargestellt wird, ist es
wichtig, sich zunächst zu vergegenwärtigen,
dass eine reibungslose Erfüllung wichtig für
die Geschäftsbeziehungen ist. Sollten den-
noch Störungen auftreten, so sollte stets ver-
sucht werden, in gegenseitigem Einverneh-
men eine Lösung zu finden.

4.5.1.1 Lieferverzug

4.5.1.1.1 Voraussetzungen des


Lieferverzuges
Damit Verzug im rechtlichen Sinne vorliegt,
müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
• Zunächst muss die Lieferung fällig sein.
• Darüber hinaus muss der Käufer den
Verkäufer gemahnt haben. Eine Mah-
nung ist nur entbehrlich, wenn der Liefer-
termin kalendermäßig bestimmt ist oder
wenn der Verkäufer die Lieferung ernst-
haft und endgültig verweigert, weil eine
Mahnung in dem Fall sinnlos wäre.
Abb. 18: Leistungsstörungen durch den
Verkäufer
270 Rechtliche Grundlagen

• Der Verkäufer muss die nichtrechtzeitige Aufgabe


Lieferung zu vertreten, also verschuldet
9. Ist in den folgenden Fällen Verzug bei
haben. Verschulden ist gegeben, wenn
nicht rechtzeitiger Lieferung auch ohne
der Verkäufer vorsätzlich oder fahrlässig
Mahnung gegeben?
gehandelt hat. Fahrlässig handelt, wer die
im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer a) Die DMW AG hat bei einem Zulie-
Acht lässt. ferer für eine Sonderausstattung
10000 spezielle Radkappen bestellt.
4.5.1.1.2 Die Rechte des Käufers bei Als Liefertermin wurde der 10. No-
Lieferverzug vember vereinbart.
Grundsätzlich bleibt der Erfüllungsanspruch b) wie a), aber als Liefertermin wurde
des Käufers auf Lieferung der gekauften Sa- „noch im Laufe des November“ ver-
che bestehen. Daneben kann er zusätzlich einbart.
Ersatz des ihm entstandenen Verzugsschadens c) wie a), aber die Lieferung sollte
fordern. Verzugsschaden ist der Schaden, der „zwei Wochen nach Abruf“ erfolgen.
gerade aufgrund der verspäteten Lieferung
d) Die Lieferung soll auf Abruf erfol-
entsteht. Dem Käufer ist jedoch nicht zuzu-
gen, nach dem Abruf schreibt der
muten, endlos lange auf die Lieferung zu
Zulieferer, dass sein Lieferant den
warten. Deshalb kann der Käufer dem Ver-
Geschäftsbetrieb eingestellt habe
käufer eine angemessene Frist zur Lieferung
und er sich deshalb zur Vertragser-
der Sache setzen. Bei einem Fixhandelskauf
füllung außerstande sehe.
oder wenn der Käufer aufgrund des Verzuges
kein Interesse mehr an der Erfüllung des e) Nach dem Abruf teilt der Zulieferer
Vertrages hat, ist eine Nachfristsetzung über- mit, dass sein Lieferant den Ge-
flüssig. Ansonsten hat der Käufer nach frucht- schäftsbetrieb eingestellt habe, er je-
losem Fristablauf keinen Anspruch mehr auf doch versuche, sich anderweitig ein-
die Leistung. Statt dessen kann er vom Kauf- zudecken.
vertrag zurücktreten oder Schadensersatz statt
der Leistung verlangen. Beim Rücktritt wird
der gesamte Vertrag rückabgewickelt. Beim Beispiel:
Schadensersatz statt der Leistung ist der Käu- Für eine Verkaufsaktion des Single hat die
fer so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Lie- DMW AG bei dem Werbemittellieferanten
ferung gestanden hätte. Neu ist, dass er auch Hugo Anders 1000 indigoblaue Regenschirme
gleichzeitig vom Kaufvertrag zurücktreten mit einem „Single“-Aufdruck zum Gesamt-
und den ihm verbleibenden Schaden verlan- preis von 12300,- EUR bestellt. Als die Schir-
gen kann. In der Regel muss der Käufer den me am vereinbarten Liefertag nicht geliefert
ihm entstandenen Schaden konkret berech- werden, ruft Frau Monk bei Herrn Anders an,
nen. Die Schadensberechnung kann auch um die Lieferung anzumahnen. Herr Anders
abstrakt erfolgen, dann ist der Schaden zu teilt mit, dass sein Lieferant aus Taiwan
ersetzen, der sich nach dem gewöhnlichen Schwierigkeiten bei der Fertigung wegen des
Lauf der Dinge ergibt. Farbtones hatte und deshalb neu produzieren
müsse, die DMW AG solle sich etwas gedul-
den. Als sich auch eine Woche später nichts
tut, sendet Frau Monk Herrn Anders folgen-
des Schreiben:
4. Der Kaufvertrag 271

4.5.1.2 Lieferung mangelhafter Ware DMW AG Tel.: 05 11-3 27 61


Lister Damm 58-67 Fax: 05 11-3 27 59
Bei der Lieferung mangelhafter Ware hat
30163 Hannover
der Käufer Gewährleistungsrechte gegenüber
dem Verkäufer. Voraussetzung der Sach- Herrn Hugo Anders
mängelhaftung ist zunächst, dass überhaupt Spaldingstraße 10c
ein Sachmangel vorliegt. Ferner dürfen die 20097 Hamburg Hannover, 20..-07-14
Gewährleistungsrechte nicht ausgeschlossen Lieferung von 1000 indigoblauen Regenschirmen
und auch nicht verjährt sein. Schließlich muss Ihre Bestätigung Nr. 73841 vom 4. Mai 20..
der Käufer seine Gewährleistungsrechte wirk-
sam ausüben. Sehr geehrter Herr Anders,
wie wir Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt haben, benö-
tigen wir die bei Ihnen bestellten Regenschirme dringend
4.5.1.2.1 Vorliegen eines für eine Verkaufsaktion in der übernächsten Woche.
Sachmangels Trotz mehrfacher Lieferzusage haben Sie weder zum
vereinbarten Lieferzeitpunkt, dem 5. Juli 20.., noch
Gem. § 434 BGB ist die Sache frei von bislang die Regenschirme ausgeliefert. Hiermit fordern
Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang wir Sie letztmalig auf, die bestellten Schirme bis zum
die vereinbarte Beschaffenheit hat. Fehlt es an 20. Juli 20..
einer ausdrücklichen oder stillschweigenden zu liefern. Sollten Sie dies nicht tun, werden wir die
Vereinbarung, ist auf die Eignung zur vertrag- Schirme nicht mehr von Ihnen abnehmen, sondern uns
anderweitig eindecken. Für den Fall des fruchtlosen
lich vorausgesetzten Verwendung abzustellen. Fristablaufs behalten wir uns die Geltendmachung von
Ist der Verwendungszweck nicht Vertragsin- Regressansprüchen vor.
halt geworden, ist die Eignung zur gewöhnli-
Mit freundlichem Gruß
chen Verwendung maßgeblich.
Eine Abweichung von Werbeaussagen des E. Monk
Herstellers stellt auch dann einen Sachmangel Abteilung Einkauf
dar, wenn der Verkäufer sich diese Aussagen Abb. 19: Ankündigung von Regressan-
nicht ausdrücklich zu eigen gemacht hat. sprüchen
Ein Sachmangel liegt außerdem vor, wenn die
vereinbarte Montage der Sache durch den Da bis zum 20. Juli keine Lieferung erfolgt,
Verkäufer unsachgemäß durchgeführt wurde. bestellt Frau Monk indigoblaue Regenschirme
Gleiches gilt, wenn die Montageanleitung derselben Qualität bei einem anderen Werbe-
fehlerhaft ist (sog. Ikea-Klausel). Dies gilt mittellieferanten. Aufgrund der Kürze der Zeit
allerdings nicht, wenn die Sache trotzdem fordert der Lieferant einen Preis pro Schirm
fehlerfrei montiert werden konnte. von 18,- EUR, also insgesamt 18000,- EUR.
Bei Mängeln, die innerhalb von sechs Mona- Mangel
ten ab Übergang der Gefahr auftreten, wird
gem. § 476 BGB vermutet, dass diese bereits Sachmangel Rechtsmangel
bei Gefahrübergang vorhanden waren. Der
• Sache entspricht nicht der Dritten steht ein Recht
Verkäufer muss dann diese Vermutung ent- vertraglich vereinbarten an der Sache zu
kräften. Beschaffenheit
• Keine Eignung für
vertraglich vorausgesetzte
Verwendung
sonst
• Keine Eignung für
gewöhnliche Verwendung
und nicht die übliche
Beschaffenheit

Abb. 20: Sachmangel einer verkauften


Sache
272 Rechtliche Grundlagen

4.5.1.2.2 Ausschluss der Aufgaben


Gewährleistungsrechte
10. a) Sollte die DMW AG von dem Ver-
Der Verkäufer haftet dem Käufer nicht für trag mit Hugo Anders zurücktreten
Sachmängel, wenn der Käufer diese Mängel oder Schadenersatz statt der Leistung
kennt und sich seine Rechte nicht vorbehält. verlangen?
Die Gewährleistung kann auch ausgeschlos-
b) Wie hoch ist der der DMW AG
sen sein, wenn der Käufer den Mangel infolge
entstandene Schaden?
grober Fahrlässigkeit nicht kennt. Davon
abgesehen kann der Käufer seine Rechte 11 Peter Braun liest in einem der Tageszei-
verlieren, wenn er die gekaufte Ware nicht tung beiliegenden Werbeprospekt, dass
prüft und den Mangel nicht rechtzeitig rügt. die Steinmann GmbH neuartige Kühl-
schränke herstellt, die einen bestimmten,
Für die Frage, ob den Käufer Untersuchungs-
konkret angegebenen Energieverbrauch
pflichten treffen, und wie zügig er den Ver-
nicht überschreiten. Peter Braun ist be-
käufer über den Mangel zu informieren hat,
geistert und kauft einen solchen Kühl-
kommt es darauf an, ob es sich bei dem Kauf
schrank der Steinmann GmbH beim Ein-
um ein Privat- oder um ein Handelsgeschäft
zelhändler Heiko Niemeyer. Bei dem
handelt. Ist der Käufer Nichtkaufmann, so
Verkaufsgespräch wird über den Ener-
trifft ihn keine besondere Untersuchungs-
gieverbrauch nicht gesprochen. Nach ei-
pflicht der Ware, Mängel hat er bei bewegli-
niger Zeit stellt Peter Braun fest, dass der
chen Sachen innerhalb der Gewährleistungs-
Energieverbrauch des Kühlschranks sich
frist von sechs Monaten anzuzeigen. Bei
zwar im üblichen Rahmen bewegt, je-
einem beiderseitigen Handelsgeschäft hinge-
doch erheblich über den Angaben im
gen, wenn also sowohl der Käufer als auch
Werbeprospekt liegt. Peter Braun ver-
der Verkäufer Kaufleute sind und das Ge-
langt daraufhin von Heiko Niemeyer die
schäft zu ihrem Handelsgewerbe gehört, hat
Lieferung eines anderen Kühlschranks
der Käufer die gelieferte Ware unverzüglich
der Modellreihe. Heiko Niemeyer lehnt
zu untersuchen und Mängel sogleich zu rü-
dies ab, da die Energiewerte bei Kühl-
gen. Sind die Mängel nicht sofort erkennbar,
schränken schwanken könnten und die
so hat der Käufer sie unverzüglich nach Ent-
Werbung nicht von ihm sei. Kann Peter
deckung und innerhalb der Gewährleistungs-
Braun dennoch Nachlieferung verlangen?
frist anzuzeigen.
Ferner kann die Sachmängelhaftung durch
Vereinbarung zwischen den Kaufvertragspar- Beispiel:
teien abbedungen werden. Ein solcher rechts-
geschäftlicher Ausschluss ist jedoch nichtig, Frank Hartmann, ein DMW-Händler, der
wenn der Verkäufer den Mangel arglistig auch mit gebrauchten PKWs anderer Herstel-
verschweigt. Zudem können – wie bereits ler handelt, verkaufte am 30. März 19.. einen
erläutert – Ausschlussklauseln in Allgemei- Sportwagen an Vivian Stern. Auf dem Kauf-
nen Geschäftsbedingungen unwirksam sein. vertragsformular befand sich der gedruckte
Vermerk „gekauft wie besichtigt unter Aus-
schluss jeder Gewährleistung“. Handschrift-
lich hatte Herr Hartmann hinzugefügt: „Das
Fahrzeug wird in einwandfreiem technischem
Zustand übergeben.“
4. Der Kaufvertrag 273

4.5.1.2.3 Verjährung der In den auf der Rückseite abgedruckten All-


Gewährleistungsrechte gemeinen Geschäftsbedingungen heißt es bei
Die Gewährleistungsansprüche des Käufers Gewährleistung: „Für den Kaufgegenstand
verjähren bei beweglichen Sachen grundsätz- wird keine Gewähr geleistet ... Ein Anspruch
lich nach zwei Jahren, bei Grundstücken nach auf ... Schadensersatz besteht nicht.“
5 Jahren ab Ablieferung bzw. Übergabe. Hat Zwei Monate später hatte Frau Stern mit dem
der Verkäufer den Mangel arglistig ver- Sportwagen einen schweren Unfall, der dar-
schwiegen, tritt Verjährung bei beweglichen auf zurückzuführen war, dass der rechte hin-
Sachen erst nach drei Jahren ein. Der Verkäu- tere Reifen geplatzt war. Von dem Reifenher-
fer muss sich jedoch auf die Verjährung beru- steller erhielt Frau Stern die Auskunft, dass
fen, nur dann wird sie bei einer gerichtlichen der geplatzte Reifen vom Typ 165 SR 13
Auseinandersetzung berücksichtigt. nicht für die Felgen des Sportwagens zugelas-
sen sei, so waren auch im Kfz-Brief Hinterrei-
4.5.1.2.4. Ausübung der fen vom Typ 185 HR 13 vorgegeben.
Gewährleistungsrechte Frau Stern möchte den entstandenen Schaden
Ist ein Sachmangel gegeben und ist die Ge- von Herrn Hartmann ersetzt verlangen, da die
währleistung nicht ausgeschlossen und auch unvorschriftsmäßige Bereifung Ursache des
nicht verjährt, so steht dem Käufer zunächst Unfalls war. Herr Hartmann lehnt eine Haf-
ein Anspruch auf Nacherfüllung zu. Diese tung seinerseits ab, da nicht er die Reifen
kann in einer Beseitigung des Mangels oder aufgezogen habe, sondern der Vorbesitzer,
in der Lieferung einer mangelfreien Sache außerdem hätte er keine haftungsbegründende
bestehen. Ist die für die Nacherfüllung gesetz- Gewähr für den technisch einwandfreien
te angemessene Frist abgelaufen oder eine Zustand aller Teile des Wagens übernommen.
Nacherfüllung ausnahmsweise nicht möglich Insgesamt übersteigt der geltend gemachte
bzw. vom Verkäufer verweigert worden, hat Schaden von Reparaturkosten, Wertminde-
der Käufer folgende Möglichkeiten: rung, Nutzungsentgang und Kosten für den
• Der Käufer kann vom Kaufvertrag zu- Sachverständigen den gezahlten Kaufpreis.
rücktreten. In diesem Fall wird der Ver- Herr Hartmann hat für den Schaden aufzu-
trag rückabgewickelt: Der Käufer gibt kommen, denn die fehlerhafte Bereifung stellt
dem Verkäufer die Sache zurück und der einen Sachmangel dar. Es fehlte die Eigen-
Verkäufer erstattet das bezahlte Entgelt. schaft der Betriebssicherheit, zudem fehlte
Rücktritt wird der Käufer wählen, wenn nach den Angaben im Kfz-Brief die Betriebs-
er entweder kein Interesse mehr an der erlaubnis. Durch den handschriftlichen Ver-
Sache hat oder diese woanders zu günsti- merk wurde dies zur vertraglich vereinbarten
geren Konditionen kaufen kann. Beschaffenheit. Der Gewährleistungsaus-
• Der Käufer könnte statt dessen aber auch schluss ist unwirksam, da die Individualabre-
Minderung des Kaufpreises verlangen. de den AGB vorgeht. Zudem gilt § 475 BGB.
Dieses Recht wird für ihn interessant
sein, wenn er die Sache trotz des Mangels
gebrauchen oder den Mangel selbst kos-
tengünstig beheben kann.
274 Rechtliche Grundlagen

• Hat der Käufer die Mangelhaftigkeit der


Sache zu vertreten, kann der Käufer auch
Schadenersatz statt der Leistung verlan-
gen, sofern der Mangel nicht nur gering-
fügig ist. Alternativ kann der Käufer auch
Ersatz seiner vergeblichen Aufwendun-
gen verlangen.

4.5.2 Leistungsstörungen auf


Seiten des Käufers Abb. 21: Haftung bei Sachmängeln
Die Erfüllung des Kaufvertrages kann auch
durch den Käufer gestört sein. Die häufigste
Störung auf Käuferseite ist der Zahlungsver-
zug. Die Verzugsvoraussetzungen sind ähn-
lich wie beim Lieferverzug, ebenso die Rech- Aufgabe
te des Verkäufers. Er kann selbstverständlich 12. a) Vivian Stern kauft in einem Kfz-
weiter auf Zahlung bestehen und den Scha- Zubehörladen ein Radio-Cassetten-
den, der ihm durch die verspätete Zahlung deck für 120,- EUR. Da sich die
entstanden ist, ersetzt verlangen. Der Verkäu- Kassetten nicht zurückspulen lassen,
fer kann aber nach Fristsetzung mit Ableh- verlangt Frau Stern Minderung des
nungsandrohung auch von dem Vertrag zu- Kaufpreises.
rücktreten oder Schadensersatz wegen Nicht-
aa) Welche Gründe könnte Frau
erfüllung fordern. In Verzug kann der Käufer
Stern haben, dass sie das fehler-
auch dadurch geraten, dass er die gekaufte
hafte Gerät behalten möchte und
Ware nicht rechtzeitig abnimmt.
nicht Wandlung verlangt?
ab) Wie wird die Minderung be-
4.6 Besondere rechnet (§ 441 Abs. 3 BGB)?
Kaufvertragsarten ac) Um welchen Betrag könnte Frau
Stern mindern, wenn sie das Ge-
• Kauf auf Probe oder Besicht rät für 120,- EUR gekauft hat, es
mangelfrei aber sogar 140,-EUR
Der Käufer hat das Recht, die Ware innerhalb wert gewesen wäre und wegen
einer vereinbarten Frist zurückzugeben. Ob er des Mangels tatsächlich nur ei-
die Ware behält, steht in seinem freien Belie- nen Wert von 120,- EUR hat?
ben.
ad) Um wie viel könnte Frau Stern
• Kauf zur Probe mindern, wenn das Gerät man-
Der Käufer kauft Ware und stellt dem Ver- gelfrei nur 95,- EUR und mit
käufer dabei in Aussicht, bei Gefallen eine dem Mangel lediglich 80,- EUR
größere Menge abzunehmen. wert wäre?
4. Der Kaufvertrag 275

Abb. 22: Unternehmen, zu denen die DMW AG Geschäftsbeziehungen unterhält

Zusammenfassung
Der Kaufvertrag gehört zu denjenigen Verträgen, die am häufigsten vorkommen. Eigent-
lich schließen ihn täglich Millionen Menschen ab, wenn sie ihren Haushaltsbedarf bei ihren
Händlern decken. Allerdings bedarf es hier nicht der schriftlichen Form, wie das unter
Kaufleuten sonst üblich ist. Die täglichen Haushaltseinkäufe der Privatkunden lösen bei
Warenmängeln auch nicht immer gleich einen Schriftverkehr aus. Geschäftsführer und Ein-
zelhandelskaufleute regeln solche Angelegenheiten meistens ohne „Wenn und Aber“. Im
sonstigen Geschäftsleben ist die bezahlte Rechnung Quittung für die Übergabe und oft Ga-
rantieschein für auftretende Risiken.
Daher muss man diese aufbewahren. Bei einem PKW-Kauf, einer Computer-Anschaffung,
einer Waschmaschinenbestellung etc. werden i. d. R. schriftliche Kaufverträge abgeschlos-
sen. Bei Kaufleuten untereinander ist das selbstverständlich. Die Rechte bei eingetretenen
Mängeln, z. B. bei Lieferungsverzug, bei Qualitätsmängeln, bei Annahmeverzug und bei
Zahlungseinstellung, sind vielfältig. Neben dem Kaufvertrag werden im Geschäftsleben
viele Verträge unterschiedlichster Art abgeschlossen, was aus den Geschäftsbeziehungen
der DMW AG hervorgeht (siehe Abb. 22).
Kapitel 4

Materialwirtschaft
von Axel W. Lange
überarbeitet von J.R. Tiedtke
278

Ein neu produzierter Golf wird im Auslieferungsturm des VW-Werks zwischengelagert.


1. Grundlagen der Materialwirtschaft 279

1. Grundlagen der Materialwirtschaft

1.1 Einleitung

1.1.1 Definition der Materialwirtschaft

Abb. 1: Ablaufschema der Materialwirtschaft

Der Gesamtbeschaffungsmarkt, aus dem Beispiel:


heraus sich das Unternehmen mit allen Fakto-
Die Situation der Materialwirtschaft bei
ren versorgen muss, die es zur Leistungser-
den DMW AG
stellung benötigt, lässt sich in drei verschie-
dene Bereiche gliedern (siehe Abb. 1): DMW kaufte 2005 Material, Betriebsstoffe
und Energie sowie Investitionsgüter im Wert
1. Waren und Dienstleistungen
von 1,8 Mrd. EUR.
2. Arbeitskräfte
Die Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebs-
3. Kapital. stoffen sowie an Halb- und Fertigfabrikaten
Aufgrund der grundsätzlich abweichenden für das Fahrzeuggeschäft konnten auf niedri-
Anforderungen und Problemstellungen der gem Stand gehalten werden.
beiden letzten Bereiche obliegt die Versorgung Die Investitionen wurden planmäßig fortge-
des Unternehmens mit Arbeitskräften der Per- führt. Sie beliefen sich im Berichtsjahr auf
sonalabteilung, während die Kapitalbereitstel- 300 Mio. EUR und wurden wiederum voll aus
lung durch den Finanzbereich erfolgt. dem Cashflow finanziert. Diese aus der In-
nenfinanzierung stammenden Finanzmittel
nahmen auf 290 Mio. EUR zu.
280 Materialwirtschaft

Materialwirtschaft ist die Gesamtheit aller In den letzten 5 Jahren hat die DMW AG
materialbezogenen Funktionen, die sich mit 1 Mrd. EUR in die Erweiterung und Moderni-
der Versorgung des Betriebs und des Marktes sierung des Stammwerkes in Hannover sowie
sowie der Steuerung des Materialflusses von in die Gründung des sächsischen Betriebes
den Lieferanten durch die Unternehmung bis (Halle) investiert.
zu den Kunden befasst..1 Bei der Planung des Fertigungslayouts und
des Materialflusses für das Werk in Halle
1.1.2 Aufgabe und Ziel der wurde konsequent auf die Teamarbeit in Fer-
Materialwirtschaft tigungsinseln ausgerichtet. In Emden ist dies
erst zu einem Teil realisiert, und hier werden
Die Aufgabe der Materialwirtschaft ist es, in den nächsten Jahren noch einige Investitio-
die Versorgung des Unternehmens mit Gütern nen notwendig sein, um das Ziel zu erreichen.
und Dienstleistungen
Der Materialfluss eines Unternehmens, das
• in der erforderlichen Art, Qualität und Serienfertigung betreibt, wie die DMW AG,
Menge ist i. d. R. deutlich besser strukturierbar als
• zum richtigen Zeitpunkt bei einem Unternehmen mit Auftragsferti-
gung. Doch jedes einzelne Bauteil, das bis zur
• am richtigen Ort und Fertigstellung eines Automobils produziert
• zu den geringstmöglichen Kosten oder zugeliefert werden muss, muss dann zum
zu gewährleisten. Innerhalb dieses Verant- richtigen Zeitpunkt zum richtigen Montage-
wortungsbereiches muss sie einen Kompro- platz transportiert werden, um im richtigen
miss zwischen den o.g. Forderungen der an- Auto montiert werden zu können. Für jedes
deren Abteilungen finden, der dem Gesamtin- einzelne Teil entsteht so ein eigener Material-
teresse der Firma am dienlichsten ist. fuß, der geplant und gesteuert werden muss.
Bei einem so komplexen Produkt wie einem
Die Aufgabe der Materialwirtschaft ist die Automobil ergeben sich so viele Einzelmate-
Versorgung des Unternehmens mit allen zur rialströme im Unternehmen, die alle aufein-
Leistungserstellung erforderlichen Waren und ander abgestimmt sein müssen. Für Außen-
Dienstleistungen. stehende ist ihre Gesamtheit bei der DMW
Ihr Ziel ist es dabei, die Summe aus Beschaf- AG fast unüberschaubar.
fungskosten, Neben-, Lager-, Verarbeitungs- Bauteile, bei denen die Stückzahlen nicht so
und Vertriebskosten zu minimieren. groß sind, dass die Fertigung in beiden Werken
Bei der Verfolgung dieses Zieles kommt es wirtschaftlich ist, werden nur an einem der
allerdings zu Interessenkonflikten mit den beiden Standorte gefertigt. Die Belieferung des
anderen Bereichen des Unternehmens. Diese jeweils anderen Werkes geschieht mit der Bahn
haben aus ihrer Sichtweise heraus andere und in dafür speziell entwickelten Doppelstock-
manchmal sogar gegensätzliche Interessen. waggons. Die Fertigung wurde so ausgeglichen
Diese zahlreichen Konfliktsituationen (Bei- aufgeteilt, dass die Waggons in beiden Rich-
spiele sind in Abb. 2 aufgeführt) zeigen die tungen meistens gut ausgelastet sind.
starke Verflechtung der Materialwirtschaft
mit den anderen Bereichen (siehe Abb. 46 am
Ende des Kapitels).

1 Hartmann, H.: Materialwirtschaft: Organisation,


Planung, Durchführung, Kontrolle, 6. überarb. u.
erw. Aufl., Gernsbach 1993, S. 20
1. Grundlagen der Materialwirtschaft 281

Bereich* Interessen und Ziele Beispiele fur Aus- In enger Kooperation mit den Zulieferern
der Bereiche wirkungen bei DMW werden große Teile, Produktionsmaterial und
Vertrieb - jeder Kunden- - breites Produkt- Fahrzeuge ebenfalls mit der Bahn befördert.
wunsch soll mög- spektrum bzw. hohe
lich sein Variantenvielfalt
- Lieferfähigkeit - hohe Bestände im
ohne Lieferzeit Fertidwarenlager
oder kleine Produk-
tions-Losgrößen
Fertigung - hohe Kapazitätsaus- - kleines Produkt-
lastung spektrum bzw. Va-
- keine Produktions- riantenvielfalt
störungen - große Produktions-
Losgrößen
- Ausgangsmateria-
lien hoher Qualität
- hohe Bestände im
Wareneingangsla-
ger, in den Zwi-
schenlagern der
Produktion und im
Ersatzteillager
Instand- - für jeden möglichen - hohe Bestände im
haltung Schaden soll das Ersatzteillager
Ersatzteil am Lager
sein
Finanz- - niedrige Kosten - kleines Produkt-
bereich - niedrige Kapital- spektrum/ Varian-
bindung tenvielfalt und gro-
ße Produktions- und Abb. 3: Funktionen der Materialwirt-
Beschaffungs-Los- schaft
größen; Ausgangs-
materialien not-
wendiger Qualität
- geringe Bestände in
allen Lagern und
damit indirekt klei-
ne Losgrößen
Einkauf - niedrige Kosten - große Beschaf-
fungs-Losgrößen;
Ausgangsmateria-
lien notwendiger
Qualität
Abb. 2: Die Materialwirtschaft und die
Zielkonflikte mit anderen Un-
ternehmensbereichen
* Die Beispiele sind unvollständig, so
fehlen der Bereich Lager und der Produk-
tionsfaktor Arbeit. Außerdem sind sie
auch für andere Autoproduzenten sym-
ptomatisch.
Abb. 4: Eine Entwicklung aus Deutsch-
land: das neue Kunststoffrad
282 Materialwirtschaft

Diese kurze Auflistung soll nur einen Ein- Pressenotiz


druck davon vermitteln, in welchem Konflikt-
Das neue Kunststoffrad mit einer Gewichtser-
feld sich die Materialwirtschaft befindet.
sparnis für die Erstausstattung ist im Septem-
ber des laufenden Jahres auf der „automecha-
1.1.3 Gliederung der nika“ in Frankfurt vorgestellt worden. Schon
Materialwirtschaft reißen sich die Autobauer um die Lizenz.
Die klassische Materialwirtschaft beschränkt
sich auf die Beschaffung und Lagerung von
Material. Sie gliedert sich in die Funktionsbe- Aufgabe
reiche (siehe Abb. 3):
1. a) Die neue Radentwicklung wird auch
1. Disposition (siehe 2.) für die DMW AG nicht ohne Folgen
2. Beschaffung (siehe 3.) und bleiben. Machen Sie sich Gedanken
3. Lagerhaltung (siehe 4.). darüber, welche Sektoren im Unter-
nehmen angesprochen werden, wenn
Die moderne, so genannte integrierte Mate- eine Lizenz hierzu erworben wird!
rialwirtschaft endet dagegen nicht mehr mit
der Bereitstellung des Materials für die Pro- b) Überlegen Sie, ob die gegenwärtigen
duktion, sondern umfasst außerdem: PKW-Modelle kurzfristig mit den
neuen Rädern ausgestattet werden
4. den innerbetrieblichen Transport (siehe 4.) können. Begründen Sie Ihre Überle-
5. die Fertigungssteuerung gungen!
6. das Verteilen der Fertigwaren sowie
c) Gesetzt den Fall, dass das neue Rad
7. die Entsorgung bzw. Reststoffverwertung fremdgefertigt (selbstständige Her-
(siehe 3.5). steller) werden muss: Welche Prob-
leme könnten sich für die DMW er-
1.1.4 Bedeutung und Kosten der geben?
Materialwirtschaft
Die Materialwirtschaft hat in den letzten 25
Jahren sowohl in der Wissenschaft als auch in Beispiel:
der Unternehmenspraxis stark an Bedeutung Die hochgradig automatisierte Fertigung
gewonnen. Im Gegensatz zu den Bereichen der DMW AG
Produktion und Absatz, die schon viel früher
im Blickpunkt des betriebswirtschaftlichen Ein zunehmender Automatisierungsgrad bringt
Interesses standen, ist sie noch ein verhält- zwar viele Vorteile, aber leider auch Nachteile
nismäßig junges Gebiet. mit sich. Dies wird besonders in der Endmon-
tage deutlich. An den einzelnen Stationen ent-
Die Notwendigkeit dieser Entwicklung resul- lang der Hauptfertigungsstraße werden die
tiert hauptsächlich aus zwei Gründen: verschiedenen Montageschritte durchgeführt,
1. In allen Branchen findet sich die Tendenz, also z. B. der Motor eingebaut oder Stoßfänger
die Fertigungstiefe zu reduzieren, d.h. montiert. Hier kommt es darauf an, dass die
immer mehr Teile und Baugruppen durch Bauteile in genau der richtigen Reihenfolge der
spezialisierte Zulieferfirmen fremdferti- Station zugeführt werden. Dabei spielt es keine
gen zu lassen. Damit hat sich der Anteil der Rolle, ob das Teil von einem Zulieferer kommt
Beschaffungskosten an den Gesamtkosten oder aus einer der eigenen Vorfertigungsstufen
immer weiter erhöht. stammt.
1. Grundlagen der Materialwirtschaft 283

2. Die Forderung der Kunden nach immer


mehr Flexibilität der Unternehmen mach-
te es notwendig, die Materialflüsse im
Unternehmen effizienter zu gestalten.
Die große Bedeutung der Materialwirtschaft
wird klar, wenn man sich veranschaulicht,
wie hoch der Anteil der Kosten, die in ihrem
Einflussbereich liegen, am Gesamtumsatz
eines Unternehmens ist (siehe Abb. 5).
Die gesamten Kosten der Materialwirtschaft
entstehen durch die Kosten
• der Materialdisposition
• des Einkaufs Abb. 5: Kostenstruktur der DMW AG
• der Lagerwirtschaft und Bedeutung der Material-
wirtschaft
• des innerbetrieblichen Transportes
• der Reststoffverwertung und Entsorgung Aufgabe
• sowie der strategischen, vom Bedarfsfall 2. Die Kostenstruktur der DMW AG sowie
unabhängigen Funktionen. die Umsätze sind in Abb. 6 ausgewiesen.
In den nachfolgenden Abschnitten wird auf Eine Kostenreduzierung im Materialsektor
diese Kosten genauer eingegangen. von 4% würde zu einer höheren Umsatz-
rendite von 6,67% (Zahlen in Klammern)
führen. Wie hoch muss die Umsatzrendite
werden, damit eine Umsatzerhöhung von
33 1/3 % bei gleichen Kostenproportionen
(Ausgangslage – ohne Klammern) zum
gleichen Gewinn kommt?

Abb. 6: Bedeutung der Beschaffungskosten für den „Return of Investment“ (ROI)


284 Materialwirtschaft

In vielen Betrieben macht das Beschaffungs-


volumen über 50 % des Umsatzes aus. Die
Kosten der Materiallagerung und -bewegung
betragen grob 20 % des Warenwertes.
Die Materialwirtschaft hat sich damit von
einer verschiedenen anderen Bereichen zuge-
ordneten Nebenfunktion zu einem eigenstän-
digen Gebiet entwickelt.

1.2 Organisation der


Materialwirtschaft

Eine Organisation ist ein System von Rege-


lungen, das dazu dient, das Verhalten der Abb. 7: Die unterschiedliche Stellung
Mitglieder der Organisation auf ein gemein- der Materialwirtschaft in Unter-
sames Ziel auszurichten. nehmen verschiedener Branchen

1.2.1 Aufbauorganisation Beispiel:


Stellung der Materialwirtschaft in der
Die Stellung, die die Materialwirtschaft in Organisation der DMW AG
einem Unternehmen einnimmt (oder zumin-
dest einnehmen sollte), ist keineswegs immer In der DMW AG hat die Materialwirtschaft
gleich. Sie ist in erster Linie abhängig von der eine so große Bedeutung, dass sie ein eigenes
Branche, aber auch Faktoren wie Betriebs- Vorstandsressort bildet (siehe Abb. 8). Ihm
größe und -art sind entscheidend. unterstellt sind der Zentraleinkauf und die
Logistik. Im Rahmen der Errichtung des neuen
Eine besonders große Bedeutung für den Standortes in Halle wurde das Konzept der
Unternehmenserfolg hat die Materialwirt- Materialwirtschaft hinsichtlich ihrer Zentrali-
schaft in Unternehmen, bei denen viel Material sierung bzw. Dezentralisierung neu überdacht.
auf gleiche Weise bewegt wird. Diese Bedeu- Danach wurde entschieden, dass der Einkauf
tung spiegelt sich auch in der Organisation zentral im Stammwerk in Hannover bleibt und
wider, denn sie ist entweder als Hauptabteilung von dort aus auch die Beschaffung für das Werk
organisiert oder bildet sogar ein eigenes Vor- in Halle mit übernimmt. Aufgrund der engeren
stands- bzw. Geschäftsführungsressort. Verzahnung mit der Produktion wurde die
In Dienstleistungsunternehmen (z.B. Banken Logistik in dem neuen Werk nach dem gleichen
und Versicherungen) spielt die Materialwirt- Schema organisiert, welches sich in Hannover
schaft dagegen i.d.R. nur eine untergeordnete bereits gut bewährt hatte.
Rolle.
Die Organisation des Einkaufs wird in Ab-
schnitt 3. genauer beschrieben. Unterschieden Aufgabe
wird dabei, ob es sich um einen zentralen 3. a) Auch die Airbus-Industrie steht vor
oder dezentralen Einkauf handelt und ob die der Frage, die in Eigenregie geführ-
Arbeit der Einkaufs-Mitarbeiter nach Funkti- ten Zulieferer (2006) zu verselbst-
onen (Tätigkeiten) oder Objekten (Artikel- ständigen. Welche Begründung wird
gruppen) gegliedert ist. hierzu angeführt.
1. Grundlagen der Materialwirtschaft 285

Abb. 8: Die Aufbauorganisation (Organigramm) der Materialwirtschaft bei der DNW AG

Im Lagerbereich wird ebenfalls zwischen Ergänzendes zur Einkaufsorganisation


zentral bzw. dezentral organisierter Lagerhal-
Der Trend zu Kooperationen mit der Zuliefe-
tung unterschieden.
rerindustrie hat sich sicher einerseits durch
Das Schaubild auf Seite 278 offenbart nur die Datenfernübertragung (DFÜ) und andererseits
Art der Lagerung, nicht aber, ob sie zentrali-
durch Besinnung der Hersteller auf Kernbe-
siert oder nicht zentralisiert ist. Das Modell reiche sowie die Konzentration der Ge-
spielt dabei keine Rolle.
schäftsbeziehungen auf wenige Lieferanten
verstärkt, weil hierin Kostensenkungspotenzi-
1.2.2 Ablauforganisation ale vermutet werden. Auch die Globalisierung
Die Ablauforganisation soll die wirtschaft- der Märkte (Öffnung und Zugang zu allen
lich optimale Abfolge des Gesamtprozesses Märkten der Welt) tut das ihre. Kraftfahr-
gewährleisten. Mitarbeiter und Sachmittel zeughersteller setzen heute auf Systemliefe-
müssen zeitlich und räumlich so eingesetzt ranten. Zur besseren Abstimmung werden
werden, dass alle Arbeitsgänge lückenlos und, heute zwischen ihnen und dem Hersteller,
wenn möglich, auch parallel ablaufen können. auch schon zwischen Kunden und Produzen-
Die Materialwirtschaft ist für die Ablauforga- ten, Arbeitskreise (Team Projekte) eingerich-
nisation in ihrem Bereich und damit vor allem tet, die Struktur und Logistik, Strategie und
für die des Materialflusses im Unternehmen Ausführung (operative Gestaltung) jeweils
verantwortlich. beider Unternehmen zusammenführen.

Aufgabe
3. b) Verschaffen Sie sich einen Überblick
über die Aufbau- und die Ablaufor-
ganisation der Materialwirtschaft in
Ihrem Ausbildungsbetrieb!
286 Materialwirtschaft

Materialfluss ist die „Verkettung aller Vor- Innovation und Zukunftsfähigkeit der Autoin-
gänge beim Gewinnen, Be- und Verarbeiten dustrie bestimmen immer mehr die Zulieferer.
sowie bei der Verteilung von stofflichen Gü- Die Branche befindet sich in einem tiefen
tern innerhalb festgelegter Bereiche“. (VDI- Umbruchsprozess. Lag die Fertigungstiefe
Richtlinie 3300). 1995 bei ihr noch bei 40 %, dürften bis zum
Zu diesen Vorgängen gehören die Funktionen Jahr 2015 Zulieferer bereits 80 % der Ent-
Handhaben, Transportieren, Prüfen, Aufent- wicklung und Produktion für die Hersteller
halte und Lagerungen. übernommen haben. Grund: Die Technik
„Autos sind so kompliziert geworden, dass es
Der Informationsfluss steht in engem Zu- wenig Sinn macht, wenn der Autohersteller
sammenhang mit dem Materialfluss und ver- alles allein macht“(Dudenhöfer).
läuft in entgegengesetzter Richtung (siehe
Abb. 9). (Die Welt 19.7.2004)

1.2.3 Warenbereitstellung Beispiel


Die Aufgabe der Warenbereitstellung der Warenbereitstellung bei der DMW AG
Materialwirtschaft wird i.d.R. durch die Ver- Bei der DMW AG werden artikelabhängig drei
wendung eines Lagers gelöst. Ausgenommen Bereitstellungssysteme eingesetzt. Die Artikel
sind alle Einzelbeschaffungen im Bedarfsfall werden über das Vorratshaltungsprinzip be-
sowie die in den letzten Jahren immer häufi- reitgestellt. Die lagerlose Sofortverwendung
ger eingesetzte lagerlose Sofortverwendung wird erfolgreich bei verhältnismäßig teuren
von Materialien. Daraus ergeben sich drei und variantenreichen Zuliefer-Systemkompo-
Prinzipien der Warenbereitstellung, die in nenten praktiziert. Einzelbeschaffung im Be-
Abb. 10 gegenübergestellt sind. darfsfall: Investitionsprojekte.

Haupt-Materialfluss

Haupt-Informationsfluss
Abb. 9: Material- und Informationsfluss in der Ablauforganisation der Materialwirtschaft
bei der DNW AG
1. Grundlagen der Materialwirtschaft 287

Warenbereit- Bedarfsdeckung Kennzeichnung und Anwendung Vor- und Nachteile


stellungsprinzip …
1. Vorratshaltung ... durch Vorrats- Materialien werden im eigenen Lager + Schnelle Verfügbarkeit
haltung bevorratet + Unempfindlich bei Lieferverzöge-
Überwiegend in Betrieben mit Massen- rung
bzw. Serienfertigung + Günstige Beschaffungskosten
durch große Mengen
- Hohe Kapitalbindungs- und
Lagerhaltungskosten
2. Lagerlose ... ohne Vorrats- Die Materialien werden geplant, dass + Keine Kapitalbindungs- und
Sofort- haltung sie genau zum Bedarfszeitpunkt ange- Lagerhaltungskosten
verwendung liefert werden. - Hohe Empfindlichkeit gegenüber
Für großvolumige, teure Materialien Lieferverzögerungen
mit hohem, genau vorhersehbarem - Hoher Planungsaufwand
Bedarf
3. Einzelbeschaf- ... ohne Vorrats- Materialien werden erst bei Vorliegen + Geringe Kapitalbindungs- und
fung im Bedarfs- haltung eines konkreten Bedarfs be(reitge)stellt Lagerhaltungskosten
fall Einzel- und Kleinserienfertigung - Lieferzeiten
- Anfällig gegen Lieferverzögerun-
gen
- Hohe Beschaffungskosten durch
kleine Mengen

Abb. 10: Prinzipien der Warenbereitstellung

1.3 Daten- und Informationsverarbeitung in der


Materialwirtschaft

Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, benö- Beispiel:


tigt die Materialwirtschaft eine Fülle von
EDV-Einsatz in der Materialwirtschaft der
Informationen sowohl aus dem eigenen Un-
DMW AG
ternehmen als auch von außen. So kommen
z.B. von den Bedarfsträgern des Unterneh- Eine der vielen Aufgaben der Materialwirt-
mens interne Informationen in Form von schaft von DMW ist die Versorgung des Un-
Bedarfsanforderungen. Beispiele für externe ternehmens und vor allem der Servicewerk-
Informationen sind Angebote von Lieferan- stätten mit Ersatzteilen. Sowohl für die aktu-
ten oder die Wettbewerbssituation auf dem ellen Fahrzeuge als auch für die vielen voran-
Markt für Edelstahl. gegangenen Wagenmodelle, für die noch
Ersatzteile vorgehalten werden müssen, exis-
Die Informationen müssen gesammelt und
tieren derzeit etwa 230 000 verschiedene
ausgewertet werden, um sie so weit wie mög-
Ersatzteile. Um diese verwalten zu können, ist
lich für das Unternehmen nutzen zu können.
der Einsatz moderner EDV nicht mehr weg-
Die Gesamtkonzeption des Informationswe-
zudenken.
sens bildet ein wesentliches Teilsystem der
materialwirtschaftlichen Organisation.1 Dabei kommen verschiedene Module zum
Einsatz, die miteinander verknüpft sind und
mit einer einheitlichen Datenbasis arbeiten:

1 Grochla, E.: Grundlagen der Materialwirtschaft,


3. Aufl. Wiesbaden 1978, S. 200 f.
288 Materialwirtschaft

Schon in mittelgroßen Industrie- und Han- • Der Einkauf wird durch ein Beschaf-
delsbetrieben ist die Vielzahl an Informatio- fungssystem unterstützt. (Dieses hat z. B.
nen, mit denen die Materialwirtschaft heute Schnittstellen zur Warenwirtschaft sowie
fertig werden muss, so groß, dass eine Verar- zur Rechnungsprüfung und weiter zur Fi-
beitung ohne moderne DV-Technik oft un- nanzbuchhaltung.)
möglich und mit Sicherheit unwirtschaftlich
• Die Fertigungssteuerung wird durch ein
ist. Die wichtigen Informationen der einzel-
umfangreiches PPS-System unterstützt.
nen Abteilungen werden mittels geeigneter
Programme in einer Datenbank gesammelt. • Die Lagerhaltung und innerbetriebliche
Von dort aus können die Daten dann weiter- Warenbewegung werden über ein Wa-
verarbeitet und von allen genutzt werden, die renwirtschaftsmodul verwaltet.
diese Informationen zur Durchführung ihrer Zunehmend gewinnt auch die Anbindung
Aufgaben benötigen. strategischer Lieferanten an das eigene DV-
Aus dem gesamten Spektrum der betriebs- System an Bedeutung. So wurden in den
wirtschaftlichen Anwendungs-Software letzten Jahren Datenverbundsysteme mit zwei
kommen in der Materialwirtschaft üblicher- „Just-in-time“-produzierenden Systemliefe-
weise folgende Programme zum Einsatz: ranten eingerichtet (siehe Abschnitt 3.4.2).
Die Lieferanten bekommen dadurch die ein-
• ein Programm zur Unterstützung der
zelnen Aufträge von DMW direkt per Daten-
Beschaffungstätigkeiten
leitung in ihr DV-System eingespielt. Umge-
• ein Warenwirtschaftssystem für die Be- kehrt kann DMW ständig deren Fertigungs-
standsführung sowie stand abfragen und in der eigenen Planung
• ein Produktionsplanungs- und -steue- berücksichtigen.
rungssystem (PPS-System). So hat die DMW AG rechtzeitig an den stra-
Der Datenaustausch zwischen den einzelnen tegischen Entwicklungen der Industriebetrie-
Programm-Modulen wird durch entsprechen- be auf dem Beschaffungssektor teilgenommen
de Schnittstellen ermöglicht. und so vorzeitig auf die Kostenhöhe senkend
gewirkt.

1.4 Qualitätssicherung in der Materialwirtschaft


Qualität bedeutet im Allgemeinen die „Be- Beispiel:
schaffenheit einer Einheit bezüglich zu ihrer
Qualitätssicherung bei der DMW AG
Eignung festgelegten und vorausgesetzten
Anforderungen zu erfüllen“. In der betriebli- Bei der DMW AG wurde schon vor Jahren
chen Praxis wird allerdings die Auffassung erkannt, welche hohe wirtschaftliche Bedeu-
vertreten, dass Qualität mehr umfasst als nur tung eine produktionsbegleitende Qualitätssi-
ein technisch perfektes Produkt. So versteht cherung hat, und frühzeitig die erforderlichen
man unter Qualität auch die Art und Weise, in Konzepte erstellt und nach und nach umgesetzt.
der das Produkt bzw. die Problemlösung an Um dieses umfangreiche Qualitätsmanage-
den Kunden verkauft wird – die sog. Ge- ment dokumentieren zu können, wurde von
schäfts- bzw. Unternehmensqualität. der DMW AG die Zertifizierung nach der
ISO 9000 Vorschrift angestrebt. Die Kon-
zepterstellung und Realisierung hierfür haben –
verzögert durch den Neubau in Halle – zusam-
men fast 3 Jahre in Anspruch genommen.
1. Grundlagen der Materialwirtschaft 289

Qualitätssicherung ist in den meisten Unter- Die wichtigsten Lieferanten werden in unre-
nehmen zu einem immer wichtigeren Thema gelmäßigen Abständen „Lieferantenaudits“
geworden (Schlagwort „Total Quality Ma- unterzogen.
nagement – TQM). (vergl. S. 19, Abb. 17)
Die Hauptgründe sind: TÜV
• Der Kunde akzeptiert nur Produkte mit Zertifikat
einwandfreier Qualität.
Die TÜV-Zertifizierungsgemeinschaft e.V.
• Die Korrektur eines Qualitätsmangels bescheinigt hiermit, dass das Unternehmen
wird umso teurer, je später er bemerkt
wird. Deutsche Motorenwerke AG
Während früher die Qualität durch eine auf- Lister Damm 58-67
wändige Endkontrolle erreicht wurde, wird D-30163 Hannover
die Qualitätssicherung heute zunehmend nach für den Geltungsbereich
jedem Produktionsschritt durchgeführt. So
wird gewährleistet, dass nur einwandfreie Herstellung und Vertrieb von Personenkraft-
Teile in der nächsten Fertigungsstufe verar- wagen
beitet werden. ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt
Um weitgehend gewährleisten zu können, hat und anwendet.
dass auch die Zulieferer qualitativ einwand- Durch ein Audit, Berichts-Nr. 1234, wurde
freie Teile liefern, finden bei besonders wich- der Nachweis erbracht, dass die Forderungen
tigen Lieferanten so genannte „Audits“ statt. der
Dabei werden die Zulieferer daraufhin über- DIN ISO 9001
prüft, inwieweit sie die Voraussetzungen
besitzen, um die erforderliche Qualität und erfüllt sind.
Zuverlässigkeit zu erfüllen. Dieses Zertifikat ist gültig bis
Unternehmen,. die über ein geschlossenes Juli 2010
Qualitätsmanagement verfügen, können sich Zertifikats-Register-Nr.
dieses von bestimmten unabhängigen Institu-
ten testieren lassen, um dies auch nach außen 08 15 47 11
Hannover, Hannover,
hin (gegenüber ihren Kunden) dokumentieren den 20. November 20.. den 20. November 20..
zu können. Zum Erwerb dieses Zertifikates
muss gegenüber einem unabhängigen Institut
nachgewiesen werden, dass ein durchgehen- TÜV-Präsidium TÜV-Zertifizierungsstelle des
des Qualitätssicherungssystem angewendet TÜV Bremen

wird, das neben der Fertigung auch alle ande- Abb. 11: Die ISO 9000-Zertifizierungs-
ren Abteilungen umfasst. Die Vorschrift bzw. urkunde der DMW AG
Norm, nach der diese Zertifizierungen erfol-
gen, trägt die Bezeichnung ISO 9000. Zu-
nehmend verlangen Unternehmen von ihren Aufgabe
wichtigen Zulieferern diesen Nachweis.
4. Wieso kann eine einmalige Endkontrolle
höhere Kosten verursachen als Kontrol-
len nach jedem Produktionsschritt?
290 Materialwirtschaft

2. Materialdisposition

2.1 Einleitung

Damit die Absatzpläne und die daraus abge- Beispiel:


leiteten Produktionspläne erfüllt werden kön-
Unterschiedliches Vorgehen bei der Mate-
nen, ist es notwendig, so rechtzeitig wie mög-
rialdisposition der DMW AG
lich zu ermitteln, wo, wann und wie hoch der
Bedarf an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Die Art und Weise des Vorgehens bei der
Halbfabrikaten und Handelswaren innerhalb Materialdisposition ist bei DMW (wie in
des Leistungserstellungsprozesses sein wird vielen anderen Unternehmen auch) sehr stark
(siehe Abb. 14). Nur so kann eine rechtzeitige abhängig von der Art und dem Zweck des zu
Bereitstellung erfolgen und können unnötige beschaffenden Artikels selbst. So wird z. B.
Verzögerungen vermieden werden. ein wichtiger Rohstoff grundsätzlich anders
disponiert als ein Radiergummi und eine neue
Die Aufgabe der Materialdisposition ist es, Produktionsanlage anders als DIN-Schrauben
dafür zu sorgen, dass alle zur Leistungserstel- für das Ersatzteillager der Betriebswerkstatt.
lung benötigten Waren in der richtigen Art
und Menge und zum richtigen Termin zur Im Mittelpunkt der DMW-Materialdisposition
Verfügung stehen. steht natürlich die Versorgung des Unterneh-
mens mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen
Ausgangspunkt der Disposition sind die Be- sowie den fremdgefertigten Baugruppen und
darfsinformationen Bedarfsmenge und Handelswaren. Für Büromaterial existieren
Bedarfstermin, aus denen dann in den
dagegen kleinere Büromateriallager für räum-
Schritten lich zusammenliegende Abteilungen, die
1. Bedarfsrechnung (siehe 2.2), jeweils ihre Anforderungen an den Einkauf
2. Bestandsrechnung (siehe 2.2) und weitergeben.
3. Bestellrechnung (siehe 2.3)
die Bestellinformationen Bestellmenge und
Bestelltermin gewonnen werden müssen
(siehe Abb. 12).
(Spezielle moderne Beschaffungs- und Dispo-
sitionskonzepte, wie z.B. Kanban oder Just-
in-time, werden in Abschnitt 3.4.2 beschrie-
ben.)

2.2 Bedarfsmengenplanung

Vor der eigentlichen Bestellung muss zu-


nächst einmal der Bedarf möglichst genau
ermittelt werden. Abb. 12: Schema des Dispositionsablaufes
2. Materialdisposition 291

Wird zu viel beschafft, so führt dies erstens Beispiel:


zu einer unnötig hohen Kapitalbindung, und
Bedarfsmengenplanung bei der DMW AG
zweitens besteht die Gefahr, dass ein Teil der
Waren aufgrund von Schwund oder Veralte- Artikel, die nur sehr selten benötigt werden
rung später nicht mehr genutzt werden kann. (wie z. B. Maschinen) oder für den Produkti-
Ein zu geringer Bestand kann dagegen zu onsprozess keine entscheidende Rolle spielen
erheblichen Produktionsverzögerungen und (wie z. B. ein Schreibtischstuhl), werden i. d.
zu Kundenverlusten führen. R. nur auf einen konkret entstandenen Bedarf
hin beschafft.
Es werden drei Dispositionsarten bzw.
-verfahren unterschieden (siehe Abb. 13), Für die Disposition der Roh-, Hilfs- und Be-
nach denen der Bedarf ermittelt werden kann. triebsstoffe sowie der fremdgefertigten Teile
wird bei DMW die Stücklistenauflösung
In direktem Zusammenhang mit den Disposi-
eingesetzt:
tionsarten stehen die jeweils zur Anwendung
kommenden drei Bedarfsermittlungsverfahren Bei maschinellen Anlagen kann es sich um
bzw. -methoden: Ersatzinvestitionen handeln oder bei Kapazi-
tätserweiterungen um Neuinvestitionen.
Dispositionsart Angewendetes siehe
Bedarfsermittlungsve in In dem Moment, wo der Auftrag eines Kun-
rfahren den für einen bestimmten Wagen, mit allen
1. Plan- oder pro- 1. Deterministische 2.2.1 gewünschten Extras, erfasst wird, können, mit
grammgesteuerte Bedarfsermittlung
Disposition Hilfe der im Rechner hinterlegten Stücklisten,
2. Auftragsgesteuer- alle dafür notwendigen Teile bestimmt werden.
te Disposition
3. Verbrauchsge- 2. Stochastische 2.2.2
Welche Bedarfsvorhersagemethode bei DMW
steuerte Dispositi- Bedarfsermittlung zur Anwendung kommt, richtet sich danach,
on 3. Subjektiv schät- um welchen Artikel es sich handelt.
zende Bedarfser-
mittlung Während der Bedarf der strategisch besonders
wichtigen A-Teile (siehe Abschnitt 3.4.3)
Abb. 13: Übersicht Dispositionsarten/ programmorientiert vorhergesagt wird, wer-
-verfahren und Bedarfsermitt- den die „wichtigeren“ C-Teile verbrauchsori-
lungsverfahren/-methoden entiert disponiert.
2.2.1 Plangesteuerte Disposition
Zur Bestimmung des Bedarfs wird in der
plan- oder programmgesteuerten Disposition
die deterministische Bedarfsrechnung ein-
gesetzt.
Die Basis der deterministischen Bedarfsmen-
genermittlung ist, sowohl für Industrie- als
auch für Handelsunternehmen, der Absatz-
plan. In Fertigungsbetrieben wird daraus
zunächst ein Produktionsplan erstellt. Aus
diesem wird dann, durch das Auflösen der
vorliegenden Stücklisten bzw. Rezepturen,
der Bedarf an Roh-, Hilfs- und Betriebsstof-
fen sowie Halbzeugen und Handelswaren Abb. 14: Der Zusammenhang von Ab-
ermittelt (siehe Abb. 14). satzplan und Bedarfsermittlung
292 Materialwirtschaft

2.2.1.1 Stücklisten Beipiel:


Eine Stückliste ist eine Aufstellung, aus der DMW-Stücklisten
die Einzelteile und Baugruppen entnommen
Die Grundfortnen der Stücklisten sollen am
werden können, aus denen ein Produkt zu-
Beispiel einer Scheibenkupplung für den
sammengesetzt ist. Es gibt folgende Grund-
„Shopper“ verdeutlicht werden:
formen der Stücklisten:
1. Die Mengenübersichtsstückliste:
• Die Mengenübersichtsstückliste ist die
einfachste Stücklistenform. Aus ihr ge- Scheibenkupplung
hen alle Komponenten eines Produktes Pos. Menge Bezeichnung Werkstoff
und deren benötigte Menge hervor. Da- (Norm-Kurzbez.) Halbzeug
1 1 Kupplungshälfte 1 GGG-40
gegen lassen sich aus ihr keine Informa- 2 1 Kupplungshälfte 2 GGG-40
tionen über die Verwendungsstruktur 3 2 Halbring St37-1
entnehmen. 4 4 Sechskantschraube 9
(M 10x40 DIN 981)
• Die Baukastenstückliste weist für jede 5 4 Sechskantmutter 8
Baugruppe immer die Teile der nächsttie- (M 10 DIN 934)
feren Fertigungsstufe aus. 6 2 Passfeder St60-2K
(B8x7x30 DIN 6885)
• Der Strukturstückliste lassen sich so-
wohl alle Einzelteile eines Produktes ent- 2. Die Strukturstückliste:
nehmen als auch die Struktur ihres Zu-
sammenbaus über die einzelnen Ferti-
gungsstufen.
• Misch- und Sonderformen.
Stücklisten werden sowohl bei der determi-
nistischen Bedarfsplanung als auch in der
Konstruktion, Fertigung (siehe Kapitel „Pro-
duktion“) und Kalkulation benötigt.

2.2.1.2 Bedarfsarten
Generell lassen sich die drei Bedarfsarten Abb. 15: Grundformen von Stücklisten
• Primärbedarf Beispiel:
• Sekundärbedarf und Bedarfsauflösung bei der DMW AG
• Tertiärbedarf Auf Basis der Kundenaufträge (Brutto-
unterscheiden (siehe Abb. 16). Primärbedarf) aus dem vorliegenden Produkti-
Der Primärbedarf ist der Bedarf an Endpro- onsplan für die „Single“-Produktion der nächs-
dukten, die von den Kunden beim Unterneh- ten Woche errechnet sich durch Stücklistenauf-
men nachgefragt werden (d.h. der Bedarf, der lösung u. a. ein Brutto-Sekundärbedarf von 784
im Absatz- bzw. dem Produktionsplan festge- Stoßdämpfern (hinten). Das Materialwirt-
legt ist). Außer den eigentlichen Fertigpro- schaftssystem weist einen aktuellen Lagerbe-
dukten und Handelswaren können dies auch stand von 620 Stück aus. Davon sind allerdings
Ersatzteile sein. bereits 278 für die Produktion dieser Woche
reserviert. Außerdem muss bei der Disposition
ein Sicherheitsbestand von 390 Stück (Bedarf
für etwa eine halbe Woche) beachtet werden.
2. Materialdisposition 293

Über eine Stücklistenauflösung (insbesondere Der Netto-Sekundärbedarf (bzw. die Bestell-


im Maschinen- und Automobilbau), eine menge) der nächsten Woche beträgt also
Rezepturauflösung (insbesondere in Unter- 784- (620-278) + 390 = 832 Stück.
nehmen der Lebensmittel- oder chemischen
Industrie) oder Teileverwendungsnachweise
wird der Sekundärbedarf ermittelt. D.h., es
werden Art und Menge aller Baugruppen,
Einzelteile oder Rohstoffe ermittelt, die vom
Unternehmen benötigt werden, um den Pri-
märbedarf befriedigen zu können.
Der Tertiärbedarf bezieht sich auf alle Mate-
rialien und Dienstleistungen, die vom Unter-
nehmen zur Leistungserstellung benötigt wer-
den, ohne dass sie direkter Bestandteil des End-
produktes werden (siehe Abschnitt 2.2.2).
In Handelsunternehmen entfällt oft die Um-
rechnung von Primärbedarf in Sekundär- oder
Tertiärbedarf, weil die Waren unverändert
weiterverkauft werden. Stücklisten werden
daher nicht benötigt.

2.2.1.3 Brutto- und Nettobedarf


Für jede der vorangehend genannten Bedarfs-
arten muss zunächst von der benötigten Men-
ge, dem so genannten Bruttobedarf, die
Menge abgezogen werden, die bereits verfüg-
bar im Lager vorhanden oder bereits bestellt
ist. Der Nettobedarf ergibt sich dann als die
verbleibende Menge nach Abzug der Lager-
bestände.
Die plangesteuerte Disposition erlaubt eine
sehr genaue Bestellmengen- und Terminpla-
nung, sodass die Sicherheitsbestände niedrig
gehalten werden können. Sie ist zukunftsorien-
tiert. Da mit ihr ein großer Dispositionsauf-
wand verbunden ist, wird sie nur für Rohstoffe
und hochwertige Hilfsstoffe eingesetzt.
Die Umrechnung von Brutto(primär)bedarf in
den Netto(primär)bedarf findet in Handelsun- Abb. 16: Bedarfsarten – Brutto- und
ternehmen in der gleichen Weise statt. Nettobedarf
294 Materialwirtschaft

2.2.2 Verbrauchsgesteuerte Beispiel:


Disposition Die gleitende Mittelwertberechnung
Zur Bestimmung des Bedarf werden in der Die gleitende Mittelwertberechnung ist ein
verbrauchsgesteuerten Disposition die einfaches Verfahren für die Bedarfsprognose.
Methoden der stochastischen Bedarfsrech- Der Bedarf eines Artikels für die folgende
nung eingesetzt. Im Gegensatz zur planorien- Periode wird dabei als arithmetisches Mittel
tierten Disposition wird hier nicht zukunfts- aus dem Verbrauch der jeweils letzten n Vor-
orientiert disponiert, sondern vergangenheits- perioden errechnet.
orientiert. Um die Bedarfsmenge des nächsten Monats für
Die Verfahren beruhen auf der Annahme, DIN xyz-Schrauben zu bestimmen, wird z. B.
dass sich der zukünftige Bedarf analog zu der das arithmetische Mittel aus den Verbrauchs-
vergangenen Bedarfsentwicklung verhält und werten der letzten 12 Monate berechnet. Der
somit aus den Verbräuchen der Vergangen- Benzinschlauchbedarf der übernächsten Wo-
heit berechnen lässt. Die gängigsten Metho- che wird aus dem arithmetischen Mittel der
den sind letzten vier Wochenverbräuche bestimmt.
• die gleitende Mittelwertberechnung Diese Methode wird „gleitend“ genannt, weil
(siehe Beispiel rechte Spalte) und mit jeder neuen Periode der Wert der Vorpe-
riode neu in die Mittelwertberechnung mit
• die exponentielle Glättung erster Ord-
einfließt und dafür der älteste Wert nicht
nung (auf welche hier nicht näher einge-
mehr zur Berechnung herangezogen wird.
gangen wird).
In Fällen, wo die Voraussetzungen für diese
Methoden nicht zutreffen (z. B., weil Vergan-
genheitswerte fehlen), kann der Bedarf Aufgabe
manchmal nur subjektiv geschätzt werden.
5. Erkundigen Sie sich in Ihrem Ausbil-
Die verbrauchsorientierte Disposition ist
dungsbetrieb, welche Verfahren zur Be-
weit weniger aufwändig als die programmori-
darfsermittlung eingesetzt werden (plan-
entierte. Sie ist vergangenheitsorientiert.
gesteuerte oder verbrauchsorientierte Dis-
Ihre geringere Dispositionsgenauigkeit muss
position)!
durch höhere Sicherheitsbestände ausgegli-
chen werden. Daher wird sie nur für gering- Insbesondere, wenn verschiedene Strate-
wertige Hilfsstoffe und für alle Materialien, gien angewendet werden, fragen Sie nach
bei denen programmorientierte Verfahren den Kriterien, von denen es abhängt,
nicht anwendbar sind (Betriebsstoffe, Ersatz- welche Artikel oder Artikelgruppen mit
teile usw.) eingesetzt. welchem Verfahren disponiert werden!
a) Beschreiben Sie mit eigenen Worten
Abb. 16!
b) Wieso wird die Bedarfsplanung im
JIT-Service anders aussehen?
2. Materialdisposition 295

2.3 Die Bestellmengenplanung

2.3.1 Die Bestellmenge

Ein wichtiger Begriff, der u.a. in Verbindung Beispiel:


mit Beschaffungsmengen gebraucht wird, ist
Beschaffungs-Losgröße
die Losgröße.
Bei der DMW AG liegt der Jahresbedarf an
Ein Los ist eine aus einem bestimmten Grund Standard-Autoreifen für das Modell „Single“ z.
zusammengefasste Menge eines bestimmten Zt. bei etwa 80 000 Stück. Aus Gründen, die in
Produktes. Als Losgröße wird die Anzahl der der nachfolgenden Aufgabe 9 dargestellt wer-
Produkteinheiten bezeichnet, die zu einem den, wurde entschieden, dass diese immer zu je
Los gehören. 3100 Stück bestellt werden. Dies ist die Be-
In der Beschaffung bezeichnet der Begriff der schaffungs-Losgröße für diesen Artikel.
Losgröße die Menge eines Produktes, die mit
Die Losgröße wird zunächst immer unter
einer Bestellung beschafft wird. Kostengesichtspunkten festgelegt. Anschlie-
In der Produktion spricht man von Losgrößen ßend muss dann überprüft werden, ob diese
in Bezug auf die Menge eines Artikels, die ohne Menge auch mit der Praxis vereinbar ist. Oft
Unterbrechung durch die Fertigung eines ande- ist es z. B. sinnvoll, auf handelsübliche Ge-
ren Artikels hergestellt wird (siehe Kapitel bindeeinheiten (Palette, Container usw.) auf-
„Produktionswirtschaft“, Abschnitt 5.1). oder abzurunden, oder es steht keine ausrei-
chende Lagerkapazität zur Verfügung.
2.3.1.1 Mindestbestellmenge und
Höchstgrenzen
Unabhängig von der optimalen Bestellmenge
müssen häufig auch Mindestbestellmengen
beachtet werden. Sofern die Mindestbestell-
menge größer ist als die optimale Losgröße,
kommt es zu Mehrkosten für das Unternehmen.
Umgekehrt gibt es häufig auch Höchstgren-
zen für die Beschaffungsmengen. Diese kön-
nen z.B. durch die Größe des Lagers gesetzt
sein. Bei verderblichen Waren darf die Be-
schaffungsmenge nicht größer sein als der zu
erwartende Verbrauch in dem Zeitraum, der
für die Verarbeitung zur Verfügung steht.

Abb. 17: Die kostengünstige Bestell-


menge
296 Materialwirtschaft

2.3.1.2 Optimale Bestellmenge Aufgabe


Eine der wichtigsten Fragen der Materialwirt- 6. Für die Beschaffung der Reifen für die
schaft ist die der Höhe der Bestell- und La- Produktion des „Single“ gelten folgende
germengen. Dabei bewegt man sich stets in Daten:
dem Zielkonflikt zwischen möglichst gerin-
Jahresbedarf X = 80 000 Stück
gen Lagerkosten einerseits sowie einer hohen
Einstandspreis p = 62,03 EUR/Stück
Versorgungssicherheit und niedrigen Be-
Fixkosten je Bestellung KB = 450 EUR
schaffungskosten andererseits.
Zinssatz kZ = 8% (= 0,08)
Während der Stückpreis, den man zu bezah- Lagerkostensatz kL = 4% (=0,04)
len hat, mit zunehmender Beschaffungslos-
größe abnimmt, entstehen andererseits höhere Lösung
Bestände und dadurch steigende Lagerkosten. a) Berechnung mit Tabelle
Für jeden Artikel muss daher bestimmt wer-
Die Lösung wird in Abb. 18 veranschau-
den, welche Beschaffungslosgröße für das
licht. Ziel muss es natürlich sein, die An-
Unternehmen die niedrigsten Gesamtkosten
zahl der Bestellungen zu finden, bei der
verursacht (siehe Abb. 17 und 19).
die Gesamtbedarfsmenge der Periode zu
Die klassische Formel für die Losgrößenbe- den geringsten Gesamtkosten beschafft
rechnung ist die so genannte Andler-Formel: werden kann.

2 × X × KB
Um ein gewisses „Ausprobieren“ mit der
q0 = Anzahl kommt man meistens nicht her-
p × (kL + k Z )
um. Es empfiehlt sich daher, zunächst
qo Optimale Bestellmenge mit größeren Abständen zu rechnen und
X Jahresbedarf dann im Bereich um den so gefundenen
p Einstandspreis kleinsten Wert noch einmal ein feineres
KB Fixe Kosten je Bestellung Intervall zu wählen.
kZ Zinssatz Die für DMW kostengünstigste Anzahl
kL Lagerkostensatz der Bestellungen, in denen die Jahres-
Dabei wird vorausgesetzt, dass der Stückpreis menge abgenommen werden muss, liegt
und die Fixkosten pro Bestellung (z.B. Trans- also bei 25. Daraus ergibt sich eine Los-
portkosten) unabhängig von der Bestell- größe von 3200 Stück pro Bestellung.
Losgröße sind. Die Tabelle (Abb. 18) ist in Abb. 19 zum
Natürlich gibt es viele Beschaffungsfälle, die besseren Verständnis noch einmal gra-
nicht die Voraussetzungen erfüllen, um die fisch dargestellt.
einfache Andler-Formel anwenden zu kön- b) Berechnung mit der Andler-Formel
nen. Es gibt jedoch auch für eine Reihe
schwierigerer Fälle Formeln zur Bestimmung Durch Einsetzen der Daten in die Andler-
der optimalen Losgröße, die jedoch auch Formel erhält man die optimale Losgröße
entsprechend komplizierter sind. direkt:
2 × 80 000 × 450
Neben der Andler-Formel gibt es noch weite- qo = = 3 110
62,03 × (0,04 + 0,08 )
re Verfahren zur Bestimmung der optimalen
Losgröße (z.B. die dynamische Bestellmen- Die direkte Berechnung der optimalen Los-
genrechnung oder der Stückperiodenaus- größe mit der Andler-Formel geht natürlich
gleich), auf die hier aber nicht weiter einge- viel schneller als das "Probieren" mit der
gangen werden soll. Tabelle.
2. Materialdisposition 297

Anzahl Losgröße Fixkosten/ Variable Gesamtfix- Durchschnittl. Durchschnittl. Gesamtbe-


der Be- Bestellung Kosten kosten Lagerbestand Lagerwert schaffungs-
stellungen kosten
1 80000 450 62,03 450 40000 2481 200 5 260 594
10 8000 450 62,03 4500 4000 248120 4 996 674
20 4000 450 62,03 9000 2000 124060 4 986 287
25 3200 450 62,03 11250 1600 99248 4 985 560
30 2667 450 62,03 13500 1333 82707 4 985 825
40 2000 450 62,03 18000 1000 62 030 4 987 844
50 1600 450 62,03 22500 800 49624 4 990 855

Abb. 18: Tabellarisch-rechnerische Bestimmung der optimalen Losgröße

100
Die Andler-Formel wird analog auch in der
Fertigung zur Festlegung von Produktions- 90

Losgrößen eines Artikels eingesetzt, weil die 80


zugrunde liegende Problemstellung oft ähnlich 70
ist. Hier nehmen die Produktionsstückkosten
60
mit größeren Losen ab und ebenso die Lager-
Tausend EUR

kosten zu. Die Rüstkosten spielen also für die 50

Bestimmung der Produktions-Losgröße die 40


analoge Rolle zu den bestellfixen Kosten für 30
die Beschaffungs-Losgröße (siehe Kapitel
20
„Produktionswirtschaft“, Abschnitt 5.1).
10

2.3.2 Der Bestellzeitpunkt 0


0 10 20 30 40 50
Der Bestellzeitpunkt muss so gewählt sein, Anzahl der Bestellungen

dass der Lagerbestand nicht zu niedrig wird Abb. 19: Bestell-, Lager- und Gesamtbe-
und es nicht zu Fehlmengen kommen kann. schaffungskosten in Abhängig-
Fehlmengen, also fehlendes Produktionsma- keit von der Losgröße
terial, führen immer zu kurzfristigen Ände-
rungen im Produktionsablauf und damit min-
destens zu erhöhten Kosten – u.U. sogar zu Aufgabe
Kundenverlusten. 7. Erkundigen Sie sich in Ihrem Ausbil-
Um Fehlmengen zu vermeiden, wird für alle dungsbetrieb, welches Verfahren zur Be-
unverzichtbar wichtigen Roh-, Hilfs- und stellmengenplanung verwendet wird!
Betriebsstoffe die jeweilige Wiederbeschaf- Fragen Sie auch, warum dieses Verfahren
fungszeit festgelegt. – und nicht ein anderes – eingesetzt wird!

Beispiel:
Bestimmung des Bestellzeitpunktes
Um den Bestellzeitpunkt für die nächste Rei-
fenlieferung festlegen zu können, müssen
zunächst einige andere Parameter ermittelt
werden.
298 Materialwirtschaft

Die Wiederbeschaffungszeit ist die Zeit, die Die Wiederbeschaffungszeit wurde zwischen
zwischen dem Zeitpunkt der Bestellung und dem DMW-Einkauf und dem Lieferanten auf
der Verfügbarkeit im Unternehmen vergeht. 3 Tage festgelegt.
Sie setzt sich i.d.R. aus Vorbereitungs-, Be- Der Tagesbedarf liegt bei
stell-, Liefer- und Warenprüfzeit zusammen.
80 000 Stück p.a.
Außerdem wird ein so genannter Mindest- = 313,7 Stück / AT
255 AT p.a.
oder Sicherheitsbestand festgelegt. Dabei
wird meistens ein Vielfaches des Tages- Der Sicherheitsbestand beträgt
verbrauchs genommen, wobei die Höhe des 1,5 AT × 313,7 Stück / AT = 471 Stück
„Vielfachen“ von der Schwankungsbandbrei-
te der Tagesverbräuche abhängt. Die Autoreifen werden bei DMW nach dem
Bestellpunktverfahren disponiert. Der Melde-
Zur Festlegung des Bestellzeitpunktes werden bestand errechnet sich nun als
zwei gängige Verfahren eingesetzt:
3 Tage × 313,7 Stück / AT + 471 Stück = 1412 Stück
• Das Bestellpunktverfahren ist eine
Methode der Bestellmengenplanung, bei D.h., immer wenn der Lagerbestand auf 1412
der die neue Bestellung immer dann aus- Stück (oder schon darunter) abgesunken ist,
gelöst wird, wenn der Lagerbestand eine wird wieder ein neues Los (3100 Stück) be-
festgelegte Höhe (den Meldebestand stellt.
bzw. den Bestellpunkt) erreicht hat. Der Würden die Reifen nach dem Bestellrhythmus-
Meldebestand ist die Summe aus der verfahren disponiert werden, so würde sich der
Menge, die innerhalb des Wiederbeschaf- Rhythmus folgendermaßen errechnen:
fungszeitraumes verbraucht wird, und 3100 Stück
dem Sicherheitsbestand. = 9,88 AT ~ 10 AT
313,7 Stück / AT
Bei einem Absinken des Lagerbestandes
eines Artikels auf seinen Meldebestand
muss das Lager diese Information an den
Disponenten weitergeben (siehe Ab-
schnitt 4.3). Der Bestellzeitpunkt wird Beispiel
bei diesem Verfahren durch den Lager-
DV-gestützte Disposition bei der DNM AG
abgang bestimmt.
Seit 4 Jahren ist die EDV-Integration in der
• Das Bestellrhythmusverfahren ist eine Materialwirtschaft zwischen Disposition und
Methode der Bestellmengenplanung, bei Einkauf so weit, dass die wichtigsten 872
der die Bestellungen immer nach Ablauf Artikel für die Produktion automatisch dispo-
eines festgelegten Zeitintervalls erfolgen. niert und die ersten 186 Artikel auch automa-
Die Bestellung kann entweder immer in tisch durch das DV-System bestellt bzw. abge-
gleicher Höhe erfolgen, oder – was bei rufen werden. Dazu wird der Lagerbestand
dieser Methode meist zweckmäßiger ist – dieser Artikel regelmäßig vom Programm mit
es wird immer die Differenz zu einem ihrem Meldebestand verglichen bzw. der Ab-
festgelegten Sollbestand beschafft. lauf eines vorgegebenen Zeitintervalls über-
In Unternehmen mit einer DV-gestützten wacht. Z. T. erfolgt dann sogar eine automati-
Materialwirtschaft kann die Disposition au- sche Bestellung in der vorgegebenen Losgröße
tomatisch durch das DV-System erfolgen. bei dem vorgegebenen Lieferanten.
3. Beschaffung 299

3. Beschaffung

3.1 Einleitung

3.1.1 Begriff
Der Begriff der Beschaffung bezeichnet die
Versorgungsfunktion von Organisationen bzw.
Unternehmen. Die Objekte der Beschaffung
sind alle Materialien, Maschinen und Dienst-
leistungen, die die Organisation benötigt.

3.1.2 Aufgaben und Ziele


Die Aufgaben und Ziele der Beschaffung
sind es, die benötigten Objekte in der erfor-
derlichen Qualität, zu möglichst geringen
Gesamtbezugskosten, zum richtigen Zeit-
punkt und am richtigen Ort bereitzustellen.
Da auch diese Ziele zum Teil im Widerspruch
zueinander stehen, können i.d.R. nicht alle
Ziele gleichzeitig voll erfüllt werden.

3.1.2.1 Methoden
Bei der Beschaffung von Waren und Dienst-
leistungen erfordern Güter, die kontinuierlich
Abb. 20: Verbesserungsvorschlag zum
oder periodisch wiederkehrend beschafft
Einkauf (vergl. S. 328)
werden müssen, andere Methoden als einma-
lig zu beschaffende Objekte. Dies führt zu
folgender Unterscheidung:
1. Objekte, die kontinuierlich oder häufig Aufgabe
wiederkehrend beschafft werden: 8. Nennen Sie wichtige Roh-, Hilfs- und
• Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Betriebsstoffe Ihres Ausbildungs-Unter-
nehmens, und beschreiben Sie deren Ei-
• Zulieferteile bzw. Halbfabrikate genschaften!
• wiederkehrende Dienstleistungen
(z.B. Gebäudereinigung)
• Handelswaren Beispiel:
2. Objekte, die einmalig oder selten be- Die Aufbauorganisation des Einkaufs bei
schafft werden: der DMW AG
• Betriebsmittel bzw. Investitionsgüter Die Aufbauorganisation des DMW-Einkaufs
lässt sich bereits dem Organigramm des ge-
• Dienstleistungen (z.B. Instandset- samten Materialwirtschaftsbereiches (siehe
zung). Abb. 8) entnehmen.
300 Materialwirtschaft

3.2 Aufbauorganisation des Die Beschaffung ist grundsätzlich zentral


Einkaufs organisiert. Die Materialdisposition sowie
Bestellungen mit geringem Wert sollen de-
zentral erfolgen. Intern ist der Einkauf grund-
Der hierarchische Aufbau eines Betriebes sätzlich nach dem Objektprinzip gegliedert.
setzt sich (je nach Größe des Unternehmens) Nur der Schwerpunktbereich der Produkti-
auch innerhalb der Einkaufsabteilung fort. onsmaterialien ist außerdem noch nach dem
Eine klare und eindeutige Organisation ist Funktionsprinzip aufgeteilt.
eine wichtige Voraussetzung für eine effizien-
te Beschaffungsarbeit. Dazu gehört die Struk- Kriterium Zentraler Dezentraler
Einkauf Einkauf
turierung der Zuständigkeiten sowie die Re-
gelung der Kompetenzen und Verantwort- Einkaufskosten + -
lichkeiten. Die Aufbauorganisation des Ein- Einheitlichkeit + -
kaufs eines Unternehmens ist dabei sowohl Lagerhaltungsumfang + -
unter dem Aspekt seiner äußeren als auch Methodik + -
seiner inneren Form zu sehen.
Qualifikation + -
Zuständigkeiten + -
3.2.1 Die äußere Organisation der
Kaufm. Fachwissen + -
Beschaffung
Verwaltungsaufwand - +
Die beiden Idealtypen der äußeren Organi- Flexibilität - +
sation der Beschaffung sind der zentrale und
Technisches Fach- - +
der dezentrale Einkauf: wissen
• Der reine Zentraleinkauf übernimmt die Abb. 21: Vor- und Nachteile der
Beschaffung des gesamten Bedarfs an
Organisationsformen des
Waren und Dienstleistungen für alle Stel- Einkaufs
len des Unternehmens. Sollte das Unter-
nehmen über mehrere Standorte verteilt Aufgabe
sein, so ist der Einkauf nur an einem Ort 9. a) Beschreiben Sie die Aufbauorganisa-
lokalisiert. tion des Einkaufs in Ihrem Ausbil-
• Der (räumlich oder sachlich) stark de- dungsbetrieb!
zentralisierte Einkauf kennzeichnet sich b) Prüfen und beschreiben Sie, wie sich
dadurch, dass z.B. jedes Werk und jede die Beschaffung und der Einkauf in
Abteilung, im Rahmen ihrer Kompeten- die Gesamtorganisation des Betrie-
zen, ihren Bedarf selbst deckt. bes einfügen.
Die Vor- und Nachteile der beiden Idealtypen
werden durch Abb. 21 veranschaulicht.
Viele Unternehmen haben sich für eine
Mischform zwischen den Idealtypen ent- Beispiel:
schieden, um zu einer optimalen Kombination Die äußere Organisation des Einkaufs bei
der Vor- und Nachteile zu kommen. der DMW AG
Die Beschaffung der wichtigen Roh-, Hilfs- Der Einkauf von DMW ist grundsätzlich
und Betriebsstoffe sowie der Investitionsgüter zentral organisiert. Der Zentraleinkauf hat
über einen Zentraleinkauf erweist sich, auf- seinen Sitz im Stammwerk in Hannover und
grund ihrer enormen Bedeutung für das Be- koordiniert von dort aus auch die Beschaffung
triebsergebnis, meistens als sinnvoll. des neuen Werkes in Halle.
3. Beschaffung 301

Dagegen kann die dezentrale Beschaffung Der zentrale Einkauf ist für die gesamte Be-
von z.B. Büromaterial oder Ersatzteilen direkt schaffung bei DMW verantwortlich. Das
durch die Fachabteilungen sinnvoller sein, bedeutet aber nicht, dass alles nur über den
weil sich der Abwicklungsaufwand über ei- Einkauf bestellt werden darf. In Abstimmung
nen Zentraleinkauf, im Verhältnis zum Be- zwischen dem Einkauf und den Fachabteilun-
schaffungswert dieser Dinge, als zu groß gen wurden, dort wo es sinnvoll ist, Beschaf-
erweist. Die Zuständigkeit wird in Unterneh- fungstätigkeiten dezentralisiert. So findet die
men häufig über die Einführung von Wert- Disposition der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
grenzen geregelt: Einkäufe unterhalb eines nicht im Einkauf statt, sondern, nach den Vor-
festgelegten Wertes können bzw. sollen die gaben des Einkaufs (Rahmenverträge etc.), in
Abteilungen selbst tätigen, da die Abwicklung den jeweiligen Lagern der Produktionen.
über den Zentraleinkauf zu aufwändig ist. Bei Außerdem werden alle Bestellungen, deren
Überschreitung dieses Wertes muss eine Be- Auftragswert die vorgegebene Wertgrenze
darfsmeldung an den Einkauf erfolgen. von 300,- EUR nicht überschreitet, von den
Um die Konditionenvorteile des zentralen Fachabteilungen direkt beschafft (wenige
Einkaufs mit der Flexibilität des dezentralen Ausnahmen wurden genau festgelegt).
Einkaufs kombinieren zu können, konzent-
riert sich die Arbeit des Zentraleinkaufs auf
Festlegung der Lieferanten und der Bezugs- Aufgabe
konditionen, z.B. durch Rahmenverträge. Die 10. Der Verbesserungsvorschlag (Abb. 20)
eigentlichen (Abruf-)Bestellungen werden, der Bau AG zielt auf eine Zentralisas tion
nach diesen Vorgaben, direkt durch die Abtei- des Einkaufs hin.
lungen oder Lager durchgeführt, bei denen
Stellen Sie zeichnerisch die bestehende
der Bedarf auftritt.
Organisation des Einkaufs aller drei Ob-
jekte dar! Versuchen Sie dabei auch he-
3.2.2 Die innere Organisation der rauszufinden, welche Werkstoffe wahr-
Beschaffung scheinlich beim Bau von Gebäuden benö-
Beim Aufbau der inneren Organisation des tigt werden!
Einkaufs geht es darum, eine für den Betrieb
möglichst sinnvolle Form zu finden, in der die Beispiel:
notwendigen Arbeiten nach der Tätigkeitsart Die innere Organisation des Einkaufs bei
(Funktionsprinzip) oder Objekten (Objekt- der DMW AG
prinzip) verteilt werden (siehe Abb. 22 und Der Zentraleinkauf ist in erster Linie nach
Abb. 8). dem Objektprinzip gegliedert (siehe Abb. 8):
• Das Objektprinzip orientiert sich an • Rohstoffe
gleichartigen Produkten. „Spezialeinkäu-
fer“ übernehmen alle Einkaufsfunktionen • Hilfs- und Betriebsstoffe
für bestimmte Produktgruppen. • Kaufteile
• Das Funktionsprinzip orientiert sich an • Investitionsgüter und technischer Bedarf
gleichartigen Aufgaben (wie z.B. Anfra-
gen, Lieferantenauswahl, Bestellabwick- • Dienstleistungen
lung und Warenannahme). Es erfolgt eine • Werbe- und Büromaterial.
Gliederung in Aufgaben- und Tätigkeits- Innerhalb der Bereiche Rohstoffe, Hilfs- und
bereiche. Betriebsstoffe und Kaufteile hat sich aller-
dings eine weitere Stellenaufteilung nach dem
Funktionsprinzip bewährt.
302 Materialwirtschaft

Auch in der inneren Organisation kann es Aufgabe


durchaus sinnvoll sein, sich für eine Misch-
11. Stellen Sie grafisch die Beschaffung als
form zwischen den Idealtypen zu entscheiden.
Mischsystem dar, und erläutern Sie Vor-
züge der von Ihnen herausgestellten Struk-
tur!

Abb. 22: Möglicher Aufbau der inneren Organisation des DMW-Zentraleinkaufs nach dem
reinen Objektprinzip (links) bzw. nach dem reinen Funktionsprinzip (rechts)

3.3 Die operativen Aufgaben des Einkaufs


Der operative Einkauf bezeichnet alle Tätig- Ergänzungen zur inneren Organisation der
keiten, die standardmäßig bei Bedarfsmel- Beschaffung
dungen bzw. Anforderungen ablaufen und
Die Investitionsgüterbeschaffung erfordert ein
damit zum täglichen, routinemäßigen „Hand-
besonderes Augenmerk. Der Unterschied zum
werkszeug“ im Einkauf gehören.
Einkauf der Werkstoffe besteht zum einen in
der Zeit, die für den Kauf von Investitionsgü-
3.3.1 Ablauf der Beschaffung tern aufgewandt wird, zum anderen in der
Die verschiedenen Bedarfsstellen (i.d.R. Ferti- technischen und wirtschaftlichen Prüfung der
gung, Lagerhaltung, verschiedene kaufmänni- Anlagen. Diese müssen nämlich in die Ferti-
sche Abteilungen) melden ihren Bedarf an den gungsprozesse (bei der Datenverarbeitung)
Einkauf. Der daraufhin folgende Ablauf der eingepasst werden. Der Ablauf wird meist so
Beschaffung wird in drei Phasen gegliedert: beschrieben: Initialphase (z. B. Zielvorgabe
der Unternehmensleitung), Vorüberlegungs-
phase (z. B. Präzisierung der Aufgabenstel-
lung), Informations- und Entscheidungs-
phase.
3. Beschaffung 303

1. Die Beschaffungsanbahnung besteht im


Einzelnen aus:
• Anfrage
• Angebot
• Angebotsvergleich.
Die Phase der Beschaffungsanbahnung
kann ganz oder teilweise entfallen, wenn
Lieferanten und Preise aufgrund entspre-
chender Vereinbarungen (z.B. Rahmen-
vertrag) bereits festliegen. In diesen Fäl-
len beginnt der Beschaffungsablauf mit
Phase 2.
2. Der Beschaffungsabschluss besteht aus:
• Bestellung und
• Auftragsbestätigung.
3. Die folgenden Schritte der Beschaf-
fungsabwicklung sind:
• Terminüberwachung
• Wareneingang und
• Rechnungsprüfung.

3.3.2 Anfrage
Nachdem der Bedarf nach Art und Menge
festgelegt worden ist, verschickt der Einkäu-
fer Anfragen an verschiedene Lieferanten, in
denen er um die Abgabe eines Angebotes
bittet. Die Anfrage kann sich erübrigen, wenn
es für diesen Artikel bereits festgelegte Liefe- Abb. 23: Ablaufschema des Beleg- und
ranten und Preise gibt. Informationsflusses der Be-
Das Schreiben von Anfragen geschieht im schaffung
Großhandel und in der Industrie routinemä-
ßig, wenn Bedarfe auftreten. Eine Anfrage ist Beispiel:
rechtlich völlig unverbindlich. Anfrage
Ein Kunde, der ein Einzelhandelsgeschäft Für die Belieferung mit elektrischen Schaltern
betritt, um sich nach einem Preis zu erkundi- für die Armaturenbretter der DMW-Fahrzeuge
gen, stellt damit, rechtlich gesehen, ebenfalls existiert seit zwei Jahren eine fester Lieferbe-
eine (formlose) Art der Anfrage. ziehung mit der Firma „Schulte Schaltelemente
GmbH“. Nachdem der damals ausgehandelte
Preis für zwei Jahre festgeschrieben worden
war, hat der Lieferant jetzt eine 4,9%ige Preis-
erhöhung angekündigt.
304 Materialwirtschaft

3.3.3 Angebot und Um für die anstehenden Verhandlungen mit


Angebotsvergleich den Vertriebsbeauftragten der Firma Schulte
besser vorbereitet zu sein, werden von der
Auf die Anfrage hin wird der Lieferant i.d.R. zuständigen Einkäuferin bei DMW, Frau
ein Angebot abgeben. Dies kann sowohl Monk, Anfragen an andere Unternehmen der
schriftlich (Brief, Telex oder Telefax) als gleichen Branche geschickt. In diesen werden
auch mündlich (auch telefonisch) erfolgen, die Firmen aufgefordert, ein Preisangebot für
ohne dass dabei eine bestimmte Form einzu- einen Zweijahresvertrag abzugeben. In den
halten ist. In speziellen Fällen kann ein Ange- Anfragen sind die Schalter genau beschrieben
bot auch stillschweigend abgegeben werden und außerdem die erwarteten Abnahmemen-
(z.B. beim so genannten Automatenkauf). gen angegeben. Diese liegen bei insgesamt
Zumindest bei größeren Aufträgen wird übli- etwa 400000 Stück, die sich aber auf ver-
cherweise nicht auf ein schriftliches Angebot schiedene Schaltervarianten verteilen.
verzichtet. (Näheres zum Zustandekommen
DMW AG Tel: 0511 – 3 27 61
von Kaufverträgen in Kapitel „Rechtliche
- Einkauf, Frau Monk - Fax: 0511 – 3 27 59
Grundlagen“, Teil 3, Abschnitt 4.)
Lister Damm 58-67
Ein Angebot ist eine an eine bestimmte Per- 30163 Hannover
son gerichtete Willenserklärung, mit der sich
der Bietende verpflichtet, eine Leistung zu Alphatron KG
den genannten Bedingungen zu erbringen. Postfach 0815
Diese Bindung kann durch die Verwendung 40880 Ratingen
von so genannten Freizeichnungsklauseln
ausgeschlossen werden (siehe §145 BGB). Hannover, 06.11.20..
Anfrage
Freizeichnungsklauseln sind Formulierun-
gen wie „freibleibend“, „unverbindlich“ oder Sehr geehrte Damen und Herren,
„vorbehaltlich“. Darüber hinaus kann die bitte erstellen Sie uns ein Angebot für elektrische
Dauer der Bindung an das Angebot zeitlich Schalter gemäß den beiligenden Zeichnungen und
Spezifikationen. Gehen Sie bei Ihrer Kalkulation von
befristet werden. einer Abnahmemenge von etwa 400.000 Stück im
Zuge des nächsten Jahres aus.
3.3.3.1 Der Inhalt des Angebotes Das Angebot muss auf der Grundlage unserer
beiliegenden allgemeinen Einkaufsbedingungen
Ein Angebot sollte alle Angaben enthalten, erfolgen.
die der Kunde benötigt, um zu einer Kaufent-
scheidung kommen zu können. Folgende Mit freundlichen Grüßen
wesentlichen Angaben sollte ein Angebot E. Monk, Abtlg. Einkauf
immer enthalten:
Anlage: - 21x technische Zeichnungen
a) Art und Qualität der Ware - 1x DMW-Einkaufsbedingungen
Die Art der Ware wird durch die handelsübli- Abb.24: Beispiel einer Anfrage
che Bezeichnung festgelegt. Die Qualität
kann entweder durch die Angabe von Nor- Aufgabe
men, Handelsklassen, Warenzeichen oder
Typen festgelegt werden oder durch Muster, 12. a) Prüfen Sie den Inhalt der Anfrage.
Proben oder Abbildungen. Ist er vollständig? Wenn ja, wieder-
holen Sie die allgemeinen Inhalte ei-
ner Anfrage.
3. Beschaffung 305

b) Der Preis Beispiel:


Zu jedem Preis gehört immer die Einheit, auf Angebot
die er sich bezieht. Dies können entweder die
Auf ihre Anfragen hin erhält Frau Monk u. a.
gesetzlichen Einheiten (EUR pro Stück, pro
folgende drei Angebote:
Kilogramm, pro Liter, pro Meter usw.) sowie
deren Variationen (z.B. „EUR pro 100 Liter“) Alphatron KG
oder bestimmte handelsübliche Bezeichnun- Postfach 0815
gen (Sack, Palette, Rollen etc.) sein. 40880 Ratingen
• Obwohl viele Lieferanten formell einheit-
liche Angebotspreise (z.B. Listenpreise) DMW AG
für ihre Leistungen haben, kann häufig - Einkauf, Frau Monk -
Lister Damm 58-67
ein kundenindividueller Preisnachlass
30163 Hannover
ausgehandelt werden. Dieser Preisnach-
lass wird Rabatt genannt und kann in
Ratingen, 13.11.20..
Prozent oder als absoluter Betrag ausge-
Angebot
drückt werden.
Sehr geehrte Frau Monk,
• Weiterhin ist zu beachten, ob der Preis
die Verpackungskosten beinhaltet oder Bezug nehmend auf Ihre Anfrage vom 6. November
bieten wir Ihnen Schalter, gemäß Anlagen und
ob diese extra berechnet werden. Die ge- beiliegenden Mustern, wie folgt an:
setzliche Regelung sieht vor, dass der
Typ A Typ B Typ C Typ D
Preis sich auf das Netto- bzw. Reinge- 365,18 260,20 255,25 378,81 EUR/100 St.
wicht der Ware bezieht (siehe §380 Auf Basis der angefragten Mengen, die über einen
HGB). Die Kosten der Versandverpa- Rahmenvertrag abgesichert werden müssten, ge-
ckung (Tara) werden daher extra in währen wir einen Mengenrabatt von jeweils 10%.
Rechnung gestellt. Die Vertragspartner Die Lieferung erfolgt frei Haus (einschl. Verpa-
können von dieser grundsätzlichen Rege- ckung). Die Zahlung kann per Monatsrechnung (mit
14 Tg 2%, 30 Tg. netto) erfolgen.
lung abweichen, sodass grundsätzlich
folgende Möglichkeiten bestehen: Mit freundlichen Grüßen
Dr. Reichert (Vertriebsleitung)
– Preis nach Nettogewicht einschließ-
lich Verpackung (die Verpackungs- Abb. 25: Angebotsbeispiel 1
kosten sind im Nettogewichtspreis
mit enthalten) Aufgabe
– Preis nach Nettogewicht ausschließ- 12. b) Bitte vergleichen Sie die drei Ange-
lich Verpackung (die Verpackung bote. Stellen Sie eine Liste auf, und
wird entweder extra in Rechnung ge- erfassen Sie wichtige Merkmale.
stellt, vom Lieferanten leihweise zur Bewerten Sie die Angebote.
Verfügung gestellt oder vom Käufer
selbst gestellt)
– Preis nach Brutto- oder Rohgewicht
einschließlich Verpackung (die Ver-
packung wird mitgewogen und mit
dem gleichen Preis je Einheit be-
rechnet wie die Ware selbst).
306 Materialwirtschaft

Beim Kauf von z.B. Maschinen ist darauf zu Stiebens GmbH


Elektrotechnik
achten, ob der Preis Nebenleistungen, wie
Isarstraße 37-4
z.B. Montage und Einweisung, beinhaltet. 80815 München
c) Lieferbare Menge und Liefertermin DMW AG
- Einkauf, Frau Monk -
bzw. Lieferzeit Lister Damm 58-67
Eine wichtige, manchmal sogar entscheidende 30163 Hannover
Information ist die der Lieferfähigkeit eines München, 14.11.20..
Lieferanten. D.h. die Beantwortung der Frage, Angebot
ob, und wenn ja, innerhalb welcher Zeit er die Sehr geehrte Frau Monk,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Wir freuen uns, Ihnen
benötigte Menge liefern kann. Daher sollten
folgendes Angebot machen zu können:
Lieferzeit bzw. mögliche Liefermenge bis zu 5-10 -25 -50 >100 x1.000 St.
einem bestimmten Tag sowie Angaben über Typ A 4,64 3,87 3,52, 3,35 EUR
eventuell mögliche Verpackungseinheiten oder Typ B 3,15 2,63 2,39 2,28 EUR
Mindestabnahmemengen gleich mit angefragt Typ C 3,26 2,72 2,47 2,34 EUR
Typ D 2,64 3,16 3,48 3,31 EUR
werden.
Weitere Details zu den einzelnen Schaltelementen
d) Erfüllungsort und Gerichtsstand entnehmen Sie bitte den beiliegenden Spezifikatio-
nen und Zeichnungen.
Der Erfüllungs- oder Leistungsort ist der
Ort, Mit freundlichen Grüßen
i.V. H. Ohlbach
• an dem die Gefahr der zufälligen
Beschädigung oder Vernichtung der Abb. 26: Angebotsbeispiel 2
Ware auf den Käufer übergeht (Gefah-
Microelecronics Ltd.
renübergang, siehe §§446, 447 BGB) - Sales Dept., Mr. Shuye-Ming Wu –
• an dem sich bei Rechtsstreitigkeiten der 123, La 25, Feng Yuan Rd.
Taipeh, Taiwan R.O.C
Gerichtsstand befindet und
DMW AG
• ab dem, nach der gesetzlichen Regelung, - Purchasing Dept., Mrs Monk -
der Käufer die Transportkosten über- Lister Damm 58-67
nimmt. 30163 Hannover, GERMANY Taipeh, 20..-11-20
Offer
Der Erfüllungsort lässt sich unter Vollkauf- Dear Mrs Monk,
leuten vertraglich jederzeit beliebig festlegen. We refer to your inquiry of Nov 6th and we’re glad to
Nach der gesetzlichen Regelung ist der Ge- submit the following quotation:
schäftsbetrieb des Verkäufers dessen Erfül- Type A 1 965,75 US$/1000
Type B 1 400,67 US$/1000
lungsort. Der Lieferant erfüllt, indem er die Type C 1 374,00 US$/1000
geschuldete Ware an seinem Standort bereit- Type D 2 039,11 US$/1000
stellt bzw. versendet (siehe §§269, 448 BGB). The goods can be delivered within 7 weeks on
receipt of your order.
Warenschulden sind Holschulden.
Terms of delivery: DDP (delivery duty paid) Terms
of payment: 30 days/net.
The offer is firm subject for 30 days, otherwise
without engagement.
We assure you that your order will be executed to
your entire satisfaction.
Sincerely yours
Shyue-Ming Wu, Sales Manager
Microtechnics Ltd.
Abb. 27: Angebotsbeispiel 3
3. Beschaffung 307

Der Käufer erfüllt, indem er den geschuldeten Aufgaben


Betrag auf seine Gefahr und Kosten an den
12. Die Investitionsgüterbeschaffung ist durch
Gläubiger übergibt (siehe §270 BGB).
besondere Merkmale gekennzeichnet.
Geldschulden sind Schickschulden.
c) Welche Abteilungen werden neben
Das Beförderungsrisiko wird vor dem Ge- dem Einkauf an der Beschaffung von
fahrenübergang vom Verkäufer und anschlie- Investitionsgütern beteiligt sein?
ßend vom Käufer getragen. Nach der gesetz-
d) Was würden Sie unter der „Informa-
lichen Regelung geht das Risiko auf den Käu-
tionsphase“ (siehe Seite 302) verste-
fer über, wenn der Verkäufer die Ware an den
hen?
Frachtführer (z.B. Spediteur) übergibt. Dem
Käufer steht es frei, das Risiko durch Ab- e) Besorgen Sie sich Werbeanzeigen
schluss einer Frachtversicherung abzusichern. eines Investitions- und eines Kon-
sumgutes. Prüfen Sie diese, und stel-
len Sie wesentliche Merkmale ge-
genüber!
13. Im Kaufvertrag stand die Formulierung
„... der Erfüllungsort für Ware und Geld
ist der Ort des Käufers“. Was heißt das?
e) Lieferbedingungen

Versand- Empfangs-
Lieferbedingung Lieferant Käufer
station station

„ab Werk/Lager“ Käufer trägt sämtliche Transportkosten

„ab hier“, „unfrei“,


Verkäufer trägt die Transportkosten
„ab Bahnhof (hier)“, Käufer trägt die Transportkosten ab der Versandstation
bis zur Versandstation
„frei Waggon/Schiff“

„frei dort“,
Käufer trägt die Transportkosten
„frachtfrei“ Verkäufer trägt die Transportkosten bis zur Empfangsstation
ab der Empfangsstation
„frei Bahnhof (dort)“

„frei Haus/Werk/
Verkäufer trägt alle Transportkosten
Lager“

Abb. 28: Übersicht der verschiedenen Lieferbedingungen und ihrer Auswirkungen

Unabhängig vom Erfüllungsort (s.o.) kann die Anmerkung zur Bedeutung der Incoterms:
Frage, ob der Käufer oder der Verkäufer die
Im Im- und Export-Bereich sind die Inco-
Beförderungskosten zu tragen hat, durch die
terms schon lange üblich, weil dadurch Miss-
Lieferbedingungen gesondert geregelt werden
verständnisse und rechtlich unklare Situatio-
(siehe Kapitel „Rechtliche Grundlagen“, Teil
nen vermieden werden können.
3, Abschnitt 4.1.1).
308 Materialwirtschaft

Speziell für Außenhandelsgeschäfte wurden Im Zuge der zunehmenden Internationalisie-


von der Internationalen Handelskammer in rung werden die Incoterms auch immer häufi-
Paris weltweit einheitliche Lieferbedingun- ger bei Geschäften innerhalb Deutschlands
gen, die so genannten Incoterms (Internatio- eingesetzt.
nal Commercial Terms), erarbeitet. Durch
ihre Verwendung werden die Übernahme der
Transportkosten und der Gefahrenübergang für
beide Seiten international eindeutig geregelt.

Gruppe Incoterm und Bedeutung


Gruppe E EXW Ex Works
(Abholklausel) - Ab Werk (..in benannter Ort)
Gruppe F FCA Free Carrier
(Haupttransport vom - Frei Frachtführer (..in benannter Ort)
Verkäufer nicht be- FAS Free Alongside Ship
zahlt) - Frei Längsseite Seeschiff (..in benannter Verschiffungshafen)
FOB Free on Board
- Frei an Bord (..in benannter Verschiffungshafen)
Gruppe C CFR Cost and Freight
(Haupttransport vom - Frei an Bord (..in benannter Bestimmungshafen)
Verkäufer bezahlt) CIF Cost, Insurance and Freight
- Kosten, Versicherung, Fracht (..bis benannter Bestimmungshafen)
CPT Carriage Paid to
- Frachtfrei (..bis benannter Bestimmungsort)
CIP Carriage and Insurance Paid to
- Frachtfrei und versichert (..bis benannter Bestimmungsort)
Gruppe D DAF Delivered at Frontier
(Ankunftsklauseln) - Geliefert Grenze (..in benannter Ort)
DES Delivered Ex Ship
- Geliefert ab Schiff (..in benannter Verschiffungshafen)
DEQ Delivered Ex Quai Duty Paid
- Geliefert ab Kai verzollt (..in benannter Verschiffungshafen)
DDU Delivered Duty Unpaid
- Geliefert unverzollt (..bis benannter Bestimmungsort)
DDP Delivered Duty Paid
- Geliefert verzollt (..bis benannter Bestimmungsort)
Abb. 29: Übersicht ausgewählter Incoterms

f) Zahlungsbedingungen Ergänzendes zum Zielkauf (siehe § 215


Die gesetzliche Regelung schreibt eine Zah- BGB)
lung „Zug um Zug“, d.h. sofort nach Über- Beim Zielkauf werden Zahlungsfristen einge-
gabe der Ware, vor. In der Regel wird die Art räumt: Der Lieferant gestattet dem Kunden,
und Weise der Bezahlung jedoch durch die mit der Zahlung ein paar Tage zu warten. Er
Zahlungsbedingung vertraglich zwischen gewährt einen Lieferantenkredit. Auf diese
beiden Parteien frei festgelegt. Weise kann der Käufer meist schon mit der
Soll die Zahlung ganz oder teilweise bereits Produktion beginnen, obwohl er seine Ver-
vor der eigentlichen Lieferung erfolgen, so pflichtungen aus den Werkstoffbezügen noch
wird Vorauszahlung oder eine Anzahlung nicht beglichen hat. Ist die Durchlaufzeit der
vereinbart. Stoffe nur kurz, wird ihm sozusagen ein Teil
der Produktionszeit finanziert. Das kann für
ihn sehr hilfreich sein. Der Lieferant geht mit
jedem Lieferantenkredit ein Risiko ein.
3. Beschaffung 309

Wird eine Zahlung „Zug um Zug“, also un- Beispiel:


mittelbar nach Erhalt der Ware, festgelegt, so
Skontozahlung
wird als Zahlungsbedingung z.B. „sofort
netto Kasse“ in den Vertrag aufgenommen. Um die Zinswirkung einer vereinbarten Zah-
lungsbedingung besser beurteilen und ver-
In den meisten Fällen wird jedoch eine „Zah-
gleichen zu können, ist es sinnvoll, den äqui-
lung auf Ziel“, d.h. nach Ablauf einer be-
valenten Jahreszins auszurechnen. Bei einer
stimmten Frist, vereinbart. Um trotzdem ei-
Zahlungsbedingung von „14 Tage 2%, 30
nen finanziellen Anreiz zur vorzeitigen Zah-
Tage netto“ kann der Jahreszins mit folgender
lung zu schaffen, wird oft eine Skonto-
Formel berechnet werden:
Vereinbarung getroffen. Danach ist der Kun-
de berechtigt, bei Zahlung innerhalb eines 300 × 100 × p
JZ =
festgelegten Zeitraumes einen bestimmten ( t1 − t 2 ) × (100 − p)
Prozentsatz vom Rechnungsbetrag abzuzie- 360 × 100 × 2
hen (z.B.: „14 Tage 2% Skonto, 30 Tage = = 45,92%
(30 − 14) × (100 − 2)
netto“).
Der Unterschied zwischen einer Zahlung nach
Wird ein „Verkauf unter Eigentumsvorbe- 14 Tagen mit 2% Skonto und der gleichen
halt“ vertraglich vereinbart, so bedeutet dies, Zahlung nach 30 Tagen netto entspricht einer
dass der Käufer zwar bei Übergabe der Ware Jahresverzinsung von etwa 45,92%!
deren Besitzer wird, der Verkäufer aber bis
zur vollständigen Bezahlung Eigentümer Dieses Rechenbeispiel zeigt sehr deutlich, wie
bleibt. (vergl. S. 295 ff). attraktiv die Bezahlung einer Rechnung unter
Ausnutzung des Skontosatzes ist, bzw. wie
g) Einkaufsbedingungen teuer es ist, Skonto verfallen zu lassen und
Die Einkaufsbedingungen sind die Allgemei- stattdessen das Nettozahlungsziel zu nutzen.
nen Geschäftsbedingungen (AGB) des Ein-
kaufs (siehe Kapitel „Rechtliche Grundla-
gen“, Teil 3, Abschnitt 3.1). Der Einkauf legt
damit die Konditionen fest, zu denen die
Lieferanten liefern dürfen, so weit nichts
Abweichendes vertraglich vereinbart wurde. Beispiel:
AGB im Einkauf
3.3.3.2 Der Angebotsvergleich Die Lieferanten versuchen i. d. R. ihre All-
Alle eingehenden Angebote werden vom gemeinen Verkaufsbedingungen dem Ange-
Einkäufer inhaltlich geprüft. Sofern ein An- bot bzw. Kaufvertrag zugrunde zu legen.
gebot grundsätzliche Mängel aufweist, wird Welche der AGB bei wechselnder Bezug-
es aussortiert. nahme letztlich zur Geltung kommen, ist
Selten sind die Angebote so eindeutig, dass durch die Rechtsprechung eindeutig geregelt
unmittelbar klar ist, welches das günstigste (siehe Kapitel „Rechtliche Grundlagen“, Teil
ist. Um zu einem Urteil über die eingegange- 3, Abschnitt 3. 1). In der Praxis wird darauf
nen Angebote kommen zu können, müssen (fahrlässigerweise) oft nicht genug geachtet.
sie auf die entscheidungsrelevanten qualitati- Letztendlich ist dies jedoch im Wesentlichen
ven und quantitativen Kriterien hin untersucht eine Frage des Machtverhältnisses zwischen
und ggf. vergleichbar gemacht werden. Kunde und Lieferant.
310 Materialwirtschaft

Ein Angebotsvergleich wird durchgeführt, DMW vergleicht Angebote i. d. R. nach ei-


um aus mehreren Angeboten das für das Un- nem Kriterienkatalog, dessen Einzelpunkte
ternehmen günstigste herauszufinden. mit der Untergliederung dieses Abschnittes
[3.3.3.1 a)-g)] übereinstimmen.
Die qualitativen Kriterien sind:
• Qualität (entspricht die angebotene Art
und Beschaffenheit der Ware der ange- Beispiel:
fragten?) Angebotsvergleich
• Liefertermin Nachdem die Angebote eingegangen sind,
• Mindestabnahme- und Maximalmengen macht sich Frau Monk an die Bearbeitung
und beginnt mit der Vorauswahl. Verschiede-
• Verpackungseinheiten ne Angebote scheiden aus, weil die Lieferan-
• Gefahrenübergang ten z. B.
• Gewährleistung • die gewünschten Bauteile nicht in der
erforderlichen Art und Qualität liefern
• Zuverlässigkeit des Lieferanten. können
Das quantitative Hauptkriterium ist der • nicht leistungsfähig genug sind, um die
Preis. Dabei wird der Angebotspreis durch benötigten Stückzahlen zu liefern
folgende Kriterien entscheidend beeinflusst:
• oder unrealistisch hohe Preisangebote
• Maßeinheit des Preises abgeben.
• Rabatte und Boni Angebote sind in den seltensten Fällen so
• Verpackungskosten (Netto-/Reingewicht vergleichbar, dass man allein aufgrund des
vs. Brutto-/Rohgewicht und Tara) Preises die Entscheidung fällen kann. Aus
diesem Grund werden im Angebotsvergleich
• Lieferbedingungen/Incoterms
alle preiswirksamen Konditionen auf den
(Transportkosten, Versicherung, Zoll)
Preis umgerechnet und alle qualitativen Un-
• Zahlungsbedingungen/Skonto. terschiede gegenübergestellt.
Um die Preise vergleichen zu können, muss In der Regel wird nicht aufgrund der jeweils
den angebotenen Preisen die gleiche Preisba- ersten Angebote der angefragten Lieferanten
sis zugrunde gelegt werden. hin entschieden. Die Angebote, die in die
engere Wahl kommen, werden ggf. nachver-
3.3.3.3 Angebotsdatei (-kartei) handelt, um einerseits eventuelle Unklarhei-
Die Daten der Angebote werden in einer so ten auszuräumen und andererseits den Preis
genannten Angebotsdatei (-kartei) festgehal- weiter nach unten zu korrigieren.
ten, damit sich der Einkäufer, bei einem erneu- Ergebnis der tabellarischen Angebotsaus-
ten Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt, schnell wertung (siehe Abb. 30):
wieder einen Überblick verschaffen kann.
(In dem Beispiel wurde der gängige Dollar-
kurs zugrunde gelegt; der Kapitalbindungs-
kostensatz von 0,67% ist bei Microtronics
wegen der großen Lose notwendig.)
3. Beschaffung 311

Bevor der Computer Einzug in die Einkaufs- Der Preis ist zwar in den meisten Fällen aus-
abteilungen gehalten hatte, musste auf der schlaggebend für den Kauf einer Ware, trotz-
Karteikarte des Lieferanten der angebotene dem müssen Qualität, Liefersicherheit und
Artikel und auf der Karteikarte des Artikels Service in dem erforderlichen Maße gewähr-
das Angebot des Lieferanten festgehalten leistet werden. Sind sie bei der Entscheidung
werden. nicht ausreichend berücksichtigt worden,
kann „billiger“ manchmal „teurer“ werden
(durch z. B. Produktionsausfälle, Nacharbeit
und Lieferschwierigkeiten mit drohendem
Imageverlust).
Obwohl Microtronics die besten Preise bietet,
entschied man sich aufgrund der besseren
Qualität und räumlichen Nähe für die
Alphatron KG als zukünftigen Lieferanten.

Jahresbedarf Verteilung auf die einzelnen Schaltertypen


400.000 Typ A 31 % 124.000 Typ C 29 % 116.000
Typ B 24 % 96.000 Typ D 16 % 64.000

Schulte Alphatron Microtronics Stiebens


Qualität gut gut ausreichend (aber sehr gut
Ausschussteile!)
Preis Typ A 332,40 365,18 /100-10% 1965,67 $/1000 3,35
Typ B 236,84 260,20 /100-10% 1400,61 $/1000 2,39
TypC 232,33 255,25 /100-10% 1373,94 $/1000 2,34
Typ D 344,80 378,81 /100-10% 2066,44 $/1000 3,48
Zahlungs- 14 Tage 1%, 14 Tage 2%, 30 Tage netto 10 Tage 1%,
bedingung 30 Tage netto 30 Tage netto 30 Tage netto
Preisstellung frei Haus frei Haus DDP ab Werk
(5% Fracht)
Mind. Bestell- 0,00 0,00 1 Cont. 7500
menge 57 142,86
Lieferzeit [Wo.] 1,00 1,00 7,00 1/2 Lieferintervall
0,67% KapBdg. + 3 Tage
Ein- Typ A 332,40 236,84 322,09 229,50 316,61 225,60 349,47 249,01
stands- Typ B 232,33 344,80 225,13 334,11 221,30 328,43 244,27 362,51
preis TypC
EUR/ Typ D
100
Jährl. Kosten 1 129717,20 1 094 692,80 1076075,60 1 187752,00
Jährliche Diffe- 0 -32 024,40 -53641,60 58 034,80
renz

Abb. 30: Tabellarischer Angebotsvergleich (Kurs seinerzeit in DM: 0,80 EUR = 1,60 DM = 1 $)
312 Materialwirtschaft

3.3.4 Bestellung Beispiel:


Nachdem der Angebotsvergleich für einen Bestellung
Artikel mit der Festlegung auf einen Lieferan- Nach Abschluss aller Verhandlungen, Aus-
ten abgeschlossen wurde, kann die Bestellung wertung des endgültigen Angebotsvergleiches
erfolgen. und abschließender Entscheidung erhält die
Folgende Vertragsarten können unterschieden Alphatron KG die unten stehende Rahmenbe-
werden (siehe Abb. 31): stellung:
Vertragsart Beispiel
Kaufvertrag regelt die Veräußerung von Waren oder Rechten - Verkauf von Waren
i.d.R. gegen Geld (BGB §§433-514).
Kauf auf Abruf (Rahmenvertrag) Spezifikations- und Fixkauf
Werkvertrag regelt die Herstellung einer Sache bzw. die Erbrin- Aufstellen von Umkleideschränken
gung einer Leistung (BGB §§631-650).
Werklieferungsvertrag: Wie Werkvertrag, aber der Hersteller Der Hersteller der Umkleideschränke
liefert auch die Materialien (BGB §651, §§433-514). stellt diese auch selbst auf.
Mietvertrag regelt das Überlassen von Sachen zum Gebrauch Mieten eines Kranes
(BGB §§535-580).
Pachtvertrag regelt das Überlassen von Sachen zum Gebrauch Pachten eines Ackers
und den Genuss von Früchten (BGB §§581-597, §§535-580).
Darlehensvertrag (BGB §§607-610). Kreditvergabe
Dienstvertrag regelt die Erbringung von Dienstleistungen (BGB Arbeitsvertrag
§§61 1-630).
Abb. 31: Übersicht über die Vertragsarten

Eine Bestellung kann mündlich (oft auch DMW AG Tel: 0511 – 3 27 61


telefonisch), schriftlich, telegrafisch, als - Einkauf, Frau Monk - Fax: 0511 – 3 27 59
Lister Damm 58-67
Telefax oder zunehmend auch mittels Daten- 30163 Hannover
fernübertragung (DFÜ) geschehen. Oft wird
eine Bestellung unter Bezugnahme auf ein Alphatron KG
Postfach 0815
vorausgehendes Angebot durchgeführt (siehe 40880 Ratingen Hannover, 06.11.20..
Kapitel „Rechtliche Grundlagen“, Teil 3, Rahmenbestellung
Abschnitt 2.2). Sehr geehrter Herr Dr. Reichert,
Soll eine bereits erteilte Bestellung nachträg- Bezug nehmend auf unser Telefonat vom 14.11.20..
erhalten Sie den schriftlichen Auftrag für die Beliefe-
lich noch geändert oder widerrufen (storniert) rung unseres Unternehmens mit
werden, so ist dies rechtlich nur möglich, Typ A Typ B Typ C Typ D
wenn die Änderung bzw. der Widerruf spätes- 322,09 229,50 225,13 334,11 EUR/100 St.
tens zusammen mit der Bestellung beim Lie- Die genauen Spezifikationen entnehmen Sie bitte
feranten eintrifft (z.B. Bestellung per Post und noch einmal der Anlage.
Stornierung noch vor Eintreffen per Telefon). Die Preise sind auf 2 Jahre festgeschrieben. Es
Nach diesem Zeitpunkt sind Änderungen nur gelten unsere umseitigen AGB.
Preisstellung: DDP Bremerhaven und Halle
noch mit Einverständnis des Lieferanten (Ku- Zahlungsbedingungen: 14 Tage 2%, 30 Tg. netto
lanz) möglich.
Freundliche Grüße
Monk (Einkauf)
Abb. 32: Beispiel Bestellung
3. Beschaffung 313

In der Praxis wird die Änderung oder Stornie- Beispiel:


rung einer Bestellung vom Lieferanten, im
Auftragsbestätigung
Interesse der Erhaltung der guten Geschäfts-
beziehungen, immer akzeptiert werden, so- Auf ihre Bestellung hin erhält Frau Monk die
lange ihm noch keine Kosten entstanden sind. folgende Auftragsbestätigung der Alphatron
Rein rechtlich kann er natürlich auf Erfüllung KG:
des Vertrages bestehen.
Alphatron KG
Postfach 0815
3.3.5 Auftragsbestätigung
40880 Ratingen
Die Auftrags- oder Bestellbestätigung (juris-
tisch: „das kaufmännische Bestätigungs- DMW AG
schreiben“) erfolgt bei den meisten Bestel- - Einkauf, Frau Monk -
Lister Damm 58-67
lungen als Antwort des Lieferanten.
30163 Hannover
Sofern die Bestellung mit dem zugrunde
liegenden Angebot übereinstimmt, ist eine Ratingen, 17.13.20..
Auftragsbestätigung für das Zustandekommen Auftragsbestätigung
eines Vertrages nicht notwendig. Sie dient Sehr geehrte Frau Monk,
aber der Vermeidung von Irrtümern.
vielen Dank für den an uns erteilten Auftrag, den wir
Weicht die Bestellung vom Angebot ab, oder hiermit bestätigen:
handelt es sich um ein freibleibendes Ange-
Typ A Typ B Typ C Typ D
bot, so kommt der Kaufvertrag erst durch die 322,09 229,50 225,13 334,11 EUR/100 St.
Auftragsbestätigung zustande. Die Preise sind auf 2 Jahre festgeschrieben.
Der Abgleich der Daten der Auftragsbestäti- Preisstellung: DDP Bremerhaven und Halle.
gung mit denen der Bestellung durch den Zahlungsbedingungen: 14 Tage 2%, 30 Tg. netto).
zuständigen Einkäufer ist sehr wichtig, da Mit freundlichen Grüßen
jeder Abweichung unverzüglich widerspro- Reichert
chen werden muss. (Stillschweigen bedeutet
Abb. 33: Beispiel Auftragsbestätigung
Zustimmung!)

3.3.6 Bestell- und Aufgabe


Terminüberwachung 14. a) Prüfen Sie, ob die Auftragsbestäti-
gung dem Angebot entspricht.
Mit erfolgter Bestellung ist die Ware noch
b) Die Bestellbestätigung wird manch-
lange nicht dort, wo sie benötigt wird. Daher
mal Bestellannahme genannt. Wa-
ist es erforderlich, die Bestellung hinsichtlich
rum wohl?
des Liefertermins zu überwachen und gege-
benenfalls den Lieferanten zu mahnen, wenn
er in Verzug gekommen ist (siehe Kapitel
„Rechtliche Grundlagen“, Teil 3, Abschnitt
4.5.1).
314 Materialwirtschaft

Sofern eine entsprechende Software für die Aufgabe


Beschaffung zur Verfügung steht und genutzt
14. c) Es liegt folgendes Schreiben vor:
wird, kann die Terminüberwachung weit
gehend durch den Computer übernommen „Danke für Ihre Bestellung. Wir
werden. Alle Bestellungen erhalten eine eige- freuen uns, dass Sie sich nach einem
ne Nummer und können vom Einkäufer nach Jahr wieder an uns wenden. Inzwi-
verschiedenen Kriterien (Bestellnummer, schen haben sich die Konditionen
Liefertermin, Artikel, Lieferant) jederzeit geändert. Wir liefern nicht mehr frei
abgerufen werden. Im Falle einer Termin- Haus. Dafür gewähren wir 3% Skon-
überschreitung kann der Computer auch den to bei Barzahlung innerhalb einer
automatischen Druck von Mahnungen an die Woche. Damit wir nicht noch ein
Lieferanten übernehmen. extra Angebot unterbreiten müssen,
akzeptieren wir Ihre Bestellung.“
Lieferterminüberwachung ohne DV geschieht
mit Hilfe einer Ablage, in der Kopien bzw. Wie ist die Rechtslage? Gelten die
Durchschläge der Bestellungen nach Liefer- alten oder neuen Bedingungen?
termin geordnet abgelegt werden müssen.
Diese Ablage wird dann täglich auf überfälli- Beispiel:
ge Lieferungen durchgesehen. Soll außerdem Terminüberwachung für Bestellungen bei
die Möglichkeit bestehen, jederzeit die offe- der DMW AG
nen Bestellungen eines bestimmten Artikels
oder Lieferanten einzusehen, so müssen je- Die Terminüberwachung übernimmt bei
weils weitere Kopien oder Durchschläge DMW standardmäßig die Beschaffungs-
angefertigt und in der Lieferanten- bzw. Arti- Software (es sei denn, dies wird vom Anwen-
kelkartei abgelegt werden. der ausdrücklich nicht gewünscht). Die An-
wender können sich jederzeit „ihre“ fälligen
und überfälligen Bestellungen am Bildschirm
3.3.7 Wareneingang
abrufen und entscheiden, für welche Positio-
Bei der Warenannahme muss sofort eine nen eine Mahnung an den Lieferanten ge-
Wareneingangskontrolle durchgeführt wer- druckt werden soll.
den (siehe §377 HGB). Dabei werden
Alphatron KG
• die Warenbezeichnung (bzw. die Auf- Postfach 0815
schrift) 40880 Ratingen
• die Anzahl der Versandstücke und DMW AG
- Einkauf, Frau Monk -
• das Äußere der Ware (bzw. der Verpa- Lister Damm 58-67
ckung) 30163 Hannover
geprüft und mit den Begleitpapieren (Liefer- Ratingen, 03.02.20..
Lieferschein Nr. 123456
schein) verglichen. Abweichungen müssen
vom Überbringer (z.B. dem Spediteur) be- Art.Nr. Art. Bezeichnung Menge Einh.
scheinigt werden. Anderenfalls wird die An- 0815-01 Schalter Typ A 2.400 Stk.
nahme der Ware verweigert. 0815-02 Schalter Typ B 1.850 Stk.
4711-05 Schalter Typ C 2.250 Stk.
4711-02 Schalter Typ D 1.250 Stk.
Ware erhalten:

Datum/Unterschrift
Abb. 34: Beispiel Lieferschein
3. Beschaffung 315

Wenn die Verpackung später geöffnet wird, Beispiel:


wird die genaue Menge der gelieferten Ware
Rechnungsprüfung bei der DMW AG
bestimmt sowie die Art, Beschaffenheit und
Qualität geprüft und mit den Unterlagen (Lie- Bei DMW gibt es eine kleine Abteilung
ferschein, Bestellung, Muster usw.) vergli- Rechnungsprüfung, die dem Finanz- und
chen. Industrieunternehmen haben oft eigene Rechnungswesen zugeordnet ist. Dadurch
Prüfstellen (Labors) für detaillierte Untersu- ergeben sich folgende Vorteile:
chungen. • Die Rechnung wird nicht von dem glei-
Bei der Prüfung festgestellte Mängel oder chen Mitarbeiter geprüft, der auch die Be-
Abweichungen von der Bestellung müssen stellung getätigt hat. Dadurch wird der
unverzüglich beim Lieferanten gerügt werden Spielraum für Manipulationen verkleinert.
(Mängelrüge). Beanstandete Waren müssen • Da alle Rechnungen zentral bei der Rech-
sorgsam gelagert werden, bis der Verkäufer nungsprüfung eingehen, ist das Finanz-
über sie verfügt hat (siehe Kapitel „Rechtliche und Rechnungswesen wesentlich besser
Grundlagen“, Teil 3, Abschnitt 4.5.1.2). über ausstehende Forderungen informiert.
Die ordnungsgemäß eingegangene Ware wird Gehen dagegen Rechnungen auch bei den
im DV-System (bzw. im Wareneingangs- bestellenden Abteilungen ein, so bleiben
buch) mengenmäßig, als Wareneingang zur sie bis zur Bearbeitung oft lange liegen.
Bestellung, erfasst und die Ware im Lager Das Finanz- und Rechnungswesen weiß
eingeordnet. von ihrer Existenz nichts, und folglich ist
das Berichtswesen (z. B. die Erfolgsrech-
3.3.8 Rechnungsprüfung nung) unvollständig.

In kleinen und mittleren Betrieben wird die Alphatron KG


Rechnung oft von den Mitarbeitern geprüft Postfach 0815
und abgezeichnet, die auch die Lieferung 40880 Ratingen
bestellt hatten (also vor allem durch den Ein-
kauf). Da der Mitarbeiter den Hintergrund der DMW AG
- Einkauf, Frau Monk -
Bestellung am besten kennt, ist dies sicherlich Lister Damm 58-67
eine pragmatische Lösung. 30163 Hannover
Ratingen, 05.03.20..
In größeren Organisationen, in denen auf-
Rechnung Nr. 95 00 734
grund der Mitarbeiterzahl niemand mehr
Art.Nr. Art. BezeichnungMenge Einh. E-Preis G-Preis
einen detaillierten Überblick haben kann, ist
es notwendig, Beschaffung und Rechnungs- 0815-01 Schalter Typ A 2.400 Stk. 322,09 7.730,16
0815-02 Schalter Typ B 1.850 Stk. 229,50 4.245,75
prüfung personell getrennt voneinander zu 4711-05 Schalter Typ C 2.250 Stk. 225,13 5.065,43
4711-02 Schalter Typ D 1.250 Stk. 334,11 .176,38
organisieren, um einem eventuellen Miss-
brauch besser vorbeugen zu können. Daher Gesamtsumme EUR: 21.217,72
MwSt. EUR: 3.182,66
haben große Unternehmen i.d.R. eine separate
Zu zahlender Betrag EUR: 24.400,38
Rechnungsprüfungs-Abteilung, die organi-
satorisch dem Einkauf oder dem Finanz- und Zahlung: 14 Tage 2 %, 30 Tage netto
Rechnungswesen zugeordnet ist. Abb. 35: Beispiel einer Eingangsrechnung
316 Materialwirtschaft

Eine Rechnung enthält immer folgende Ele- Ergänzendes zur Rechnung


mente (gemäß DIN 4991): Die Rechnung ist die schriftliche Mitteilung des
• Rechnungskopf (Anschrift, Absender, Gläubigers an den Schuldner, dass dieser aus einer
Datum) ihm durch den Gläubiger zukommenden Leistung
ein bestimmtes Entgelt zu leisten habe. In der
• Rechnungskern (Nummer, Gegenstand, Regel wird die Rechnungserteilung in Kauf- oder
Menge, Preis und Gesamtpreis) und Leistungsvertrag nicht extra aufgeführt, weil es
allgemein üblich ist, seine Forderungen durch eine
• Rechnungsschluss (Bedingungen, Bank- Rechnung zu belegen. Die vorherrschende Mei-
verbindungen). nung sieht aber in der nachträglichen Rechnungser-
Jede eingehende Rechnung erhält einen Kon- teilung eine vertragliche Nebenpflicht, die aus dem
trollzettel („Rechnungsclip“), auf dem die Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB)
Durchführung der sachlichen (durch Ver- abzuleiten ist. Aus dieser Stellung der Rechnung
im Rahmen des Kaufvertrages ergibt sich das
gleich mit der Bestellung) und rechnerischen
Recht für den Schuldner, eine Klage auf Ausstel-
(Mengen, Preise) Prüfung der Rechnung lung einer Rechnung einzuleiten, insbesondere
abgezeichnet wird. Nachdem eventuelle Dif- dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass
ferenzen geklärt sind, wird die Rechnung steuerliche oder bilanztechnische Gründe eine
anschließend gebucht. Rechnung erforderlich machen, Die Rechnungser-
Der Zeitpunkt der Bezahlung der Ware hängt teilung erfolgt in der Regel nach der vom Gläubi-
ger erbrachten Leistung. Unterlässt dieser die
von den vereinbarten Zahlungsbedingungen Rechnungserteilung, kann er in Verzug gesetzt
ab. Ist eine Zahlung mit Skonto vereinbart, so werden, und fruchtet die Mahnung nichts, kann
wird der Käufer i.d.R. davon Gebrauch ma- sogar ein Schadenersatzanspruch folgen. Ein Kos-
chen, weil kaum eine andere Kreditform bzw. tenvoranschlag – selbst nach ausgeführtem Auftrag
eine alternative Geldanlagemöglichkeit er- – ist keine Rechnung.
tragreicher ist als die Nutzung einer Skonto-
gewährung (siehe Abschnitt 3.3.3). Aufgabe
15. Unter welcher Voraussetzung kann wohl
3.4 Die strategischen ein Schadenersatz bei nicht erfolgter
Aufgaben des Einkaufs Rechnungsausstellung gefordert werden?
Beispiel:
3.4.1 Beschaffungsmarketing und Beschaffungsmarktforschung bei DMW
Beschaffungsmarkt- Die Verantwortung der Materialwirtschaft
forschung und insbesondere des Einkaufs für den Unter-
nehmensgewinn wurde bereits im ersten Ab-
Die Aufgabe der Beschaffungsmarktfor- schnitt dieses Kapitels unterstrichen.
schung (kurz: BMF) bzw. des Beschaffungs-
marketings (kurz: BM) liegt in der systemati- Dieser Verantwortung kann der Einkauf nur
schen, bedarfsbezogenen Informationsgewin- dann nachkommen, wenn die Entwicklungen
nung zur Unterrichtung der Entscheidungsträ- auf den für DMW wichtigsten Beschaffungs-
ger über die gegenwärtigen Situationen auf den märkten sorgfältig verfolgt und bei Entschei-
Teilmärkten, Bedingungen und Entwicklungs- dungen berücksichtigt werden.
tendenzen in den Beschaffungsteilmärkten und Die Ergebnisse fließen in die mittel- und
ihren Marktfaktoren. langfristige Unternehmensplanung mit ein.
3. Beschaffung 317

3.4.1.1 Objekte der Beschaffungs- Beispiele für kontinuierliche BMF:


marktforschung 1. Entstehen neue Märkte
Die Beschaffungsmarktforschung ist zielori-
In den letzten 15 Jahren haben die so genann-
entiert, systematisch und aktiv. Sie richtet
ten „kleinen Tiger“ (Korea, Hongkong, Tai-
sich in der Regel auf die Gewinnung von
wan und Singapur) für viele Branchen – und
Informationen über:
so auch als Zulieferer der Automobilindustrie
• Materialarten und Substitutionsmateria- – stark an Bedeutung gewonnen. Ein neuer
lien Beschaffungsmarkt (Ostasien) ist entstanden.
• Materialqualitäten 2. Konjunkturabhängige Preisentwicklung
• (neue) Herstellungsverfahren und Tech- Als Folge der Wirtschaftsschwäche in den
nologien großen Industrieregionen war die Entwick-
lung der Weltmarktpreise für viele Werkstof-
• Anbieter und deren Stellung (und Ent-
fe in den Jahren 1992-1994 – entgegen der
wicklung) im Markt
langfristigen Entwicklung – abwärts gerichtet.
• Lieferkapazität Das hat sich geändert.
• Preise und Preisentwicklungstendenzen 3. Fertigungsverbesserung
• Vertriebsorganisation und Absatzwege Vor zwei Jahren erfuhr der Einkauf, aus Ge-
der Lieferanten sprächen mit einem neuen Lieferanten, von
einer neuen Konstruktionsweise seiner Bau-
• Angebots- und Nachfragestruktur
teile, durch die sich der Montagevorgang
• wirtschaftliche und politische Entwick- stark vereinfachen ließ. Anstatt die Anschlüs-
lungen. se wie bisher mühsam verschrauben zu müs-
sen, genügte nun ein einfacher, aber zuverläs-
3.4.1.2 Arten der BMF siger Schnapp-Mechanismus. Die Konstrukti-
Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene on war von dem Lieferanten neu entwickelt
Erscheinungsformen der BMF unterscheiden: worden, und er hatte sich dies patentieren
lassen. Nach weiteren Gesprächen mit der
• Die kontinuierliche BMF (auch präventi- Produktion und entsprechenden Versuchen
ves, agierendes oder aktives BM genannt) wurden Konstruktion und Montage auf die
geschieht auch ohne eine konkrete Be- neuen Bauteile umgestellt.
darfsmeldung. Sie dient zum einen der Su-
che nach neuen Beschaffungsmärkten und
damit alternativen Lieferanten und für be-
stehende Beschaffungsmärkte, zum Zwei-
ten der Suche nach neuen Entwicklungen
oder alternativen, effizienteren Verfahren.
(In der Regel ist die kontinuierliche BMF Beispiel:
nur für A-Materialien sinnvoll.)
Fallweise BMF
• Die fallweise BMF (auch akutes, reagie- Der Verwaltungsbereich im Werk Halle benö-
rendes oder passives BM genannt) tritt ein, tigt ein neues Faxgerät und hat eine entspre-
wenn auf einen konkreten Bedarf hin ein chend genehmigte Anforderung an den Ein-
Lieferant ausfindig gemacht werden muss. kauf geschickt. Normalerweise ist dies eine
Folgende Möglichkeiten bieten sich dem Routinebestellung, da sowohl der Artikel
Einkäufer, um neue Bezugsquellen zu er- genau spezifiziert als auch der Lieferant fest-
schließen: gelegt ist.
318 Materialwirtschaft

• Gespräche mit den Vertriebsbeauftragten Kurz nachdem die Bestellung an den Liefe-
der Lieferanten ranten gefaxt worden war, meldet sich dieser
telefonisch und teilt mit, dass die Produktion
• Markt-, Ernte- und Börsenberichte
des Gerätes eingestellt wurde und leider auch
• Besuch von Messen, Ausstellungen, keine mehr im Lager sind. Gleichzeitig bietet
Kongressen und Fachtagungen der Lieferant alternative Geräte an.
• Tages-, Fach- und Wirtschaftszeitungen Da die letzte Preisanfrage für Faxgeräte oh-
• Broschüren, Prospekte, Angebote nehin schon etwas zurücklag und der Markt
außerdem einem ständigen Preisverfall unter-
• Fernsprech- und Branchenfernsprechbü- liegt, wird dieser Umstand zum Anlass ge-
cher nommen, Faxgeräte neu anzufragen. Damit
• Beschaffungskataloge (z.B.: „ABC der alle neu angeschafften Kommunikationsgerä-
Deutschen Wirtschaft“, „Wer liefert te in das zukünftige Gesamtkonzept passen,
was?“, „Europages“) werden die neuen Spezifikationen mit der
zuständigen Fachabteilung, der Datenverar-
• Wirtschaftsdatenbanken. beitung, abgestimmt.
Die Lieferantenauswahl wird dann auf Grund- Nachdem die Anfrage abgeschlossen ist, wird
lage eines Angebotsvergleichs getroffen das Gerät zusammen mit der DV ausgewählt.
(siehe Abschnitt 3.3.3). Den günstigsten Lieferanten legt der Einkauf
Als Bezugsquellennachweis werden im Ein- fest.
kauf mittels eines geeigneten DV-Systems
(früher Karteikartensystem) sowohl die Arti-
kel- als auch die Lieferantenstammdaten
geführt. Die Daten der Lieferanten, die sich
aufgrund der Beschaffungsmarktforschung als
Aufgabe
geeignet für das Unternehmen erwiesen ha- 16. Nebenstehend wird ausgesagt, dass der
ben, werden für zukünftige Bedarfsfälle in Einkauf eine der wichtigsten Schnittstel-
den Dateien (bzw. auf den Karteikarten) auf- len eines Unternehmens ist.
genommen. a) Stellen Sie grafisch die vielfältigen
Neben dem Vertrieb ist der Einkauf eine der Kontakte dar, die der Einkauf zur Be-
wichtigsten Schnittstellen des Unternehmens wältigung seiner Aufgaben unterhält!
mit seiner Außenwelt. Durch den ständigen b) Überlegen Sie bitte, ob die Globalisie-
Kontakt mit Zulieferern vieler Branchen ist es rung der Märkte mit den zurzeit beste-
auch Aufgabe des Einkaufs, auf diesem Wege henden Informationssystemen den
Informationen über Erfahrungen und Lö- Einkauf erleichtert oder erschwert!
sungskonzepte anderer Unternehmen für das
eigene nutzbar zu machen. Das gilt sowohl c) Sehen Sie in der Globalisierung der
für neue Entwicklungen im Rohstoffbereich Märkte auch Gefahren für den Ein-
als auch für neue Fertigungsverfahren. Schließ- kauf?
lich sollte der Lieferant die entsprechende d) Worin besteht der Unterschied zwi-
Fachkompetenz auf dem Gebiet seiner Produk- schen Messen und Ausstellungen?
te besitzen. Dem Einkauf kommt eine wichtige Machen Sie sich hierüber kundig.
Rolle in der Beeinflussung der Produktions- Können Sie einige deutsche Standor-
struktur zu, was die enge Verflechtung mit dem te benennen, an denen derartige Ver-
Produktionsbereich deutlich macht. anstaltungen abgehalten werden?
3. Beschaffung 319

Insbesondere beim Einkauf von Handelswa- Wir sind ein Hersteller mit Servicemanagement! Was
ren benötigt der Einkäufer erhebliche Kennt- bedeutet das?
Viele Unternehmen und deren Mitarbeiter wissen wenig
nisse über die Absatzmärkte, damit keine über industriellen Service. Die meisten sind Service-
„Ladenhüter“ eingekauft werden. Ignoranten. Wir nicht. Denn die Verbesserung der Infor-
mation über Kosten und Nutzen von Service ist unab-
3.4.1.3 Eigenfertigung oder dingbar für ein professionelleres Servicemanagement.
Das haben wir. Und das kommt Ihnen zugute.
Fremdbezug Services bietet einerseits ungeahnte Chancen für dauer-
Zu Entscheidungen, die Materialwirtschaft hafte Wettbewerbsvorteile, die Sie in der Zusammenar-
beit mit uns spüren werden, weil wir uns als Dienstleister
(insbesondere den Einkauf) und Produktion mit Herstellerbasis verstehen. Wir planen mit Ihnen und
(und u.U. noch andere Bereiche) gemeinsam stimmen Produktion, Lagerhaltung, Lieferung, Einbau
betreffen, gehören so genannte „Make or und Entsorgung mit Ihren Vorstellungen ab. Andererseits
Buy“-Entscheidungen. Dabei geht es um die teilen wir uns die Ersparnisse durch genaueste Kosten-
Nutzenanalysen.
Frage, ob ein Bauteil oder Zwischenprodukt Service beginnt bereits bei der Auswahl der richtigen
selbst in Eigenfertigung („make“) hergestellt Mitarbeiter. Unsere Führung garantiert deren Motivation.
werden oder ob es von einem Lieferanten Früher konzentrierte sich das Servicemanagement aus-
zugekauft („buy“) werden soll. schließlich am Produkt. Diese Konzentration hat zu
einem hohen Qualitätsstandard geführt. Den haben wir
Auf den ersten Blick scheint es vielleicht beibehalten. Aber wir konzentrieren uns auf mehr: näm-
wenig sinnvoll zu sein, Teile der Fertigung lich auf Anwendungsberatung, auf Beschwerdemanage-
ment, auf schnelle Reaktion, auf Lieferflexibilität, und
fremd zu vergeben. Bedeutet es doch, dass Liefersicherheit und auf unsere Kunden integrierende
Wertschöpfungspotenzial außer Haus gege- Teams mit dem Ziel, Zulieferer und Kunden in Entwick-
ben wird, denn schließlich will der Zulieferer lungsaktivitäten, Logistikfunktionen und Qualitäts-Shifts
ja daran verdienen. Die Gründe, warum ein verantwortlich einzubinden.
Unternehmen seine Fertigungstiefe reduziert Abb. 36: Auszüge aus der Anzeige eines
und Bauteile oder ganze Baugruppen fremd- KFZ-Zulieferers
fertigen lässt, sind vielfältig. Die Kriterien,
die es bei der Entscheidung abzuwägen gilt,
sind im Wesentlichen: Beispiel:

• Qualität Eigenfertigung oder Fremdbezug


Im Automobilbau ist die Fertigungstiefe (sie-
• Know-how/technische Möglichkeiten
he Kapitel „Produktionswirtschaft“, Abschnitt
• Wirtschaftlichkeit/Kosten 3. 1 ) in den letzten 20 Jahren immer weiter
• Kapitalbindung/Investition reduziert worden. Der Fremdfertigungsanteil
ist daher vergleichsweise hoch.
• Liquidität
60 System- und Komponenten-Lieferanten
• Produktionskapazität/Auslastung sorgen für den pünktlichen Eingang der
• (Produktions-) Flexibilität Werkstoffe.
• Abhängigkeit/Versorgungssicherheit DMW hat längerfristige Verträge mit 4 Sys-
temanbietern abgeschlossen, für
• Risiko
• die Türen, Fenster und Fensterheber
• Informationsaustausch/Kommunikation.
• die Stoßfänger und Beleuchtung sowie
Die Entscheidung über Eigenfertigung oder
Fremdfertigung wird i.d.R. lang- oder mit- • das elektrische und elektronische Zubehör
telfristig getroffen. • die Sicherheitssysteme.
320 Materialwirtschaft

Es kann aber auch sein, dass kurzfristig die Die Systemanbieter benutzen eigene Spedi-
Möglichkeit des Fremdbezugs genutzt wird, teure. Mit zwei Lieferanten bestehen Daten-
wenn in der eigenen Produktion ein vorüber- verbundsysteme.
gehender Kapazitätsengpass auftritt (z.B., Der Systemlieferant der Stoßfänger (inkl.
weil die Nachfrage zu groß geworden oder Beleuchtung) ist einer der Zulieferer, die für
eine Anlage ausgefallen ist). DMW „Just-in-time“ produzieren und liefern.

3.4.2 Beschaffungslogistik Der Stoßfängerhersteller erhält die Informati-


onen für einen konkreten Abrufauftrag erst
3.4.2.1 Beschaffungswege acht Stunden bevor der Stoßfänger im DMW-
Werk an das Fahrzeug montiert wird, für das
Es gibt verschiedene Beschaffungs- bzw. er vorgesehen ist. Damit stehen dem Unter-
Absatzwege (der Unterschied in der Benen- nehmen etwa 4 Stunden zur Verfügung, um die
nung ist nur eine Frage der Sichtweise – vom Baugruppe fertig zu stellen, und etwa 1,5 Stun-
Kunden oder vom Lieferanten aus): den für den Transport zu DMW (die reine Fahr-
1. Der geschlossene oder indirekte Distri- zeit beträgt etwa eine halbe Stunde).
butionsweg entsteht, wenn die Ware Beispiele:
nicht direkt an den Weiterverarbeiter
bzw. Endverbraucher vertrieben wird, Verschiedene Distributionswege
sondern über den Zwischenhandel (Im- 1. Indirekte Distribution:
porteur oder Großhändler). a) Beispiel für Halbzeuge: Zulieferer ->
2. Der direkte Distributionsweg (Direkt- Exporteur -> Dt. Importeur -> Her-
geschäft) liegt vor, wenn der Zwischen- steller
handel (Importeur oder Großhändler) b) Beispiel für Endprodukte: Hersteller
ganz oder teilweise ausgeschaltet wird. -> Großhändler -> Einzelhändler ->
3. Das Streckengeschäft entsteht, wenn Endverbraucher
z.B. der Einzelhändler beim Zwischen- 2. Direkte Distribution
oder Großhändler bestellt und dieser
dann die direkte Belieferung vom Her- a) Beispiel für Halbzeuge: Zulieferer ->
steller aus veranlasst und die Rechnung Hersteller
stellt. Der Großhändler tritt somit nur als b) Beispiel für Endprodukte: Hersteller
Makler auf. -> Endverbraucher
3. Streckengeschäft
3.4.2.2 Kanban
Das Kanban-Konzept ist ein in Japan entwi-
ckeltes System zur flexiblen, dezentralen
Fertigungssteuerung. Sowohl zur Steuerung
der Eigenproduktion als auch der Zulieferer.
Kern des Systems ist ein selbststeuernder
Regelkreis zwischen verbrauchenden und
erzeugenden Fertigungsbereichen. Dabei gilt
das „Hol-Prinzip“. Immer wenn ein bestimm-
tes Kontingent eines Materials verbraucht ist, Abb. 37: Streckengeschäft
wird dieses Kontingent neu angefordert
(Kanban-Karte). Steuerung der Produktion
durch die Mitarbeiter selbst.
3. Beschaffung 321

Das Kanban-System wird vor allem in der


Serienfertigung eingesetzt und erfordert einen
sehr flexiblen, kurzfristigen Einsatz von Per-
sonal und Betriebsmitteln.

3.4.2.3 Just-in-time-Konzept
Im Sinne einer möglichst geringen Kapital-
bindung und geringen Handlingskosten ist die
produktionssynchrone Anlieferung („Just-in-
time“-Belieferung) optimal.
Just-in-time (JIT) spart zwar Lager- und
Personalkosten, verlangt auf der anderen Seite
aber auch höchste Zuverlässigkeit. Weil bis
auf gewisse eiserne Reserven kein Lager
mehr vorhanden ist, um auch bei Verbrauchs-
schwankungen, Lieferverzögerungen, Aus-
schusslieferungen oder Produktionsstillstand
beim Lieferanten die Versorgungssicherheit
gewährleisten zu können, muss die logistische
Kette entsprechend optimiert und unanfällig
werden. JIT hat aber mit sich gebracht, dass
Transporter Tag und Nacht die Straßen be-
lasten, was auch für Anwohner als erhebliche
Beeinträchtigung angesehen werden kann.

3.4.3 ABC-Analyse Abb. 38: Auswirkungen der JIT-


Beschaffung
Die ABC-Analyse ist ein Verfahren, das in
der Materialwirtschaft schon seit langem
erfolgreich eingesetzt wird. Sie dient dazu Beispiel:
herauszufinden, welche Artikel und Lieferan- JIT-Ablauf bei der DMW AG
ten eine hohe Bedeutung haben und welche
Die DMW AG teilt dem Lieferanten per Da-
weniger wichtig sind.
tenfernübertragung den Bedarf mit. Mengen,
Da es nicht sinnvoll ist, sich mit allen Liefe- Zeiten und ggf. sogar Konstruktionszeich-
ranten und Artikeln gleich intensiv zu be- nungen werden übermittelt und sind täglich
schäftigen, kann der Einkauf mit ihrer Hilfe abrufbereit.
herausfinden, wo die Schwerpunkte der Ar-
Der Lieferant richtet seine Produktion nach
beit liegen müssen.
den Wünschen des Kunden ein. Zur täglichen
Z.B. lohnt es sich i.d.R. nur bei Artikeln mit Versorgung werden meist Gebietsspediteure in
hohem Umsatz, viel Zeit in die Ermittlung der das System einbezogen, die oft verschiedene
günstigsten Bezugsquelle zu investieren (sie- Lieferanten anfahren und die Waren oder Stof-
he Beispiel auf Seite 323). fe abliefern. Die Spediteure stellen eine Art
rollendes Lager dar. Lieferant und Kunde kön-
nen ihre Fertigung weit gehend optimieren.
322 Materialwirtschaft

Zum Begriff der Logistik


Die Logistik ist eine Querschnittsfunktion. Sie gehört in den
Bereich der Führung, also in den dispositiven Faktor Arbeit. Im
Laufe der letzten Jahre ist daher der Begriff des Logistikmanage-
ments entstanden.
Der Begriff Logistik ist dem Französischen entlehnt. Früher war
er einzig und allein beim Militär gebräuchlich. Heute gehört er
zur Betriebswirtschaftslehre gleichberechtigt wie etwa Planung,
Tenninierung, Durchlaufgeschwindigkeit, Rationalisierung etc.
Isermann schreibt, dass der Begriff „Logistik“ zur Charakterisie-
rung sämtlicher Transport-, Lager- und Umschlagsvorgänge von
Gütern in und zwischen den Betrieben herangezogen wird.
Unternehmerische oder betriebliche Logistik (business logistics),
das ist nichts anderes als Aufgabenstellung und Lösung im
Bereich des Betriebsprozesses. Die Logistikleistung ist demnach
eine immaterielle Leistung, die gewährleisten muss, dass das
richtige Produkt in der richtigen Menge und der richtigen Qualität
am richtigen Ort und zur richtigen Zeit, beim richtigen Kunden
und zu „richtigen“ Kosten verfügbar sein muss. (Man spricht
übrigens von den sieben „r“-Leistungen.).
Um das zu erreichen, muss die Logistik alle nur erdenklichen
Variablen und fixen Größen: Personal, Maschinen, Werkstoffe,
aber auch Abfall (zur Wiederverwertung) – und das sind innerbe-
triebliche Gegebenheiten – sowie Lieferanten und Spediteure etc.
– und das sind externe - in die Überlegungen einbeziehen.
Demnach umfasst die Logistik die gesamte Planung und Abstim-
mung des gesamten Leistungsprozesses oder eines Teiles von ihm
einschließlich der Festlegung der Mittel, die die Logistikleistung
möglich machen.
Abb. 39: Logistische Vernetzung mit
unterschiedlicher Intensität

Können Sie den Aufbau Ihrer Telekommunikati- Kein Zweifel: War bei festlichen Anlässen die Teil-
on später einmal genauso leicht verändern? nahme irn XJS V12 Cabriolet fast schon ein gesell-
Nun, voraussagen lasst sich nichts. Viele Entschei- schaftliches Muss, so empfand man sich beim
dungen müssen jedoch schon heute getroffen Golfclub-Picknick mitunter doch ein wenig overdres-
werden: Vernetzung? Verkabelung? Welcher Anbie- sed. Dem Wunsch nach etwas salopperer Motorisie-
ter? Um so wichtiger ist es, dass die angebotenen rung entsprechen wir rechtzeitig zu Saisonbeginn
Lösungen anpassungs- und erweiterungsfähig sind mit einem neuen XJS 4.0 Cabriolet mit dem schlan-
und Sie auch noch nach Jahren zufrieden stellen. keren Sechszylinder-Reihenmotor. 24 Ventile sor-
Telekommunikation hat nichts mit Telepathie zu tun. gen in harmonischem Zusammenspiel mit der 4-
Auch wir von AT&T behaupten nicht, Ihre zukünfti- Gang-Automatik für einen kräftigen und gleichzeitig
gen Anforderungen zu kennen. Aber unsere Erfah- kultivierten Antrieb, wobei Ihnen zwei Fahrpro-
rung hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. gramme je nach Straßen- und Gemütsverfassung
Schließlich wurde in den letzten hundert Jahren die Wahl zwischen entspannter und sportlicher
praktisch jede richtungsweisende Innovation auf Fahrweise lassen. Das elektrisch zu betätigende
diesem Gebiet in unseren Bell Laboratories entwi- Faltverdeck ist ebenso dicht und zuverlässig wie die
ckelt, oder wir waren führend daran beteiligt. So das legendäre englische Wachstuchjacke, und den Air-
Glasfaserkabel, die drahtlose Schalttechnik oder bag haben wir so diskret im Lenkrad platziert, dass
das UNIX-Betriebssystem. er die feine Ausstattung aus Leder und die in polier-
So werden auch unsere Innovationen von heute tem Wurzelholz eingelassenen Rundinstrumente
zum technischen Standard von morgen gehören. nicht unnötig derangiert. Lassen Sie sich bei einer
Für Telefongesellschaften genauso wie für deren Probefahrt von Ihrem Jaguar-Partner erläutern,
Kunden. Ganz gleich – und das beruhigt doch warum wir glauben, dass das neue XJS 4.0 Cabrio-
ungemein – wie der Aufbau der Telekommunikation let auf der nach oben offenen Werteskala eines
später einmal aussehen wird. überzeugten Cabriolet-Fahrers einen zumindest
ebenso hohen Platz einnimmt wie ein handgefloch-
Abb. 40a): Aus der Investitionsgüterwer- tener Picknickkorb mit echt englischem Porzellan.
bung Jaguar Info-Center, Tel. 069-5 97 60 43 oder Fax 0
69 - 59 1022.
Abb. 40b): Aus der Konsumgüterwerbung
3. Beschaffung 323

Die ABC-Analyse setzt voraus, dass die Beispiel:


Wichtigkeit eines Artikels umso höher ist, je
Warum lohnt es sich, bei umsatzstarken A-
größer sein wertmäßiger Anteil im Verhältnis
Artikeln mehr Zeit in die BMF zu investie-
zum Gesamtbeschaffungsvolumen ist. Typi-
ren?
scherweise macht dabei bereits ein relativ
kleiner Teil der Artikel (z.B. 20 %) einen 1. Aufgrund des größeren Umsatzes ist es
relativ großen Teil des gesamten Beschaf- leichter, einen günstigeren Preis zu ver-
fungswertes (z.B. 80 %) aus. handeln (Mengenrabatt).
Um das Ergebnis einer ABC-Analyse (die 2. Der um beispielsweise 3,- EUR niedrige-
Vorgehensweise ist in der rechten Spalte be- re Preis pro Stück multipliziert sich mit
schrieben) grafisch veranschaulichen zu kön- einer höheren Stückzahl und führt damit
nen, werden in einem Schaubild (siehe Abb. zu einer absolut höheren Ersparnis:
41) die Artikel, ihrer abnehmenden Bedeutung 1000 Stk. x 3 EUR/Stk. = 3000 EUR
nach, auf der x-Achse angeordnet. Auf der y-
10 Stk. x 3 EUR/Stk. = 30 EUR
Achse wird der kumulierte Beschaffungswert
abgetragen. Danach werden die Artikel in A- (=
wichtig), B- und C-Klassen (= unwichtig) ein-
geteilt. Die Entscheidung, welche Grenzen für Vorgehensweise bei der ABC-Analyse:
die Klassen angesetzt werden sollen, hängt von Für jeden der betrachteten Artikel wird der
der individuellen Fragestellung ab. Beschaffungswert (Menge x Preis) ermittelt.
Die Artikel werden dann in die Reihenfolge
Typische Grenzen sind für
ihrer Bedeutung gebracht (größter Beschaf-
• A-Teile: die Anzahl der umsatzstärksten fungswert = größte Bedeutung = erste Positi-
Artikel, die zusammen etwa 70–80 % des on usw.).
Gesamtbeschaffungswertes ausmachen
In einer Tabelle wird dann in einer weiteren
(i.d.R. 5 bis 20 % aller Artikel)
Spalte der Beschaffungswert von Artikel zu
• B-Teile: die Anzahl der nächst umsatz- Artikel aufsummiert, sodass am Ende, hinter
stärksten Artikel, die noch einmal 15 bis dem letzten Artikel, der Gesamtbeschaf-
25 % des Gesamtbeschaffungswertes aus- fungswert aller betrachteten Artikel erscheint.
machen (i.d.R. 10 bis 20 % aller Artikel)
• C-Teile: die Anzahl der verbleibenden
Artikel, die oft nur noch etwa 5 bis 10 %
des Gesamtbeschaffungswertes ausma-
chen (i.d.R. 50 bis 85 % aller Artikel).
Die bevorzugte Behandlung der A-Artikel
äußert sich vor allem durch
• intensive Marktbeobachtung
• Wahl besonders leistungsfähiger Liefe-
ranten
• Abschluss von Rahmenverträgen
• Minimierung der Lagerbestände
• sorgfältige Bedarfsprognose
• Einsatz besonderer Dispositionsverfahren Abb. 41: Ergebnis-Beispiel einer ABC-
(z.B. Kanban, „Just-in-time“). Analyse
324 Materialwirtschaft

3.4.4 Beschaffungsplanung Beispiel:


Die Beschaffungsplanung ist ein wichtiger Beschaffungsplanung bei der DMW AG
Bestandteil der strategischen Aufgaben des Zum Ende jedes Quartals wird bei DMW eine
Einkaufs. Dazu gehören: Bedarfsplanung aller A-Artikel und einiger B-
• die Bedarfsplanung (Mengen- und Artikel für die nächsten vier Quartale ge-
Terminplanung) für eine zukünftige macht. Grundlage dafür ist stets der aus dem
Periode auf Basis des Absatz- und Absatzplan erstellte Produktionsplan. Die
Produktionsplanes (siehe Abb. 14) daraus entnommenen Bedarfsmengen und -
termine werden mit den Rahmenvereinbarun-
• die Preisentwicklungs- und Budgetpla- gen der Lieferanten abgeglichen. Über- oder
nung für eine zukünftige Periode (z.B. für Unterdeckungen können aufgrund dieser
das nächste Geschäftsjahr) als Bestandteil Planung so rechtzeitig erkannt werden, dass
der strategischen Unternehmensplanung. dem Einkauf ausreichend Zeit bleibt, um die
• Weitere Beispiele sind die Planung der Veränderungen mit den Lieferanten abzuspre-
Bereitstellungsprinzipien, der Beschaf- chen. Einmal im Jahr werden auch die Be-
fungswege, der Lagermöglichkeiten, der darfs der B- und C-Artikel für das kommende
Lieferantenanzahl sowie Kriterien für de- Jahr geplant.
ren Auswahl). In der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres
erwartet die Geschäftsleitung eine Budget
bzw. Kostenplanung des Einkaufs für die
Beschaffung des nächsten Jahres. Dazu ist
3.5 Materialentsorgung und neben der Bedarfsmengenplanung auch eine
Materialverwertung möglichst genaue Einschätzung der Preisent-
wicklung notwendig. Hierzu sind detaillierte
Marktkenntnisse erforderlich.
Die Materialentsorgung bzw. Materialver-
wertung (Recycling) wird zu einer immer
Beispiel:
wichtigeren Frage für die Unternehmen:
Neue Wege in der Entsorgung bei der
Die immer schärferen gesetzlichen Auflagen
DMW AG
und das steigende Umweltbewusstsein der
Verbraucher führen dazu, dass umweltfreund- Außer Betrieb genommene Fahrzeuge der
liche Produkte und umweltverträgliche Her- Marke DMW werden, im Auftrag von DMW,
stellungsverfahren, sowohl unter Kosten- als von selbstständigen Verwertungsbetrieben
auch unter Marketingaspekten, immer rele- zerlegt. Die Bestandteile werden zum großen
vanter für den Unternehmenserfolg werden. Teil aufbereitet und stofflich wieder verwertet.
Die ständig steigenden Entsorgungskosten Darüber hinaus konnte die Produktion, in
(vor allem für Sondermüll) sind heute ein Zusammenarbeit mit einem Lackfarben-
nicht mehr zu vernachlässigender Bestandteil Hersteller, auf die Verwendung von lösemit-
der Gesamtkosten der Materialwirtschaft. telfreien Farben umgestellt werden.
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 325

Hier ist vor allem der Einkauf gefordert, zu- In den Klimaanlagen werden nur noch Kühl-
sammen mit Lieferanten, Konstruktion, Pro- mittel ohne FCKW und FKW eingesetzt, und
duktion und Marketing neue Wege zur Ver- ein Teil der Lieferanten für Kunststoffteile
wendung umweltverträglicher Rohstoffe zu produziert bereits mit hohen Anteilen an Re-
finden und die Abfallentsorgung ständig wei- cycling-Kunststoff, der z. T. aus den o.g.
ter zu reduzieren. Verwertungsbetrieben stammt.
Aufgabe
4. Lagerhaltung und 17. In Abb. 39 sind verschiedene logistische
Systeme (Einkaufslogistik, Materiallogis-
innerbetriebliche tik etc.) dargestellt.
Logistik Stellen Sie die Unterschiede dar!

4.1 Einleitung
In einem produzierenden Unternehmen findet Aufgaben
man eine Vielzahl von Lagern mit unter-
18. a) Welche Lager gibt es in Ihrem Aus-
schiedlicher Art, Größe und Funktion:
bildungsbetrieb?
• Wareneingangslager für Roh-, Hilfs- und
Zu welchen der nebenstehend aufge-
Betriebsstoffe
führten Typen gehören diese Lager?
• Zwischenlager in der Produktion b) Überlegen Sie, wie sich der Ferti-
• Warenausgangslager für Fertigerzeugnis- gungstyp (Einzel- oder Serienferti-
se sowie gung) auf die Lagerhaltung auswirkt!
• Werkzeug- und Ersatzteillager. Beispiel:
Die Aufgabe des Lagers ist die Bereitstel- Lager mit unterschiedlicher Funktion
lung
1. Lager mit Speicher- oder Pufferfunktion:
• der notwendigen Lagerkapazität
• Wareneingangs- und Warenaus-
• der gelagerten Materialien in ausreichend gangslager
kurzer Zeit sowie
• Pufferlager in der Fertigung zwi-
• aktueller Informationen über Bestände schen zwei Arbeitsgängen (siehe
(ggfs. Inventur), Zu- und Abgänge Kapitel „Produktionswirtschaft“)
auf möglichst wirtschaftliche Weise zu ge- 2. Lager mit Umformfunktion:
währleisten. Frisch lackierte Werkstücke (wie z. B.
Grundsätzlich erfüllt ein Lager immer mindes- die Rohkarosserie) müssen i. a. erst zum
tens eine der beiden folgenden Funktionen: Trocknen zwischengelagert werden, be-
1. Die Speicher- oder Pufferfunktion: vor sie weiterverarbeitet werden können.
Durch das Lager soll gewährleistet wer- Klebstoffe müssen erst aushärten, und
den, dass immer genug Waren für den Material, das in einem Arbeitsgang er-
nächsten Verarbeitungsschritt verfügbar hitzt wurde, muss oft erst auskühlen.
sind und somit zeitliche Differenzen zwi- (Branchenfremde Beispiele: die Lage-
schen dem Wareneingang und dem Wa- rung von Wein oder Käse während des
renausgang überbrückt werden können. Reifeprozesses.)
326 Materialwirtschaft

2. Die „Umformfunktion“: In vielen Fäl- Beispiel:


len ist das Lager selbst auch ein Bestand-
Formen der Lagerhaltung bei der
teil des Leistungserstellungsprozesses,
DMW AG
weil die Waren durch die Lagerung eine
Veränderung erfahren, die zur Weiterver- Eigene Lager finden sich bei DMW, wie in
arbeitung notwendig ist. jedem Industriebetrieb, sowohl für eingehen-
de Waren, Zwischenlager in der Produktion
In Handelsunternehmen existiert häufig keine
und für Fertigwaren (die PKW).
räumliche Trennung zwischen Warenein-
gangs- und Warenausgangslager. Zum Teil Alle Lieferanten, die DMW Just-in-time be-
ändern sich im Laufe des Warenumschlags- liefern, übernehmen die Lagerhaltung für
prozesses jedoch die Gebindeeinheiten. DMW – es sei denn, sie produzieren auch
Just-in-time. Darüber hinaus wurde einigen
Speziell im Einzelhandel ist der Verkaufs-
Lieferanten, die zusammen in einer weiter
raum auch gleichzeitig der Lagerraum. Nur
entfernt liegenden Region ansässig sind, der-
für besonders umsatzstarke Waren existieren
selbe Spediteur zugewiesen. Dieser holt die
dort noch Reservelager.
Ware ab und liefert sie gemeinsam an. Dadurch
Die Materialvorhaltung kann über verschie- können entweder die Bestelllosgrößen, bei
dene Formen der Lagerhaltung erfolgen: gleich bleibenden Transportkosten, verkleinert
• Eigene Lager. werden oder die Zahl der Transporte vermin-
dert werden. Dies ist sowohl ökonomisch als
• Fremdlager. Zunehmend werden Lager auch ökologisch sinnvoll.
nicht mehr von den Unternehmen selbst
unterhalten, sondern vergeben an Ein Konsignationslager gibt es bei DMW z.
B. im Werkstattbereich. Der Lieferant für
– den Lieferanten (JIT-Belieferung) Normteile (Schrauben, Muttern, Unterleg-
oder scheiben usw.) hat ein vereinbartes Sortiment
– so genannte Logistik-Dienstleister, zur Verfügung gestellt. In regelmäßigen In-
meistens große Speditionen. tervallen kommt ein Vertreter des Lieferanten
vorbei und füllt verbrauchtes Material wieder
• Konsignationslager. Der Lieferant un-
auf. Die aufgefüllten (d. h. entnommenen)
terhält ein Lager beim Kunden, d.h., die
Mengen werden in Rechnung gestellt.
Waren – und damit die Kapitalbindung –
gehören dem Lieferanten. Der Kunde
stellt den Lagerraum zur Verfügung und
zahlt nur die Materialien, die er ver-
braucht. Aufgabe
• Bevorratungsmaßnahmen, die mit 19. Überlegen Sie, welche Gründe für eine
Wettbewerbern oder staatlichen Instituti- zentrale Lagerhaltung sprechen und wel-
onen abgestimmt sind. che für eine dezentrale!
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 327

4.2 Lagerplanung

4.2.1 Standort und Kapazität

Die grundlegende Entscheidung bei der Beispiel:


Standortplanung ist, ob die Lagerhaltung
Standortplanung
zentral oder dezentral erfolgen soll.
Da das Werk in Halle „auf die grüne Wiese“
Der optimale Lagerstandort kennzeichnet gebaut wurde, konnte das Lager rein unter
sich durch das Gesamtkostenminimum aus den Gesichtspunkten der Kostenoptimierung
Lagerhaltungs- und Transportkosten. geplant werden.
Grundlage der Kapazitätsplanung ist der vor- Oft müssen bei der Lagerplanung aber be-
aussichtliche Platzbedarf der einzelnen Mate- stimmte Rahmenbedingungen beachtet wer-
rialien. den (z. B. die bisherige Bebauung des Grund-
Der Standort und die Auslegung der Kapazität stückes oder existierende Verkehrswege), die
sollten auch künftige Veränderungen berück- die Planung sehr erschweren können.
sichtigen.

4.2.2 Lagergestaltung Aufgabe


4.2.2.1 Lagerbauart 20. Beschreiben Sie die gebräuchlichsten
Lagerarten für Roh-, Hilfs- und Betriebs-
Die Bauart des Lagers richtet sich nach den stoffe in Ihrem Ausbildungsunternehmen!
physikalisch-chemischen Eigenschaften der
zu lagernden Materialien: Beispiele:
Konventionelle Regallager
• offene Lager (z.B. umzäunte Freiflächen)
• Palettenregale sind besonders universell
• halb offene (überdachte) Lager
einsetzbar und flexibel gegenüber Sorti-
• geschlossene Lager (z.B. in Gebäuden) mentsänderungen (Bauhöhe bis zu 12 m).
• Sonder- und Speziallager (Tanks, Silos • Fachbodenregale dienen insbesondere der
etc.). Lagerung von Kleinteilen.
• Kragarmregale sind speziell für die Auf-
4.2.2.2 Lagereinrichtung
nahme von Langgütern beliebiger Länge
Als Lagereinrichtung werden alle Hilfsmit- (z. B. Profilstäbe, Rohre) geeignet.
tel verstanden, die zur Lagerung und zum
Transport der Güter verwendet werden. In • Durchlauflager sind so konstruiert, dass
diesem Zusammenhang sei auf die Abbildung das Lagergut das Regal auf einer Rollen-
auf Seite 278 verwiesen. bahn durchläuft. Dies geschieht entweder
mit der Schwerkraft durch eine leichte
Neigung der Bahn oder durch angetriebene
Rollen. Die Beschickung erfolgt von der
einen Seite, die Entnahme von der anderen
Seite aus (First-in-first-out-Prinzip).
328 Materialwirtschaft

4.2.2.2.1 Die feste Lagereinrichtung Beispiel:


• Das Blocklager stellt die einfachste Art Hochregallager bei der DMW AG
des Lagers dar, da es ohne große Einrich- Das Werk Emden verfügt über ein weit ge-
tung auskommt. Die zu lagernden Güter hend automatisiertes Hochregallager. Für das
werden einfach über- und nebeneinander Werk in Halle wurde gleich ein vollautomati-
gestapelt. Allerdings ist der Zugriff nur sches Hochregallager realisiert. In diesen
auf einen Teil der Lagergüter direkt, d.h. Lagern werden fast alle Produktionsmateria-
ohne andere Güter umzulagern, möglich. lien, wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe so-
Diese Lagerart kann daher nur für die wie Zulieferteile und -baugruppen, eingela-
Lagerung von wenigen oder gleichartigen gert und auf Anforderung der Produktion zu
Gütern sinnvoll sein. Verfügung gestellt.
• Das Regallager stellt die am häufigsten
eingesetzte Bauart dar, weil sie die Mög-
lichkeit bietet, jederzeit auf jede La-
gereinheit zugreifen zu können. Aufgaben
– Das konventionelle Regallager ist 21. Überlegen Sie, welche festen Lagerein-
meist in einem eingeschossigen Ge- richtungen am ehesten für den Einsatz im
bäude zu ebener Erde untergebracht. Einzelhandel, Großhandel oder in der In-
Die Regale tragen nur das Lagergut dustrie geeignet sind!
und haben keine gebäudetragende 22. a) Nennen Sie die wichtigsten ortsfes-
Funktion. ten Lagereinrichtungen!
– Hochregallager sind eingeschossige Überlegen Sie, welche Vor- und
Regallager, bei denen die Regale Nachteile sie haben können!
i.d.R. die gebäudetragende Kon-
b) Die DMW lagern ihre fertiggestell-
struktion bilden. Dach und Seiten-
ten Autos auf bewachten, offenen,
wände sind fest mit den Regalen
eingezäunten Flächen. Warum ist
verbunden. Die Ein- und Auslage-
diese Lagerhaltung im Einkauf kaum
rung erfolgt mit speziellen Regalför-
oder nur begrenzt möglich?
derzeugen oder Hochregalstaplern.
Sie werden z. Zt. bis zu 40 m hoch
und 200 m lang gebaut!

Blocklager Regallager
Konv. Regallager Durchlauflager Hochregallager
Flächennutzungsgrad gering mittel mittel hoch
Volumennutzungsgrad hoch mittel hoch mittel
Füllgrad hoch hoch mittel (nur 1 Position/Kanal) hoch
First-in-first-out nein (LIFO) möglich automatisch möglich
Wahlfreier Zugriff auf alle nein ja nein ja
Einheiten
Investitionsaufwand sehr gering mittel hoch hoch
Betriebskosten (Automati- hoch (nied- mittel mittel niedrig (hoch)
sierung) rig)
Flexibilität gering hoch mittel hoch

Bedienbarkeit schlecht einfach mittel einfach

Abb. 42: Vor- und Nachteile der Lagerbauarten


4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 329

• Sonstige feste Lagereinrichtung Beispiel:


– Die Beleuchtung eines Lagers ge- Förderzeugeinsatz bei der DMW AG
schieht überwiegend mit künstli- 1. Für den Transport in den Lagern werden
chem Licht. Bestimmten Gütern bei DMW folgende Förderzeuge einge-
kann die Lagerung bei natürlichem setzt:
Licht sogar schaden. Die erforderli-
• Gabelstapler
chen Beleuchtungsstärken sind ge-
• Gabelhubwagen
normt und durch die Arbeitsstätten-
• Schlepper: In allen Werken werden
verordnung geregelt.
fahrerlose Transportsysteme (FTS)
– Die Anforderungen an das notwen- eingesetzt. Die Fahrzeuge des FTS
dige Klima (Heizung, Belüftung und orientieren sich während der Fahrt an
Klimatisierung) im Lagerraum wer- dem Verlauf eines elektromagneti-
den durch die zu lagernden Güter schen Feldes, das durch ein im Boden
festgelegt. entlang der Fahrwege verlegtes elekt-
– Zur Feuersicherung müssen vollau- risches Kabel erzeugt wird. Ein Pro-
tomatische Brandmeldesysteme, die zessrechner steuert das Gerät über
Verwendung brandhemmender Bau- Funk an jeden Haltepunkt.
stoffe sowie ausreichende Fluchtwege • RFZ (Regalförderzeuge) sind in den
berücksichtigt werden. Hochregallagern in Halle im Einsatz.
Mit Rollenbahnen werden die Palet-
4.2.2.2.2 Die bewegliche Lagereinrichtung ten zu/von den Übergabepunkten der
Bei der beweglichen Lagereinrichtung RFZ hin-/wegtransportiert.
unterscheidet man einmal die Förderzeuge 2. Zur Versorgung der Montageplätze in der
(FZ), also die Anlagen, mit denen die Güter Produktion mit Material aus den Lagern
bewegt werden, und die Förderhilfsmittel, werden folgende FZ eingesetzt:
mit denen die Güter in eine lager- und trans- • Power-and-free-Förderer sind eine
portfähige Einheit gebracht werden. Weiterentwicklung der Hängebah-
Die Förderzeuge werden wieder unterschie- nen. Der Unterschied liegt in der er-
den in stetig und unstetig arbeitende sowie in heblich größeren Flexibilität, weil
flurgebundene (d.h. mit Bodenkontakt) und die Reihenfolge der Transporteinhei-
flurfreie FZ’s (siehe Abb. 43). ten während des Transportes geän-
dert werden kann.
• Unstetigförderer sind geprägt durch • Schlepper, insbesondere im Rahmen
ihren diskontinuierlichen, schubweisen eines fahrerlosen Transportsystems
Transportfluss. (FTS), bei DMW. Die Fahrzeuge des
– Flurgebundene, regalunabhängige FTS orientieren sich während der
Unstetigförderzeuge sind im We- Fahrt an dem Verlauf eines elektro-
sentlichen folgende: magnetischen Feldes, das durch ein
– Gabelstapler sind besonders fle- im Boden entlang der Fahrwege ver-
xibel und daher das in konventi- legtes elektrisches Kabel erzeugt
onellen Lagern am häufigsten wird. Der Prozessrechner steuert das
eingesetzte FZ. Gerät über Funk an jeden Haltepunkt.
In Halle konnte auch auf das Kabel im
Boden verzichtet werden, weil das
Fahrzeug seine Position anhand von
verteilten Kontrollsendern bestimmt.
330 Materialwirtschaft

Abb. 43: Gliederungsübersicht der Förderzeuge

Insbesondere für Lager mit ge- • Über Rollenbahnen werden Montage-


ringeren Regalgangbreiten wur- punkte mit Material versorgt, die beson-
den viele spezielle Varianten ders starken und homogenen Bedarf auf-
entwickelt (z.B. mit seitlich ver- weisen.
fahrbaren Gabeln). Maximale
Stapelhöhe: 4–6 m (mit Spezial- Aufgaben
staplern bis zu 12 m). 23. Welche sonstigen festen Lagereinrich-
– Gabelhubwagen dienen dem tungen kennen Sie?
Transport von Paletten auf kur- 24. Warum ist im Lager unter Umständen
zen Entfernungen. In der ein- Klimatisierung erforderlich? Nennen Sie
fachsten Version werden sie von mögliche Beispiele!
Hand bedient. Elektro-Gabelhub- 25. Fassen Sie noch einmal, in eigenen Wor-
wagen heben und fahren mittels ten, die Vorteile und Nachteile von Block-
eines akkubetriebenen Elektro- lager und Regallager zusammen!
motors.
26. Unterscheiden Sie flurgebundene regalab-
– Schlepper werden durch einen hängige und regalunabhängige Unstetig-
Verbrennungs- oder Elektromo- förderer! Was sind ihre Vorteile gegenüber
tor angetrieben und für Transpor- Gabelstaplern?
te über größere Strecken einge-
setzt. Eine Weiterentwicklung 27. Nennen Sie die verschiedenen Stetigför-
stellen die so genannten „Fahrer- derer! Durch welches Merkmal zeichnen
losen Transportsysteme“ (FTS) sie sich aus?
dar. 28. Warum werden Förder- und Ladehilfs-
– Flurgebunden und regalabhängig sind mittel eingesetzt?
Regalförderzeuge (RFZ). Sie laufen
auf Schienen, die mit dem Regal ver-
bunden sind, und können daher nur
innerhalb einer Regalanlage einge-
setzt werden.
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 331

Gegenüber Gabelstaplern benötigen Beispiel:


sie weniger Platz, sind schneller, kön-
Förder- und Lagerhilfsmittel bei der
nen genauer positioniert werden und
DMW AG
sind in der Hubhöhe nicht begrenzt
(entscheidend in Hochregallagern). Bei DMW finden sich Beispiele für alle ge-
bräuchlichen Förder- und Lagerhilfsmittel:
– Flurfreie Förderzeuge sind Hänge-
bahnen, Hubförderer und Power- • Kleinteilebehälter werden als Behältnisse
and-free-Förderer. für Kleinteile bzw. -mengen eingesetzt
(z. B. Schrauben). Sie sollten stabil,
• Stetigförderer sind ortsfeste, z.T. auch
leicht und stapelfähig sein und einen ebe-
bewegliche Einrichtungen, die sich durch
nen Boden für den Einsatz auf Rollen-
einen kontinuierlichen Transportfluss aus-
bahnen besitzen.
zeichnen.
• Flachpaletten sind i. d. R. aus Holz, z. T.
– Flurgebundene Stetigförderer sind
aus Kunststoff (Nahrungsmittelindustrie)
z.B.:
oder Metall, mit einer Unterfahrhöhe von
– Rollenbahnen werden für den 100 mm. Die größte Bedeutung hat die
Transport von Material mit ebe- standardisierte Euro-Pool-Palette (800x
nem Boden eingesetzt. Bis auf 1200 mm).
Teilstrecken mit Gefälle müssen
die Rollen angetrieben werden. • Gitterboxpaletten sind Paletten mit einem
vierseitigen Gitteraufbau, dessen Höhe z.
– Gurtförderer sind für den Trans- B. bei der Euro-Gitterbox-Pool-Palette
port von Material mit nicht ebe- 950 mm beträgt. Sie werden bei DMW
nem Boden vorgesehen oder auf u. a. für Transport und Lagerung von
Steigungen. Der Gurt besteht aus Gussteilen benötigt.
Gewebe (oft mit Gummianteil).
• Spezialpaletten gibt es in vielen Varianten.
– Weitere Beispiele: Ketten- und Z. T. werden sie nur für einen einzigen Ar-
Plattenförderer sowie Rutschen. tikel innerhalb eines Unternehmens einge-
– Flurfreie Stetigförderer sind bei- setzt (bei DMW z. B. für Karosserie-
spielsweise Deckenkreisförderer. Blechteile und Kunststoff-Stoßfänger).
• Förder- und Lagerhilfsmittel werden Aufgabe
eingesetzt, da die meisten Güter in ihrer 29. Nennen Sie die wichtigsten beweglichen
eigentlichen Form nicht transport- oder Lagereinrichtungen!
lagerfähig sind (z.B. weil sie sich nicht
stapeln lassen). Erst durch die Verwen- Beispiel:
dung dieser Hilfsmittel werden ein wirt- Die Lagersteuerung bei der DMW AG
schaftlicher Transport und eine wirt-
1. Die Lagerplatzoptimierung.
schaftliche Lagerung möglich. Sie müs-
sen abgestimmt sein auf den Lagerartikel, Bei manuell geführten Lagern werden
die Transport- und die Lagerart (siehe gleiche und gleichartige Waren i. d. R.
Beispiel rechts). räumlich eng zusammenliegend gelagert,
um die Artikel mit vertretbarem Aufwand
4.2.3 Lagerordnung wiederauffinden zu können. Bei moder-
nen Lagern übernimmt ein Prozessrech-
Die Einlagerung der Waren kann nach zwei ner die Zuweisung und Verwaltung der
Ordnungsmethoden erfolgen: Lagerplätze.
332 Materialwirtschaft

1. Das Festplatzsystem ordnet jedem Arti- Bei der Bestimmung des nächsten freien
kel einen festen Lagerplatz zu, wobei die Platzes werden Informationen über Platz-
Größe des reservierten Raumes dem er- bedarf, Gewicht und Umschlagshäufig-
warteten Maximalbestand entspricht. Ein keit berücksichtigt. Für einen Außenste-
großer Teil des Raumes bleibt daher die henden scheinen die Waren „chaotisch“
meiste Zeit über ungenutzt. eingelagert zu werden.
2. Beim Freiplatzsystem (auch chaotisches 2. Die Wegoptimierung
Lagerhaltungssystem) wird kein festes Prozessrechner können die Reihenfolge
Ordnungsschema vorgegeben, sodass der Aufträge für Ein-, Aus- und Umlage-
gleichartige Ware an auseinanderliegen- rungen so optimieren, dass der Gesamt-
den, wechselnden Plätzen eingelagert weg, der zur Erfüllung aller Aufträge zu-
werden kann. Da der vorhandene Lager- rückgelegt werden muss, möglichst kurz
raum für alle Artikel genutzt werden kann, ist und Leerfahrten weit gehend vermie-
kann das Lager kleiner ausgelegt werden. den werden.
Voraussetzung ist aber eine Lagerkartei,
aus der jederzeit entnommen werden kann, Zum chaotischen Lager
wo ein bestimmter Artikel liegt und was Hierbei wird jeder Materialart ein beliebiger Platz
sich auf einem bestimmten Platz befindet. zugeordnet, der gerade nicht belegt ist. Damit kann
sich bei freier Lagerordnung eine Materialart
Die Steuerung des Lagers ist eine wichtige
zufallsbedingt an wechselnden Orten befinden. Der
Einflussgröße für die Effizienz eines Lagers. besondere Vorteil chaotischen Lagerns liegt in der
Ein- und Auslagerungsvorgänge sowie Arti- erheblichen Platzersparnis. Geht man davon aus,
kel- und Lagerplatzdatei müssen nach einem dass im Zeitraum zwischen zwei Bestellungen
bestimmten System gesteuert und verwaltet durchschnittlich nur die Hälfte der Bestellmenge
werden. Insbesondere automatische Steue- auf Lager liegt, so genügt hier eine Kapazität, die
rungssysteme übernehmen dabei zwei Funkti- der halben Bestellmenge zuzüglich des Sicher-
onen: die Lagerplatzoptimierung und die heitsabstandes entspricht. Ausgangspunkt dieser
Wegoptimierung (siehe Beispiel Seite 331 f.). Betrachtung ist die Bestellung unterschiedlichen
Materials zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Vor
dem Hintergrund dieser Platzersparnis eröffnen
4.3 Ablauf der Lagerhaltung sich für die Lagerhaltung weit reichende organisa-
torische Möglichkeiten.
4.3.1 Die Aufgaben der Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
Lagerhaltung
Die Aufgaben der Lagerhaltung beginnen Ergänzungen zu ausgewählten Aufgaben
dort, wo sie für den Einkauf bzw. die Dispositi- der Lagerhaltung
on – zumindest zum Teil – aufhören, nämlich • Warenannahme: Die Prüfung der Liefe-
mit dem Eintreffen der Ware, also der Erfül- rung auf offen erkennbare Mängel ge-
lung des Kaufvertrages durch den Lieferanten: schieht i. d. R., indem kontrolliert wird,
• Warenannahme und -einlagerung: Bei ob Art und Menge der gelieferten Ware
der Durchführung der Warenannahme mit den Angaben auf dem Lieferschein
muss die Lieferung auf offen erkennbare übereinstimmen und ob die Ware äußer-
Mängel geprüft werden. Der Warenemp- lich unbeschädigt ist. Bei besonders kriti-
fang wird dann auf dem Lieferschein bes- schen Waren kann eine zusätzliche Wa-
tätigt (ein Exemplar ist für den Lieferan- reneingangs-Qualitätsprüfung erforder-
ten) und ggf. im DV-System erfasst. An- lich sein. Dies können z. B. Rohstoffe mit
schließend wird die Ware an ihren La- schwankenden Qualitäten oder Erstliefe-
gerplatz gebracht. rungen von neuen Lieferanten sein.
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 333

• Warenauslagerung: Auf Anforderung • Die Einlagerung geschieht in den Hoch-


der Bedarfsträger wird die Ware ausgela- regallagern weit gehend automatisch. Der
gert und an den Übergabepunkt gebracht. Rechner bestimmt den optimalen Lager-
• Lagerbestandsführung und Inventur: platz und steuert die Förderzeuge auto-
Die Lagerbestandsführung muss nach matisch so, dass das Gut an diesen Platz
dem Grundsatz erfolgen, dass alle Waren- gelangt.
zugänge und -abgänge mengenmäßig er- • Eine Alternative zur Stichtagsinventur ist
fasst werden müssen, um jederzeit Aussa- die so genannte permanente Inventur.
gen über Bestand und Verbrauch zu er-
• Die Lagerdauer der bevorrateten Güter
möglichen. Die Warenbewegungen kön-
sollte so kurz wie möglich gehalten wer-
nen entweder mittels eines einfachen Wa-
den. Veralten können insbesondere Arti-
renein- und -ausgangsbuchs, einer entspre-
kel, die einer Mode oder starkem techni-
chend angelegten Kartei (für jeden Artikel
schem Fortschritt unterworfen sind.
eine Karte) oder über ein DV-gestütztes
Materialwirtschaftssystem erfolgen.
In regelmäßigen Abständen (mindestens Beispiel:
einmal im Jahr) muss aus steuerrechtli- Kennzahlen zur Lagerkontrolle
chen Gründen der rechnerische Soll-
Die Umschlagshäufigkeit ist die Geschwin-
Bestand mit dem tatsächlichen Ist-
digkeit, mit der der durchschnittliche Lager-
Bestand, durch eine körperliche Be-
bestand umgesetzt wird.
standsaufnahme des Lagers (Inventur),
abgeglichen werden. Ursachen für Diffe- Umschlagshäufigkeit =
renzen können falsch gebuchte Mengen Wareneinsa tz pro Jahr
oder Schwund sein. durchschni ttlicher Lagerbes tan d
• Lagerkontrolle: In bestimmten Interval- Aus der Umschlagshäufigkeit lässt sich dann
len muss das Lager auf verdorbene oder die durchschnittliche Lagerdauer berechnen:
veraltete Waren hin untersucht werden.
Durchschnittliche Lagerdauer =
Selbst bei Gütern, die auch nach längeren
Zeiträumen noch ohne Preisabschlag ver- 360
käuflich sind, sollte die Lagerdauer nicht Umschlagsh äufigkeit
länger als notwendig sein, weil damit Ri-
siken wie Diebstahl, Feuer und Beschä- Der durchschnittliche Lagerbestand wird nach
digung bei Handhabung gering gehalten folgendem Schema ermittelt:
werden können. Durchschnittlicher Lagerbestand =

Mit der durchschnittlichen Lagerdauer Anfangsbestand × 12 Monatsbest ände


steigt außerdem auch der durchschnittli- 13
che Bestand im Lager und damit die Ka- Der Jahresumsatz beträgt 40.000 Stück, der
pitalbindungskosten. durchschnittliche Lagerbestand 10.000 Stück.
• Bestellzeitpunkte ermitteln (siehe Ab- Umschlaghäufigkeit 4, d.h. dass sich das
schnitt 4.3.3). Lager im Jahr vier Mal füllt und leert.
• Lagerkennziffern ermitteln.
334 Materialwirtschaft

4.3.2 Die Kosten der Aufgabe


Lagerhaltung 30. Es sei unterstellt, dass die im Produkti-
Den Vorteilen der Lagerhaltung stehen natür- onsprozess benötigten Materialien zum
lich leider auch Nachteile gegenüber, die sich selben Zeitpunkt bestellt werden und
letztlich alle auf die Kosten auswirken. Die gleichzeitig ankommen. Welche Chancen
Kosten, die durch die Lagerhaltung entstehen, räumen Sie in diesem Fall einem chaoti-
sollten auf keinen Fall unterschätzt werden. schen Lager ein?

Die Kostenkomponenten des Lagers: Industrie- und Handelsunternehmen suchen


ständig nach Wegen, die Lagerhaltung weiter
• Raumkosten: Lagerraum kostet Geld zu minimieren oder auszulagern, um die Kos-
(Abschreibung und Zinsen auf investier- ten in diesem Bereich zu reduzieren (siehe
tes Kapital für Gebäude und Einrichtung, Just-in-time-Belieferung, Abschnitt 3.4.2).
Heizungs-, Strom- und Reparaturkosten)
• Die Wirtschaftlichkeitskriterien des La-
• Kapitalbindungskosten (Zinsen für das gers:
in den Beständen gebundene Kapital,
Versicherungsprämien, Abschreibungen • hoher Grad der Volumennutzung, um die
für veraltete, verdorbene oder gestohlene Raumkosten niedrig zu halten
Ware) • niedrigere Lagerbestände, um die Kapi-
• Personalkosten (Löhne und Gehälter für talbindungskosten niedrig zu halten
die mit der Lagerverwaltung beauftragten • geringer Personaleinsatz
Mitarbeiter) • kostenoptimale Lagertechnik und effi-
• Kosten für Transporteinrichtung und zienter Materialfluss. Bei der geforderten
Handhabung. Leistung und Verfügbarkeit sollten die
Kosten für Anschaffung, Betrieb und
4.3.3 Die Lagerbestandsplanung Wartung der Lagertechnik möglichst
niedrig sein. Kurze Wege und geringe
Die Entwicklung des Lagerbestandes eines Störanfälligkeit tragen erheblich zur Pro-
Artikels wird bestimmt durch seine Zugänge duktivität des Lagers bei.
und Entnahmen.
Die Höhe des durchschnittlichen Lagerbe-
standes hängt im Wesentlichen von zwei Beispiel:
Faktoren ab: Die Auswirkung der JIT-Belieferung auf
1. Er wächst mit der Zunahme des Umsat- Kosten und Kennzahlen
zes bzw. der Produktionskapazität. Durch die JIT-Belieferung werden die Vorrä-
2. Er wächst mit der Zunahme der Lieferzeit. te deutlich reduziert und nahezu auf Null
gebracht. Das Gleiche gilt damit auch für das
ansonsten durch sie gebundene Kapital und
dessen Kosten. Dieses Kapital kann somit für
rentablere Investitionen genutzt werden.
Die gesunkenen Vorräte führen bei gleichem
Verbrauch zu einer deutlich höheren Um-
schlagshäufigkeit dieser Vorräte.
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 335

Aufgabe einer Bestandsplanung ist es, dafür


zu sorgen, dass die Bestände einerseits mög-
lichst niedrig sind, sodass so wenig Kapital
wie möglich in den Vorräten gebunden ist.
Andererseits darf es aber auch nicht zu Fehl-
mengen im Lager kommen.
Der Bestellzeitpunkt muss daher so rechtzei-
tig liegen, dass der Lagerbestand im Augen-
blick der Bestellung hoch genug ist, um den
Bedarf, bis zur Verfügbarkeit der neuen Wa-
re, zu decken.
Diese Wiederbeschaffungszeit setzt sich
i.d.R. aus Vorbereitungs-, Bestell-, Liefer-
und Warenprüfzeit zusammen.
Für alle Artikel, die nach dem gängigen Be- Abb. 44: Die Entwicklung des Lagerbe-
stellpunktverfahren disponiert werden, muss standes der Autoreifen für das
sowohl ein Melde- oder Bestellbestand sowie „Single“-Modell
ein Mindest- oder Sicherheitsbestand als
Reserve festgelegt werden. Der Meldebestand Aufgaben
errechnet sich aus der Verbrauchsmenge 31. Definieren Sie noch einmal die Kosten-
während der Wiederbeschaffungszeit und aus komponenten des Lagers!
dem Sicherheitsbestand.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Lager-
Sinkt der Lagerbestand auf oder unter seinen kosten zu reduzieren? Gehen Sie dabei
Meldebestand, so muss eine entsprechende auch auf die Just-in-time-Belieferung ein!
Mitteilung an den Einkauf oder Disponenten
erfolgen. Bei entsprechender Gestaltung des 32. Von welchen Faktoren hängt die Höhe des
DV-Systems können solche Routinebestellun- durchschnittlichen Lagerbestandes ab?
gen auch automatisch durchgeführt werden. Welche Aufgabe hat demzufolge die Be-
Aufgrund der räumlichen Grenzen jedes La- standsplanung?
gers gibt es sowohl eine Maximalkapazität für
den Gesamtbestand des Lagers als auch Ober-
grenzen für den Bestand eines einzelnen Arti-
kels, den so genannten Höchstbestand. Beispiel:
Aus der (optimalen) Losgröße q0 und dem Bestellkennzahlen der Single-Reifen
Verbrauch in einer bestimmten Periode (z.B.
Jahresbedarf X) ergeben sich die Bestellhäu- Die Bestellhäufigkeit für die Single-Auto-
figkeit (n) je Periode und der Bestellrhythmus: reifen liegt bei 80000/3110 = 25,72 mal pro
Jahr.
X
n= und 257 / n = Der Bestellrhythmus ist durchschnittlich
q0
257/25,72 = 10 Tage.
336 Materialwirtschaft

4.3.4 Stellenwert

Die Materialwirtschaft ist inzwischen zu einem Beispiel:


hochsensiblen Unternehmensteil geworden.
Eine Modulfabrik der Zulieferer
Das hat auch die Darstellung des „JIT“-
Prinzips gezeigt. Die Besinnung auf Kernbe- Nahe dem Flecken Hambach, unweit der
reiche hat dazu geführt, dass viele Lieferanten französisch-saarländischen Grenze, wölben
als Systemanbieter ihre Komponenten am sich gut 100000 Quadratmeter bestes lothrin-
Fließband des Herstellers selbst einbauen. Je gisches Bauland.
mehr Lieferanten in den eigenen Prozess des Eingegrenzt von frischen Zufahrtsstraßen und
Herstellers eingebunden werden, desto risiko- plattgemacht von mächtigen Bulldozern er-
beladener wird der Ablauf. Die Vernetzung der wartet die braune Krume eine Fabrik auf der
Materialwirtschaft kann deutlich am Schaubild grünen Wiese – eine Fabrik, in der wirklich
(siehe Abb. 46) abgelesen werden. alles ganz anders ist: die Idee, das Produkt,
Für den Smart wird ein völlig neues Bio- die Mitarbeiter, die Aufbruchstimmung. "An-
Konzept einer Autofabrik umgesetzt. In den fangs waren sie nur mit dem Verstand, nicht
Modulfabriken sitzen Zulieferer für die aber mit dem Herzen dabei, heute sind alle
Kernmontage. Die Gesamtanlage wird ganz begeistert", sagt Mercedes-Chef Helmut Wer-
streng öko-orientiert: Pflanzenkläranlage, ner und meint dabei auch sich selbst.
Feuchtbiotope und jede Menge Grün.

Abb. 45: Prinzip einer Modulfabrik


4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 337

Abb. 46: Zielkonflikte der Materialwirtschaft mit anderen Unternehmensbereichen

Sowohl die hier genannten Strategien als auch Der Dritte im Bunde, Finanzmann und Cont-
alle herkömmlichen, einkaufspolitischen Akti- roller Christoph Baubin, kalkuliert derweil
vitäten und die Struktur des Einkaufs bringen schon mit konkreten Größen. 1999, wenn die
eine Fülle von Problemen mit sich, die durch volle Leistungsfähigkeit von 200 000 Autos
die Berührung mit anderen Betriebsteilen pro Jahr erreicht sein wird, sollen annähernd
überhaupt erst sichtbar werden. 2000 Mitarbeiter für nahezu drei Milliarden
Immer wieder kommt es daher zu Zielkonflik- Mark Umsatz sorgen. Nicht mehr als 50 Zu-
ten (siehe Abb. 46). Auch die Modulfabrik lieferer werden direkt am Standort Hambach
von Hambach macht da keine Ausnahme. Der in einem Baukastensystem (Fachjargon: Mo-
Mercedes-Chef beschreibt sie so: dultechnik) zusammenarbeiten und so die
Fertigungstiefe auf sensationelle 18 bis 20
„Sie ist ganz anders: die Idee, das Produkt, Prozent drücken.
die Mitarbeiter, die Aufbruchstimmung (siehe
Abb. 45).“ Was dabei herauskommt, gilt als ein ambitio-
niertes Stück Autotechnik: Die Karosserie
wird selbsttragend, der Motor sitzt, nach dem
Unterflurprinzip, knapp vor der Hinterachse
und sorgt für Heckantrieb. Inzwischen (2004)
ist der Smart ein Renner.
Kapitel 5

Personalwesen
von Jürgen R. Tiedtke
341

1. Das Unternehmen am Markt

Die heutige Stellung des Personalwesens Zum Wandel in der Wirtschaft


muss immer im Gesamtzusammenhang mit der Die Veränderungen in der Welt der Unternehmen
industriellen Entwicklung gesehen werden. vollziehen sich in vorher nicht gekannter Schnel-
Gerade in den letzten Jahren waren elementare ligkeit und auf allen betrieblichen Sektoren. Sie
Umwälzungen – ausgehend von der Automo- werden von außen in die Betriebe getragen oder
von innen bewirkt. Der Wandel scheint immer
bilindustrie – zu verzeichnen, die auch beim
schneller zu werden. Dabei spielen Technik, Pro-
Personalwesen erhebliche Veränderungspro- duktionsverfahren, Verkehrssysteme und Organisa-
zesse in Gang setzten. Viele Unternehmen tionsformen ebenso eine Rolle wie politische und
warfen Ballast ab, beschränkten sich auf Kern- gesellschaftliche Prozesse. Wer sprach in den
aktivitäten. Die damit zusammenhängenden fünfziger Jahren schon von Recycling, in den
Trends werden nachfolgend skizziert. sechziger Jahren von ganzheitlicher Logistik, in
den Siebzigern von Chaoslägern, in den Achtzi-
Daneben gibt es im Personalwesen allgemein
gern von Umweltmanagement und Anfang der
gültige klare Aufgabenstellungen, die überall Neunziger von Plattform-Produktion? Wer konnte
nach den gleichen Gesetzen und Regelungen, die Umwälzungen auf politischer und sozialer
wie zum Beispiel bei der Gehaltsabrechnung, Ebene weltweit und auch landesbegrenzt vorausse-
zu bearbeiten sind. hen? Heute stehen fast alle Unternehmen unter
einem ständigen Druck. Der globale Wettbewerb
So schließen sich elementare Umwälzungen,
wird als dominierender Einflussfaktor für Unter-
die kreative Weiterentwicklung des Perso- nehmen angesehen. Die Öffnung der Grenzen
nalwesens und die exakte Abwicklung von bietet unzähligen Anbietern, ob sie aus dem nahen
Aufgaben nicht aus, sondern ergänzen sich. Ausland kommen oder aus den jungen Staaten des
Insgesamt ein sehr spannender Prozess. ehemaligen Ostblocks, ob sie zu asiatischen
Schwellenländern zählen oder afrikanischen Ent-
wicklungsländern angehören, ob sie dem nordame-
1.1 Neue Impulse rikanischen Wirtschaftsraum zuzuordnen sind oder
aus Südamerika stammen, die Chance, ihre Pro-
dukte an den Mann z u bringen, wenn sie nur
Die deutsche Industrie und das Personalwesen preiswert sind und qualitativ akzeptiert werden.
erhielten wichtige neue Impulse durch die Der Außenhandel hat sich bei allen Nationen der
Automobilindustrie. Sie kann auf eine erfolg- Welt verstärkt. Die Internationalisierung der Un-
reiche Geschichte zurückblicken. Trotz des ternehmen durch landesübergreifende Konzentrati-
harten Wettbewerbs, vor allem mit Japan, Süd- onen läuft mit der Öffnung der Märkte einher.
korea, Amerika, Frankreich, England und Ita- Nicht zu vergessen die Informationstechnik, die
lien, hat sie sich in der jüngsten Zeit zunehmend den Zugang zu Daten, den Kontakt zu Kunden und
Lieferanten, zu Dienstleistern und öffentlichen
am Weltmarkt behauptet. Die Marktstellung
Institutionen beschleunigt. Und schließlich sei auf
wurde durch eigene Werke und Niederlassun- den öffentlichen Sektor hingewiesen, der den
gen im Ausland erheblich gefestigt. Entwicklungen durch geeignete Maßnahmen in der
Hervorzuheben ist das „neue Denken“, das Umwelt, durch Gesetzgebung und Wirtschaftspoli-
den Automobilbau revolutionierte. tik seinen Stempel aufdrückt. Alle Umwälzungen,
ob direkt oder indirekt, berühren den Personalsek-
tor eines Unternehmens. Der sich damit an die
Neuerungen anpassen muss.
342 Personalwesen

Der Einkauf von „Komponenten“ und Eine „atmende“ Automobilfabrik auf deut-
„Systemen“, wie zum Beispiel das komplette schem Boden ist in Bayern verwirklicht. Nach
Armaturenbrett oder fertig einzubauende der Richtschnur „Arbeiten, wenn Arbeit da
Türen, reduziert die Abwicklung von Ein- ist“ hat die BMW AG eine für Deutschland
kaufsvorgängen, entlastet die Verwaltung bis revolutionäre Betriebsvereinbarung abge-
hin zur Buchhaltung. schlossen. Für jeden der 36.000 BMW-
Die Just-in-time-Lieferung verringert die Schichtarbeiter in München, Dingolfing,
Lagerhaltung und den innerbetrieblichen Regensburg und Landsberg wird ein Zeitkor-
Transport, beschleunigt die Produktion. ridor von plu/minus zweihundert Stunden
eingeführt.
Die Gruppenarbeit löst den Taylorismus ab,
der die Teilung komplexer Arbeitsvorgänge Wenn man diese Flexibilisierung auf ein
in Teilschritte einleitete und damit die Fließ- einzelnes Produktionswerk, beispielsweise
bandproduktion vorbereitete. Heute bauen Dingolfing, herunterbricht, gibt das eine
Arbeitsgruppen die Komponenten zusammen, „Atmung“ von fünfzig Tagen mit „mehrjähri-
sind weit gehend für die eigene Steuerung gem Übertragungszeitraum“. Die Beschäfti-
und für die Qualität verantwortlich. gung kann also der Nachfrage angepasst und
über en Produktionszyklus eine Modells ver-
Durch weitere Rationalisierungen, die be- teilt werden: Bei Serienanlauf wird geklotzt,
reits bei der Entwicklung des Automobils bei Serienende gekleckert.
vorgedacht und dann konsequent umgesetzt
werden, einschließlich einer schnellen Ver- Was früher eine Überstunde war, wird jetzt in
wirklichung von Verbesserungsvorschlägen, ein Guthaben auf dem persönlichen Arbeits-
konnten die Kosten erheblich gesenkt werden. zeitkonto verwandelt – und umgekehrt: Frei-
So wurden in wenigen Jahren die Produkti- schichten schmälern nicht mehr den Lohn,
ons-, Einkaufs-, Verwaltungs- und Arbeits- sondern das Konto.
kosten gesenkt, die Effektivität gesteigert und Abb. 1: Veränderung in der Arbeitsor-
die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. ganisation
Der Anschluss der deutschen Industrie an den Quelle: u. a. Welt am Sonntag
Weltmarkt und die Vorreiterrolle, die sie bei
der aktiven Sicherheit und beim Umwelt-
schutz spielt, zeigt, dass sich die Anstrengun-
gen lohnen.
Aufgabe
Die Nachteile, wie der harte Wettbewerb und
1. a) Welche Wirkung verspricht sich die
der Verlust vieler Arbeitsplätze bei den Zulie-
Unternehmensleitung von der „at-
ferern, sollten dabei nicht vergessen werden.
menden Fabrik“?
Eine solche durchgreifende Änderung des
Denkens und der industriellen Arbeit führte b) Warum kann eine atmende Fabrik
auch in anderen Wirtschaftszweigen zu erheb- nicht in allen Produktionsstätten ein-
lichen Veränderungen. gerichtet werden?
Die Folge war auch eine Neufassung von c) Prüfen Sie, welchen Weg VW ge-
Grundsätzen, Zielen und Aufgaben des Per- gangen ist, um die Arbeitszeit zu
sonalwesens. flexibilisieren.
2. Das Personalwesen und seine Funktion 343

2. Das Personalwesen und seine Funktion


Die Wirtschaft eines Landes weist stets eine Von DANIELA STÜRMLINGER
Vielzahl von verschiedenen Branchen und
Hamburg – Wenn die Motorenleistung des
Unternehmungen mit sehr unterschiedlichen
neuen Omega-Diesel gelobt wird, können sich
Betriebsgrößen und Strukturen auf. Trotz
die Entwickler der Rüsselsheimer Auto-
differenzierter Aufgabenstellungen benötigen
schmiede ein Schmunzeln nicht verkneifen.
sie alle zur Erstellung ihrer Leistungen die
Denn das Herzstück der Limousine kommt
drei elementaren betrieblichen Produkti-
nicht von den Opel-Bändern, der Sechs-
onsfaktoren: Betriebsmittel, Werkstoffe
Zylinder Turbo-Diesel wurde von BMW
sowie menschliche Arbeit.
geliefert.
Um das Unternehmen in Gang zu halten, ist
Revolution in der deutschen Autoindustrie:
ein weiterer dispositiver Faktor notwendig,
Während früher die Techniker von VW, Opel,
es ist die Unternehmensleitung, die Entschei-
Mercedes, BMW oder Ford mit Argusaugen
dungsfunktionen zu erfüllen hat.
darauf achteten, dass die Konkurrenz techni-
Im Rahmen der unternehmerischen Aktivitä- sche Interna nicht ausspioniert, stehen die
ten übernimmt das Personalwesen eine Zeichen heute auf Zusammenarbeit. Motoren
Dienstleistungsfunktion. Es hat dabei jedoch werden ausgetauscht, Bodenplatten an die
nicht nur zu „liefern“ und zu „organisieren“, Konkurrenz geliefert oder Lenkungen un
sondern vor allem mitzugestalten und aktiv zu Airbags gemeinsam entwickelt.
agieren. Mit seinem Beitrag hilft es, die Un-
Grund für den Sinneswandel: die Kostenexp-
ternehmensziele abzusichern und das Unter-
losion in der Autoindustrie. Zwischen 1970
nehmen wettbewerbsfähig zu halten und wei-
und 1993 haben sich die Produktionskosten
ter voranzubringen.
für ein Auto real, also inflationsbereinigt,
nahezu verdoppelt. Ebenso rasant sind die
2.1 Die Definition Entwicklungskosten geklettert.
„Personalwesen“ Abb. 2: Neues aus der Zusammenarbeit
Quelle: Hamburger Abendblatt
Unter Personalwesen (Personalwirtschaft)
versteht man die Summe aller Vorgänge und Zum Begriff Personalwesen
Maßnahmen, die sich mit den Mitarbeitern des In der Praxis und Theorie werden oft Unter-
Industriebetriebes von der Einstellung über den schiede zwischen Personalwesen und Perso-
Einsatz und die Betreuung bis zur Beendigung nalwirtschaft gemacht. Auch wenn in diesem
des Arbeitsverhältnisses befassen. Buch die Begriffe synonym behandelt wer-
Mit dieser Definition wird die zentrale Rolle den, soll doch herausgestellt werden, dass
des Mitarbeiters und seine Bedeutung für das beim Begriff Personalwirtschaft die Betonung
Unternehmen unterstrichen. auf einer rein wirtschaftlichen Fragestellung
beruht und ausschließlich auf eine ökonomi-
sche Betrachtung zielt. Der Begriff Personal-
wesen dagegen öffnet sich andren Disziplinen
(siehe Abb. 3).
344 Personalwesen

Wegen der Aufgabenfülle des heutigen Per-


sonalwesens ist ein Personalmanagement
erforderlich, um alle Maßnahmen im Rahmen
des Personalwesens zu koordinieren. Neben
der koordinierenden Funktion enthält der
Begriff „Personalmanagement“ auch folgende
Aspekte:
Management ist eine Institution, die den
Personalkreis kennzeichnet, der mit der Ge-
schäftsleitung betraut ist.
Management ist auch eine Funktion, die von
Vorgesetzten wahrgenommen wird, wenn es
um Verhaltenssteuerung im Rahmen der Un-
ternehmensziele geht.

2.2 Die Bedeutung des


Personalwesens

Die Bedeutung des Personalwesens wird in


erster Linie mit der Größe des Unternehmens
verknüpft sein. Ein mittelständisches Unter-
nehmen hat zwangsläufig andere Ziele und
Ausrichtungen als ein multinationales Kon-
zernunternehmen mit weltweiten Aktivitäten.
So wird im mittelständischen Betrieb der
Einfluss des Unternehmens auf die Personal-
politik und das Personalwesen sehr groß sein,
während wiederum im Kleinbetrieb kein
eigenständiges Personalwesen notwendig ist,
da der Unternehmer selbst alle anfallenden
Arbeiten erledigt und lediglich den Steuerbe-
rater bei schwierigeren Fragen einschaltet. Abb. 3: Personalwesen als Schnittstel-
len weiterer wissenschaftlicher
Da vorrangig das industrielle Personalwesen Disziplinen nach Bisani
vorgestellt wird, sind die Grundfragen des
Personalwesens eng mit den Unternehmens-
zielen und der Führung der Mitarbeiter zu
verknüpfen. Nicht zu unterschätzen sind dabei
die internen und externen Einflüsse. Aufgabe
So ist die Bedeutung des Personalwesens 2. a) Wieso muss sich das Personalwesen
daran abzulesen, wie alle betrieblichen Funk- auch mit der Psychologie beschäfti-
tionen zusammenarbeiten, unterschiedliche gen?
Interessen ausgeglichen werden und die Mit- b) Warum nehmen ökonomische Frage-
arbeiter ihren optimalen Beitrag zum Unter- stellungen eine Zentralstellung in der
nehmenserfolg leisten können. vorliegenden Abbildung 3 ein?
2. Das Personalwesen und seine Funktion 345

2.3 Die Anforderungen an das Beispiel:


Personalwesen Strukturveränderungen bei der DMW AG
Am 1. Januar 2003 trat bei der DMW AG in
Die Anforderungen an das Personalwesen Hannover eine Reform an Haupt und Gliedern
sind je nach Unternehmen unterschiedlich, in Kraft, wie es sie im Konzern nie zuvor
generelle Aussagen können daher nur Ten- gegeben hat:
denzen aufzeigen. Während einer nationalen • Die Hierarchien werden verflacht, von
Personalleitertagung arbeiteten die Teilneh- den bisherigen Führungsebenen werden
mer folgende Anforderungen an das Perso- zwei ersatzlos gestrichen.
nalwesen in Großunternehmen in Deutschland
heraus: • Der Konzern wird in kleine, autonome
Einheiten mit voller unternehmerischer
2.3.1 Personal-, Organisations- und Struk- Verantwortung zerlegt.
turmanagement stärker verzahnen
• Die Zentrale (Hannover) beschränkt sich
2.3.2 Trotz Personalabbau qualitative
künftig auf wenige Klammerfunktionen
Personalstrukturen sichern
und gibt Verwaltungsaufgaben an die
2.3.3 Internationalisierung der Geschäfte „Leistungszentren“ ab. Ein erweitertes
durch Manager und Experten stützen Controlling ersetzt die operative Führung.
2.3.4 Eine übergreifende und hierarchie- • Nach japanischem Vorbild soll sich die
freiere Kommunikationskultur schaffen Verwaltung noch mehr (als bisher) in
2.3.5 Dezentralisierung und Zentralisie- Teams, die Produktion in Gruppen orga-
rung der Personalarbeit ausbalancieren nisieren, wie es heute schon bei den mo-
dernen Werken in Emden und Halle der
2.3.6 Die Dienstleistungs- und Mittler-
Fall ist.
funktion stärker herausarbeiten
• Einrichtung eines ausgefeilten Weiterbil-
Nachfolgend die einzelnen Hinweise zu den
dungssystems zur Vorbereitung einer
Anforderungen:
neuen Laufbahnordnung sowie Einfüh-
rung neuer Ausbildungsberufe wie Sys-
2.3.1 Personal-, Organisations- temelektroniker und Fachinformatiker ab
und Strukturmanagement 1. August 2004.
Personalmanagement vollzieht sich in vielen
Branchen und Unternehmen vor dem Hinter- Aufgabe
grund massiver Strukturveränderungen. Dabei 3. Zweck der Maßnahmen soll es sein, die
wird das Personalmanagement deutlich auf Kosten zu senken und die Qualität der
dem Gebiet der Organisationsentwicklung Produkte zu verbessern.
und des Strukturmanagements gefordert
In der Zentrale übernehmen so genannte
• bei der Schaffung dezentraler Kompetenzzentren ausschließlich be-
Organisationsstrukturen reichsübergeifende Aufgaben, dazu gehö-
• bei der Einführung flacher Hierarchien ren die Grundlagenforschung, die Ver-
fahrensentwicklung und Öffentlichkeits-
• bei der Schaffung differenzierter arbeit. Bereichsbegrenztes bleibt da, wo
Laufbahnsysteme. es „herkommt“.
a) Wieso kann eine solche Organisati-
onsstruktur kostengünstiger sein?
346 Personalwesen

2.3.2 Qualitative b) Verändert man alte Strukturen, dann


Personalstrukturen wird man auf erheblichen Wider-
stand stoßen. Warum ist das so?
In vielen Unternehmen wurde und wird noch
Von DANIELA STÜRMLINGER
immer Personal „abgebaut“ und werden Füh-
rungskräfte „freigesetzt“. Bei der Absiche- Hamburg – Ein Harburger Autozulieferer ist
rung des zukünftigen quantitativen Personal- auf dem Sprung in eine neue industrielle
bedarfs ist es daher von hoher Wichtigkeit – Epoche: „P/3S“ heißt die Formel, mit welcher
trotz Personal- und Hierarchieabbaues –, die der Kautschukverarbeiter die Kosten senken,
in Zukunft nötigen Qualifikationsstrukturen die Mitarbeiter noch mehr in die Entschei-
zu erhalten und falls notwendig, auch wieder dungen über Abläufe im Unternehmen ein-
neu aufzubauen. Die Qualität der Mitarbeiter binden und damit die Konkurrenz weit hinter
und die Qualität der Arbeit ist eine bedeuten- sich lassen will. „P steht für Personal, 3S steht
der Wettbewerbsfaktor. für schnell, schlank und stark“, sagt der stell-
vertretende Vorstandsvorsitzende Konrad Elle
2.3.3 Internationalisierung der im Gespräch mit dem Abendblatt. „Rasche
Geschäfte Entwicklungszeiten, kurze Durchlaufzeiten,
weniger Hierarchien oder auch die Vermei-
Wachstum in internationalen Märkten muss dung von Verschwendung“, beschreibt Elle-
durch entsprechende innere und äußere gast de Weg hin zum schlanken Konzern.
Wachstums- und Entwicklungsprozesse abge- Mit Mitarbeiterschulungen, einer Schwach-
sichert werden. Hier geht es zum einen um stellenanalyse (u.a. gute Qualität durch zu
den Auf- und Ausbau international einsetzba- hohe Kosten erkauft und zu lange Reaktions-
rer Experten und Manager, zum anderen – fast zeiten) und dem Beginn der Gruppenarbeit
noch wichtiger – um die Schaffung einer kultu- startete man das japanische Zeitalter. Das war
rell offenen, kooperationsfähigen, in einem im Frühjahr 2002. 18 Monate später ist ein
Wort: internationalen Unternehmenskultur. Teil der Ziele erreicht. Knapp 90 der 260
Sie muss durch eine qualitativ hochwertige Vorarbeiter wurden geschult. 240 Mitarbeiter
Personalauswahl und -entwicklung vorbereitet, sind in Teams organisiert.
durch geeignete Bausteine, die interkulturelle
Einsichten vermitteln, untermauert werden. Erste Ergebnisse: Die Mitarbeiter arbeiten
Weiterhin muss die Unternehmenskultur aktiver mit, weil sie mehr Verantwortung und
überall gelebt und damit langfristig eingeübt damit mehr Freude an der Arbeit haben. Vor
werden. 192 zählte das Unternehmen 40 Vorschläge
pro Jahr und 1.000 Mitarbeiter, jetzt sind es
Eine internationale Unternehmenskultur hat 400 Vorschläge. Der Krankenstand wurde auf
auch auf Eigenheiten anderer Bevölkerungs- 4,7 % gedrückt, 2002.
gruppen und Menschen Rücksicht zu nehmen.
So müssen Mitarbeiter aller Religionen Abb. 4: Qualität der Mitarbeiter
(Christentum, Islam, Buddhismus, Hinduis- Quelle: teilweise Hamburger Abendblatt
mus u.a.) in die Untersuchung integriert und
akzeptiert werden.
2. Das Personalwesen und seine Funktion 347

2.3.4 Übergreifende und Von WILLIAM KNOKE


hierarchiefreiere Bislang mussten die Arbeiter und die Arbeit
Kommunikationskultur am selben Ort sein. Heute ist das anders:
Amerika verkauft seine Baumwolle nach
Der Aufbau eines innovativen und kommu-
Indien, wo sie zu Garn gesponnen wird. Ds
nikativen Arbeits- und Führungsstils im
Garn wird in Japan zu Stoffen gewoben, mit
Unternehmen ist besonders in Phasen des
denen in Hongkong die Hemden genäht wer-
strategischen und strukturellen Umbruchs von
den, die schließlich in Amerika verkauft wer-
zentraler Bedeutung. In Zeiten des Wandels
den. Die Arbeiter müssen nicht in Amerika
sind formale Wege und Kanäle der Kommuni-
sein, um die rohe Baumwolle zum fertigen
kation häufig unzureichend und müssen durch
Hemd zu verarbeiten. Die Wirkung der Ar-
offene Kommunikationsformen, zum Beispiel
beitskraft ist das, was auf dem See- und
in Projektarbeitsgruppen oder Teamwork-
Luftweg und sogar via Satellit bewegt wird.
shops, ersetzt werden.
Das Geschäft mit der Dateneingabe illustriert
2.3.5 Dezentralisierung und besonders gut, wie „ortsungebunden“ eine
Zentralisierung Arbeitskraft sein kann. Ganze Schachteln voll
handgeschriebener Formulare oder Mikrofil-
Dezentrale Personalarbeit ist heute ein Zei- me verlassen Nordamerika und Europa mit
chen der Unternehmen mit flexiblem Perso- dem Flugzeug und werden zu Unternehmen
nalmanagement, wobei eine gesunde Balance wie Satec oder Equidata auf den Philippinen
zwischen Zentralisierung und Dezentrali- gebracht. Dort geben Tausende Frauen mit
sierung – letztlich auch wegen der ausgewo- College-Abschluss die Daten in den Compu-
genen Kosten – notwendig ist. Eng damit ist ter ein und verdienen bei 10.000 Anschlägen
die Rückführung der Personalentwicklung in pro Stunde einen Stundenlohn von einem
die Führungsaufgabe des Vorgesetzten ver- Dollar. Die eingegebenen Daten werden auf
bunden. Im Sinne unternehmerischer Einhei- elektronischem Weg sofort zurückgesandt.
ten ist der Vorgesetzte eines Bereiches ver- Das kalifornische Unternehmen Sun Micro-
antwortlich für die Entwicklung seines Berei- systems beschäftigt russische Wissenschaft-
ches – und darin eingearbeitet – für die Per- ler, um seine fortschrittliche SPARC-
sonalentwicklung seiner Mitarbeiter. Architektur an die Supercomputer anzupas-
sen- Hewlett-Packard rekrutiert seine Pro-
2.3.6 Dienstleistungs- und grammierer in China. Die US-Firma Data-
Mittlerfunktion metrics operiert in Indien, Deutschlands
Volkswagen in Brasilien und Japans Nissan in
Die Stärkung der Service- wie der Mittler- Malaysia. Es sielt keine Rolle mehr, wo die
funktion des Personalwesens ist eine wichtige Arbeiter ihre Arbeit verrichten. Vorausge-
Aufgabe für den Personalleiter. Wenn durch setzt, es gibt einen Telekommunikationsan-
Personal- und Kostensenkungsprogramme schluss, einen internationalen Flughafen oder
viele Punkte der Unternehmenskultur geopfert einen Tiefseehafen, dann können die Früchte
werden sollen, hat das Personalwesen eine der Arbeit überall geerntet werden.
wichtige Mittlerrolle, denn zerschlagene Struk-
turen, die positiv gewirkt haben, sind nach der Abb. 5: Internationalisierung
Zerstörung kaum wieder aufzubauen. Quelle: Wirtschaftswoche
348 Personalwesen

Die aufgezeigten Anforderungen werden


nachfolgend zusammengefasst und ergänzt:
• Der weltweite Wandel zwingt die Unter-
nehmen zu einer intensiven Standort-
bestimmung.
• Zu berücksichtigen sind eine Fülle von
Faktoren, die sich aus den volkswirt-
schaftlichen Zusammenhängen, aus den
Marktgegebenheiten, der Arbeitsorgani-
sation und veränderten Denkansätzen er-
geben.
• Dabei wird die Definition und Ausgestal-
tung des Personalmanagements aus den
Unternehmenszielen, der Organisation
und der wirtschaftlichen Führung abge-
leitet.
• Die ehemalige Verwaltungs- und
Dienstleistungsrolle wandelt sich daher zu
einer Betreuungs-, Entwicklungs-,
Beratungs-, Lenkungs- und Steuerungs-
• funktion.
Wenn es dem Personalmanagement ge-
lingt, alle Mitarbeiter im Sinne einer grö-
ßeren Flexibilität, einer stärkeren Ver-
antwortung und einer Erweiterung des
unternehmerischen Denkens und Han-
Abb. 6: Ausgewählte Vorstellungen und
delns zu bewegen, so wird das Personal-
Entwicklungen, die auf das Per-
management zu einer Schaltstelle, zum
sonalwesen wirken
Motor der Unternehmensentwicklung.

2.4 Die Ziele des Aufgabe


Personalwesens 4. Abb. 6 verdeutlicht, welche Faktoren (hier
als Vorstellungen und Entwicklungen aus-
gewiesen) auf das Personalwesen wirken.
Die Ziele, die das Personalwesen im Unter- Versuchen Sie
nehmen umsetzen (siehe Seite 349) soll, wer-
a) an zwei Beispielen – z. B. an der
den im Vorstand aus den strategischen Unter-
Lernbereitschaft und an der Gleichbe-
nehmenszielen abgeleitet und vom Personal-
rechtigung der Frauen – nachzuwei-
vorstand mit dem Personalbereich als Aufga-
sen, welchen Einfluss das veränderte
benstellung vereinbart. Dabei fließen die
Verhalten auf das Personalwesen ha-
unterschiedlichen Interessen der verschiede-
ben muss!
nen Ressorts mit ein. Wichtige Ziele in der
Tagesarbeit sind: b) Wieso kann das Personalwesen auch
mit Wissenschaftsentwicklungen ver-
knüpft werden?
2. Das Personalwesen und seine Funktion 349

• Abstimmung der Unternehmensinteres- Zu den Zielen des Personalwesens


sen mit den Interessen der Mitarbeiter Die Ziele des Personalwesens siehe auch
• Erhaltung eines optimalen Arbeitskräfte- Kapitel 1, Abschnitt 2.2 -- Andere betriebli-
potenzials che Ziele ordnen sich den Hauptzielen des
Unternehmens unter oder sind sogar Teil von
• Gestaltung der Lohn- und Gehaltspolitik
ihnen. Das kommt auf das jeweilige Unter-
einschließlich der Sozialpolitik
nehmen an. Grundsätzlich lässt sich aber
• Steuerung der Leistungsbereitschaft und herausstellen, dass das Personalwesen
der Arbeitseffizienz
• für die Versorgung des Betriebes mit
• Steuerung der quantitativen und qualitati- geeignetem Personal und
ven Personalmaßnahmen (Planung, Aus-
• für seine Sicherstellung zu sorgen hat.
bildung, Personalentwicklung)
Dabei sind alle wirtschaftlichen Zielsetzun-
• Sicherung des betrieblichen Arbeitsfrie-
gen, wie das Anstreben einer hohen Produkti-
dens.
vität, größter Rationalität (Wirtschaftlichkeit)
und Rentabilität, in die Maßnahmen und
2.5 Externe und interne Handlungen der Personalführung (z. B. in
Betriebsvereinbarungen, Führungsgrundsät-
Einflüsse auf das
zen, Betriebsordnungen, Vertragsabschlüssen
Personalwesen etc.) einzubeziehen, ohne die Humanziele zu
vernachlässigen. Ein Unterfangen, das häufig
Wenn die Mitarbeiter des Personalwesens die zu Zielkonflikten führt.
gesteckten Ziele erreichen wollen, müssen sie
sich sehr intensiv mit den internen und ex-
ternen Einflüssen und Trends auseinander
setzen. Sie sind nur exemplarisch dargestellt
und keineswegs vollständig, spiegeln aber die
betriebliche Wirklichkeit wider.
Aufgaben
2.5.1 Der Kunde am Weltmarkt 5. Unter Abschnitt 2.4 sind verschiedene
bestimmt das Geschäft Ziele genannt worden.
Die Unternehmen müssen im harten internati- a) Prüfen Sie, welche von ihnen eher
onalen Wettbewerb bestehen. Sie müssen als wirtschaftliche Ziele (Sachziele)
neue, intelligente und qualitativ hochwertige und welche Humanziele bezeichnet
Produkte und Verfahren mit einem hohen werden können!
Wertschöpfungsgrad anbieten und verkaufen. b) Erläutern Sie, warum wirtschaftliche
Dies setzt eine kostengünstige Produktion und Ziele und Humanziele wechselseitig
ein Optimum an Service voraus. Im Mittel- aufeinander Einfluss nehmen!
punkt müssen der Kunde, die Qualität der 6. Die Personalführung der DMW AG hatte
Produkte und Dienstleistungen, ein flexibles unter anderem folgende Ziele festgelegt:
unternehmerisches Denken und Handeln aller
Mitarbeiter stehen. • Optimierung des Informationskreis-
laufs, „Mitarbeiter – Führungskräfte“
Die Industrie muss aber auch die Kosten im
Griff haben, teilweise auch die Gewinnerwar- • Informationsverarbeitung im Wege
tungen drastisch zurückschrauben. der Besprechung.
Welche Gründe können hierfür vorliegen?
350 Personalwesen

2.5.2 Sinkende Nachfrage auf Bei DaimlerChrysler hat man sich nach Ver-
dem Arbeitsmarkt handlungsmarathon mit dem Betriebsrat geei-
nigt, l7 Stunden dauerte es, bis Arbeitgeber
Bei knappen Gewinnspannen, zunehmender und -nehmer die Türen des Besprechungs-
Weltmarktkonkurrenz und einem hohen Lohn- zimmers öffneten, um den Journalisten den
und Gehaltsniveau wird zunehmend in den Erfolg ihrer gemeinsamen Auseinanderset-
Ländern produziert, in denen auch der Absatz zungen mitzuteilen:
der Ware liegt und die Produktion kosten-
günstig ist. Die Folge ist: Die Nachfrage nach - Die interessanteste Erfahrung ist eine
Arbeitskräften sinkt im Inland, und die Ar- höchst komplizierte Vereinbarung, die
beitslosigkeit steigt bei uns. So steht bei vie- selbst in der Konzernzentrale am Freitag –
len Firmen nicht die Einstellung neuen Perso- 23.07.2004 – noch viele offene Fragen
nals, sondern die Personaleinschränkung und aufwarf. Generell ist man übereingekom-
die Betreuung des bestehenden Personals im men,
Vordergrund. Die Vorausschauenden prognos- - dass D.C. eine Arbeitsplatzgarantie für alle
tizieren daher, dass sich die Lage am Arbeits- 160 000 Arbeitsplätze bis zum Jahre 2012
markt kaum entspannt und nur längerfristig mit in Deutschland gibt,
positiven Veränderungen zu rechnen ist. - dass die Konzernspitze auf 10 % ihrer jähr-
Hier eine Trendwende und neue Arbeitsplätze lichen Bezüge verzichtet,
zu schaffen, ist dabei eine gesellschaftspoliti- - alle Beschäftigten auf eine bereits für 2006
sche bzw. eine unternehmerische Aufgabe. vereinbarte Gehaltserhöhung verzichten
Das Personalwesen kann das Unternehmen u.v.m.
oder den Unternehmer lediglich unterstützen.
Sie kann keineswegs aus eigenem Gestal- Das hat es in dieser Form noch nie gegeben.
tungswillen heraus eigene Entscheidungen im Beide Seiten müssen große Zugeständnis ma-
Alleingang treffen. Sie kann aber im täglichen chen, sichern aber den heimischen Standort.
Umgang mit Mitarbeitern, Vorgesetzten und Abb. 7: Arbeitsplätze
Betriebsräten deutlich machen, dass der Ver- Quelle: Hamburger Abendblatt, Juli 2004
teilungsspielraum immer enger wird und man
sich auch von lieb gewordenen Besitzständen
lösen muss (vergl. Abb. 7).

2.5.3 Wachsende Anforderungen


durch den technologischen
Fortschritt
Das zunehmende Tempo beim technologi-
schen Fortschritt (PC-Entwicklung und Än-
derung der Arbeitsorganisation) stellt auch
wachsende Anforderungen an die Mitarbeiter,
an ihr Wissen, ihr Können, ihre Flexibilität.
Konsequenterweise haben auch einige Unter-
nehmen die Fortbildung der vorhandenen Mit-
arbeiter erheblich verstärkt und das „lebens-
lange Lernen“ zum verpflichtenden Prinzip
für Mitarbeiter und Führungskräfte erhoben. Abb. 8: Arbeitslose in Deutschland
Quelle: HA
2. Das Personalwesen und seine Funktion 351

2.5.4 Zunehmende gesetzliche Aufgabe


Regelungen 7. Vergleichen Sie die Entwicklungen in
Die Regierung hat die Aufgabe, die Rahmen- den Abb. 9 und 10!
bedingungen für die Wirtschaft zu verbessern a) Versuchen Sie, zwischen beiden
und unnötige Hürden abzubauen. Die Politiker einen Zusammenhang herzustellen!
(und Unternehmer) sind dringend aufgefordert,
b) Welche Auswirkungen lassen sich
massiv die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
für ein betriebliches Personalwesen
Ansätze in dieser Richtung sind vorhanden,
ableiten?
reichen aber wahrscheinlich noch nicht aus.
c) Erkundigen Sie sich, welche „Arten“
von Arbeitslosigkeit es gibt. Eine sei
genannt: konjunkturelle Arbeitslo-
sigkeit.
d) Warum bietet die konjunkturelle
Arbeitslosigkeit die größte Chance,
dass künftig wieder mehr Einstellun-
gen möglich sind?

Abb. 9: Entwicklung des Sozialprodukts


352 Personalwesen

2.5.5 Verändertes, steigendes


Selbstbewusstsein des
Mitarbeiters
Der gut ausgebildete, qualifizierte Mitarbeiter
wird sich seines Wertes für das Unternehmen
sehr schnell bewusst und kann nicht nur durch
finanzielle Anreize motiviert werden. Er sucht
vielmehr zusätzlich auch eine Bestätigung der
immateriellen Bedürfnisse (Arbeitsumfeld,
harmonische Gruppeneinordnung, Status,
Mitbestimmung). Auch hier muss das Perso-
nalwesen bei gleichzeitig sinkenden Auf-
stiegsmöglichkeiten, weniger Leitungsfunkti-
onen, weniger Titeln zeitgemäße Antworten
geben und andere, der Zeit entsprechende
Angebote formulieren.

2.5.6 Veränderte
Arbeitsorganisation
Abb. 10: Wachstum der deutschen Wirt-
Die Beschränkung auf wertschöpfende Tätig- schaft
keiten, verstärkte Gruppenarbeiten, prozess-
orientiertes und nicht funktionsorientiertes
Denken, Projektmanagement sind Stichworte, Die besonderen Aufgaben des Personalwe-
die eine veränderte Arbeitsorganisation sens bei radikaler Umstrukturierung (Re-
erfordern und zum Beispiel Abteilungs- engineering) – Beispiele
schranken abbauen, auch flachere Hierarchien Die Inhalte des Re-engineering sind im ersten
produzieren. Bei diesen Entwicklungen muss Kapitel unter dem Abschnitt 4.7.3 näher läu-
das Personalwesen die Prozesse mitgestalten tert worden. Auch haben sie Eingang in das
und die Veränderungen durch geeignete, Kapitel „Produktionswirtschaft“ gefunden.
praktikable Maßnahmen für die Mitarbeiter Der Durchsetzung des Re-engineering gehen
und das Unternehmen auch sehr schnell und intensive Maßnahmen des Personalwesens
effektiv durchführbar machen. Insoweit voraus. Es muss den Mitarbeitern, aber auch
kommt dem Personalwesen eine klare Len- den Führungsebenen unterhalb des Vorstan-
kungs- und Steuerungsfunktion zu, die nicht des den Wandel verdeutlichen und dafür Sor-
zu unterschätzen ist und eine erhebliche Wei- ge tragen, dass dieser verstanden und akzep-
terentwicklung der bisherigen Dienstleis- tiert wird. Mit seiner Akzeptanz können die
tungsrolle beinhaltet. Einzelprozesse in Gang gesetzt werden, die
Die Änderung bisheriger Arbeitsorganisatio- dem Unternehmen einen neuen, anderen
nen in neue Formen wirft meist menschliche Stempel aufdrücken. Dafür werden meist
Probleme auf, weil das Beharrungsvermögen Trainer angeworben, die mit ihren Methoden
der Mitarbeiter einerseits wie übereilte Aktio- alte Denkmuster überwinden helfen, indem
nen der Leitung, andererseits einer guten und sie neue lehren und einüben. Hierbei ist z. B.
relativ schnellen Lösung im Wege stehen. an das vernetzte Denken gedacht.
2. Das Personalwesen und seine Funktion 353

2.5.7 Verstärkte Internationalität Auch müssen Mitarbeiter für Teamarbeit


der Mitarbeiter vorbereitet werden, und Vorgesetzte müssen
es lernen, statt anzuweisen, mit den Mitarbei-
Wenn die deutschen Firmen sich mehr und tern zu sprechen und ihre Gedanken und Vor-
mehr zu multinationalen Unternehmen wan- schläge für die Wertschöpfungskette und die
deln, der Weltmarkt immer mehr die Organi- Produkte ernsthaft zu prüfen. Ein solcher
sationsstrukturen bestimmt und auch der Prozess (Reframing einerseits und Renewing
Einfluss des europäischen Arbeitsmarktes andererseits) dauert seine Zeit. Daher ist Re-
zunimmt, dann müssen auch die Mitarbeiter engineering auch nicht von heute auf morgen
die Internationalität täglich leben und wi- zu schaffen. Porsche z. B. brauchte vier Jahre
derspiegeln. Es genügt nicht mehr, Fremd- von 1992-1996.. Im Übrigen ist der Lernpro-
sprachen zu lernen und von Deutschland aus zess nie abgeschlossen. Die Wissenschaft
die Geschäfte zu lenken. Die Eigenständigkeit spricht daher auch vom Betrieb als einer ler-
der nationalen Struktur, der ausländischen nenden Organisation.
Werke und Vertriebsorganisationen ist zu
stärken. Gleichzeitig müssen die Aufstiegs-
chancen für die Führungskräfte aus diesen Porsche - Beispiel für einen erfolgreichen
Ländern bis in die Konzernspitze möglich Turnaround
sein. Der Kollege bzw. Chef in Deutschland „Jede Geschichte hat einen Anfang“, so
ist dann Pakistani, Amerikaner, Japaner oder schreibt das Capital. Der Anfang war ein
Chilene, nur um die Bandbreite der weltwei- motorisierter Zweisitzer, der vielleicht eine
ten Personalentwicklung einmal aufzuzeigen. Ziege hätte sein können, und Heiligabend
Weltweite Führungstrainings und einheitliche 1919 in Besitz des zehnjährigen Ferdinand
Entwicklungsschritte für Managementaufga- Anton Porsche überging. Später konstruierte
ben sind notwendig. er selbst Sportwagen, die zu den bekanntesten
in der Welt avancierten.
2.5.8 Klare Grundsätze für die Anfang der neunziger Jahre schlitterte Por-
Mitarbeiter sche in eine Krise, hohe Verluste waren die
Folge. Absatzeinbrüche in den Staaten, zu-
Bei den hier geschilderten Veränderungen will
sätzliche Kursverluste durch den Dollarverfall
der Mitarbeiter wissen, was das Unternehmen
taten das ihre. Dann ging es bergauf. Der neue
zukünftig plant, welche Zielsetzungen vorhan-
Vorsitzende des Vorstandes Wiedekind
den sind, nach welchen Grundsätzen er geführt
krempelte das Unternehmen auf. Porsche
wird. Dies soll aber nicht abstrakt, sondern
„wurde zum ersten Beweis, dass ein klassi-
greifbar und nachvollziehbar sein. So haben
sches deutsches Unternehmen sein Verhalten
fast alle Unternehmen mit großem internen
ändern kann und beste japanische Ansätze mit
Aufwand Unternehmensleitlinien und moderne
deutscher Methodik kombiniert“. Mit größ-
Führungsgrundsätze entwickelt. Ein weiterer
tem Erfolg. Nach fünf Jahren entsteht ein
Schritt sind dann Vereinbarungen des Vorge-
neuer Mythos Porsches: Produktivität, gerin-
setzten mit dem Mitarbeiter auf der Grundlage
ge Bestände, Kundennähe, Managementkul-
dieser Grundsätze zu den Aufgaben und Funk-
tur. Bald werden täglich in zwei Schichten
tionen des Mitarbeiters. Der Mitarbeiter will
158 Wagen (911er und Boxter) hergestellt,
wissen, was von ihm erwartet wird und worauf
1992 waren es knapp 90. Neues Management
er sich verlassen kann.
und Personalwesen schafften es, „ein neues
Denken in einen Körper zu implantieren, der
am Krückstock ging“. Damals war jeder Ein-
zelkämpfer.
354 Personalwesen

Beiderseitiges Vertrauen, klare Führungs- Heute arbeiten alle im Team. Heute wird
grundsätze und eindeutige Ziele schaffen eine miteinander gesprochen. Krankenstand, Kon-
Atmosphäre, die Leistungsbereitschaft för- flikte, Zweifel, Ärger, Niederlagen, nichts
dert, gleichzeitig aber auch hilft, Ängste ab- bleibt unentdeckt. Auf fünfteiligen Infotafeln,
zubauen. Monitoren und Diskussionsecken wird vergli-
chen, gelobt, angeklagt, angespornt. Heute ist
jeder wieder stolz, Porsche-Mitarbeiter zu
2.6 Aufgaben des sein. Und dafür lohnt es sich ranzuklotzen.
Personalwesens In Anlehnung an capital, Hamburger Abend-
blatt, Die Welt, Auto Bild
Im vorangegangenen Abschnitt „Anforderun-
gen“ wird geschildert, wie sich das Personal-
wesen im Gesamtunternehmen neu ausrichtet
und geänderte Funktionen wahrnimmt.
Das wird auch in der erweiterten Aufgaben-
stellung deutlich.
Heute übernehmen Personalabteilungen viel-
fach Aufgaben, die nicht alle eingehend be-
schrieben werden können und die von Unter-
nehmen zu Unternehmen auch unterschiedlich
ausgeprägt sind. Die Kurzübersicht – ohne
Anspruch auf absolute Vollständigkeit – ist
lediglich als Grobauswahl dieser Funktionen
und Aufgaben anzusehen.
Folgende Aufgaben sind stichwortartig auf-
zulisten:
• Personalforschung, Arbeitsmarktanalyse,
Personalmarketing
• Personalwerbung, Personalplanung und
-bedarfsdeckung
• Erstellung und Überwachung der Perso-
nalführungsgrundsätze
• Gestaltung der Mitarbeiterinformation
und -kommunikation
• Gestaltung der tariflichen Regelungen
• Erstellung der Richtlinien für personelle Abb. 11: Aufgabenfelder der Personal-
Einzelmaßnahmen wirtschaft nach Bröckermann
2. Das Personalwesen und seine Funktion 355

• Entwicklung eines effektiven Qualitäts- Aufgabe


managements im Personalwesen
8. Bitte betrachten Sie die Abbildung 11.
• Einführung neuer Arbeitsformen, wie Wie Sie erkennen werden, sind die Auf-
Gruppen- und Projektarbeit gabenfelder vielfältig miteinander ver-
• Rationalisierungen im Personalwesen knüpft. Wählen Sie zwei Aufgabenfelder
• Effiziente Verwaltungsorganisation aus, und erläutern Sie, mit welchen ande-
• Verbesserungs- und Vorschlagswesen ren Feldern diese verbunden sind! Versu-
• Einstellungen – Personaleinsatz chen Sie hierfür auch eine Begründung
• Umsetzungen – Entlassungen abzugeben!
• Überwachung der Abwesenheit
• Steuerung der Fluktuation
Zusätzliche Informationen zu Regelungen
• Abwicklung der Lohn- und Gehaltszah-
lung Überall im Leben trifft man auf Regelungen, die in
• Anwendung der gesetzlichen und tarifli- Form von Vorschriften, Vereinbarungen, Gesetzen,
chen Vorschriften Satzungen. Absprachen etc. in Erscheinung treten.
• Ausbildung des Nachwuchses Sie sind dazu da, das Miteinander der Menschen
• Weiterbildung und Förderung der Mitar- erträglicher und effizienter zu gestalten. Was wäre
beiter der Straßenverkehr ohne Regelungen? Es gäbe ein
„wildes Durcheinander“. Jeder würde sich Vorfahrt
• individuelle Personalentwicklungsschritte
verschaffen wollen, um das gesteckte Ziel schnell
• Verwaltung der sozialen Einrichtungen
zu erreichen. Wie sollte eine Konferenz wohl zügig
• Gewährung von Sozialleistungen
und ergebnisorientiert ablaufen, sprächen alle
• Aufrechterhaltung der Arbeitssicherheit Teilnehmer durcheinander. So gibt es im ersten
• Unterhaltung eines effizienten Fall Verkehrsregeln und im zweiten Fall eine
Gesundheitsschutzes Tagesordnung. Eine Tagesordnung wird für eine
• Lösung von individuellen und kollektiven kurze Zeit aufgestellt, dagegen sind Verkehrsre-
Personalkonflikten geln langfristig. Ebenso wie hier gibt es in Unter-
• Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten ein- nehmen kurzfristige und langfristige Regelungen.
schließlich Einigungsstelle Betriebsvereinbarungen z. B. haben meist eine
• Abwicklung der Personalverwaltung. lange Zeit Geltung, Arbeitszeitregelungen dagegen
Die „Personalorganisation“ muss den Ablauf sind kurz- oder mittelfristiger Natur. Langfristige
im eigenen Bereich so organisieren, dass die Regelungen bringen viele Vorteile mit sich.
gesetzten Ziele mit größtmöglicher Effektivi- • Sie dienen der Stabilität, weil ständige Ände-
tät erreicht werden. Sie berät aber auch mit rungen Unruhe der Betroffenen mit sich brin-
der Arbeitswirtschaft andere Bereiche, wie gen, immer wieder neue Einarbeitung und Ori-
dort die Arbeit organisiert werden kann. Ar- entierung verlangen und bei ungenügenden In-
beitswissenschaftliche Erkenntnisse auszu- formationen untereinander Nachfragen nach
werten und umzusetzen gehört ebenfalls zu sich ziehen.
den Aufgaben der Arbeitswirtschaft, als Teil
• Sie schaffen Transparenz, und mit ihr verbun-
des Personalwesens.
den ist eine bessere Koordination der Arbeiten
Zur Steuerung der Arbeit werden Grundsätze, (Arbeitsaufgaben, Arbeitsgänge u. a.).
Richtlinien und Betriebsvereinbarungen benö-
• Sie ziehen bei den Betroffenen ein zuverlässi-
tigt. Bei den wichtigsten grundsätzlichen
ges, weil vorhersehbares Arbeitsverhalten nach
Regelungen handelt es sich um:
sich und erhöhen zusätzlich die Effizienz aller
Beteiligten.
356 Personalwesen

• allgemeine Personalrichtlinien • Sie sind beim Ausscheiden bzw. beim Wech-


• Pläne für die Personalorganisation sel eines Arbeitnehmers am Arbeitsplatz für
einen Nachfolger hilfreich, weil Aufgaben
• Arbeitsplatzbeschreibungen und Abläufe festliegen. Damit garantieren sie
• Stellenbeschreibungen Kontinuität.

• Stellen- und Besetzungspläne Langfristige, feste Regelungen bedeuten aber nicht


nur Positives. Betriebsvereinbarungen, die Bonus-
• Arbeitsordnungen zahlungen an Arbeitnehmer für immer festlegen,
• Betriebsvereinbarungen können den Ruin eines Betriebes bedeuten, wenn
jahrelang keine Gewinne erzielt werden. Arbeits-
• Lohn- und Gehaltsregelungen
zeitordnungen, die unumstößlich sind, gehen an
• allgemeine und besondere der gesellschaftlichen und technischen Entwick-
Führungsanweisungen lung vorbei. Durch langfristige Regelungen wird
• Beurteilungsgrundsätze ein Unternehmen unelastisch. Seine höchste Elasti-
zität erwirbt es mit einmaligen Regelungen. Diese
• Richtlinien für die Aus- und Fortbildung haben nur den Nachteil, dass es zu ständigen Ver-
• Grundsätze für die Arbeit des Sozialwe- änderungen kommt, und das kann weder dem
sens Einzelnen noch der Gemeinschaft und dem Pro-
duktionsprozess gut tun. Daher müssen Betriebe
• Informationswesen.
sowohl über das eine als auch das andere verfügen.
Beim Brainstorming z. B. gibt es keine Regelung,
2.7 Die Organisation des wer zuerst redet. Eine Konferenz, die so beginnt,
schöpft dadurch die Kreativität ihrer Teilnehmer aus.
Personalwesens
Danach aber müssen gewisse Konferenzrichtlinien
eingehalten werden bzw. darf von diesen nicht allzu
Die Organisation des Personalwesens ist auf
sehr abgewichen werden. Mit dem Wort „allzu sehr“
die Gesamtstrategie, die Ziele und die Schwer-
ist ausgesagt, dass es Regelungen geben muss, die
punkte des Unternehmens auszurichten.
einen gewissen Freiraum lassen. Im besagten Bei-
Die flexible Organisation soll sicherstellen, spiel handelt es sich um langfristige Regelungen mit
dass die Personalreferenten und Mitarbeiter nicht ganz festgelegten Grenzen.
kundenorientiert arbeiten und Veränderungs-
prozesse rechtzeitig und umfassend in Gang
gesetzt werden können. Gleichzeitig sind alle
arbeitsrechtlich relevanten Funktionen ord- Aufgabe
nungsgemäß und einwandfrei abzuwickeln.
9. a) Finden Sie Beispiele für langfristige
Im abgebildeten Organigramm eines Konzern- und einmalige Regelungen! Denken
unternehmens (vgl. Abb. 13) werden alle Per- Sie hierbei auch an die Familie!
sonalaktivitäten auf vier Säulen gebündelt. Die
gesamte Personalarbeit im Sinne der Betreu- b) Im Kapitel Geschäftsführung (Füh-
ungsfunktion erfolgt in der Personalarbeit und rungsaufbau und Weisungssystem)
in der Abteilung Ausland und Beteiligungen. finden Sie eine Satzung und eine Ge-
Die Trennung zwischen außertariflich bezahl- schäftsordnung für den Vorstand.
ten Mitarbeitern und „Tarifmitarbeitern“ ent- Kennzeichnen Sie den Unterschied
fällt. Die direkte Zuordnung der Personalrefe- beider Regelungen!
renten zu den Geschäftsbereichen und zentra- c) Warum werden auch für Konferen-
len Abteilungen ermöglicht die intensive zen Regelungen erarbeitet und
Betreuung aller dort tätigen Mitarbeiter. durchgesetzt?
2. Das Personalwesen und seine Funktion 357

Auch die Eingliederung des vorher selbst- Beispiel:


ständigen Personalwesens der Hauptverwal-
Offene Regelungen
tung in das einheitliche Personalwesen soll
die Kundennähe und Effizienz erhöhen. Die DMW AG hat in ihrer Broschüre zu Mit-
arbeitergesprächen Folgendes über Ziele
Die Abteilung „Entwicklung und Förderung
formuliert:
von Mitarbeitern“ hilft verstärkt dabei, Ent-
wicklungsprozesse voranzutreiben und Mitar- Vereinbarung von Zielen
beitergruppen bei dieser Arbeit zu stärken. Die Ziele aus unserem Unternehmensleitbild
Die Installierung und Betreuung des Quali- seien hier genannt:
tätsprozesses wird ebenfalls aktiv unterstützt. • Gewinne erwirtschaften, um die DMW
Die Personalwirtschaft und Organisation AG zu erhalten und Wachstum zu finan-
achtet dagegen auf eine effektive Personalar- zieren
beit, führt zum Beispiel Studien im Rahmen
der Arbeitswirtschaft durch, fördert das be- • Der „Kunde als König“
triebliche Vorschlagswesen und betreut die • Die Erhaltung alter und die Erschließung
Mitarbeiter bei der Arbeit mit flexiblen PCs neuer Märkte
und neuester Verwaltungstechnik. • Sicherung einer lebenswerten Umwelt
Nicht fehlen darf das betriebliche Berichtswe-
• Erhalt und Neugewinnung von qualifi-
sen im Personalbereich, das letztlich auch das
zierten Mitarbeitern
neueste Zahlenwerk für den Vorstand, zum
Beispiel für den Wirtschaftsausschuss und • Weitere Umsetzung einer kooperativen
den Betriebsrat, liefert. und teamorientierten Führung
Mit der Zielvereinbarung wird die Grundlage
für eine effektive Aufgabenerfüllung gelegt ...
Vorgesetzte und Mitarbeiter sprechen konkre-
te Teilziele und sich daraus ergebende Ar-
beitsaufgaben ab. Verantwortlich dafür sind
Vorgesetzte und Mitarbeiter gemeinsam.
Abb. 12: Die Unternehmensziele – Auszug

Abb. 13: Organigramm Personal- und Bildungswesen


358 Personalwesen

3. Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor


Ein Unternehmen ist nicht nur ein technisches
oder betriebswirtschaftliches Gebilde, son-
dern wird ausschließlich von Menschen plan-
voll in Gang gehalten.
In allen Unternehmen steht daher der Mensch
im Mittelpunkt der Leistungserstellung.
Hinter dem Produktionsfaktor „menschliche
Arbeit“ stehen die Mitarbeiter, welche im
Unternehmen ihre Bedürfnisse decken möch-
ten. Sie möchten entsprechend ihren Kennt-
nissen und Fähigkeiten eingesetzt werden und
für sich und für die Familie ein ausreichendes
Einkommen erzielen.
Darüber hinaus wollen sie sich jedoch in der
Arbeit selbst verwirklichen, was bedeutet,
dass man das, was man gelernt hat und kann,
umgesetzt wissen will, und ihr Kommunikati-
onsbedürfnis mit den Menschen im Unter-
nehmen befriedigen.
Die drei Gruppen Kapitalgeber, Unterneh-
mer und Arbeitnehmer müssen im gewinn-
orientierten Unternehmen eng zusammenwir-
ken, um viele unterschiedliche Einzelziele zu
erreichen. Das Ergebnis der Zusammenarbeit
ist die gemeinsam erreichte Leistung. Zieht
man von ihr die Vorleistungen ab, sofern
erfolgreich gewirtschaftet wurde, so bleibt ein
Mehrwert, die Wertschöpfung, zurück. Das
gemeinsame Ziel aller drei Gruppen ist es, die
Wertschöpfung zu maximieren. Der Verände-
rungsprozess der Unternehmen in den letzten
Jahren bestand oftmals schwerpunktmäßig
darin, sehr kritisch die Wertschöpfungskette
im Arbeitsprozess zu untersuchen und mög-
lichst die Schritte auszumerzen, die keinen
Beitrag zur Wertschöpfung leisten.

Abb. 14: Arbeitsleistung und Wertschöp-


fung (in Anlehnung an Harlan-
der u.a.) – vereinfacht
3. Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor 359

Auf diese Art und Weise kann jede Gruppe Zur Wertschöpfung:
ihre Bedürfnisse besser decken, ganz gleich, Die Wertschöpfung ist der Wertezuwachs, den ein
zu welchem Teil sie daran beteiligt ist. Unternehmen erwirtschaftet hat. Dabei sind die
Dieses Denken führte in den Unternehmen zu Vorleistungen (auch als Zulieferungen bezeichnet,
z. B. die eingekauften Werkstoffe, die fremden
einer kritischen Distanz zu einzelnen Tätig-
Dienstleistungen) unberücksichtigt zu lassen, weil
keiten, aber auch zu Entlassungen, so z.B. sie als Wertschöpfung bereits von anderen Unter-
wenn Arbeitnehmer unzuverlässig arbeiten, nehmen und Personen erbracht worden sind. Nun
aber auch, wenn Leitungskräfte falsche Ent- beschränkt sich die Wertschöpfungsrechnung nicht
scheidungen treffen (vergl. 2006 Airbus- allein auf die erstellten und veräußerten Leistun-
Industrie, in der Vergangenheit Siemens mit gen, sondern erfasst alle Erträge, und dazu zählen
BenQ – 2006 und DaimlerChrysler mit Mit- auch die Erzeugnisse, die noch nicht veräußert,
aber in der Periode hergestellt sind, Erzeugnisse,
subishi, siehe auch Seite 68).
die selbst noch am Stichtag der Wertschöpfungs-
Ohne Wertschöpfung kann jedoch kein ge- ermittlung in der Prozesskette stecken, und Eigen-
winnorientiertes Unternehmen auf Dauer exis- leistungen, also Produkte, die das Unternehmen für
tieren. sich selbst erstellt hat (z. B. eigene Fahrzeuge, die
als Geschäftswagen benutzt werden). Die Wert-
So entspricht der zentralen Bedeutung des schöpfung resultiert aus dem Zusammenwirken der
Menschen auch die Stellung des Personalwe- Elementarfaktoren Werkstoffe, Betriebsmittel und
sens. Es muss sich mit allen Fragen auseinan- Arbeitsleistungen. Die Umsetzung der Ziele unter
der setzen, die mit dem Einsatz von Men- Einhaltung humaner Prinzipien wird ständig durch
schen zusammenhängen, um das Ziel, Ge- Institutionen (z. B. Aufsichtsrat und Betriebsrat,
durch besondere Organe wie dem Controlling u. a.)
winne zu machen, zu erreichen. kontrolliert. Dass der Einsatz an Elementarfaktoren
Risiken in sich birgt, sei am Rande erwähnt. Im
Ernstfall verliert der Unternehmer seinen Betrieb,
3.1 Personal im die Eigentümer ihr eingesetztes Kapital, die Ar-
Industriebetrieb beitnehmer ihren Arbeitsplatz. Alle Faktoren sollen
- wie im Sachtext dargestellt - derartig zusammen-
geführt werden, dass eine hohe Produktivität er-
Das im Industriebetrieb beschäftigte Personal zielt wird (siehe hierzu Kapitel 1: Zielsetzungen).
wird nach Angestellten, Arbeitern, den zur
Berufsausbildung Beschäftigten und arbeit-
nehmerähnlichen Mitarbeitern unterschieden. Aufgabe
Darüber hinaus gehören im Einzelunterneh- 10. a) Sie finden im Vorspann der Sachaus-
men sowie in Personengesellschaften die führungen (siehe Seite 145) die Ge-
mitarbeitenden Eigentümer und deren mitar- winn- und Verlustrechnung der DMW
beitende Familienangehörige ebenfalls zum AG. Errechnen Sie hiernach die Wert-
Personal. schöpfung des Unternehmens!
b) Überlegen Sie, ob es nicht sinnvoller
ist, die Wertschöpfung nur auf die
Zwecksetzung des Industriebetriebes
zu konzentrieren (Herstellung und
Verkauf von Erzeugnissen), und
schlagen Sie hierzu den Lösungsweg
vor!
360 Personalwesen

Abb. 15: Zusammensetzung des für einen Betrieb nötigen Personals im Industriebetrieb

3.1.1 Begriff des Arbeitnehmers


Als Arbeitnehmer werden im Arbeitsrecht Ergänzung zu Arbeitnehmerinnen und
die Personen bezeichnet, die einem anderen Arbeitnehmern
(Arbeitgeber) haupt- oder nebenberuflich
Bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages für mern handelt es sich um Personen, die
eine gewisse Dauer zur Arbeitsleistung ver-
pflichtet sind. • auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages
Eine nur einmalig geschuldete Dienstleistung • gegen Entgelt als Gegenleistungen
begründet im Allgemeinen kein Arbeitsver- • durch einen anderen, dem Arbeitgeber,
hältnis. Ferner setzt das Arbeitsverhältnis im
Regelfall die Zahlung eines Entgelts voraus. beschäftigt sind und zu diesem
Die Arbeitnehmer lassen sich aufgliedern in: • in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen,
das sie verpflichtet, eine Tätigkeit für ihn
• gewerbliche Arbeitnehmer, arbeitsrecht- auszuüben.
lich maßgebend ist vor allem die Gewer-
beordnung Eine solche Position haben Angestellte ebenso
wie Arbeiterinnen und Arbeiter inne. Letztere
• kaufmännische Arbeitnehmer (hier sind genießen nach mehreren Entscheidungen des
im Handelsgesetzbuch wichtige Bestim- Bundesverfassungsgerichts Gleichbehandlung,
mungen enthalten) sodass ihre verbale Unterscheidung keine
• sonstige Arbeitnehmer, zum Beispiel Bedeutung mehr hat, nur immer noch aus
Hausangestellte (maßgeblich ist das Bür- Tradition gebraucht wird.
gerliche Gesetzbuch)
3. Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor 361

3.1.2 Arbeiter
Auszug aus dem BetrVG
Arbeiter sind Mitarbeiter, die überwiegend §5
körperliche Arbeit leisten. Sie sind in der
1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes
Landesversicherungsanstalt (LVA) rentenver- sind Arbeiter und Angestellte einschließ-
sichert. lich der zu ihrer Berufsausbildung Be-
Je nach dem Ausbildungsstand unterscheidet schäftigten.
man ungelernte Arbeiter (Hilfsarbeiter), 2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Geset-
angelernte Arbeiter (für Spezialfunktionen) zes gelten nicht
und gelernte Arbeiter (Facharbeiter). 1 in Betrieben einer juristischen Per-
son die Mitglieder des Organs, das
3.1.3 Angestellte zur gesetzlichen Vertretung der ju-
ristischen Person berufen ist;
Angestellte sind Mitarbeiter, die überwiegend 2 die Gesellschafter einer offenen
geistige Arbeit leisten. Sie sind in der Bun- Handelsgesellschaft oder die Mit-
glieder einer anderen Personenge-
desversicherungsanstalt für Angestellte ren-
samtheit, soweit sie durch Gesetz,
tenversichert. Je nach ihrer überwiegenden Satzung oder Gesellschaftsvertrag
Arbeitsaufgabe unterscheidet man kaufmän- zur Vertretung der Personengesamt-
nische und technische Angestellte. heit oder zur Geschäftsführung beru-
fen sind, in deren Betrieben;
3.1.3.1 Leitende Angestellte 3 Personen, deren Beschäftigung nicht
in erster Linie ihrem Erwerb dient,
Leitende Angestellte sind Mitarbeiter, die sondern vorwiegend durch Beweg-
unternehmens- oder betriebsleitende Aufga- gründe karikativer oder religiöser
ben, also Arbeitgeberfunktionen, in einer Art bestimmt ist;
Schlüsselstellung ausüben. Sie leiten im We- 4 Personen, deren Beschäftigung nicht
sentlichen selbstständig und verantwortlich in erster Linie ihrem Erwerb dient und
den Betrieb, einen bedeutenden Betriebsteil die vorwiegend zu ihrer Heilung,
oder einen größeren Aufgabenbereich. Zu Wiedereingewöhnung, sittlichen Bes-
ihnen gehören Vorstände, Hauptabteilungslei- serung oder Erziehung beschäftigt
ter, Abteilungsleiter sowie das Junior- werden;
5 der Ehegatte, Verwandte, Verschwä-
Management. Außerdem sind Arbeitnehmer gerte ersten Grades, die in häuslicher
zu erwähnen, die rechtlich herausgehobene Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber
Stellungen bekleiden wie Prokuristen und leben.
Bevollmächtigte. Aber auch die Mitarbeiter,
3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht
die aufgrund eigener Entschlusskraft hoch ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist,
qualifizierte Stabsarbeit führender, prüfender, keine Anwendung auf leitende Angestellte.
entwerfender, forschender oder werbender Leitender Angestellter ist, wer nach Ar-
Art leisten und damit wegen der Bedeutung beitsvertrag und Stellung im Unternehmen
für das Unternehmen von dem persönlichen oder Betrieb
Vertrauen des Unternehmens getragen sind, 1 zur selbständigen Einstellung und
werden als „Leitende Angestellte“ behandelt. Entlassung von im Betrieb oder in
der Betriebsabteilung beschäftigten
Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2 Generalvollmacht oder Prokura hat
und die Prokura auch im Verhältnis
zum Arbeitgeber nicht unbedeutend
ist oder
362 Personalwesen

3.1.3.2 Außertarifliche Angestellte 3 regelmäßig sonstige Aufgaben wahr-


(AT-Angestellte) nimmt, die für den Bestand und die
Hierunter werden solche Angestellte – meist Entwicklung des Unternehmens oder
eines Betriebs von Bedeutung sind
in leitender Stellung – verstanden, die entwe-
und deren Erfüllung besondere Erfah-
der nach dem Willen der Tarifvertragspartei- rungen und Kenntnisse voraussetzt,
en aus dem Geltungsbereich eines Tarifver- wenn er dabei entweder die Entschei-
trages herausgenommen sind, oder denen die dungen im wesentlichen frei von
Arbeitsvertragsparteien diesen besonderen Weisungen trifft oder sie maßgeblich
Status vertraglich anerkennen. beeinflusst; dies kann auch bei Vor-
gaben insbesondere auf Grund von
3.1.3.3 Tarifliche Angestellte Rechtsvorschriften, Plänen oder
Richtlinien sowie bei Zusammenar-
Für die tariflichen Angestellten ist arbeits- beit mit anderen leitenden Angestell-
rechtlich der jeweilige Tarifvertrag gültig. ten gegeben sein.
4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3
ist im Zweifel, wer
3.1.4 Mitarbeiter 1 aus Anlass der letzten Wahl des Be-
triebsrats, des Sprecherausschusses
Die Abgrenzung zwischen den Angestellten oder von Aufsichtsratsmitgliedern der
und Arbeitern ist in der heutigen Zeit kaum Arbeitnehmer oder durch rechtskräf-
sinnvoll. So sind alle Arbeitnehmer im Unter- tige gerichtliche Entscheidung den
nehmen „Mitarbeiter“, die Aufteilung in leitenden Angestellten zugeordnet ist
Angestellte und Arbeiter entfällt. Im Tarifver- oder
trag der chemischen Industrie wird dieser 2 einer Leitungsebene angehört, auf der
in dem Unternehmen überwiegend
Begriff einheitlich verwendet. Konsequenter- leitende Angestellte vertreten sind,
weise gibt es auch keinen Lohn- und Gehalts- oder
tarifvertrag, sondern einen Entgelttarifvertrag 3 ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt
mit der Einordnung der Aufgaben in die ent- erhält, das für leitende Angestellte in
sprechende Tarifgruppe. dem Unternehmen üblich ist, oder,
4 falls auch bei der Anwendung der
3.1.5 Zur Berufsausbildung Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein
regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt er-
Beschäftigte hält, das das Dreifache der Bezugs-
Auszubildende im engeren Sinne gehören größe nach § 18 des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch überschreitet.
nicht zu den Arbeitnehmern, da sie vorwie-
gend zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt Abb. 16: Definition einiger Arbeitneh-
werden. Auf sie findet das Berufsbildungsge- mer nach dem Betriebsverfas-
setz, ergänzend dazu die Regelungen des sungsgesetz
Arbeitsverhältnisses, Anwendung.
Der Arbeitgeber (Ausbildender) schließt mit
ihnen einen Berufsausbildungsvertrag, der
als Ziel den Abschluss in einem klar umrisse-
nen Beruf gemäß Ausbildungsordnung hat.
3. Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor 363

Umschüler sind Mitarbeiter, die mit dem Ziel Aufgabe


beschäftigt werden, diese zu einer anderen
11. a) Könnten Sie sich vorstellen, warum
beruflichen Tätigkeit zu befähigen oder ihre
der Gesetzgeber versucht hat, den
berufliche Beweglichkeit zu sichern bzw. zu
Begriff des „leitenden Angestellten“
verbessern.
so genau festzulegen?
Volontäre erhalten nur eine punktuelle be-
b) Auf Seite 362 ist Ihnen der Begriff
triebliche Ausbildung auf einem Fachgebiet.
„Mitarbeiter“ begegnet. Er ist an die
Praktikanten wird eine zeitlich befristete Stelle der Begriffe Angestellte und
und inhaltlich klar umrissene betriebliche Arbeiter getreten. Versuchen Sie die
Ausbildung geboten. Diese steht allerdings im Sichtweise herauszufinden, die sich
Zusammenhang mit einer schulischen oder hinter dem Begriff Mitarbeiter und
akademischen Ausbildung. den Begriffen Angestellte und Arbei-
ter verbirgt!
3.1.6 Arbeitnehmerähnliche
Mitarbeiter
Ergänzung zu der besonderen Stellung der
Zu den arbeitnehmerähnlichen Mitarbei- Arbeitnehmer
tern eines Betriebes gehören u. a. Heimar- In rechtlicher Hinsicht werden Mitarbeiter eines
beiter, Leihpersonal und freie Mitarbeiter. Unternehmens - also AN - den Arbeitgebern ge-
genübergestellt. Die Beziehungen zwischen beiden
Heimarbeiter ist, wer in selbstgewählter sind nicht nur individuell geartet. Da wird oft der
Arbeitsstätte allein oder mit Familienangehö- Betriebsrat eingeschaltet - und er ist ein Organ
rigen Arbeiten für Auftraggeber ausführt. aller Arbeitnehmer, nimmt daher Einzel- und
Kollektivinteressen (Abb. 17) wahr. Schließlich
werden auch Verbände, auf Arbeitgeberseite der
Arbeitgeberverband und auf der Arbeitnehmerseite
die Gewerkschaften, eingespannt. Die Abb. 17 soll
den Zusammenhang noch einmal darstellen und
den Begriff des Arbeitnehmers herausstellen.

Abb. 17: Die unterschiedlichsten Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern


untereinander (in Anlehnung an Henze)
364 Personalwesen

Zum Leihpersonal gehören Mitarbeiter, die Aufgaben


ein Arbeitgeber von einem anderen Arbeitge-
12. Bitte sehen Sie sich die Abb. 17 genau
ber „ausleiht“.
an! Versuchen Sie bitte die Beziehungen
Freie Mitarbeiter sind Personen, die Arbeit noch einmal mit eigenen Worten zu er-
für den Industriebetrieb, zum Beispiel als läutern!
Lehrer in der Aus- und Fortbildung oder als
Berater, leisten, ohne Arbeitnehmer zu sein.

4. Personalplanung und der Mitarbeiterbedarf


Die Personalplanung plant nicht nur den Ergänzende Informationen zur
quantitativen Personalbedarf (wie viel Mit- Personalplanung
arbeiter werden benötigt), sondern auch den
„Die Personalplanung umfasst alle Maßnah-
qualitativen Personalbedarf (welche Anfor-
men der Anregungs-, der Such- und Entschei-
derungen müssen die einzelnen Mitarbeiter
dungsphase des personalwirtschaftlichen Ent-
erfüllen).
scheidungsprozesses.“ (Henze.) Sie geht in-
Dieses Instrument der Personalarbeit bildet zwischen über eine kurzfristige Bedarfsermitt-
einen wichtigen Bestandteil der vorausschau- lung und Einstellungsvorbereitung – operative
enden Unternehmenspolitik, denn Personalplanung – hinaus, kann zugleich mit-
• qualifizierte Arbeitskräfte sind bei den telfristig – taktische Personalplanung – orien-
strukturellen Veränderungen sehr wichtig tiert oder als strategische Persona lplanung
installiert sein.
• ein gesicherter Personalbestand hilft, Stö-
rungen im Betriebsablauf zu vermeiden Daher lässt sie sich auch auf drei Ebenen
ausweisen, auf denen die strategischen Felder
• die Personalkosten zwingen dazu, so abgezeichnet sind. Die strategische Personal-
rationell wie möglich zu wirtschaften planung gibt keine exakten Vorgaben für
• die planmäßige Entwicklung der Mitar- einen konkreten Arbeitsplatz ab, weil sie nur
beiter durch systematische Fördermaß- globale Rahmen und Richtlinien auf Grund
nahmen hilft, den qualitativen Personal- zukünftiger betrieblicher und außenwirt-
bedarf zu decken. schaftlicher Entwicklungen aufstellen kann.
Langfristigkeit bedeutet für einen Betrieb fünf
Jahre, für einen anderen zehn Jahre oder
mehr. Die taktische Personalplanung ist be-
4.1 Bestimmung des reits konkreter. Sie muss sich eng an die Ziel-
quantitativen vorgaben der strategischen Personalplanung
anlehnen, gibt aber bereits Einzelheiten für
Personalbedarfs die Personalpolitik vor. Die operative Perso-
nalplanung ist eine kurzfristige, ablauforien-
Die Mitarbeiter-Zahl orientiert sich am vor- tierte Planung. Sie erfasst Einzelmaßnahmen,
handenen Arbeitsvolumen, an der strategi- die der Zielerreichung dienen. Damit werden
schen Ausrichtung, der Ertragssituation und die in der Abb. 18 dargestellten Aufgabenfel-
der geschäftlichen Gesamtentwicklung des der konkret umgesetzt. Operative Personal-
Industrieunternehmens. pläne sind demnach stark differenziert.
4. Personalplanung und der Mitarbeiterbedarf 365

Abb. 18: Strategische Felder mit drei strategischen Ebenen der Personalplanung

In der operativen Personalplanung muss oft Aufgabe


rasch gehandelt werden. Zurückgehende
13. a) Welche Probleme treten für eine stra-
Marktanteile, Umsatzeinbrüche etc. zwingen
tegische Personalplanung auf?
zu schnellem Handeln.
b) Versuchen Sie herauszufinden (viel-
Zuerst sind umfassende Absatz-, Kosten-,
leicht finden Sie zwei Beispiele),
Gewinn- und Wertschöpfungsanalysen nötig,
warum eine langfristige Personalpla-
um die betriebliche Gesamtsituation zu beur-
nung nötig ist!
teilen.
Sowohl in betrieblichen Krisenzeiten (Ein- In Bad Cannstatt werden neue Wege beschritten.
So konnte mit dem Betriebsrat eine weitgehend
schränkungen, Kapazitätsstilllegung oder
flexibilisierte Arbeitszeit vereinbart werden: Neben
Kurzarbeit etc.) als auch in Zeiten der Expan- dem Drei-Schicht-Betrieb an fünf Wochentagen ist
sion sind personalwirtschaftliche Maßnahmen eine 16. Schicht für das Wochenende vorgesehen.
unumgänglich. Sie nur kurzfristig zu bewälti- Während sie etwa in Rastatt für den Samstag fest-
gen, ist gefährlich, weil sich die Märkte durch gelegt ist, kann sie in Bad Cannstatt irgendwann
größere Konkurrenz, durch bessere Produkte, zwischen Samstag und Sonntag genommen wer-
durch technischen Fortschritt, Kundenverhal- den. Hinzu kommen eine mögliche 17. Schicht zur
ten und Kundenwünsche verändern können. Maschinenwartung, die variierende Schichtlänge
Daher ist eine rechtzeitige Planung das Gebot zwischen sieben und neun Stunden und ein saiso-
naler Schichtausgleich.
jeder Unternehmung. Und sie schließt die
Personalplanung mit ein. Ja, ihre strategische Im Konzern gelten die Vereinbarungen für alle
und taktische Ebene ist daher oft Teil der Standorte – schließlich ermöglichten sie erst den
Standort Bad Cannstatt in Konkurrenzstudien zu
gesamten Unternehmensstrategie (Abb. 21).
Frankreich und Tschechien.
In Abb. 18 ist von einem Personalinformati-
onsmanagement die Rede. Das besagt, dass Abb. 19: Flexible Arbeitszeiten als
Personalplanung nicht ohne Informationen Kompromiss (bei Daimler-
funktionieren kann. Informationen von der Benz), ausgehandelt zwischen
Marktseite, von der Umsatzseite, von der Betriebsrat und Arbeitgeber
Produktion, von der Organisation etc. Quelle: Wirtschaftswoche
366 Personalwesen

Es muss auch klar sein, ob es sich beim Neu- Ergänzendes zum Personalbedarf
bedarf um Arbeitsspitzen handelt, die durch Die Einflussfaktoren, die auf den Personalbedarf wirken,
befristete Arbeitsverhältnisse abgefangen lassen sich nach quantitativen, zeitlichen und qualitativen
Merkmalen systematisieren. Hier seien die quantitativen
werden können, oder um einen langfristigen und zeitlichen in den Blickpunkt gerückt.
durchgehenden Bedarf an unbefristet einzu- Zu den quantitativen rechnet man z. B.:
stellenden Mitarbeitern. • die Konjunktur. Befindet sich die Wirtschaft im
Zur Ermittlung des Personalbedarfs für eine Aufschwung, dann muss die vollständige Kapazität der
Betriebe vielleicht ausgenutzt beziehungsweise ausge-
zukünftige Periode wird in der betrieblichen dehnt werden. Folge ist ein höherer Personalbedarf.
Praxis das auf Seite 367 dargestellte Schema • die Arbeitsdauer. Wird die betriebliche Arbeitszeit
angewandt. auf Grund neuer Tarifverträge oder auf Grund von be-
triebsinternen Absprachen heruntergefahren, erhöht
sich automatisch der Personalbedarf.
• den Arbeitsplatzwechsel der Mitarbeiter. Eine hohe
Fluktuation der Mitarbeiter bewirkt einen sich ständig
verändernden Bedarf. Solche Fluktuation kann auf un-
zureichende Arbeitsbedingungen ebenso zurückgeführt
werden wie auf ein schlechtes Betriebsklima.
Zu den zeitlichen gehören:
• der Altersaufbau, der sicher auch eng mit den quali-
tativen Einflussmerkmalen einhergeht. Mit ihm ist der
Ruhestand verknüpft.

Abb. 20: Grafische Darstellung der Perso-


nalbedarfsplanung, vereinfacht

Personal-
planung

Abb. 21: Stellung der Personalbedarfsplanung bei der DMW AG in Hannover


Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
4. Personalplanung und der Mitarbeiterbedarf 367

Zusammenfassung Beispiel:
Quantitative Bedarfsrechnung
Die quantitative Personalbedarfspla-
nung geht von der Frage aus, wie viele Gegenwärtiger Personalbestand (IST)
Mitarbeiter auf Grund der vorgegebenen - Abgänge durch Pensionierungen, Kündi-
Sachaufgaben zu welchem Zeitpunkt be- gungen durch Arbeitnehmer, Entlassun-
nötigt werden. Sie kann aber nicht von der gen, Beförderungen, Versetzungen, To-
qualitativen Bedarfsplanung losgelöst er- desfälle, Invalidität, Einberufung zur
mittelt werden. Bundeswehr oder zum Zivildienst, Um-
schulung etc.
+ Zugänge durch bereits feststehende Neu-
eintritte, Übernahme aus dem Ausbil-
4.2 Qualitative Aspekte des dungs- in das unbefristete Arbeitsver-
Personalbedarfs hältnis, Versetzungen, Rückkehr von der
Bundeswehr und vom Zivildienst, Rück-
„Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital kehr von längerfristigen Fortbildungs-
des Unternehmens!“ Wenn diese oft zitierte maßnahmen
Aussage bei der qualitativen Personalplanung = zu erwartender Personalbestand (im Pla-
des Industrieunternehmens als Richtschnur nungszeitpunkt)
gilt, dann muss diesem Aspekt ein hohes
Gewicht beigemessen werden. + zu planende Neueinstellungen (Ersatz-
und Zusatzbedarf/Nachholbedarf)
Die Aufgaben einer qualitativen Bedarfs-
ermittlung konzentrieren sich auf zwei Kern- = Geplanter Personalbedarf (Soll) (im Pla-
inhalte: nungszeitraum)
• Erfassung der Arbeitsanforderungen
und
• Bestimmung der Ist-Qualifikation der
Mitarbeiter.
Die Arbeitsanforderungen stellen die Leis- Aufgabe
tungsvoraussetzungen dar, die von einem
Arbeitnehmer zur Bewältigung der Tätigkei- 14. a) Die grafische Darstellung der Perso-
nalbedarfplanung (vgl. Abb. 20)
ten an einer Arbeitsstelle erbracht werden
weicht etwas von der Aufstellung
müssen. Sind diese Arbeitsanforderungen
oben ab. Suchen Sie bitte nach Grün-
festgelegt, dann muss geprüft werden, ob
den!
jemand im Betrieb die Eignung für diese
Stelle mitbringt, d.h., ob er die Arbeitsanfor- b) Sie haben von quantitativen Ein-
derungen mit seinen Fähigkeiten und seinem flussfaktoren gehört, siehe S. 392f.
Können erfüllen kann. Oder es muss nach Nun stellen Sie bitte qualitative Ein-
einer geeigneten Person auf dem Arbeits- flussfaktoren, die auf den Personal-
markt gesucht werden. bedarf wirken, heraus, und begrün-
den Sie Ihre Überlegungen!
Da meistens die Stellen genau beschrieben
sind, also die Arbeitsanforderungen für sie c) Bei der Ermittlung des Personalbe-
festliegen, bedient man sich zur Bedarfser- darfs ist eine Personalbestandsanaly-
mittlung dem nebenstehenden Schema (rechte se vorzunehmen. Was würden Sie
Spalte oben). darunter verstehen?
368 Personalwesen

Stellenbeschreibung
Reparaturschlosser, Bereich „Produktion", Kenn-Nr. 21137
Die erforderlichen Fachkenntnisse sind eine dreijährige Handwerkslehre und eine zwei- bis
fünfjährige Berufserfahrung. Bei der Durchführung von Reparaturen an den Produktions- und
Ausrüstungsmaschinen wird eine mittlere Geschicklichkeit verlangt.
Die geistige Beanspruchung ist sehr hoch, da häufige Denktätigkeit erforderlich ist. Die Arbei-
ten sind z.T. nur mit Hilfe eigener Überlegungen durchführbar (z.B. Lesen von Zeichnungen).
Die körperliche Beanspruchung ist hoch, weil Arbeiten mit anstrengender Körperhaltung anfal-
len. So sind z.B. schwere Werkstücke zu handhaben, Treppen und Leitern zu begehen und Ar-
beiten mit statischer Belastung durchzuführen.
Die Verantwortung für die Betriebsmittel ist durchschnittlich, da die Möglichkeit der Verursa-
chung von Schäden gering ist. Jedoch besteht bei fehlerhafter Durchführung der Reparaturarbei-
ten die Gefahr zur Schädigung der Gesundheit anderer.
Der Reparaturschlosser hat einen sehr großen Einfluss auf den Arbeitsablauf, da eine schnelle
Durchführung von Reparaturen Stillstände und Ausschuss vermeidet.
Die Tätigkeit des Reparaturschlossers unterliegt verschiedenen negativen Umwelteinflüssen. In
der Regel arbeitet er zwar nicht unter extremen Temperaturverhältnissen. Jedoch sind die Ar-
beiten abwechselnd in geschlossenen Räumen und im Freien durchzuführen, so dass die Erkäl-
tungsgefahr groß ist. Hinzu kommt die Blendung beim Schweißen.
Die Verschmutzung durch Öle, Fette und Rost ist hoch. Außerdem sind erhebliche Belästigungen
durch Lärm und Erschütterungen bei Arbeiten an den Maschinen und in der Werkstatt gegeben.
Abb. 22: Beispiel einer Arbeitsplatzbeschreibung der DMW AG

Anforderungsarten

Arbeits-
Können Verantwortung Belastung
bedingungen

Vorwiegend nicht Vorwiegend Vorwiegend nicht Vorwiegend


Umgebungs-
muskelmäßige muskelmäßige muskelmäßige muskelmäßige
einflüsse
Fähigkeit Fähigkeit Fähigkeit Fähigkeit

muskel- Umge-
Geschick- Verant- geistige
Kenntnisse mäßige bungs-
lichkeit wortung Belastung
Belastung einflüsse

Abb. 23: Beispiel von Anforderungen, die an einen Arbeitsplatz gestellt werden
4. Personalplanung und der Mitarbeiterbedarf 369

Stellenbeschreibungen haben ein sehr unter- Qualitätsanforderungen, die an das Verhalten der
schiedliches Aussehen. Die in Abb. 22 darge- Mitarbeiter gestellt werden, sind besonders wich-
stellte Arbeitsplatzbeschreibung ist nur verba- tig. Dabei wird die „fachliche Kompetenz" als
ler Natur. Meist stehen hierfür Formulare zur selbstverständlich vorausgesetzt. Was der Kunde in
steigendem Maße erwartet, sind Freundlichkeit,
Verfügung. Sie enthalten neben der Stellen- Höflichkeit, Verständnis für seine individuelle
bezeichnung eine Kurzbeschreibung des Auf- Situation verbunden mit der Fähigkeit, zuzuhören
gabengebietes (Ziel der Stelle), die Stellenbe- und auf Kundenwünsche einzugehen.
zeichnung des direkten Vorgesetzten, die An-
Mitarbeiterverhalten als Qualitätsmerkmal
zahl der direkt unterstellten Mitarbeiter, Stel-
lenvertretungen, besondere Vollmachten und Erwartet wird, dass der Mitarbeiter für den Kunden
eine Beschreibung der Tätigkeiten, die der „da ist", Zeit für ihn hat, sich während des Kun-
denkontaktes ausschließlich ihm widmet, dass sein
Stelleninhaber selbstständig durchführt. „Geschäft" nicht gestört wird, zum Beispiel durch
Arbeitsanforderungen lassen sich aus Stellen- Kollegenfragen, Telefongespräche oder andere
beschreibungen und Anforderungskatalogen Kunden, die „nur schnell etwas erledigen wollen".
zusammenstellen. Neben den schon in Abb. 23 Dass auch das äußere Erscheinungsbild des Mitar-
ausgewiesenen Anforderungsmerkmalen wer- beiters zu den Qualitätsanforderungen zählt, es auf
die Art und Weise der Gesprächsführung ankommt
den oft extra allgemeine Anforderungen (Ge-
– Kunden wollen weder „kurz" noch „von oben
schlecht, Alter), Arbeitsverhalten (Konzentrati- herab" abgefertigt, sondern „bedient" werden – sei
on, Problembewusstsein, Verhandlungsgeschick nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
z.B.), Sozialverhalten (Anpassungsvermögen,
Abb. 24: Zur Qualität der Mitarbeiter in
Hilfsbereitschaft, Kommunikationsbereitschaft
Ausstellungs- und Verkaufs-
u.a.) und Führungsqualifikationen (Delegation,
räumen der DMW AG
Informationsbereitschaft, Motivationsfähigkeit
Quelle: Gablers Magazin
u.v.m.) genannt.
Bei der Einrichtung neuer Stellen müssen die Aufgabe
Aufgaben dieser Stellen bekannt sein, damit
die Anforderungsmerkmale festgelegt werden 15. a) Besorgen Sie sich von Ihrer Unter-
können. nehmung eine Arbeitsplatzbeschrei-
bung, und vergleichen Sie diese mit
Für die operative Planung werden Bedarfs-
der Abb. 22. Welche Unterschiede
meldungen der Abteilungen bzw. der Haupt-
stellen Sie fest?
bereiche aufgestellt. Sie sind zunächst quanti-
tativ orientiert, jedoch enthalten sie auch b) Der qualitative Personalbedarf ist
Hinweise auf die notwendigen Eigenschaften weit schwerer zu planen als der
und Fähigkeiten, die mit der Besetzung ver- quantitative. Welche Gründe lassen
bunden sind. sich hierfür anführen?
c) Bei der DMW AG wird die Kunden-
Zusammenfassung orientierung groß geschrieben. Be-
sonders die Mitarbeiter in den Aus-
Die Personalbedarfsplanung wird sowohl
stellungs- und Verkaufsräumen sind
quantitativ als auch qualitativ vorge-
entsprechend geschult. Welche Grün-
nommen. Je größer der Planungszeitraum
de sprechen hierfür? Können Sie sich
ist, desto schwieriger wird sie. Erst eine ex-
vorstellen, dass ein ähnliches Denken
akte Aufgabenanalyse einer Stelle lässt die
und Verhalten von den in der Produk-
an sie gestellten Anforderungen ermitteln.
tion Beschäftigten erwartet wird?
Anforderungsmerkmale und Eignung müs-
Wenn ja, warum ist es so? Erläutern
sen bei Besetzung einer Stelle aufeinander
Sie auch, wenn Sie zu einem anderen
abgestimmt werden.
Ergebnis gekommen sind!
370 Personalwesen

4.3 Personalplanung und § 92 BetrVG – Personalplanung


Zusammenarbeit mit dem
(1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die
Betriebsrat Personalplanung, insbesondere über den ge-
genwärtigen und künftigen Personalbedarf
Die Probleme der Personalplanung, insbeson- sowie über die sich daraus ergebenden per-
sonellen Maßnahmen und Maßnahmen der
dere die des zukünftigen Personalbedarfs, hat
Berufsbildung, anhand von Unterlagen
der Gesetzgeber für so wesentlich erachtet, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.
dass er im Betriebsverfassungsgesetz dazu
(2) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vor-
entsprechende Vorschriften erlassen hat.
schläge für die Einführung einer Personal-
So ist der Betriebsrat von der Personalpla- planung und ihre Durchführung machen.
nung zu unterrichten, und er hat die Leitung
hierbei zu beachten (siehe Abb. 25).
Abb. 25: Auszug aus dem Betriebsver-
Die Unterrichtung hat anhand von Unterlagen fassungsgesetz
zu erfolgen; dem Betriebsrat sind also z.B.
Stellenpläne, Pläne über die Aus- und Wei- Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit (vergl. Abb. 8,
terbildung auszuhändigen. Der Arbeitgeber ist S. 378) zeigt Wirkung: Immer mehr Bürger erken-
verpflichtet, mit dem Betriebsrat über Art und nen die Notwendigkeit durchgreifender Reformen.
Umfang der sich aus der Personalplanung Bei einer Befragung „Wozu ich selbst bereit bin,
ergebenden Maßnahmen und über die Ver- meinen Job zu sichern“ antworteten: entsprechend
Auftragslage deutlich weniger bzw. mehr zu arbei-
meidung von Härten für die Arbeitnehmer zu
ten 72 %, Mehrarbeit ohne Lohnausgleich akzep-
beraten. Die letzte Entscheidung über die zu tieren 70 %, auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und
treffenden Maßnahmen liegt beim Arbeitge- Schichtzulagen verzichten 58 %, Lohnkürzungen
ber. So weit im Betrieb noch keine Personal- in Kauf nehmen 53 %.
planung vorhanden ist, kann der Betriebsrat
Abb. 26: Womit Unternehmen pla-
dem Arbeitgeber Vorschläge für ihre Einfüh-
nen/rechnen können
rung und Durchführung machen; er kann sie
Quelle: Impulse 10/2003
jedoch nicht erzwingen.

5. Die Möglichkeiten der Personalbeschaffung


Die Aufgabe der Personalbeschaffung ist Beispiel:
es, das im Rahmen der Personalbedarfspla- Personalbeschaffung bei der DMW AG
nung ermittelte erforderliche Personal in
quantitativer und qualitativer Hinsicht recht- Die DMW AG hat dem Sporty eine Schwes-
zeitig zur Verfügung zu stellen. ter geschenkt und ihr den Namen "Joy" gege-
ben. Sie ist ein stattliches kleines Cabriolet --
Grundsätzlich kann eine neu geschaffene oder
ein Sportflitzer wie ihr Bruder. Dieser hat ein
vakante Stelle über
mehrlagiges Kunststoffdach, das sich mit we-
• den Innenmarkt, d.h. durch bereits im nigen Handgriffen öffnen und nahezu vollstän-
Unternehmen tätige Mitarbeiter, oder dig hinter den Rücksitzen verstauen lässt.
• den Außenmarkt, d.h. durch die Anwer- Schon jetzt erfüllt der offene Wagen die Crash-
bung neuer Mitarbeiter von außen, Normen für Front- und Seitenaufprall. Zur
Herstellung ist ein Werk nach neuesten wissen-
besetzt werden. schaftlichen Erkenntnissen gebaut worden, das
dem der Opelwerke in Eisenach gleichkommt.
5. Die Möglichkeiten der Personalbeschaffung 371

5.1 Die innerbetrieblichen Die Herstellungsmenge wird anfänglich noch


Möglichkeiten der gering sein. Die Konkurrenz geht von 100
Wagen pro Woche aus. Sowohl für die Ver-
Personalbeschaffung waltung als auch für die Technik werden
qualifizierte Mitarbeiter gesucht, um dem
Bevor zumeist aufwändige und teuere An- Anspruch nach Vollendung in dieser Klasse
werbungen neuer Mitarbeiter von außerhalb gerecht zu werden. Die operative Bedarfspla-
des Unternehmens erfolgen, sollten zunächst nung geht von einer Belegschaft von 500 aus,
die innerbetrieblichen Möglichkeiten der die taktische von 800 in zwei Jahren.
Personalbeschaffung genutzt werden.
Aufgabe
5.1.1 Übernahme aus dem 16. a) Wieso geht die operative Planung
Ausbildungsverhältnis von 500, die taktische von 800 Ar-
beitskräften aus?
Falls der Betrieb eine entsprechende qualifi- b) Warum könnten die hohe Qualität,
zierte Ausbildung von Nachwuchskräften die relativ günstigen Preise und die
betreibt, ist bereits sehr früh bekannt, welche erreichten Crash-Normen den Wa-
Auszubildenden wann eine Übernahme in das gen zu einem Renner machen?
unbefristete Arbeitsverhältnis anstreben.
c) Die DMW AG hat sich im Laufe der
letzten Jahre um die Ausbildung
5.1.2 Versetzungen
verdient gemacht. Begründen Sie,
Bei frei werdenden Stellen sind zuerst die warum die Übernahme von eigenen
Mitarbeiter zu berücksichtigen, die noch ein ausgebildeten Jugendlichen sehr zu
unbefristetes Arbeitsverhältnis haben, deren befürworten ist!
Arbeitsaufgaben jedoch zukünftig wegfallen
werden oder die von der Bundeswehr, vom Beispiel Arbeitsvermittlung
Zivildienst, vom Erziehungsurlaub zurück-
Eine Boombranche ist die Zeitarbeit nicht.
kommen (siehe § 95,3 BetrVG).
Das Hartz-Konzept – Personalserviceagen-
turen – hat nicht überzeugend gegriffen. Der
5.1.3 Interne Anteil aller sozialversicherungspflichtig Be-
Stellenausschreibung schäftigten verharrte 2005 bei circa l %.
Nach § 93 Betriebsverfassungsgesetz kann Und doch gibt es Unternehmen, die Zeit-
der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, arbeitsanbieter gern in Kauf nehmen, um
dass offene Arbeitsplätze allgemein oder für kurzfristig Arbeitskräfte anzuheuern. Zeit-
bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer arbeitsfirmen, die eine konsequente Quali-
Besetzung innerhalb des Betriebes ausge- tätsgarantie verfolgen, in dem sie qualifizierte
schrieben werden. Damit sollen die Mitarbei- Fach- und Führungskräfte, anheuern, haben
ter die Möglichkeit erhalten, intern aufzustei- gut zu tun. Die DMW bedienen sich eines
gen oder interessantere Aufgaben zu erhalten solchen Instituts, weil es gleichzeitig on-site-
bzw. auch den Vorgesetzten zu wechseln. service anbietet.
372 Personalwesen

Die Ausschreibung erfolgt durch entsprechen-


Betriebsvereinbarung über
den Aushang am schwarzen Brett, meist in ge-
innerbetriebliche Stellenausschreibung
gliederter Form, unter Angabe der gewünschten
PRÄAMBEL
Qualifikation und der Entgeltgruppe.
Firmenleitung und Betriebsrat haben im Inte-
resse der Firma und der Belegschaft die fol-
5.2 Externe Personalwerbung gende Betriebsvereinbarung abgeschlossen und
bekundet, alle Entscheidungen über die Beset-
zung von Stellen zum Wohle des Unterneh-
Bei der externen Personalbeschaffung erge- mens abgewogen und kompromissbereit zu
ben sich verschiedene Möglichkeiten. treffen. Beide geben der innerbetrieblichen
Stellenausschreibung Vorrang vor einer öffent-
lichen Stellenausschreibung und werden sich
5.2.1 Zusammenarbeit mit der auch bei Meinungsverschiedenheiten um eine
Bundesagentur für Arbeit einvernehmliche Klärung bemühen.
Auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes 1. Grundsätzliches
besitzt die Bundesagentur für Arbeit Nürn- Die Firma wird vor der Besetzung von freien
Stellen, mit Ausnahme der Stellen leitender
berg mit den nachgeordneten Arbeitsagentu-
Angestellter, mit dem Betriebsrat vereinbaren,
ren das Recht der Arbeitsvermittlung (bei ob und wie diese Stellen innerbetrieblich ausge-
Bedarf unter „Bundesagentur für Arbeit“ im schrieben werden sollen. Das gilt für eine Wie-
Internet rechechieren. derbesetzung von Stellen ebenso wie für eine
Besetzung neu geschaffener Positionen.
5.2.2 Inserate in den 2. Ziel
Tageszeitungen oder Die innerbetriebliche Ausschreibung dient dem
Fachzeitschriften Zweck, jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbei-
ter ihren und seinen Fähigkeiten und Neigun-
Mitarbeiter mit Spezialkenntnissen, die nicht gen entsprechend einzusetzen und ihr und ihm
verfügbar sind und nicht ohne weiteres über bei der Vergabe der Stellen Aufstiegsmöglich-
die Agentur für Arbeit vermittelt werden, keiten zu bieten.
oder besonders qualifizierte Fachkräfte wer- 4. Inhalt der Stellenausschreibung
den meist über Stellenanzeigen in regionalen Die Ausschreibung muss insbesondere die
oder überregionalen Tageszeitungen, in sehr Stellenbeschreibung und die fachlichen und
speziellen Fällen auch über Fachzeitschriften persönlichen Voraussetzungen, vor allem die
gesucht. erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten
enthalten.
Dadurch werden nicht nur Arbeitslose ange- 5. Auswahl
sprochen, sondern auch Fachkräfte in einem Die Auswahl des Bewerbers richtet sich nach
unbefristeten Arbeitsverhältnis, die sich durch seinem fachlichen Können und seiner persönli-
einen Wechsel besondere Vorteile, wie einen chen Eignung. Jedem abgelehnten Bewerber
günstigeren Arbeitsplatz-Standort, ein besse- sind die Gründe mitzuteilen, die zur Ablehnung
res Einkommen oder verstärkte Weiterbil- geführt haben.
dungsmöglichkeiten, versprechen.
Abb. 27: Auszug aus einer Betriebsver-
einbarung über innerbetriebliche
Stellenausschreibung
5. Die Möglichkeiten der Personalbeschaffung 373

5.2.3 Zeitarbeitsunternehmen
In bestimmten Fällen ist die Zusammenarbeit
mit Zeitarbeitsunternehmen, die Arbeits-
kräfte meist für einen bestimmten Zeitraum
verleihen, sehr sinnvoll. So können Zeitar-
beitskräfte für Arbeitsspitzen oder bei beson-
deren Anlässen eingesetzt werden, ohne ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen.
Der Vorteil liegt in der schnellen Verfügbar-
keit, aber auch in der klaren Beendigung des
zeitlich befristeten Vertrages.

5.2.4 Personalberatungs-
unternehmen
Personalberatungsunternehmen überneh-
men den Auftrag, geeignete Bewerber – meist Abb. 28: Gesucht wird ... Originalanzei-
für die Führungsebene – zu suchen. Sie ge einer Reparaturwerkstätte
schreiben – vielfach ohne Nennung des Auf- für Automobile der DMW und
traggebers – die Stelle aus, führen die ersten VW AG
Kontaktgespräche, treffen eine Vorauswahl
und präsentieren dann dem Kunden die nach
ihrer Meinung geeigneten Bewerber.
Personalberatungsunternehmen verfügen über
Aufgabe
Fachkräfte, z.B. Psychologen, Arbeitswissen- 17. In vielen Fällen ist eine außerbetriebliche
schaftler, Betriebswirte, Volkswirte u.a. und Personalwerbung unumgänglich. Das
schätzen, je nach Bedarf, Qualifikation und neue Werk der DMW in Niedersachsen zur
Charaktermerkmale eines Stellungssuchenden Produktion des offenen Joy wird wohl von
ein, bewerten diese, vergleichen sie mit ande- einer solchen Maßnahme ausgehen.
ren Bewerbern und präsentieren die Ausge- a) Warum wird das so sein? Begründen
wählten ihrem Auftraggeber. Die Entschei- Sie Ihre Überlegungen!
dung, wen man einstellt, trifft die Leitung des
Stellenanbieters. Natürlich geht es hierbei nur b) Welche Medien stehen für eine Per-
um hochdotierte Posten, denn für die Allge- sonalwerbung zur Verfügung, und
meinheit sind solche Auswahlverfahren meist welcher Medien würden Sie sich be-
überflüssig, da deren Fähigkeiten und Fertig- dienen?
keiten im Normalbereich liegen, viel zu kost- c) Wann werden Unternehmen sonst
spielig. Der Vorteil solcher externen Bera- grundsätzlich auf den Arbeitsmarkt
tungsunternehmen ist zweifellos deren Know gehen, um neue Kräfte anzuwerben?
How, und ihre Objektivität, die sie dem Be- d) Es gibt viele Personalberatungsun-
werber gegenüber haben. ternehmen, die eine Anwerbung von
Arbeitskräften für eine suchende
Firma übernehmen. Warum werden
diese oft und gern eingeschaltet?
374 Personalwesen

5.3 Die Eignungsanalyse

Nur wenn es gelingt, die frei werdenden Posi-


tionen mit einem geeigneten Bewerber oder
einer geeigneten Bewerberin zu besetzen,
können die dort zu erledigenden Aufgaben
auch optimal ohne größere Reibungsverluste
erledigt werden.
Wenn hier gravierende Fehler passieren, ist
niemandem geholfen. Daher ist eine Perso-
nalauslese darauf auszurichten, mit Hilfe von
Auswahlverfahren die Anlagen, Fertigkeiten
und Kenntnisse, aber auch Fach-, Sozial- und
Methodenkompetenz eines Bewerbers für
eine vakante Position festzustellen. Es gilt
dabei, nicht den relativ besten, sondern den
am geeignetsten erscheinenden Bewerber
auszuwählen. Dabei muss nach
• Methoden der Auslese für betriebsinterne
Bewerber bzw.
• Methoden der Auslese für betriebsexterne
Bewerber unterschieden werden.
Bei betriebsinternen Bewerbern liegen bereits
regelmäßige Personalbeurteilungen vor, und
es ist auch meist bekannt, auf welchen Positi-
Abb. 29: Originalanzeige der DMW AG
onen sich der Mitarbeiter in welcher Form
bewährt hat. Stärken und Schwächen sind gut
einschätzbar. Sein Persönlichkeitsprofil und
sein Leistungspotenzial lassen sich schnell Aufgabe
mit den Stellenanforderungen vergleichen. 18. Vergleichen Sie bitte beide Stellenanzei-
Voraussetzung hierfür ist allerdings auch, gen (Abb. 28 und 29)!
dass das Unternehmen bereits über Personal- a) Welche Unterschiede stellen Sie
akten verfügt und dass regelmäßig Eintragun- fest?
gen und Ergänzungen gemacht worden sind.
b) Bitte blättern Sie die Wochenend-
Da das sehr aufwendig ist – müssen doch die
presse durch und suchen Sie nach
Sachbearbeiter die Vorgesetzten daran erin-
Anzeigen von Personalberatungsfir-
nern, dass ein Bericht über den Mitarbeiter
men. Welche Namen fallen Ihnen
fällig ist – verzichten Klein- und Mittelbetrie-
auf? Vergleichen Sie auch die Stel-
be oft auf solche Akteneintragungen.
len, die ausgeschrieben werden.
5. Die Möglichkeiten der Personalbeschaffung 375

Anders sieht es bei der Einstellung von ex-


ternen Bewerbern aus. Hier müssen die
Bewerbungsunterlagen, die Vorstellungsge-
spräche, Einstellungstests bzw. Ergebnisse
aus Assessment Centern sorgfältig ausgewer-
tet, gewichtet und mit dem Anforderungspro-
fil abgeglichen werden. Es ist ungleich
schwieriger, ein klares Bild über den Bewer-
ber und seine Eignung zu erhalten und die
Fach-, Sozial- und Methodenkompetenz ein-
deutig zu bestimmen.
Bei der Auswahl sind jedoch zwei grundsätz-
liche Aussagen wichtig:
• Der Auswählende muss die Anforderun-
gen des zu besetzenden Arbeitsplatzes
gut kennen und auch die zukünftigen
Entwicklungen einschätzen können. Er
muss daraus die fachlichen und persönli- Abb. 30: Auseinanderklaffen von Profilen
chen Anforderungen an den neuen Stel-
leninhaber ableiten.

Abb. 31: Zur Personalauswahl (U. Stopp, Betriebliche Personalwirtschaft, expert Verlag,
S. 60, Taylorix Fachverlag)
376 Personalwesen

Er muss aber auch die Erwartungen der Aufgaben


Arbeitsgruppe an den neuen Mitarbeiter
19. Welche der folgenden Anforderungen
oder die neue Mitarbeiterin kritisch auf-
würden Sie an Ihren Chef stellen? Nen-
nehmen und berücksichtigen, um nicht von
nen Sie die nach Ihrer Meinung fünf
vornherein eine Konfliktsituation aufzu-
wichtigsten Merkmale!
bauen, weil die Menschen, die eng zu- - Kostenbewusstsein - Kreativität
sammenarbeiten sollen, sich bereits beim - Machtbewusstsein - Koordinationsfähigkeit
Start der gemeinsamen Arbeit innerlich - Durchsetzungskraft - Sensibilität
ablehnen. - Fachkönnen - Auftreten
- Sachkompetenz - Selbstbewusstsein
• Die Bewerberauslese sollte auch unter - Freundlichkeit - Äußerliche Erscheinung
dem Gesichtspunkt des Verhältnisses zu - Pünktlichkeit - Hilfsbereitschaft
- Ehrlichkeit
den Anforderungen, die die Position stellt, - Flexibilität
erfolgen. Nicht immer ist der beste Bewer-
ber der geeignetste. Durchschnittliche An- 20. Sehen Sie sich bitte im ersten Kapitel
forderungen benötigen auch nur durch- unter dem Abschnitt 4.5 die Anforderun-
schnittlich befähigte Mitarbeiter, die aber gen an, die an Führungskräfte gestellt
mit Engagement und Motivation, mit Ge- werden! Prüfen Sie, ob sie mit Ihren Er-
duld und Ausdauer die Aufgaben erledigen gebnissen (Aufgabe 19) übereinstimmen.
(vgl. auch Abb. 30). Beispiel:
Qualifikationen des Bewerbers, die deutlich Anforderungen an Mitarbeiter der DMW
über den Anforderungen liegen, ziehen Unzu- AG - Pressenotiz
friedenheit und Frust nach sich. In solchen Zu der DMW AG gehören Unternehmen der Zulie-
Fällen kündigen die gerade eingestellten Mit- fererindustrie. Dazu zählt auch ein Textilhersteller
arbeiter entweder innerlich oder äußerlich. In für die Autositze. Etwa ein Drittel der Beschäftig-
beiden Fällen zahlt das Unternehmen die ten arbeitet in flexibler Teilzeit mit unterschiedli-
Zeche, denn im zweiten Fall muss die Stelle chen Zeitkontingenten. Lage und Verteilung der
neu ausgeschrieben werden, im ersten Fall Arbeitszeit werden den individuellen Bedürfnissen
angepasst. Anlass für die Schaffung von Teilzeit-
werden Frust und Unzufriedenheit die Ar- arbeitsplätzen war die notwendige Ausdehnung der
beitsleistung beeinträchtigen. Betriebs- und Maschinenzeiten, um eine bessere
Auslassung der betrieblichen Kapazitäten zu erzie-
len und damit wettbewerbsfähiger gegenüber
Zusammenfassung internationalen Konkurrenten zu werden. Die
Die Personalbeschaffung stützt sich auf Lösung wurde erleichtert, weil – bei einem hohen
zwei Säulen: Anteil von Mitarbeiterinnen – verstärkt Teilzeit
nachgefragt wird, damit Beruf und Familie besser
• Sie kann innerbetrieblich erfolgen vereinbart werden können. Erfahrungen und
oder/ und „Know-how“ bleiben so dem Betrieb erhalten. Es
gibt nun weniger Fehlzeiten, und – nicht zuletzt –
• außerbetrieblich in Gang gesetzt die Produktivität ist gestiegen.
werden.
Die innerbetriebliche Suche nach geeigne-
Aufgabe
ten Kräften wird durch das Betriebsverfas- 21. a) Was versteht man unter flexibler
sungsgesetz untermauert. Oft gibt es hier- Teilzeitarbeit im Gegensatz zur star-
über Betriebsvereinbarungen. Die Auswahl ren Teilzeitarbeit?
eines Bewerbers hängt von vielen Einzel- b) Welche Anforderungen werden an
faktoren ab. Anforderungen und Eignungen Mitarbeiter gestellt, die das Angebot
müssen weit gehend übereinstimmen. des Unternehmens annehmen, flexi-
bel Teilzeit zu arbeiten?
6. Die Einstellung von Mitarbeitern 377

6. Die Einstellung von Mitarbeitern


Die nachfolgenden Abschnitte und ihre Er- Aufgabe
gänzungen befassen sich mit der Bewerbung,
22. Bei der DMW AG führte eine externe
der Vorauswahl, dem Vorstellungsgespräch,
Stellenausschreibung zu 12 Bewerbern
dem Assessment Center, dem Einstellungsge-
und zu 2 Bewerberinnen. Bei den beiden
spräch, der Mitwirkung des Betriebsrates bei
Bewerberinnen war jeweils das Foto
Einstellungen und dem Arbeitsvertrag.
nicht beigefügt. Würden Sie diese Be-
werbungen unberücksichtigt lassen?
Sachbearbeiter/in im Einkauf, Betreuung des Achseneinkaufs und der Bremssysteme
Stelle
Stellennummer E 88 A Abteilung Beschaffung
Schul-/ Abitur, abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann/-frau, gleichwertige Quali-
Berufsbildung fikation
Weiterbildung Industriefachwirt/in, Seminare über Einkauf und Organisation
Methoden des Einkaufs, Grundzüge des Vertragsrechts, Marktkenntnisse und Kennt-
Fachwissen
nisse aus der Marktforschung, Materialkenntnisse
nach der Ausbildung zum/zur Industriekaufmann/-frau und Industriefachwirt/in min-
Berufserfahrung
destens zwei Jahre praktische Berufserfahrung im Einkauf
geistige Anforde- analytisches und vernetztes Denken, Koordinationsfähigkeit, Kreativität, Ausdrucks-
rungen weise, technische Begabung
Selbständigkeit, Problembewusstsein, Durchsetzungsvermögen, Entscheidungsver-
Verhalten
mögen, Verhandlungsgeschick, Freundlichkeit
Abb. 32: Das Anforderungsprofil eines Einkäufers bei der DMW AG

6.1 Die Bewerbung Qualität der Anforderungen


analytisches Denken +++
Der zuständige Personalreferent bzw. die Kreativität ++
Personalreferentin erhält von der Fachabtei-
Ausdruck +++
lung die entsprechende ausführliche Stellen-
beschreibung und das Anforderungsprofil techn. Begabung +++
(Abb. 32 und 33) für die neue Stelleninhabe- Selbstständigkeit ++
rin bzw. den neuen Stelleninhaber. Daneben Verhandlungsgeschick +++
werden die Vergütung, das Einstellungsda-
tum und spezielle Wünsche des Vorgesetz- Entscheidungsvermögen ++
ten aufgelistet. Weiterhin liegen die veröf- Durchsetzungsvermögen +++
fentlichten Stellenanzeigen vor. Anhand Freundlichkeit +
dieser Unterlagen ist ein „Bild“ des idealen
Problembewusstsein +
Bewerbers möglich, nach dem die Bewer-
bungsunterlagen ausgewertet werden. Abb. 33: Qualität der geistigen Anforde-
rungen und des Verhaltens
378 Personalwesen

Der Arbeitgeber gibt in der Zeitungsanzeige Ergänzung zur Einstellung


meist den Umfang der Bewerbungsunterlagen
Zum Umfang der Bewerbungsunterlagen
vor (Kurzbewerbung, vollständige Unterla-
gehören
gen, mit oder ohne Handschriftenprobe etc.).
• Anschreiben in Briefform
6.1.1 Der Lebenslauf • Foto in Passbildformat (Rückseite mit
Name u. Anschrift)
Der Lebenslauf soll dem Leser die Entwick-
lung des Bewerbers vollständig und gleichzei- • Lebenslauf, tabellarische Form, mit Un-
tig informativ stichwortartig vor Augen füh- terschrift
ren. Die tabellarische Form hat sich als sehr • Zeugnisse in fotokopierter Form (beglau-
zweckmäßig erwiesen. Wenn er nicht aus- bigte Form nur auf besonderen Wunsch)
drücklich handschriftlich verlangt wird, kann
er auch per PC erstellt werden. Er sollte aller- • Handschriftprobe (nur auf besonderen
dings lückenlos sein. Wunsch)
Die Daten müssen mit den beigefügten Ko- Das Anschreiben
pien der Zeugnisse, Urkunden etc. überein- Das Anschreiben ist in Briefform zu gestalten.
stimmen und sollten auch in der zeitlichen Es soll dazu dienen, in komprimierter Form
Abfolge des Lebenslaufes sortiert sein. darzustellen, warum ein Arbeitsplatzwechsel
Folgende Gliederungspunkte bieten sich an: notwendig (z. B. Ausbildungsabschluss), wie-
so eine Weiterbeschäftigung nicht möglich
• Name oder nicht gewollt ist, welche beruflichen Ziel-
• Adresse/Telefon vorstellungen mit dieser Bewerbung verbun-
• Geburtstag den sind und warum gerade das ausgeschriebe-
• Geburtsort ne Unternehmen diese erfüllen könnte.
• Familienstand Das Foto
• Namen und Alter der Kinder Neben dem Passbildformat sollte das Foto
• Eltern (nur bei Jugendlichen) auch eine akzeptable Qualität aufweisen und
nicht aus einem Automaten stammen. Auf der
• Schulausbildung Rückseite sind der Name und die Anschrift zu
• Wehr- und Zivildienst verzeichnen.
• Studium
• Berufsausbildung
• Berufstätigkeit (Zeiten, Arbeitgeber,
Aufgaben) Aufgabe
• Fremdsprachen 23. Im Vorstellungsgespräch achten Perso-
• Hobbys nalreferenten ganz besonders auf Spra-
che, Mimik und Gestik.
6.1.2 Zeugnisse und Urkunden a) Klären Sie die Begriffe Mimik und
Die Bewerbung sollte saubere Kopien von Gestik!
Zeugnissen, Bescheinigungen von Fortbil- b) Überlegen Sie, warum Erscheinungs-
dungsmaßnahmen oder Urkunden enthalten. bild und Verhalten eines Bewerbers
Keineswegs jedoch Originale. Nur auf aus- oder einer Bewerberin dazu beitragen,
drücklichen Wunsch des Arbeitgebers sind ein besseres Bild über deren Persön-
beglaubigte Kopien einzureichen. lichkeit zu bekommen!
6. Die Einstellung von Mitarbeitern 379

PETER FREYMANN
Bergstraße 27
60314 Frankfurt/M
Deutsche Motoren Werke AG
z.Hd. von Herrn Dr. Franz Oster
Personalleitung
Lister Damm 58-67
30163 Hannover

Bewerbung als Einkäufer


Sehr geehrter Herr Dr. Oster,
an der in der Frankfurter Rundschau vom 26. April dieses Jahres ausgeschriebenen Tätigkeit als Sachbearbeiter im
Einkauf bin ich sehr interessiert.
Bitte gestatten Sie mir, mich kurz vorzustellen:
Ich bin 32 Jahre alt und verheiratet. Nach der Berufsausbildung zum Industriekaufmann (Vidal – Hamburg) und
zum Betriebswirt W AH (Wirtschaftsakademie in Hamburg) war ich bis 2003 in meiner Ausbildungsfirma und
danach vier Jahre bis zum Konkurs meines letzten Arbeitgebers, der Baumbach Fahrzeugbau GmbH, in Hannover
tätig. Während dieser Zeit absolvierte ich die zusätzliche Ausbildung zum Industrie-Fachwirt mit den Schwer-
punkten „Einkauf" und „Organisation" an der Handelskammer Hannover und schloss diesen Bildungsgang 1995
erfolgreich ab.
Bei meinem früheren Arbeitgeber war ich in den letzten beiden Jahren Gruppenleiter des Einkaufs und für den
Einkauf von Brems- und Elektrosystemen zuständig. In diese Zeit fiel auch die Umstellung unserer Beschaffungs-
organisation auf Datenfernübertragung DFÜ und auf JIT-Anlieferung mit unserem Lieferanten. Ich war Vorgesetz-
ter von vier Vollzeitarbeitskräften. Da ich die Ausbildereignungsprüfung gemacht habe, wurden uns regelmäßig
Auszubildende zugewiesen.
Mein erworbenes Wissen und die gewonnenen Erfahrungen möchte ich jetzt in eine neue Aufgabe einbringen.
Über ein persönliches Gespräch würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichem Gruß

Abb. 34: Beispiel einer Bewerbung

Arbeitsbescheinigung Zum Vorstellungsgespräch


Im Vorstellungsgespräch möchte man sich einen
Herr Peter Freymann, geb. am 2. Mai persönlichen Eindruck über den Bewerber ver-
1965 in Frankfurt am Main, war in der schaffen. Das Auftreten, das Erscheinungsbild,
Zeit vom 2. Mai 1983 bis zum 31. Juli Sprache, Gestik und Mimik geben wichtige, indi-
1983 als Aushilfskraft in der Ablage be- rekte Auskünfte über die Persönlichkeit. Die Be-
schäftigt. deutung der Sozialkompetenz nimmt in vielen
Berufen ständig an Bedeutung zu, sodass ein fun-
Frankfurt, den 31. Juli 1983 dierter Eindruck sehr wichtig ist.
Gleichzeitig ist es möglich, Fragen, die sich aus
der schriftlichen Bewerbung ergeben, abschließend
Geschäftsführer zu klären.
Rainer Schmölland GmbH & Co. KG Der Bewerber kann weitere Einzelheiten zur Auf-
Hafenstraße 59 gabe, zu den Anforderungen, zu den Mitarbeitern
60327 Frankfurt und zum Vorgesetzten erfahren und auch Antwor-
ten auf seine Fragen erhalten.
Abb. 35: Beispiel einer Arbeitsbeschei-
nigung
380 Personalwesen

6.1.3 Das Einstellungsgespräch Beispiel:


Das Einstellungsgespräch steht am Ende der Einstellungsschreiben der DMW AG
Bewerberauswahl, vertieft den persönlichen Sehr geehrter Herr Freymann,
Eindruck des für die Einstellung vorgesehe- wir freuen uns über Ihre Zusage zu unserem
nen Kandidaten oder der Kandidatin, gibt mündlich erläuterten Arbeitsvertrag und bes-
aber auch die Möglichkeit, wichtige vertragli- tätigen Ihre Einstellung als Sachbearbeiter im
che Fragen zu besprechen. So sind eindeutige Einkauf zum 1. Juli des Jahres unter folgen-
Aussagen der Personalreferenten zu allen den Bedingungen:
Fragen notwendig, die den Lohn bzw. das
Gehalt betreffen. Wichtige Sonderzahlungen, Sie verpflichten sich,
z.B. Umzugskosten, Übernahme von Ver- • nach besten Kräften die Ihnen übertrage-
bindlichkeiten an den alten Arbeitgeber, sind nen Aufgaben selbstständig und nach Wei-
klar abzustimmen, genauso wie der Arbeits- sungen Ihrer Vorgesetzten auszuführen
beginn (Tag/Uhrzeit) und die Dauer der Pro-
• auf Wunsch des Unternehmens auch
bezeit. Der Vorgesetzte dagegen ist gut bera-
andere Ihrer Vorbildung entsprechende
ten, wenn er mit dem oder der „Neuen“ auch
Tätigkeiten zu übernehmen
über mittelfristige berufliche Ziele und über
Erwartungen im Rahmen der Personalent- • alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
wicklung und Fortbildung bzw. Förderung geheim zu halten. Diese Verpflichtung
spricht, um zu sehen, ob hier eine realistische, bleibt auch nach Beendigung des Ar-
gemeinsame Basis gefunden werden kann. beitsverhältnisses in Kraft, so weit es sich
um besonders schutzwürdige Angelegen-
heiten handelt
Zeugnis
Herr Peter Freymann, geboren am 2. Mai 1965 in Frankfurt am Main, war in unserem Haus
seit 2. Mai 1993 tätig. Zunächst bekleidete er die Stelle als Einkäufer für Bremssysteme,
übernahm nach Einarbeitung auch den Einkauf der gesamten Autoelektrik und wurde am 1.
April 2004 von uns zum Gruppenleiter befördert.
Zu seinen Aufgabengebieten gehörten im Einzelnen
• die Marktforschung und -analyse für „seine Erzeugnisse“
• die Lieferantenauswahl
• die Einkaufsabwicklung
• die Reklamation sowie
• die selbstständige Bedarfsplanung zusammen mit der Fertigung.
Als Gruppenleiter war er Vorgesetzter von vier Sachbearbeitern.
Herr Freymann zeichnete sich durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit aus. Er verstand
es, seine Mitarbeiter zu motivieren und den Abteilungssektor zu höchster Effizienz zu füh-
ren. Sein Führungsstil war kooperativ und fordernd. Er galt als Vorbild im Arbeitsverhalten
und Auftreten. Bei der Einführung der Datenfernübertragung und dem JIT-Prinzip hat er
sich durch Kreativität und Engagement große Verdienste erworben. Er hat stets zu unserer
vollsten Zufriedenheit gearbeitet. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
* Adresse, Anrede und Firmenunterschrift sind hier im Beispiel nicht aufgeführt.
Abb. 36: Qualifiziertes Arbeitszeugnis
6. Die Einstellung von Mitarbeitern 381

Eignungsprofil • alle Unterlagen, die mit Ihrer dienstlichen


Stelle: Einkaufssachbearbeiter
Tätigkeit zusammenhängen, sorgfältig
Bewerber: Peter Freymann aufzubewahren und auf Wunsch des Vor-
Bewertungs- Anforderungen Eignung gesetzten jederzeit zur Verfügung zu stel-
praxis len
Bildung Abitur, Ausbil- Abitur, Ausbildung • geschäftliche oder gewerbliche Nebentä-
dung als Indust- als tigkeiten jeder Art nur mit Zustimmung
riekaufmann Industriekaufmann
Industriefachwirt, Industriefachwirt,
des Vorgesetzten auszuüben.
Weiter-
bildung Ausbildereig- Ausbildereignungs- Wir zahlen Ihnen gemäß der tariflichen Ver-
nungsprüfung prüfung einbarungen monatlich 4600,- EUR brutto.
Berufs- 2 Jahre Praxis im 4 Jahre Praxis im
erfahrung Einkauf Einkauf Die Ersten sechs Monate Ihrer Tätigkeit be-
Fachwissen Kenntnisse im Einkaufsanbahnung trachten wir als Probezeit. Während dieser
Einkaufsablauf, , Einkaufsablauf, Probezeit kann jeder Vertragspartner mit einer
Kenntnisse in der Vertragsverhandlun
Marktforschung, gen Frist von vier Wochen kündigen.
Kenntnisse in der Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer
Organisation,
Bedarfsplanung Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in
geistige • analytisches -> +++* dem Sie das 65. Lebensjahr vollenden.
Anforderung Denken Zeugnisse,
Anschreiben
Falsche Angaben bei der Einstellung, speziell
en
• Kreativität -> +++* im Personalfragebogen, berechtigen uns zur
Zeugnisse fristlosen Kündigung.
• Ausdruck -> +++*
• technische -> +++* Für das Arbeitsverhältnis gelten die Arbeits-
Begabung Anschreiben ordnung in der jeweiligen Fassung und die
Verhalten • Selbständigkeit -> +++* gesetzlichen und tariflichen Vorschriften. Die
• Entscheidungs- Zeugnisse gültige Fassung unserer Arbeitsordnung fügen
vermögen -> Zeugnisse,
Referenzen
wir bei.
• Problembe- -> +++* Sie erklären sich ausdrücklich damit einver-
wusstsein Anschreiben, standen, dass wir die Sie betreffenden Daten
Zeugnisse
• Verhandlungs- -> +++* speichern, übermitteln, verändern, sperren,
geschick Anschreiben, löschen, wie das für eine leistungsfähige
Zeugnisse Personalarbeit erforderlich ist.
• Freundlichkeit -* ++*
Bitte unterschreiben Sie bei Einverständnis
* Gespräch
die Zweitschrift dieses Schreibens, und sen-
Abb. 37: Eignungsprofil den Sie diese an uns bis Ende nächster Woche
zurück. Falls sich noch Rückfragen ergeben,
Anmerkungen: bitten wir um Ihren Anruf.
Die Spalten Anforderungen und Eignungen enthalten
anfänglich dieselben Begriffe. Die Erklärung hierzu Wir hoffen auf eine vertrauensvolle Zusam-
lautet, dass es sich in diesem Fall nicht um Eigenschaften menarbeit und freuen uns auf Ihren Start im
des Bewerbers handelt, sondern darum, wie und wo er sie Juli des Jahres.
erworben hat. Die Unterschiede setzen bei den Fähigkei-
ten und Fertigkeiten ein (Fachwissen). Mit freundlichen Grüßen
382 Personalwesen

6.1.4 Ärztliche Untersuchung Ergänzendes zum Arbeitsvertrag


Der Arbeitsvertrag ist ein Dienstvertrag, der seine
Vor der Zusendung des Vertragsangebots steht Grundlage in den §§ 611 bis 630 des Bürgerlichen
in vielen Fällen noch eine ärztliche Untersu- Gesetzbuches hat. Der § 611 des BGB, mit dem
chung. die Bestimmungen über den Dienstvertrag begin-
Bei Jugendlichen ist eine Untersuchung nach nen, lautet: "Durch den Dienstvertrag wird derjeni-
ge, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der ver-
§ 32 Jugendarbeitsschutzgesetz durchzufüh-
sprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewäh-
ren. rung der vereinbarten Vergütung verpflichtet."
Erst nach der Bestätigung des Werksarztes, Gegenstand des Dienstvertrages können Dienste
dass die gesundheitliche Eignung für den jeder Art sein. Der Arbeitsvertrag kommt durch die
vorgesehenen Arbeitsplatz vorliegt, wird das Einigung der Vertragsparteien zustande.
Vertragsangebot zugeschickt. Wenn der Arbeitgeber einem Arbeitgeberverband
und der Arbeitnehmer einer Gewerkschaft angehö-
ren, sind die abgeschlossenen Tarifverträge zu
6.2 Der Arbeitsvertrag beachten. Keine der vereinbarten Arbeitsbedin-
gungen darf den Arbeitnehmer schlechter stellen
als es im Tarifvertrag geregelt ist.
Nachdem sich der Arbeitgeber (Personalleiter, Was soll ein Arbeitsvertrag enthalten? Folgende
Personalreferent) und der Bewerber mündlich Punkte sollten inhaltlich geregelt werden:
über die Einstellung geeinigt haben und auch • Beginn des Arbeitsverhältnisses
die Detailfragen abgeklärt sind, wird der Ar- • Probezeit
beitsvertrag geschlossen. • Kündigungsfristen
Zunächst erhält der Bewerber eine schriftliche • Tätigkeiten und Aufgabengebiet
Einstellungsbestätigung. • Arbeitszeit
In der Regel werden weiterhin zwei unter- • Arbeitsentgelt
schriebene Arbeitsverträge zugesandt; nach • Urlaub
der Unterschrift durch den Bewerber wird ein • Altersversorgung
Exemplar zurückerbeten. Ein Exemplar ver-
bleibt beim Bewerber.
Aufgabe
6.2.1 Der Vertragsrahmen 24. a) Beurteilen Sie das Anschreiben des
Von einem Arbeitsvertrag spricht man, wenn Sachbearbeiters! Entwerfen Sie ein
sich jemand (Arbeitnehmer) verpflichtet, in vergleichbares Anschrieben, das sie
dem Betrieb eines anderen (Arbeitgeber) nach Ihrer Ausbildung an ein Unter-
bestimmte Dienste zu leisten, hierfür in des- nehmen einer anderen Branche schi-
sen Betrieb eingegliedert sowie den Weisun- cken (Ausbildung im Industrieunter-
gen des Arbeitgebers unterworfen sein wird nehmen, Bewerbung bei einem Ex-
und für seine Dienste eine Vergütung erhalten porteur)!
wird. Die rechtlichen Beziehungen – Rechte b) Es sei unterstellt, dass Sie zur Vorstel-
und Pflichten –, die durch den Abschluss lung eingeladen werden. Gleich zu
eines Arbeitsvertrages zwischen Arbeitgeber Anfang werden Sie gefragt, ob es Ih-
und Arbeitnehmer entstehen, fasst man unter nen lieber ist, nur einem Gesprächs-
dem Begriff „Arbeitsverhältnis“ zusammen. partner, dem Personalchef, gegenü-
berzusitzen, oder ob Sie es vorziehen,
mit mehreren ins Gespräch zu kom-
men. Wie würden Sie sich entschei-
den? Begründen Sie Ihre Aussage!
6. Die Einstellung von Mitarbeitern 383

Abb. 38: Die praktische Anwendung des § 99 BetrVG


384 Personalwesen

6.2.2 Die Mitbestimmung des Beispiel:


Betriebsrates bei Auszug aus dem Arbeitsvertrag zwischen
Einstellungen der DMW AG und P. Freymann
Der Betriebsrat hat von der Vorlage der Be- Präambel
werbungsunterlagen über die Beurteilungs- Zwischen der Deutsche Motoren Werke AG
grundsätze bis zur Zustimmung zur Einstel- Hannover und Herrn Peter Freymann, Frankfurt
lung Mitbestimmungsrechte. am Main*
Der Bewerber ist daher vor der Kündigung wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen:
seines bisherigen Arbeitsvertrages gut bera- §1
ten, wenn er sich vergewissert, ob der Be- Dienststellung und Aufgabenbereich
triebsrat der Neueinstellung zugestimmt hat. • Die Firma überträgt Herrn P. Freymann mit
Wirkung vom 1. Juli die Funktion eines Sach-
Der Betriebsrat kann die Zustimmung ver- bearbeiters des Einkaufs für Bremssysteme und
weigern, wenn Achsen, die nach Ablauf einer Einarbeitungs-
• die personelle Maßnahme gegen ein zeit von sechs Monaten alle Vollmachten ent-
Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallver- hält, die sich auf den Einkauf der oben genann-
ten Teile beziehen, jedoch ist die Beschränkung
hütungsvorschrift oder gegen eine Be-
der Einkaufssumme jeder Bestellung auf 100
stimmung in einem Tarifvertrag versto- 000,– Euro limitiert. Lieferantenauswahl und
ßen würde Aufkündigung von Lieferantenverhältnissen
• die personelle Maßnahme gegen eine sind nur in Absprache mit der Leitung gestattet.
Richtlinie nach § 95 Betriebsverfas- Alle mit dem Einkauf verbundenen Tätigkeiten
eines normalen Geschäftsganges sind selbst-
sungsgesetz (Auswahlrichtlinien) versto- ständig zu erledigen, außergewöhnliche Vor-
ßen würde gänge sind mit den Vorgesetzten abzusprechen.
• die beschäftigten Arbeitnehmer eventuell Regressansprüche nach eingehender Prüfung
durch die Einstellung gekündigt werden sind bis zu einem Wert von 2 000,– Euro ohne
oder sonstige Nachteile erleiden, ohne Einschaltung der Rechtsabteilung zu erfüllen.
Herr Freymann arbeitet eng mit der Warenprü-
dass dies aus betrieblichen Gründen ge- fung, Rechnungskontrolle und -abwicklung zu-
rechtfertigt ist sammen.
• der betroffene Arbeitnehmer durch die • Wegen seiner besonderen Kenntnisse und
geplante Maßnahme benachteiligt wird, Erfahrungen ist Herr P. Freymann berechtigt,
ohne dass dies aus betrieblichen oder in mit Lieferanten Vorgespräche über die Ein-
der Person des Arbeitnehmers liegenden führung neuer Einkaufssysteme in Absprache
Gründe gerechtfertigt ist mit der Fertigung und Fertigungsplanung zu
führen. In diesen Fällen ist Herr P. Freymann
• eine erforderliche Ausschreibung im dem Leiter der Beschaffung direkt unterstellt.
Betrieb unterblieben ist (innerbetriebliche • Die DMW AG behält sich vor, Herrn P.
Stellenausschreibung) Freymann innerhalb des Unternehmens bei
unveränderten Bezügen auch eine andere, sei-
• die begründete Besorgnis besteht, dass
ner Vorbildung und seinen Fähigkeiten ent-
der Bewerber den Betriebsfrieden durch sprechende Tätigkeit zu übertragen. Eine Ver-
gesetzwidriges Verhalten oder durch gro- setzung an einen anderen Ort kann nur im
be Verletzung stören würde. Einvernehmen mit ihm erfolgen.
Näheres ist der Stellenbeschreibung, die dem
Vertrag beigefügt ist, zu entnehmen.
* Adresse nicht aufgeführt.
6. Die Einstellung von Mitarbeitern 385

§6
Altersversorgung
Die Firma gewährt Herrn P. Freymann nach Errei-
chung des Rentenalters oder bei vorzeitiger Be-
rufsunfähigkeit nach mindestens 10-jähriger Tätig-
keit in ihrem Dienst eine Altersversorgung nach
den Grundsätzen der betriebsinternen Ruhege-
haltsordnung.
§ 13
Zeugnisausstellung
Vom Zeitpunkt der Kündigung an hat Herr P.
Freymann einen Anspruch auf Ausstellung eines
Zeugnisses, das sich auf Führung und Leistung zu
erstrecken hat.
§ 14
Der einschlägige Tarifvertrag ist Bestandteil dieses
Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten für das
Arbeitsverhältnis von Herrn P. Freymann die
Vorschriften der Betriebsordnung sowie der sons-
tigen Betriebsvereinbarungen der Firma ergänzend,
so weit ihre Anwendung nicht nach Inhalt oder
persönlichem Geltungsbereich entfällt.
Rechtsvorschriften
Bei der Formulierung von Arbeitsverträgen
müssen viele Rechtsvorschriften beachtet
werden, die bis in das europäische Recht rei-
chen (siehe Abb. 40). Dabei können sich Ver-
tragsschließende nicht jeweils „das Beste“ aus
den Einzelvorschriften herauspicken, sondern
Abb. 39: Rechte und Pflichten aus dem haben die Normenhierarchie zu beachten.
Arbeitsvertrag

Aufgabe
25. Informieren Sie sich im Einzelnen über
die Rechte und Pflichten als Arbeitneh-
mer! Gegebenenfalls entnehmen Sie die-
se aus Ihrem Arbeits- bzw. Ausbildungs-
vertrag. Sie finden einiges z.B. im BGB
und HGB. Prüfen Sie, welche Regelungen
in ihnen enthalten sind! Schlagen Sie auch
das Tarifvertragsgesetz auf! Worin beste-
Abb. 40: Normenhierarchie hen die Unterschiede der Vorschriften?
386 Personalwesen

7. Personaleinsatz

7.1 Begriff, Inhalt und


Abgrenzung

Unter Personaleinsatz ist die Zuordnung der


im Betrieb verfügbaren Arbeitskräfte auf Ar-
beitsplätze zu verstehen. Die Sichtweise kann
• quantitativ
• qualitativ
• zeitlich und
• örtlich
sein. Sie ist quantitativ, wenn es um die
Anzahl geht, die beschäftigt wird, und quali-
tativ, wenn es um die Besetzung der Ar-
beitsplätze geht. Können die Anforderungen,
die die Arbeitsaufgaben mit sich bringen, von
der vorhandenen Arbeitskraft mit ihrer Vor-
bildung, ihren Kenntnissen und Erfahrungen
sowie mit ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten Abb. 41: Arbeitsfelder des Personalein-
erfüllt werden? Ist sie qualitativ überdimen- satzes unter zwei herausragen-
sioniert, d.h., vermag sie mehr zu leisten als den Veränderungsprozessen
von ihr abverlangt wird? Ist die Arbeitskraft Arbeitszeiten
unterdimensioniert, lässt das Ergebnis der Jahresarbeitszeit eines Arbeitnehmers in Stunden
Arbeit zu wünschen übrig, weil sie überbelas-
tet ist. Die Sichtweise ist zeitlich, wenn es
schlechthin um die Arbeitszeit geht – von
herausragender Bedeutung bei Schichtarbeit,
bei flexibler Arbeitszeit und bei Teilung der
Arbeitsaufgaben einer Stelle auf zwei Arbeit-
nehmer z.B. Sie ist örtlich, wenn das „Wo“
der Arbeit im Vordergrund steht.
Die Trennung dieser vier Merkmale ist nur
der Verdeutlichung wegen vollzogen, denn
sie gehören beim Personaleinsatz selbstver-
ständlich zusammen. So lautet auch die Defi-
nition:

Abb. 42: Internationale Arbeitszeiten


2004
7. Personaleinsatz 387

Es geht immer darum, dass das Personal in Beispiel zum örtlichen Personaleinsatz:
der erforderlichen Anzahl mit der erforderli- Markantes Beispiel hierfür sind „Springer“,
chen Qualifikation zu dem für die Erstellung die einen ständigen Arbeitsplatzwechsel in
der betrieblichen Leistung notwendigen Zeit- Kauf nehmen, wenn irgendwo im Hause Ar-
punkt und an dem jeweiligen Einsatzort ver- beitsausfälle (Krankheit) gemeldet werden.
fügbar ist (Bröckermann) und eine Arbeits-
leistung erbringt, die auf das Ziel gerichtet ist. Ergänzendes zum Personaleinsatz -- das
Personalmanagement
Die Personalverwaltung galt früher als der
Kern der Arbeit der Personalabteilung. Sie Die Personalverwaltung hat nur wenig mit
hatte die Belegschaft von der Einstellung bis Personalmanagement zu tun. Die Verwaltung
hin zum Ausscheiden zu „verwalten“, d.h. zu ist eine „Funktion“, die Personalverwaltung
erfassen, zu betreuen, zu begleiten und zu eine Funktion des Personalwesens. Das Per-
kontrollieren. Letzteres hört sich diskriminie- sonalmanagement ist mehr und von der
rend an, ist es aber nicht. Denn die Kontrolle Grundlage her etwas anderes. Es ist das Lei-
ist auch im Interesse des Einzelnen nötig, z.B. tungsorgan des Personalwesens, und als sol-
bei Krankschreibung, bei Auseinandersetzun- ches übt es u. a. die Aufsicht über die Perso-
gen, bei Eintragungen etc. nalverwaltung aus. Letztere ist eher statisch
zu sehen, ersteres ist eine dynamische Kraft –
Heute umfasst die Personalverwaltung die wenn das Management so geführt wird, wie
Planung und Organisation des Personaleinsat- es der Begriff vermuten lässt und die gegen-
zes, seine Durchführung und seine Überwa- wärtigen Herausforderungen erzwingen. Das
chung, woraus deutlich wird, dass Personalein- Personalmanagement gestaltet das Unterneh-
satz und -verwaltung nicht losgelöst voneinan- men von seiner personellen Ausstattung und
der zu sehen sind. Dabei sind überall personal- steuert die Belegschaft von ihrem Verhalten
rechtliche Regelungen aus dem Arbeits- und her. Von ihm gehen Ideen aus, werden Impul-
Sozialrecht, aus dem Tarifrecht und den Be- se gesetzt und Leitlinien allgemeiner und
triebsvereinbarungen sowie aus dem Betriebs- verhaltensorientierter Natur formuliert und
verfassungsrecht zu beachten und vor allen vorgelebt. Das Personalmanagement wirkt
Dingen umzusetzen. Personalverwaltung, aber wie kein anderer Betriebssektor in die gesam-
auch Personaleinsatz setzen daher erhebliche te Wertschöpfungskette des Unternehmens.
Kenntnisse aus dem Rechtswesen voraus. Dies ist auch der Grund, warum es in der
Die folgende Definition der Personalverwal- Regel im Vorstand angesiedelt ist bzw. im
tung und deren Aufgaben im Einzelnen kenn- Vorstand vertreten wird.
zeichnen den Unterschied zum Personalein- Die Rolle des Personalmanagements definiert
satz. sich aus der Gesamtstrategie des Unterneh-
Auch in der Personalverwaltung spielt, wie mens. Ihr kommt eine klare Lenkungs- und
im modernen Betriebsprozess, der Mensch Steuerungsfunktion zu, die eine erhebliche
eine große Rolle. Ihn nur zu verwalten, hieße, Weiterentwicklung der bisherigen Dienst-
ihn allein als Objekt zu sehen. Daher haben leisterrolle beinhaltet. Die in der Gegenwart
größere Unternehmen zum Beispiel Personal- diskutierten Ansätze über neue Dimensionen
beratungsstellen eingerichtet, damit der Ar- in der Mitarbeiterführung ((Übertragung von
beitnehmer mit seinen betrieblichen Sorgen Verantwortung, Einführung von Teamarbeit,
Hilfe erfahren kann. Betrachtung der eigenen Abteilung als Liefe-
rant und Kunde für andere Abteilungen, Bil-
dung von Qualitätszirkeln, lernende Organisa-
tion) sind ohne ein dynamisches Personalma-
nagement undenkbar.
388 Personalwesen

Die Aufgaben der Personalverwaltung So ist eben auch das Personalmanagement


lassen sich allgemein aus den Verwaltungs- besonders im Personaleinsatz (Veränderun-
aufgaben ableiten. Zu ihnen gehören Planung, gen) tätig.
Organisation, Durchführung und Überwa-
chung. Konkretisiert am Personal heißt das, BMW begann als erster Autohersteller mit
dass die Personalverwaltung den Einsatz des Jobrotation, BMW begann als erster mit flexib-
Personals (natürlich in Zusammenarbeit mit len Arbeitszeiten. Schon 1988 überredeten die
anderen Stellen) plant, seine Organisation BMW-Manager die IG Metall zur Samstagsar-
festlegt und diese auch umsetzt (z.B. Beset- beit im neuen Werk Regensburg. 1992, als sich
zung vakanter Stellen, Einrichtung einer neu- die PS-Branche noch am Autoboom berausch-
en Stelle durch Teilung) und schließlich den te, fuhr BMW den Mitarbeiterstand bereits
gesamten Personaleinsatz auf der Grundlage vorsichtig zurück. „Wir haben ständig opti-
der Akten und Informationen überwacht. miert“, sagt Eberhard v. Kuenheim, „und des-
Im Einzelnen gehören dazu: halb mussten wir auch keine Kulturrevolution
mit Pauken und Trompeten veranstalten.“
• Erledigung aller Formalitäten von der
Einstellung bis zum Ausscheiden (Entlas- Eine „Kultur ständigen Wandels“ beobachtet
sungen, Pensionierungen, Tod) Hans-Jörg Hafner von der Münchner Unter-
nehmensberatung Gemini Consulting, und
• Einrichtung und Führen von Personalakten
darum ist rigides Personalmanagement nicht
(und damit Verwaltung der Bewerbungs-
gefragt. Bis heute hat der Vorstand noch kei-
unterlagen, der Zeugnisse, Belege über
ne mit dem Betriebsrat geschlossene Verein-
Beförderungen, Abmahnungen, Firmen-
barung gekündigt.
kredite etc.)
Die „wohl größte Verantwortungsbreite je
• Durchführung der Lohn- und Gehaltsab- Mitarbeiter in der deutschen Industrie“ re-
rechnungen (und damit auch die Abfüh- klamiert Vorstandschef Pischetsrieder für sein
rung von gesetzlichen Abzügen und Ar- Unternehmen. Entscheidungen an der Basis,
beitgeberanteilen zur Sozialversicherung) möglichst hohe Verantwortung je Mitarbeiter
• Verwaltung der Urlaubslisten und Kon- und Team – das gehört schon seit Jahren zum
trolle über berechtigte Urlaubszeiten Führungsstil.
• Aufstellung von Personalstatistiken zur Abb. 43: Ständiger Wandel als Prinzip
Dokumentation und Information für ver- Quelle: manager magazin
schiedene Institutionen im eigenen Haus,
für Ämter und Kammern.
Hinzugefügt sei hier, dass die Verwaltung Aufgabe
durch ihre Tätigkeiten und Maßnahmen einen
reibungslosen Ablauf des Unternehmenspro- 26. a) Sehen Sie sich Abb. 41 genau an!
zesses gewährleistet und für die Zukunft absi- Auf der linken Seite des Schaubildes
chert (Ziele der Personalverwaltung). Da sie sind die Aufgaben des Personalein-
zugleich in Zusammenarbeit mit anderen satzes aufgelistet. Prüfen Sie, ob
Betriebssektoren, z.B. der Organisationsabtei- vielleicht ein Aufgabengebiet ausge-
lung, neue und humanere Arbeitsformen ein- spart ist! Dazu fragen Sie in Ihrem
führt, die zur Vereinfachung der Arbeiten Unternehmen nach!
führen und die die Motivation fördern, trägt b) Überlegen Sie, welche Einzelfolgen
sie wesentlich dazu bei, den Betriebsablauf es hat, wenn eine Arbeitskraft mit ih-
kostengünstig zu gestalten. ren Aufgaben ständig überfordert ist!
7. Personaleinsatz 389

7.2 Personaleinsatz bei Ergänzung zur Flexibilisierung der


Veränderungen von innen Arbeitszeit
Die meisten Arbeitnehmer genießen heute eine Art
am Beispiel der Teilflexibilisierung, da sie an der Gleitzeit partizi-
Flexibilisierung der pieren, die meistens eine wöchentliche Gesamtar-
Arbeitszeit beitszeit einzuhalten fordert, feste Kernzeiten
vorgibt, um die variabel mit der Arbeit begonnen
wird und um die die Arbeitszeit ebenso variabel
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit heißt, endet. In den meisten Firmen, die dieses Arbeits-
die Betriebszeiten von den individuellen Ar- zeitmodell fahren, können Überstunden durch
beitszeiten zu entkoppeln. halbe oder ganze Gleittage im Monat (oft auf
jeweils einen Tag begrenzt) abgegolten werden.
Die Flexibilisierung kann Wenn mit dieser Regelung noch nicht eine bessere
• sich auf das Volumen der Arbeitszeit (chro- Auslastung der Kapazität erfolgt, so ist mit ihr
nometrische Arbeitszeitvariation) beziehen jedoch verbunden, dass die Arbeitsplätze zum
(Teilzeitarbeit) Beispiel in Abteilungen mit Kundenkontakten, der
Intensität der Anrufe zufolge, rechtzeitig und
• die Verteilung eines bestimmten Arbeits- vollständig besetzt werden. Und das ist meist nicht
zeitvolumens (chronologische Arbeitszeit- um 9 Uhr morgens, sondern oft erst um 10 Uhr,
variation) meinen (Mehrschichtensystem) wie die Erfahrung es gelehrt hat.
Hat sich ein Unternehmen entschlossen, Teilzeitar-
• beides, Volumen und Verteilung, zum Inhalt beit mit Zeitkontingenten einzuführen, die weit
haben. gehend, individuell geplant, abzuarbeiten sind, so
Ein Unternehmen, das die Flexibilisierung der folgt die Leitung der Erkenntnis, dass sich bei einer
Arbeitszeit in der in der rechten Spalte darge- größeren Anzahl von Menschen durch ihre sehr
stellten Form als Teilzeitarbeit mit Zeitkon- unterschiedlichen Wünsche die Arbeitszeiten so
ergänzen, dass weder Leerlaufzeiten auftreten noch
tingenten einzuführen gedenkt, muss vor
„personelle Überkapazitäten“ herrschen werden.
diesem endgültigen Schritt Überlegungen Andernfalls sind gewisse Vorgaben nötig. Dieses
anstellen, die den Personaleinsatz in seiner Modell bietet sich in Unternehmen an, in denen bei
Gesamtheit berühren. An ein paar Fragen sei einem hohen Anteil von Mitarbeiterinnen verstärkt
der Komplex angerissen: Teilzeitarbeit nachgefragt wird, damit Beruf und
Familie besser in Einklang zu bringen sind.
• Für welche Abteilungen und Aufgaben
Die betrieblichen Auswirkungen sind unüberseh-
kommt eine flexible Arbeitszeitgestal-
bar: Ausdehnung der Betriebs- und Maschinenzei-
tung bei gleichzeitigem Einsatz von Voll- ten, z. B. bei drei Schichten, und damit eine besse-
und Teilzeitkräften in Frage? re Auslastung der Kapazität (Verringerung der
• Wie können die Teilzeitkräfte menschlich fixen Kosten pro Einheit), sodass ein Unternehmen
in die bestehende Organisation eingebun- konkurrenzfähiger werden kann.
den werden (humane Integration). Vollzieht sich die Umgestaltung der Arbeitszeiten
nur mit eigenen Mitarbeitern, dann lassen sich
natürlich schwerlich mehr Schichten fahren, den-
noch kann die Ausbringung (höhere Produktivität)
steigen, wenn vornehmlich Menschen hierfür
verantwortlich sind. Denn eine zwei Mal vierstün-
dige Arbeitszeit wird effektiver genutzt.
390 Personalwesen

• Wie können die Teilzeitkräfte mit den Die höhere Produktivität ist nicht nur auf die neuen
Vollzeitkräften kombiniert werden (sach- äußerlichen Bedingungen zurückzuführen (objek-
liche Integration)? tive Bedingungen menschlicher Arbeitsleistungen),
wenn sie auch wesentlich zur Erhöhung des Aus-
• Welche Auswirkungen hat ein täglicher stoßes und der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
Wechsel am Arbeitsplatz auf Arbeitsleis- beitragen. Auch die subjektiven Bedingungen
tungen und auf das Umfeld? menschlicher Arbeitsleistungen beeinflussen die
Personalleistung, wobei es sich einerseits um
• Lassen sich Gesamtaufgaben so teilen, Fähigkeiten und Fertigkeiten handelt, die Arbeits-
dass die Tätigkeiten der Teilzeitkräfte kräfte mitbringen, und um ihre Erfahrungen, die
nacheinander zu erledigen sind? sie einbringen, andererseits um den Leistungswil-
len (siehe Abb. 44). Er wird gesteigert, wenn Men-
• Welche Kenntnisse und Erfahrungen
schen zeitlich und vielleicht auch sachlich so und
muss eine Teilzeitkraft haben, damit sie dann arbeiten dürfen, wenn sie es wünschen. Das
die geteilten, nacheinander folgenden macht arbeitszufriedener. Arbeitszufriedenheit
Aufgaben auch bewältigt? senkt Arbeitsausfälle (Fehlzeiten). Und es macht
• Müssen zusätzliche Arbeitsmittel zur freier, was wiederum dem Menschen gut tut. Auf
diese Weise wird allen geholfen und durch günstige
Verfügung gestellt werden, um mehreren
Kosten möglicherweise der Arbeitsplatz gesichert.
Teilzeitkräften für eine Gesamtaufgabe
auch eine individuelle Ausstattung zu
gewähren?
Mit diesen Fragen sind die wesentlichen Auf- Aufgabe
gaben des Personaleinsatzes berührt, nämlich 27. a) Wieso gehen viele Veränderungen in
Aufgabengestaltung, Arbeitsplanung und einem Unternehmen, die auch den
Arbeitsplatzgestaltung. Sie müssen in glei- Personalsektor betreffen, von innen
cher Weise, jedoch anders gewichtet, in Be- aus?
trieben gelöst werden, was besagt, dass die
Ausbringung erhöht werden kann. Das ist b) Wieso bestimmen auch objektive
natürlich nur sinnvoll, wenn mehr verkauft Bedingungen menschliche Arbeits-
werden kann. Veränderungen mit derartigen leistungen?
Personalauswirkungen erfordern daher eine
globale und vernetzte Denkweise. „Mehr Flexibilität und Kundenorientierung ist
kaum noch denkbar ohne eine gleichzeitige
Flexibilisierung und Differenzierung der
Zusammenfassung Arbeit. Beispiele auch weniger bekannter
Jeder Personaleinsatz muss sich mit den Unternehmen zeigen, dass eine intelligente
verschiedensten Veränderungen auseinan- Arbeitszeitgestaltung nicht nur die Wirt-
der setzen. Heute geht es vornehmlich um schaftlichkeit verbessert. Richtig eingesetzt,
neue Arbeitsformen (Teamarbeit) und fle- kann dieses Instrument auch Arbeitsplätze
xiblere Arbeitszeiten. Beides führt zu einer sichern und den Zeitwohlstand der Beschäf-
höheren Produktivität. Was besagt, dass die tigten erhöhen“, meint das Rationalisierungs-
Anstrengung erhöht werden kann. Das ist kuratorium der Deutschen Wirtschaft.
natürlich nur sinnvoll, wenn mehr verkauft Abb. 44: Pressebericht
werden kann. Quelle: Wirtschaftswoche
7. Personaleinsatz 391

7.3 Einzelaufgaben beim


Personaleinsatz

7.3.1 Personalleistungen und


Arbeitsplatz
Die Leistungen, die Arbeitnehmer in Aus-
übung ihrer betrieblichen Tätigkeit abliefern
müssen, stellen ein bestimmtes Ergebnis oder
einen bestimmten Erfolg ihrer Handlungen
dar. Weil es sich um eine wirtschaftliche
Perspektive handelt, von der hier ausgegan-
gen wird, kann man auch von wirtschaftlichen
Leistungen reden. Da sie sich auf die Arbeit
beziehen, werden sie als Arbeitsleistungen
bezeichnet, ihr Ergebnis heißt auch Arbeits-
ergebnis.

Zwei Hauptmerkmale sind herauszustellen:


• die Sachleistung als qualitatives oder
quantitatives Arbeitsergebnis und
• das Arbeitsverhalten bei der Arbeits-
ausführung.
Die wirtschaftliche Leistung ist immer das
Ergebnis einer Kombination von Menschen
und Betriebsmitteln und in der Produktion
zusätzlich von Werkstoffen. So ist das, was
der Mensch schafft, auch von diesen Faktoren
abhängig.
Je ausgereifter die Technik der Betriebsmittel
ist, und je einfacher sie gehandhabt werden
können, desto größer wird in der Regel die
Arbeitsleistung sein. Auch ist mit einer ratio-
nellen Gestaltung des Arbeitsablaufes und Der Leistungswille ist emotional motiviert,
einer rationellen Organisation am Arbeitsplatz wenn Betriebsklima und Zugehörigkeit zum
die Arbeit eher geschafft, weil Fehlzeiten Unternehmen die Personalleistung wesentlich
vermieden werden. Auf die leistungsfördern- mitbestimmen. Er ist zweckrational, wenn
de flexible Arbeitszeit ist ebenso schon hin- die Leistungen vornehmlich der materiellen
gewiesen worden wie auf den Einfluss, den Vorteile wegen hervorgebracht werden, und
Werkstoffe auf die Arbeitsleistung ausüben. traditional, wenn Personalleistungen durch
Lebensgewohnheiten begründet sind.
Abb. 45: Bedingungen (ausgewählt*) der
Personalleistungen
392 Personalwesen

Neben den objektiven Bedingungen sind es Ergänzendes zu Arbeitsleistungen


die subjektiven, die die Arbeitsleistungen mit
Warum auch das Arbeitsverhalten bei der
ihren Ergebnissen beeinflussen. Sie sind indi-
Betrachtung von wirtschaftlichen Leistungen
vidueller, nicht beeinflussbarer Art, so weit es
eine Rolle spielt, ist schnell einzusehen.
sich um Konstitution, Lebensalter und Ge-
Wenn ein Einkäufer an einem Tag viele An-
schlecht handelt. Auch sind bestimmte, ange-
gebote bearbeitet und schließlich mit einem
borene Eigenschaften – z.B. fehlendes Denk-
Lieferanten zu einem Abschluss mit guten
vermögen, Auffassungsgabe – schwerlich zu
Konditionen kommt und dies schriftlich bes-
verändern (Begabungen). Versteht man unter
tätigt, dann lässt sich sein Arbeitsergebnis
Fähigkeiten eines Menschen die Summe der
quantitativ und qualitativ einstufen. Hinter-
zur Erbringung einer Leistung notwendigen
lässt er aber am selben Abend ein Büro, in
Bedingungen, dann gehören zu diesen sowohl
dem das benutzte Material chaotisch herum-
die Begabungen als auch die durch Lernpro-
liegt, die Angebote seit Wochen im Ablage-
zesse erworbenen bzw. geschulten Fähigkei-
korb gestapelt werden und Belege nicht abge-
ten im engeren Sinne, z.B. fähig zu sein, eine
heftet worden sind, dann wird seine Erkran-
Arbeit anzupacken und systematisch abzuar-
kung zu katastrophalen Auswirkungen führen.
beiten, fähig zu sein, im Kreis mit anderen
Seine Vertretung nämlich muss sich durch
(Team) zu diskutieren etc.
den Wust von durcheinanderliegenden Unter-
Schließlich geht es auch um Fertigkeiten, also lagen quälen. Hierdurch könnte Zeit verloren
um durch Übung erworbenes Können, z.B. gehen, oder es könnten Angebote übersehen
lesen, schreiben, montieren, malen können. werden. Kosten und indirekte Verluste sind
Arbeitnehmer warten immer dann mit guten die Folge!
Arbeitsleistungen auf, wenn die objektiven und
subjektiven Bedingungen zueinander passen
Beispiel:
und wenn die Anforderungen, die an sie gestellt
werden, ihren Möglichkeiten entsprechen. Aus dem Arbeitsprozess der DMW AG zur
Daher werden Stellenbeschreibungen (siehe Motivation von Mitarbeitern
Abb. 22 dieses Kapitels sowie im ersten Kapitel Die DMW AG hat bei Einrichtung ihres Wer-
unter Aufbauorganisation) sowie Anforde- kes in Emden dem Bedürfnisspektrum ihrer
rungsprofile einer bestimmten Stelle oder eines Arbeitnehmer – so weit das möglich war –
Aufgabenkomplexes entwickelt (siehe u.a. Rechnung getragen. Die Einführung vieler
Abb. 23, 32 sowie 37), um Mensch und Arbeit Teams im Produktionsprozess und die Über-
in Einklang zu bringen. Dennoch treten immer tragung der Verantwortung der Arbeitsleis-
wieder Probleme am Arbeitsplatz auf, weil die tungen jeweils auf die Gruppe bei gleichzeiti-
Vorgesetzten den Arbeitnehmer über- oder ger Prämienzahlung für eine fehlerloser Leis-
unterschätzen oder die Anforderungen nur tungsabgabe haben zur Leistungsmotivation
unpräzise formuliert sind. Außerdem entste- beigetragen. Weitere Leistungsanreize sollen
hen Diskrepanzen, wenn kurzfristig Neuerun- aus der mit dem Betriebsrat vereinbarten
gen installiert werden. Erfolgsbeteiligung kommen.
7. Personaleinsatz 393

Auf Seite 391 (Abb. 45) ist unter den subjek-


tiven Bedingungen auch der Leistungswille
genannt. Es nützt nämlich nichts, wenn ein
Mitarbeiter mit noch so vielen Fähigkeiten
aufwartet, sein Arbeitsumfeld optimal ausges-
tattet ist, er allerdings zur Arbeit keine Lust
hat. Das „Keine-Lust-Haben“ was lange Zeit
die Haltung vieler junger Menschen, was im
Slang durch den Begriff „keinen Bock haben“
zum Ausdruck kommt. Heute, bei zunehmen-
der Konkurrenz, tritt dieses Phänomen zu-
rück. Dann muss er hierzu motiviert werden.
Die Arbeitsleistung der Mitarbeiter kann
demnach durch Akzeptanz vieler ihrer Be-
dürfnisse und durch Maßnahmen, die diesen
Rechnung tragen, verbessert werden. Dazu
gehört auch ein Führungsverhalten, das auf
den Einzelnen eingeht (siehe Kapitel 1 unter
Geschäftsführung) und ihm die Anerkennung
zollt, die die Arbeitskraft verdient hat (Perso- Abb. 46: Motive und Maßnahmen zur
nalmanagement). Dennoch muss auch hierzu Leistungssteigerung
festgestellt werden, dass der Betrieb als Leis-
tungsgemeinschaft auf wirtschaftliche Ziele
aus ist und dass es sich von daher von vorn-
Aufgabe
herein verbietet, allen Bedürfnissen der Mit- 28. Finden Sie heraus, warum eine soziale
arbeiter Rechnung zu tragen bzw. nachzuge- Anerkennung im Unternehmen leis-
hen und nachzugeben. Wie überall sind Kom- tungsmotivierend wirkt! Erklären Sie,
promisse zu suchen. warum vieles im Betrieb zur Demotivati-
on bei der Arbeit führt!

Beispiel:
Zusammenfassung
Mehrverantwortung bei der DMW AG
Die Personalleitung ist von objektiven
Auch bei der DMW AG sind Arbeitsformen
und subjektiven Faktoren abhängig. So
übernommen, die dem Teamgedanken Rech-
weit sie beeinflussbar sind, können geziel-
nung tragen und der Einzelgruppe mehr Ver-
te Strategien die Effizienz der Mitarbeiter
antwortung aufbürden. Hiermit wird vielfach
erhöhen. Die beste Voraussetzung hierzu
das Abteilungsdenken aufgegeben zu Gunsten
ist, die Mitarbeiter als das wichtigste „Ka-
eines prozessorientierten Arbeitens. Die Ge-
pital“ (human capital) anzusehen. Diese
samtaufgabe wird als „Paket“ definiert und
so gehandhabte Unternehmensphilosophie
dann an eine Gruppe zur Erledigung delegiert.
ist in vielen Unternehmen feststellbar.
Jeder kann jede Aufgabe erledigen, die Gruppe
organisiert, disponiert, verwaltet und kontrol-
liert Arbeit und Qualität. Damit ist eine Stel-
lenbeschreibung für jeden Mitarbeiter nicht
mehr notwendig.
394 Personalwesen

7.3.2 Konflikte und Beispiel:


Konfliktlösungen Konflikt bei der DMW AG in Emden
Überall, wo Menschen miteinander in Bezie- Wiebke Mohrmann gehört dem Unternehmen
hung treten und kommunizieren, geraten sie seit seiner Gründung an und hat von Anfang
aneinander. Es kommt zu Spannungen, die an dieselbe Position: erste Empfangsdame am
entweder offen zutage treten (Zusammenstö- Informationsschalter im Foyer. Mit ihrer Mit-
ße) oder unterschwellig wirken. In beiden arbeiterin Karin Wolkewitz teilt sie sich die
Fällen handelt es sich um Konflikte. anfallenden Arbeiten, die beide neben ihrer
Konflikte im Unternehmen stören meistens eigentlichen Aufgabe, die Gäste zu begrüßen
Arbeit und Arbeitsablauf, weil sie bei den und zu den betreffenden Gesprächspartnern des
Betroffenen ein Verhalten bewirken, das ihre Hauses zu schleusen, zu erfüllen haben.
Tätigkeit beeinflusst: So arbeiten sie mögli- Den Urlaub stimmen beide Damen regelmä-
cherweise langsamer, unaufmerksamer und ßig ab. Auch kommen sie in Abstimmung mit
weniger kooperativ. Im Übrigen kosten sie den Vorgesetzten zeitversetzt und abwech-
Zeit. Ihre Ursachen können ebenso auf Nich- selnd mal früher, mal später. Seit Wochen
tigkeiten zurückgeführt werden wie auf be- aber herrscht unter den beiden Unfrieden.
rechtigte Forderungen, auf besondere Um- Karin Wolkewitz will wieder – wie im letzten
stände ebenso wie auf Verhaltensweisen der Jahr – im Juli in Urlaub fahren, weil ihr ge-
Mitarbeiter, auf Unterlassungen ebenso wie genwärtiger Lebenspartner zwei schulpflich-
auf Überhäufungen (z.B., wenn der Vorge- tige Kinder in die Partnerschaft eingebracht
setzte ständig lobt). hat und eine andere Urlaubszeit als die Fe-
Bisani fasst die Konfliktursachen so zu- rienzeiten in den Schulen für eine Erholungs-
sammen: reise nicht in Frage kommt. Wiebke Mohr-
mann dagegen macht regelmäßig alle zwei
• Sie ergeben sich aus den Neigungen, Jahre mit ihrer alten Mutter zusammen im Juli
Werthaltungen, Einstellungen und inne- eine Kur auf Norderney und bestellt schon
ren Normen der handelnden Individuen. beim Abschied die Zimmer für das nächste
• Sie kommen zustande im Zusammenwir- Eintreffen. Dieses Mal wäre sie wieder mit
ken verschiedener Personen aufgrund von dem Julitermin dran gewesen. Im Übrigen ist
Unterschieden der Persönlichkeitsstruktu- das die einzige Reise, die die alte Dame noch
ren, der hierarchischen Stellung und der machen kann und eben nur dorthin, wo ihr die
individuellen Ansprüche. Umgebung vertraut und die Führung des
Hauses bekannt sind.
• Sie sind zurückzuführen auf den vorgege-
benen institutionellen Rahmen (Aufbau,
hierarchische Gliederung, Kommunikati-
Aufgabe
onskanäle, Verantwortungsbereiche).
29. a) Wie würden Sie den Fall oben lösen?
• Sie beruhen auf der technischen Entwick-
lung, die oft sozial-ökonomische Konse- b) Welche Beispiele fallen Ihnen zu
quenzen mit sich bringt (Einführung von den einzelnen Ursachen links ein?
Computern, Vereinsamung am Arbeits- c) Klassifizieren Sie bitte diese Kon-
platz). fliktart.
7. Personaleinsatz 395

• Sie resultieren aus dem Arbeitsplatz und Beispiele zu Einzelkonflikten:


dem Umfeld des Arbeitenden selbst, z.B. Zum besseren Verständnis hier einige Bei-
durch unzureichende Umsetzung von Si- spiele von konkreten Konflikten:
cherheitsvorschriften.
Arzt, Patient, Krankenkasse
Konflikte lassen sich auch nach anderen Ge- Das vom Patienten gewünschte Rezept für ein
sichtspunkten einteilen, so zum Beispiel nach bestimmtes Medikament wird vom Arzt abge-
individuellen und sozialen Ursachen. lehnt, weil die Bezahlung nicht von der Kran-
Persönliche (individuelle) Konflikte haben kenkasse übernommen wird (sozialer Kon-
ihre Ursache in der Besonderheit der Person. flikt).
So löst „der mürrische, der leicht erregbare, Regisseur, Schauspieler
der unfreundliche, der arrogante, der egoisti- Der Regisseur schreibt seinem Akteur vor,
sche, der ungepflegte Mitarbeiter“ bei ande- den „Faust“ mit Kraft und Wortgewalt zu
ren Abneigung, Antipathie, Hass und Streit spielen, der Schauspieler dagegen sieht Faust
aus. Diese Konflikte sind primär Gegenstand als eine introvertierte, auch in Wortwahl und
der Psychologie. Ihre Beeinflussung von Tonhöhe zurückhaltende Menschengestalt
Unternehmensseite ist meist auf Personalein- (Intrarollenkonflikt).
stellung bzw. -entlassung und auf die Stellen-
besetzung beschränkt (Witthoff). Geschäftsleitung, Meister, Arbeitnehmer
Lassen sich dagegen Konflikte „aus der Die Geschäftsleitung verlangt vom Meister,
Struktur sozialer Einheiten ableiten“, sind sie dass ein bestimmter Auftrag noch heute fertig
also „überindividuell“, dann spricht man von gestellt wird, und das bedeutet, dass länger
sozialen Konflikten. Sie beruhen auf dem gearbeitet werden muss, der Arbeitnehmer
Zusammenwirken mehrerer Personen und erwartet vom Meister, dass dieser auf seine
offenbaren sich als Organisationskonflikte persönlichen Belange (pünktlicher Feier-
innerhalb des Unternehmens (Intraorganisati- abend) Rücksicht nimmt (Intrarollenkonflikt).
onskonflikte) und als Gruppenkonflikte, wenn Familie, Vorsitzender des Sportvereins,
Mitarbeiter eines Teams miteinander in Streit aktiver Sportler
geraten oder Kolleginnen und Kollegen mit Der Familienvater ist stellvertretender Vorsit-
Entscheidungen ihres Vorgesetzten nicht zender des Sportvereins und zugleich Mit-
einverstanden sind (Intragruppenkonflikt). glied der Fußballmannschaft. Am Samstag-
Ein Intergruppenkonflikt liegt vor, wenn nachmittag soll die Feier zum 18. Geburtstag
Gruppen und Abteilungen aneinander geraten. seines Sohnes stattfinden. Zur selben Zeit
Viele soziale Konflikte basieren auf den Rol- findet eine Vorstandssitzung (zu der der
len, die der Einzelne in der Gesellschaft, in Stellvertreter des Vorsitzenden erscheinen
der Familie und im Unternehmen einnimmt. muss, weil dieser erkrankt ist) statt und ist das
Die Soziologie benutzt das Wort „Rolle“ zur Punktspiel seiner Mannschaft vom Verband
Erklärung eines sozialen Verhaltens und hat angesetzt. Zwangsläufig kommt es hier zu
herausgefunden, dass sich Menschen in einer Konflikten.
bestimmten Rolle sehen oder aber in sie hin-
eingedrängt werden.
Wie Psychologen Konflikte sehen
Bisher waren Konflikte nicht gern gesehen, schrei-
ben die Psychologen Anne und Bernhard Eul
Gombert im IK. Mittlerweile hat hier allerdings ein
Umdenkungsprozess begonnen. Sie begründen das
mit den Umbrüchen der letzten dreißig Jahre.
396 Personalwesen

beinflusster Sektor Entstehungsbereich Zum einen waren die volks- und betriebswirt-
Ent- Individuum soziales institututio- schaftlichen Rahmenbedingungen sowie das ge-
stehungs- Zusam- neller Rah- sellschaftliche Selbstverständnis gravierenden
bereich menwirken men Wandlungsprozessen unterworfen, zum anderen
Individuum persönliche Anpas- Anpassungs- haben sich gerade auch unter dem Einfluss der
Vorurteile, sungsproble probleme an gesellschaftlichen Werteverschiebungen Sichtwei-
Rivalität, me, soziale vorgegebene sen und Bewertungen des Phänomens Konflikt
Feindschaft, Vorurteile, Ordnungen
ergeben, die vor einer Generation noch undenkbar
Abneigung von der und Werthal-
Norm tungen
waren (siehe auch Kapitel 1, Abb. 90).
abweichen- • Gleichrangige Mitarbeiter diskutieren in Stä-
des Verhal- ben, Arbeitsgruppen oder Teams häufig als
ten
Spezialisten Problemlösungen, stimmen Pla-
soziales Spannungen Spannungen Spannungen
nung ab etc.
Zusammen- zwischen zwischen zwischen
wirken Verhaltens- verschiede- Einzel- und • Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse
anforderun- nen Interes- Gruppenzie- werden so weit wie möglich und sinnvoll auch
gen und sengruppen len sowie auf niedrige Hierarchieebenen delegiert.
Rollen Betriebszielen
und Verhal- • Der Führungsstil hat sich von einer Befehls-
tensnormen Gehorsams-Philosophie zu dialog- und argu-
institutio- Konflikte Kommuni- Kompetenz- mentationsorientierten Leistungsphilosophien
neller bei Nonnen kations- streitigkeiten hin entwickelt, die mit flacheren Hierarchien
Rahmen und Wert- probleme, auskommen.“*
haltung, Kommuni-
Betriebs- kations- Konflikte sind seltener geworden und können
zwänge, schwierig- leichter abgebaut werden, wenn sie nicht persönli-
Autoritäts- keiten cher Natur sind. Im Übrigen gehen junge Men-
probleme schen mit Konflikten besser um, denn sie bieten
Abb. 47: Formen von Mehrpersonen-, oftmals ein Eignungsprofil an, das einem moder-
Gruppen oder Organisations- nen Anforderungsprofil entspricht, dessen Schwer-
konflikten punkte auf Flexibilität, Kreativität, Initiative,
Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsbe-
(in Anlehnung an: Fürstenberg, F.: Grundla-
reitschaft ausgerichtet sind.
gen der Betriebssoziologie, Köln/Opladen)
Abb. 48: *Pressebericht
Konfliktlösungen hängen von der Konflikt- Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
stärke und der Situation ab, in der sie aufge-
treten sind. Rein sachliche Konflikte (z.B.
wenn es um den Einsatz von eigenen Mitar- Aufgabe
beitern oder von fremden Anbietern bei Re-
30. a) Zur Managementstrategie gehört es,
novierung eines Lagerraumes geht) regulieren
sachliche Konflikte unter den Mitar-
sich durch Diskussion beinahe von selbst, wenn
beitern zu fördern. Geben Sie ein
bei den Konfliktparteien bei zwei konkurrie-
Beispiel für einen sachlichen Kon-
renden Maßnahmen Klarheit über deren Wirt-
flikt, und begründen Sie, warum die-
schaftlichkeit gewonnen wird. Oft wird bei
se Konfliktart Teil einer positiven
sachlichen Konflikten auch die Entscheidung
Konfliktstrategie der Unternehmens-
der Vorgesetzten gesucht, wenn es zu keiner
leitung ist!
Einigung unter den „Streithähnen“ kommt.
b) Suchen Sie sich ein Feld der Matrix
(Abb. 47) heraus, und erläutern Sie
die hier dargestellten Konflikte!
7. Personaleinsatz 397

Für eine positive Konfliktlösung müssen alle


am Konflikt Beteiligten gewonnen werden.
Das setzt voraus, dass allen Konfliktparteien
ein positives Ergebnis in Aussicht gestellt
wird. Oft hilft ein so genannter Konfliktma-
nager, ein innerbetrieblicher Schiedsrichter,
der als Vertreter eines Konfliktmanagements
zur Objektivität verpflichtet ist und in keinem
Fall im Konflikt einbezogen sein darf.
Der Gesetzgeber hat in § 76 des BetrVG Be-
stimmungen über eine Einigungsstelle festge-
schrieben. Sie soll Meinungsverschiedenhei-
ten zwischen AG und Betriebsrat ausräumen.
„Damit existiert eines der wenigen Beispiele
eines vorrangig auf Schlichtung ausgelegten
Konfliktlösungsmechanismusses, der formell
gesetzlich normiert ist“, schreibt M. Domsch
in Gablers Magazin, und der innerbetrieblich
wirksam wird. Allerdings wird die Einigungs-
stelle selten Einzelkonflikte der Mitarbeiter
aufgreifen. Hierzu ist dann der Betriebsrat da.
Ein Konflikt aus dem Sport
Beim Versuch, mit neuen Spielern die Qualität im
Kader zu verbessern und zu verbreitern, kam nach
der Verpflichtung de Jongs Neid auf. So forderte
Thimothee Atouba mehr Geld, nachdem das angeb-
liche 2,5 Mio Euro-Gehalt von de Jong öffentlich
gemacht wurde. Dass der gebürtige Amsterdamer
nach seinem Wechsel von Ajax sofort die Position
auf der „Sechs“ im defensiven Mittelfeld überneh-
men durfte und diese zu Saisonbeginn noch mal
erfolgreich medial einklagte, registrierten Mitspieler
wie Raphael Wicky nicht mit Wohlwollen.
Abb. 49 a: Konflikt in der Fussball-
Bundesliga Abb. 49 b: Konfliktlösungsstrategien in
(Hamburger Abendblatt vom 16. 10.06) Anlehnung an Bisani

Aufgabe
30 b) Wie würden Sie den Konflikt in der
Fussball-Bundesliga bezeichnen? Ist
ein vergleichbarer Konflikt in Be-
trieben vorstellbar? Bitte um Be-
gründung.
398 Personalwesen

7.3.3 Weitere Aufgaben beim Aufgabe


Personaleinsatz 31. a) Erläutern Sie die Begriffe „job en-
Anhand der bisherigen Aussagen, der Bei- largement“, „job rotation“ und „job
spiele und Abbildungen sind Umfang, Bedeu- enrichment“!
tung und wesentliche Teile des Personalein- b) Welche Voraussetzungen müssen
satzes skizziert worden. Die Veränderungs- Arbeitnehmer mitbringen, wenn sie
prozesse – von außen und innen in Gang im Rahmen eines „job rotation“ ein-
gesetzt – erfassen den Betrieb in der Regel gesetzt werden?
global. Das setzt auch bei denjenigen, die für Fragen zur ergonomischen Arbeitsplatz-
diesen Sektor tätig sind, voraus, dass sie e- gestaltung
benso denken können (siehe auch Personal-
entwicklung). Neue Arbeitsmethoden ziehen Die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers
eine andere Arbeitsgestaltung nach sich. und Höhe und Qualität seiner Arbeitsleistung
Meist heißt das, dass Aufgaben neu definiert hängen in besonderem Maße von den Bedin-
werden, was mit weiteren Stellen verbunden gungen des Arbeitsplatzes ab. Kann man den
sein kann bzw. was sie möglicherweise an- Arbeitsplatz an die Maße des menschlichen
ders ausrichtet. Sollen Aufgaben z.B. zentrali- Körpers (anthrometrische Anpassung) anpas-
siert oder dezentralisiert und horizontal und sen (Arm- und Fußstützen, individuell ange-
vertikal gegliedert werden (siehe 1. Kapitel passte Griffformen)? Kann man Arbeitsmetho-
Aufbauorganisation unter Organisationsfor- de und Arbeitsbedingungen an den menschli-
men sowie Abb. 113 und 114), sollen Arbeit- chen Organismus (Lärm, Temperatur u.a.)
nehmer immer wiederkehrende Arbeiten angleichen (physiologische Angleichung)?
verrichten oder Aufgabenbündel erledigen? Außerdem beeinflusst die psychologische,
Letzteres führt zu den bekannten Organisati- informationstechnische und sicherheitsbeding-
onsformen wie job rotation und job enlar- te Anpassung die menschliche Arbeitsleistung.
gement. Davon sind dann viele Menschen,
Stellen und Abteilungen betroffen.
Beim Personaleinsatz können aber ebenso
Entscheidungen notwendig werden, die tat- Aufgabe
sächlich nur einen Arbeitsplatz bzw. ein Büro, 32. a) Finden Sie heraus, was unter der psy-
vielleicht auch eine Abteilung betreffen. So chologischen, der informationstech-
muss immer wieder über die Arbeitsplatz- nischen und der sicherheitsbedingten
gestaltung nachgedacht werden, deren Ein- Anpassung zu verstehen ist!
zelkomponenten oft unvereinbar miteinander
sind, so, wenn sicherheitsbedingte Faktoren b) Welche Folgen hat eine mangelnde
eine technologische Arbeitsplatzgestaltung informationstechnische Anpassung?
einschränken. Generell geht es bei der Aus- c) Prüfen Sie Ihre Unternehmung , ob
stattung des Arbeitsplatzes um zwei wesentli- Räume und Möbel ergonomisch aus-
che Ziele: gerichtet sind.
• Arbeitnehmer müssen sich am Arbeits- d) Nennen Sie weitere Beispiele. Bitte
platz wohl fühlen, an dem sie täglich bis beschreiben Sie diese.
zu acht Stunden verbringen.
7. Personaleinsatz 399

• Arbeitsplatz (mit seinen technischen und Der Arbeitsunfall – Begriff


sonstigen Mitteln) und Umfeld müssen „Er ist ein im ursächlichen Zusammenhang
eine hohe Arbeitslastung zulassen. mit der Arbeit stehendes, unerwartet und
Abschließend sei auf den Arbeits- und Ge- plötzlich eintretendes Ereignis, das zu Kör-
sundheitsschutz hingewiesen. Arbeitsschutz perschäden bzw. Verletzungen durch Gegens-
und Unfallverhütung sind inzwischen so be- tände, die von außen auf den Körper einwir-
deutende Bestandteile des Personaleinsatzes ken, führt, Sachschäden zur Folge hat oder
geworden, dass sie aus – selbst kleinsten – den normalen Betriebsablauf stört bzw. unter-
Unternehmen nicht mehr wegzudenken sind. bricht und durch raum-zeitliches Zusammen-
Auch wenn es bei ihnen keine Betriebsärzte treffen sicherheitswidriger Zustände oder
gibt und keine besonders hierfür abgestellten Umstände und/oder sicherheitswidrige Ver-
Beauftragten, so hat sich jeder Unternehmer halten verursacht wird.“ (Burkardt.)
und Manager mit den Fragen des Gesund-
heitsschutzes und der Arbeitssicherheit zu
beschäftigen. Ergänzendes zum Personaleinsatz und
Betriebsverfassungsgesetz
Arbeits- und Gesundheitsschutz (Arbeitssi-
cherheitsorganisation) werden durch Das Betriebsverfassungsgesetz enthält sehr
viele Vorschriften, die den Personaleinsatz
• gesetzliche Vorschriften betreffen. So obliegt dem Arbeitgeber nach §
• das Interesse der im Unternehmen 81 BetrVG die Pflicht, den „Arbeitnehmer
arbeitenden Menschen (Leitung, über dessen Aufgaben und Verantwortung
Belegschaft – vertreten durch den sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre
Betriebsrat) unddes Unternehmens und Einordnung in den Betriebsablauf des Betrie-
• durch die Art
bes zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer
seine Größe
vor Beginn der Beschäftigung über die Un-
bestimmt. Träger der Sicherheitsorganisation fall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser
sind Betriebs- bzw. Werksärzte und Fachkräf- bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie
te für Arbeitssicherheit. Beide arbeiten mit über die Maßnahmen und Einrichtungen zur
dem Betriebsrat eng zusammen. Abwendung dieser Gefahren zu belehren.“
Ebenso hat der Gesetzgeber in den §§ 82, 83,
90, 91 und 106 BetrVG Vorschriften fixiert,
die sich auf den Arbeitsablauf, auf die Ar-
Zusammenfassung beitsumgebung und auf Veränderungen be-
Mit dem Personaleinsatz sind Aufgaben ziehen, wenn eine andere Organisation die
verschiedenster Art und Qualität verbun- hergebrachte umwälzt und eine Umstellung
den. Grundlegende technische und organi- des Arbeitnehmers erforderlich macht. In
satorische Veränderungen erfassen den diesem Fall ist allerdings vorausgesetzt, dass
Betrieb meist global und wirken sich auf ein Wirtschaftsausschuss institutionalisiert ist,
viele Mitarbeiter aus. Es gibt aber auch und das ist nur in größeren Unternehmen mit
genügend begrenzte Lösungen, die einen mehr als einhundert Arbeitnehmern der Fall.
Arbeitsplatz angehen oder einen Aufga- Fest steht, dass ein Arbeitnehmer dem Unter-
benträger (der neue Computer, das neue nehmen bei Veränderungen seines Arbeits-
Gestühl, erweiterte Verantwortung etc.) platzes, seines Arbeitsumfeldes und seiner
Aufgaben nicht schutzlos ausgeliefert ist.
400 Personalwesen

8. Die Personalbetreuung an zwei Beispielen


8.1 Allgemeines Zusätzliche Information zum Begriff Per-
sonalentwicklung
Der Begriff Personalbetreuung ist so viel- Die Personalentwicklung umfasst alle bil-
schichtig und wird so unterschiedlich in Praxis dungs- und stellenbezogenen Maßnahmen
und Theorie benutzt, dass von einer Definition (Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung,
Abstand genommen werden muss. Zu ihr wer- Verwendungsplanung und -steuerung, Auf-
den im Allgemeinen Personalführung, Perso- stiegsplanung und -steuerung, Stellvertre-
nalverwaltung, Personalentwicklung und Per- tungsregelungen etc.), die zur Qualifizierung
sonalbeurteilung und betriebliches Gesund- der Mitarbeiter und Führungskräfte dienen und
heitswesen gezählt. Fragen aus der Führung sich stützen auf Informationen über Personen
sind im ersten Kapitel (Geschäftsführung) (Eignungs- und Fähigkeitsprofile, Leistungen,
geklärt und können auf die Personalführung Potenziale etc.), Organisationseinheiten (An-
übertragen werden. Auch die Personalverwal- forderungsprofile) und relevante Märkte (Bil-
tung ist in diesem Kapitel bereits explizit ange- dungs- und Arbeitsmärkte u.a.). Die Personal-
sprochen worden, lässt sich aber auch aus entwicklung versteht sich einerseits mitarbei-
anderen Funktionen, wie zum Beispiel der terorientiert (die persönlichen Zielvorstellun-
Materialwirtschaft und Produktionswirtschaft, gen berücksichtigend) und andererseits unter-
ableiten. Im Übrigen ergeben sich Verwal- nehmensorientiert …“
tungsfragen ebenso bei der Finanzierung und
der Organisation. Aufgabe
33. a) Welche Aufgaben hat die Personal-
8.2 Personalentwicklung führung zu erfüllen?
b) Inwiefern hat auch die Personalver-
waltung Betreuungsfunktion?
Personalentwicklung stellt die Summe der
Maßnahmen dar, die der individuellen beruf- Zu den Zielen der Personalentwicklung
lichen Entwicklung der Mitarbeiter unter Die Personalentwicklung vermag durch ihren Ein-
Beachtung ihrer persönlichen Interessen und satz die unterschiedlichen Interessenlagen der Betei-
Fähigkeiten und der betrieblichen Ziele zu- ligten, also die der Unternehmung und die der Mitar-
kunftsorientiert dienen. beiter, in Einklang zu bringen. Die Unternehmenslei-
tung will vorrangig den Bestand an Fach- und Füh-
Ein Unternehmen ist kein Gebilde, das in rungskräften sichern und Nachwuchskräfte aus den
seinem Aufbau und in seinen Prozessen auf eigenen Reihen heranbilden, sodass eine größere
Dauer festgelegt ist. Es unterliegt sowohl Unabhängigkeit vom Arbeitsmarkt gegeben ist, die
inner- und außerbetrieblichen Einflüssen, die Mitarbeiter möchten einerseits die Ansprüche, die
das Unternehmen als Ganzes verändern. Aus der Arbeitsplatz an sie stellt, besser erfüllen, ande-
dieser Perspektive, aber auch aus der gesell- rerseits eine Grundlage für ihren persönlichen Auf-
schaftlichen und volkswirtschaftlichen lässt stieg aufbauen, oder sie möchten sich einfach nur
vervollkommnen und bisher ungenutzte persönliche
sich die Notwendigkeit einer betrieblichen Fähigkeiten entdecken, die sie möglicherweise zu
Personalentwicklung begründen. anspruchsvolleren Aufgaben bzw. zur größeren
Selbstverwirklichung führen. Die Gesellschaft er-
wartet von der betrieblichen Bildung, dass sie das
staatliche Bildungswesen unterstützt, spezielle Bil-
dungsinhalte vermittelt, die der Gesetzgeber nicht
erfüllen kann, und generell humane Ressourcen
aufdeckt und vergrößert
8. Die Personalbetreuung an zwei Beispielen 401

Drei Gründe seien genannt: Aufgabe


• Die Personalentwicklung sorgt für die 34. Nennen Sie weitere Gründe, die eine Per-
Anpassung der Qualifikationen der Mit- sonalentwicklung erforderlich machen!
arbeiter an die sich verändernden Anfor-
derungen (oft auf technische und organi-
satorische Neuerungen zurückzuführen).
• Generell wird heute gesagt, dass Men-
schen ein Leben lang lernen und dass
deshalb Betriebe eine lernende Organi-
sation sein müssen, um konkurrenzfähig
zu bleiben. Trägt ein Unternehmen dieser
Maxime Rechnung, dann trägt die Perso-
nalentwicklung zur Sicherung des Unter-
nehmens und der Arbeitsplätze in der
Zukunft bei.
Abb. 50: Pressebericht
• Ein gutes betriebliches Bildungswesen
Quelle: iwd
mit seinen vielseitigen Möglichkeiten zur
Fortbildung wirkt motivationsfördernd
und leistungsstimulierend. Beispiele von Bildungsangeboten der
DMW AG
Zur Personalentwicklung gehören – wie auch
zu allen Organisationsangelegenheiten und Offene Seminare
wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen – Hierbei handelt es sich um die im firmeninter-
drei Phasen: nen Leistungsangebot ausgedruckten Veran-
staltungen. Die Teilnahme richtet sich im We-
• die Planungsphase
sentlichen nach Inhalten, Zielgruppen und
• die Realisationsphase Funktionsebenen. Charakteristisch an offenen
• die Kontrollphase. Seminaren sind relativ homogene Teilnehmer-
gruppen aus unterschiedlichen Unternehmens-
Die Planungsphase setzt Informationen über bereichen. Die Umsetzung der Lerninhalte am
die Ziele der Unternehmung, über die Ziele Arbeitsplatz wird bei der DMW AG sehr stark
ihrer Mitglieder, über Anforderungsprofile, vom jeweiligen Vorgesetzten unterstützt.
über Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie über
das Leistungsvermögen der Belegschaft vor- Funktionsspezifische Maßnahmen
aus. Meist liegen Beurteilungen der Mitarbei- Die DMW AG hat Programme entwickelt, die
ter vor. Oft existieren Protokolle und andere sich an eine definierte Zielgruppe wenden.
Niederschriften über die Arbeit der im Unter- Die Absicht ist dabei, die Zielgruppe durch
nehmen vorhandenen Qualitätszirkel, die auf eine Reihe von aufeinander abgestimmten
die Eignung der Mitarbeiter schließen lassen. Maßnahmen innerhalb eines Zeitraumes von
Zusammen mit Laufbahnvorgaben und Bedar- 2–3 Jahren für eine spezifische Aufgabe zu
fen in Einzelfunktionen und Abteilungen qualifizieren. Es werden Gruppen gebildet,
lassen sich im Rahmen der beruflichen Fort- die für die Gesamtdauer der Maßnahme weit-
bildung* die in Frage kommenden Instrumen- gehend zusammenbleiben. Das bietet die
te (Realisation) festlegen. Möglichkeit, innerhalb der Seminare Arbeits-
gruppen zu bilden (Transfergruppen), die
zwischen den einzelnen Maßnahmen zum
* In der Bildung werden Fort- und Weiterbildung Zwecke der Vertiefung, des Austausches von
Erfahrungen etc. zusammenkommen.
nicht synonym verwendet.
402 Personalwesen

Prozessbegleitende Maßnahmen
Aufgrund der fortwährenden Veränderungen,
Ausrichtungen auf dem Markt und Optimie-
rungen der Strukturen finden bei der DMW
AG ständig strategische Prozesse statt. Dies
gilt für Aktivitäten besonders bei Umorgani-
sationen, Restrukturierungsmaßnahmen, der
Einführung neuer Verfahren, der Installation
neuer Arbeitsformen. Die Bildungsprogram-
me sind als flankierende Maßnahmen zu ver-
stehen. Sie werden z. B. als Seminare und
besonders gern als Workshops geführt.

Aufgabe
35. a) Sehen Sie sich in Ihrem Unterneh-
men die Personalentwicklung an,
und stellen Sie deren Ziele heraus!
b) Was verstehen Sie unter so genann-
ten Coachings und Workshops?

Zur betrieblichen Ausbildungsplanung


Abb. 51: Arten der betrieblichen Bildung Für jeden Ausbildungsberuf ist eine staatliche
Verordnung erlassen worden, nach der ausge-
Das Bildungsangebot der Unternehmen, aber bildet werden muss. Derartige Verordnungen
auch das von externen Instituten und Anbie- sind das entscheidende Ordnungsmittel der
tern ist so vielseitig, dass den individuellen Ausbildung. Sie enthalten Festlegungen und
und betrieblichen Erfordernissen beinahe Vorschriften über
überall Rechnung getragen werden kann. staatliche Anerkennung des Ausbildungsberu-
Eine Zentralstellung der betrieblichen Bil- fes
dung nimmt die Ausbildung junger Menschen • Ausbildungsdauer
ein. Die betriebliche Ausbildung soll junge
Menschen zu einer möglichst breit ausgeleg- • Ausbildungsberufsbild
ten fachlichen Qualifikation und zur Selbst- • Ausbildungsrahmenplan
ständigkeit und Eigenverantwortung am Ar- • Ausbildungsplan
beitsplatz führen und zusammen mit der
schulischen Bildung (beide zusammen als • Berichtsheft
duale Berufsbildung verstanden) einerseits • Zwischenprüfung, Abschlussprüfung
die erstrebte Berufsqualifikation (z. B. Indust-
riekaufmann) erwerben lassen, andererseits • Übergangsregelungen.
fähig machen, auch bei Firmenwechsel einen Im Ausbildungsrahmenlehrplan sind u. a. in
anderen Arbeitsplatz mit anderen Aufgaben chronologischer Reihenfolge die zu vermit-
erfolgreich auszufüllen. Das setzt den Erwerb telnden Kenntnisse und Fertigkeiten aufgelis-
von Schlüsselqualifikationen voraus. tet.
8. Die Personalbetreuung an zwei Beispielen 403

8.3 Die Mitarbeiterbeurteilung Ergänzungen zum Begriff


Persönlichkeitsbeurteilung
8.3.1 Begriff und Dimension Bei der Persönlichkeitsbeurteilung steht die
Beurteilung charakterlicher Eigenschaften des
Mitarbeiterbeurteilungen in Unternehmen
Mitarbeiters im Vordergrund. Es wird davon
stellen Einschätzungen der Leistungen und
ausgegangen, dass wesentliche Charakter-
der Verhaltensweisen der Arbeitnehmer dar.
merkmale die Arbeitsleistung bestimmen.
Sie sind Bewertungen der Mitarbeiter, die
Sind diese einmal erkannt und beurteilt wor-
sowohl in verbaler Form als auch in Ziffern
den, können die zukünftige Arbeitsleistung
aufgestellt werden.
und das zukünftige Arbeitsverhalten prognos-
Mitarbeiterbeurteilungen bilden die Grundla- tiziert werden.
ge für eine personalwirtschaftliche Strategie.
Leistungsbeurteilung
Sie sind das Führungsinstrument der Leitung
über die Belegschaft. Mit ihnen werden viele Die Leistungsbeurteilung vergleicht ein beob-
Ziele verfolgt, von denen einige genannt achtbares und beschreibbares Arbeitsergebnis
seien. Sie dienen mit einem Soll. Je nach Höhe des festgelegten
Solls ist das Ist dann Indikator der geschafften
• der Führung zur richtigen, gerechteren
Leistung. Die Leistungsbeurteilung ist immer
und besseren Nutzung der Mitarbeiterpo-
eine Ergebnisbeurteilung. Werden Normal-
tenziale
leistungen – im Polaritätsprofil als „0“ ausge-
• als Basis für eine leistungsbezogene wiesen – als Basis des Solls bestimmt, dann
Lohn- und Gehaltsfindung entspricht jedes Mehr, das ein Mitarbeiter
• dem gezielten Personaleinsatz, einschließ- schafft, einem Entfernen von der Durch-
lich der internen Personalbeschaffung schnittsleistung hin zu Höchstleistungen (im
bzw. der Beendigung von Profil dann als + 3 oder + 6 erscheinend). Vor-
Arbeitsverhältnissen aussetzung allerdings ist, dass die Leistungen
messbar sind, und das ist bei Qualitätsfragen,
• der sinn- und planvollen Personalentwick- mit denen Arbeitsleistungen in der Regel ver-
lung bunden sind, außerordentlich schwierig.
• der Kontrolle aller personalpolitischen Potenzialbeurteilung
Entscheidungen.
Die Potenzialbeurteilung ist eine Eignungs-
Ihre Dimensionen haben eine Tragweite, die und Befähigungsbeurteilung und schließt
ihnen zu einer Zentralstellung im Personalwe- meist die so genannte Entwicklungsbeurtei-
sen verhalfen. Und sie haben Auswirkungen, lung ein. Letztere soll feststellen, inwieweit die
die in alle Funktionen des Unternehmens Qualifikation des Mitarbeiters mit den Anfor-
hineinwirken, wenn auf ihrer Grundlage Per- derungen am Arbeitsplatz übereinstimmt. Eine
sonalentscheidungen getroffen werden. höhere Qualifikation offenbart das Potenzial
Statt „Mitarbeiterbeurteilung“ wird oft das für Stellen mit höheren Anforderungen.
Wort Personalbeurteilung gewählt. Dieses
schließt die Beurteilung der Bewerber ein.
404 Personalwesen

Abb. 52: Beispiel einer Mitarbeiterbeurteilung

Aufgabe
36. a) Welche zehn Beurteilungsmerkmale
würden Sie für die Einschätzung ei-
ner Führungskraft nennen? Welche
von diesen sind Ihrer Meinung nach
am wichtigsten?
b) Deuten Sie die folgenden Texte aus
einer Beurteilung:
„ … bemühte sich stets, den Anfor-
derungen gerecht zu werden“
Abb. 53: Dimensionen einer Mitarbeiter-
beurteilung nach Harlander u. a. „ … das Verhalten im Kollegenkreis
war tadellos“
„ … verstand es, die Aufgaben mit
8.3.2 Hauptmerkmale einer
vollem Erfolg zu delegieren“
Beurteilung bei Mitarbeitern
in der Verwaltung „ … wir wünschen für die Zukunft
alles Gute, vor allen Dingen Ge-
Die meisten Unternehmen haben eigene Beur- sundheit“
teilungsvorstellungen entwickelt, lehnen sich Beispiel:
aber oft an bekannte Schemata an, in denen
nach Beurteilungszeiten bei der DMW AG
• Fachkönnen Die DMW AG unterhält ein umfassendes und
übersichtliches Beurteilungssystem. Regel-
• geistigen Fähigkeiten mäßige Beurteilungen werden für alle Mitar-
• Zusammenarbeit (bei Bedarf) beiter jedes Jahr abgegeben, anlassbedingte
zu entsprechenden Zeiten, also bei Umset-
• Führungsqualitäten zung, bei Kündigung oder bei Übertragung
unterschieden wird. neuer Aufgaben.
8. Die Personalbetreuung an zwei Beispielen 405

Beispiel
Sachbearbeiter im Einkauf der DMW AG
Die Leistungsbeurteilung des Sachbearbeiters
(Abb. 52) weist insgesamt einen Punktestand
von 115 aus. Nur „Insider“ wissen, wie hoch
die zu erreichende Punktzahl je Beurtei-
lungsmerkmal ist. Es ist hier davon auszuge-
hen, dass alle drei Beurteilungsräume dieselbe
Höchstpunktzahl erreichen lassen. Sie beträgt
54. Da alle Merkmale gleich gewichtet sind,
aber eine unterschiedliche Punktzahl ausma-
chen, verfügt der Beurteilte über gewisse
Stärken (Einsatzbereitschaft) und Schwächen.
Die Gesamtpunktzahl von 115 erreichten von
insgesamt 162 erreichbaren Punkten lässt den
Schluss einer befriedigenden „Note“ zu, weil
Abb. 54: Beurteilungsmerkmale für die circa zwei Drittel des Solls erreicht worden
Zusammenarbeit sind.

8.3.3 Verfahren zur Die Objektivität von Beurteilungen


Leistungsbeurteilung Die gesamte menschliche Wahrnehmung von Perso-
nen ist möglichen Täuschungen ausgesetzt. So wie ein
Als einfachste Form der Leistungsbeurteilung Mensch mit einem versandfertigen Brief in seiner
gilt die freie Beschreibung des Leistungs- Tasche auf seinem Weg mehr Briefkästen wahrnimmt
verhaltens und der Leistungsergebnisse der als üblicherweise, so wird auch Verhalten, das wir
Mitarbeiter. Vorschriften gibt es nicht. Dem von anderen erwarten, leichter wahrgenommen.
Vorteil einer individuellen Einschätzung steht Voreinstellungen zu einer Person wirken sich dadurch
der Nachteil einer fehlenden Vergleichbarkeit wie eine „self-fulfilling prophecy" aus. Tendenziell
werden deshalb beispielsweise Fehler bei „guten“
gegenüber. Stellt die Beurteilung gleichzeitig Mitarbeitern leichter übersehen als bei leistungs-
eine verbale Beschreibung des Verhaltens dar, schwächeren. Aber auch Vermutungen über das
hat derjenige, der sie zur Grundlage von Ent- Zusammenwirken verschiedener Größen beeinflussen
scheidungen machen möchte, Auslegungs- die Wahrnehmung. So werden Brillenträger gelegent-
schwierigkeiten, denn er weiß nicht genau, lich von Versuchspersonen im Durchschnitt als intel-
ligenter eingeschätzt als Normalsichtige. Auch non-
was sich der Beurteiler bei dieser oder jener
verbale Signale wie Mimik oder Körperhaltung
Ausdrucksweise gedacht hat. bestimmen weitgehend unbewusst die Wahrnehmung
So genannte „strukturierte“ oder „gebun- anderer Personen, ohne dass daraus tatsächlich objek-
dene“ Verfahren zur Mitarbeiterbeurteilung tive Unterschiede im Verhalten abzuleiten wären.
gehen von dem Grundsatz der Vergleichbar- Abb. 55: Ein Personalchef plaudert aus
keit aus. Vorgegebene Merkmale sind in dem Nähkästchen
Rangreihen geordnet und erlauben jeweils
eine Punktzahl einzutragen, die bei Addition Aufgabe
zu einer Gesamtsumme führt (siehe Abb. 52).
37. Es gibt auch Einwände gegen jede Leis-
tungsbeurteilung. Können Sie einige
Einwände erläutern?
406 Personalwesen

Aufgaben
38. a) Sehen Sie sich die Beurtei-
lungsmerkmale für den Ar-
beitseinsatz an! Würden Sie
alle gleich gewichten? Kön-
nen Sie Vorschläge zur Ge-
wichtung unterbreiten?
b) Beurteilen Sie diese Mitar-
beiterin: Frau Lisbeth König
beherrscht ihr Arbeitsgebiet
entsprechend den Anforde-
rungen. Sie erledigte ihre
Aufgaben mit Umsicht und
Engagement. Ihre gesellige
Art ist in Mitarbeiterkreisen
sehr geschätzt. Darüber hin-
aus wusste sie sich auch gut
zu verkaufen. Im Laufe der
Jahre hat sie ihre Kenntnisse
weiterentwickelt.

Abb. 56: Leistungsbeurteilung

Das Verfahren wird Einstufenverfahren Zu den Beurteilungszuständigkeiten


genannt. Es ist ein analytischer Weg, der Eine Beurteilung wird meist durch den direk-
beschritten wird. Mit der Eintragung wird ten Vorgesetzten vorgenommen. Er als Beur-
sichergestellt, dass alle Mitarbeiter nach glei- teiler kennt am besten den Zweck der Beurtei-
chen Merkmalen und gleichen Maßstäben lung und meist auch Leistungsvermögen und
eingeschätzt werden. Es ist unbrauchbar, Leistungsergebnis seiner Mitarbeiter. In man-
wenn einzelne Arbeitsplätze eine andere Ge- chen Fällen werden als Beurteiler Fachleute
wichtung der Rangstufen erfordern, so, wenn eingesetzt, die nicht dem Unternehmen ange-
im Vordergrund der Arbeit nicht die Menge, hören (externe Beurteiler), manchmal sind es
sondern die Qualität steht. Daher hat es sich Kollegen, die ein Urteil über Mitarbeiter
als praktikabel erwiesen, im ersten Schritt die abgeben (Kollegenbeurteilung), oft muss sich
Merkmale nach Punkten einzuordnen und sie der zu Beurteilende selbst beurteilen, einer
im zweiten Schritt im Verhältnis zu den ande- Selbstauskunft unterziehen, von z.B. Banken
ren zu gewichten. Dabei kann auf jeden nicht bei Kreditanträgen praktiziert. Allen Mög-
vergleichbaren Arbeitsplatz, der vorher analy- lichkeiten haften Schwächen an, auf die z.T.
siert sein muss, eine individuelle Gewichtung hingewiesen wurde.
erfolgen. Hierbei wird vom Mehrstufenver-
fahren gesprochen. „Das Gewicht“, schreibt Es sei aber dennoch hervorgehoben, dass die
Bröckermann, „eines Merkmals ergibt sich Beurteilung durch einen Vorgesetzten – selbst
daraus, in welchem Umfang es Leistung und wenn der Beurteilte zu den Aussagen Stellung
Verhalten der Beschäftigten beeinflusst. Wis- nehmen kann außerordentlich fragwürdig ist,
senschaftlich begründbare Regeln gibt es wenn man sie a) nicht quantifizieren kann
(allerdings) nicht.“ oder b) wenn der Beurteiler voreingenommen
ist. Letzteres ist häufig der Fall.
9. Das Arbeitsentgelt 407

9. Das Arbeitsentgelt

9.1 Der Elementarfaktor


Arbeit

Der Mensch ist Mittelpunkt der Wirtschaft.


Von ihm geht fast alles aus. Er ist der Impuls-
geber für Neues, er sucht nach bisher nicht
bekannten Rohstoffen, er erfindet bessere
Maschinen, entwickelt schnellere Verfahren,
steuert die Natur mit Eingriffen in die Pflan-
Abb. 57 a: Die Besonderheit des Arbeits-
zen- und Tierwelt und macht durch die mo-
entgelts
dernen Medien von sich reden. Er ist in den
Betrieben das Kapital (Humankapital), das sie Aufgabe
voranbringen kann, zu größeren Umsätzen
führt und ihnen mehr Geltung verschafft. 39. a) Wie werden die Einkommen der
Dass sich allerdings sein Einsatz verändert folgenden Personenkreise üblicher-
hat, steht außer Frage. weise genannt? Rechtsanwälte, Ärz-
te, Schauspieler, Versicherungsmak-
Wie eh und je beziehen Arbeitnehmer für die ler, Aktionäre, Rentner und Vertreter
geleistete Arbeit ein Entgelt. Dieses ist ihr
Einkommen (aus der Arbeitsleistung). Es ist b) Finden Sie heraus, was sich hinter
der Preis für den Elementarfaktor Mensch, so dem Begriff „Unternehmerlohn“ ver-
wie die Zinsen der Preis für das Kapital und birgt!
die Pacht der Gegenwert für die Inanspruch- Ergänzende Informationen zu den Perso-
nahme von Boden sind. Trennte man früher nalkosten
noch Lohn und Gehalt, und Lohn erhielten Die Personalkosten eines Unternehmens set-
gewerbliche Arbeitnehmer, das Gehalt gab es zen sich aus folgenden Einzelpositionen zu-
für kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten, so sammen:
wird dieser Unterschied heute nicht mehr • Löhne/Gehälter
gemacht (die Begriffe Lohn und Gehalt sind • Provisionen für Vertreter
daher synonym zu verwenden). • tarifliche Sozialkosten
Das Arbeitnehmereinkommen aus der Ar- • freiwillige Sozialkosten
beitsleistung bildet die Grundlage für die • gesetzliche Sozialkosten.
Bedarfsdeckung der Haushalte. Je nach An-
zahl der Haushaltsmitglieder, nach den drin-
genden Bedürfnissen, die zufrieden gestellt
Beruf/Westdeutschland Einkommen Stunde
werden müssen, und den Wünschen, die dar-
mtl. brutto brutto
über hinaus vorhanden sind, bestimmt die
Busfahrer 2.081 EUR 12,65 EUR
Höhe des Arbeitsentgelts das im Haushalt Informatiker 3.598 EUR 21,87 EUR
Machbare. Zweifellos geht der Ehrgeiz der Koch 1.329 EUR 8,08 EUR
Arbeitnehmer dahin, zukünftig einen höheren Verkäuferin 1.416 EUR 8,60 EUR
Lohn als in der Vergangenheit zu beziehen. Zahntechniker 1.906 EUR 11,58 EUR
Dagegen haben Arbeitgeber ein Interesse Abb. 57 b: Bruttoeinkommen verschiede-
daran, die gegenwärtige Lohnhöhe einzufrie- ner Berufsgruppen (Quelle:
ren, wenn nicht zu verringern. Bild 2006)
408 Personalwesen

Denn Löhne stellen für sie Kosten dar, und Noch komplizierter werden die Differenzie-
Kosten belasten den Preis. Je höher die rungen bei gesetzlichen, tariflichen und frei-
Stückkosten, desto höher meist auch der willigen Sozialkosten (auch als Sozialleistun-
Preis, der vom Käufer gefordert werden muss. gen bezeichnet):
Zu den gesetzlichen Sozialkosten zählen:
9.2 Bestimmungsfaktoren der • Rentenversicherung
Lohnhöhe • Krankenversicherung
• Arbeitslosenversicherung
Der individuelle Lohn ist vom gesamtwirt- • Berufsgenossenschaftsprämien
schaftlichen Lohnniveau, d.h. von der in einer • Konkursausfallgeld
Volkswirtschaft gezahlten durchschnittlichen • Mutterschaftsgeld
Lohnhöhe, abhängig. • Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversi-
cherung
Die das Lohnniveau bewegenden Größen
• Ausgleichsabgaben für Schwerbehinderte
stammen vornehmlich aus der Volkswirt-
schaft. Es sind Preisniveauveränderungen Den tariflichen Sozialkosten gehören an:
einerseits und das Wirtschaftswachstum ande- • tarifliches Urlaubsgeld
rerseits. Außerdem ist für das aktuelle Lohn- • tarifliche Jahresleistungen (Treueprä-
niveau und für die Lohnhöhe des einzelnen mien)
Arbeitnehmers auch die jeweilige Arbeits- • Kontoführungsgebühr
marktlage von Bedeutung. In Zeiten der Voll-
• vermögenswirksame Leistungen.
beschäftigung lassen sich Lohnerhöhungen
leichter durchsetzen als in Zeiten einer Unter- Die freiwilligen Sozialkosten umfassen:
beschäftigung. Bei einer hohen Arbeitslosig- • Jubiläumsgelder
keit fallen daher Lohnerhöhungen nur spär- • Essensgeldzuschüsse
lich aus, wenn sie überhaupt zustande kom- • Prämien für Vorschläge (Vorschlagswe-
men. Mangelberufe erzwingen höhere Löhne, sen)
weil Arbeitgeber für sie mehr zahlen als die • Fahrtkostenzuschläge
Tarife es vorsehen, nur, um solche qualifizier-
• Betriebsausflüge
ten Mitarbeiter für sich zu gewinnen.
• Beihilfen bei Tod, Geburten, Hochzeiten
Neben diesen gesamtwirtschaftlichen Größen • Weiterbildung
wird die Lohnhöhe auch von sogenannten • Pensionsrückstellungen
individuellen Faktoren des einzelnen Mitar- • betriebliche Zahlungen für Lebensversi-
beiters beeinflusst. cherungen.
So kommt es darauf an, welche Arbeitsanfor- Als Personalzusatzkosten lassen sich alle
derungen bei der Bewältigung der Aufgaben Aufwendungen definieren, die zwar mit dem
an einem Arbeitsplatz gestellt werden, welche Personal zusammenhängen, nicht aber mit der
Arbeitsleistungen und wie viele zu erbringen tatsächlich geleisteten Arbeit direkt in Ver-
sind, und schließlich spielen auch soziale bindung zu bringen sind. Man unterscheidet
Faktoren eine Rolle, so zum Beispiel der hier die gesetzlichen Personalzusatzkosten
Familienstand, Dauer der Betriebszugehörig- sowie tarifliche und betriebliche (siehe Abb.
keit u.a. 59). Die gesetzlichen Personalzusatzkosten
stimmen mit den gesetzlichen Sozialkosten
überein.
9. Das Arbeitsentgelt 409

Aufgabe
40. Für die geleistete Arbeit wird nicht nur
ein Bruttolohn gezahlt, sondern es addie-
ren sich für den Betrieb zusätzlich soge-
nannte Lohnnebenkosten oder Personal-
zusatzkosten hinzu, wie die Grafik unten
aufzeigt. Der größte Posten bei den Ne-
benkosten sind die gesetzlich vorge-
schriebenen Arbeitgeberbeiträge zur So-
zialversicherung, also die Renten-, Ar-
beitslosen-, Kranken- und Pflegeversi-
cherung. Sie summieren sich auf 26,80
EUR (West) und 27,60 EUR (Ost) je 100
EUR Direktentgelt. Die Bundesregierung
bemüht sich darum, die Arbeitslosenver-
Abb. 58: Einflussfaktoren auf den Lohn sicherung zu verringern. Welche Folgen
hätte eine Verringerung der gegenwärti-
9.3 Arbeitsrechtliche gen Arbeitslosenversicherungsquote von
6,5 % auf 4,2 % des Bruttolohns für Ar-
Grundlagen beitgeber und Arbeitnehmer?
Beispiel:
9.3.1 Aus dem Privatrecht Personalkosten der DMW AG
Der Gesetzgeber hat schon sehr früh die gesetz- Die Personalkosten der DMW AG betrugen
lichen Grundlagen für die Entlohnung gelegt. im Jahre 2005 circa 560 Mio. Euro. Bei einem
Sowohl das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als Umsatz von ungefähr 900 Mio. Euro macht
auch das Handelsgesetzbuch (HGB) enthalten das über 60 % aus. Das war zu viel. Daimler-
Vorschriften, die aus dem vergangenen Jahr- Benz ebenso wie BMW arbeiten mit 20–25 %
hundert (1896/l897) stammen. So wird nach Personalkosten vom Umsatz. Inzwischen ist
dem BGB § 611 derjenige, welcher Dienste die DMW AG auch bei einem Prozentsatz
zusagt, zur Leistung dieser Dienste und der von 27 angelangt. Das war mit erheblichen
andere Teil zur Zahlung für diese Dienste ver- Anstrengungen verbunden.
pflichtet. Diese sehr allgemeine
Formulierung wird im HGB in § 64
für Handlungsgehilfen, also kauf-
männische Angestellte, präzisiert,
indem es heißt: „Die Zahlung des
dem Handlungsgehilfen zukom-
menden Gehalts hat am Schluss
jedes Monats zu erfolgen. Eine
Vereinbarung, nach der die Zahlung
des Gehalts später erfolgen soll, ist
nichtig.“

Abb. 59 Personalzusatzkosten
410 Personalwesen

9.3.2 Tarifrechtliche Regelungen Beispiel:


Kollektives Arbeitsrecht Entgeltregelungen der Chemie-Industrie
Hessen
Die Entwicklung von Gewerkschaften und der
Abschluss von Tarifverträgen unterstrichen in Die Chemische Industrie vereinbarte in ihrem
der Vergangenheit und unterstreichen auch Tarifvertrag insgesamt 13 Entgeltgruppen.
noch heute die einzelvertraglichen Abmachun- Bei den Gruppen eins bis acht erfolgt keine
gen und die gesetzlichen Bestimmungen. Aufsplittung nach gewerblichen oder kauf-
männischen Mitarbeitern beziehungsweise
Tarifverträge nach Tätigkeitsjahren. Dagegen wird bei den
Der Tarifvertrag ist ein schriftlicher Vertrag Entgeltgruppen neun bis 13 in kaufmänni-
zwischen den Tarifparteien (Sozialpartnern), in sche, technische und Meistertätigkeiten unter-
dem Vorschriften über den Inhalt von Arbeits- schieden. Je nach Berufsjahren ist dann die
verträgen, insbesondere Entlohnung und Ar- Unterteilung in Anfangssatz, Satz nach zwei
beitsbedingungen, verbindlich geregelt sind. Er beziehungsweise nach vier beziehungsweise
stellt damit für die meisten Arbeitnehmer die nach sechs Tätigkeitsjahren in der Gruppe
rechtlichen Grundlagen für das Arbeitsver- vorgesehen.
hältnis dar. Zur tarifmäßigen Vergütung kann noch eine
Manteltarifverträge leistungsabhängige, individuelle Zulage ge-
Sie enthalten Bestimmungen über wöchentli- währt werden. Das Bruttoentgelt setzt sich
che Arbeitszeit, Pausen, Urlaubsdauer, ver- daher aus dem Entgelt gemäß Tarifvertrag und
mögenswirksame Leistungen, Zuschläge für der leistungsabhängigen Zulage zusammen.
Nacht-, Sonntags- und Mehrarbeit, die beruf-
liche Weiterbildung etc. Aus einem Arbeitsvertrag
§ 5 Entgelt
In den Manteltarifverträgen sind Vorschrif-
1. Unter Eingruppierung in die tarifliche Gehalts-
ten zusammengefasst, die im Allgemeinen gruppe … auf der Grundlage des derzeitig gültigen
längere Zeit gleich bleiben; diese Verträge Tarifgehalts von … erhält Frau/Herr … folgendes
haben deshalb längere Laufzeiten (meist meh- Arbeitsentgelt:
rere Jahre) oder gelten unbefristet, jedoch mit Tarifgehalt Gruppe K/T … EUR
vereinbarten Kündigungsfristen. Tarifl. Leistungszulage EUR
Lohn- und Gehaltstarifverträge übertarifl. freiw. Zulage EUR
Sie enthalten die Einzelheiten über Lohn- und EUR
Gehaltstarife und über die Tarifgruppen. Sie Gesamtgehalt EUR
werden in regelmäßigen Abständen den ver- =================
änderten wirtschaftlichen Verhältnissen ange- Übertarifliche Gehaltsbestandteile werden freiwil-
glichen. Daher haben sie relativ kurze Lauf- lig, jederzeit nach freiem Ermessen widerruflich und
zeiten (12 bis 18 Monate). längstens für die Laufdauer des jeweiligen Gehalts-
abkommens gewährt. Die Firma … behält sich vor,
Auch für die Auszubildenden gibt es Tarife die übertarifliche Zulage jederzeit neu festzusetzen,
über die Ausbildungsvergütung, die je nach und zwar rückwirkend, wenn und so weit eine Tarif-
Ausbildungsstufe und -jahr gestaffelt sind. lohnerhöhung rückwirkend in Kraft tritt.
2. Durch die übertarifliche Zulage nach § 5 Nr. 1
werden … Überstunden abgegolten.
9. Das Arbeitsentgelt 411

9.3.3 Betriebsvereinbarung Fragen zum gerechten Lohn


Auch Betriebsvereinbarungen zwischen Ist es berechtigt, dass zwei Arbeitnehmer mit
Arbeitgeber und Betriebsrat gelten als den gleichen Tätigkeiten, die sie an unter-
Rechtsgrundlage für eine Entgeltpolitik, je- schiedlichen Orten leisten, voneinander abwei-
doch ist ihr Spielraum relativ eng. So finden chenden Lohn (durch Ortszuschläge) erhalten?
sich in ihnen meistens nur Hinweise auf die Ist es gerechtfertigt, dass die Ecklöhne einer
Anwendung bestimmter Lohnformen, Rege- Branche (z.B. Metall) höher als die einer
lungen über die Auszahlungswege und den anderen (z.B. Bau) sind?
Einsatz von Beurteilungsverfahren. Kann man gutheißen, dass der Gesetzgeber
Lohnzuschüsse in strukturschwachen Gegen-
9.4 Die Arbeitsbewertung den bezahlt?
Berechtigt die Betriebszugehörigkeit bei Ar-
beitnehmern mit vergleichbarer Tätigkeit zu
9.4.1 Grundlagen einem Lohnaufschlag?
Arbeitgebern und Arbeitnehmern, vielfach
vertreten durch Gewerkschaft, Betriebsrat,
Arbeitsdirektor und sich selbst, geht es bei der Aufgabe
Besoldung immer darum, eine gerechte Ent- 41. a) Machen Sie sich in Ihrem Betrieb
lohnung zu finden, deren wichtigste Größe kundig, ob bei gleichen Tätigkeiten
die Leistung sein dürfte, die die Arbeitskraft Männer und Frauen gleich bezahlt
erbringt. werden!
Trotz gleicher oder angenäherter Ansichten b) Lassen Sie sich erklären, wie der
über die Bestimmungsfaktoren eines gerech- Unterschied begründet wird.
ten Lohnes, die sich, wie schon ausgeführt,
aus den Anforderungen zusammensetzen, die
an eine Arbeitskraft gestellt werden, aus den
Leistungen, die sie erbringt, aus den besonde-
ren Arbeitsbedingungen und aus den sozialen
Verhältnissen werden neben den gesamtwirt-
schaftlichen weitere Gesichtspunkte genannt,
die für einen gerechten Lohn von großer Be-
deutung sind. Dazu zählen z.B. die Branchen,
die geografische Lage, die Betriebsgröße, die
Stärke der Tarifpartner, Regierungsmaßnah-
men u.a. Welchen Stellenwert sie im Rahmen
der Lohnbestimmung einnehmen, sei hier
nicht untersucht, jedoch sei darauf hingewie-
sen, um die Tragweite „eines gerechten Loh-
nes“ herauszustellen.
In die Fragen der Lohngerechtigkeit werden
auch solche der Mitbeteiligung der Arbeit-
nehmer am Betriebsergebnis oder am Unter- Abb. 60: Voraussetzungen zur Lohnge-
nehmensergebnis einbezogen (siehe auch rechtigkeit
Abschnitt 9.6).
412 Personalwesen

9.4.2 Verfahren zur Beschreibung von Lohngruppen – Beispiele*


Arbeitsbewertung Gruppe 7
Die Lohnhöhe des einzelnen Mitarbeiters Arbeiten, deren Ausführung ein Können vor-
wird in Industriebetrieben maßgeblich durch aussetzt, das erreicht wird durch eine entspre-
die Anforderungen des Arbeitsplatzes be- chende ordnungsgemäße Berufslehre (Fach-
stimmt. arbeiten).
Die Arbeitsplatzbewertung hat die Aufgabe, Arbeiten, deren Ausführung Fertigkeiten und
die Arbeitsplätze hinsichtlich unterschiedli- Kenntnisse erfordert, die Facharbeiten
cher Leistungsanforderungen zu untersuchen gleichzusetzen sind.
und zu bewerten. Gruppe 10

9.4.2.1 Die summarische Arbeiten höchstwertiger Art, die hervorra-


Arbeitsplatzbewertung gendes Können mit zusätzlich theoretischen
Kenntnissen, selbstständige Arbeitsausfüh-
Eine summarische Arbeitsplatzbewertung rung und Dispositionsbefugnis im Rahmen
betrachtet die Arbeitsaufgabe als Ganzes. Sie des gegebenen Arbeitsauftrages bei besonders
zerlegt sie nicht in einzelne Anforderungen. hoher Verantwortung erfordern.
Beim summarischen Rangfolgeverfahren
werden sämtliche im Betrieb vorkommenden * Auszug aus dem Lohnrahmenabkommen
Tätigkeiten katalogisiert. Danach werden sie verschiedener Industriezweige von NRW
durch direkten Vergleich der Schwierigkeit
nach in eine Rangfolge gebracht. Die schwie-
rigste steht obenan, die leichteste am Ende der Aufgabe
Rangfolge. Die Anforderungen werden hier- 42. Formulieren Sie mit eigenen Worten,
bei nicht gewichtet. Da im summarischen warum es außerordentlich schwierig ist,
Rangfolgeverfahren die Leistungsanforderun- den Wert einer getanen Arbeit einzu-
gen in einem globalen, nicht differenzierten schätzen und ihr danach einen „Lohn“
Bewertungsvorgang ermittelt werden, ist die zuzuweisen!
Gefahr eines Fehlurteils groß. Außerdem sagt
die Rangfolge der Arbeitsplätze nichts über
die Höhe der Lohnabstufungen aus. Zu den Anforderungsarten
Das Lohngruppenverfahren geht einen Es gibt viele Anforderungsarten, die an eine
anderen Weg. Bei ihm werden zunächst Arbeitskraft gestellt werden. Das Genfer
Lohngruppen definiert und erläutert. Die Schema hat sich insgesamt als besonders
Erläuterungen enthalten Hinweise über Aus- praktikabel erwiesen.
bildung und Erfahrung, die ein Mitarbeiter
einer Lohngruppe haben muss. Außerdem
wird der Katalog durch Richtbeispiele er- Können Belastung
gänzt, durch die eine Vielzahl der in der
geistige Anforderungen X X
betreffenden Branche vorkommenden Tätig-
keiten beschrieben wird. körperliche Anforderungen X X

Verantwortung X
Arbeitsbedingungen X
9. Das Arbeitsentgelt 413

Sind im Betrieb die einzelnen Stellen nach Das Können stellt den höchsten Grad einer
ihren Tätigkeiten erfasst, lassen sie durch Tätigkeit dar. Unberücksichtigt bleiben Dauer
einen Vergleich mit den beschriebenen Lohn- und Häufigkeit des Einsatzes. So muss ein
gruppen eine Zuordnung zu ihnen zu. Sachbearbeiter in der Organisation Arbeits-
plätze analysieren können. Wie lange er dazu
9.4.2.2 Die analytische benötigt, um einen Arbeitsplatz zu durch-
Arbeitsplatzbewertung leuchten, und wie viele Arbeitsplätze von ihm
Die analytische Arbeitsplatzbewertung beurteilt werden, steht hier außer Frage. Die
zerlegt die Arbeit in einzelne Anforderungsar- Belastung dagegen bezieht die Dauer einer
ten, bewertet diese getrennt voneinander, Beanspruchung und die Häufigkeit mit ein.
gewichtet die bewerteten Anforderungsarten Da Verantwortung und Arbeitsbedingungen
und errechnet durch Addition aller Einzelwer- unabhängig vom Können in Anspruch ge-
te den Gesamtarbeitswert. nommen werden, gelangt man zu sechs
Hauptanforderungsarten.
Die analytische Arbeitsplatzbewertung kennt
zwei Verfahren, nämlich das
• analytische Rangreihenverfahren und Beispiel:

• das analytische Stufenwertzahlverfahren. Bewertung körperlicher Anforderungen


Stundenfaktor
Beim Rangreihenverfahren wird eine Rang- Wertzahl x Std.faktor =
reihe der Anforderungen, z.B. von 1 bis 100, Punktwert 1,0 1,1 1,4
festgelegt. Die Rangreihe wird im Betrieb 1. ohne Hand- 1,20 1,32 1,68
durch den Vergleich aller vorkommenden fertigkeit, keine
Tätigkeiten des Unternehmens ermittelt. Er- besonderen An-
forderungen
fordert die Tätigkeit z.B. höchste körperliche
Beanspruchung, bekommt sie den Wert 100, 2. normale Hand- 3,60 3,96 5,04
Anforderungsstufen

fertigkeit, kurze
bei nur geringer Beanspruchung erhält sie den Übung
Wert 10. Auf diese Weise werden unter-
3. Handfertigkeit 6,00 6,60 8,40
schiedliche Beanspruchungsdifferenzen in die bei mehreren
Bewertung einbezogen. Die unterschiedliche Operationen
Bedeutung der einzelnen Anforderungsarten 4. große Hand- 8,40 9,24 11,76
ist durch eine Gewichtungsziffer zu berück- fertigkeit, prä-
sichtigen. zises Arbeiten
Das analytische Stufenverfahren geht nicht 5. Handfertigkeit, 10,80 11,88 15,12
langjährige
von Rangreihen, sondern von Anforderungs-
Übung, völlige
stufen mit unterschiedlichen Wertziffern aus. Körper-
Die Wertziffern werden mit einem Stunden- beherrschung
faktor, z.B. 1,0, multipliziert. Durch Addition Die Stundenfaktoren 1,2; 1,3; 1,5 sind ausgelassen.
der Punktwerte ergibt sich eine Gesamtpunkt-
zahl, die die Grundlage für die Einordnung in
eine bestimmte Lohngruppe ist.
414 Personalwesen

9.5 Entlohnungsformen Das vorliegende Beispiel enthält 5 Anforde-


rungsstufen. Die Wertdifferenz beträgt von
Stufe zu Stufe 2,4. Da die Belastung zeitlich
Durch die Berücksichtigung der Anforde- kurz oder auch dauerhaft sein kann, werden
rungsschwierigkeiten am Arbeitsplatz ist die die Wertziffern mit einem Stundenfaktor
Zuordnung zu einer Lohngruppe geregelt. multipliziert. Erfordert die Tätigkeit nur eine
Damit ist ein hoher Grad an Anforderungsge- kurze Belastungszeit, dann ist der Stunden-
rechtigkeit erreicht. Nun geht es darum, dem faktor 1,0 die Grundlage weiterer Berechnun-
Prinzip der Leistungsgerechtigkeit nachzu- gen. Alle Wertziffern entsprechen dieser
kommen. Sie kann mit der Wahl der richtigen Rubrik, d.h., die in der Spalte 2 ausgewiese-
Lohnform erreicht werden. nen Zahlen sind mit der Wertziffer identisch.
Bei dauerhafter Belastung ist der Stundenfak-
tor 1,5. Bei fast dauernder Belastung 1,4.
Dementsprechend sind die Mittelwerte gebil-
det. In der Übersicht sind nur drei verschiede-
ne Stundenfaktoren berücksichtigt, in Wirk-
lichkeit sind es insgesamt sechs. So ist z.B.
die Tätigkeit „Gewindedrehen“ in die Anfor-
derungsstufe 4 einzuordnen. Beansprucht das
Gewindedrehen an dem zu bewertenden Ar-
beitsplatz 80 % der gesamten Tätigkeit, so ist
die Wertziffer 8,4 mit dem Stundensatz von
1,4 malzunehmen. Der Rest der Tätigkeit
entfällt auf normale Handfertigkeit, Wertzahl
3,6. Wird der Gewindedreher während dieser
Zeit etwas mehr als normal belastet, dann
wird der Stundenfaktor nicht 1,0, sondern
möglicherweise 1,1 sein. Die Rechnung sieht
nun so aus:
Tätigkeit Anforde- Wertziffer Stunden- Punktwert
rungsstufe faktor
Gewinde 4 8,4 1,4 11,76
drehen
Arbeit 2 3,6 1,1 3,96
vorbereiten
Punktzahlen 15,72
Zu diesen Punkten werden die Punktezahlen der
anderen Anforderungen addiert. Die gesamte Punktzahl
Abb. 61: Lohnformen aller Anforderungen führt zum Lohnsatz.

Der Zeitlohn ist ein Arbeitsentgelt, das sich


nach der Dauer der geleisteten Arbeitszeit
bemisst. Es wird trotzdem in der Regel keine
reine Anwesenheitsprämie gezahlt, vielmehr
wird, ohne es ausdrücklich zu sagen, arbeits-
Aufgabe
vertraglich die Normalleistung vereinbart 43. Welche Kritik lässt sich zu diesem Ver-
und erwartet. fahren anbringen?
9. Das Arbeitsentgelt 415

Der Leistungslohn richtet sich nach der er- Hinweise zur Normalleistung nach REFA
brachten Arbeitsleistung. Eine leistungsab-
Unter REFA-Normalleistung bei gewerbli-
hängige Entlohnungsform setzt voraus, dass
chen Mitarbeitern wird eine Bewegungsaus-
• der Mitarbeiter die Mengenleistungen führung verstanden, die dem Beobachter
verändern kann hinsichtlich der Einzelbewegungen, der Be-
• die Güte der Arbeitsleistungen nicht wegungsfolge und ihrer Koordinierung be-
beeinträchtigt werden darf sonders harmonisch, natürlich und ausgegli-
chen erscheint. Sie kann erfahrungsgemäß
• die Tätigkeitsart exakt bestimmt und die von jedem im erforderlichen Maße geeigne-
Durchführung klar festgelegt sein muss ten, geübten und voll eingearbeiteten Arbeiter
• der Mitarbeiter durch die höhere Leistung auf die Dauer und im Mittel der Schichtzeit
nicht gesundheitsmäßig oder durch höhe- erbracht werden, sofern er die für die persön-
re Unfallgefahren gefährdet werden darf. lichen Bedürfnisse und gegebenenfalls auch
für die Erholung vorgegebenen Zeiten einhält
Beim Akkordlohn wird der Mitarbeiter für
und die freie Entfaltung seiner Fähigkeiten
die geleistete Arbeitsmenge entlohnt, und
nicht behindert wird.
zwar dient das Mengenergebnis der Arbeit als
Berechnungsgrundlage für die Lohnhöhe. Der
Akkord weist einen unmittelbaren Leistungs- Aufgabe
bezug auf, wobei ein proportionaler Zusam- 44. a) Bei welchen Arbeiten sollte ein
menhang zwischen erbrachter Mengenleis- Zeitlohn angewandt werden?
tung und Lohn besteht. Beim Stückakkord b) Nennen Sie Vor- und Nachteile
wird für jedes Arbeitsstück ein bestimmter dieser Lohnform!
Geldbetrag vorgegeben. Der Stückakkord
wird auch Stückgeldakkord genannt. c) Der Zeitlohn mit Zulagen hat sich
nicht recht bewährt. Woran liegt
Der Stückzeitakkord beschreitet einen ande- das?
ren Weg. Bei ihm bestimmt zwar auch die
Leistungsmenge die Lohnhöhe, jedoch wird Beispiel:
für jede Leistungseinheit eine Vorgabezeit
vergütet, ein so genannter Zeitakkordsatz. Stückakkord
Multipliziert man die Gesamtleistung mit dem Leistungsmenge = 2 000 Stück
Zeitakkordsatz (= Vorgabezeit), erhält man Akkordsatz = 1,00 Euro je Leistungseinheit
die Gesamtvergütungszeit. Danach muss man
diese mit einem Geldsatz pro Minute (Minu- Monatslohn = 2 000 x 1,00
tenfaktor) malnehmen und gelangt danach = 2000 Euro
zum Bruttoarbeitslohn. Bei der Berechnung des Akkordsatzes je Leis-
Vorgabezeiten werden durch Arbeitszeitstu- tungseinheit ist zunächst von einem garantier-
dien ermittelt. Mit einer Stoppuhr werden die ten Mindestlohn auszugehen. Dieser ist in Ta-
unterschiedlichen Zeiten einer bestimmten rifverträgen festgeschrieben. Ihm wird ein
Tätigkeit bei verschiedenen Arbeitskräften bestimmter Prozentsatz zugeschlagen (Ak-
gemessen. kordzuschlag).
416 Personalwesen

Da die tatsächlich erbrachte Leistung (Ist) der garantierter Mindestlohn 9,00 EUR
einzelnen Arbeitskräfte unterschiedlich ist, + Akkordzuschlag 25 % 2,25 EUR
muss der Zeitnehmer gleichzeitig den Leis-
tungsgrad der Arbeitskräfte schätzen, also Akkordstundenlohn 11,25 EUR
beurteilen, ob die Testperson eine sehr schwa- : Normalleistung je A.stunde 11,25 Stk.
che, schwache, ausreichende, befriedigende Akkordsatz je Leist.einheit /D 1,00
oder gute Leistung bzw. sehr gute Leistung
erbringt. Entsprechend wird der Leistungsgrad Der Akkordstundenlohn wird durch eine mit
eingestuft und mit der Istleistung multipliziert. Hilfe von Zeitstudien ermittelte Normalleis-
Aus der Summe aller erbrachten Leistungen tung geteilt. Als Quotient erhält man den
unter Berücksichtigung ihrer Leistungsgrade Akkordsatz je Leistungseinheit.
kommt man so zur Normalleistung pro Stunde.
Beispiel:
Der Gruppenakkord wird überall dort an-
gewandt, wo die Arbeitsleistung von einem Gruppenakkord bei der DMW AG
Team erbracht wird. Auf der Grundlage der Die DMW AG hat in ihrem modernsten Werk
Gruppenleistung wird zunächst ein Gruppen- in den neuen Ländern den Gruppenakkord-
lohn, entweder nach dem Stückgeldakkord lohn eingeführt. Jede Gruppe konnte ent-
oder dem Stückzeitakkord, berechnet, der scheiden, wie der gesamte Gruppenlohn auf
dann nach einem Schlüssel für die einzelnen die Gruppenmitglieder umgeschlagen werden
Mitglieder der Gruppe verteilt wird. soll. Dabei hat sich der größte Teil der Teams
Der Prämienlohn ist auch ein Leistungslohn. dafür ausgesprochen, eine gleichmäßige Be-
Während der Akkordlohn nur angewandt zahlung aller Mitglieder vorzusehen, zumal in
werden kann, wenn die Leistungen in Men- den Gruppen an wechselnden Arbeitsplätzen
geneinheiten gemessen werden können, wer- gearbeitet wird (job rotation). Jedoch ist man
den beim Prämienlohn neben Mengenleistun- übereingekommen, Altersunterschiede bei der
gen auch Geschwindigkeits- und Qualitäts- Verteilung zu berücksichten.
leistungen einbezogen. Aufgabe
Grundsätzlich ist die Prämie ein prozentualer 45. a) Es wird behauptet, dass Gruppenak-
Aufschlag zum Grundlohn. Der überwiegende kord das Zusammengehörigkeitsge-
Teil des Lohnes besteht aus einem festen fühl der Gruppenmitglieder fördert.
Grundlohn (Fixum). Eine Prämie wird nur für Können Sie diese Meinung teilen?
die Mehrleistung gezahlt. Die Vorteile einer
Prämie liegen auf der Hand. Prämien verrin- b) Halten Sie die Lösung der Gruppen-
gern die Fluktuation, wirken sich auf die akkordvergütung bei der DMW AG
Qualität der Arbeit aus und motivieren Ar- für sinnvoll?
beitnehmer, noch sorgsamer bei ihrem Einsatz
zu sein. Das Problem allerdings ist und bleibt Ergänzung zu Prämienlohn
der Verteilungsschlüssel. Prämien werden z. B.
Prämien werden oft auch im Einzelhandel • für hohe Ausbringungsmengen
vereinbart, z.B. in Kaufhäusern. Dabei wer- • für geringen Materialabfall
den Prämien für außergewöhnliche Umsätze • für sparsamen Energieverbrauch
gewährt. • für termingerechte Fertigung
• für geringe Fehlzeiten
• für geringe Ausschussquoten und
• für hohe Qualität
gezahlt.
9. Das Arbeitsentgelt 417

9.6 Die Mitbeteiligung der


Arbeitnehmer

Die betriebliche Leistung ist das Ergebnis des


Zusammenwirkens der Elementarfaktoren,
also auch aller Menschen, die in der Prozess-
kette eingebunden sind. Jeder Faktor verur-
sacht Kosten, und sie werden – wenn der
Markt dies hergibt – über den Preis vergütet.
Das Kapital hat Anspruch auf Zinsen, der
Unternehmer auf Unternehmerlohn, der Ar-
beitnehmer auf Entgelt für seine Arbeitsleis-
tungen, für den Boden ist eine Pacht zu zah-
len etc. Sind alle Faktoren aus der Prozessket- Abb. 62: Arten der Erfolgsbeteiligung
te entgolten bzw. ersetzt worden, und ver-
bleibt dem Unternehmen dann noch ein Rest- Aufgabe
betrag (Umsatz abzüglich aller Kosten sowie
46. Verfolgen Sie Presseberichte über Er-
der Zinsen für das eingesetzte Eigenkapital),
folgsbeteiligung, Kapitalbeteiligungen
dann taucht die Frage auf, wem dieser zu-
und Investivlöhne! Versuchen Sie hier-
steht. Die Ansichten hierüber gehen ausein-
über auch anderweitig Material zu be-
ander. Viele Unternehmen haben das Problem
kommen, und stellen Sie die Inhalte die-
gelöst, indem sie die Mitarbeiter am Ergebnis
ser Beteiligungsarten mit Vor- und
des Unternehmens beteiligen. Dabei werden
Nachteilen dar!
grundsätzlich Erfolgs- und Kapitalbeteiligung
unterschieden, wobei eine Erfolgsbeteiligung Beispiel:
zu einer Kapitalbeteiligung führen kann. Mitbeteiligung bei der DMW AG
Die Erfolgsbeteiligung hat zu vielen Spielar- Die DMW AG hat ihre Mitarbeiter schon von
ten der Mitbeteiligung geführt. Im Mittel- Beginn ihrer Existenz an am Ergebnis betei-
punkt steht meistens der Gewinn, und da ligt. Bisher wurden Ergebnisanteile nach
dieser sowohl aus der Zwecksetzung gespeist Veröffentlichung der Geschäftsberichte, spä-
wird (vereinfacht Umsätze abzüglich der für testens zum 30. Juni eines jeden Jahres, aus-
die Umsätze aufgewandten Kosten = Leis- gezahlt. Daneben gibt es Urlaubs- und Weih-
tungsgewinn) als auch aus Geschäften, die nachtsgeld sowie Treueprämien für langjähri-
nichts oder nur wenig mit dem Zweck zu tun ge Mitarbeiter.
haben, wird meistens der Leistungsgewinn als
In diesem Jahr hat der Vorstand einen neuen
Grundlage für eine Mitbeteiligung gewählt.
Beteiligungsvorstoß unternommen. Er hat
Die Mitbeteiligung der Arbeitnehmer am gefordert, fünfzig Prozent der Gewinnbeteili-
Erfolg des Unternehmens wirft zwar viele gung, die durch eine Betriebsvereinbarung
Fragen auf, so, wer zu beteiligen ist, so, wie abgesichert ist, für Investitionen einbehalten
hoch die Gesamtbeteiligung sein soll und was zu wollen und die Mitarbeiter mit ihren Be-
der Einzelne bekommt, so, in welcher Form trägen zu stillen Gesellschaftern zu machen.
die Beteiligung stattfinden soll, grundsätzlich
aber ist sie ein Beitrag zur Lohngerechtigkeit. Aufgabe
47. Wägen Sie Vor- und Nachteile für das
Unternehmen und die Mitarbeiter ab!
418 Personalwesen

9.7 Die Lohnzahlung Die Lohnsteuer


Das Bruttoentgelt, ergänzt um die Zuschläge,
Die Zahlung des Lohnes erfolgt in der Regel wie zum Beispiel die Leistungszulage, und
monatlich. Er wird nachträglich gezahlt. Der vermindert um die in der Lohnsteuerkarte ein-
Auszahlungsbetrag oder der Nettolohn ist getragenen Freibeträge, bildet die Grundlage
weit geringer als das vereinbarte Entgelt, der für die Ermittlung der Lohnsteuer. Sie kann in
Bruttolohn. der Jahreslohnsteuer-Abzugstabelle bei Be-
rücksichtigung der Steuerklasse unter dem zu
Zur Ermittlung und Abrechnung stehen dem versteuernden Bruttoentgelt abgelesen werden.
Personalbüro
Der Solidaritätszuschlag
• Lohnsteuerkarte
Um die Kosten der deutschen Einheit zu fi-
• Anmeldebestätigung der Krankenkasse nanzieren, wurde der Solidaritätszuschlag
und eingeführt. Seit 1. Januar 1995 kassiert der
• die Jahreslohnsteuer-Abzugstabelle Staat 7,5 Prozent der Einkommensteuer zu-
sätzlich – allerdings gibt es „Milderungsgrün-
zur Verfügung.
de“. Befreit bleiben Steuerzahler, die sich in
Das Bruttogehalt ist Basis für die Berechnung der Nullzone bewegen. Ende 2004 läuft der
der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslo- Solidaritätspakt mit den ostdeutschen Ländern
senversicherung. In diesen vier Fällen zahlt ab. 2005 beginnt der Solidarpakt II.
der Arbeitgeber noch Mal den gleichen Bei-
Die Kirchensteuer
trag wie der Arbeitnehmer. Die Krankenkasse
ist der Empfänger dieser Zahlung und über- Mit der evangelischen beziehungsweise katho-
weist sie an den Träger weiter. lischen Kirche ist vertraglich rechtlich geregelt,
dass sie neun Prozent von der Lohnsteuer als
Die Abzüge teilen sich in zwei Abrechnungs-
Kirchensteuer erhält. Die Kirchensteuer wird
kreise. Die Lohnsteuer bildet zusätzlich die
direkt an das Finanzamt abgeführt und dann mit
Grundlage für die Abrechnung des Solidari-
den Kirchen abgerechnet.
tätszuschlages und der Kirchensteuer. Emp-
fänger dieses Geldes ist das zuständige Fi- Die Krankenversicherung
nanzamt. Die Anmeldebestätigung der Krankenkasse
Die Abrechnung mit dem PC oder einer Da- zeigt, dass der Mitarbeiter krankenversichert
tenverarbeitungsanlage bringt wesentliche ist. Bisher wurden Arbeiterinnen und Arbeiter
Rationalisierungsmöglichkeiten. Über einmal bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse als
vergebene Personalnummern (Schlüsselnum- Pflichtkrankenkasse versichert. Dies wurde
mern) werden alle Einzeldaten dem Mitarbei- abgeschafft. Seit 1996 kann jeder Beschäftig-
ter automatisch zugeordnet. Außerdem wer- te oder Auszubildende, der in das Berufsleben
den die Lohn-, Kirchensteuern und Sozialver- eintritt oder seinen Arbeitgeber wechselt,
sicherungsbeiträge vom System automatisch sofort Mitglied einer Ersatzkasse werden.
errechnet, in den Programmen sind die Steu- Die Art der Abrechnungen oder einbehaltenen
ern und Sozialversicherungsformeln gespei- Prämien werden neu geregelt. Die gegenwär-
chert, sodass die gewünschten Einzeldaten tige Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.
leicht errechnet werden können. Ein beson-
ders wichtiger Vorteil besteht darin, dass die
ermittelten Abrechnungsdaten automatisch
ausgedruckt werden können und jede Lohn-
und Gehaltsabrechnung mit einer Banküber-
weisung abgeschlossen werden kann.
9. Das Arbeitsentgelt 419

Mit Hilfe von einem Sammelbeleg erhält die Die Pflegeversicherung


Hausbank des Unternehmens die Anweisung
Ein langer und dorniger Weg war es, den das
zur Überweisung auf das Bankkonto des
Pflegeversicherungsgesetz (exakt: Gesetz zur
Mitarbeiters.
sozialen Absicherung des Risikos der Pflege-
bedürftigkeit – PflegeVG) benötigte, um in
Gehaltsschema für eine Halbtagskraft (West- seiner verabschiedeten Fassung die parlamen-
deutschland) – Kaufmännische Angestellte – tarischen Hürden zu nehmen. Sie ist jetzt die
Steuerklasse 1, keinen Kinderfreibetrag, evan- „Fünfte Säule“ der gesetzlichen Sozialversi-
gelisches Glaubensbekenntnis: cherung. Versicherungs- und beitragsrechtlich
gilt der Grundsatz: „Pflegeversicherung folgt
1. Bruttoentgelt 1102,00 EUR
der Krankenversicherung“. Alle Personen, die
abzüglich: krankenversichert sind, unterliegen der Versi-
2. Lohnsteuer, Steuerklasse 1 cherungspflicht in der Pflegeversicherung.
Der vom Arbeitgeber zu zahlende Anteil
gemäß Abzugstabelle 116,66 EUR
beträgt 0,85 %.
3. Solidaritätszuschlag
Daneben ist es ohne Bedeutung, ob der Kran-
5,5 % von der Lohnsteuer 6,41 EUR kenversicherungsschutz bei einer gesetzlichen
4. Kirchensteuer oder privaten Krankenversicherung besteht.
9 % von der Lohnsteuer 10,49 EUR Die Rentenversicherung
5. Krankenversicherung Die Rentenversicherung bietet dem Arbeit-
nehmer im Falle des Ausscheidens aus dem
7,7 %* vom Bruttoentgelt 84,85 EUR Arbeitsleben nach Erreichung der Altersgren-
6. Pflegeversicherung ze eine monatliche Rentenzahlung. Er kann so
0,85 % vom Bruttoentgelt 9,36 EUR seinen Lebensunterhalt nach einem erfüllten
Arbeitsleben bestreiten. Der vom Arbeitneh-
7. Rentenversicherung mer zu zahlende Anteil beträgt heute (2003)
9,8 % vom Bruttoentgelt 107,99 EUR 19,5 % vom Bruttoentgelt. Der Arbeitgeber
8. Arbeitslosenversicherung zahlt hiervon 50 %.
3,25 % vom Bruttoentgelt* 35,81 EUR Die Arbeitslosenversicherung
Nettoentgelt 731,13 EUR Im Falle der Arbeitslosigkeit tritt unter be-
stimmten Voraussetzungen (vergl. Hartz IV +
* Schätzung, Durchschnitt vor 2003 Arbeitslosengeld II) die Arbeitslosenversiche-
Abb. 63: Gehalt und Abzüge rung ein. Hierzu ist ein monatlicher Beitrag
von 6,5 Prozent des Bruttoentgelts abzufüh-
ren, wiederum mit einer 50-prozentigen Be-
teiligung des Arbeitgebers.
420 Personalwesen

Von einem Brutto-Arbeitsentgelt von insge- Aufgaben


samt 1102,00 EUR verbleiben dem Arbeit-
nehmer nur 731,13 EUR (Nettoentgelt), und 48. Besorgen Sie sich Unterlagen über die
das entspricht einem Satz von circa 66 %. Der Steuerklassen 2, 4 und 6! Versuchen Sie
Rest geht für Steuern und Sozialabgaben weg. auch herauszufinden, was unter Freibe-
Nun wissen wir, dass jedes Unternehmen für trägen auf der Lohnsteuerkarte zu verste-
seine Bediensteten i.d.R. denselben Betrag für hen ist!
die Sozialkosten (Renten, Kranken-, Arbeits- 49 Welche Wirkung haben die steigenden
losen- und Pflegeversicherung) aufbringen Sozialkosten auf die Betriebe?
muss, sodass seine Personalkosten um eben In Deutschland wird viel schwarz gearbeitet.
diese Beträge ansteigen. In unserem Fall Der Anteil des Gesamtwertes der Schwarzar-
beläuft sich die Gesamtbelastung der so er- beit am Bruttoinlandsprodukt nimmt stetig zu.
mittelten Personalkosten auf circa 1352 EUR Sektor 2003 in % in Mrd. EUR
Baugewerbe und Hand- 38 140,6
Daneben sind alle Arbeitgeber gezwungen, werk
Gewerbe und Industrie 17 62,9
Unfall-Versicherungsbeiträge für die Beleg- (Kfz, Maschinen)
schaft an die Berufsgenossenschaften zu ent- Dienstleistung
Hotels, Gaststätten 17 62,9
richten. Auch diese lassen sich als Teil der Unterhaltungs- und 13 48,1
Vergnügungsbranche
Personalkosten bezeichnen. Weitere sind der Sonstige Dienstleistungen 15 55,5
Abb. 59 zu entnehmen. (Nachhilfe, Friseur,
Putzen, Babysitten)
Dem Arbeitnehmer wird bei Berechnung der Gesamt 100 370,0

Steuern bescheinigt, dass er der Steuerklasse


1 angehört. Die Steuerklasse 1 gilt für ledige
und geschiedene Arbeitnehmer sowie für
verheiratete Arbeitnehmer, deren Ehegatten
im Ausland wohnen oder die von ihrem Ehe-
gatten dauernd getrennt leben.

Abb. 65: Schwarzarbeit: In Südeuropa ist Schwarzarbeit am stärksten verbreitet. Deutsch-


land liegt im Mittelfeld.
9. Das Arbeitsentgelt 421

Abb. 66: Historische Originallohnabrechnung der DMW AG mit persönlichen Abzügen

Aufgabe
50. a) Die Schwarzarbeit macht allen Län-
dern schwer zu schaffen. Überlegen
Sie, warum der Gesetzgeber immer
wieder nach neuen Möglichkeiten
sucht, um sie einzudämmen.
b) Welche Bedeutung messen Sie der
Altersentwicklung der deutschen
Bevölkerung für die Sozialversiche-
Abb. 67: Die Altersentwicklung. Die rung bei?
Deutschen werden immer älter. c) Gegenwärtig wird über den Mindest-
2030 wird bereits jeder dritte lohn diskutiert. Besorgen Sie sich
Bundesbürger über 60 Jahre alt hierzu Material und diskutieren Sie
sein. Die Zahl der Jungen hierüber.
nimmt hingegen rapide ab.
422 Personalwesen

10. Personalfreisetzung
10.1 Anlässe Tabakkonzern streicht 2600 Stellen
Winston-Salem - Der zweitgrößte US-
Ein Arbeitnehmer scheidet aus dem Unter- Zigarettenhersteller R.J. Reynolds Tobacco
nehmen aus, wenn streicht 40 Prozent der Stellen. Die 2600
x das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Arbeitsplätze sollen bei der Zigarettentochter
Einvernehmen gelöst wird R.J. Reynolds Tobacco Company und der
Konzernholding wegfallen, teilte das Unter-
x die im Arbeitsvertrag (Zeitvertrag) verein- nehmen mit. R.J. Reynolds will bis Ende
barte Beschäftigungsdauer abgelaufen ist 2005 unter anderem wegen des sinkenden
x der Arbeitnehmer in den Ruhestand tritt US-Absatzes 901 Millionen Euro sparen. Die
oder Mehrzahl der Stellen soll im vierten Quartal
2003 und im ersten Quartal 2004 wegfallen.
x entweder der Arbeitnehmer oder der Ar-
Reynolds will sich auf seine wichtigen Spit-
beitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt.
zenmarken Camel, Winston, Salem und Doral
konzentrieren, (dpa)
10.2 Kündigung im Abb. 68: Pressebericht – Entlassungen
gegenseitigen
Einvernehmen Zum Begriff Personalfreisetzung
Unter Personalfreisetzung ist die Auflösung
des gegenseitigen „Arbeitsvertrages“ zwi-
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können das
schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ver-
Arbeitsverhältnis in beiderseitigem Einver-
stehen. Mit ihr endet das Arbeitsverhältnis.
nehmen lösen und zu einem vereinbarten
Eine Personalfreisetzung liegt auch vor, wenn
Zeitpunkt beenden. Die Form wird dann ge-
es zu Massenentlassungen kommt.
wählt, wenn beide Parteien z.B. bei unüber-
brückbaren Streitigkeiten die Auflösung wün-
schen. Mit dem Eingehen eines solchen Auf- Kostenkiller
lösungsvertrages in beiderseitigem Einver- Arbeitskosten Unternehmensgewinn-
in EUR/Std. Steuersätze in Prozent
nehmen verzichtet der Arbeitnehmer in der
Regel auf den Kündigungsschutz. Den Auf- Deutschland (West) 28,5 39
hebungsvertrag kann der Arbeitnehmer nur Deutschland (Ost) 16,5 39
anfechten, wenn er durch arglistige Täu- Polen 5,4 19
schung oder widerrechtliche Drohung zustan- Ungarn 4,7 18
de gekommen ist.
Tschechien 4,2 24
Slowakei 3,3 19
10.3 Auflösung durch Rumänien 1,7 25
Zeitablauf oder durch Quelle: CAR
Seit Jahren investieren deutsche Autohersteller im Osten,
Zweckerreichung um die hohen Personalkosten zu senken.
Abb. 69: Standortkiller Nr. 1
Immer dann, wenn der Umfang der Tätigkeit
terminlich begrenzt ist, z.B. bei Aushilfskräf-
ten für Messetätigkeiten, werden Arbeitsver-
hältnisse zeitlich begrenzt vereinbart.
10. Personalfreisetzung 423

10.4 Kündigung des Einseitige Willenserklärung


Arbeitsverhältnisses Ist nicht ausdrücklich die Schriftform vorge-
schrieben, kann auch die Willenserklärung
mündlich abgegeben werden. Dabei sollte
Da die Arbeitsverträge meist unbefristet ab-
sich der Arbeitnehmer bei Auseinanderset-
geschlossen werden, ist die Kündigung die
zungen oder Ärger zurückhalten und keine
häufigste Art der Auflösung. Sie kann vom
unbedachten Äußerungen machen, denn bei
Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber ausge-
einer mündlichen Auseinandersetzung genügt
hen und zielt auf die Beendigung des Arbeits-
jede Erklärung, die eindeutig erkennen lässt,
verhältnisses hin.
dass man kündigen will.
10.4.1 Kündigung des Empfangsbedürftige Willenserklärung
Arbeitnehmers Die Kündigung durch den Arbeitnehmer bedarf
keiner Annahmeerklärung des Arbeitgebers.
„Die Kündigung ist eine einseitige, empfangs- Aber sie muss dem Arbeitgeber zum Kündi-
bedürftige Willenserklärung (zum Beispiel des gungstermin zugegangen sein. Das heißt, sie
Arbeitnehmers), das Arbeitsverhältnis von muss in den Machtbereich des Arbeitgebers
einem bestimmten Termin/Zeitpunkt an nicht gelangt sein, dass dieser sich unter normalen
mehr fortsetzen zu wollen.“ Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis ver-
In dieser Definition sind die drei entscheiden- schaffen konnte und die Kenntnisnahme von
den Elemente enthalten, die zu beachten sind: ihm nach den Gepflogenheiten des Verkehrs
a) es handelt sich um eine einseitige Wil- erwartet wird.
lenserklärung Zeitpunkt
b) sie ist empfangsbedürftig Hier ist § 622 BGB – Kündigungsfrist bei
c) sie gilt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Arbeitsverhältnissen – zu berücksichtigen.
Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder
10.4.2 Kündigung durch den eines Angestellten (Arbeitnehmer) kann mit
Arbeitgeber einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten
oder zum Ende eines Kalendermonats gekün-
Die Kündigung des Arbeitgebers unterliegt digt werden.
aus sozialen Gründen gewissen gesetzlichen
Einschränkungen. Wir unterscheiden die or-
dentliche und außerordentliche Kündigung,
je nachdem, ob es sich um die regelmäßige, im
Gesetz oder Vertrag vorgesehene Beendigung Aufgabe
des Arbeitsvertrags handelt, oder um die vor-
zeitige Beendigung, die nur aus besonderem 51. a) Welche Gründe können für die Mas-
Grund zulässig ist. senentlassungen bei Reynolds wohl
angeführt werden?
Ein Arbeitsverhältnis kann schon vor Arbeits-
antritt im Wege der außerordentlichen (frist- b) Zur Sicherung der Arbeitsplätze in
losen) oder ordentlichen Kündigung von den Deutschland hat Mercedes mit dem
Parteien des Arbeitsvertrages gekündigt wer- Betriebsrat Lohneinschnitte verein-
den. Dies kann passieren, wenn eine der Par- bart (2004). Diskutieren Sie hierüber.
teien nicht mehr an der Aufrechterhaltung des c) Zum Erhalt von Arbeitsplätzen ste-
Vertrages interessiert ist. hen Kündigungszeiten zur Diskussi-
on. Orientieren Sie sich hierüber.
424 Personalwesen

Die ordentliche Kündigung kommt nur bei


Arbeitsverhältnissen in Betracht, die auf un-
bestimmte Zeit eingegangen sind.

10.5 Kündigungszeiten
Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber
beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Ar-
beitsverhältnis in dem Betrieb oder Unter-
nehmen
1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat
zum Ende eines Kalendermonats
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate
zum Ende eines Kalendermonats
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate
zum Ende eines Kalendermonats
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate
zum Ende eines Kalendermonats
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate
zum Ende eines Kalendermonats
6. fünfzehn Jahre bestanden hat, sechs Mo-
nate zum Ende eines Kalendermonats
7. zwanzig Jahre bestanden hat, sieben
Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer
werden Zeiten, die vor der Vollendung des
25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen,
nicht berücksichtigt.
Während einer vereinbarten Probezeit, längs-
tens für die Dauer von sechs Wochen, kann
das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei
Wochen gekündigt werden.
In allen Betrieben, in denen ein Betriebsrat
besteht, ist er vor jeder Kündigung des Ar-
beitgebers zu hören. Eine ohne die Anhörung
vom Arbeitgeber vorgenommene Kündigung
ist unwirksam (§ 102 Betriebsverfassungsge-
setz). Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um
eine ordentliche oder um eine außerordentli-
che (fristlose) Kündigung oder um eine Ände- Abb. 70: Kündigungstypen nach Brö-
rungskündigung handelt. Auch vor einer ckermann
Kündigung in den ersten sechs Monaten des
Arbeitsverhältnisses ist der Betriebsrat einzu-
schalten.
10. Personalfreisetzung 425

Der Betriebsrat kann entweder Bedenken zur Gründe zum Widerspruch nach § 102
ordentlichen Kündigung äußern oder Wider- BetrVG
spruch einlegen. Der Arbeitgeber kann trotz
• Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des
dessen Bedenken oder Widerspruchs rechts-
zu kündigenden Arbeitnehmers soziale
wirksam eine ordentliche Kündigung ausspre-
Gründe nicht ausreichend berücksichtigt.
chen. Der Widerspruch ist dem Betriebsrat
bei einer außerordentlichen Kündigung ver- • Die Kündigung verstößt gegen Richtli-
sagt, ihm bleibt aber das Recht offen, dem nien, die über die personelle Auswahl bei
Arbeitgeber seine Bedenken gegen diese Kündigungen zwischen Arbeitgeber und
Kündigungsart mitzuteilen. Betriebsrat vereinbart sind.
Bei der Auswahl unter mehreren Arbeitneh- • Der zu kündigende Arbeitnehmer kann
mern, bei denen wegen der dringenden be- an einem anderen Arbeitsplatz im selben
trieblichen Gründe eine Entlassung möglich Betrieb des Unternehmens weiterbeschäf-
gewesen wäre, hat der Arbeitgeber soziale tigt werden.
Gründe zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 Kün- • Die Weiterbeschäftigung des Arbeitneh-
digungsschutzgesetz). Berücksichtigt er diese mers ist nach zumutbaren Umschulungs-
nicht oder nicht ausreichend, ist die Kündi- maßnahmen und Fortbildungsmaßnah-
gung trotz dringender betrieblicher Gründe men möglich.
sozial ungerechtfertigt. Auf Verlangen des
Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Ar- • Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitneh-
beitnehmer die Gründe anzugeben, die zur mers unter geänderten Vertragsbedingun-
sozialen Auswahl geführt haben (§ 1 Abs. 3 gen ist möglich, und der Arbeitnehmer hat
Kündigungsschutzgesetz). Auf diese Weise sein Einverständnis hierzu erklärt.
soll der Arbeitnehmer in die Lage versetzt
werden, die Aussicht für eine Kündigungs- Aufgabe
schutzklage besser einschätzen zu können. 52. a) Finden Sie heraus, welche Gründe zu
einer fristlosen Kündigung eines Ar-
beitnehmers führen können!
b) Welche Gründe könnte es für einen
Widerspruch bei sozial ungerechtfer-
tigter Kündigung geben?
Zusammenfassung c) Erkundigen Sie sich im Unterneh-
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnis- men, wer besonderen Kündigungs-
ses (Personalfreisetzung) geschieht aus schutz besitzt!
vielerlei Gründen. Aus der Sicht der Ar- Auszug aus dem Kündigungsschutzgesetz
beitgeber können es betriebliche Gründe (KSchG)
sein (Stilllegung), personenbedingte
§ 1 (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnis-
(Unfähigkeit des Mitarbeiters) und ver-
ses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen
haltensbedingte (unentschuldigtes Feh-
Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder
len). Meist werden ordentliche, also frist-
Unternehmen ohne Unterbrechung länger als
gemäße, Kündigungen ausgesprochen.
sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirk-
Dabei genießen bestimmte Personen einen
sam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. (2)
besonderen Kündigungsschutz. Bei al-
Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung,
len Kündigungen von Arbeitnehmern sind
wenn sie nicht durch Gründe, die in der Per-
die Vorschriften des BetrVG zu beachten,
son oder im Verhalten des Arbeitnehmers
so weit ein Betriebsrat vorhanden ist.
liegen …, bedingt ist.
426 Personalwesen

10.6 Massenentlassungen Aufgabe


53. Welche Gründe könnten Mitarbeiter
Massenentlassungen gelten bei in ihrer Exis- bewegen, vorzeitig in den Ruhestand zu
tenz gefährdeten Unternehmen als äußerstes gehen?
Mittel zur Erhaltung eines Teiles des Betriebes.

Abb. 71: Personalabbau nach Albert

Massenentlassungen liegen vor, wenn Ein anderer Weg


• bei 21 bis 59 Mitarbeitern mehr als 5 Die Arbeitnehmer in Deutschland denken immer
stärker und immer erfolgreicher unternehmerisch
• bei 60 bis 499 Mitarbeitern 10 % oder mit. Ihre Verbesserungsvorschläge sparen Kosten in
mehr als 25 Milliardenhöhe. Das Hamburger Werk von Daim-
• bei 500 und mehr Mitarbeitern mindes- lerChrysler hat einen Verbesserungsvorschlag von
tens 30 Mitarbeitern mit 87.000 EUR prämiert. Die Beschäf-
tigten hatten eine Umorganisation der Lenksäulen-
Mitarbeiter innerhalb von 30 Kalendertagen produktion angeregt. Durch eine veränderte Maschi-
entlassen werden sollen. Massenentlassungen nenanordnung und eine Teilautomatisierung ließen
sind bei der Arbeitsagentur anzumelden, die sich die Takte zweier unterschiedlicher Montagesta-
durch eine einmonatige Sperrfrist die Wir- tionen synchronisieren, wodurch jährliche Einspa-
kung von Entlassungen verzögern kann. Da- rungen in sechsstelliger Höhe erzielt werden.
bei ist zu prüfen, ob Offensichtlich geht die Mitarbeiter-Kreativität mit
der Schaffung von Arbeitsplätzen einher. Wie das
• eine Weiterbeschäftigung möglich ist DIfBw feststellt, haben Firmen, in denen ein Mit-
• Kündigungsschutz besteht arbeiter im Schnitt zwei Vorschläge im Jahr ein-
reicht, entweder stabile Beschäftigungszahlen, oder
• es eine soziale Rechtfertigung zur Kün- sie schaffen sogar neue, zusätzliche Arbeitsplätze.
digung gibt.
Abb. 72: Mitarbeiter-Ideen bringen Mil-
larden
11. Hinweis zum Betriebsverfassungsgesetz 427

11. Hinweis zum Betriebsverfassungsgesetz


„In allen Betrieben privatrechtlicher Rechts- Zusätzliche Informationen – Geschichtli-
träger mit in der Regel mindestens fünf stän- ches
digen und für die Wahl des Betriebsrates Das Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober
wahlberechtigten Arbeitnehmern (von denen 1952 führte eine bundeseinheitliche Betriebsver-
drei wählbar sind) sind Betriebsräte zu wäh- fassung in Anknüpfung an das Betriebsrätegesetz
len.“ (§ 1 Betriebsverfassungsgesetz.) von 1920 ein. Tragende Gesichtspunkte waren: die
Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber
Erfasst werden alle Betriebe in der Bundesre-
und Betriebsrat, die betriebliche Friedenspflicht
publik Deutschland, und zwar ohne Rücksicht (Arbeitskampfverbot zwischen Betriebsrat und
auf die Staatsangehörigkeit und den rechtli- Arbeitgeber), der Betriebsrat als Vertreter aller
chen Sitz des Arbeitgebers, also auch inländi- Arbeitnehmer des Betriebes, die Betonung der
sche Betriebe von Unternehmen, die ihren Tarifautonomie.
Sitz im Ausland haben. Entfaltet die Beleg- Zwanzig Jahre später tritt das heute geltende Be-
schaft oder eine im Betrieb vertretene Ge- triebsverfassungsgesetz in Kraft. Es regelt die Be-
werkschaft keine Initiative zur Wahl eines triebsverfassung für die Privatwirtschaft. Bei ihm
Betriebsrates, so kommt er auch nicht zustan- handelt es sich um das Gesetz vom 15.1.1972, das auf
de. In sehr vielen kleinen und mittleren Be- Grund des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfas-
trieben gibt es aus diesen Gründen auch kei- sungsgesetzes vom 23.7.2001 in einer Neufassung
nen Betriebsrat. vom 25.9.2001 bekannt gemacht wurde.

Für das Betriebsverfassungsgesetz ist grund- Es behält die bewährten Grundsätze des Gesetzes
von 1952 bei, schafft aber im Verhältnis zum
sätzlich der einzelne Betrieb maßgeblich,
bisherigen Recht vor allem
nicht das Unternehmen.
• einen stärkeren Einfluss des Betriebsrates
Insofern ist eine Unterscheidung nach dem durch Ausbau und Verstärkung der Mitbe-
Zweck der Tätigkeit notwendig. stimmungsrechte
• Mit dem Betrieb verfolgt der Unterneh- • eine Vermehrung der Initiativ-, Kontroll- und
mer allein oder zusammen mit seinen Teilnahmerechte der Gewerkschaften in der
Mitarbeitern einen bestimmten arbeits- Betriebsverfassung, die aber auch weiterhin
technischen Zweck, Produktion von Wa- unterstützender Natur sind, also keine Ent-
ren oder Dienstleistungen. scheidungsbefugnisse in betrieblichen Ange-
legenheiten geben
• Mit dem Unternehmen verfolgt der Un-
• eigene Rechte des einzelnen Arbeitnehmers
ternehmer ein über den arbeitstechni-
schen Zweck hinausgehendes Interesse, • einen größeren Schutz des Engagements der
z.B. Gewinne zu erwirtschaften. Arbeitnehmer in tarifpolitischen, sozialpoliti-
schen und wirtschaftlichen Fragen und
Die Zuständigkeit des Betriebsrates be-
• eine Erleichterung der Arbeit der Betriebsräte
schränkt sich daher auf den Betrieb. Darüber
u.a. durch vermehrte Freistellungen und grö-
hinausgehend sind aber auch übergreifende ßere soziale Absicherungen.
Gremien in der Betriebsverfassung verankert,
wie der Gesamtbetriebsrat, die Gesamtju-
gendvertretung und der Wirtschaftsaus- Aufgabe
schuss bzw. der Konzernbetriebsrat bei
54. Besorgen Sie sich ein Betriebsverfas-
Konzernunternehmen.
sungsgesetz, und studieren Sie darin!
Stellen Sie Mitwirkungs- und Mitbe-
stimmungsrechte heraus!
428 Personalwesen

Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates nach dem


BetrVG (ausgewählt)
Allgemeine Aufgaben des Betriebsrates (§ 80)
• Dafür Sorge tragen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungs-
vorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
• Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber beantragen;
• Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugendvertretung entgegennehmen und, falls sie berechtigt erscheinen,
durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinwirken;
• Eingliederung oder Beschäftigung schutzbedürftiger Gruppen fördern: Schwerbeschädigte, ältere Arbeitnehmer,
ausländische Arbeitnehmer.
Allgemeine Aufgaben der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 60–73)
• Maßnahmen, die dem jugendlichen Arbeitnehmer dienen, vor allem in der Berufsbildung, beim Betriebsrat bean-
tragen;
• die Durchführung von zugunsten jugendlicher Arbeitnehmer erlassener Gesetze, Verordnungen, Unfallverhü-
tungsvorschriften, tarifvertraglicher Regelungen, Betriebsvereinbarungen überwachen;
• Anregungen jugendlicher Arbeitnehmer, vor allem in Fragen der Berufsausbildung, entgegennehmen und über den
Betriebsrat durchsetzen.
Soziale Angelegenheiten (§ 87–91)
Initiativrecht bei:
• Ordnung der Betriebe und Verhalten der Arbeitnehmer
• Arbeitszeit (Verteilung, Beginn, Ende, Verkürzungen und Verlängerungen, Pausen)
• Arbeitsentgelt (Zeit, Ort und Art der Auszahlung)
• Urlaub (Grundsätze, Pläne)
• Leistungskontrolle, technische Einrichtungen zur Überwachung der Arbeitnehmer
• Arbeits- und Gesundheitsschutz (Unfallverhütung)
• Sozialeinrichtungen (Form, Ausgestaltung und Verwaltung von z.B. Werkskantine, Werkswohnungen, Betriebs-
pensionskasse, Betriebskindergärten);
• betriebliche Lohngestaltung (Entlohnungsgrundsätze und -methoden).
Personelle Angelegenheiten (§92–105)
Unterrichtungsanspruch (Zustimmungs- und Verweigerungsrecht) bei:
• der innerbetrieblichen Ausschreibung von Arbeitsplätzen
• Personalfragebögen
• Auswahlrichtlinien (z.B. für Einstellungen und Entlassungen)
• Durchführung von Bildungsmaßnahmen (personelle Auswahl)
• Einstellungen, Ein- und Umgruppierungen, Versetzungen
• Einordnung des Arbeitnehmers in das tarifliche Entgeltschema
• Kündigung von Betriebsrat, Jugend- und Ausbildungsvertretung.
Wirtschaftliche Angelegenheiten (§106–113)
Unterrichtungsanspruch bei:
Änderung von Arbeitsplatz, -ablauf und -umgebung nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen
Bildung eines Wirtschaftsausschusses bei mehr als 100 Arbeitnehmern:
• wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens
• Produktions- und Absatzlage, Produktions- und Investitionsprogramm
• Rationalisierungsvorhaben
• Arbeitsmethoden (Einführung neuer Arbeitsmethoden)
• die Einschränkung, Stilllegung oder Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen
• Zusammenschluss von Unternehmen
• Änderung Betriebsorganisation oder Betriebszweck
• sonstige Vorgänge und Vorhaben, die die Interessen der Arbeitnehmer im Unternehmen wesentlich berühren.
Kapitel 6

Produktionswirtschaft
von Kai Michaelsen
1. Überblick 431

1. Überblick
„Produktion“ ist ein von Menschen gelenk-
ter Entstehungsprozess von Produkten. Diese
Produkte können materielle, greifbare Güter,
aber auch immaterielle Dinge wie Energie
oder Dienstleistungen aller Art sein. In dem
Produktionsprozess werden Produktionsfakto-
ren eingesetzt, die sich in Elementarfaktoren
und dispositive Faktoren unterteilen lassen.
Als elementar werden die in dem Produktions-
prozess untergehenden Faktoren wie Arbeits-
kräfte, Betriebsmittel und Werkstoffe bezeich-
net.
Die Führung repräsentiert den originären
dispositiven Faktor Arbeit. Als dispositive Abb. 1: Produktionsprozess als Faktor-
Faktoren allgemein wird in einem Produkti- kombination
onsprozess die Gesamtheit der organisatori-
schen Notwendigkeiten bezeichnet. Um einen
Produktionsprozess erfolgreich durchzufüh-
ren, müssen die Tätigkeiten geplant und auf- Zusatzinformationen
einander abgestimmt werden. Darüber hinaus Der Leser wird durch das Kapitel – wie im
müssen der Einkauf der Faktoren und der Überblick geschrieben – geführt. Dabei wer-
Verkauf der Produkte zeitgerecht und Gewinn den in fast allen Abschnitten weitere Fragen
bringend durchgeführt werden. berührt. So wird zum Beispiel auf die For-
Die Aufgabe eines Industriebetriebes kann schung und Entwicklung eingegangen, auf
grundsätzlich darin gesehen werden, Güter Organisationsformen der Fertigung mit ihren
oder Dienstleistungen zu produzieren und auf Besonderheiten, Layoutplanung im Rahmen
dem Absatzmarkt zu veräußern. Hieraus er- der innerbetrieblichen Logistik, auf Kosten-
gibt sich die fundamentale Aufgabe für die größen, auf Zwischenläger, auf optimale
Produktionsabteilungen eines Unterneh- Losgrößen, auf die Durchlaufzeit, auf PPS-
mens: die Herstellung absetzbarer Güter. Systeme und schließlich auf Fragen der Kon-
Die erste sehr allgemeine Beschreibung lässt trolle. Dabei allerdings taucht auch immer die
sich konkretisieren, wenn in der lang- und Frage auf, wie weit und wie tief in einer All-
mittelfristigen Produktionsplanung festge- gemeinen Betriebswirtschaftslehre das Thema
legt wurde, welche Arten von Produkten „Produktionswirtschaft“ behandelt werden
hergestellt werden sollen. kann. Die Inhalte dieses Kapitels sind auf das
Wesentliche beschränkt worden. Ausdehnung
und Vertiefung des Themas bleiben einer
„Industriebetriebslehre“ vorbehalten.
432 Produktionswirtschaft

Aus diesen Entscheidungen über das Produk- „Die Europäische Union hatte gefordert, dass die Emis-
tionsprogramm ergibt sich die Festlegung auf sionsgrenzwerte für Pkw-Dieselmotoren innerhalb von 10
bestimmte Produktionsarten und die hierfür Jahren für Stickoxide um rund 90 Prozent und für die
Partikel um rund 60 Prozent gesenkt werden. Außerdem
geeignete Organisationsform. Die verschiede- sollten die Geräuschemissionen für Personenwagen und
nen Produktionsarten und Organisationsfor- Nutzfahrzeuge bis zum Jahre 2000 stufenweise reduziert
men stellen Merkmale unterschiedlicher werden. Die angestrebte Verminderung des Schallpegels
Produktionsarten dar. um 10 Dezibel bedeutet eine Halbierung der subjektiven
Geräuschwahrnehmung. Um diese vielfältigen Forderun-
Aus diesen Merkmalen ergeben sich Anforde- gen zu erfüllen, spielt die Einspritzanlage eine entschei-
rungen für die Festlegung innerbetrieblicher dende Rolle. Sie muss den Kraftstoff bei jedem Arbeits-
takt mit größter Präzision zum richtigen Zeitpunkt in der
Standorte von Maschinen, Lagern, Büros richtigen Menge und mit optimalem Druck einspritzen.
und Transporteinrichtungen. Will man neben niedrigem Verbrauch zugleich geringe
Ruß-Emissionen und ein hohes Drehmoment erreichen,
Aus der Festlegung dieser Merkmale ergeben sind Einspritzdrücke zwischen 1 000 und 2 000 bar
sich unterschiedliche Rahmenbedingungen notwendig. Rund 900 Mitarbeiter forschen bei Bosch auf
für die kurzfristige Produktionsplanung. dem Gebiet der Dieseleinspritzausrüstung und passen die
Systeme an die unterschiedlichsten Motoren und Anfor-
Diese Entscheidungen haben Einfluss auf die derungen der Automobilhersteller an.“
Wahl der geeigneten Produktionssteuerung, Mit einem Einspritzsystemanteil von 30 % auf dem
die einen technisch störungsfreien Ablauf der Weltmarkt ist Bosch der führende Hersteller in der Ein-
Produktionsprozesse innerhalb der vorgege- spritztechnik. Um den Stand zu halten, sind ständige
Neuerungen anzubieten. Diese müssen entwickelt, kon-
benen Zeit gewährleisten soll. struiert und praktisch umgesetzt werden. Planung, Steue-
Durch die Produktionskontrolle, die diesen rung und Kontrolle sind täglich aufgerufen, dem Rech-
nung zu tragen.
Produktionsdurchlauf begleitet, soll sicherge-
stellt werden, dass die anfangs geplanten Abb. 2: Wenn Gesetzgeber für Produkte
Werte, insbesondere die Qualität und der neue Vorgaben erlassen oder
wirtschaftliche Erfolg, eingehalten werden. Verbände und Organisationen
neue Richtlinien fordern
Quelle: Welt am Sonntag

2. Langfristige und mittelfristige


Produktionsplanung

Abb. 3: Zusammenhänge zwischen Produktions-, Absatz- und Investitionsplan


2. Langfristige und mittelfristige Produktionsplanung 433

Im Rahmen der Produktionsprogrammpla-


nung muss das Unternehmen festlegen,
• welche Produkte
• in welchen Mengen
• mit welcher Betriebsmittelart
• mit welchen Kapazitäten
• zu welchen Zeitpunkten
gefertigt werden sollen.
Diese Fragestellungen haben in den verschiedenen
Phasen der Produktionsplanung (lang-, mittel- und
kurzfristig) unterschiedliche Schwerpunkte.
Welche Produkte in welchen Mengen pro-
duzieren?
Die langfristige Produktionsprogrammpla-
nung ist eng mit der Absatzprogrammplanung Abb. 4: Zusammenhänge zwischen
verknüpft. Produktions- und Absatzpro-
In der Absatzprogrammplanung legt das Un- gramm
ternehmen grundsätzlich fest, auf welchen
Produktfeldern es anbieten will und welche Beispiel:
Produktgruppen (Programmbreite) hier plat- Die Situation bei der DMW AG
ziert werden sollen (siehe Abschnitt 2.1).
Zusätzlich werden durch Marktbeobachtung Die für den Absatz gefertigten Produkte ma-
und Marktforschung die möglichen Absatz- chen den größten Teil des Produktionspro-
mengen abgeschätzt. Diese Ergebnisse wer- gramms aus. Es sind die verschiedenen Typen
den als Eckdaten von der Produktionsplanung des „DMW Single“, des „DMW Shopper“
übernommen. und des „DMW Sporty“. Darüber hinaus
werden bei DMW jedoch auch Vorrichtun-
Dennoch sind diese Planungen nicht iden- gen, Werkzeuge für bestimmte Bearbeitungs-
tisch! schritte am Fließband und spezielle innerbe-
Auf der Produktionsseite werden zusätzlich triebliche Transporteinrichtungen in den
selbsterstellte Anlagen und Werkzeuge herge- werkseigenen Werkstätten hergestellt.
stellt, die nicht abgesetzt werden sollen. Auf Begründet wird dieses Vorgehen in erster
der Absatzseite werden neben den eigenen Linie durch Geheimhaltungsaspekte. Bei der
Erzeugnissen Waren angeboten, die von ande- Herstellung bestimmter Formen und Vorrich-
ren Herstellern bezogen wurden (Handelswa- tungen, gerade für Karosserieteile, könnten
ren). durch mögliche „undichte Stellen“ bei einem
Mit welchen Betriebsmitteln produzieren? Fremdhersteller Informationen frühzeitig an
Die Festlegung, mit welcher Art von Be- die Öffentlichkeit oder direkt an Konkurren-
triebsmitteln die Produktion durchgeführt ten gelangen. Neben den selbsterstellten An-
werden kann, wird im Wesentlichen durch die lagen auf der Seite des Produktionspro-
Art der Produkte vorgegeben. gramms bezieht die DMW AG auch Han-
delswaren zur Abrundung des Absatzpro-
gramms. Besonders viele Typen bezieht
DMW im Bereich „Anhänger“.
434 Produktionswirtschaft

Die mengenmäßige Ausstattung mit Betriebs- Während alle Pkw-Typen von DMW auf
mitteln wird hingegen von der Entscheidung Wunsch mit einer Anhängerkupplung ausges-
über die Tiefe (siehe Abb. 5) des Produktions- tattet werden, lohnt sich für die DMW AG auf
programms (Eigenfertigung oder Fremdbezug) Grund der verhältnismäßig geringen Stück-
und die finanziellen Möglichkeiten des Unter- zahlen keine eigene Anhängerproduktion.
nehmens, die sich aus dem Investitionsplan Dennoch möchte das Unternehmen seinen
ergeben, beeinflusst. Kunden aus Imagegründen ein geschlossenes
Diese Fragestellung wird auch als Kapazi- Produktprogramm anbieten, da der größte
tätsplanung bezeichnet. Während in der Konkurrent dies auch tut.
lang- und mittelfristigen Planung die Kapazi-
tät variabel ist und die optimale Ausstattung Zusatzinformation zum Produktions-
festgelegt werden soll, wird die Kapazität in programm
der kurzfristigen Planung als gegeben und Die DMW AG hält ein relativ enges Produk-
unveränderbar angesehen. In der kurzfristigen tionsprogramm mit drei Pkw-Typen. Da in-
Produktionsplanung werden die einzelnen zwischen durch die Besinnung auf Kernberei-
Produktionsschritte auf die gegebenen Be- che viele Teile fremdbezogen (Fremdferti-
triebsmittel verteilt. gung) werden, hat sich auch die Produktions-
Zu welchen Zeitpunkten produzieren? tiefe verringert.
Die Frage nach den Zeitpunkten der Produk-
tion wird zum einen von der Nachfragesitua-
tion (stetiger oder schwankender Absatz),
zum anderen von der Anzahl der im Unterneh-
men vorliegenden Kapazitätsengpässe be-
stimmt. Unter Berücksichtigung dieser Punkte
wird festgelegt, in welchen Zeitabschnitten
(z. B. Monaten) auf welchen Betriebsmitteln
welche Mengen produziert werden.

2.1 Bestimmung von


Produktfeldern und Abb. 5: Arten eines Produktionspro-
Produktgruppen gramms

Ein Produktfeld ist die Gesamtheit der Er-


zeugnisse, die sich gedanklich auf ein allge-
Aufgabe
meineres Grundprodukt zurückführen lassen. 1. Welche Gefahren könnten für einen Pkw-
Die zum gleichen Produktfeld gehörenden Hersteller auftreten, wenn er viele Teile
Erzeugnisse stellen Erscheinungsformen des seiner Typen von fremden Herstellern
gleich Grundprodukts dar. fertigen lässt?
2. Langfristige und mittelfristige Produktionsplanung 435

Die Wahl der Produktfelder wird in Markt-


wirtschaften fast ausschließlich von wirt-
schaftlichen Gründen bestimmt. Dabei spielt
der Gewinn die größte Rolle.
Die zu einer Produktgruppe (oder Produkt-
linie) gehörenden Erzeugnisse bzw. Erzeug-
nisvarianten gehören in der Regel dem glei-
chen Produktfeld an. Sie stellen eine Auswahl
aus der Gesamtheit der das Produktfeld aus-
machenden Erzeugnisse dar.
Bei einigen Unternehmen werden einzelne
Produkte traditionell hergestellt. Ihre Namen
stehen für die frühere Entwicklung der Pro-
dukte an sich (Daimler-Benz). Selbst diese
Unternehmen können es sich nicht erlauben,
langfristig diese Traditionen aufrechtzuerhal-
ten, wenn diese Produkte keine Gewinne
erwirtschaften.
Ausschlaggebend sind also die Ertragsaus-
sichten, die das Unternehmen auf dem Pro-
duktfeld erkennt. Diese werden von drei we-
sentlichen Punkten beeinflusst:
• Der Nachfragesituation auf dem Markt Die DMW AG ist auf dem Produktfeld „Personenkraft-
wagen“ tätig. Dieses Produktfeld teilt sich in vier Pro-
des Produktfeldes. Je größer das Markt- duktgruppen: „Limousinen“, „Mittelklasse-“, „Klein-“
wachstum ist, desto größer sind die Er- und „Sportwagen“. DMW hat in allen Gruppen eigene
folgsaussichten. Produkte – mit Ausnahme der Gruppe „Limousinen“ –
platziert. Grund für das Auslassen dieser Gruppe ist die
• Der Kostensituation des Unternehmens. besondere Konkurrenzsituation in diesem Segment.
Je günstiger das Unternehmen produzie- Neben den drei führenden inländischen Anbietern drän-
ren kann, desto höher sind die Er- gen seit einigen Jahren zwei asiatische und ein amerika-
nischer Anbieter durch aggressive Preispolitik in dieses
folgsaussichten. Marktsegment. DMW produzierte zu diesem Zeitpunkt
• Der Konkurrenzsituation auf dem sehr kostenintensiv und musste sich daher im letzten Jahr
aus dieser Gruppe zurückziehen.
Markt des Produktfeldes. Je weniger
Konkurrenten auf dem Markt anbieten, DMW hat nach diesem Schritt seine Kraft auf die
verbleibenden Produktgruppen konzentriert.
desto höhere Absatzpreise sind durch-
setzbar, desto höhere Deckungsbeiträge In dem neuen Werk in Halle werden vorrangig der „Spor-
ty“ und der „Single“ auf dem modernsten Stand der
können erzielt werden (siehe auch Ab- Fertigungstechnik produziert. Die hohe Qualität dieser
schnitt 2.2). Fahrzeuge hat bereits zu Marktanteilsgewinnen in diesen
Segmenten geführt. Darüber hinaus versucht DMW durch
Die Entscheidung, auf einem Produktfeld die Entwicklung des Elektro-DMW eine neue Produkt-
tätig zu werden, wird jedoch übergeordnet gruppe zu erschließen und dort einziger Anbieter zu sein.
von der Kapitalkraft des Unternehmens Auch wird an einem kleinen offenen Roadster (Joy)
beeinflusst. So ist es einem Unternehmen gearbeitet.
unmöglich, selbst auf einem Erfolg verspre- Abb. 6: Produktfeld mit Produktgruppen
chenden Produktfeld der Stahlerzeugung oder
des Automobilbaus, ohne die notwendige
Kapitalausstattung tätig zu werden.
436 Produktionswirtschaft

Neben diesen Chancen bestehen für ein Un- Zu den Risiken eines Produktfeldes
Risiken sind Verlustgefahren, die mit jeder wirtschaftli-
ternehmen aber auch Risiken bei der Wahl chen Tätigkeit auftreten. Sie treffen jeden Betrieb, kön-
des Produktfeldes. nen aber durch eine gezielte Risikopolitik vermindert,
vielleicht sogar vermieden, manchmal auch durch Versi-
• Beschaffungsrisiko cherungen abgedeckt werden. Der Entscheidung für eine
Werden Produktionsfaktoren (z. B. Roh- Produktlinie haftet demnach auch eine Menge von Risi-
stoffe) benötigt, deren Beschaffung prob- ken an. Das beginnt beim Beschaffungsrisiko. Das kann
sich auf die Menschen beziehen, die eingestellt werden
lematisch ist oder wird? sollen, auf die Betriebsmittel und auf die Werkstoffe.
• Produktionsrisiko Gerade sie geben oft zu Besorgnis Anlass, insbesondere
dann, wenn ein Land über fast keine Rohstoffquellen
Kann die benötigte Produktqualität tech- verfügt, wie etwa Deutschland. Hierbei ist z.B. an Erdöl
nisch realisiert werden? Können die ge- zu denken. Wie lange steht es zur Verfügung? Wie
werden sich die Preise entwickeln? Wann und wie drehen
planten Produktionskosten eingehalten Öllieferanten den Hahn zu bzw. vermindern ihre Aus-
werden? bringung?
Auch das Produktionsrisiko ist nicht zu unterschätzen.
• Investitionsrisiko Zum einen offenbart es sich in der Frage, ob der Herstel-
Sind die kalkulierten Investitionskosten ler überhaupt in der Lage ist, mit seinen Anlagen und
seinen anderen Voraussetzungen die benötigte Produkt-
(Abschreibungen, Kapitalkosten) ausrei- qualität zu liefern. Zum anderen, wie weit Menschen und
chend? Maschinen im Prozess selbst Fehler machen oder überse-
hen, was schon des Öfteren zu Rückrufaktionen in der
• Absatzrisiko Autobranche geführt hat. Vom Absatzrisiko ganz zu
Sind die geplanten Absatzmengen und Ab- schweigen. Der Kunde bestimmt, was gekauft wird. Und
sein Verhalten ist selten voraussehbar.
satzpreise realisierbar? Trifft die hierfür
zugrunde gelegte Konkurrenzsituation zu?

2.2 Forschung und Entwicklung

Die Begriffe „Forschung und Entwicklung“ Keine Erfolgsgarantie


eindeutig zu definieren, scheitert an dem
In den siebziger Jahren existierten auf dem
breiten Spektrum der darunter gefassten Akti-
stark wachsenden Videorecorder-Markt zwei
vitäten und endet zwangsläufig in einer zu
technisch verschiedene Systeme „VHS“ und
ungenauen Allgemeinformulierung oder in
„Video 2000“. Obwohl sich Fachleute einig
einer reinen Aufzählung. Wie soll man schon
waren, dass „Video 2000“ das technisch bes-
die Ausprägungen Weltraumforschung und
sere Produkt ist, gelang es nicht, eine ausrei-
Crash-Tests unter einen definitorischen „Hut“
chende Marktdurchdringung zu erreichen.
bekommen?
Das VHS-System war zuerst auf dem Markt
Um die Zusammenhänge genauer beschreiben und hatte bereits einen zu großen Marktvor-
zu können, ist daher zunächst eine grundsätz- sprung. Eine technisch hervorragende Innova-
liche Unterteilung der F&E-Aktivitäten not- tion scheiterte am Markt.
wendig. Die klassische Abgrenzung bezieht
Im Laufe der letzten Jahre des letzten Jahr-
sich dabei auf die unterschiedlichen Ziele der
hunderts verschwanden deutsche Produkte
verschiedenen F&E-Tätigkeiten. Hiernach
vom Markt. Sie waren nicht mehr konkur-
kann in Grundlagenforschung, angewandte
renzfähig. Forschung und Entwicklung fehl-
Forschung und Entwicklung unterschieden
ten (Fernseher, DVD-Spieler, Kameras und
werden.
seit 2004 Handys).
2. Langfristige und mittelfristige Produktionsplanung 437

2.2.1 Der lange Weg zum


erfolgreichen Produkt
Zwischen einer Idee und ihrer Umsetzung in
einen neuartigen Gegenstand oder ein neuar-
tiges Verfahren, das von der Allgemeinheit
akzeptiert wird, liegt ein langer Prozess. Da-
bei muss zwischen der Invention, die einen
tatsächlich neuen Gegenstand oder eine neue
Idee bezeichnet, und der Innovation unter-
schieden werden. Für Innovation wurde bis-
her keine allgemein gültige Definition gefun-
den, da der Begriff für Neuerungen auf zu
unterschiedlichen Betrachtungsfeldern (Tech-
nik, Sozialwissenschaft, Wirtschaft, Gesell-
schaft) verwendet werden kann.
Die betriebswirtschaftliche Bedeutung der
Innovation kann anhand des Entwicklungs-
prozesses von der Idee bis zur Marktverbrei-
tung und -akzeptanz (Diffusion) eines neuen
Produktes beschrieben werden (siehe Abb. 7).
Die Innovation kann dabei durch einen „tech-
nology-push“ oder durch einen „market-
pull“ ausgelöst werden. Unterscheidungskrite-
rium ist dabei die Richtung, aus der die Idee zur
Auslösung der Innovation kommt. Bei einem
„technology-push“ wird die Innovation durch
den F&E-Bereich des Unternehmens ausge-
löst. Der Anbieter muss dabei für das neue
Produkt oder Verfahren den Markt erst schaf-
fen (Bedürfnisse bei den Konsumenten we-
cken). Anders ist dies bei einem „market-pull“,
bei dem die Innovation durch bereits auf dem
Markt vorhandene, aber nicht befriedigte Be-
dürfnisse ausgelöst wird. Es ist offensichtlich,
dass eine von der Nachfrage ausgelöste Neue-
rung weniger Probleme bis zur Marktverbrei-
tung mit sich bringt als eine von der Angebots-
seite präsentierte Neuerung.

Abb. 7: Der Innovationsprozess von der


Idee bis zur Diffusion
in Anlehnung an: Corsten, Hans: Produkti-
onswirtschaft, Einführung in das industrielle
Produktionsmanagement
438 Produktionswirtschaft

Diese am Ende des Prozesses stehende Markt- „Wann ich eigentlich das erste Auto gesehen habe,
verbreitung und Marktakzeptanz wird Diffusi- das weiß ich nicht, denn ich bin nicht in Stuttgart
on genannt. Das Erreichen dieses Stadiums ist aufgewachsen. Aber ich weiß noch, wann ich in
für den wirtschaftlichen Erfolg des Innovati- das erste Auto gestiegen bin, wenn man das Fahr-
zeug Auto heißen konnte. Das war im Frühjahr
onsprozesses von entscheidender Bedeutung
1903 … Warum erzähle ich das? Weil diese Erin-
und ist auch bei hoher Qualität und Genialität nerung, indem sie fast ein halbes Jahrhundert
der ursprünglichen Idee nicht selbstverständ- umfasst, einen Begriff gibt von dem Tempo der
lich. Dinge, in die wir durch diesen Motor gestellt wor-
den sind. Damals war das noch ein Kuriosum …“
2.2.2 Abgrenzung von Gottfried Daimler, der Mann der Werkbesessen-
F&E-Tätigkeiten heit, der fortgesetzten Selbstprüfung, für den die
beste Arbeitsleistung ein Stück Ehrsamkeit dar-
a) Grundlagenforschung stellte, hatte von Anbeginn seiner Arbeit ein Ge-
Grundlagenforschung umfasst alle wissen- fühl dafür, und zwar nicht, weil er sich in spekula-
schaftlichen Aktivitäten, die die Gewinnung tivem Prophezeien und Planen ergangen hätte,
sondern weil er sich in einem sehr zähen Ringen
neuer Erkenntnisse zum Ziel haben, ohne dass
um die Vollkommenheit der Aufgabe mühte, der er
diese auf eine spezielle Anwendungsmöglich- sich verschrieben hatte. Was war das für eine
keit gerichtet ist. Aufgabe? Einen Motor herzustellen von geringem
b) Angewandte Forschung Gewicht, geringem Umfang, mit möglichst hoher
Umlaufzahl …
Die Suche nach neuen wissenschaftlichen
„Er hat gewiss auch andere Dinge zu betreiben
Erkenntnissen wird bei der angewandten
gehabt. Er ist dann 1870 nach Deutz gerufen wor-
Forschung vor dem Hintergrund einer späte- den, wo dieser Versuch, dieses Bemühen Lenoirs,
ren praktischen Anwendung und wirtschaftli- einen Motor, der von Gas betrieben wird, zu schaf-
chen Nutzung betrieben. fen, durch Otto und Langen weiterentwickelt war.
c) Entwicklung Es war für ihn eine Lehrzeit, aber es war für ihn
auch der Durchstoß zum eigenen Willen. Der hieß
Die Entwicklungsphase setzt den Abschluss so viel: von dem Gas, das irgendeine Gasanstalt
der Gewinnung neuer Erkenntnisse voraus liefert, frei zu werden und nun den Motor zu ent-
und umfasst nur noch technische und wirt- wickeln, der von dem aus Petroleum-Derivat
schaftliche Anwendungserfordernisse. ,Benzin‘ zu gewinnendem Gas sich treiben lässt …
Dann kommen die ersten Versuche.
Forschungsausgaben in % des Bruttoin- Die Stuttgarter sehen auf einmal ein Fahrrad, bei
landsproduktes BIP. Ausgewählt 2002 dem man gar nicht strampeln muss, und eine Kut-
sche, die fährt, ohne dass ein Gaul davorgespannt
Schweden 3,9
ist. Das ist das Neue. Bei Lenoir und auch bei
Finnland 3,7 Leuten in Deutz war der Motor standortgebunden,
hier aber war das Prinzip gefunden des vom Stand-
Japan 3,0 ort freien, die Kraft im Kleinen Raum spendenden
USA 2,8 Motors.“1
Schweiz 2,7 Abb. 8 b): Einige neue Ideen
Deutschland 2,5
Frankreich 2,2
Abb. 8 a): Forschungsausgaben

1 Th. Heuss, Deutsche Gestalten, Tübingen


1951, S. 209 ff.
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 439

3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen

3.1 Arten der Produktion

„Herstellung“, „Fertigung“ oder „Erzeugung“ Aufgaben


– für Produktion scheint es umgangssprach-
2. Die unten aufgeführte Abb. 9 enthält viele
lich und oft auch in wirtschaftswissenschaftli-
Begriffe, die bereits in anderen Kapitel
cher Literatur keine eindeutige Begriffsfestle-
erläutert wurden. Was verstehen Sie unter
gung zu geben. Und doch – jeder weiß, wo-
von die Rede ist. Anders ist dies bei der Be- • Investitionsgütern
schreibung der verschiedenen Erscheinungs- • Konsumgütern
formen dieses Begriffes „Produktion“. Für die
Kennzeichnung der Eigenschaften einer spe- • Massenfertigung?
ziellen Produktion müssen eindeutige Begrif- 3. a) Ihnen ist auch die Fließfertigung
fe verwendet werden, um Missverständnisse bekannt. Wo würden Sie diese hier
zu vermeiden. gegebenenfalls einordnen?
(Auf den folgenden drei Seiten musste das 3. b) Automation gilt als modernste Form
Prinzip der Trennung von Sachinformation der Fertigungsverfahren. Erklären Sie
(links) und Ergänzungen (rechts) fallen gelas- zunächst den Begriff, und prüfen Sie
sen werden, weil die Produktionsarten gegen- danach, wie Sie mit der Fließfertigung
übergestellt werden sollten.) zusammenhängt!

Abb. 9: Arten der Produktion


440 Produktionswirtschaft

3.1.1 Stellung im volkswirtschaftlichen Güterverkehr

Rohstoff- oder Urproduktion Beispiel:


Bei der Rohstoff- oder Urproduktion bezieht Kunsthandwerk
das Industrieunternehmen die Rohstoffe nicht Mechanisierte Produktion
vom Beschaffungsmarkt, sondern versucht,
natürliche Abbau- und Lagerstätten dieser Bei der mechanisierten Produktion werden
Stoffe zu finden und diese auszubeuten. Bei Arbeitsabläufe durch Maschinenunterstützung
direkt konsumfähigen Produkten existieren von Menschen ausgeführt. Um diese Maschi-
sehr viele Nachfrager, bei Produkten, die nen ausreichend nutzen zu können, setzt diese
veredelt werden müssen, gibt es zumeist nur Produktionsform eine gewisse Gleichförmig-
wenige Nachfrager. keit der Bearbeitungsvorgänge voraus.
Beispiele: Beispiel:
Ölförderung, Mineralerz-, Kohleabbau Spezial-Maschinenbau
Investitionsgüterproduktion Automatisierte Produktion
Die Investitionsgüterproduktion liegt immer Als Weiterentwicklung der mechanisierten
dann vor, wenn die Abnehmer im Wesentli- Produktion werden bei Automation Ferti-
chen Unternehmen oder öffentliche Auftrag- gungsabläufe von Maschinen durchgeführt
geber sind. Der Absatzmarkt zeichnet sich und von Menschen nur noch gesteuert und
durch eine überschaubare Anzahl von Nach- überwacht. Die Bearbeitungsabläufe müssen
fragern aus. streng gleichförmig sein, um die Maschinen
aufeinander abstimmen zu können.
Beispiel:
Beispiel:
Maschinenbau
DMW AG
Konsumgüterproduktion
Herstellung aller Güter, die zum überwiegen- 3.1.3 Anzahl gleicher
den Teil direkt (Einzelhandel) oder indirekt Produktionseinheiten
(Großhandel) vom privaten Endverbraucher
erworben werden. Der Absatzmarkt besteht Einzelfertigung
aus einer sehr großen Anzahl von anonymen Hierbei erfolgt die Produktion in nur einer
Nachfragern. Produkteinheit. Zwar ist eine spätere Wieder-
Beispiele: holung der Herstellung möglich, der gesamte
Produktionsapparat muss jedoch neu umge-
Unterhaltungselektronik, Nahrungsmittel
rüstet und eingerichtet werden.
3.1.2 Einsatz technischer Beispiele:
Hilfsmittel Anlagenbau, Bauindustrie. (Auch in der
Schiffsindustrie wird von Einzelfertigung
Handwerkliche Produktion geredet, wenn von einem Typ nur ein Schiff
Während vor Beginn der Ausweitung der gebaut wird, was inzwischen wegen der Kos-
Industrialisierung im 19. Jahrhundert der ten kaum möglich ist.)
größte Teil der Produktion handwerklich
vollzogen wurde, liegt diese in einer moder-
nen Wirtschaft nur noch bei individuellen
oder künstlerischen Produkten vor.
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 441

Serienfertigung Mehrproduktproduktion
Ein Betrieb betreibt Serienfertigung, wenn die Bei der Mehrproduktproduktion werden ver-
unterschiedlichen Produktarten in größeren, schiedene Erzeugnisse nebeneinander herge-
aber begrenzten Stückzahlen hergestellt wer- stellt. Als ökonomischer Vorteil gilt das ver-
den. Nach der Anzahl der hintereinander gefer- minderte Risiko gleichzeitiger Nachfrage-
tigten Einheiten wird in Klein- und Großse- schwankungen auf verschiedenen Absatz-
rienproduktion unterschieden. Der genaue märkten. In diesem Fall spricht man von
Grenzwert ist dabei branchenabhängig. horizontaler Diversifikation. Zudem kann
Beispiele: eine Mehrproduktproduktion auch aus techni-
schen Gründen unumgänglich sein. Dies ist
Textil- und Möbelindustrie bei der Kuppelproduktion der Fall, bei der
Massenfertigung nebeneinander völlig unterschiedliche Er-
Massenfertigung liegt vor, wenn Erzeugnisse zeugnisse aus einem Produktionsprozess
in unbegrenztem Umfang, d. h. ohne vorher entstehen.
geplante Beschränkungen, produziert werden. Beispiel:
Beispiel: Diversifikation ist bei allen größeren Industrie-
DMW AG unternehmen festzustellen, Kuppelproduktion
liegt bei der Raffinierung von Erdöl vor. Es
entsteht neben dem Hauptprodukt Benzin das
3.1.4 Anzahl verschiedener
Nebenprodukt Paraffin, welches als Rohstoff
Produkte für die Kerzenherstellung verwendet wird.
Einproduktproduktion
3.1.5 Grad der Produktionstiefe
Das Unternehmen stellt ausschließlich ein
Produkt ohne wesentliche Variationen her. Die Produktionstiefe beschreibt den Grad der
Diese Produktionsform tritt in der Praxis sehr Vollständigkeit, mit der ein Unternehmen die
selten in Erscheinung, da das Betriebsrisiko für das Endprodukt notwendigen Einzelteile
durch unvorhergesehene Absatzschwankun- selbst fertigt. Bei einer hohen Produktionstie-
gen sehr groß ist. fe wird auch von vertikaler Diversifikation
Beispiele: gesprochen. Je höher der Grad der Produktions-
tiefe eines Unternehmens ist, desto größer sind
Wasser- und Energieerzeugung
der Grad der Wertschöpfung aus dem Endpro-
Einproduktartproduktion (Sortenproduk- dukt und die Unabhängigkeit von Beschaf-
tion) fungsmärkten. Dementgegen erfordert eine
Sortenprodukte sind Varianten eines Grund- hohe Produktionstiefe größere Investitionen
produktes. Es werden also wie bei der Einpro- und eine gute innerbetriebliche Organisation.
duktproduktion artgleiche Erzeugnisse herge- Aufgaben
stellt, die jedoch in wesentlichen Eigenschaften
voneinander abweichen. Das Absatzrisiko 4. a) Nennen Sie deutsche Firmen für
mindert sich, aber kann durch die Abhängigkeit Energieversorgung.
von dem zugrunde liegenden Basisprodukt b) Fallen Ihnen Namen deutscher Fir-
nicht vollständig vermieden werden. men ein, die Stahl produzieren?
Beispiele:
Stahl- und Walzwerke
442 Produktionswirtschaft

3.1.6 Anzahl gleichzeitig Zusatzinformation zur Einzelfertigung


gefertigter Einheiten Die Einzelfertigung ist eine typische Auf-
tragsfertigung. Anders als bei einem Produkt
Losweise Produktion
aus der Massenfertigung kann der Auftragge-
Teilmengen der einzelnen Produktarten wer- ber Sonderwünsche einbringen, die der Her-
den ohne Unterbrechung durch andere Pro- steller bei der Konstruktion und Planung
duktarten in einem Durchlauf produziert. einbeziehen kann. So wickelt sich ein Ge-
Beispiel: schäft zwischen dem Auftraggeber und dem
Hersteller immer sehr individuell ab:
DMW AG
Partie- oder Chargen-Produktion
Partie- und Chargen-Produktionen sind Son-
derformen der Produktion in Losen.
Eine Partie ist eine in sich einheitliche Roh-
stoffmenge, die sich von jeder anderen Partie
in ihren Eigenschaften geringfügig unter-
scheidet.
Beispiele:
Tee, Tabak, Kaffee, Wolle aus unterschiedli-
chen Anbaugebieten.
Abb. 10a): Arbeitsablauf in der Einzelfer-
Eine Charge ist die Produktmenge, die wäh- tigung
rend eines nicht exakt wiederholbaren Pro-
duktionsprozesses hergestellt wird. Die leicht Meistens wird der Hersteller nur eine ganz
unterschiedlichen Produktionsbedingungen bestimmte Erzeugnisart erstellen können, weil
führen zu geringfügigen Unterschieden zwi- seine Produktion auf dieses Produkt ausge-
schen den Chargen. richtet ist.
Beispiele: Für die Einzelfertigung sind folgende Kenn-
Brotproduktion, Färbeprozesse zeichen typisch:
Kontinuierliche (produkteinheitsfreie) • geringer Kapitaleinsatz
Produktion • Verwendung von Mehrzweckmaschinen
Hierbei handelt es sich meistens um Produkti- • Belastung durch hohe Arbeitskosten
onsprozesse, bei denen aus ablauftechnischen
Gründen keine Unterbrechung möglich ist. • begrenzte Arbeitszerlegung.
Beispiel: Diese Kennzeichen sind aber nicht zwangs-
läufig gegeben. In der Schiffsindustrie z. B.
Raffinerieproduktion benötigt man Anlagen von hohem Wert. Auch
haben Baugeschäfte viele Maschinen im Ein-
satz. Man denke nur an die fahrenden Beton-
mischmaschinen.
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 443

Zusammenfassung und Ergänzung Beispiel:


In der folgenden Abbildung 10 b) sind Pro- Mehrproduktproduktion
duktionsarten in einer Grafik dargestellt,
Die DMW AG ist durch das Produktfeld
wobei die Unterscheidung nach technologi-
„Personenkraftwagen“ der Konsumgüterpro-
schen Verfahren hinzugefügt und einige Pro-
duktion zuzuordnen. Die Pkws werden zum
duktionsarten weggelassen worden sind.
überwiegenden Teil von privaten End-
verbrauchern gekauft. Als Automobilherstel-
ler hat die DMW AG die automatisierte Pro-
duktion schlechthin. In handwerklicher Pro-
duktion könnten die großen Stückzahlen der
abgesetzten Automobile nur mit einem erheb-
lich höheren Zeitaufwand und damit höheren
Kosten produziert werden.
Da die DMW AG bei Aufnahme der Produk-
tion keine Beschränkung der Stückzahlen
plant, ist die Produktion auf Massenfertigung
ausgerichtet.
Aufgrund der Modellvielfalt handelt es sich
um eine Mehrproduktproduktion. Mit der
angewandten Fließfertigung geht der hohe
Anteil des Fremdbezugs einher. Die Automo-
biltypen werden in Losen produziert.
Aufgaben
4. a) Ordnen Sie Ihnen bekannte Unter-
nehmen in die vorgestellten Unter-
scheidungskriterien ein! Begründen
Sie dabei Ihre Einordnung kurz!
b) Nennen Sie Beispiele von Partien!
c) Warum ist die Einzelfertigung so
teuer?
d) Bitte vergleichen Sie Abb. 9 und 10
b). Stellen Sie Unterschiede heraus!
Versuchen Sie sich auch kundig zu
machen über die technischen Verfah-
ren!
5. Der Bestand an Robotern nimmt in deut-
Abb. 10 b): Unterscheidungen im Ferti- schen Industrieunternehmen zu. Wie wird
gungsprozess nach herkömmli- sich dieser technische Fortschritt auf die
cher Art Erzeugnisse auswirken?
444 Produktionswirtschaft

3.2 Organisationsformen

Organisationstyp Werkstattfertigung Gruppenfertigung Fließfertigung Baustellenfertigung


Anordnung der Verrichtungsorientiert Objektorientiert Objektorientiert Sonderform für unbe-
Potentialfaktoren wegliche Objekte
Beschreibung der Räumliche Zusam- Räumliche Zusam- Anordnung der Be- Betriebsmittel und
Besonderheiten menfassung gleich menfassung verschie- triebsmittel und Ar- Arbeitskräfte werden
artiger Funktionen und dener Betriebsmittel beitsplätze nach der zum Objekt transpor-
Arbeitsverrichtungen zu Funktionsgruppen Arbeitsgangfolge. tiert (ortsfestes Ar-
(z.B. Dreherei, Bohre- Möglichkeit der Kontinuierlicher beitsobjekt und stand-
rei Fräserei) Anwendung neuer Fertigungsfluss wird ortvariable Betriebs-
Formen der Arbeits- durch zeitliche Ab- mittel)
strukturierung, z.B. stimmung der Arbeits-
teilautonome Gruppen takte erreicht
Typischer Anwen- Werkzeugmaschinen- wie bei Werkstatt- und Konsumgüterindustrie, Bauwirtschaft, Groß-
dungsbereich bau Fließfertigung Kraftfahrzeugindustrie anlagenbau, Projekt-
abwicklungen
Vorteile • hohe Flexibilität Gegenüber der reinen • geringe Anforde- Bewertung ist nicht
• geringe Umstellzei- Werkstattfertigung rung an die Ferti- möglich, da es eine
ten und -kosten • höhere Übersicht- gungssteuerung Alternative zu dieser
• relativ geringe lichkeit der Ferti- • niedrige Transport- Organisationsform
Kapitalbindung gung, geringere kosten nicht gibt.
• größere Handlungs- Transportzeiten • niedrige Durchlauf- Die besonderen Prob-
u. Entscheidungs- Gegenüber der reinen zeiten lembereiche der
spielräume der Ar- Fließfertigung • Vorteile durch Baustellenfertigung
beitskräfte • höhere Flexibilität Arbeitsteilung und sind dabei:
Spezialisierung • Planung der Bau-
Nachteile • schwierige Ferti- Zurückstellen von • hoher Kapitalbedarf stelleneinrichtung
gungsplanung und Sonderwünschen für die Fertigungs- • Realisierung der
-steuerung anlagen Transportkette
• hohe Transport- • reagiert empfind- • Planung der techno-
kosten lich auf Störungen logischen Abläufe
• Zwischenlagerbil- des Ablaufs
dung • starre Produktion
• lange Durchlauf- • geringe Handlungs-
zeiten u. Entscheidungs-
• ungleichmäßige spielräume der Ar-
Kapazitätsaus- beitskräfte
lastung
Abb. 11: Organisationsformen der Fertigung

Nach dem Gesichtspunkt der Zusammenfas- Ergänzung zu Organisationsformen


sung von Maschinen und Arbeitsplätzen zu
Organisationsformen werden in der Praxis
fertigungstechnischen Einheiten und deren
auch Organisationstypen oder Produktion
räumlicher Anordnung lassen sich als allge-
genannt. Auch die Reihenfertigung gehört
meine Organisationstypen der Fertigung die
hierzu, nur gilt sie als Vorstufe der Fließferti-
Werkstattfertigung, die Fließfertigung, die
gung, obwohl keine Fließbänder (im arbeits-
Gruppenfertigung und die Baustellenferti-
technischen Sinne) eingesetzt werden.
gung unterscheiden.
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 445

Wesentlich für die Unterscheidung und die Erscheinungsformen dieser Organisationsart


Einordnung der Fertigungsverfahren sind das sind die Reihenfertigung und, in ihrer kon-
Objekt- und Verrichtungsprinzip: sequentesten Anwendung, die Fließferti-
Objektprinzip: gung.
Sind die Betriebsmittel und Arbeitsplätze in Verrichtungsprinzip:
der Reihenfolge der auszuführenden Arbeits- Sind die Betriebsmittel und Arbeitsplätze
schritte angeordnet, ist die Fertigung nach nach der Gleichartigkeit der Tätigkeiten in
dem Objektprinzip organisiert. An jeder Be- Werkstätten zusammengefasst, ist die Ferti-
arbeitungsstufe wird eine andere Verrichtung gung nach dem Verrichtungsprinzip organi-
am gleichen Objekt vorgenommen. siert. Verschiedene Verrichtungen werden an
Da die Verrichtungen, also gleiche Bearbei- verschiedenen Orten durchgeführt.
tungsschritte, voneinander nach Notwendig- Da die gleichartigen Verrichtungen, ohne
keit des Gesamtablaufes getrennt sind, spricht Rücksicht auf die Abfolge aller an einem
man auch von Verrichtungsdezentralisation Werkstück (Objekt) durchzuführenden Ar-
oder Objektzentralisation. Muss beispiels- beitsschritte, örtlich zusammengefasst sind,
weise an einem Werkstück nach jedem Ar- spricht man auch von Verrichtungszentrali-
beitsschritt ein Nachbearbeiten durch einen sation oder Objektdezentralisation. Muss
Schleifautomaten erfolgen, würde bei dieser beispielsweise an einem Werkstück nach je-
Organisationsform nach jeder Bearbeitungs- dem Arbeitsschritt ein Nachbearbeiten durch
stufe ein Schleifautomat eingerichtet werden, einen Schleifautomaten erfolgen, würde bei
um die langen Transportwege in eine zentrale dieser Organisationsform das Werkstück nach
Schleiferei zu umgehen. jeder Bearbeitungsstufe wiederum in die zent-
rale Schleiferei transportiert werden

Abb. 12: Reihenfertigung


446 Produktionswirtschaft

Erscheinungsformen dieser Organisationsart Aufgaben


sind in der konsequentesten Form die Werk-
6. Wenn Arbeitsplätze und Maschinen, die
stattfertigung und in abgeschwächter Form
zur Fertigung eines Erzeugnisses not-
die Gruppenfertigung. Bei der Gruppenferti-
wendig sind, zu Gruppen zusammenge-
gung werden innerhalb bestimmter ferti-
fasst werden, spricht man von der Grup-
gungstechnischer Einheiten, den so genannten
penfertigung. Wieso kann diese Organi-
Funktionsgruppen, die Maschinen und Ar-
sationsform besonders motivationsför-
beitsplätze in der Reihenfolge der Arbeits-
dernd sein?
gänge angeordnet.
7. Man unterscheidet die Fließfertigung und
3.2.1 Besonderheiten der die Fließbandfertigung. Unterscheiden
Werkstattfertigung Sie beide Begriffe!
8. Bei der Baustellenfertigung wird das Er-
Aufbauend auf der in der Übersicht beschrie- gebnis bzw. der Arbeitsgegenstand wegen
benen Besonderheit der Werkstattfertigung, seiner Standortgebundenheit auf einer
nämlich der räumlichen Zusammenfassung Baustelle gefertigt. Wann wird dieses Ver-
gleichartiger Funktionen und Arbeitsverrich- fahren typischerweise eingesetzt?
tungen, werden nun die entstehenden Proble-
me vertieft dargestellt und Lösungsansätze
entwickelt.
Das Hauptproblem bei der Werkstattfertigung
ist das Fehlen eines einmaligen optimalen
Ablaufes, wie beispielsweise bei der Fließfer-
tigung (siehe Abschnitt 3.2.2). Die Ferti-
gungssituation ändert sich laufend.
Um sich dennoch einer möglichst guten Lö-
sung nähern zu können, wird das Problem der
Festlegung von Produktionsabläufen bei der
Werkstattfertigung zunächst in einzelne Ab-
schnitte unterteilt und isoliert betrachtet (sie-
he Abb. 14).
Leider führt diese getrennte Betrachtung nur zu
optimalen Lösungen für den betrachteten Be-
reich. Versucht man, eine Teillösung auf den
gesamten Bereich anzuwenden, werden Ziel-
konflikte deutlich. Hierzu einige Beispiele:

Abb. 13: Beispiel einer Werkstattferti-


gung
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 447

1. Positiver Effekt:
Je niedriger die Bestände an Aufträgen,
die in den Werkstätten zur Bearbeitung
vorliegen, sind, desto niedriger ist das im
Umlaufvermögen gebundene Kapital, und
desto kürzer sind die Durchlaufzeiten (sie-
he Abschnitt 6.2) der einzelnen Aufträge.
Negativer Effekt:
Je weniger Aufträge vor einer Werkstatt
lagern, desto schwerer ist die optimale
Auslastung der Maschinen, woraus sich
eine Verminderung der Gesamtleistung
des Produktionsapparates ergeben könnte.
Ergebnis:
+ Durchlaufzeiten verkürzt
Abb. 14: Simultane Planungsschritte bei
– Kapitalbindung vermindert der Werkstattfertigung
– Maschinenauslastung gefährdet
– Gesamtleistung gefährdet
2. Positiver Effekt:
Je kleiner die Losgröße gewählt wird,
desto einfacher ist die optimale Auslas-
tung der Maschine, da kleinere Produkti-
onseinheiten besser in Produktionsfrei-
räume eingeplant werden können.
Negativer Effekt:
Je kleiner die Losgröße, desto größer die
Losanzahl (siehe Abschnitt 5.). Hieraus
folgen höhere Transportkosten durch
mehr Transportvorgänge und eine Erhö-
hung der Durchlaufzeit des Auftrags (aus
mehreren Losen), da erst nach Fertigstel-
lung des letzten Loses der Auftrag ausge-
liefert werden kann.
Ergebnis:
+ hohe Maschinenauslastung
+ hohe Gesamtleistung
– hohe Transport- und Rüstkosten
– lange Auftrags-Durchlaufzeit Abb. 15: Die Werkstattfertigung in ihrer
typischen Ausformung (Jaeger)
mit langen Durchlaufzeiten
(Doppelwege u. a.)
448 Produktionswirtschaft

Unternehmens- Vorteile der Werkstattfertigung Nachteile der Werkstattfertigung


bereich
Produktions- - Langfristige Produktionsplanung birgt - Kurzfristige Programmplanung (Losgrößenpla-
planung durch hohe Flexibilität des Produktions- nung) wegen Problem der Maschinenbelegung
apparates ein geringeres Risiko sehr komplex
Produktions- - Sehr flexibel bei Umstellungen im - Lange Durchlaufzeiten - Lange innerbetriebliche
durchführung Produktionsprozess Wartezeiten
Produktions- - Störungen an einer Maschine können - Festlegung der optimalen Bearbeitungsreihen-
steuerung umgangen werden und beeinflussen den folge muss permanent erfolgen
kurzfristigen Gesamtablauf nicht - Kapazitätsengpässe können entstehen und
müssen berücksichtigt werden
Absatz - Hohe Flexibilität gegenüber kundenin- - Hohe Fertigungskosten, daher zumeist konjunk-
dividuellen Produktanpassungen turell bedingte Absatzschwankungen (Investiti-
- Sehr flexibel gegenüber Nachfrageände- onsgüter)
rungen - Vorkalkulation schwierig, daher Gefahr des
- Flexibel bei kurzfristigen Sonderaufträgen „Verkalkulierens“ durch zu hohe Ist-Kosten
Finanzierung - Vergleichsweise geringe Kapitalbindung - Hohe Kapitalbindung im Umlaufvermögen
im Anlagevermögen
Personal - Geringe Fluktuation - Hohe Personalkosten durch hohen
- Geringer Krankenstand Facharbeiteranteil
- Hohe Arbeitsmotivation
- Flexibel einsetzbares Personal
Lager - Flexibilität bei Lieferverzug durch - Lagerhaltung und Sicherheitsbestände nötig ->
Lagerhaltung Kosten der Kapitalbindung
Einkauf - Schlechte Verhandlungsposition, da geringere
Abnahmemengen
Abb. 16: Zusammenfassung: Vor- und Nachteile der Werkstattfertigung

3. Positiver Effekt: Aufgaben


Je mehr sich die Reihenfolge der Bear- 9. Erklären Sie die Besonderheiten der Orga-
beitung im Rahmen der technischen nisationsform „Werkstattfertigung“! Ge-
Möglichkeiten nach der Lage der Werk- hen Sie dabei auf die Begriffe „Objekt-
stätten zueinander richtet, desto kürzer prinzip“ und „Verrichtungsprinzip“ ein!
sind die Transportwege und Transport-
10. Überlegen Sie, welche Gründe für ein
kosten.
Unternehmen bestehen könnten, die Pro-
Negativer Effekt: duktion, die bislang eine Werkstattferti-
Je weniger die Auslastung einzelner gung war, mit einer anderen Organisati-
Werkstätten betrachtet wird, desto eher onsform neu zu gestalten!
kann es zu Leerzeiten oder zu Engpässen 11. Nennen Sie die charakteristischen Prob-
(Auftragsstau vor einzelnen Werkstätten) leme bei der Produktionsplanung einer
kommen. Werkstattfertigung! Erläutern Sie, warum
Ergebnis: die Lösung dieser Probleme so schwierig
ist! Gehen Sie dabei auf die unterschiedli-
+ Bearbeitungsreihenfolge optimal
chen Zielgrößen der Problembereiche ein!
+ Transportwege und -kosten geringer
– Auslastung zu hoch oder zu niedrig
– Gesamtleistung evtl. gefährdet
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 449

Als Ergebnis kann festgestellt werden, dass 12. Stellen Sie anhand eines Ihnen bekannten
aufgrund der zu großen Komplexität der Zu- Unternehmens (z. B. Ausbildungsbetrieb)
sammenhänge die Planung zunächst für ein- dar, warum das Unternehmen mit Werk-
zelne Zielgrößen getrennt vorgenommen stattfertigung produziert bzw. warum die-
werden muss, die Ergebnisse anschließend se Organisationsform nicht gewählt wur-
jedoch aufeinander abgestimmt werden müs- de!
sen, um sich an eine insgesamt gute Lösung 13. Was versteht man unter einer Werkstatt
anzunähern. im handwerklichen Sinn?
Dies ist umso schwerer, da es sich bei der 14. Warum ist die Werkstattfertigung typisch
Werkstattfertigung meistens um ein dynami- für kleine Handwerksbetriebe?
sches, also kurzfristig wechselndes Auftrags-
programm handelt. Eine gestern gefundene 15. Was spricht aus absatzpolitischer Hin-
gute Lösung kann morgen schon unbrauchbar sicht für die Werkstattfertigung?
sein.
Diese Planungsschwierigkeit wird auch das
„Dilemma der Ablaufplanung“ genannt.

3.2.2 Besonderheiten der Fließfertigung

Der Grundgedanke der Fließfertigung basiert Taylorismus


auf der Zerlegung der zur Fertigung eines
Zerlegung der Arbeit in einzelne Funktionen
Produktes notwendigen Arbeiten in viele
mit kleinen Arbeitsinhalten, wodurch:
kleine Bewegungsabläufe und der anschlie-
ßenden Zusammenfassung gleichartiger Ar- • unnötige Abläufe erkenn- und vermeid-
beitsschritte. Diese von Frederick Winslow bar werden
Taylor Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte • die einzelnen Abläufe durch Routine
Vorgehensweise (Taylorismus) ermöglichte schneller vollzogen werden
eine erhebliche Erhöhung der Produktivität
von Arbeitsprozessen und damit eine Auswei- • die Produktivität durch Erhöhung des
tung der Industrieproduktion insgesamt. Outputs (Menge) bei gleichem Input
(Zeit) steigt.

3.2.2.1 Das Gesetz der Massenproduktion


Das Gesetz der Massenfertigung ist die Die Fließbandfertigung führt aufgrund sin-
Grundlage dafür, dass sich die hohen Investi- kender variabler Stückkosten (durch geringere
tionen in den „Fließband-Branchen“, die oft Bearbeitungszeit) und degressiver fixer
Milliardenbeträge umfassen, lohnen. Stückkosten (durch Verteilung der Fixkosten)
bei steigenden Ausbringungsmengen zu sin-
kenden Kosten (k) pro Stück.
450 Produktionswirtschaft

Dieses Gesetz formuliert den Zusammenhang


von Fixkosten und Kapazitätsauslastung und
weist nach, dass die Stückkosten bei gleich
bleibenden Fixkosten und variablen Kosten
mit zunehmender Menge sinken. Diesen Zu-
sammenhang verdeutlicht Abbildung 17.
Wenn aber die Kosten pro Stück mit steigen-
der Ausbringungsmenge sinken, kann das
vorrangige Ziel nur sein, so viel wie möglich
zu produzieren.
Dieses Ziel muss jedoch mit gleich bleiben-
den Betriebsmitteln (gleiche Fixkosten) er-
reicht werden. Die Betriebsmittel müssen also
besser ausgelastet werden.
Diese bessere Auslastung soll bei der Fließfer-
tigung durch zwei Ansätze erreicht werden:
• bessere räumliche Anordnung der Be-
triebsmittel
Ziel: Einsparung von Transportzeit
• bessere zeitliche Abstimmung von
Arbeitsschritten Abb. 17: Fixkostendegression durch
Massenfertigung
Ziel: Einsparung von Wartezeit.

3.2.2.2 Erscheinungsformen der


Fließfertigung

3.2.2.2.1 Organisierte Fließfertigung


Die zeitliche Abstimmung der Arbeitsschritte
erfolgt durch Zerlegung des Produktionspro-
zesses in Arbeitsschritte (meist in der AV,
siehe Abb. 18), die innerhalb eines Arbeits-
taktes ausgeführt werden können (Fließferti-
gung im „klassischen“ Sinne).
Beispiele: Automobilindustrie, Massenelekt-
ronik (siehe Abschnitt 3.2.2.3)

3.2.2.2.2 Naturbedingte Fließfertigung


Die zeitliche Abstimmung der Arbeitsschritte
wird durch die Technologie des Produktions-
oder Gewinnungsprozesses bestimmt. Abb. 18: Vorbereitung der Herstellung
Beispiele: Zuckerproduktion, Roheisenbear- durch Produktionsplanung mit
beitung AV als Leitstelle
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 451

a) Der Arbeitsplatz ist feststehend, das Fallstudie zur Fließbandplanung bei der
Produkt wird durch das Fließband an die- DMW AG:
sen Arbeitsplatz befördert. Während der Ausgangssituation:
Bearbeitung verweilt das Produkt am
Platz und wird während einer Zeitphase Auf mehreren Fertigungsstraßen der DMW
bearbeitet. AG werden Motorenblöcke im Rohbau und
zugelieferte Motoren-Bestandteile zu einem
b) Das Fließband befördert das Produkt mit einbaufertigen Motor zusammengesetzt.
gleich bleibender Geschwindigkeit an Ar-
beitszonen vorbei, in denen das Produkt Die Gesamtkapazität dieser Fertigungsstraßen
während der Bewegung bearbeitet wird. beträgt 4800 Minuten pro Schicht. Der Bedarf
an kompletten Motoren, die unmittelbar nach
3.2.2.3 Arbeitszerlegung der Montage in die Fertigmontage eingehen,
beträgt 96 Stück pro Schicht.
Die Abteilung „Arbeitsvorbereitung“ führt
eine systematische Zerlegung des gesamten Der Ablauf der Planung für die Einrichtung
Vorgangs mittels Arbeitsablauf- und Arbeits- dieses Teilabschnitts „Zusammenbau Moto-
zeitstudien in Ablaufabschnitte durch. Nach ren“ im Rahmen des gesamten Fließbandes
diesen Arbeitsstudien ist der gesamte Vor- verläuft dabei wie folgt:
gang in Arbeitsgänge (1. Ebene), Arbeitsstu- 1. Schritt: Zerlegung des Arbeitsablaufs
fen (2. Ebene) bis hin zu einzelnen Arbeits- In der Arbeitsvorbereitung wird der Arbeitsab-
griffen (3. Ebene) unterteilt. lauf „Zusammenbau Motor“ in die Einzelver-
richtungen aufgelöst. Weiterhin wird in Zu-
3.2.2.4 Abstimmung von Kapazität sammenarbeit mit der Montageleitung ermit-
und Reihenfolge telt, welche Bearbeitungsreihenfolgen dieser
Aufgabe der Bandabstimmung ist es, einen Einzelverrichtungen möglich sind und welche
kontinuierlichen, von Unterbrechungen freien Reihenfolgen aus technischen Gründen aus-
Materialfluss durch die einzelnen Arbeitssta- scheiden.
tionen eines Fließbandes zu erzielen. Diese Ergebnis der Zerlegung: siehe Abb. S. 480
Austaktung gliedert sich in drei Problembe- oben
reiche, die simultan gelöst werden müssen:
2. Schritt: Bestimmung einer realisierba-
1. Abstimmung von Bedarfs- und ren Taktzeit
Produktionsmenge
Für das Beispiel ergibt sich bei einer Schicht-
Zunächst muss der Bedarf, also die benö- Kapazität von 4800 ZE und einem Bedarf von
tigte Ausbringungsmenge, so genau wie 96 Stück pro Schicht eine Taktzeit von:
möglich abgeschätzt werden. Anhand
dieser Menge kann die Grobplanung für 4800 ZE / Schicht
= 5 Minuten
den Kapazitätsbedarf erfolgen. Die Fein- 960 Stück / Schicht
planung, also die genaue Bestimmung des Umgekehrt kann anhand dieses Zusammen-
notwendigen Personalumfanges und der hanges auch die benötigte Kapazität bei vor-
Anzahl der Maschinen, wird zusätzlich gegebener Bedarfsmenge und vorgegebener
von der Geschwindigkeit des Fließbandes, Taktzeit (z. B. maximal mögliche Bearbei-
der so genannten Taktzeit, bestimmt. tungsgeschwindigkeit) ermittelt werden.
452 Produktionswirtschaft

Taktzeit (nach REFA) Ergebnis der Zerlegung


Die Taktzeit ist die Zeit, die innerhalb eines Arbeitsschritt benötigte
Fließbandes zur Fertigstellung einer Produkt- Zeit
einheit benötigt wird. Sie ergibt sich aus dem
Quotienten von Kapazität und Bedarfsmenge. A Zylinderkopfdichtung einlegen 1,00

Kapazität ( Zeiteinhei ten pro Schicht ) B Zylinderkopf auf Motorblock 4,00


Taktzeit =
Bedarf (Mengeneinh eiten pro Schicht ) C Ventildeckeldichtung einlegen und 1,50
Ventildeckel montieren
2. Verteilung der Arbeitsschritte auf die
Stationen D Zündkerzen montieren 2,50
Im Rahmen der ermittelten Taktzeit wer- E Wasserpumpe vormontieren 4,00
den anschließend ähnliche Bearbeitungs-
F Einspritzleitungen vormontieren 3,50
schritte zusammengefasst. Dabei müssen
die technischen Variationsmöglichkeiten G Einspritzpumpe vormontieren 1,00
berücksichtigt werden. In der Fallstudie H Montage von Einspritzanlage und
zeigen sich Grenzen dieser Möglichkeiten.
Wasserpumpe an Motorblock 2,00
Der Ventilkopf kann z. B. erst auf den Mo-
torenblock montiert werden, wenn die I Zahnriemenspannrolle montieren 3,00
Ventildichtung eingelegt wurde. Weiter- J Ölwanne und Ölfilter montieren 7,00
hin kann der Zahnriemen erst eingebaut
und gespannt werden, wenn die benötigte K Zahnriemen einlegen und spannen 2,50
Spannrolle bereits eingebaut wurde. L Ölfilter und Luftfilter montieren 4,50
Die Festlegung der Arbeitsschritte inner- Gesamtzeit 36,50
halb der Arbeitsstationen erfolgt also si-
multan mit Punkt 3. Aus diesem Planungsschritt kann jedoch auch
ein nichtrealisierbares Ergebnis resultieren.
3. Abstimmung der Reihenfolge der Ar- Ist die Kapazität für den gewünschten Output
beitsstationen (Bedarf) nicht ausreichend, so wird die Takt-
Hierbei werden die räumliche Anordnung zeit im Extremfall so kurz, dass sie technisch
der Betriebsmittel (Fabrik-Layout; siehe nicht mehr realisierbar ist. In diesem Fall
Abschnitt 4.) und der Bedarf an innerbe- muss über eine Kapazitätsausweitung oder
trieblichen Transportsystemen (Fließband eine kleinere Ausstoßmenge entschieden wer-
im engeren Sinne) geplant. In dieser den. In dem dargestellten Beispiel wird verein-
Feinabstimmung werden Unterschiede fachend davon ausgegangen, dass die Taktzeit
der Bearbeitungszeiten von aufeinander von 5 Minuten technisch realisierbar ist.
folgenden Arbeitsstationen durch die Be- 3. Schritt: Austaktung der Bearbeitungs-
rücksichtigung von Leerzeiten oder Zwi- stationen
schenlagern geglättet. Zu bedenken ist
immer, dass Leerzeiten und Zwischenlä- Problematisch erscheint auf den ersten Blick
ger Kosten verursachen und einer guten der Bearbeitungsschritt J. Er umfasst nach der
Wirtschaftlichkeit entgegengesetzt sind. Arbeitszerlegung 7 Minuten und muss inner-
Soweit wie möglich gilt daher das Prin- halb eines Taktes von 5 Minuten durchgeführt
zip, Zwischenläger zu vermeiden, denn werden. Dies ist offensichtlich unmöglich.
sie verursachen Personalkosten und Ka- Man entschließt sich daher, das Band an die-
pitalbindungskosten. ser Stelle in zwei gleichartige Stationen zu
teilen. Jede dieser Stationen wird dann ab-
wechselnd jeden zweiten Takt bedient.
3. Merkmale unterschiedlicher Produktionen 453

Die benötigten Zeiten der anderen Bearbei- Damit stehen für die Bearbeitung an diesen
tungsschritte sind dagegen alle kleiner als die Stationen zwei Takte, also 10 Minuten, zur
Taktzeit und können somit problemlos durch- Verfügung.
geführt werden. Da jedoch erhebliche Ab- Ergebnis der Austaktung:
stimmungsverluste entstehen würden, wenn
jeder dieser Schritte in einem Takt durchge- Stati- Arbeits- Bearbeitungs- Takt Abstim-
führt werden würde, wird darüber hinaus on schritte zeit zeit mungs-
versucht, Bearbeitungsschritte, die nachein- zeit
ander durchgeführt werden können und in der I. A, B 1+4=5 5 0
Summe der Zeiten innerhalb des Taktes lie-
II. C, D 1,5 + 2,5 = 4 5 1
gen, zusammenzufassen.
III. E 4 5 1
Abschließend wird überprüft, ob durch die
Parallelanordnung von Arbeitsstationen die IV. F, G 3,5 + 1 = 4,5 5 0,5
Gesamtzahl der Takte, die für die Durchfüh- V. H, I 2+3=5 5 0
rung des gesamten Vorgangs (Zusammenbau
Motor) benötigt werden, verringert werden VI. J, K 7 + 2,5 = 9,5 5+ 0,5
kann. Auch hierbei müssen die technischen 5
Möglichkeiten berücksichtigt werden. VII. L 4,5 5 0,5

Aufgabe
16. Definieren Sie den Begriff „Fließferti-
gung“ umfassend!

Abb. 19: Fallstudie Fließbandplanung: grafische Darstellung der Ergebnisse


454 Produktionswirtschaft

Unternehmens- Vorteile der Fließfertigung Nachteile der Fließfertigung


bereich
Produktionspla- - Kurzfristige Programmplanung (Los- - Sehr genaue langfristige Planung der Zusammen-
nung größenplanung) entfällt setzung des Produktionsprogrammes nötig
Produktions- - Kurze Durchlaufzeiten der Produkte - Sehr unflexibel bei Umstellungen im Produkti-
durchführung - Minimale Wartezeiten onsprozess
Produktions- - Nach Anlaufphase durch Überschaubar- - Störungen haben unmittelbare Auswirkung auf
steuerung keit des Ablaufes leicht steuerbar den Gesamtablauf
Absatz - Durch niedrige Kosten hohe Flexibilität - Sehr geringe Flexibilität gegenüber qualitätsmä-
in der Preispolitik (niedrige Preisunter- ßigen Nachfrageänderungen (Mode, technischer
grenze) Fortschritt)
- Gute Planbarkeit von Lieferterminen - Nachfrage-Rückgänge können existenzbedro-
(hohe Liefertreue) hend sein
Finanzierung - Geringe Kapitalbindung im Umlaufver- - Hohe Kapitalbindung im Anlagevermögen
mögen
Personal - Niedrigere Personalkosten durch geringe- - Hohe Fluktuation
ren Facharbeiter-Anteil - Hoher Krankenstand
- Geringe Arbeitsmotivation
Lager - Lagerfreie Beschaffung möglich (Just-in- - Hohe Störanfälligkeit bei Lieferverzug
time)
Einkauf - Sehr gute Preisverhandlungsposition, da
hohe Abnahmemengen
Abb. 20: Vor- und Nachteile der Fließfertigung

4. Innerbetriebliche Standortplanung
Der Begriff Layout bedeutet „räumliche An- Innerbetriebliche Standorte müssen exakt
ordnung“. Die Layoutplanung umfasst die festgelegt werden. Das macht die Layoutpla-
Ermittlung, Bewertung und Auswahl alternati- nung. Es erscheint wie selbstverständlich,
ver räumlicher Anordnungsmöglichkeiten von dass innerhalb eines Betriebes die einzelnen
Produktionsfaktoren innerhalb eines Betriebes. Fertigungsabteilungen räumlich annähernd
Diese Planung bezieht sich zum Beispiel auf: nach dem Weg der Erzeugnisse durch die
• Maschinen (Maschinenlayoutplanung) Produktion angeordnet sind, die Büroräume
einer Abteilung möglichst nah beieinander
• Büros (Gebäudelayoutplanung) liegen oder das Rohstofflager im Erdgeschoss
• Lagerplätze (Lagerplanung). eines Werksgebäudes mit Anschluss an eine
Lkw-Rampe liegt. Erst in Situationen, in
Die Ausgangssituation bei der Layoutplanung denen der Material- oder Informationsfluss
wird von folgenden vier wesentlichen Fakto- durch räumliche Einflüsse behindert oder
ren bestimmt: unterbrochen ist, wird deutlich, dass die Fest-
legung der Standorte einzelner Abteilungen
nicht willkürlich, sondern das Ergebnis einer
umfangreichen Planung ist. Diese Bestim-
mung der innerbetrieblichen Standorte wird
Layoutplanung genannt.
4. Innerbetriebliche Standortplanung 455

1. Begrenzte Fläche Beispiel:


Ausgangspunkt der meisten Planungen in Layoutplanung
der Betriebswirtschaft ist ein Engpass. In
Ein Unternehmen möchte den Materialfluss in
der Layoutplanung ist dies fast immer ei-
der Produktion effektiver gestalten. Die Aus-
ne begrenzte Raumfläche, die für die be-
gangssituation ist in Abbildung 22 a) darge-
trieblichen Notwendigkeiten möglichst
stellt.
optimal ausgenutzt werden soll.
Zielsetzung der Umstrukturierung ist vor
2. Menge von Objekten
allem die Verkürzung des Materialflusses und
Die allgemeine Formulierung „Objekte“ die Verkürzung der Transportwege zwischen
bezieht sich auf alle für die betrieblichen den Maschinen und dem Werkzeuglager bei
Abläufe wesentlichen: Umrüstvorgängen.
• Arbeitsplätze Prinzipiell kann die Innenaufteilung der Halle
• Maschinen beliebig verändert werden. Auf die tragende
Wand zwischen den Lagerräumen und dem
• Werkstätten Produktionsbereich kann jedoch aus stati-
• Abteilungen. schen Gründen nicht verzichtet werden. Dar-
über hinaus muss die Lackierstraße an dem
3. Beziehungen zwischen den Objekten
jetzigen Platz bleiben, da dort Lüftungs- und
Hierbei müssen die Zusammenhänge der Entsorgungseinrichtungen fest installiert sind.
unter 2. definierten Objekte ermittelt
Abb. 21 zeigt Ihnen, wie die Lagerorte be-
werden, um Prioritäten in der späteren
stimmt werden können.
Zuordnung festlegen zu können. Diese
Zusammenhänge ergeben sich z. B. aus:
• Güterflüssen
• Formularbewegungen
• Kommunikationsbeziehungen.
4. Bedingungen und Restriktionen für
Anordnung
Durch bestimmte bauliche oder techni-
sche Notwendigkeiten können sich für
bestimmte Objekte Fixpunkte innerhalb Abb. 21: Bestimmung des Lagerortes
des zur Verfügung stehenden Raumes er- nach Joschke
geben, die in die Planung einbezogen
werden müssen. Beispielsweise müssen Erläuterung: In diesem Fall sind Ein- und
Öfen einen Anschluss an vorhandene Ausgang an einem Punkt. Leichte Ware kann
Schornsteine haben oder sind bestimmte nach hinten transportiert werden, sie kann ein
Maschinen mit einem Fundament ver- großes Volumen haben, schwere Ware ist am
bunden, sodass eine Bewegung zu auf- Eingang zu lagern, sie sollte möglichst
wändig sein würde. Weiterhin ist denk- schwer sein.
bar, dass bestimmte Maschinen nur in ei-
ner bestimmten Ausrichtung zueinander
stehen müssen und daher nicht beliebig
platzierbar sind.
456 Produktionswirtschaft

Abb. 22 a): Beispielsituation vor Layout- Abb. 22 b): Beispielsituation nach Layout-
verbesserung verbesserung

4.1 Kurzdarstellung eines Verfahrens der Layoutplanung


Alle computergestützten Planungsprogramme Verbesserungseffekte durch Layoutände-
setzen voraus, dass der zur Verfügung stehende rungen
Raum, die einzuplanenden Objekte und die
1. Der Materialfluss konnte insgesamt ver-
Beziehungen der Objekte zueinander so genau
kürzt werden, da die Entfernung zwi-
wie möglich ermittelt und beschrieben werden
schen den Maschinen und dem Rohstoff-
können. Je umfangreicher die Datenbasis ist,
lager als Materialsender einerseits sowie
desto besser ist die ermittelte Lösung.
den Maschinen und der Galvanik als Ma-
terialempfänger andererseits verkürzt
4.1.1 Das Verbesserungs- werden konnte.
verfahren
2. Die Transportwege zwischen Maschinen
Nach Festlegung des Raumes, der Objekte und Werkzeuglager sind erheblich kürzer.
und der Beziehungen zueinander wird die 3. Durch die Schaffung eines durchgehen-
Ausgangssituation mittels einer speziellen den Lagers mit zwei Bereichen kann das
Software dargestellt. Dieser Ausgangssituati- Lager besser ausgenutzt werden.
on wird durch Bewertung einzelner Merkmale
eine Wertesumme zugewiesen (Zielgröße). 4. Die Ausklammerung des Werkzeuglagers
und seine Zuordnung zu den Maschinen
Ausgehend von diesem Plan werden nun S1 u.s.f. erleichtert den Zugriff und führt
Objekte getauscht und der neue Plan wieder- zur Verbesserung der Durchlaufzeit.
um nach gleichem Schema bewertet. Ist der
neue Wert höher, so wurde eine erste Verbes-
serung erzielt. Ist er niedriger, so wird der
Tausch rückgängig gemacht.
4. Innerbetriebliche Standortplanung 457

Diese Prozedur läuft so lange, bis durch kei- Ergänzungen zum innerbetrieblichen Standort
nen Tausch eine Erhöhung des Wertes ent- Wie umfassend die innerbetriebliche Standortplanung
steht. Das Verfahren, nach dem diese Pla- sein kann, lässt sich an den folgenden Fragestellungen
nungssoftware abläuft, wird CRAFT (compu- festmachen.
terized relative layout planning) genannt. • Um was für einen Betrieb handelt es sich?

Die Vorgehensweise verdeutlicht den erhebli- • Wie groß ist er, bzw. wie groß ist das gesamte
Werksgelände, bzw. welche Größe ist überhaupt
chen Aufwand, der sich bei der Planung er- geplant?
gibt. Es stellt sich daher die Frage, ob sich
• Welches Fertigungsverfahren soll zur Anwendung
Layoutplanung eigentlich lohnt. Für die Be- kommen?
antwortung müssen die Auswirkungen der
• Welche Verträge sind mit den Lieferanten abge-
Layoutplanung auf die Kosten betrachtet schlossen oder sollen zum Abschluss kommen?
werden.
Aufgabe
4.2 Kostenverminderung 17. a) Wieso könnten sich langfristige
durch Layoutplanung Verträge mit Lieferanten auf die
Layoutplanung auswirken?
Da die Layoutplanung betriebsinterne Abläu- b) Gesetzt den Fall, dass die Layout-
fe verbessern soll, ist die Kostenverminde- Fein-Planung sogar die Lagerungs-
rung vorrangiges Ziel. plätze (z. B. abgeteilte Lagerräume)
für die Werkstoffe festlegt. Welche
Hierbei ist zwischen zwei Arten der Kosten- Werkstoffmerkmale könnten diese
verminderung zu unterscheiden: bestimmen?
Grundsätze für die Wahl innerbetrieblicher Standorte
4.2.1 Sinkende Fixkosten pro
Die Wahl des innerbetrieblichen Standorts hängt weit
Stück gehend vom Wirtschaftlichkeitsdenken ab. Es ist in
diesem Fall langfristig orientiert. Die Wissenschaft hat
Ergeben sich durch die Layoutveränderungen Grundsätze hierzu entwickelt, die für eine Reihe von
geringere Leerzeiten bei den vorhandenen Unternehmen anwendbar sind. Einige seien in Anlehnung
Anlagen, so kann in gleicher Zeit mehr pro- an Mellerowicz genannt:
duziert werden. Dadurch sinken die Fixkosten • Prinzip der kurzen Transportwege
pro Stück (Gesetz der Massenproduktion). • Prinzip der zentralen Anordnung verkehrsreicher
Abteilungen
• Prinzip der Prozessfolge
4.2.2 Sinkende variable • Prinzip der Kontrolle
Stückkosten • Prinzip der Geschlossenheit zusammengehöriger
Betriebsteile
Durch Verkürzung des Materialflusses sinkt • Prinzip der Isolierung von Gefahrenquellen.
die Zeit für innerbetriebliche Transporte, in Was besagt das Prinzip der Kontrolle? Grundsätzlich
denen die Werkstücke zwischen zwei Ferti- erlaubt ein übersichtlich gestaltetes Gebäude eine leichte-
gungsstufen befördert werden. Die Kosten für re Kontrolle. Bei ständig zu überwachenden Betriebstei-
len müssen Kontrollstellen unmittelbar in deren Nähe
diese Transportzeit vermindern sich analog.
sein, sodass bei der Überwachung nicht dauernd zu lange
Diesen Verbesserungen stehen jedoch auch Wege zurückgelegt werden und zu viele Arbeitsminuten
negative Effekte gegenüber. Layoutplanung verloren gehen.
verursacht Kosten, die in zwei Bereiche un-
terteilt werden können. Aufgabe
18. Versuchen Sie die einzelnen Prinzipien
zu erläutern!
458 Produktionswirtschaft

4.2.3 Fixkosten der


Layoutplanung
Da für die Ermittlung des optimalen Layouts in
Unternehmen die Beziehungen zwischen sehr
vielen Objekten berücksichtigt werden müs-
sen, ist eine EDV-Unterstützung bei der Pla-
nung unumgänglich. Die Ausgaben für Hard-
und Software sind Fixkosten der Planung.

4.2.4 Variable Kosten der


Layoutplanung
Darüber hinaus fallen bei der Umsetzung der
einzelnen Alternativen weitere Kosten an, wie
beispielsweise:
Produktion: Kosten für die räumliche Um-
stellung von Maschinen, Kos-
ten für Produktionsausfall wäh-
rend der Umstellung
Finanzierung: Finanzierungskosten neuer Ma-
schinen
Personal: Kosten für Einweisung in neue
Transportsysteme, Abfindungs-
kosten bei Personalabbau durch
Entlassungen
Gebäude: Kosten für Neuaufteilung von Abb. 23: Entscheidungsablauf des
Räumen CRAFT-Verfahrens

5. Kurzfristige Produktionsplanung
Die kurzfristige Produktionsplanung baut Beispiel:
auf den Ergebnissen der lang- und mittelfris-
DMW AG
tigen Produktionsplanung (siehe Abschnitt 2.)
auf. Die Produktionsplanung der DMW AG wird
in den Monaten Mai und Juni vor eine schwe-
Die dort gefällten Entscheidungen:
re Aufgabe gestellt. Durch einen großen Zu-
• welche Produkte satzauftrag aus Fernost werden die geschätz-
• in welchen Gesamtmengen ten Absatzzahlen des II. Quartals für das
Modell „Shopper“ erheblich übersteigen.
• mit welchen Betriebsmitteln
Diese für das Unternehmen sehr positive
gefertigt werden sollen, ergeben eine konkrete Entwicklung führt jedoch dazu, dass im Mo-
Anzahl von verschiedenen Produkten (Pro- nat Mai auf dem vorhandenen Maschinenpark
duktionspalette) und eine Ausstattung mit erheblich mehr Pkws produziert werden müs-
Betriebsmitteln (Maschinenpark). Diese sind sen, da auch die geplante Nachfrage nach den
kurzfristig nicht veränderbar. anderen Modellen erfüllt wird.
5. Kurzfristige Produktionsplanung 459

Die kurzfristige Produktionsplanung hat nun Der Praktikant A. Zubi, der für drei Monate
die Aufgabe, hierauf aufbauend für einen die Abläufe in der Produktionsplanung ken-
kürzeren Zeitraum, z.B. eine Woche oder nen lernen soll, fragt, warum nicht einfach
einen Tag, festzulegen, mit welchen dieser zusätzliche Maschinen gekauft werden, umso
Produkte die einzelnen Maschinen belegt die Kapazität zu erhöhen.
werden sollen. Diese Einteilung soll natürlich Der Leiter der Produktionsplanung, Herr Kai
(im Sinne des Unternehmensziels Gewinnma- Neahnung, erwidert auf diesen Vorschlag:
ximierung) möglichst niedrige Kosten verur- „Damit die Investition in eine zusätzliche
sachen. Fertigungsstraße rentabel ist, muss die lang-
Für die Planung sind drei Fragestellungen fristige Auslastung gewährleistet sein. An-
wichtig: sonsten werden kurzfristig zusätzliche De-
• Wie hoch ist der Bedarf in dem Zeit- ckungsbeiträge gewonnen, aber langfristig bei
raum? nicht ausreichender Auslastung der Maschi-
nen erheblich höhere Kosten anfallen.
Diese Informationen müssen auf Basis
vorliegender Bestellungen oder geplanter Darüber hinaus benötigt die Installation einer
Absatzzahlen von der Absatzwirtschaft neuen Fertigungsstraße mindestens drei Mo-
bereitgestellt werden. nate. Wenn wir diesen Zusatzauftrag erfüllen
wollen, müssen wir die Teilaufgaben auf die
• Welche Kostenauswirkung haben unter- vorhandenen Anlagen so verteilen, dass die
schiedliche Maschinenbelegungen? Anlagen besser ausgelastet sind und somit in
Hier fließen die Ergebnisse des Rech- der gleichen Zeit mehr produzieren können.
nungswesens und der Kosten- und Leis- Können wir dies nicht schaffen, so müssen
tungsrechnung in die Produktion ein. Auf wir die Verkaufsabteilung informieren, damit
die Ermittlung der Kosten im Produkti- dort über eine Lieferterminverlängerung oder
onsbereich wird im Abschnitt 7. einge- über Teillieferungen nachverhandelt wird.“
gangen. Und der Praktikant ergänzte: „Das verstehe
• Wie viel Fertigungszeit benötigt eine ich gut. Hinzu kommt wohl, dass eine zusätz-
Maschine für ein bestimmtes Produkt? liche Fertigungsstraße eine Erweiterung der
Fertigungshalle nach sich ziehen würde. Wo
Diese Fragestellung wird im Rahmen von sollte diese aber gebaut werden?“
Arbeitszeitstudien der Personalwirtschaft
bearbeitet. Wie auch hier deutlich wird, geht es wieder-
um um Kosten, allerdings auch um Investitio-
Liegen diese Daten aus den anderen Berei- nen. Letzteren haftet „eine Art Makel“ an. Sie
chen vor, kann die kurzfristige Produktions- müssen immer langfristig geplant werden.
planung beginnen.
(Auf die kurzfristige Planung ist bereits in der
Organisation hingewiesen worden, auch auf
ihr Wesen und ihre Besonderheit.)
460 Produktionswirtschaft

5.1 Mengenmäßige Planung Beispiel:


Nehmen wir an, wir haben einen Monatsbe-
Nachdem in den Absatzplänen der Monatsbe- darf nach speziellen Autositzen von 300
darf für die verschiedenen Produkte ermittelt Stück, also pro Tag (bei 30 Arbeitstagen) 10
wurde, stellt sich in der Produktionsplanung die Stück. Produzieren wir am ersten Tag bereits
Frage, in welchen Losgrößen diese Bedarfs- den gesamten Monatsbedarf, so haben wir
zahlen gefertigt werden sollen. Je nach Ferti- einen durchschnittlichen Lagerbestand von
gungsverfahren und Organisation kann der 150 Stück (1. Tag 300 St., 2. Tag 290 St. usw.
Bedarf in bestimmte Produktionsmengen – … 30. Tag 10 St.).
man nennt sie Lose – geteilt werden. Alle Teil-
lose lassen sich zum „Gesamtlos“ aufaddieren.
In den Extremfällen kann dabei der Ferti-
gungsprozess erst nach Fertigstellung des
Gesamtbedarfs (nur ein Los) oder nach jedem
Einzelteil (Losgröße 1) beendet werden.
Durch die Entscheidung über die Losgröße
wird die Höhe der Rüst- und Lagerkosten
beeinflusst.
Es ist offensichtlich, dass ein höherer Lagerbe-
stand auch höhere Kosten verursacht (größere
Fläche, schwierigere Verwaltung, höheres im
Lager gebundenes Kapital). Daher wird man
mit Blick auf die Lagerkosten versuchen, die Abb. 24: Entwicklung des durchschnittli-
Losgröße möglichst klein zu wählen. chen Lagerbestandes bei unter-
Wird am ersten Tag bereits der gesamte Mo- schiedlichen Losgrößen
natsbedarf produziert, so müssen die benötig-
ten Maschinen nur einmal auf diese Produktion
umgerüstet und eingerichtet werden (Wechsel
einer Form, Probelauf). Die hierdurch entste-
henden Kosten (Lohn für das Einrichtungsper-
sonal, Materialkosten für Probeläufe) fallen nur
einmal an.
Wird an jedem Tag nur ein Stück produziert
und werden am Rest des Tages andere Pro-
dukte auf diesen Maschinen hergestellt, fallen
diese Rüstkosten täglich an. Daher wird man
mit Blick auf die Rüstkosten versuchen, die
Losgröße möglichst groß zu wählen.
Dies ist offensichtlich ein Zielkonflikt zwi-
schen der Minimierung der Lager- und der
Rüstkosten. Beide Kostenarten können nicht Abb. 25: Zusammenhang zwischen
gleichzeitig niedrig gehalten werden. Doch Rüstkosten, Lagerkosten und
dies ist ja auch nicht das Ziel. Gesamtkostenminimum
5. Kurzfristige Produktionsplanung 461

Los- Anzahl der Lose Summe der durchschn. Lagerkosten Gesamtkosten


größe (Bedarf ÷ Losgröße) Rüstkosten Lagerbestand (durchschnittlicher Lagerbestand x (Rüstkosten ÷
(Anzahl Lose x (Losgröße ÷ 2) Herstellkosten x Kostensatz) Lagerkosten)
Rüstkosten)
1 300 180.000 0,5 0,5 x 500 x 20% = 50 180.500
10 30 18.000 5,0 5 x 500 x 20% = 500 18.500
50 6 3.600 25,0 25 x 500 x 20% = 2.500 6.100
60 5 3.000 30,0 30 x 500 x 20% = 3.000 min 6.000
100 3 1.800 50,0 50 x 500 x 20% = 5.000 6.800
300 1 600 150,0 150 x 500 x 20% = 15.000 15.600

Ziel muss es sein, die Gesamtkosten, also die Lagerkostenverlauf:


Summe aus Rüst- und Lagerkosten, möglichst
Je größer die Losgröße gewählt wird, desto
gering zu halten.
größer wird der Lagerbestand, da nicht die
Zu dem Beispiel mit den Autositzen können gesamte Losmenge verbraucht wird. Je höher
weitere Angaben gemacht werden: Neben der Lagerbestand, desto höher die Lagerkosten.
dem Monatsbedarf von 300 Stück entstehen
Rüstkostenverlauf:
Rüstkosten von 600 EUR pro Umrüstvorgang,
die Herstellkosten pro Stück betragen 500 Je größer die Losgröße, desto weniger Lose
EUR, und der Lagerkostensatz beträgt 20 %. werden bei konstantem Bedarf aufgelegt,
Für alternative Losgrößen ergeben sich dem- desto weniger Umrüstungen der Maschinen
nach oben stehende Gesamtkosten. sind notwendig. Weniger Umrüstungen erge-
ben geringere Rüstkosten.
Es ergeben sich mit steigender Losgröße
zunächst sinkende Gesamtkosten, die aller-
dings ab der optimalen Losgröße bei weiterer
Erhöhung der Losgröße wieder steigen. In
dem Beispiel ergibt sich 60 Stück als kos-
tenminimale Losgröße.
In der Praxis werden diese Losgrößen für
alternative Bedarfsmengen und Maschinen
notiert und brauchen nicht vor jeder Planung
neu berechnet zu werden. Für die erstmalige
Planung eignet sich die nebenstehende „And-
ler-Formel“, mit der die optimale Losgröße
näherungsweise ermittelt werden kann.
Vergleicht man die Aufgabenstellung mit der
Ermittlung der optimalen Bestellmenge in der
Materialwirtschaft (siehe 2.3.1.2, Seite 296 f.),
so ergeben sich die dargestellten Parallelen.
Abb. 26: Näherungsformel für die opti-
male Losgröße
462 Produktionswirtschaft

Aufgabe zur optimalen Losgröße: Lösung zur Aufgabe „optimale Losgröße“


Der Leiter der Produktionsplanung des DMW- Daten:
Werkes, Herr Kai Neahnung, möchte die opti-
male Losgröße für die Fertigung von Stoßstan-
Vorliegende Bestellungen: Stk. 2.000
gen für das Modell „Sporty“ für den Monat Lagerbestand: Stk. 200
Oktober planen. Bedarf für Oktober (B): Stk. 1.800
Aus dem Planungsbericht der Verkaufsabtei-
lung geht hervor, dass Bestellungen über Umrüstkosen (Kf): EUR 1.000
insgesamt 2000 „Sporty“ vorliegen, die im Variable Kosten für
Oktober-Bestellungen: EUR 1.200.000
Oktober fertig gestellt werden sollen. 200
Anzahl Bestellungen: Stk. 2.000
Stoßstangen liegen noch auf Lager und sollen variable Stückkosten (kv): EUR/St. 600
verbraucht werden, da für die Wintermonate
mit geringerer Nachfrage gerechnet wird. Lagerkosten pro Monat: EUR 14.000
Die Umrüstkosten betragen 1000 EUR pro Gebundenes Kapital: EUR 100.000
Lagerkostensatz
Umrüstung, die variablen Kosten für die Ok-
(vorläufig): % 14
tober-Bestellungen betragen 1200000 EUR. Zuschlag für Zinsen: % 1
Für die Ermittlung des Lagerkostensatzes Lagerkostensatz
bezieht sich Herr Neahnung auf Angaben der (endgültig): % 15
Kostenrechnung. Danach waren in den letzten
Monaten unfertige Erzeugnisse mit einem
200 × 1800 × 100
Wert von durchschnittlich 100000 EUR in Formel: xopt = = 200
600 × 15
Zwischenlagern der Produktion gebunden. Im
gleichen Zeitraum entstanden Lagerkosten im
Bereich der Produktion von monatlich 14000 Ergebnis:
EUR. Da dieser Wert keine kalkulatorische
Verzinsung des gebundenen Kapitals beinhal- Es müssen im Monat Oktober 1800 Stoßstan-
gen in 9 Losen zu je 200 Stück gefertigt werden.
tet, sollen zusätzlich 1% pro Monat berück-
sichtigt werden.
Wie viel Lose sollen auf der Maschine im
Oktober aufgelegt werden, und wie groß ist
die kostenminimale Losgröße?
Zusammenfassung
Die mengenmäßige Planung hat dafür zu sorgen, dass die Herstellung zu den günstigsten Produktions-
kosten geschieht. Dabei spielen die Bedarfe (wie viel insgesamt hergestellt werden soll) eine ebenso
wichtige Rolle wie die Kapazitäten der Anlagen und Menschen. Lässt der Prozess die Teilung eines Ge-
samtbedarfs (der durch die Produktion mit den Elementarfaktoren in einer bestimmten Zeit auch zufrie-
den gestellt werden kann) oder eines Gesamtloses in Teillose zu, so sind Lagerkosten und Rüstkosten zu
verfolgen. Beide haben bei Verkleinerung der Losmengen einen entgegengesetzten Verlauf.
Unter der Annahme, dass die Lagerkosten eine lineare Gerade bilden (Zinskosten und Lagerkosten
addieren sich zu proportionalen Lagerkosten) und die Rüstkosten (vornehmlich Aggregatkosten) ei-
nen fallenden Kurvenverlauf ergeben, führt der Schnittpunkt beider zur optimalen Losgröße. Sie ist
diejenige Menge, bei der die Gesamtkosten (aus Lager- und Rüstkosten) ein Minimum bilden. An die-
sem Punkt erreicht der Betrieb die günstigsten so ermittelten Gesamtkosten. (Dass die Selbstkosten
weitere Kosten enthalten, bedarf kaum der Erwähnung. Natürlich sind in ihnen die verbrauchten
Werkstoffe ebenso enthalten wie alle Kosten der übrigen Funktionen.)
5. Kurzfristige Produktionsplanung 463

Es ist also nötig, bei der Entscheidung über Aufgabe


die optimale Losgröße die Auswirkungen auf
19: Warum können Lagerkosten auch einen
alle Kostenarten zu betrachten und nicht nur
Kurvenverlauf nehmen?
ein Ziel zu verfolgen. Die optimale Losgröße
kann dabei durch Berechnung der Kosten für
verschiedene Losgrößen oder durch eine Beispiel:
Näherungsformel ermittelt werden.
Entstehung von Zwischenlagern bei der
Bei mehrstufigen Produktionsabläufen, wie DMW AG
beispielsweise dem Automobilbau der DMW
Im Karosseriebau der DMW AG werden auf
AG, müssen diese Losgrößen gegebenenfalls
einer großen Hydraulikpresse aus vorge-
für viele verschiedene Maschinen und Bear-
schnittenen Stahlblechen Motorhauben ge-
beitungsschritte berechnet werden.
presst. Die gepressten Motorhauben werden
Im Normalfall werden die Losgrößen ver- anschließend entgratet und dann lackiert. Die
schiedener Maschinen voneinander abwei- Bearbeitungszeiten sind dabei je nach Modell-
chen. Hierdurch entstehen weitere Probleme: typ und je nach Lackierung unterschiedlich:
• Es muss eine Anpassung der Losgrößen Nachfolgend wird die Fertigung der Motor-
zwischen zwei im Produktionsablauf un- hauben für den „Sporty“ (Modell 1) und den
mittelbar hintereinander liegenden Stufen „Shopper“ (Modell 2) betrachtet:
vorgenommen werden, oder
• Für beide Modelle wird für das Entgraten
• es müssen Zwischenlager zwischen den auf Stufe A 1 Minute pro Stück benötigt.
Bearbeitungsstufen eingerichtet werden. Für das anschließende Lackieren werden
Zwischenlager sind das Ergebnis ungenügen- für das Modell 1 0,5 Minuten und für das
der Austaktung der Produktionsabläufe. Sie Modell 2 (Sonderlackierung) 1,5 Minuten
sind besonders typisch in der Werkstattferti- benötigt.
gung, weil die Arbeiten an den Werkstücken • Planungszeitraum:
(in den Werkstätten) verschiedene Zeiten
1 Schicht = 8 Stunden = 480 Minuten.
benötigen.
• Am Ende einer Schicht sollen jeweils 300
Die Anpassung der Losgrößen im Rahmen
Stück gefertigt sein und in die nächste
der Fließfertigung wurde bereits im Ab-
Abteilung weitergegeben werden.
schnitt 3.2.2 behandelt – die Austaktung des
Bandes. Die Losgröße ist letztendlich 1, nach Für beide Stufen wurden von der Produkti-
jedem Bearbeitungsschritt wird das Teil un- onssteuerung die optimalen, also kostenmi-
mittelbar weitergegeben. nimalen Produktionsgeschwindigkeiten ermit-
telt. Da diese Geschwindigkeiten jedoch von-
Während bei der Fließfertigung somit die
einander abweichen, müssen zusätzlich Zwi-
Lagerkosten fast gleich Null sind und Rüst-
schenlager berücksichtigt werden:
kosten aufgrund der hohen Maschinenausstat-
tung auch entfallen, müssen die Ablaufprob- Je nach aufgelegtem Modell müssen dabei
leme bei der Werkstattfertigung durch das zwei unterschiedliche Arten von Zwischenla-
Anlegen von Zwischenlagern gelöst werden. gern berücksichtigt werden.
Dazu der nebenstehende Praxisfall:
464 Produktionswirtschaft

1. Aufstaulager bei Modell 2


• Bearbeitung an Stufe A ist kürzer als an
der Stufe B.
• Beide Stufen beginnen gleichzeitig.
• Da Stufe A schneller durchlaufen wird,
baut sich ein Zwischenlagerbestand auf
(während auf Stufe A 300 Stück bearbei-
tet wurden = 300 Minuten, wurden auf
Stufe B erst 200 Stück weiterbearbeitet).
• Stufe A ist zuerst mit dem Auftrag fertig
und kann, während auf Stufe B noch be-
arbeitet wird, bereits andere Aufträge
bearbeiten.
• Stufe B entnimmt nach Produktions-
schluss auf Stufe A von Zwischenlager.
2. Zerreißlager bei Modell 1
• Bearbeitung an Stufe A ist länger als an
der Stufe B.
• Würden Stufe A und B gleichzeitig be-
ginnen, so müsste auf der Stufe B nach
jedem Vorgang gewartet werden, da Stu-
fe B schneller ist. Daher wird zunächst
nur von der Stufe A produziert und ein
Zwischenlagerbestand aufgebaut.
• Auf Stufe B können in dieser Zeit andere
Aufträge bearbeitet werden.
• Ist der Zwischenlagerbestand ausreichend
groß, beginnt Stufe B mit der schnelleren
Weiterbearbeitung und baut so den Zwi-
schenlagerbestand ab, während Stufe A
weiter produziert. Abb. 27: Lagerbestandsentwicklung bei
• Beide Stufen beenden die Bearbeitung Aufstau- und Zerreißlager
gleichzeitig.

5.2 Zeitliche Planung


Die im Abschnitt 5.1 dargestellten Planungs- Bei der Planung der zeitlichen Verteilung
abläufe gehen von einem Bedarf aus, der sich der Produktion wird entschieden, ob sich die
innerhalb des Planungszeitraums konstant Höhe der Produktionsmenge zu jedem Zeit-
verteilt. punkt an den Absatzmengen ausrichten (syn-
chrone Produktion) oder eine unabhängige
Mengenplanung (emanzipierte Produktion)
erfolgen soll.
5. Kurzfristige Produktionsplanung 465

Diese Unterstellung ist jedoch in den meisten Die Situation bei der DMW AG
Fällen, vor allem bei längeren Zeiträumen
Langjährige Verkaufsstatistiken haben ge-
(ein Monat, ein Jahr), unrealistisch.
zeigt, dass sich die jährlichen Absatzzahlen
Die Absatzkurve, also der Verlauf der ab- für die DMW-Modelle relativ konstant über
setzbaren Mengen im Zeitablauf, unterliegt in die einzelnen Monate verteilen. Einzige Aus-
den meisten Branchen gewissen Schwankun- nahme bildet die Cabrio-Version des Sporty,
gen. Diese Schwankungen können zwar durch dessen Absatz in den Frühjahrsmonaten stark
den Einsatz absatzpolitischer Instrumente ansteigt und im Spätherbst rapide absinkt.
(siehe Kapitel „Marketing“) etwas vermindert
Die DMW AG will nun untersuchen, ob es
werden, ein konstanter Bedarf entsteht da-
sinnvoller ist, eine über das Jahr konstante
durch aber nicht.
Produktion dieses Modells durchzuführen oder
Innerhalb der Produktionsplanung muss die die Ausbringungsmengen nach den geplanten
Frage gestellt werden, inwieweit sich die monatlichen Absatzzahlen auszurichten.
Produktionskurve, also die Produktions-
mengen in Abhängigkeit vom Zeitablauf,
dieser Absatzkurve anpassen oder unabhängig
von ihr verlaufen soll.
Dabei hat das Unternehmen folgende Mög-
lichkeiten:
• Emanzipierte Produktion
Die Produktionskurve verläuft ungebun-
den (= emanzipiert) zur Absatzkurve auf
einem konstanten Niveau. In Zeiten mit
geringem Absatz wird ein Lagerbestand
aufgebaut, der in der Hauptsaison mit
Absatzmengen höher als der laufenden
Produktion abgebaut wird.
• Stufenweise emanzipierte Produktion
Die Produktion ist innerhalb von Interval-
len konstant, die Mengen der Intervalle
werden aber dem Absatztrend angepasst.
• Synchrone Produktion Abb. 28: Mögliche Produktionsalternati-
ven bei saisonalen Absatz-
Die Ausbringungsmengen der Produktion schwankungen
werden genau den Absatzzahlen ange-
passt. Produktions- und Absatzkurve ver-
laufen gleich.
Aufgabe
20. a) Es wird oft mit dem durchschnittli-
• Weitere Möglichkeiten sind denkbar,
chen Lagerbestand gerechnet. Suchen
aber ökonomisch nicht sinnvoll. So könnte
Sie eine Konstellation, in welcher der
monatlich die Mindestabsatzmenge pro-
durchschnittliche Lagerbestand völlig
duziert werden und Aufträge, die darüber
falsche Ergebnisse liefert.
hinausgehen, könnten abgelehnt werden.
466 Produktionswirtschaft

Dies würde zu einer idealen Auslastung Aufgaben


auf geringem Niveau führen, jedoch er- 20. b) Erläutern Sie den Zusammenhang
hebliche Image-Einbußen durch die man- zwischen Anzahl der aufgelegten
gelhafte Lieferbereitschaft oder sehr lan- Lose, dem durchschnittlichen Lager-
ge Lieferzeiten mit sich bringen. bestand und den Kapitalbindungs-
Wichtige Einflussgröße bei der Entscheidung kosten!
über die Ausrichtung der Produktionsmengen 21. Worin besteht bei der Festlegung der
an den Absatzmengen sind die so genannten Losgröße ein Zielkonflikt?
Niveauänderungskosten. Unter diesem Beg-
Stellen Sie Ihre Begründung grafisch dar!
riff werden alle Kosten zusammengefasst, die
im Zusammenhang mit der Veränderung der 22. Beschreiben Sie die Näherungsformel für
Ausbringungsmenge der Produktion entste- die optimale Losgröße. Stellen Sie die
hen, wie z.B.: Parallelen zwischen Produktions- und
Materialwirtschaft dar!
• Kosten für die Stilllegung von Maschinen
23. Wodurch können in der Produktionswirt-
• Kosten für die Inbetriebnahme von Pro- schaft Zwischenlager entstehen? Be-
duktionsanlagen (Aufheizen von Stahl- schreiben Sie die Ihnen bekannten Arten
kochern) von Zwischenlagern!
• Kosten für die Erhöhung der 24. Bei der Festlegung des Produktionspro-
Produktionsgeschwindigkeit gramms eines Industriebetriebes stehen
(Neuabstimmung von Fließprozessen) sich produktionswirtschaftliche und ab-
• Kosten für die Verminderung von Pro- satzwirtschaftliche Ziele gegenüber.
duktionsgeschwindigkeit (ebenfalls Neu- a) Erläutern Sie die dabei entstehenden
abstimmung). Zielkonflikte!
Vor- und Nachteile der emanzipierten und b) Welche weiteren Überlegungen be-
der synchronen Produktion: einflussen die Entscheidung über die
emanzipierte synchrone Zusammensetzung des Produktions-
Produktion Produktion programms?
Lagerkosten Hohe Lagerkos- Minimale 25. Erläutern Sie die Vor- und Nachteile der
ten, da in Zeiten Lagerkosten, da
schlechten Absat- Produktions- emanzipierten und der synchronen Pro-
zes auf Lager menge direkt duktion!
produziert wird absetzbar ist
Zur Kapazitätsausnutzung
Leerkosten Geringe Leerkos- Hohe Leerkos-
ten, da die Pro- ten, da Maschi- Viele Saisonbetriebe leiden unter einer nicht aus-
duktionsanlagen nen in Zeiten gelasteten Kapazität. So werden z. B. Fahrräder
gleichmäßig schlechten vornehmlich in der frostfreien Zeit benötigt. Und
ausgelastet sind Absatzes so haben Autoreparaturwerkstätten gerade in Fe-
teilweise still-
stehen
rienzeiten kaum Beschäftigung, weil ein Großteil
der Familien mit dem Auto unterwegs ist. Die
Niveauände- Sehr niedrig, da Sehr hoch, da
rungskosten theoretisch keine ein permanen-
Autoreparaturwerkstätten lassen sich allerdings
Änderung des tes Angleichen etwas einfallen. Ist nämlich der Reparaturwerkstatt
Produktionsni- des Produkti- eine Lackiererei angeschlossen, ist sie in der Lage,
veaus notwendig onsniveaus an auch andere Gegenstände zu lackieren, z. B. Mö-
das Absatzni- bel. Dann lässt sich wenigstens die Kapazität der
veau Lackiererei auslasten. Nicht in Anspruch genom-
mene Kapazitäten sind zu teuer, weil das Kapital
„brach“ liegt und trotzdem Kosten verursacht.
6. Produktionssteuerung 467

6. Produktionssteuerung

6.1 Grundlagen

In der kurzfristigen Produktionsplanung wur-


den optimale Losgrößen für einzelne Ferti-
gungsvorgänge ermittelt. Darüber hinaus
wurde festgestellt, dass diese Losgrößen oft-
mals nicht realisierbar sind, wenn zwei auf-
einander folgende Produktionsstufen unter-
schiedlich große Lose fertigen. Es ergab sich
die Notwendigkeit von Zwischenlagern.
In der Produktionssteuerung wird diese
Betrachtung auf den gesamten Produktions-
apparat eines Unternehmens ausgeweitet. Es
werden nicht zwei aufeinander folgende Stu-
fen eines gleichen Produktes betrachtet, son-
dern es gilt:
• für den vorliegenden Auftragsbestand
• die notwendigen Einzelschritte
• auf den gegebenen Maschinenbestand
so zu verteilen, dass dabei
• die Termineinhaltung der Aufträge ge-
währleistet ist
• die Auslastung der Maschinen und ande-
ren Betriebsmittel nicht zu hoch und nicht
zu niedrig ist
• und möglichst niedrige Bestände in den Abb. 29: Anforderungen und Zielkon-
Zwischenlagern vorliegen. flikte in der Produktionssteue-
rung
Es ist offensichtlich, dass alle Ziele gleichzeitig
offenbar nicht erfüllbar sind, es treten Zielkon- Zum Begriff
flikte in der Produktion in Form von Zeit- und
Kapazitätsengpässen auf. Die Produktions- „Aufgabe der Fertigungssteuerung ist es, den
steuerung hat die Aufgabe, diese Engpässe zu Fertigungsprozess unmittelbar vorzubereiten,
vermeiden und dennoch die Anforderungen so ihn zu lenken und zu überwachen.“
weit wie möglich zu erfüllen. Nolden, Industriebetriebslehre, S. 182
Die dabei auftretenden Schwierigkeiten wer- „Die Produktionssteuerung gibt die unmittel-
den deutlich, wenn man sich den Auftrags- bar anstehenden Arbeiten vor und überwacht
durchlauf durch Werkstätten am Bild eines laufend oder in kurzer Folge Rückmeldungen
Wasserflusses vorstellt. aus dem Betrieb.“
Industrielle Produktion,
Handbücher für Führungskräfte, S. 735
468 Produktionswirtschaft

• Je mehr Wasser in das Becken vor einer Die Produktionssteuerung sorgt dafür, dass
Leitung fließt, oder je weniger Wasser aus vor jeder Werkstatt (Leitung) ausreichend
der betreffenden Leitung abfließt, desto Aufträge zur Bearbeitung vorliegen (Wasser-
höher steigt der Wasserstand in dem Be- vorrat), andererseits durch zu viele Aufträge
cken. Die Höhe des Wasserstandes stellt keine unnötigen Wartezeiten oder Überlas-
die Belastung der Werkstatt dar. tungen entstehen (Überlauf der Becken) und
• Steigt diese Belastung immer weiter an, die Aufträge insgesamt schnell auslieferbar
muss es zum Überlaufen des Beckens sind (Abfluss). Die Zu- und Ableitungen
kommen. Im Produktionsablauf liegt dies werden somit aufeinander abgestimmt.
z.B. vor, wenn die Zwischenlager vor ei- Input Freigabe von A ufträgen
(geöffneter Wasserhahn)
ner Werkstatt vollständig belegt sind.
Bei vielen verschiedenen zusammenwirken- A uftrags-W arteschlange
(gefülltes Becken)
den Bearbeitungsstufen zeigen sich weitere
Zusammenhänge: W erkstatt
(Abfluß)
• Ist das Becken vor einer Leitung leer,
kann dies zu einer Entleerung nachfol-
gender Becken führen und im Extremfall
den Abfluss insgesamt zum Stillstand Output
bringen. Kann die Vormontage keine Abb. 30: Durchfluss durch die Produktion
Baugruppen montieren, kann es in der
Endmontage nach Verbrauch der Puffer-
lagermengen ebenfalls zum Produktions-
stillstand kommen.

6.2 Die Durchlaufzeit als zentrale Größe

In der Theorie und Praxis wurden verschiede- Ergänzendes zur Durchlaufzeit:


ne Steuerungsmöglichkeiten entwickelt. Zent-
Zu unterscheiden sind zwei Arten der Durch-
rale Größe vieler dieser Alternativen ist die
laufzeit:
Durchlaufzeit. Ihre Bestandteile verdeutlicht
die Abbildung 31. Die Arbeitsvorgangs-Durchlaufzeit ist die
Zeit vom Ende eines Bearbeitungsvorganges
Betrachtet man den Fertigungsablauf in den bis zum Ende des folgenden Bearbeitungs-
Werkstätten B und C, können folgende Zeiten
vorganges.
unterschieden werden:
Umfangreicher ist die Auftrags-Durchlauf-
1. Nachliegezeit zeit als der Zeitraum, in dem alle notwendigen
Die Werkstücke liegen nach der Bearbei- Werkstätten der Bearbeitung eines Auftrags
tung in Werkstatt B. Diese Liegezeit durchlaufen werden.
kann prozessbedingt (Kühl- oder Tro-
ckenphasen) oder ablaufbedingt (Warten
auf Transportmittel oder Bedarfsmeldung
von Folgestufe) sein.
6. Produktionssteuerung 469

2. Transportzeit
Zeit der Beförderung zwischen den
Werkstätten.
3. Vorliegezeit
Zeitraum, in dem die Werkstücke an der
Folgestation vorliegen, jedoch noch nicht
bearbeitet werden können. Die Vorliege-
zeit kann durch Stillstand an der Station
(Wartung) oder durch hohe Belastung
entstehen.
4. Rüstzeit
Liegezeit der Werkstücke infolge von
Umrüstungen an der Bearbeitungsstufe.
Die Rüstzeit zu Beginn einer Bearbeitung
kann auch der Vorliegezeit zugerechnet
werden.
5. Bearbeitungszeit Abb. 31: Bestandteile der Durchlaufzeit
Die Zeit, in der die eigentliche Bearbei-
tung der Werkstücke an der Arbeitsstati- Als Ford Anfang der Neunzigerjahre die ja-
on erfolgt. panische mit der europäischen Autoindustrie
vergleichen ließ, wurde überraschend bestä-
Die Ermittlung der Zeiten kann bei der tigt, was bereits unter der Hand gehandelt
Transport-, der Rüst- und der Bearbeitungs- wurde: In Europa war die Durchlaufzeit zu
zeit über geeignete REFA-Studien (siehe lang. In der unten stehenden Tabelle ist sie als
„Personalwirtschaft“) relativ genau durchge- ein Merkmal (Fertigungszeit) ausgewiesen.
führt werden. Grund waren nicht nur Transport- und Arbeits-
Die Vor- und Nachliegezeit hingegen sind nicht zeiten, sondern auch Rüstzeiten durch die stän-
eindeutig messbar, da sie von der Auslastung dig wechselnden, zu bearbeitenden Typen.
der jeweiligen Arbeitsstation abhängen. Kennzahl Europäer Japaner
Dabei gilt: Je höher die Belastung der Stufe, Verhältnis 3:1 bis 8:1
desto länger sind die Vor- und Nachliegezeiten.
Linie:Stab 8:1
Untersuchungen haben gezeigt, dass aber
gerade diese Liegezeiten für die Beschleuni- Abwesenheitsquote 5% bis 20% 1%
gung der Fertigstellung von Aufträgen von -
erheblicher Bedeutung sind. Fertigungszeit pro 5 bis 27 Tage 1 Tag
Danach sind bis zu 85% der Auftrags- Teil
Durchlaufzeit auf Liegezeiten zurückzufüh- Lieferpünktlichkeit 80% bis besser als
ren, und auf die Rüst- und Bearbeitungszeit 100% 99%
entfallen nur ca. 10%.
Qualitätskosten 4% bis 20% 1%
(als % der Ge-
samtkosten)

Eigene Zulieferer 40 bis 700 weniger als


100
470 Produktionswirtschaft

Beispiel: Ermittlung der Durchlaufzeit Lösungstabelle:


Analog zu Abbildung 31 müssen die Aufträge A B C D E
vier Werkstätten A, B, C, D und eine End- 1. Nachliegezeit der 0 5 3 13 8
montage E durchlaufen. Die Transportzeit Vorstufe
zwischen diesen Stufen beträgt jeweils 7 2. Transportzeit 0 7 7 7 7
3. Vorliegezeit 0 7 17 12 0
Minuten. Am Anfang des Fertigungsprozes- 4. Zwischensumme A 0 19 27 32 15
ses liegen alle Aufträge und Materialien di- (=Übergangszeit)
rekt vor der Werkstatt A. 5. Rüstzeit 15 11 5 12 0
Die Arbeitsvorbereitung hat folgende Zeiten 6. Bearbeitungszeit 7 6 10 9 25
ermittelt: 7. Zwischensumme B 22 17 15 21 25
A B C D E (=Auftragszeit)
Nachliegezeit 5 3 13 8 0 8. Gesamtsumme A+B 22 36 42 53 40 193
(=Vorgangs-DLZ)
Vorliegezeit 0 7 17 12 0
Rüstzeit 15 11 5 12 0
Bearbeitungszeit 7 6 10 9 25
Nebenstehend ist die Durchlaufzeit des Auf-
trags dargestellt.

6.3 Einfache Steuerungskonzepte

Die einfachste Form der Produktionssteue- Beispiel:


rung wird mit Hilfe von Prioritätsregeln
Fallstudie Produktionssteuerung durch Prio-
durchgeführt. Dabei werden nach bestimmten
ritätsregeln bei einem Zulieferer der DMW AG
Reihenfolgekriterien die Auftragsfolgen in
den einzelnen Werkstätten festgelegt. Die DMW AG bezieht einen Großteil der
Lenkräder für ihre Modelle bei der Schmidt
Bei Auftreten einer Warteschlange („gefülltes
GmbH.
Becken“ siehe Abb. 30, Abschnitt 6.1) kann
mit diesen Regeln entschieden werden, wel- Obwohl die DMW AG mit der Qualität der
cher Auftrag zuerst abgearbeitet wird. Lieferungen stets zufrieden war und die lang-
jährige Zusammenarbeit nie Probleme berei-
Als Ansatzpunkte für diese Regeln können tete, ist es durch Produktionsumstellungen bei
dabei verschiedene Merkmale gewählt wer-
der Schmidt GmbH vermehrt zu verspäteten
den, zum Beispiel:
Lieferungen gekommen.
• der Liefertermin der Aufträge Diese verspäteten Lieferungen haben bei der
(Zielgröße: Pünktlichkeit der Lieferung) DMW AG nun erstmals zu Produktionsschwie-
• die Länge der Bearbeitungszeit der rigkeiten geführt, Pkws mussten nachträglich
Aufträge nachgerüstet werden. Die DMW AG steht vor
(Zielgröße: gleichmäßige Maschinenaus- der Wahl, einen neuen Lieferanten zu suchen
lastung) und dabei mögliche Anlaufschwierigkeiten
und -kosten in Kauf nehmen zu müssen oder
• der Wert der Aufträge
der Schmidt GmbH bei ihren Problemen in der
(Zielgröße: Kapitalbindung im Umlauf-
Produktionssteuerung zu helfen.
vermögen).
Die beste oder gar richtige Regel ist dabei
nicht generell bestimmbar, sondern hängt von
den vorrangigen Zielen des Unternehmens ab.
6. Produktionssteuerung 471

6.3.1 Liefertermin-Regel Nach einer Besichtigung der Produktionsab-


läufe bei der Schmidt GmbH stellt der Leiter
Beschreibung: der DMW Produktionsplanung, Herr Kai
Bei der Liefertermin-Regel wird bei Vorlie- Neahnung, fest, dass die Zuteilung der ver-
gen von zwei oder mehreren Aufträgen vor schiedenen Produktionsaufträge auf die Pro-
einer Bearbeitungsstufe grundsätzlich der duktionsanlagen nicht ausreichend koordiniert
Auftrag zuerst gefertigt, der den frühesten wird. Er glaubt, dieses Problem mit Hilfe
Liefertermin hat. einfacher Prioritätsregeln lösen zu können,
und verdeutlicht die Auswirkungen verschie-
Mögliche Vorteile:
dener Regeln anhand der vorliegenden Pro-
Sehr gute Termineinhaltung, was in manchen duktionssituation:
Branchen sehr wichtig ist, um Folgeaufträge
1. Alle Aufträge müssen drei Fertigungsstu-
zu bekommen und keine Konventionalstrafen
fen nacheinander durchlaufen und benö-
zahlen zu müssen (Beispiel: Schiffbau, Spezi-
tigen je nach Lenkradtyp und Stückzahl
almaschinenbau).
unterschiedliche Bearbeitungszeiten auf
Mögliche Nachteile: den Fertigungsstufen.
Die Verkaufsabteilungen dürfen nicht dazu 2. Transportzeit zwischen den Fertigungs-
übergehen, dem Kunden immer kurzfristige stufen besteht praktisch nicht, da durch
Liefertermine zuzusagen, da sonst alle Auf- die Produktionsumstellung ein optimales
träge eilig sind und die Prioritätsregel nicht Fabrik-Layout erreicht wurde.
mehr anwendbar ist.
3. Für die vorliegenden vier Aufträge liegen
folgende Daten der Arbeitsvorbereitung
6.3.2 Kürzeste-Operationszeit- vor:
Regel
Aufträge
Beschreibung:
A B C D
Bei der Kürzeste-Operationszeit-Regel wird
bei Vorliegen mehrerer Aufträge vor einer Bearbeitungszeit in Stunden
Bearbeitungsstufe immer der Auftrag zuerst Stufe 1 6 4 2 5
bearbeitet, der die entsprechende Stufe am
Stufe 2 2 14 4 5
schnellsten durchläuft, rechts
Stufe 3 1 10 8 3
Mögliche Vorteile:
Liefertermine 37 29 36 15
Schneller „Durchfluss“ von kleinen Aufträgen
durch den gesamten Produktionsapparat und in Stunden
vergleichsweise gleichmäßige Auslastung der nach Produk-
einzelnen Bearbeitungsstufen. tionsbeginn
auf Stufe 1
Mögliche Nachteile:
Wert der 2.000 700 1.500 1.200
Aufträge, die längere Bearbeitungszeiten Aufträge in
benötigen, sind zumeist größere Aufträge, in EUR
denen auch mehr Kapital gebunden ist als in
kleinen Aufträgen. Haben diese Großaufträge
eine geringe Durchlauf-Priorität, steigt die
Kapitalbindung im Umlaufvermögen, und
damit steigen die Finanzierungskosten.
472 Produktionswirtschaft

6.3.3 Wert-Regel Anhand dieser Aufträge demonstriert Herr


Neahnung die unterschiedlichen Ergebnisse
Beschreibung: bei der Anwendung unterschiedlicher Priori-
Bei der Wert-Regel wird bei Vorliegen meh- tätsregeln.
rerer Aufträge vor einer Bearbeitungsstufe Zur Darstellung dieser Ergebnisse benutzt er
immer der Auftrag zuerst bearbeitet, der bis so genannte „Gantt-Diagramme“, die die
zu der Stufe den höchsten Wert hat. Belegung der einzelnen Fertigungsstufen im
Mögliche Vorteile: Zeitablauf darstellen (siehe Abb. 32).
Durch die schnelle Bearbeitung von Aufträgen
mit hohem Materialwert können das im Um- Gantt-Diagramm:
laufvermögen gebundene Kapital und somit die In dem nach dem Ökonom H. L. Gantt be-
Finanzierungskosten gesenkt werden. nannten „Gantt-Diagramm“ wird die Bele-
Mögliche Nachteile: gung einzelner Maschinen oder Fertigungs-
stufen durch Aufträge in Form eines Balken-
Durch die ausschließliche Betrachtung des diagramms abgebildet.
Auftragswertes kann es zu Verzögerungen bei
der Einhaltung von zugesagten Liefertermi- Auf diese Weise kann geplant werden, wel-
nen kleinerer Aufträge kommen. cher Auftrag zu welcher Zeit auf welcher
Maschine bearbeitet wird und zu welchen
Es zeigt sich an diesen drei Regeln und deren Zeiten einzelne Maschinen nicht ausgelastet
Beurteilung, dass keine Regel nur Vorteile, sind (Leerzeiten oder Zwischenbrachzeiten).
sondern jede Regel auch Nachteile hat. Es ist
daher wichtig, die Regeln nur als generelles
Entscheidungskriterium zu betrachten und Leerzeiten oder Zwischenbrachzeiten:
dabei gegenüber unvorhergesehenen Mög- Als Leer- oder Zwischenbrachzeiten bezeich-
lichkeiten (Sonder- oder Eilaufträge) weiter- net man die Zeiträume, in denen Kapazitäten
hin flexibel zu sein. nicht ausgelastet sind.
Obwohl in vielen Planungsansätzen versucht
wird, diese Leerzeiten zu minimieren, also die
Kapazitätsauslastung zu maximieren, werden
in anderen Branchen gezielt Überkapazitäten
aufgebaut, um flexibel gegenüber neuen Auf-
trägen zu sein.
6. Produktionssteuerung 473

Abb. 32: Grafische Darstellung der Ergebnisse in Gantt-Diagrammen

Auswertung der Ergebnisse Aufgaben


1. Es ist offensichtlich, dass sich bei An- 26. Erklären Sie den Begriff „Produktions-
wendung verschiedener Prioritätsregeln steuerung“, und stellen Sie den Zielkon-
verschiedene Bearbeitungsfolgen erge- flikt innerhalb der Produktionssteuerung
ben. Die Wahl der „richtigen“ Regel dar!
hängt nun von der betreffenden Zielgröße
27. „Die Senkung der Durchlaufzeiten kann
Termineinhaltung, Leerzeiten oder Kapi-
einen größeren Kostensenkungseffekt er-
talbindung ab.
geben als die Investition in schnellere
2. Betrachtet man die Zielgröße „Minimie- Maschinen.“
rung der Leerzeiten“, so ergibt sich die
a) Definieren Sie den Begriff „Durch-
Kürzeste-Operationszeit-Regel als die
laufzeit“, und erklären Sie die Be-
beste Regel. Bei dieser Regel sind die
standteile der Durchlaufzeit!
Leerzeitenflächen (schwarz) am gerings-
ten. b) Gehen Sie kritisch auf die obige
Aussage ein!
474 Produktionswirtschaft

3. Betrachtet man die Zielgröße „Lieferter- 28. Mit Prioritätsregeln in der Produktions-
mineinhaltung“ (siehe Tabelle A, Seite steuerung werden Reihenfolgen bei der
502), so verwundert zunächst, dass die Bearbeitung von Aufträgen festgelegt.
Liefertermin-Regel die scheinbar schlech- In Warteschlangensituationen ordnen
testen Ergebnisse liefert. Dies täuscht aber: Prioritätsregeln den Einzelnen bei der
Obwohl die Liefertermine bei drei Aufträ- Produktionsgroßplanung zu berücksichti-
gen abweichen, liegen bei den anderen Re- genden Aufträgen unterschiedliche Prio-
geln bei einzelnen Aufträgen wesentlich ritäten zur Belegung von Engpasskapazi-
höhere Abweichungen vor. Die Lieferter- täten zu und ermöglichen somit eine
min-Regel erscheint also günstig, kombi- Ordnung der Aufträge nach ihrer jeweili-
niert mit einer Kapazitätsausweitung. gen Bedeutung.
4. Betrachtet man die Zielgröße „Kapitalbin- a) Nennen Sie die Ihnen bekannten
dung“, so ergibt sich eindeutig die Wert- Prioritätsregeln, und erklären Sie de-
Regel als geeignet. Nimmt man als Maß ren Zielgrößen!
für die Kapitalbindung das Produkt aus der
Gesamtzeit eines Auftrags in der Produk- b) Erklären Sie mögliche Vor- und
tion und dem Auftragswert (siehe Tabelle Nachteile dieser Regeln für ein
B), so ergibt sich eine rund 50 % niedrigere Unternehmen!
Kapitalbindung als bei der Liefertermin- b) Definieren Sie den Begriff „Eng-
Regel und eine immerhin um ca. 30 % passkapazität“!
niedrigere Kapitalbindung als bei der Kür- 29. Was versteht man unter „Leer- oder Zwi-
zeste-Operationszeit-Regel. Die um 50 % schenbrachzeiten“?
niedrigere Kapitalbindung wirkt sich er-
heblich auf die Kapitalbindungskosten 30. Von welchen Kriterien hängt die Wahl
aus. Ob die Kosteneinsparung die Zwi- der „richtigen“ Prioritätsregel ab?
schenbrachzeiten aufwiegt, kann nur be- 31. Inwiefern hilft das Gantt-Diagramm,
triebsindividuell entschieden werden. Leerzeiten und Zwischenbrachzeiten zu
vermeiden?
Tabelle A: Auswertung der Liefertermin-Einhaltung
Auftrag Termin LT-Regel KOZ-Regel Wert-Regel
Soll Ist Abw. Ist Abw. Ist Abw.
A 37 43 -6 31 6 9 28
B 29 34 -5 30 -1 42 -13
C 36 42 -6 14 22 20 16
D 15 13 2 34 -19 23 -8
Summe -15 8 23
Positive Abweichung bedeutet Fertigstellung vor Liefertermin Negative Abweichung bedeutet Fertigstellung nach Liefertermin

Tabelle B: Auswertung der Kapitalbindung


Auftrag Wert LT-Regel KOZ-Regel Wert-Regel
Zeit Zeit x Wert Zeit Zeit x Wert Zeit Zeit x Wert
A 2.000 43 - 11 = 32 64.000 31 - 11 = 20 40.000 9-0=9 18.000
B 700 34 - 5 = 29 20.300 30 - 2 = 28 19.600 42 - 13 = 29 20.300
C 1.500 42 - 9 = 33 49.500 14 - 0 = 14 21.000 20 - 6 = 14 21.000
D 1.200 13 - 0 = 13 15.600 34 - 6 = 28 33.600 23 - 8 = 15 18.000
Summe 149.400 114.200 77.300
Die Zeit der Bindung ergibt sich durch den Fertigstellungstermin abzüglich Produktionsanfangszeitpunkt
6. Produktionssteuerung 475

6.4 Spezielle Steuerungskonzepte

6.4.1 Die Grundidee von PPS-Systemen


Bei den vorgestellten drei Regeln wird jedoch
auch deutlich, dass die Produktionssteuerung
oftmals nicht nur einer, sondern vielen An-
forderungen gerecht werden muss. Außerdem
muss nicht nur ein einziger Arbeitsplatz,
sondern es müssen alle vorhandenen Werk-
stätten in der Planung berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund wurde vor allem in den
siebziger Jahren mit der Entwicklung EDV-
gestützter Steuerungsverfahren begonnen, die
den Produktionsablauf für mehrere Werkstät-
ten gleichzeitig planen sollen.
• Bei der Programmplanung werden die
zu fertigenden Erzeugnisse sowie die
groben Ecktermine festgelegt.
• In der hierauf aufbauenden Mengenpla-
nung und Durchlaufterminierung wer-
den die Losgrößen der zu fertigenden End-
und Zwischenprodukte festgelegt. Hierbei
werden Kapazitätsgrenzen der Werkstät-
ten zunächst vernachlässigt. Es wird also
unterstellt, dass der Betrieb beliebig viele
Maschinen zur Verfügung hat. Auf diese
Weise können geplante Durchlaufzeiten Abb. 33: Der Aufbau von PPS-Systemen
für die Aufträge errechnet werden.
• Auf der Basis dieser Durchlaufzeiten
wird die Kapazitätsbelastungsrechnung
für jede Werkstatt durchgeführt, um fest-
zustellen, an welchen Stellen für die Fer-
tigung des vorliegenden Auftragsbestan-
des die Engpässe vorliegen.
• Der sich anschließende Kapazitätsab- Produktionsplanungs- und -steuerungs-
gleich soll zu einem Ausgleich von Ka- Systeme PPS sind rechnergestützte Pro-
pazitätsangebot und -nachfrage in diesen gramme, die die betriebliche Produktionspla-
Engpässen führen und damit diese Über- nung und -steuerung und die damit verbunde-
belastungen zu jedem Zeitpunkt inner- ne Verwaltung von Verkaufs-, Einkaufs-,
halb des Planungszeitraumes (z.B. eine Lager- und Produktionsdaten ermöglichen.
Woche) vermeiden. Dies kann z.B. durch Der Produktionsablauf wird durch PPS-
Verschiebung von Aufträgen und Ar- Systeme unter mengenmäßigen und zeitlichen
beitsschritten oder durch Überstunden- Gesichtspunkten sowie unter Beachtung der
vereinbarungen in einzelnen Werkstätten verfügbaren Kapazitäten geplant, ausgelöst
erreicht werden. und bis zum Ende überwacht.
476 Produktionswirtschaft

• Abschließend werden die vorliegenden


Ergebnisse auf der dispositiven Ebene
umgesetzt. Im Personaleinteilungsplan
werden die Aufträge unter Berücksichti-
gung möglicher Personalausfälle durch
Krankheit oder Urlaub an die Mitarbeiter
verteilt.
• Der Maschinenbelegungsplan ordnet
jeder Arbeitsstation das notwendige Be-
dienungspersonal und somit die betref-
fenden Aufträge zu.
Die Planungszeiträume der einzelnen Stufen
sind verschieden. Bei der Programmplanung
erfolgt zumeist eine grobe Jahres- oder Mo-
natsbetrachtung, während auf der unteren
Steuerungsebene eine feinere Planung bis in
die einzelnen Arbeitsschichten und -stunden
durchgeführt werden kann.
Für die Genauigkeit des Ablaufes sind die
geplanten Durchlaufzeiten nach Kapazitäts- Abb. 34: Teufelskreis der Durchlaufzei-
abgleich entscheidend. tenerhöhung
Das Fehlen einer Rückkopplung zwischen
den Planungsstufen von unten nach oben Erläuterungen zum Teufelskreis
unterstellt dabei, dass die tatsächlichen Werte Wird der Fehler begangen, eine größere Si-
den geplanten Werten entsprechen. Diese cherheit bezüglich der Einhaltung des Liefer-
Unterstellung ist nicht immer realistisch. termins durch verfrühte Freigabe von Ferti-
Durch kurzfristige Personal- und Maschinen- gungsaufträgen erreichen zu wollen, kann der
ausfälle auf den unteren Planungsebenen entgegengesetzte Effekt entstehen:
können neue Engpässe entstehen und einen
• Die vorzeitige Freigabe erhöht die Werk-
erneuten Kapazitätsabgleich erforderlich
stattbestände, also die in den Warte-
machen. Zudem können kurzfristige Eil- und
schlangen vor den Werkstätten befindli-
Sonderaufträge nicht so elegant „dazwischen-
chen Auftragsbestände.
geschoben“ werden wie bei der Steuerung mit
Prioritätsregeln, da hierdurch die gesamte • Diese Veränderung hat die Erhöhung der
Planung zusammenbrechen kann. Abwei- Auftrags-Durchlaufzeiten (siehe Abb. 31)
chungen von den ursprünglichen Plandaten zur Folge.
sind nur schwer möglich. Dies erfordert gutes • Der „Teufelskreis“ schließt sich, da auf-
Mitdenken und eine große Termin-Disziplin grund der Verlängerung der Durchlauf-
in allen Abteilungen. zeiten weitere Aufträge früher als geplant
freigegeben werden, um die scheinbare
Termingefährdung zu vermeiden.
Diese gegenseitige Erhöhung von Durchlauf-
zeiten und Beständen nennt man das „Durch-
laufzeit-Syndrom“.
6. Produktionssteuerung 477

6.4.2 „Computer Aided …“- Übersicht und Bedeutung der CA-


Techniken Techniken:

Im Konstruktions- und Entwicklungsbereich 1. Produktentwurf


kann diese Zusammenarbeit nur verbessert CAD Computer Aided Design
werden, wenn eine Variation oder Anpassung 2. Konstruktion
von Planungsunterlagen von bestehenden
Produkten beschleunigt wird. Dies wurde CAE Computer Aided Engineering
durch die in den siebziger Jahren wesentlich 3. Arbeitsplanung, Arbeitsvorbereitung
verbesserten und mit einer größeren Speicher- CAP Computer Aided Planning
fähigkeit ausgestatteten EDV-Systeme mög-
lich. Durch sie konnten Planungsabteilungen 4. Fertigungsüberwachung und -steuerung
Produktentwürfe am Bildschirm erstellen, CAM Computer Aided Manufacturing
abschließend die Daten sichern und jederzeit 5. Qualitätsplanung, -prüfung, -sicherung
wieder abrufen.
CAQ Computer Aided Quality Assurance
Mit der Möglichkeit, anschließend die Daten
schnell neuen Wünschen anpassen zu können,
entstand das Computer Aided Design (com-
putergestützte Produktentwicklung – kurz:
CAD). Aufgaben
Aufbauend auf der Idee und dem großen 32. Stellen Sie das Ablaufschema eines PPS-
Erfolg von CAD wurden auch für die anderen Systems dar!
technischen Bereiche CA-Verfahren entwi-
ckelt. Für jedes Verfahren wurden die ent- Welche Fragestellungen stehen in den
sprechenden Produktdaten erfasst, und sie einzelnen Phasen in Vordergrund?
waren somit jederzeit abruf- und veränderbar. 33. Was bedeutet „CA-Techniken“? Welche
CA-Techniken kennen Sie? Erläutern Sie
Gemeinsam deckten diese CA-Techniken
deren Bedeutung, und erklären Sie, wa-
bald den gesamten technischen Bereich, den
ein Produkt vom Entwurf bis zur Qualitäts- rum der Einsatz von CA-Techniken von
kontrolle durchläuft, unter dem „historischen“ vielen Unternehmen angestrebt wird!
Begriff CAD/CAM ab.

6.4.3 Die Krone der Produktions-


steuerung: CIM – Computer Beim Computer Integrated Manufacturing
Integrated Manufacturing (CIM) werden alle produktionsbezogenen
Tätigkeiten der Unternehmensbereiche koor-
Es liegt nun nahe, diese beiden Konzepte diniert und abgestimmt. Dabei erfolgt eine
zusammenzufassen und somit eine vom Ent- Verknüpfung der Ansätze von:
wurf über den Verkauf und die Materialwirt-
schaft bis zur Produktion und Qualitätsprü- a) Produktionsplanung und -steuerung
fung abgestimmte Fabrikation zu entwerfen. (PPS)

Diese modernste Form von computergestütz- (kaufmännische Abteilungen und Pro-


ten Steuerungsprogrammen wird daher Com- duktion)
puter Integrated Manufacturing oder kurz b) CA-Techniken
CIM genannt. (technische Abteilungen und Produktion)
478 Produktionswirtschaft

Abb. 35: Das Zusammenwirken aller produktionsbezogenen Unternehmensbereiche im


CIM-Konzept
Quelle: Ausschuss für wirtschaftliche Fertigung e.V. (AWF): Integrierter EDV-Einsatz in der
Produktion, Eschborn 1985

7. Produktionskontrolle
Ziel aller marktwirtschaftlich arbeitenden Ergänzendes zu den Kontrollen
Unternehmen ist die Erzielung von Gewinnen.
Diese Kontrollen beziehen sich sowohl auf
Um zu gewährleisten, dass dieses Unterneh-
ökonomische Kriterien im engeren Sinne (Ra-
mensziel erreicht wird, müssen parallel zu den
tionalität der Produktion) als auch auf Krite-
in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten
rien, die sich indirekt auf die Gewinnsituation
Produktionsabläufen Kontrollen der Produk-
des Unternehmens auswirken (Qualitätskon-
tionsergebnisse durchgeführt werden.
trolle zur Sicherstellung der Kundenzufrieden-
heit).
7. Produktionskontrolle 479

7.1 Kontrolle nach ökonomischen Kriterien

Aus der Volkswirtschaft ergibt sich als Maß-


stab wirtschaftlichen Handelns das „ökono-
mische Prinzip“, welches sich unterscheiden
lässt in:
• das Maximalprinzip,
wonach mit gegebenen Mitteln ein
höchstmöglicher Nutzen erzielt werden
soll, und
• das Minimalprinzip,
nach dem ein gegebenes Ziel mit ge-
ringstmöglichem Mitteleinsatz erreicht
werden soll.
Diese Prinzipien und ihre Erfolgsrelationen
gelten auch für die betrieblichen Prozesse.
Die Erfolgsrelationen können bei Produkti-
onsabläufen über die allgemeine volkswirt-
schaftliche Definition hinaus konkreter ge-
fasst werden.

7.1.1 Wirtschaftlichkeit
Abb. 36: Das ökonomische Prinzip und
Allgemeine Definition: seine Erfolgsrelationen
Für eine bestimmte Handlung ermittelte Be-
ziehung zwischen dem Handlungsergebnis Erfolgsbegriffe und deren Zusammenhän-
und dem dafür erforderlichen Mitteleinsatz. ge:
Betriebswirtschaftliche Auslegung: Sollen Vorgänge nach dem ökonomischen
Prinzip gemessen und bewertet werden, so
Für die Bewertung betrieblicher Prozesse ist müssen die unterschiedlichen Erfolgsfaktoren
es üblich, das Ergebnis und den Einsatz in
in Beziehung zueinander gesetzt werden.
Geldeinheiten darzustellen. Demnach ergibt
sich die Wirtschaftlichkeit als Quotient aus • Subtrahiert man Erfolgsgrößen, so erhält
den aufgewandten Kosten und den hergestell- man eine absolute Erfolgszahl.
ten Produkten einer Periode (Leistungen), • Dividiert man Erfolgsgrößen, so erhält
betrieblichen Erträgen und betrieblichen man eine Erfolgsrelation.
Aufwendungen. Da beide Größen in Geldein-
heiten bewertet werden, ist der Wirtschaft- • Multipliziert man eine Erfolgsrelation mit
lichkeitsquotient dimensionslos (wichtig für 100, so erhält man eine Prozentzahl.
die Vergleichbarkeit von Werten). Vergl. Diese Zusammenhänge sind wichtig für die
auch Seiten 31 ff. Vergleichbarkeit und Bewertung von Erfolgs-
größen.
480 Produktionswirtschaft

Interpretation von Veränderungen: Beispielsituation verbal:


Die Kennzahl fällt, wenn die gleichen Leistun- Ein Zulieferer der DMW AG sieht sich schwie-
gen mit geringeren Kosten oder mehr Leistung rigen Zeiten gegenüber. Zwar erwirtschaftete
mit gleichen Kosten erreicht wurden. Es ist das Unternehmen in 2004 einen Gewinn von
offensichtlich, dass diese Entwicklungen für 400 TEUR, es ist jedoch offensichtlich, dass
ein Unternehmen positiv zu bewerten sind. einige Fertigungsabläufe unwirtschaftlich
Umgekehrt sinkt diese Kennzahl, wenn die ablaufen. Dies ist bedingt durch das starke
gleichen Leistungen mit höheren Kosten oder Wachstum des Unternehmens in den letzten
geringere Leistungen mit den gleichen Kosten fünf Jahren. Die Organisation der Abläufe kann
erreicht werden. (vergl. SS. 31 ff) den veränderten Bedingungen nicht gerecht
Fazit: werden.
Je höher die Wirtschaftlichkeit ist, desto Das Unternehmen beschließt, die renommier-
günstiger ist dies für das Unternehmen. te Unternehmensberatung McGrinsey & Co.
mit der Umstrukturierung ihrer Fertigung zu
7.1.2 Rentabilität beauftragen.
Am Jahresende 2004, nach Abschluss dieser
Allgemeine Definition: Umstrukturierung, sieht sich das Unterneh-
Verhältnis einer Erfolgsgröße zu eingesetztem men folgenden Ergebnissen gegenüber:
Kapital einer Rechnungsperiode. Ausgewählte Bilanz und GuV-Daten
Betriebswirtschaftliche Auslegung: 2005 2004
Je nach Festlegung der Erfolgsgröße und TEUR TEUR
Abgrenzung des eingesetzten Kapitals erge-
ben sich verschiedene Rentabilitätsbegriffe, eingesetztes Kapital 10000 10000
wie beispielsweise (vergl. SS. 23 ff): Umsatzerlöse 2100 2000
• Gesamtkapitalrentabilität Materialkosten 820 800
• Eigenkapitalrentabilität Personalkosten 520 500
• Betriebsrentabilität Beratungskosten 100 0
• Umsatzrentabilität. sonstige Kosten 310 300
Interpretation von Veränderungen: Kosten 1750 1600
Wesentlich für die Vergleichbarkeit von Ren- Betriebsergebnis +350 +400
tabilitätswerten (zwischen verschiedenen produzierte Stückzahlen 4100 4000
Rechnungsperioden oder verschiedenen Un-
geleistete Arbeitsstunden 14000 14000
ternehmen) ist die gleiche Ermittlungsweise
von Erfolgs- und Kapitalgröße. Die sonstigen Kosten enthalten Kapitalkosten
(Abschreibungen u.a., kalkulatorische Zinsen)
Die Kennzahl steigt, wenn ein höherer Erfolg
und Kosten der menschlichen Gesellschaft
bei gleich bleibendem Kapitaleinsatz oder der
(Steuern u,a,)
gleiche Erfolg bei vermindertem Kapitalein-
satz erzielt wurde.
Umgekehrt sinkt die Kennzahl, wenn ein
geringerer Erfolg bei gleichem Kapitaleinsatz
oder ein gleich bleibender Erfolg bei erhöh-
tem Kapitaleinsatz erzielt wurde.
7. Produktionskontrolle 481

Fazit: Ermittlung und Beurteilung von Verände-


rungen
Je höher die Rentabilität ist, desto günstiger
ist dies für das Unternehmen. Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit als Quotient aus Leistung
7.1.3 Produktivität und Kosten steigt von 0,80 (= 1600 TEUR/2000
EUR) auf 0,83 (= 1750 TEUR/2100 TEUR). Dies
Allgemeine Definition: ist zunächst negativ zu beurteilen. Betrachtet man
Beziehung zwischen Ertrag und Faktor- jedoch die Zusammensetzung der Kosten, so fällt
einsatzmengen (Output) und Faktoreinsatz- der Posten Beratungskosten mit 100 TEUR auf.
mengen (Input) (vergl. SS 34 ff). Dieser Betrag wurde für die Umstrukturierung
aufgewendet. Bereinigt man die Kostensumme um
Betriebswirtschaftliche Auslegung: diesen Betrag, so verbessert sich die Wirtschaft-
Da die Gesamtproduktivität eines Unterneh- lichkeit auf 0,79 (= 1650 TEUR/2100 TEUR). Es
mens aufgrund der Nicht-Addierbarkeit ver- muss also im Folgejahr beobachtet werden, ob die
schiedener Faktoreinsatzmengen (unterschied- positiven Effekte von Dauer sind.
liche Maßeinheiten) nicht ermittelt werden Rentabilität
kann, werden Teilproduktivitäten errechnet. Die Rentabilität als Prozentsatz des Jahresergeb-
Vielfach verwendete Teilproduktivitäten sind nisses vom eingesetzten Kapital hat sich von 4 %
dabei: (= 40OTEUR x 100/10OOO TEUR) auf 3,5 % (=
• Materialproduktivität 350 TEUR x 100/10000 TEUR) verschlechtert.
Auch hier ergibt sich jedoch nach Bereinigung der
• Arbeitsproduktivität Kosten um die Beratungsaufwendungen eine Ver-
• Kapitalproduktivität. besserung auf 4,5 %.
Interpretation von Veränderungen: Kapitalproduktivität
Der Quotient aus den Umsatzerlösen als Produkti-
Steigt die Kennzahl, so wurde der betreffende onsergebnis und dem eingesetzten Kapital hat sich
Faktor (Material, Arbeit, Kapital) effektiver von 2 % (= 2000 TEUR/10000 TEUR) auf 2,1 %
genutzt. Dies liegt vor, wenn mit dem glei- (= 2100 TEUR/10000 TEUR) verbessert.
chen Materialeinsatz mehr Güter oder die
Arbeitsproduktivität
gleiche Menge von Gütern mit weniger Mate-
Die Arbeitsproduktivität als Quotient aus produ-
rialeinsatz gefertigt wurden. Kann ein Textil-
zierter Stückzahl und eingesetzten Arbeitsstunden
unternehmen beispielsweise durch Optimie-
hat sich von 0,28 Stk./Std. auf 0,29 Stk./Std. ver-
rung des Zuschnitts mehr Hemden aus einem
bessert. Aussagekräftiger ist hierbei der Kehrwert
Ballen Stoff produzieren, steigt die Material-
des Bruches. Während 2003 3,4 Stunden pro Stück
produktivität.
(= 14000 Std./4000 Stk.) benötigt wurden, konnte
Umgekehrt sinkt die Produktivität, wenn mit in 2004 ein Stück schon nach 3,33 Stunden (=
gleichem Materialeinsatz weniger Güter oder 14000 Std./4100 Stk.) fertig gestellt werden.
mit höherem Materialeinsatz die gleiche
Menge an Gütern gefertigt wurde.
Fazit:
Fazit: Insgesamt kann die Umstrukturierung als
Je höher die Produktivität einzelner Faktoren erfolgreich beurteilt werden. Die Aufwen-
(Material, Arbeit, Kapital) ist, desto günstiger dungen für Beratung haben den gewünschten
ist dies für das Unternehmen. Effekt erzielt.
482 Produktionswirtschaft

7.2 Kostenerfassung und Kostenverläufe

Abb. 37: Schematischer Aufbau einer Betriebsdatenerfassung

Nachdem im Abschnitt 7.1 mögliche ökono- Gebräuchliche Abkürzungen in der Kos-


mische Kontrollkriterien für den Produktions- tentheorie:
prozess aus dem ökonomischen Prinzip abge-
x: Ausbringungsmenge, Beschäftigung
leitet wurden, stellen sich die Fragen:
K: Gesamtkosten
• Wie erfolgt die Erfassung der Erfolgs-
größen? k: Durchschnittskosten, also die Kosten pro
Stück. Man errechnet sie, indem man die
• Wie kann eine Bewertung der Erfolgsre- Gesamtkosten (K) durch die Ausbrin-
lationen erfolgen? gungsmenge (x) teilt.
K’: Grenzkosten, also der absolute Kosten-
7.2.1 Betriebsdatenerfassung
zuwachs durch die Produktion der jeweils
(BDE) letzten Mengeneinheit. Mathematisch ge-
Unter Betriebsdatenerfassung, in der Praxis sehen die Steigung der Gesamtkosten-
oft kurz „BDE“ genannt, versteht man die kurve.
EDV-gestützte Erfassung von Daten des be-
trieblichen Produktionsprozesses zur Kontrol-
le der Produktionsplanung und -steuerung.
7. Produktionskontrolle 483

Wichtige Betriebsdaten sind beispielsweise: Kosten sind der bewertete betriebliche Gü-
• Maschinendaten terverbrauch, der direkt mit der Leistungser-
stellung zusammenhängt.
(Belegungszeiten, Störungen, Umrüstun-
gen, Werkzeugstatus) Man unterscheidet nach der Abhängigkeit von
der Beschäftigung fixe Kosten (unabhängig
• Fertigungsauftragsdaten von der Leistungserstellung) und variable
(Anfang und Ende von Arbeitsschritten, Kosten.
Mengen- und Qualitätsabweichungen) Nach der Zurechenbarkeit auf die einzelnen
• Lagerdaten Leistungen unterscheidet man weiterhin Ein-
zelkosten und Gemeinkosten.
(Zugänge, Reservierungen, Abgänge)
• Personaldaten
Kosteninformationen
(Anwesenheit, Akkord- und Entloh-
In allen Wirtschaftseinheiten werden Stoffe, Kräfte und
nungsdaten). Rechte zur Herstellung von Gütern oder Leistungen
Da die Art der Betriebsdatenerfassung sehr verbraucht. Aber erst wenn diese Verbräuche die in Abb.
38 ausgewiesenen Merkmale erfüllen, handelt es sich um
von den individuellen Verhältnissen in einem Kosten. Von Kosten wird auch geredet, wenn es sich um
Betrieb abhängt, werden zur Durchführung Nutzentgang handelt. Das ist dadurch der Fall, dass dem
meistens Standard-Softwarepakete installiert Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt wird, wel-
und den betrieblichen Besonderheiten ange- ches die Grundlage für seine Existenz bildet. Hätte man
dieses der Bank überlassen, dann wäre zwar kein Betrieb
passt. Es besteht dabei eine enge Verknüp- gegründet worden, aber man hätte Zinsen erhalten. Auf
fung mit PPS- oder CIM-Systemen (vgl. Ab- diese wird durch die Gründung verzichtet, d. h., dem
schnitt 6.4). Unternehmen gehen Zinsen verloren. Das nennt man
Nutzentgang.
Über diese wichtigen betriebswirtschaftlichen Kosten werden sehr unterschiedlich eingeteilt. Aus der
Daten hinaus erlangt man aber durch Ver- Perspektive der Arten lassen sich unterscheiden: Perso-
knüpfung mit dem Rechnungswesen auch die nalkosten, Stoffkosten, Kapitalkosten, Fremdleistungs-
für die Kontrolle von Produktionsabläufen kosten und Kosten der menschlichen Gesellschaft (Steu-
ern, Gebühren, Abgaben).
unerlässlichen Informationen über die Kosten.
Nach der Art der Zurechenbarkeit auf die Produkte
untergliedert man Einzel- und Gemeinkosten.
7.2.2 Kostenverläufe
Man kann grundsätzlich folgende sechs Mög-
lichkeiten des Gesamtkostenverlaufs in Ab-
hängigkeit von der Ausbringung (z. B. Men-
ge) unterscheiden.
Die Gesamtkosten nach 1. bis 4. bezeichnet
man als variable Kosten, da sie im Gegen-
satz zu den fixen Kosten in Abhängigkeit von
der Beschäftigung variieren. Die intervallfi-
xen Kosten nehmen zwischen diesen beiden
klassischen Kostenverläufen eine Sonderstel-
lung ein.

Abb. 38: Kostenkennzeichen


484 Produktionswirtschaft

1. Proportionaler Verlauf der K In Abhängigkeit von der Ausnutzung der Kapazität


(Beschäftigung) lassen sich Kosten in variable und fixe
Jede relative (in %) Beschäftigungsänderung Kosten gliedern. Fixe Kosten sind von der Höhe der
führt zur gleichen relativen Änderung der Ausbringung unabhängig.
Kostenhöhe. Eine Halbierung (minus 50%) Nun kann man außerdem die Kosten danach einteilen, ob
der Ausbringung hat demnach eine Halbie- sie als Ausgaben auftreten oder nicht.
rung der Gesamtkosten zur Folge. Alle Unterscheidungsmerkmale führen bei einer Analyse
im Einzelnen zu unterschiedlichen Inhalten und Aussa-
Beispiel: (Akkordlohn) gen. Hier sollen nun die variablen und fixen Kosten ins
Blickfeld gerückt werden.
x K k K’
• Proportionaler Verlauf
1 15 15 15
2 30 15 15
3 45 15 15

2. Unterproportionaler Verlauf der K


Eine relative Beschäftigungsänderung führt Abb. 39 a)
zu einer geringeren relativen Kostenänderung.
Sich proportional entwickelnde Gesamtkosten
Eine Erhöhung der Ausbringung um 10% hat
wirken auf die Durchschnittskosten konstant
beispielsweise eine Erhöhung der Kosten um
(mittleres Bild).
nur 8% zur Folge.
Beispiel: (Material mit gestaffeltem Rabatt) • Unterproportionaler Verlauf
x K k K’
1 15 15 15
2 28 14 13
3 39 13 11

Abb. 39 b)
3. Überproportionaler Verlauf der K Sich unterproportional entwickelnde Gesamt-
Eine relative Beschäftigungsänderung führt kosten wirken auf die Durchschnittskosten
zu einer höheren relativen Kostenänderung. (schwach) degressiv.
Eine Erhöhung der Ausbringung um 10% hat • Überproportionaler Verlauf
beispielsweise eine Erhöhung der Kosten um
12% zur Folge.
Beispiel: (Energie bei erhöhter Belastung)
x K k K’
1 15 15 15
2 32 16 17
Abb. 39 c)
3 51 17 19
Sich überproportional entwickelnde Gesamt-
kosten wirken auf die Durchschnittskosten
progressiv.
7. Produktionskontrolle 485

4. Fixer Verlauf der K • Fixe Kosten


Jede relative Beschäftigungsänderung führt zu
einer relativen (und absoluten) Kostenände-
rung von Null. Die Kosten sind demnach
ausbringungsunabhängig konstant.
Beispiel: (Abschreibungen auf Gebäude)
x K k K’
Abb. 39 d)
1 15 15 15
Bei zunehmender Ausbringung bleiben die
2 15 7,5 0 fixen Kosten gleich. Sie wirken auf die
3 15 3,75 0 Durchschnittskosten (stark) degressiv.

5. Intervallfixer Verlauf Aufgaben


Innerhalb bestimmter Beschäftigungsinterval- 34. Stellen Sie das Beispiel der intervallfixen
le verlaufen die Kosten fix, beim Überschrei- Kosten grafisch dar!
ten der Intervallgrenzen steigen die Kosten 35. Versuchen Sie herauszufinden, wie die
jedoch sprunghaft auf ein anderes (zumeist Grenzkosten ermittelt wurden, und wel-
höheres) Niveau. che Bedeutung diese haben könnten!
Beispiel: (Abschreibungen auf Maschinen) Überlegen Sie bitte, wie es zu intervall-
x K k K’ fixen Kosten kommen kann!
1 15 15 15
2 15 7,5 0
3 30 10 15
4 30 7,5 0
Allen Betrieben ist gemein, dass bei ihnen
variable und fixe Kosten anfallen. Je nach Art
des Unternehmens sind ihre Anteile an den
Gesamtkosten unterschiedlich groß. Auch
differieren die Höhen der proportionalen,
unter- und überproportionalen Kosten. Die
Addition aller Kosten bei jeder Beschäfti-
gungsmenge führt zu Gesamtkosten, die als
Kurve erscheinen. Dividiert man die Gesamt-
kosten zu jeder Beschäftigungsmenge (Aus-
bringung) durch entsprechenden Output,
ergeben sich die Stückkosten bei jeder Pro-
duktionsmenge.

Abb. 40: Die Stückkostenkurve


486 Produktionswirtschaft

7.3 Kontrolle der Qualität

7.3.1 Zum Begriff Qualität Der Qualitätsbegriff nach DIN 55350


Qualität (lateinisch: qualitas, -atis) bedeutet Gesamtheit von Eigenschaften und Merkma-
so viel wie Beschaffenheit, Eigenschaft, Güte len eines Produktes oder einer Tätigkeit, die
oder Wert. Dabei hat der Qualitätsbegriff sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebe-
ner Erfordernisse bezieht.
• eine gefühlsmäßige, emotionale Kom-
ponente und Die Erfordernisse ergeben sich aus dem Ver-
wendungszweck des Produktes oder dem Ziel
• eine sachliche, rationale Komponente. der Tätigkeit.
Die emotionale Komponente hat mit der indi-
viduellen Einschätzung von Sorgfalt, Zuver-
lässigkeit und Gründlichkeit zu tun und bildet
Vertrauen.
Die Kontrolle innerhalb eines Produktionsap-
parates hat die rationale Komponente der
Qualität zum Gegenstand (vergl. S. 19).
Nachfolgend werden zunächst Methoden der
Qualitätssicherung dargestellt.
Die auf diese Weise aufgedeckten Fehler
werden anschließend in ihrer Bedeutung be-
wertet und Möglichkeiten der Fehlervermei-
dung ermittelt.
Abschließend erfolgt eine kritische Beurtei-
lung der Qualitätssicherung in Form eines
Kosten-Nutzen-Vergleichs.

7.3.2 Methoden der


Qualitätssicherung
Bevor eine Methode zur Qualitätssicherung Abb. 41: Beispiel für eine Kontrollkarte
gewählt wird, muss entschieden werden,
wann mangelhafte Qualität vorliegt und wie Beispiel:
entscheidend Qualitätsabweichungen für den
späteren Verkaufserfolg sind. Festlegung von Qualität und Toleranzen
Diese Entscheidungen werden von der späteren Eine Werkzeugfabrik führt unter anderem
Produktverwendung bestimmt (siehe Beispiel- Bohrer in ihrem Programm. Die Rohlinge für
fall). die Bohrer werden alle aus dem gleichen
Material hergestellt. Nach diesem ersten Be-
Sind diese Entscheidungen im Zusammen- arbeitungsschritt werden die Bohrer für unter-
wirken von Absatzwirtschaft und Technik schiedliche Verwendungen gehärtet. Dieser
getroffen worden, so können folgende Ver- Härteprozess ist umso aufwändiger, je härter
fahren unterschieden werden: die Legierung am Ende sein soll. Es werden
drei Endprodukte unterschieden:
7. Produktionskontrolle 487

• Totalkontrolle • Bohrer für Holz


Hierbei werden ausnahmslos alle gefertigten • Bohrer für Stein
Produkte kontrolliert. Diese Vorgehensweise
• Bohrer für Metall.
ist bei sehr wertvollen Produkten (hochwerti-
ge Uhren) oder bei Produkten notwendig, bei Dabei hat das Unternehmen zwei Zielgrup-
denen jeder Fehler ein „kritischer Fehler“ pen, zum einen Heimwerker und zum anderen
(siehe unten) ist (medizinische Instrumente). Industriebetriebe.
Totalkontrollen sind bei Serien- und Massen- Die Qualitätssicherung legt Toleranzen der
fertigung ausgeschlossen. Sie sind zu zeit- Härtegrade und den Durchmesser der einzel-
aufwändig und kostenintensiv. nen Bohrertypen und -größen fest. Dabei wird
sowohl bezüglich der Verwendung als auch
• Partialkontrolle bezüglich der Zielgruppen unterschieden. Es
werden folgende Toleranzen festgelegt:
„Partial“ bedeutet „teilweise“ und unterstellt
hier, dass nicht jedes Teil, sondern nur eine Zielgruppe/ Soll- Tole- Soll- Tole-
Bohrerart Wert ranzen Wert ranzen
Stichprobe kontrolliert wird. Durch- Durch- Härte- Härte-
Durch die Partialkontrolle mit Hilfe statisti- messer messer grad grad
(mm) (mm) (HBS) (%)
scher Verfahren wird versucht, entweder
Heimwerker
Aussagen über den Zustand eines Produkti- Holzbohrer 1-15 ±0,05 200 ±2
onsprozesses zu machen (Produktionskontrol- 16-30 ±0,05 200 ±2
le) oder den Ausschussanteil einer gefertigten Steinbohrer 1-15 ±0,05 300 ±2
Serie, Partie oder Charge (Abnahmeprüfung) 16-30 ±0,05 200 ±2
Metallbohrer 1-15 ±0,05 500 ±2
zu treffen. Letztere findet auch im Bereich der 16-30 ±0,05 500 ±2
Wareneingangskontrolle im Bereich Materi- Industrie:
alwirtschaft Anwendung. Holzbohrer 1-15 ±0,001 200 ±0,5
16-30 ±0,001 200 ±0,5
Steinbohrer 1-15 ±0,001 350 ±0,5
• Kontrollkarte 16-30 ±0,001 350 ±0,5
Bei diesem für die Massenfertigung geeigne- Metallbohrer 1-15 ±0,001 600 ±0,5
ten Verfahren werden in regelmäßigen Zeit- 16-30 ±0,001 350 ±0,5
abständen Stichproben entnommen und die
entsprechenden Messwerte notiert. Es zeigt sich, dass die Soll-Werte je nach
Verwendung unterschiedlich sind. Darüber
Bei Abweichungen außerhalb bestimmter hinaus ist es sinnvoll, die Toleranzen von der
Toleranzgrenzen werden Eingriffe in den Zielgruppe abhängig zu machen. So ist die
Produktionsprozess veranlasst. Genauigkeit des Durchmessers für Werkstät-
Die mit Hilfe dieser Verfahren aufgedeckten ten in der industriellen Fertigung viel wichti-
Fehler können unterschiedliche Gründe und ger als beim Heimwerkergebrauch. Ein Werk-
unterschiedliche Folgen haben. Bevor daher stück, welches für die Zielgruppe „Industrie“
Anpassungen oder Änderungen im Produkti- außerhalb der Toleranzen liegt, kann demnach
onsablauf vorgenommen werden, müssen die unter Umständen noch in der Zielgruppe
Fehler bewertet werden. „Heimwerker“ verkauft werden.
488 Produktionswirtschaft

7.3.3 Fehlerbewertung Amis vorn


Im Qualitätssicherungswesen werden in vie- 2,3 Millionen Astra bestellt Opel in die Werk-
len Fällen festgestellte Fehler klassifiziert und statt. Gigantisch, aber nicht der größte Rück-
die notwendigen Konsequenzen je nach Feh- ruf der Autogeschichte. Den leistete sich wohl
lerklasse festgelegt. Opels Mutterkonzern General Motors Mitte
der siebziger Jahre. Bei 6,7 Millionen Chevy
Mögliche Klassifizierungen sind dabei: war der Motor zu schwach aufgehängt. Folge:
Klassifizierung nach Auswirkung der Fehler: In Kurven kippte er zur Seite und setzte die
• Kritische Fehler Bremsen matt. Zusätzlich verbog er das Gas-
gestänge und löste Vollgas aus. Betroffene
Voraussichtliche Gefährdung von Men- konnten sich nur durch „Zündung aus“ retten.
schenleben, Konsequenz ist eine unbe-
dingte Fehlerbeseitigung, da die Folge- Noch schlimmer kam es, als die „Big Three“
kosten (Schadenersatzforderungen) für (GM, Ford, Chrysler) allein 1978 rund elf Mil-
das Unternehmen existenzbedrohend sein lionen Autos zurückrufen mussten – während-
können. dessen aber nur 9,2 Millionen neue herstellten.
Abb. 42: Die größten Rückrufe
Beispiel: Rückrufaktionen bei Feststel-
lung von Bremsdefekten an Pkws
• Hauptfehler
Starke Verminderung der Brauchbarkeit,
aber keine Gefährdung von Menschenle-
ben.
Auch hier wird eine unbedingte Fehler-
beseitigung durchgeführt, da das Auftre-
ten von Hauptfehlern bei Kunden zumeist
einen erheblichen Image-Verlust des
Herstellers mit sich bringt.
Beispiel: Aufruf an Kunden von Pkws
fehlerhafter Serien zu kostenloser Um-
rüstung fehlerhafter Teile in
Vertragswerkstätten.
• Nebenfehler
Verhältnismäßig geringe Verminderung
der Brauchbarkeit.
Hier müssen Kosten und Nutzen von
Rückrufaktionen genau abgewogen wer-
den. Eine vollständige Rückrufaktion ist
zumeist zu teuer. Hier kann über ausge-
weitete Garantieleistungen bei fehlerhaf-
ten Teilen auf Kulanzbasis ein möglicher
Image-Verlust vermieden werden. Abb. 43: Aufbau der Qualitätssicherung
7. Produktionskontrolle 489

7.3.4 Kosten und Nutzen der Qualitätssicherung

7.3.4.1 Kosten der


Qualitätssicherung
a) Fehlerverhütungskosten
Aus der Bezeichnung lässt sich unmittel-
bar ableiten, dass es sich um Aufwen-
dungen handelt, die für die Vermeidung
von Fehlern in der Produktion aufge-
bracht werden. Diese können zum Bei-
spiel Schulungen des Personals und Kon-
trolleinrichtungen zwischen zwei Ar-
beitsstationen sein.
Prinzipiell gilt: Es ist besser, einen Fehler
von vornherein zu vermeiden als ihn im Abb. 44: Ermittlung der optimalen Qua-
Nachhinein zu verbessern. litätskontrolle
b) Prüf- und Beurteilungskosten
Hierunter werden alle Kosten zusam- Beispiel:
mengefasst, die im Zusammenhang mit
Situation der DMW AG
der Überprüfung von Teilen, Bauelemen-
ten, Materialien und Prozessen entstehen. Der Leiter der DMW-Qualitätssicherung
erhält die jährliche Auswertung der aufgelau-
c) Fehlerfolgekosten
fenen Kosten in seiner Abteilung vom zentra-
Hierunter fallen alle Aufwendungen, die len Controlling und will auf Basis dieser
aus aufgetretenen Fehlern resultieren. Zahlen die Schwerpunkte und das Budget für
Hierbei ist zu unterscheiden zwischen in- die einzelnen Sparten der Qualitätssicherung
ternen und externen Kosten. aufstellen.
Interne Fehlerfolgekosten entstehen vor Seine Analyse ergibt folgende markante Be-
Ablieferung an die Kunden reiche:
(Ausschusskosten, Nacharbeiten,
a) Der Bereich „Motoren + Getriebe“ weist
Reparaturen).
Externe Fehlerfolgekosten entstehen erheblich mehr Fehler auf.
durch qualitative Abweichungen am Pro-
b) Die „Lackiererei“ weist wesentlich weni-
dukt nach der Auslieferung an die Kun-
ger Fehler auf, da technische Probleme
den (Garantieleistungen, Retouren).
mit den Lackierautomaten aus dem letz-
Der Verlauf der Gesamtkosten der Qualitäts- ten Jahr behoben wurden.
kontrolle kann in Abhängigkeit von der Feh-
c) Der Bereich „Dichtungsmontage“ weist
lerquote betrachtet werden. Ausgehend von
ebenfalls wesentlich mehr Fehler auf, die
einer Fehlerquote in einem Produktionsappa-
aber bekannterweise aus mangelhaften
rat ohne Kontrolle wird die Quote zunächst
Lieferqualitäten resultieren.
durch steigenden Einsatz von Qualitätskon-
trollen absinken. Die Quote wird aber nicht Der Leiter der Qualitätssicherung beschließt
linear sinken, da bei Annäherung an die Feh- eine Umschichtung des Budgets vom Bereich
lerquote 0 % die Kosten der Kontrollen stark „Lackiererei“ zum Bereich „Motoren + Ge-
anwachsen. triebe“.
490 Produktionswirtschaft

Betriebsjahr Vorjahr Veränderung


Bereich der
Kosten aufgetrete- Kosten aufgetrete- Kosten aufgetrete-
Qualitätssicherung
EUR ne Fehler EUR ne Fehler EUR ne Fehler
Karosseriebau 20.000 33 18.000 28 2.000 5
Elektronik 35.000 40 32.000 46 3.000 -6
Motoren + Getriebe 60.000 75 55.000 14 5.000 61
Vormontage 15.000 30 12.000 32 3.000 -2
Lackiererei 70.000 15 65.000 102 5.000 -87
Dichtungsmontage 8.000 72 7.000 13 1.000 59
Endmontage 80.000 25 76.000 30 4.000 -5
QS gesamt 288.000 265.000 23.000
Abb. 45: Jahresauswertung für den Bereich Qualitätssicherung

7.3.4.2 Nutzen und Notwendigkeit Ergänzendes zur Qualitätssicherung


der Qualitätssicherung Qualitätssicherung erfordert eine Qualitätsstrategie.
Fehlervermeidung statt Fehlerentdeckung und -
• Instrument im Kampf um Marktanteile beseitigung gehört seit langem zu den Grundprinzipien
eines Qualitätsmanagements. Eine der wesentlichen
Durch zunehmende Transparenz der
Maßnahmen hierzu ist die Kooperation zwischen Herstel-
Märkte und Kritikfähigkeit der Kunden ler und Lieferant. Letzterer liefert nach den meist durch
werden nur noch über die Qualität nach- Daten übermittelten Vorgaben der Produzenten unter
haltige Marktanteilsgewinne erzielbar Abgabe einer Qualitätsgarantie.
sein. Preiskampagnen haben dagegen Wieso ist der Ruf nach Qualität immer deutlicher ver-
nehmbar? Eine Antwort gibt die veränderte und sich
immer kurzfristigere Wirkungen. verändernde Gesellschaft in fast allen Ländern der Erde.
• Ökologischer Aspekt • In den Industrienationen ist der Kunde König
geworden. Er lässt sich nicht mehr mit minderwer-
Qualitativ hochwertige, langlebige Pro- tiger Ware abspeisen. Unternehmen, die das versu-
dukte landen nicht so schnell auf dem chen, haben einen schweren Stand.
Müll, die Konsumenten nehmen Ab- • Die Konkurrenz greift überall ein. Die Welt ist dank
schied von der „Wegwerfgesellschaft“ der Informationskanäle und dank der schnellen
der sechziger und siebziger Jahre. Raumüberbrückung enger geworden. Fast überall
kann fast alles hergestellt und von überall kann fast
• Produkthaftung alles nach überall geliefert werden. Statt deutsche
oder europäische Artikel werden z.B. asiatische ge-
Durch die Einführung der Produkthaftung kauft, und die sind meist noch billiger zu haben.
bei schadenstiftenden Waren wurde der • Kosten- und Rationalisierungsdruck erfassen jedes
Gewährleistungsanspruch gemäß BGB Unternehmen. Die Qualitätssicherung kann Kosten-
durch eine Sicherheitskomponente erwei- potenziale vernichten, wenn es ihr gelingt, Fehler
von vornherein zu vermeiden.
tert.
• Die Verkürzung der Forschungs- und Entwick-
• Normen und Standards lungszeiten lässt nur noch wenig Platz für groß an-
gelegte Rückrufaktionen.
Die zunehmende Aufklärung durch Wa-
• Die Auflagen der Parlamente an die Umwelt for-
reninstitute lässt die Verbraucher ver- dern immer nach neuen Verbesserungen.
mehrt auf Qualitäts- und Gütezeichen Eine Qualitätsgarantie muss
beim Kauf achten. Im technischen Be- • systematisch
reich gilt dabei das TÜV- und das VDE- • lückenlos
Zeichen als besonders lukrativ, aber eben • präventiv
auch anspruchsvoll. • teamorientiert
ausgerichtet sein, wenn sie Erfolg haben will.
Kapitel 7

Marketing
von Tim Döring
1. Grundlagen des Marketing 493

1. Grundlagen des Marketing

Abb. 1: Wie Marketing funktioniert


1.1 Definition
Obwohl das Marketing in deutschen Unter- Beispiel:
nehmen eine noch recht junge Einrichtung
Das Marketing der DMW AG
darstellt, gibt es bereits so viele Definitionen
dafür, dass die gesamte Auflistung Seiten fül- Die Deutsche Motoren Werke (DMW) AG ist
len würde. Deswegen nur eine kurze Auswahl. ein mittelständisches, deutsches Unterneh-
men, das aufgrund seiner frühen, konsequen-
Unter Marketing versteht man alle Tätigkei- ten Marketingorientierung gut im Konzert der
ten, die darauf abzielen, Bedürfnisse und großen und finanzkräftigen Automobilherstel-
Wünsche zu wecken. ler mitspielt. Gerade die Bereitschaft, neue,
Marketing bedeutet, alles das zu tun, um unkonventionelle Wege zu gehen, sich eng
Produkte/Dienstleistungen auf dem Markt und flexibel am Markt zu orientieren und die
anzubieten, die der Verbraucher attraktiv Kundenwünsche schnell aufzuspüren, sowie
findet. die hohen Ausgaben für Forschung und Ent-
Marketing ist vor allem eins: eine Denkweise. wicklung sind als wesentliche Gründe für den
Das verdeutlicht die Aussage „Marketing ist Erfolg in einer schwierigen Wettbewerbssitu-
die Führung vom Markt her“. Das heißt, dass ation zu nennen.
der Anbieter alles tun muss – vorausgesetzt er Mitte der siebziger Jahre starteten die Deut-
will erfolgreich sein –, damit sich der poten- schen Motoren Werke (DMW) in ihrem
zielle Käufer gerade für seine Leistung ent- Stammhaus in Hannover. Der damalige Besit-
scheidet. Welcher Wege, Mittel und Instru- zer, ein erfahrener Ingenieur, der zuvor für
mentarien sich der Anbieter bedienen kann, einen großen Konkurrenten gearbeitet hatte,
ist Inhalt dieses Kapitels. machte sich selbstständig und baute mit einem
Team von anfangs zwanzig Mitarbeitern ein
eigenes Modell. Die Fertigungsmethoden wa-
ren primitiv, die Kapitaldecke dünn. Aber der
Enthusiasmus des qualifizierten Personals und
die hohe Nachfrage ließen das Unternehmen
schnell wachsen.
494 Marketing

1.2 Die Entstehung des Mitte der achtziger Jahre wurden die Deut-
Marketing schen Motorenwerke in eine Aktiengesell-
schaft umgewandelt. Endlich konnte im gro-
ßen Rahmen investiert werden, die Arbeitsab-
Die Wirtschaften der westlichen Industriege- läufe wurden verfeinert und produktiver ges-
sellschaften waren von Mitte des 19. Jahr- taltet, das Vertriebsnetz wurde national aus-
hunderts bis nach dem zweiten Weltkrieg von gebaut, und die ersten größeren Werbemaß-
einem produktionsorientierten Verkäufer- nahmen starteten.
markt gekennzeichnet. Alles, was produziert
Heute umfasst das Sortiment drei Modelle,
wurde, konnte i.d.R. auch abgesetzt werden,
vom Verbraucher liebevoll „Kisten für den
teilweise kam es zu Zuteilungen. So fand der
Hausgebrauch“ genannt. In dem neu errichte-
Ford Edsel, das erste Auto, das über das
ten Werk Halle soll demnächst ein weiteres
Fließband in hohen Stückzahlen gefertigt
Modell (Funny – ein Geländewagen) vom
wurde und daher mit einem attraktiven Preis
Fließband rollen. Außerdem wird an einem
angeboten werden konnte, einen reißenden
kleinen offenen Roadster „herumgebastelt“.
Absatz. Dass der Käufer nicht zwischen Far-
Die F&E-Abteilung (Forschung & Entwick-
ben, Motorisierung und Extras wählen konn-
lung) widmet sich bereits dem nächsten Pro-
te, tat dem Erfolg keinen Abbruch. In dem
jekt: einem Elektroauto, das in wenigen Jah-
Maße, wie sich der allgemeine Wohlstand
ren auf den Markt kommen soll.
Mitte der fünfziger Jahre mehrte und in
Deutschland das so genannte „Wirtschafts- Das Marketing prüft, ob der Markt „reif“
wunder“ einleitete, die Industrie ihre Kapazi- dafür ist.
täten erweiterte, wandelten sich die Märkte
von Verkäufermärkten zu Käufermärkten.
Bis Ende der sechziger Jahre hieß die Devise
daher: nicht nur absetzen, sondern auch mit
verfeinerten Vertriebssystemen zum Käufer
bringen. Seit den siebziger Jahren ist das
Angebot im Allgemeinen höher als die Nach-
frage, die Märkte sind gesättigt, der Verbrau-
cher wählt die ihm sympathischste Leistung
zwischen mehreren Alternativen aus. Im Sin-
ne einer kundenorientierten, ganzheitlichen
Unternehmensstrategie vor dem Hintergrund
einer Überflussgesellschaft war das die Ge-
burtsstunde des Marketing. Der Absatz der
eigenen Produkte/Dienstleistungen hat damit
produktionstechnische und logistische Prob-
lemstellungen in den Hintergrund gedrängt
und ist zum zentralen Ausgangspunkt wirt-
schaftlichen Handelns geworden. Abb. 2: Die Umsatzentwicklung der
DMW AG
1. Grundlagen des Marketing 495

1.3 Heutige Rolle und Aufgaben

Eigentlich spielt Marketing eine opportunisti- Ihre Ausführungen kann ich nur bestätigen,
sche Rolle, indem es dem Kunden das gibt, nach meinen Erfahrungen sind die Deutschen
was er zu seiner Bedürfnisbefriedigung haben so wenig kundenorientiert wie das sonst nir-
möchte. Aber ist das Marktgeschehen so gendwo auf der Welt der Fall ist.
transparent, dass man vom gläsernen
Letztes Frühjahr wollte ich ein recht teures
Verbraucher sprechen kann? Wohl kaum!
Cabrio für meine Frau kaufen, rechtzeitig zur
Deshalb hat das Marketing vor allem folgende
Sommersaison. Es sollte eine Geburtstagsüber-
Aufgaben:
raschung werden. Ich hatte eine ganz bestimm-
• die Suche, das Finden oder Erfinden von te Marke und ein bestimmtes Fabrikat im Auge.
Problemen, deren Bewusstmachung und Dazu muss ich in aller Bescheidenheit sagen,
das Anbieten von Lösungen dass ich mehrfacher Millionär bin. Ich kann es
• das Bemühen um Schaffung von Präfe- mir also glücklicherweise leisten, ein Auto
renzen und Erringung von Wettbewerbs- spontan, ohne lange Kreditgenehmigungen, zu
vorteilen erwerben. Voranschicken möchte ich auch,
dass ich gerne nach getaner Arbeit im Gammel-
• die Planung, Koordination und Kontrolle look herumlaufe, weil ich es einfach bequemer
auf den Markt ausgerichteter Aktivitäten finde. Ich also los zu dem nächsten Autohänd-
• das systematische, marktorientierte Han- ler der betreffenden Marke. Mit dem Sporty
deln mit Hilfe modernster Techniken zu meines Sohnes, übrigens eine Klasse-Kiste,
zielbewusster Marktgestaltung unter Be- solide verarbeitet und sicher.
rücksichtigung bestimmter Vorgaben wie In Sweat-Shirt und Jeans fuhr ich nun auf den
Umweltschutz, rechtliche Restriktionen Hof des Autohändlers. Ich ging in den Ver-
etc. kaufsraum und sagte „Guten Tag“. Der Ver-
Kundenwünsche aktiv aufspüren, sie in be- käufer an seinem Schreibtisch blickte nur kurz
gehrte Leistungen/Lösungen umsetzen und auf, musterte mich mit mürrischem Gesicht,
diese optimal dem Markt anbieten – das ist murmelte etwas Unverständliches und widme-
erfolgreiches Marketing! te sich wieder seinen Papieren. Nachdem ich so
zwei Minuten vor seinem Schreibtisch wartete,
Wie sich das Marketing bis heute in seiner
sagte ich dann bewusst kleinlaut, dass ich mich
Rolle in den Unternehmen verändert hat,
für ein Auto interessiere und ich gerne mal eine
zeigen die folgenden Bilder:
Probefahrt machen wolle. Er guckte mich nur
1. Phase: Marketing als gleichberechtigte ungläubig an und fragte daraufhin: „Haben Sie
Funktion denn Ihren Pass und Führerschein mit?“ Nach-
dem ich verneinte, sagte er leicht erheitert:
Marketing Produktion „Dann tut es mir schrecklich Leid; Probefahr-
ten gestatten wir nur gegen Vorlage von Pass
Finanzierung Personal
und Führerschein. Kommen Sie doch einfach
morgen noch Mal vorbei.“
„Vielen Dank für die Information“, sagte ich
grinsend und verließ das ehrenwerte Auto-
haus. Ich war mir sicher, dass ich hier nie
einen Wagen kaufen würde.
Abb. 3: Kundenorientierung – Leserbrief
496 Marketing

2. Phase: Marketing wird wichtiger Zusätzliche Informationen zur Marketing-


rolle
Produktion Die Gründe für die dargestellte Rollenänderung
Marketing
des Marketing lassen sich anhand von einigen
Personal Erscheinungen ableiten:
Finanzierung
• gesättigte Märkte
3. Phase: Zentrale Rolle des Marketing • veränderte Kaufgewohnheiten
Produktion Personal • kleinere Märkte durch spezielle Kundenwünsche
• langsameres Wirtschaftswachstum, Stagnation
Marketing oder Rückgang
Finanzierung • durch Zusammenwachsen der internationalen
Märkte stärkere Konkurrenz aus dem Ausland
4. Phase: Der Verbraucher tritt in den Vor- • vermehrte Anstrengungen der Mitbewerber
dergrund
• rückläufiger Absatz und Umsatz
Marketing Produktion
• steigende Kosten
Verbraucher
Aufgaben
Finanzierung Personal
1. Warum hat die DMW AG ihren Umsatz
5. Phase: Marketing gibt die Kundenwünsche so steigern können?
weiter Nennen Sie Ihre Vermutungen!
2. In der Automobilbranche haben sich seit
Verbraucher den siebziger Jahren der vorigen Jahrhun-
Marketing derts starke Konzentrationsprozesse abge-
spielt. Warum sind die kleineren Mitbe-
Produktion Personal Finanzierung
werber aufgekauft worden, oder warum
sind sie vom Markt verschwunden?

2. Marketingplanung
Ein Unternehmen sichert sich sein Fortbeste- Beispiel:
hen und schafft Arbeitsplätze, indem es Ab-
Die Marketingplanung der DMW AG
sätze, Umsätze und daraus resultierend Ge-
winne erwirtschaftet. Besonders erfolgreich Hier ein aktueller Auszug aus dem neuesten
agieren die Firmen, die einen Unternehmens- Marketingplan der DMW AG, der alle 12
zweck (Mission, Philosophie) erfüllen, der von Monate für die kurzfristigen Belange er-
motivierten Mitarbeitern voll mitgetragen und scheint und alle fünf Jahre für die mittel- und
verwirklicht wird. Auf dieser Grundlage kann langfristigen Ziele, Strategien und Aktivitäten
die Marketingplanung in Angriff genommen erstellt wird:
werden. Die Beantwortung der folgenden drei
Fragen führt durch dieses Procedere:
2. Marketingplanung 497

Abb. 4: Die Marketingplanung

1. Wo stehen wir? Analyse 1. Der Markt


2. Wo wollen wir hin? Ziel Das Marktvolumen steigt jährlich um ca. 5%,
der Trend geht in Richtung Sicherheit, Wirt-
3. Wie kommen wir dort hin? Strategie schaftlichkeit, Umwelt und Qualität. Die
4. Mit welchen Mitteln Maßnahmen Käuferwünsche werden immer differenzierter
erreichen wir das? (Stadtautos, Jeeps, Luxuslimousinen, Cabrios
…)

2.1 Die Analyse 2. Die Produkte


Die eigenen Leistungen können sich im Um-
feld behaupten. Als Gründe sind die bisherige
Die Lageanalyse ist eine zeitpunktbezogene Nischenpolitik, die Recyclingfähigkeit, der
Betrachtung, bei der alle relevanten Informa- niedrige Anschaffungspreis bei guter, innova-
tionen im Hinblick auf den Markt, die Ver- tiver Qualität (Kurvamatik-System, laufru-
wender, die Mitbewerber, das Produkt/die hig), das Sicherheitspaket und das zielgrup-
Leistungen, die Absatzkanäle, die Umwelt pengerechte, lebendige und frische Design zu
und eigene Ressourcen (Arbeitskräfte, Kapi- nennen.
tal, Rohstoffe) untersucht werden.
3. Die Verwender
Darüber hinaus ist die Interpretation des eige-
nen Leistungsumfanges nach Vor- und Aufgrund schmalerer Einkommen und der
Nachteilen sowie nach Chancen und Risiken nachlassenden Faszination bisher etablierter
von Bedeutung (SWOT-Analyse). Komplet- Automarken gewinnt das funktionale Auto an
tiert wird dieser Abschnitt durch die Progno- Bedeutung. Andererseits kristallisiert sich
sen. Damit wird das Risiko zukünftiger Ent- immer stärker das Segment derjenigen heraus,
scheidungen eingegrenzt, aber nicht ausge- bei denen der Fahrspaß im Vordergrund steht.
schlossen, denn jeder Prognose haften Unge- 4. Absatzmittler
reimtheiten an, z.B. wenn Konsumenten aus
Der Vertrieb ist in Gewinnzentren organisiert.
irgend welchen Gründen (Veröffentlichungen
Jedes Produkt bildet eine eigene Sparte mit
über Gesundheit und Gesundheitsschäden)
eigener Umsatzverantwortung. Auch die
plötzlich ein Produkt ablehnen. Das gilt ganz
Werbung wird so abgewickelt, was einerseits
besonders für Lebensmittel, bei denen ver-
zu höheren Kosten führt, andererseits eine
dorbenes, aber weiterverarbeitetes Fleisch
höhere Effizienz durch die Eigenkonkurrenz
verkauft wurde (Ekelfleisch).
mit sich bringt.
498 Marketing

2.2 Die Marketingziele 5. Mitbewerber


Der Wettbewerb wird alleine dadurch härter,
Marketingziele sind Unterziele der Unter- dass sich Hersteller von Luxusautos, sei es
nehmensziele. Unternehmensziele gelten als durch eigene Entwicklungen oder Zukäufe,
oberste Ziele. Diese können z.B. Wachstum, immer stärker in Segmenten etablieren, die
Rentabilität, Umweltschutz oder Gewinne die DMW AG bislang nahezu alleine bedient
betreffen. Alle weiteren Unterziele, die sich hat. Gleichzeitig werden aggressive Werbe-,
aus der Beschaffung, dem Vertrieb, dem Service- und Konditionenmaßnahmen in
Marketing, der Produktion, dem Personal und einem Markt durchgeführt, der vom Verdrän-
der Finanzierung ergeben, haben sich daran gungswettbewerb gekennzeichnet ist.
zu orientieren und sind davon abzuleiten. Die Umweltprognose der DMW AG für die
Marketingziele wiederum sind richtungswei- nächsten fünf Jahre lautet:
send für die einzelnen Ziele in diesem Sektor 1. Kraftstoff wird durchschnittlich pro Jahr
(etwa Produktgruppen und Marken, Märkte, 10% teurer, das bedeutet einen noch stär-
Abnehmergruppen, Preise, Kommunikation, keren Trend zum benzinsparenden Auto
Distribution). bei weiterer Entwicklung alternativer
Egal, um welches Ziel es sich handelt, drei Energien.
Komponenten sollten dabei stets erfüllt bzw. 2. Die Bevölkerung in den Städten nimmt
genannt sein: zu, sodass die Straßen noch stärker fre-
• Zeitdimension (in welchem Zeitraum/zu quentiert werden, d.h., kleine, sichere
welchem Zeitpunkt sollen die Ziele er- Autos werden weiter an Bedeutung ge-
reicht werden?) winnen.
• Inhalte wie Marktanteile, Absatz, Um- 3. Der Gesetzgeber schreibt vor, Autos
satz, Gewinn, Marktsegmente, Image, Ri- innerhalb der nächsten 5 Jahre voll recyc-
sikoabsicherung lingfähig zu gestalten. Selbstständige
Verwertbetriebe werden eng mit den Au-
• Quantität, d.h. eindeutige Angaben durch
tomobilherstellern zusammenarbeiten,
Werte, Mengen, Prozente oder Anteile.
dementsprechend sind die Materialien
und Stoffe auszuwählen.
2.3 Strategien Die Marketingziele für die nächsten fünf
Jahre bei der DMW AG lauten:
Nachdem feststeht, was erreicht werden soll, • Marktanteile der neuen Modelle bei 5%
geht es nun darum, mit einer geeigneten im Segment der Geländewagen/ Funcars/
Marketingstrategie den richtigen Weg dafür Roadster bei gleichzeitigem Halten der
zu ebnen. Im ersten Schritt werden zunächst übrigen Marktanteile
alternative Einzelstrategien entwickelt, um • Sympathiesteigerung der ganzen Gruppe
dann die optimale Gesamtstrategie zu ver- von 60 auf 65%
wirklichen. Im Einzelnen ist zu klären:
• Ausbau des Images als umweltfreund-
• Was soll angeboten werden? (Produkt- lichster Automobilhersteller in Deutsch-
Mix) land
• Zu welchen Preisen und Konditionen soll
es angeboten werden? (Kontrahierungs-
Mix)
2. Marketingplanung 499

• Welche Absatzwege sollen dafür genutzt • Einführung des Elektroautos als erster
werden? (Distributions-Mix) etablierter Anbieter und Marktführer-
• Wie soll der potenzielle Käufer über die schaft vor den Spezialherstellern
Ware informiert werden? (Kommunika- • internationaler Absatz: 60000 Einheiten
tions-Mix) = +10 %.
Die besten Einzelstrategien werden zu einer Nach der Zielfestlegung entwickelt die Stra-
Kombination, dem Marketing-Mix, zusam- tegiekommission, bestehend aus leitenden
mengeführt. Dieser Mix muss in sich stimmig Angestellten des Marketing und des Vertriebs,
und harmonisch sein. So wäre es beispiels- alternative Strategien, um schließlich die wohl
weise nicht absatzfördernd, ein qualitativ beste Alternative auszuwählen. Auch hier ein
schwaches Produkt mit einem extrem hohen Auszug aus dem Ergebnispapier:
Preis anzubieten. „Vorwiegend soll der Stamm-Markt Deutschland
bearbeitet werden. Im deutschsprachigen Raum
2.4 Die Maßnahmen Österreich und Schweiz werden Händlernetze
aufgebaut, in Osteuropa (Polen, Tschechien, Slo-
Bei der Durchführung handelt es sich um eine wakei und Ungarn) werden wir mit einem Mitbe-
operative Tätigkeit, es ist quasi die Umset- werber kooperieren, indem vorhandene Vertriebs-
zung der Strategie. Maßnahmen müssen wege gemeinschaftlich genutzt werden. Die
geplant sein! So ist vorab zu klären, DMW-Produkte sprechen verschiedene Käufer-
• um welche Einsatzzeiträume es sich, mit gruppen an: Der Einsteiger, der ein sparsames
Start und Endpunkt, handelt Auto mit einem günstigen Anschaffungspreis
wünscht, wählt den „Single“. Die Hausfrau, die
• wo die Maßnahme zum Tragen kommt einen Zweitwagen für Einkäufe nutzt, bedient sich
• welche Kosten entstehen (der entspre- des „Shoppers“. Der „Sporty“ ist für die Fahrer mit
chende Etat ist vorher zu verabschieden). geringeren Ansprüchen konzipiert, für die der Spaß
am Fahren in einem Cabrio vorrangig ist. Eine
gewisse Eigenkonkurrenz erfährt dieses Modell
2.5 Die Kontrolle durch das neue Geländeauto/Funcar, das in Halle
gebaut werden wird. Trotzdem ist es unerlässlich,
Während und nach der Durchführung der
auch in diesem Segment Flagge zu zeigen. Kom-
Maßnahmen ist eine permanente Kontrolle
plettiert wird das Leistungsangebot durch das
notwendig. Nur so können Aktionen, die am
Elektroauto, das sich in Zukunft an die besonders
Ziel vorbeilaufen, korrigiert werden und in
umweltorientierten Verbraucher wendet.
die richtigen Bahnen gelenkt werden.
Abb. 5: Das Ergebnispapier der Strate-
giekommission der DMW AG
2.6 Die Bewertung
Abschließend ist die Bewertung der Aktivität Aufgabe
obligatorisch. Das hat den Vorteil, die Resul-
tate unter der Maßgabe von Zielen und Stra- 3. a) Warum dürfte es schwierig sein, diese
tegien beurteilen zu können. Auf diese Weise Marketingziele auch umzusetzen?
gewinnt das Unternehmen darüber Sicherheit, b) Welche absatzwirtschaftlichen
ob die Aktion erfolgreich war und wie sie Schwierigkeiten könnte die Einfüh-
ggfs. zu einem späteren Zeitpunkt verbessert rung eines Geländewagens mit sich
wieder eingesetzt werden kann. bringen?
500 Marketing

Abb. 6: Das System der Marketingziele

Die vollständige Marketingplanung von der Aufgaben


Analyse über die Zielfestlegung, die Auswahl
4. Ein Oberziel der DMW AG in ihrem 5-
der geeigneten Strategie, die Durchführung
Jahresplan lautet: „Verwirklichung und
und Kontrolle bis zur Bewertung ist unerläss-
Ausbau aller möglichen Umweltschutz-
lich für ein erfolgreiches Agieren am Markt!
maßnahmen und Umsetzung aller Emp-
Wie im ersten Kapitel dargestellt, gilt als fehlungen vom Staat, auch wenn sie nicht
oberstes Ziel in der Regel, maximalen Ge- gesetzlich verankert sind“.
winn zu erzielen, also eine hohe Rentabilität
Ein Marketingziel lautet: „Umsatzwachs-
zu erwirtschaften. Mit diesem Ziel muss das
tum auf allen Märkten, bei allen Abneh-
Marketing seine eigenen Ziele formulieren,
mergruppen und mit allen Produkten um
ohne die hohe Rentabilität in Frage zu stellen.
jeweils 10 %“.
Es wird analysiert, wie sie auf die Objektbe-
reiche abgestellt werden können. Widersprechen sich diese Ziele nicht?
Erst danach lassen sich die Instrumente fest- 5. a) Gleich, um welche Ziele es sich
legen, die genau den Zielen entsprechen, die handelt, wie sollten sie immer for-
im Objektsektor genannt sind. muliert sein?
b) Prüfen Sie kritisch, wie Sie das hier
genannte Ziel unter den von Ihnen
gefundenen Feststellungen beurtei-
len: Das Produkt soll möglichst alle
erreichen.
3. Die Neuproduktentwicklung 501

3. Die Neuproduktentwicklung

3.1 Gründe für neue oder verbesserte Produkte

Kein Unternehmen kann darauf verzichten, Beispiel:


sich den ständig wechselnden Marktverhält-
Die Neuproduktentwicklung bei der DMW
nissen anzupassen und offensiv verbesserte
AG
Lösungen anzubieten. Die Gründe, warum
neue Produkte/Dienstleistungen vom Markt Aufgrund sich permanent ändernder Markt-
gefordert werden, sind zahlreich: verhältnisse auf dem deutschen Automobil-
markt ist auch die DMW AG gezwungen,
• technischer Fortschritt durch moderne und konkurrenzfähige Ange-
• Geschmacks- und Modeänderungen bote zu überzeugen.
• gesättigte Märkte durch veraltete Ange- Der technische Fortschritt, gerade im Bereich
bote der Sicherheitstechnik (ABS, Airbags auch in
Kleinwagen serienmäßig, Gurtstraffer und
• höhere Mobilität lässt die Welt zusam-
Seitenaufprallschutz), geht rapide voran.
menwachsen; dadurch werden ausländi-
Zwischen 1990 und 1994 war nach den Ent-
sche Leistungen/Konzepte im Inland an-
wicklungen vor 30 (Knautschzone) und 20
geboten und nachgefragt
Jahren (Sicherheitsgurte) ein Meilenstein in
• Werbung weckt neue Wünsche der Entwicklung.
• sinkende Handelsbarrieren erleichtern den Wirtschaftlichkeit als Produktvorteil wird
Warenfluss. gerade in rezessiven Perioden zu einem wich-
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, tigen Verkaufsargument. Gleichzeitig wird
neue Produkte in das Sortiment aufzunehmen: die Angebotsvielfalt immer breiter. Mittler-
weile bietet fast jeder Anbieter die ganze
• Akquisition; hierbei werden ganze Un- Palette an Autos an: Kleinwagen, Mittelklas-
ternehmen oder einzelne Produkte, Paten- se, Oberklasse, Limousinen, Cabrios, Jeeps,
te oder Lizenzen gekauft. Vorteil ist der Lieferwagen, Kombis und neue Mischformen.
Wegfall hoher Forschungs- und Entwick- Die Wünsche der Verbraucher werden immer
lungskosten. Außerdem muss bei einem spezieller. Vor allem asiatische Hersteller
schon bekannten Produkt weniger Geld für waren in der Vergangenheit den Kunden-
Werbemaßnahmen ausgegeben werden. wünschen näher auf der Spur und boten krea-
• In Eigenregie entwickelte Produkte tive Lösungen zu marktgerechten Preisen an.
stellen Innovationen dar. Sie entstehen Das bedeutet, dass diese Mitbewerber von
oft in eigenen Labors. Vielfach werden außen in den lukrativen, deutschen Markt
Dritte (z. B. Forschungszentren) mit der drangen und so für eine Verschärfung des
Entwicklung beauftragt. Hierbei werden Verdrängungswettbewerbs sorgten.
meistens Kosten eingespart, weil sich For-
schungszentren nur mit neuen Ideen be-
schäftigen (Kerngeschäft). Diese sind aber
für einen Hersteller nur Randaufgaben.
502 Marketing

3.2 Risiken und Probleme bei Die DMW AG reagierte darauf: Ein neues
der Neuprodukt- Modell, ein bequemes, allradangetriebenes
Geländeauto und Freizeitmobil mit der Leis-
entwicklung tung eines Kompaktautos, „Funny“ genannt,
befindet sich in der Marktvorbereitungsphase
In vielen Bereichen haben sich Verkäufer- und soll in einem halben Jahr serienmäßig
märkte in Käufermärkte gewandelt. Daraus vom Band des neuen Werkes in Halle rollen.
ergeben sich für den Hersteller bei der Neu- Auch wird, wie schon erwähnt, am Roadster
produktentwicklung mehrere Hürden: „Joy“ herumexperimentiert. Für das geplante
Elektroauto ist die Konzeptphase abgeschlos-
• gesättigte Märkte, d. h. hoher Anteil von
sen. Die Entwicklung ist von der F&E-
Ersatzkäufen
Abteilung (vergl. S. 549) zum Ende geführt
• Marktabsatzchancen werden kleiner worden, jetzt startet die Testphase eines Pro-
aufgrund spezieller Kundenwünsche totypen. Während die Entwickler glauben, mit
• rechtliche Restriktionen des Gesetzgebers dem „Funny“ eine Marknische entdeckt zu
erschweren freie Entfaltungsmöglichkei- haben, stellt das Elektroauto nach dem heuti-
ten gen Stand der Dinge eine noch nie da gewe-
sene Marktneuheit aufgrund eines speziellen,
• hohe Entwicklungskosten bedeuten ein Kosten sparenden und extrem kurzen Aufla-
hohes unternehmerisches Risiko. deverfahrens dar (weitere Informationen sind
Allerdings ist die Industrie in diesem harten nicht möglich – Betriebsgeheimnis!).
Wettbewerbsumfeld gezwungen, sich einen
Vorsprung vor der Konkurrenz zu erarbeiten.
Folge sind immer kürzer werdende Produkt-
lebenszyklen (siehe Abschnitt 7), nicht selten
mit zweifelhaftem Produktvorteil und Pseu-
donutzen. Ebenso schnell verschwinden diese
Marken und Produkte wieder. Nur was der
Verbraucher tatsächlich wünscht, kann sich
im Markt zu etablieren.

3.3 Der Ablauf einer


Neuproduktentwicklung Abb. 7: Schritte bei der Neuprodukt-
entwicklung
Die Neuproduktentwicklung läuft in ver-
schiedenen Schritten ab: In mehreren Gremien und Arbeitsgruppen, bei
denen interne Abteilungen und externe Bera-
3.3.1 Die Ideensammlung ter sowie die Strategiekommission der DMW
AG vertreten waren, wurden neben der Idee
Ideen können entweder intern (aus den Abtei- des Geländeautos mehrere andere Ideen „ge-
lungen F&E, Patente, Verpackung, Vertrieb, boren“. Fünf bis zwölf Teilnehmer ließen
Produktion, betriebliches Vorschlagswesen) ihren Assoziationen freien Lauf. Bei diesem
oder extern (Konsumenten, Handel, Mitbewer- so genannten „Brainstorming“ wurden, um
ber, Werbeagenturen, Erfinder, Fachzeitschrif- eine genügende Ausbeute zu erlangen, fol-
ten, Forschungsinstitute) gesammelt werden. gende Spielregeln aufgestellt:
3. Die Neuproduktentwicklung 503

Die Ideen können entweder intuitiv oder sys- • der Fantasie keine Grenzen setzen, sei sie
tematisch (durch bestimmte Techniken wie noch so absurd
Brainstorming, Brainwriting, Sciencefiction-
• keine Kritik an den Ideen, da sich das
Szenarien, Basic Synactics) gefunden werden.
hemmend auswirken könnte
3.3.2 Die Ideenauswahl • Quantität vor Qualität, um ein breites
Spektrum zu erzielen
Bei der Vielfalt der Ideen gibt es bessere und
• die Kombination von Ideen ist erwünscht,
schlechtere, einfache, nützliche und technisch
d.h., Vorschläge können zur Schaffung
schwer realisierbare. Aber wie die erfolgver-
neuer Ideen weiterentwickelt und ver-
sprechendsten herausfiltern?
knüpft werden.
Mit Hilfe eines Bewertungsschemas werden
Danach wurde jede einzelne Idee wie in der
die besten Ideen systematisch herausgezogen.
unten aufgeführten Aufstellung bewertet und
So werden von 100 Produktideen ca. 98 eli-
die besten Lösungen herausgestellt. Mit dieser
miniert, zwei werden i.d.R. weiterverfolgt.
Methode erlangte das Ideenteam zwar keine
Diese hohe Ausschussquote ist schon dadurch
Sicherheit, dass der Geländewagen tatsächlich
begründet, dass alle weiteren Schritte einen
die beste Idee ist, aber durch die Systematik
hohen Investitionsbedarf erfordern und Per-
wurde das Risiko einer Fehlentscheidung
sonal aus nahezu allen Abteilungen früher
bereits zu diesem Zeitpunkt eingeschränkt.
oder später binden.

3.3.3 Das Konzept


Für zwei Ideen werden Konzepte geschrie-
ben. Sie beinhalten die Produktideen und
beleuchten intensiv Kriterien Gewich- Gelän- Road- Pickup
tung deauto ster
• den Verwendungszweck, den Vorteil und
passt gut ins 1,5 x 5 = 75 3 = 4,5 3 = 4,5
Nutzen für den Verbraucher Sortiment

• die angestrebte Zielgruppe Marktvolumen 2x 4=8 1=2 2=4

• die Qualität, Größe, Gestaltung und Alleinstellung im 1x 3=3 5=5 5=5


Markt
Form, die Ausführung sowie die techni-
schen Eigenschaften des Produktes. technisch reali- 1x 5=54= 1=1
sierbar 4
Weiterhin sind feste Bestandteile fundierte hohe Gewinne 1,5 x 4=6 1 = 1,5 2=3
Angaben zum
Distributionskanäle 1x 5=5 4=4 1=1
• Gesamtmarkt und Teilsegmenten vorhanden

von Konkurrenz 0,5 x 1 = 0,5 1 = 0,5 2=1


- die Mitbewerber, ihre Sortimente schlecht nachvoll-
und Aktivitäten ziehbar

- das zu erwartende Absatz- und Um- Kapazität/Anlagen 0,5 x 4=2 3 = 1,5 1 = 0,5
vorhanden
satzpotenzial, Kosten, Gewinne und
Deckungsbeiträge mit einer Voll- Material beschaff- 0,5 x 4=2 4=2 3 = 1,5
bar
und Teilkostenrechnung nach kurz-,
Vorfinanzierung 0,5 x 4=2 4=2 3 = 1,5
mittel- und langfristigen Aspekten
unter Einbeziehung der Höhe der In- 41 27 26

vestitionen und der Kapitalrückfluss- 5 = sehr gut 3 = ausreichend 1=schlecht


4 = gut 2 = mangelhaft
zeit (wann wird der Break-even-
point erreicht?). Abb. 8: Bewertungsmatrix der DMW AG
504 Marketing

Nachdem das Konzept auf Herz und Nieren Schließlich wurde das Konzeptpapier ver-
geprüft ist, z.B. durch Gruppendiskussionen fasst. Letztendlich kam die DMW AG zu dem
mit Verbrauchern, Befragungen oder erhärte- Ergebnis, diese Produktentwicklung weiter
ten sekundärstatistischen Materialien über voranzutreiben, denn:
Verbrauchergewohnheiten, Einstellungen und • Ein wirtschaftlich gesunder Rahmen wur-
Wünsche der potenziellen Verwender, und de vorgestellt, der bei dem prognostizier-
nachdem das Konzept durch die jeweiligen ten Absatzvolumen in den ersten fünf Jah-
Entscheider bewilligt ist, beginnt die Pro- ren hohe Zuwächse und Gewinne bei einer
duktentwicklungsphase. moderaten Kostenstruktur versprach.
3.3.4 Die Produktentwicklungs- • Eine optimistisch erwartete Nachfrage
phase wurde durch die allgemeinen konjunktu-
rellen Bedingungen des Marktes begrün-
Von dem Produkt, dem in der Konzeptphase det und konnte von dem Vorstand in sei-
eine reelle Marktchance zugetraut wird, wird ner Funktion als Genehmigungsgremium
ein Prototyp gebaut. Generell sollten folgen- nachvollzogen werden.
de Voraussetzungen beachtet werden: • Der wirtschaftliche Erfolg wurde vor
• ansprechbar, merkbar und attraktiv allem durch das attraktive Produktkon-
zept für gerechtfertigt erklärt: System-
• differenziert zu Mitbewerbermarken
anstatt Komponentenzulieferer und der
• (international) schutzfähig von ihnen übernommene Einbau der Tei-
• zum Kauf anregend le, z.B. der gesamten Elektrizität, garan-
tieren höchste Qualität bei wachsender
• suggeriert gewünschte Produkteigen- Flexibilität und gleichzeitiger Reduzie-
schaften und lässt Vorteile erkennen. rung des Fixkostenblocks. Neben den ty-
pischen, beim Verbraucher durchgesetz-
3.3.5 Die Testphase ten Vorteilen der DMW AG ließen be-
Stellt sich heraus, dass das entwickelte Pro- sonders zwei Schaubilder erkennen, dass
dukt bis zu diesem Entwicklungsschritt als mit dem „Funny“ eine Marktlücke ent-
marktreif anzusehen ist, folgt mit der Test- deckt wurde, die ausgefüllt werden sollte:
phase die nächste Bewährungsprobe. Das das preiswerte Geländeauto, speziell für
neue Produkt wird jetzt in eigenen Laborato- junge Leute, das Fahrspaß und kompakte
rien getestet und einem ausgewählten Kreis Leistung für unter 15 000 EUR bietet.
von Verbrauchern vorgeführt, um Sicherheit Somit würde ein Vorsprung vor der Konkur-
zu erlangen, dass sich das Testobjekt im spä- renz herausgearbeitet werden, die zeitweise
ter tatsächlichen Markt auch bewähren kann. Alleinstellung bis zum ersten Nachahmer
So zeigen Produkttests die positiven und wäre gesichert.
negativen mechanischen Eigenschaften, die
Zuverlässigkeit, die Gebrauchsgüte und die Aufgabe
„Kinderkrankheiten“. Dass größte Sorgsam-
6. Machen Sie sich darüber Gedanken,
keit auf die Auswahl der Verbraucher gelegt
warum die Gewichtungsfaktoren so un-
werden muss, versteht sich von selbst.
terschiedlich sind!
Beispiel: Vorfinanzierung 0,5 und Markt-
volumen 2. Können Sie hierfür und für
weitere Merkmale Erklärungen abgeben?
3. Die Neuproduktentwicklung 505

Markttests geben Aufschluss über die Ak-


zeptanz in Bezug auf Qualität, Preis, Namen,
Design und Verpackung, je nachdem, welche
Kriterien beim Verbraucher abgefragt wer-
den. Bei Bedarf werden verschiedene Alterna-
tiven getestet, der Sieger macht das Rennen.

3.3.6 Die Marktvorbereitungs-


phase
Nachdem auch die vorangegangene Phase
erfolgreich abgeschlossen wurde, ist die Ent-
scheidung zur Einführung gefallen. Nun ist der
Zeitpunkt gekommen, um weitere Aktionen
einzuleiten. Das Marketing als marktvorberei- Abb. 9: Positionierungen Geländewagen
tende Abteilung stellt dem Verkauf als markt-
ausführendem Organ alle notwendigen Mittel
und Materialien zur Verfügung, um die bevor-
stehende Einführung zu einem Erfolg zu ma-
chen. So müssen die Absatzmittler überzeugt
werden, das neue Produkt in ihr Sortiment
aufzunehmen, die Verbraucher werden durch
eine einführende Werbekampagne informiert.

3.3.7 Die Einführungsphase


Das neue Produkt kommt auf den Markt.
Gerade in der Anfangsphase ist eine ständige
und sensible Kontrolle ratsam. Nur so können
etwa realitätsferne Preise, marktfremde Ra-
batte, nicht wirksame Handels- und Verbrau-
cheransprachen und eine falsche Mengenpla- Abb. 10: Marktsegmente/Leistungen
nung erkannt und korrigiert werden.
Das ist einfacher gesagt als getan, denn oft
genug gehen Werbe-Kampagnen an den mög- Aufgaben
lichen Käufern vorbei. Man braucht nur einen 7. Bilden Sie Gruppen von 3–5 Personen zum
Blick in die gegenwärtigen Zeitschriften zu Brainstorming: „Welche Innovationen im
werfen, um zu sehen, wie sich Hersteller Automobilbereich wären denkbar?“.
darum bemühen, neue Produkte auf den
Märkten zu etablieren. Da ist zum Beispiel Gehen Sie ganz frei an die Aufgabe her-
die Schokolade Sensations von Cote d'Or, die an, und richten Sie sich in jedem Falle
seit Monaten in fast allen Illustrierten (2006) nach den oben aufgeführten Vorgaben!
werben. Das Neue daran ist, dass Schokolade Ausgefallene Ideen sind willkommen!
verkauft werden soll, die 86 % Kakaobestand- Nach 10 Minuten beenden Sie das Brain-
teile hat, während die Konkurrenz mit 85% storming und stellen den anderen Grup-
aufwartet. pen Ihre Ideen vor.
Vergewissern Sie sich, möglichst „ver-
rückt“ zu denken!
506 Marketing

Die Neueinführung eines Produktes birgt 8. Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich ein
hohe Risiken in sich und ist kapitalaufwändig. Auto zulegen. Wählen Sie für sich wich-
Allerdings ist sie i.d.R. lebensnotwendig, um tige Kriterien aus, und bewerten Sie sie
dem Unternehmen seinen Platz in einer nicht nach Ihrem eigenen Geschmack. Wählen
stillstehenden Wirtschaft zu sichern! Sie dabei nur Modelle/Marken, die für
Sie grundsätzlich in Frage kommen. Be-
Wankelmotor in schönstem Kleid werten Sie die einzelnen Fabrikate an-
Von Karlheinz Feege hand Ihres eigenen Punktesystems, und
multiplizieren sie mit Ihren Gewichtungs-
NSU begann nach dem Krieg mit der Produktion
von Motorrädern. Für technische Novitäten war die faktoren. Jetzt addieren Sie die einzelnen
damalige Geschäftsführung immer aufgeschlossen, Punkte der jeweiligen Modelle. Zu wel-
und so war es kein Wunder, dass man mit dem chem Ergebnis kommen Sie? Ist Ihr Fa-
Erfinder des Rotationskolbenmotors, Felix Wan- vorit ein anderer, als Sie ursprünglich
kel, Kontakt aufnahm. Im Februar 1957 lief bereits glaubten?
der erste nach dem Wankelsystem gebaute Motor
auf dem Prüfstand. Rund sieben Jahre später kam
9. Bilden Sie die Gruppen Finanzierung,
der Wankel-Spider auf den Markt. F&E, Marketing und Produktion, und
Im September 1967 wurde auf der IAA in Frankfurt
diskutieren Sie im Hinblick auf die Krite-
die erste Kreiskolben-Limousine von NSU RO 80 rien Absatz, Kosten, Kundenzufrieden-
vorgestellt. Sie erregte Aufsehen durch die moderne heit und Investitionen, ob der „Funny“
Technik des Zweischeiben-Wankelmotors und die eingeführt werden soll!
zeit- und schnörkellose Eleganz der keilförmig
gestylten Karosserie. Es war ein mutiger Versuch der
Technischen Abteilung und des Designers Claus
Luthe. Als eine der schönsten Limousinen der Nach-
Als der erste serienreife VW in Bonn vorge-
kriegszeit wurde der RO 80 zum „Auto des Jahres
1967“ gewählt. Im Oktober 1967 ging er in die Serie. stellt wurde, der Biodiesel statt Benzin oder
Diesel schluckt, verschlug es den meisten den
Ganz so glücklich waren die Käufer der Jahrgänge
1967 und 1968 nicht. Sie mussten viel Geduld Atem. Denn der umweltfreundliche Kraftstoff
aufbringen, weil der Motor sich störanfällig zeigte (Rapsölmethylester – RME) „wächst“ auf den
und die Werkstätten teilweise noch unerfahren mit Feldern. Jedermann kann mit dem Wagen
dem Wankelmotor waren. seine „Ökobilanz“ verbessern. „Die Kombi-
Der letzte Wagen, der vom Band lief, wurde dem nation von Biodieseltauglichkeit und innova-
Deutschen Museum in München zur Verfügung tiver Motortechnik lässt Kraftstoffverbrauch,
gestellt. Er ist ein Edelstein in der Automobil- Lärm- und Abgasemissionen in zweistelligen
Entwicklung. Heute soll es noch etwa 1 600 davon Raten sinken.“ Und das alles bei einem mode-
geben. raten Aufpreis. Volkswagen hat zehn Jahre
Der RO 80 hatte vorn Einzelradaufhängung, Quer- Forschung investiert, um ein bewährtes Mo-
lenker, Federbeine mit Schraubenfedern und einen dell aus seiner Produktpalette für den Ökoein-
Stabilisator. Die Federbeine waren oben und unten
satz fit zu machen. Was herausgekommen ist,
drehbar gelagert. Hinten gab es ebenfalls eine
Einzelradaufhängung. Alle vier Räder waren mit
kann sich sehen lassen. Auch mit Mixgeträn-
Scheibenbremsen versehen. Der große Kofferraum ken (Biodiesel und Diesel) ist der Wagen
hatte eine Durchlademöglichkeit. zufrieden. Fehlen nur noch genügend Tank-
stellen. Eine Frage der Zeit.
Abb. 11: Aus der jüngeren Geschichte – eine
Weltneuheit (Henk (2004): Wan- Abb. 12: Aus der vergangenen Gegen-
kelmotor wieder bei Mazda aktuell wart – Biodiesel (vergl. S. 539)
Quelle: Hamburger Abendblatt
4. Marktforschung 507

4. Marktforschung

4.1 Definition und Aufgaben

Marktforschung ist die systematische Ermitt- Beispiel:


lung von Daten und Fakten zur besseren Marktforschung bei der DMW AG
Kenntnis des Marktes als Treffpunkt von An-
gebot und Nachfrage. Schon früh begriff die DMW AG, dass die
Kenntnis über den Markt und das Wissen um
Die Marktforschung hat nicht nur die Auf- die Kundenwünsche wichtige Informationen
gabe der Analyse, auch Prognosen zukünfti- darstellen, um erfolgreich in der Automobil-
ger Entwicklungen des Marktes und der Mit-
branche bestehen zu können. Aus diesem
bewerber sowie die Kontrolle der Marke-
Grunde verfügt die DMW AG über eine
tingmaßnahmen gehören dazu. Marktforschungsabteilung. Das bietet den
Die Marktforschung dient letztlich dazu, Vorteil, dass die Mitarbeiter intensiv mit den
Sicherheit zu erlangen und damit die Chancen jeweiligen Problemen vertraut sind und spe-
eigener Aktivitäten zu erhöhen sowie die Risi- zielle Kenntnisse der Branche aufweisen.
ken zu begrenzen. Sie unterstützt die Entschei- Bestimmte Erkenntnisse werden nicht nach
dungsfindung und ermöglicht ein marktnahes außen getragen, das Risiko der Indiskretion
Handeln. bleibt minimal. Bei ausgewählten Untersu-
Die Marktforschung liefert Informationen chungen wird allerdings auf betriebsfremde
über eigene Aktionen, über Märkte und Ab- Marktforschungsunternehmen zurückgegrif-
satzwege, die Bedürfnisstrukturen der Ver- fen, um der möglichen „Betriebsblindheit“
wender, die Mitbewerber und die gesamtwirt- Vorschub zu leisten, auch Spezialisten für
schaftlichen Rahmenbedingungen. bestimmte Problemstellungen zu Rate zu
ziehen und die Untersuchung objektiv zu
gestalten.
4.2 Arten und Formen

Wir unterscheiden zwischen Primär- und


Sekundärforschung, zwischen Marktanaly-
se und Marktbeobachtung und zwischen
ökoskopischer und demoskopischer Markt-
forschung.

4.2.1 Primär- und


Sekundärforschung
Primärforschung, auch direkte Marktfor-
schung oder „field research“ genannt, sind
die Untersuchungen, die für einen bestimmten
Anlass zum ersten Mal durchgeführt werden. Abb. 13: Marktforschung bei der DMW AG
508 Marketing

Sekundärforschung, auch als indirekte Innerhalb der Neuproduktentwicklung wur-


Marktforschung oder „desk research“ den zunächst mehrere mögliche Produkte auf
bezeichnet, bezieht sich auf bereits existie- ihre Akzeptanz innerhalb des DMW AG-
rende Daten, die für diesen speziellen Zweck Sortimentes geprüft. Man fand heraus, dass
bewertet und aufbereitet werden. ein hohes Käuferpotenzial für einen komfor-
Während die Primärforschung i.d.R. teuer ist, tablen Geländewagen unter 15 000,– EUR
dafür aber „härtere“, also das Problem exakt vorhanden ist, und klärte mit Hilfe einer qua-
untersuchende, genauere und aufschlussreiche- litativen Imageanalyse, welche Motive, Ein-
re Informationen liefert, besteht die Gefahr bei stellungen und Bedürfnisse diese speziellen
der Sekundärforschung, dass die Daten veraltet Verwender haben und wie entsprechend das
sind und nur unspezifische Antworten liefern. Angebot aussehen muss. Das gab Rück-
Dafür sind sie aber preiswerter. schlüsse darüber, mit welcher Werbeanspra-
che das zukünftige Modell kommuniziert
werden muss, um den Geschmack der Ziel-
gruppe zu treffen.
4.2.2 Marktanalyse und
Marktbeobachtung Potenzielles Käufer-Profil:
Bei einer Befragung von 2000 Personen stell-
Unter der Marktanalyse versteht man die te sich heraus, dass die Kernzielgruppe be-
zeitpunktbezogene Erforschung der Markt- stimmte Eigenschaften vereint. Entsprechend
struktur, die Marktbeobachtung befasst sich wird die Ansprache der potenziellen Käufer in
mit laufenden Veränderungen, ist also ablauf- der Werbung ausgerichtet.
bezogen.

4.2.3 Ökoskopische und


demoskopische
Marktforschung
Die ökoskopische Marktforschung widmet
sich objektiven Tatbeständen. Umsätze, Ab-
sätze, Preise, Marktvolumina und -potenziale
werden hierbei ermittelt.
Die demoskopische Marktforschung er-
forscht die Marktteilnehmer hinsichtlich ihrer
Motive, Einstellungen, Meinungen, Wahr-
nehmungen, Reaktionen und Bedürfnisse,
durchleuchtet also subjektive Tatbestände.
Abb. 14: Ergebnisse einer Befragung
potenzieller Käufer
4. Marktforschung 509

Produkt-, Packungs-, Konzept-, Handha- Die DMW AG greift auf das ganze Instru-
bungs-, Preis- und Werbetests können entwe- mentarium der Marktforschung zurück. Ne-
der vor der Einführung eines neuen Produktes ben der Primärforschung werden permanente
(Pre-test) oder danach (Post-test) durchge- Anstrengungen unternommen, um nicht nur
führt werden. Das hängt sowohl von Prob- zeitpunktbezogene Marktanalysen der Ge-
lemstellungen, Erfahrungen, Kosten als auch genwart oder ablaufbezogene Marktbeobach-
dem verfügbaren Zeitrahmen ab. Generell tungen, die in die Vergangenheit hereinrei-
empfiehlt sich eher der Vorabtest, um von chen, durchzuführen, sondern es wird mit
vornherein Chancen und Risiken sowie Vor- Hilfe von Szenariotechniken auch die Zukunft
und Nachteile zu erkennen und eventuelle der Automobilbranche intensiv beleuchtet.
Kosten für Angleichungen an den Markt zu Alternative Energiesysteme, das Verhältnis
minimieren. der Bürger zum Kraftfahrzeug, konkurrieren-
de Transportmöglichkeiten auf der Schiene,
zu Wasser oder in der Luft, technisch saubere
4.3 Methoden der und umweltverträgliche Antriebsalternativen,
Marktforschung Stau-Umgehungs- und Navigationssysteme,
um nur einige Beispiele zu nennen. Es werden
Konzepte erarbeitet und Lösungsmöglichkei-
In der Primärforschung werden sowohl quan-
ten schubladenreif parat gehalten.
titative als auch qualitative Untersuchungen
erhoben. Die Befragung, die Beobachtung, Diese Prognosen und Interpretationen dienen
das Experiment und das Panel sind die ge- ebenfalls dazu, die zukünftige Entscheidungs-
bräuchlichsten Methoden. findung zu objektivieren und zu präzisieren,
damit unliebsame Überraschungen, ausgehend
von Markt und Mitbewerbern, ausbleiben.
4.3.1 Die Befragung
Marktforschung
Die Befragung ist die am meisten angewand-
te Methode. Damit lassen sich Informationen Marktanalyse Marktbeobachtung
über Meinungen und Einstellungen und über Erforschung der Markt- Erfassung laufender
das bisherige und künftige Konsumverhalten struktur – zeitpunktbezo- Veränderungen der Markt-
gen faktoren – ablaufbezogen
abfragen. Sie kann schriftlich, mündlich oder
- Bedarfsuntersuchung - Mode- und Ge-
telefonisch erfolgen. Entweder handelt es sich schmacksänderungen
- Kaufkraft
um ein strukturiertes Interview, bei dem die - Saisonschwankungen
- Grad der Versorgung
sorgsam ausgewählten Fragen in einer festen - Auftauchen neuer
- Einstellung zum
Reihenfolge gestellt werden, oder um ein Erzeugnis Produkte
unstrukturiertes Interview, bei dem der Inter- - geschmackliches - technischer Fortschritt
viewer die freie Wahl bei dem Ablauf und der Empfinden - Einkommens-
Art der Fragestellungen hat. Somit können - Kaufgewohnheiten änderungen
u.U. wichtige Zusatzinformationen gewonnen - Wettbewerbssituation - Konjunktur-
schwankungen
werden. Das setzt allerdings einen gut ausge- - Werbewirkungs-
untersuchungen - Konkurrenzverhalten
bildeten und erfahrenen Befrager voraus.
- Distributions-
untersuchungen
Abb. 15: Die DMW AG greift auf das
ganze Instrumentarium der
Marktforschung zurück
510 Marketing

4.3.2 Die Beobachtung Bei einer dieser Untersuchungen stellte sich


heraus, dass das Elektroauto in den Köpfen
Die Beobachtung kann entweder offen oder der Verbraucher im Allgemeinen ein gutes
verdeckt erfolgen und liefert dann oftmals ein Image hat, die Kenntnisse darüber sind aber
unverfälschtes Bild des Konsumentenverhal- wenig ausgeprägt, Vor- und Nachteile können
tens. Je unbeobachteter sich die Personen ge- nur diffus wieder gegeben werden. Die Be-
ben, desto aufschlussreicher sind i.d.R. die fragung darüber signalisierte, dass eine aktive
Ergebnisse. Allerdings gibt sie keinen Auf- Kaufbereitschaft erst dann vorhanden ist, wenn
schluss über Kaufmotive, Einstellungen und der Preis akzeptabel ist und sich dieser Wagen-
Bewusstseinslage der beobachteten Person. typ serienmäßig etabliert hat bei gleichzeitiger
Mit Hilfe von Beobachtungspersonen kann Marktreife, ohne dass auf die derzeitigen Stan-
festgestellt werden, wie hoch der Besucheran- dards der Bequemlichkeit verzichtet werden
sturm in einem Geschäft ist, wie sich Leute muss.
beim Einkaufen verhalten, wie sie auf Werbe-
maßnahmen, wie Schaufensterdekorationen, Primärerhebung Sekundärerhebung
Sonderstände und Sonderangebote, reagieren.
Befragung Extern
- schriftlich - Zeitschriften,
4.3.3 Das Experiment - mündlich Zeitungen
- telefonisch - Handelspresse
Dort, wo der Beobachter nicht in das künstliche - Testberichte
Beobachtung - Marktforschungs-
Geschehen eingreift, setzt das Experiment - beobachten berichte
künstliche Stimuli ein. So können verschiedene - überprüfen - Patentschriften
Testmärkte mit diversen Preisen, Verpackun- - aufzeichnen - Publikationen von
gen, Werbemitteln oder unterschiedlichen Experiment Verbänden
Produkten ausgestattet werden, um die ver- - Feld - Firmen-
veröffentlichungen
schiedenen Wirkungen und Reaktionen von - Labor
- Nachschlagewerke
Konsumenten (und ggfs. auch von Mitbewer- Panel
bern) zu prüfen. Dabei muss berücksichtigt - Haushaltspanel Intern
- Handelspanel - Kostenrechnung
werden, dass die Testmärkte nahezu vergleich- - Statistiken
bar sind, ansonsten liegen nicht brauchbare - Werbepanel
- Berichte der
Resultate vor. Außendienstler
Abb. 16a: Methoden zur Informations-
4.3.4 Das Panel gewinnung
Handelt es sich bei Befragungen um Einfach-
Die Primärerhebungen laufen, egal ob eigen
interviews, sind Panels dauernde, immer
oder fremd durchgeführt, immer standardisiert
wiederkehrende Befragungen mit einem be-
ab. Die DMW AG hat dafür ein Formular ent-
stimmten Kreis. Konsumentenpanels schaf-
wickelt, mit dessen Hilfe der jeweilige Stand,
fen Klarheit über das Einkaufsverhalten der
der Zeitrahmen sowie die anfallenden Kosten
Verbraucher: Marktanteile, Menge und Wert,
auf einen Blick eingesehen werden können.
Markentreue, Markenwechsel, die Einkaufs-
stätten, die Einkaufsintensität, die beliebtesten Nach der Genehmigung folgen die Daten-
Größen und Sorten sowie der durchschnittli- sammlung („Feldarbeit“), die Aufbereitung
che Preis werden so transparent. und Analyse der Daten, die Berichterstattung
und schließlich die Diskussion, welche
Schlussfolgerungen mit welchen Maßnahmen
gezogen werden sollen.
4. Marktforschung 511

Handelspanels sorgen für die Berichterstat- Thema ______________________________


tung über Lagerbestände, Marktanteile, Dis- Datum ______________________________
play-Anteile (sog. Zweitplatzierungen/ Projektleiter __________________________
Sonderaufsteller an der Theke, Kasse oder 1. Analyse des Problems ______________
mitten im Laden), Geschäftstypen, Preise, 2. Entwurf des Marktforschungsplans____
Umschlagsgeschwindigkeit der Artikel etc. 3. Ziel der Marktforschung ____________
Mitarbeiter der Marktforschungsunternehmen 4. Bestimmung des Erhebungsverfahrens
besuchen die Geschäfte in einem festen Befragung schriftlich
Rhythmus und führen die Zählungen durch. Beobachtungmündlich
Experiment telefonisch
Mit Hilfe von Werbepanels wird die Wirk- 5. Wer soll die Informationen liefern?
samkeit von Aktionen, Werbemitteln und (Bestimmung der Personen)
Werbeträgern festgestellt. 6. Wie hoch ist die Stichprobe?
7. Wie werden die Informationen beschafft?
4.4 Vollerhebung und Quota-Verfahren
Random-Verfahren
Teilerhebung 8. In welcher Zeit erhalten wir die Informa-
tionen?
Je nach Größe der Zielgruppe wird eine Voll- Vorbereitung _____________________
oder Teilerhebung durchgeführt. Die Voll- Feldarbeit________________________
erhebung empfiehlt sich immer dann, wenn Auswertung ______________________
lediglich die wenigen überhaupt vorhandenen Präsentation der Ergebnisse _________
Informanten zu befragen sind, wie z.B. in Wie teuer ist die Studie? ____________
Teilbereichen der Investitionsgüterindustrie. 10. Genehmigung
In der Konsumgüterindustrie wird normaler-
weise für den „anonymen Markt“ produziert,
Name_______________________________
die Grundgesamtheit der Verbraucher ist groß
Datum _____________________________
und heterogen.
Abb. 16 b: Formular für Primärforschung
Deshalb wird hier mit repräsentativen Teil-
erhebungen (Stichprobe) gearbeitet. Diese
Zu den neuen Dieselmodellen bietet VW ein
Stichprobe muss ein möglichst getreues Ab-
Technik-Paket als Sonderausstattung an, das
bild der Grundgesamtheit darstellen. Das
die Motorelektronik auf den alternativen
Quotaverfahren ist eine Auswahl mit genau-
Kraftstoff abstimmt. Ein Bestandteil ist ein
en Vorgaben, das Random-Verfahren ver-
entwickelter Kraftstoffsensor.
lässt sich auf den Zufall, ist damit in der Vor-
bereitung preiswerter und ggfs. auch schnel- Dieser erkennt anhand des Sauerstoffgehalts
ler, aber eventuell auch ungenauer bei der die Spritzusammensetzung im Tank und jus-
Suche und Auswahl geeigneter Testpersonen. tiert bei hohem Biodieselanteil das Einspritz-
verhalten nach. Dies ist notwendig, weil auf
Konsumentenpanels, auch Haushaltspanel
Grund des hohen Anteils an Stickoxiden, die
genannt, haben inzwischen einen hohen Be-
bei der Verbrennung von Biodiesel entstehen,
kanntheitsgrad erworben. Wichtig ist, dass
moderne Dieselmotoren sonst die von der künf-
Haushalte mit diesem ernsthaft umgehen und
tigen Abgasnorm EU 4 geforderten Emissions-
keine Scheineintragungen vornehmen.
grenzwerte nicht einhalten würden.
Abb. 17: Dieselmotor und Biodiesel
(vergl. S. 534)
Hamburger Abendblatt, 24.09.2003
512 Marketing

Marktforschung, d.h. die Beschaffung und Aufgabe


Auswertung von Informationen über den
10. Sie interessieren sich für den neuen Ge-
Markt, die Konkurrenten, die eigenen Leis-
ländewagen „Funny“. Welche Merkmale
tungen und die Verbraucher, ist ein essentiel-
muss er aus Ihrer Sicht erfüllen, wenn Sie
ler Bestandteil des Marketing. Marktfor-
ihn in Ihre Kaufentscheidung einfließen
schung dient dazu, den Markt kennen zu
lassen wollen? Würde Ihnen zum Kauf
lernen, ihn zu beurteilen und das Risiko von
eines Geländewagens diese Anzeige ge-
Fehlentscheidungen einzugrenzen. Eine Ga-
nügen (bitte begründen)?
rantie, sich vollkommen richtig entschieden
zu haben, liefert die Marktforschung aller- Der FunCruiser ist mehr für den Fahrspaß
dings nicht. Immer wieder sind Management- konzipiert als fürs Gelände: Kraftvolle 128 PS
Entscheidungen zu treffen, bei denen auch die (94 kW) und 16 Ventile machen auch die
genaueste Marktforschung nicht grundle- längste Strecke zum kurzweiligen Vergnügen.
gend weiterhelfen kann, bzw. wo „aus dem Wie konsequent er dabei dem Lustprinzip
Bauch“ entschieden werden muss, also Ge- folgt, beweist sein permanenter Allradantrieb
fühlentscheidungen gefragt sind. in jeder Kurve. Nur bei der Sicherheit macht
er ernst – Doppelairbag und ABS fahren im-
mer mit. Also auf zur Probefahrt beim Toyota
Händler. Und ab nach München.
Abb. 18: Ein Konkurrent stellt sich vor

5. Segmentierung
In den frühen Verkäufermärkten, wo die Beispiel:
Verbraucher froh waren, die begehrte Ware
So segmentiert die DMW AG
überhaupt zu bekommen, konnten die Anbie-
ter eine reine Massenmarktstrategie, das be- In der Dekade zwischen 1950–1959 wurde für
deutete hohe Mengen bei niedrigen Kosten den Massenmarkt produziert. Die damaligen
pro Stück, durchsetzen. Mit dem Wandel zum Erwerber eines Autos waren froh und stolz,
Käufermarkt, also in wettbewerbsintensive einen eigenen fahrenden „Untersatz“ zu besit-
Wohlstandsmärkte, wurden die Wünsche und zen und konnten sich in der damaligen Nach-
Bedürfnisse immer spezieller. Die Hersteller kriegszeit der Bewunderung von Fußgängern
sind gezwungen, ihr Angebot der Nachfrage- und Fahrradfahrern sicher sein.
struktur des Marktes anzupassen, also den Heute bedient sich die DMW AG eines kon-
Markt zu „segmentieren“. zentrierten Marketing. Bestimmte Marktni-
schen (vgl. Abb. 21) wurden schon früh besetzt,
Die Marktsegmentierung ist die Aufteilung sind aber in den vergangenen Jahren mehr und
eines Marktes in klar abgegrenzte Untergrup- mehr auch von den großen und ausländischen
pen von Kunden, von denen jede als Ziel- Mitbewerbern angesteuert worden. Die Folge
markt angesehen wird und mit einem speziel- ist ein immer härter ausgetragener Verdrän-
len Marketing-Mix bearbeitet wird. gungswettbewerb.
5. Segmentierung 513

5.1 Die Vor- und Nachteile der Zwar verfügt die DMW AG im Kleinwagen-
Marktsegmentierung bereich über ein hervorragendes Image. Al-
lerdings ist das Unternehmen gezwungen,
weitere Marktnischen aufzustöbern und sie,
Vorteile: um den Fortbestand langfristig zu sichern, mit
• Berücksichtigung verschiedener Kunden- intelligenten Lösungen zu besetzen.
bedürfnisse schafft maßgeschneiderte Pro- Mit den drei Modellen „Shopper“, „Single“
blemlösungen und „Sporty“ ist die DMW AG auf das Segment
• verbesserte Möglichkeiten, noch nicht der Kleinwagen fixiert. Einerseits hat es wegen
besetzte Segmente zu bearbeiten und des hohen Verkehrsaufkommens, ständig klei-
Marktlücken zu füllen nerer Familiengrößen, hoher Kosten für An-
• gezieltere, „spitzere“ Ansprache der Ver- schaffung und Unterhalt (Benzin, Steuern,
braucher Versicherung) und des Umweltschutzes an
– Abdeckung aller Verbraucherwün- Gewicht gewonnen, andererseits „wird die
sche und damit Risikostreuung Luft hier enger“. Aber in die Mittel- und
– höhere Preise leichter durchsetzbar Oberklasse einzusteigen, empfindet das stra-
– effizientere Aufteilung des Marke- tegische Management der DMW AG auf-
tingbudgets möglich grund des mangelnden Know-hows, des ho-
Nachteile: hen Kapitalaufwandes für neue Fertigungs-
straßen, der überprüften, nachweislich fehlen-
• Verzicht auf Massenproduktion und damit den Akzeptanz beim Verwender und starker
höhere Kosten pro Stück Konkurrenten als zu gefährlich.
• sehr spezifisches Marketing-Know-how
erforderlich
• hohe Kosten pro Segment, das u.U. sehr
klein sein kann
• Gefahr der „Übersegmentierung“, d.h. zu
starke, nicht mehr lohnende Unterteilung
der Märkte
• speziellere Produkte bedeuten ggfs. ge-
ringere Akzeptanz und Lebensdauer

5.2 Produkt- und


zielgruppenbezogene
Marktsegmentierung
Abb. 19: Segment der Kleinwagen: (Jah-
re, startend ab 1988-2005)
Die produktbezogene Marktsegmentierung
richtet sich nach den relevanten und unter- Die Konkurrenten der DMW sind unter ande-
schiedlichsten Wünschen, wie ein Produkt rem Europäer wie Smart, VW, Opel, Ford,
auszusehen hat, welche Funktionen es erfül- Fiat, Citroën und Renault sowie Japaner wie
len muss und zu welchen Preisen es zu erwer- Mazda und Toyota, außerdem Südkoreaner.
ben ist. Hinzukommen werden bald indische Klein-
Die zielgruppenbezogene Marktsegmentie- wagen.
rung ermittelt bestimmte Käufergruppen mit
einer ähnlichen oder gleichen Struktur.
514 Marketing

Dafür bieten sich drei Wege an. Die folgende Abbildung verdeutlicht, dass die
DMW AG sich damit auf bestimmte Ziel-
• demografisch: gruppen festgelegt hat. Somit kommt es in-
Alter, Geschlecht, Familienstand, Famili- nerhalb der Modellpolitik zu Substitutionsef-
engröße, Haushaltseinkommen, Beruf, fekten (die sog. „Kannibalisierung“). Es wer-
Bildungsstand, Ortsgröße, Religion den keine zusätzlichen Käufergruppen ge-
wonnen. Im Gegenteil: Die DMW AG läuft
• psychografisch:
Gefahr, sie sich durch zusätzliche Angebote
Lebensstil, Persönlichkeitsstruktur, Ein- wie den „Funny“ selbst wegzunehmen. Zu-
stellungen, Erwartungen, Wünsche sätzlich kann das bedeuten, dass die jetzigen
• soziologisch: Käufer später, wenn sie mehr Geld in der
Tasche und damit auch höhere Ansprüche
soziale Schicht, Prestige, Status, kulturel- haben, auf andere Mitbewerber-Fabrikate
le Einflüsse umsteigen, obgleich in der Automobilbranche
– bei adäquater Angebotsvielfalt – die
5.3 Segmentierungsstrategien Markentreue verhältnismäßig (im Vergleich
zu anderen Branchen) hoch ist.
Wie in der Abbildung schon zu sehen ist,
• Ein undifferenziertes Marketing bedeu- konzentriert sich die DMW AG auf junge
tet, dass ein Produkt von allen Zielgrup- Zielgruppen, die anderen Segmente bleiben
pen gekauft werden soll, das ist quasi die unbesetzt!
Massenmarktstrategie.
• Das differenzierte Marketing beinhaltet
die Idee, dass verschiedene Segmente be-
setzt werden und jedes mit einem speziel-
len Marketingkonzept bedient wird.
• Die Entscheidung für das konzentrierte
Marketing hat zur Folge, dass sich das
Unternehmen nur einem oder nur weni-
gen ausgewählten Segmenten widmet.
Hier wird die Marktnischenstrategie „ge-
fahren“.

Abb. 20: Konzentration auf junge


Zielgruppen

Die obige Betrachtungsweise bezieht sich auf


die zielgruppenbezogene Segmentierung. Mit
Marktsegmentierung macht immer dann und der Einführung des Elektroautos verfolgen die
dort Sinn, wo eine ausreichend große Teil- Manager der DMW AG auch das Ziel, extrem
zielgruppe vorhanden ist, die einen speziellen umweltbewusste Käufergruppen für sich zu
Kundenwunsch hat. Dann sichert das nicht gewinnen. Demnach stieße man auf Potenzia-
austauschbare Angebot größere Marktanteile le, die ihrem Handeln und ihren Einstellungen
bei der gleichzeitigen Möglichkeit, höhere zuliebe auch ein relativ teures Fahrzeug er-
Preise zu realisieren. werben würden.
5. Segmentierung 515

Zurück in die Nische


Dank Gore-Tex sprudelten in den achtziger Jahren die Gewinne bei der Schöffel GmbH kräftig. Als des-
sen Faszination erlahmte, machte sich der schwäbische Mittelständler auf die Suche nach einer neuen
Strategie.
Vordringlich stand zunächst der Markenauftritt an: Wenn nicht mehr Gore-Tex die Marke zusammenhält,
was dann? Sollte sich Schöffel als „modisch“ positionieren, als „sportlich“, sollte man mit einer umfang-
reichen Farbpalette auftreten oder doch lieber einfacher? „Das ging“, erinnert sich Peter Schöffel, „häufig
zwei Schritte vor und drei zurück.“ So marschierte der Bekleidungsproduzent etwa eine Saison in Rich-
tung Mode mit Pelzkapuzen oder Ziernähten und landete gleich einen Flop, der sich mit ein paar Millionen
beim Umsatz auswirkte.
Die Lösung, ist Schöffel im Nachhinein schlauer, war ganz naheliegend. „Wir mussten uns einfach nur
wieder auf unsere Wurzeln besinnen.“ Wenn der Sportbekleidungshersteller, so das Fazit der schwäbi-
schen Strategiepuzzler, traditionsgemäß aus dem Umfeld der klassischen Bergwelt – Wandern, Bergstei-
gen und Skifahren – kommt, dann sollte das auch die Nische sein, in der sich Schöffel einnistete. Ausflüge
in andere Bereiche – Golf und Snowboarden etwa –, wie sie die Konkurrenz Anfang der neunziger Jahre
reihenweise tätigte, kamen unter dieser Prämisse für Schöffel auch nicht in Frage: „Lieber ein paar Millio-
nen Mark weniger Umsatz“, so sein Credo, „aber in unseren Feldern konsequent klarstellen, dass wir die
Nummer eins sind.“
Eine Positionierung, die auch umso chancenreicher schien, je mehr die Marke über den bis dahin bedien-
ten rein deutschsprachigen Raum hinaus eingeführt werden sollte.
Wenn Peter Schöffel den gesamten Bekleidungsbereich überblickt, dann sind „wir ein Sandkorn“. Be-
trachtet er allerdings die Nischen Outdoor, Trekking oder Bergwelt, dann ist Schöffel in Deutschland,
Österreich und der Schweiz „die führende Marke“. Und zwar unabhängig von Gore-Tex. Der Stoff ist
mittlerweile nur noch einer unter zahlreichen anderen Materialien, die der Mittelständler verarbeitet.
Quelle: TopBusiness

Bistro und Bar mit Betten


Dies wird kein Hotel nach der Melodie:,, Ihr Zuhause, wenn Sie nicht zu Hause sind! Das „East“ wird
etwas ganz anderes. Stellen Sie sich vor, Sie betreten das Hotel und befinden sich mitten in eine schicken
Lounge. Die hat an der rechten Seite eine Bar, durch deren Bögen man in ein riesiges Restaurant schaut
mit verdrehten Säulen auf mehreren Ebenen, auf denen sich die Philip Morris Lounge für Raucher und die
Smirnoff-Lounge für gepflegte Drinks befinden. Riesige Fenster und Glastüren über zwei Stockwerke
geben den Blick frei in einen asiatisch gestalteten Innenhof mit Sitzplätzen für warme Sonnentage und
lauschige Nächte.
Und das Hotel? Ja, wenn Sie möchten, können Sie auch hier ein schön großes Zimmer mieten mit einzig-
artigen Möbeln, die der amerikanische Designer Jordan Mozer eigens für dieses Haus entworfen hat. Da
steht das Bett frei mitten im Raum, das Kopfteil kippt im rechten Winkel nach hinten weg und wird zum
Schreibtisch mit Internetanschluss und Leuchte. Das alles hat warme freundliche Farben und viele freund-
liche Rundungen und Windungen. Nichts ist eckig oder kantig, gerade Linien werden überall – in Hori-
zontale wie Vertikale – möglichst gemieden, so dass das Haus zu schwingen, ja, vielleicht sogar zu hüpfen
scheint. Dadurch fehlt ihm das Nervige fasten jeden Hotels, das durch die stetige Wiederholung von im-
mer demselben, das möglichst noch bemüht, die Unternehmens-Identität ausdrücken soll, den Gast nur
langweilt und ermüdet. „Sie können in unserem Hotel auch schlafen, wenn sie wollen“, gibt Betreiber
Christoph Strenger die Devise des Hauses aus.
(Gisela Reiners in WAMS vom 21.4.2003).
Abb. 21: Nischenanbieter aus der Vergangenheit und der Gegenwart
516 Marketing

6. Produktpolitik
Das Produkt ist die zentrale Leistung, die auf Beispiel:
dem Markt angeboten wird. Erst wenn diese
Die Produktpolitik der DMW AG
Leistung vom Verbraucher honoriert wird,
können wirtschaftliche Absatzerfolge erzielt „Bei der DMW AG ist die Produktpolitik das
werden. Die übrigen Aktivitäten wie Vertei- „Herzstück“ des Marketing. Als kleiner An-
lung (Distributions-Mix) und Kommunikati- bieter im Konzert der internationalen Auto-
on sind dann nachgeschaltete Elemente. Wird konzerne ist es für uns besonders wichtig,
umgekehrt ein Produkt nicht vom Markt ak- sich gegenüber den Mitbewerberautos positiv
zeptiert, so sind die ansprechendste Werbung abzugrenzen und eigenständige, technisch
und der intelligenteste Vertriebsweg langfris- ausgereifte Lösungen auf dem Markt anzubie-
tig nicht Erfolg versprechend. ten. Das haben wir in der Vergangenheit mit
unseren Modellen „Single“, „Shopper“ und
Produktpolitik beinhaltet alle Kriterien, die „Sporty“ erreicht. Wir werden das auch mit
mit dem Produkt selbst, dem Sortiment und
unserer Neueinführung „Funny“ schaffen,
dem Service zu tun haben. Das Produkt (An-
und ich darf Ihnen sagen, dass wir spätestens
gebot) ist alles das, was einem Markt als in zwei Jahren mit einem serienreifen Elekt-
Objekt der Aufmerksamkeit, zum Erwerb roauto auch dieses Segment ausfüllen werden.
oder zum Konsum angeboten werden kann. Im Übrigen basteln wir am „Joy“, einem
Der Begriff umfasst konkrete Gegenstände, offenen, kleinen Roadster.“
Dienstleistungen, Orte, Organisationen und
Ideen. So ein Zitat des Vorstandsvorsitzenden und
Unternehmenssprechers Dr. Schümann auf
Die Produktpolitik ist Schwerpunkt der Mar- der letzten Hauptversammlung zur Zukunft
ketingstrategie. Sie wird flankiert von drei der DMW AG.
weiteren Marketingmaßnahmebündeln, näm-
lich der Distributions-, der Kommunikations- Zunächst wird ein marktreifes Produkt entwi-
und der Kontrahierungspolitik. Je nach Pro- ckelt und auf den Markt gebracht. Dann wird
dukt und Markt muss ein Unternehmen alle die Distribution aufgebaut, und wenn die
Elemente harmonisch aufeinander abstimmen. Ware verfügbar ist, wird dafür Kommunikati-
Dabei spricht man von Marketing-Mix. Jedes on betrieben. Distribution und Kommunikati-
angebotene Produkt soll zur Sicherung des on sind i.d.R. vom Produkt abhängig und
Unternehmens wachsen d.h. es soll Absatz richten sich danach.
mit hohen Gewinnen erzielen.. Die Automobile der DMW AG sind Markenar-
tikel. Sie haben die gleiche Qualität, die glei-
chen bzw. ähnlichen Preise, sie sehen gleich
6.1 Merkmale eines Produktes aus (im Rahmen der verschiedenen Varianten
wie Farben, Türanzahl, Motorisierung, Son-
6.1.1 Der Name/die Markierung derausstattung etc.), sind – verbunden mit einer
gewissen Lieferzeit – permanent verfügbar und
Eines der Instrumentarien, die langfristig aufgrund des hohen Werbeeinsatzes und der
eingesetzt werden, ist der Name bzw. die Präsenz auf den Straßen weit bekannt.
Markierung. Die größten Verkaufserfolge
werden i.d.R. mit Markenartikeln erzielt.
Sie weisen folgende Merkmale auf:
6. Produktpolitik 517

• gleiche Qualität Alle DMW-Modelle werden markentechnisch


nach dem Integrationsprinzip vermarktet: So
• gleiche Aufmachung
heißt das Einstiegsmodell „DMW Single“,
• stetige Verfügbarkeit diese Verbindung betont einerseits den Na-
• hoher kommunikativer Einsatz men des Herstellers, der sich durchgesetzt hat,
andererseits bekommt das Modell eine eigene
• hoher Bekanntheitsgrad „Handschrift“ zur besseren Unterscheidung
• relative Preiskonstanz. und eigenen Markierung.
Hat der Hersteller erreicht, dass seine Marke Unterscheidungen bei Produkten
über einen hohen Sympathiewert verfügt, Grundnutzen – Zusatznutzen
ergeben sich mehrere Vorteile. Der Marken-
Gebrauchsgut – Verbrauchsgut
artikel schafft Sicherheit, er bietet eine
Leitfunktion und Orientierungshilfe, der Investitionsgut – Produktionsgut
Verbraucher kann sich damit identifizieren. Massengut – Individualgut
Die Marke unterscheidet sich von Wettbe-
werberprodukten, ggfs. kann sie einen beson- problemloses Gut – erklärungsbedürftiges Gut
deren, einzigartigen Produktvorteil bieten und „high interest product“ – „low interest product“
besticht durch ein unverwechselbares Image. anonyme Ware – markierte Ware
Das führt zur Markentreue bzw. zur Marken- – Markenartikel
bindung, und der preispolitische Spielraum
wird durch den Präferenzausbau größer. Gerade die Modelle „Funny“ und „Sporty“
bieten über den Grundnutzen hinaus, nämlich,
Allerdings ist dieser Zustand nur mit einer dass Personen von einem Punkt zum anderen
konsequenten Markenpolitik, einem hohen befördert werden, in der angesprochenen Ziel-
Aufwand kommunikativer Maßnahmen, mit gruppe kräftigen Zusatznutzen. Besonders bei
einer zielgruppengerechten Ansprache und jungen Leuten stehen Sportflitzer/Cabrios und
meistens mit hohem Zeitaufwand zu erzielen. Funcars/Geländewagen hoch im Kurs, vermit-
Drei alternative Markennamenstrategien teln sie doch erhebliche psychologische Zu-
bieten sich an: satznutzen: Abgrenzung zu den Führern „nor-
Als Monomarke gibt es ein Produkt unter maler“ Autos, Zugehörigkeit zu einer speziel-
einem Namen (Isolationsprinzip). Verschie- len Gruppe, Demonstration von Jugendlichkeit
dene Einzelmarken innerhalb eines Sortiments und das Gefühl von Freiheit und Abenteuer.
weisen folgende Charakteristika auf: Die Verpackung im weiteren Sinne, das De-
sign oder Aussehen, ist ein Mittel, um sich
• gesundes Konkurrenzdenken innerhalb
des Programms von der Konkurrenz abzuheben und sein An-
gebot marktfähig zu gestalten. Spielt beim
• Abwanderung untreuer Kunden wird Automobil die Verpackung im engeren Sinne
durch andere Produkte des Hauses eher keine Rolle, so sind die Eigenschaften wie
aufgefangen (Risikostreuung) Sicherheit, Komfort, Umweltverträglichkeit,
• Politik im Sinne individueller Qualität und Wirtschaftlichkeit von entschei-
Bedürfnisbefriedigung (Segmentierung) dender Bedeutung und im starken Maße aus-
schlaggebend für Erfolg oder Misserfolg.
• mehr Platz beim Absatzmittler
518 Marketing

• Gefahr der Substitution, also des Austau- Die Produkteigenschaften, die bei der Ent-
sches wicklung eines Elektroautos für die F&E-
Abteilung zu beachten sind, werden nun nä-
• Gefahr zu kleiner Teilmärkte
her aus einem internen Anforderungsprofil
• höhere Kommunikationskosten. beleuchtet:
Nach dem Identitätsprinzip arbeitet die 1. Gemäß der Firmenphilosophie müssen
Sortimentsmarke, auch Dachmarke oder mindestens 90% eines Modells recycling-
„Umbrella“ (Regenschirm) genannt. Sie er- fähig sein. Ein schwieriges Unterfangen
füllt den Vorteil, dass bei einem guten Image gerade bei Elektroautos, da der Antrieb
zusätzliche Produkte unter gleichem Namen durch schwere, leistungsstarke Batterien
einen sog. „Image-Transfer“ genießen, also erfolgt, für die noch kein befriedigendes
mit Vorschusslorbeeren angenommen wer- Entsorgungskonzept gefunden wurde.
den. Das wiederum bedeutet geringere Kom- 2. Die Reichweite, d.h. die Strecke, die mit
munikationskosten. Aber als Massenmarkt- einer „Füllung“ gefahren werden kann,
produkt ist die Positionierung einer Dachmar- schwankt zurzeit zwischen 80–100 km.
ke i.d.R. weniger „spitz“, d.h., sie erfüllt nicht Zwar können für den außerstädtischen
unbedingt die speziellen Bedürfnisse einer Verkehr Batterien eingebaut werden, die
bestimmten Zielgruppe. Bei einer Sortiments- die Reichweite verdoppeln, aber auch um
marke besteht zudem die Gefahr, dass, wenn ein Vielfaches schwerer sind (siehe 1.)
ein relativ artfremdes Produkt in die Linie auf- 3. Die Sicherheitsstandards müssen auch für
genommen wird, die Verwässerung des Images ein Auto eingehalten werden, das nur
bzw. der sog. „Markenkern“ (das, wofür die knapp über 2,50 m lang ist und somit ü-
Marke beim Verbraucher steht) voranschreitet ber geringe Knautschzonen verfügt.
bzw. diffus und undeutlich wird. 4. Das Elektroauto soll ausreichende Leis-
Als dritte Möglichkeit bietet sich das Integra- tungen aufweisen (PS, Spurtstärke).
tionsprinzip an. Das ist eine Kombination 5. Der Schadstoffausstoß muss deutlich
beider vorne genannter Prinzipien. Damit geringer ausfallen als bei Benzin- oder
wird versucht, sowohl Altbewährtes der Dieselfahrzeugen. Erst wenn alle drei
Dachmarke zu nutzen als auch Neues, Beson- umweltbelastenden Abgase: Kohlendi-
deres, Unterscheidbares einfließen zu lassen. oxid, Schwefeldioxid und Stickoxide ein-
zeln gesehen mindestens 50% weniger
6.1.2 Die Qualität/Eigenschaften ausstoßen, kann das neue Modell als
marktreif angesehen werden.
Je nach Produkt können das verschiedene Wenn alle diese fünf hier grob skizzierten
Merkmale sein, wie Zusammenstellung, Ge- Anforderungen erfüllt sind, geht das DMW-
schmack, Geruch, Gewicht, Abmessungen, Elektroauto in Serie. Die bereits eingeführte
Inhalt, Konsistenz, Haltbarkeit, Sicherheit, „Lean Production“ (schlanke Produktion) ist
Handhabung, Lebensdauer, technische Mög- hierbei Chance und Risiko zugleich: Ein
lichkeiten, Aussehen und Verbrauch. Systemanbieter sorgt für die gesamte Elektrik.
Gleichzeitig mit den Eigenschaften ist eine Das verringert zwar die Fixkosten für die
Art Qualitätsgarantie verbunden. So muss ein eigene Firma ganz erheblich, und die For-
Duft zum Beispiel haltbar sein und darf sich schungsarbeiten werden von absoluten Fach-
nicht nach einem Gebrauch verflüchtigen. kräften erbracht, aber die Abhängigkeit ist
groß, will der Durchbruch nicht rechtzeitig
gelingen, und die Technologie kann auch
anderen Herstellern relativ leicht zugänglich
gemacht werden.
6. Produktpolitik 519

Neben dem rein funktionalen Grundnutzen Einige Anmerkungen zum Service der
(Autos dienen dem Transport von A nach B) DMW AG:
gibt es auch den eher emotionalen Zusatznut- Gerade hat man den Standard der Mitbewerber
zen. Dieser kann sowohl ästhetische Bedürf- erreicht. Das war jahrelang ein Schwachpunkt.
nisse (wie Design, Formen und Farben) als Erst jetzt, mit dem Einstieg einer durchset-
auch Bedürfnisse der Selbstverwirklichung zungs- und führungsstarken „Manager-
sowie der sozialen Integration und Anerken- Kapazität“ auf diesem Feld, die von einem
nung befriedigen. französischen Mitbewerber mit viel Geld vor
zwei Jahren abgeworben worden war, hat die
6.1.3 Die Verpackung DMW AG den Aderlass seiner Leitung aus dem
Die Verpackung soll folgende Vorausset- Weg geräumt. Unter Leitung dieser anerkann-
zungen erfüllen: ten Spitzenkraft wurde eine Arbeitsgruppe
installiert. Sie analysierte das Problem, entwi-
• das Produkt beim Transport schützen ckelte Konzepte und hat es geschafft, zumin-
• umweltfreundlich sein dest den Standard der Konkurrenz zu erreichen.
Das bringt zwar im Moment keinen Wettbe-
• displaystark, also sich verkaufsfördernd werbsvorteil, nur gestiegene Kosten. Aber
präsentieren immerhin verspricht sich die DMW AG davon,
• stapelfähig sein Imagedefizite in diesem Bereich langsam, aber
sicher auszuräumen, um mit eigenen mittelfris-
• unverwechselbar sein
tigen innovativen Konzepten selbst in eine
• einfach zu handhaben und zu dosieren Vorreiterrolle zu schlüpfen (wie z.B. Langzeit-
sein Reparatur-Garantie, Mobilitätsgarantie, 30-
• verkaufs- und lagerfähig sein bei einer Tage-Umtausch-Garantie, Garantie gegen Durch-
günstigen Kostenstruktur. rosten). Früher wurden Ersatzteile nicht inner-
halb eines Tages aus Zentrallägern in die ein-
zelnen Werkstätten befördert, die Vertrags-
6.2 Der Service werkstätten zeigten sich oftmals bei Streitfällen
wenig kulant gegenüber den Kunden. Repara-
Je nach Branche und Erklärungsnotwendig-
turen erwiesen sich als wesentlich teurer,
keit des Produktes bedienen sich Unterneh-
wurden schlampig ausgeführt und dauerten
men des Services (Kundendienst).
verhältnismäßig lange. „Schnee von gestern“,
Service beinhaltet die besonderen Dienstleis- aber beim Kunden deshalb noch lange nicht
tungen kaufmännischer oder technischer Art, ausgeräumt. Hier gilt es, mit einer konsequen-
die vor, während oder nach dem Kauf ange- ten und offensiven Servicepolitik das Ver-
boten werden. trauen langfristig zurückzugewinnen.
Somit wird potenziellen Käufern eine zusätz- Die DMW werden ihre Kunden anschreiben,
liche Hilfe angeboten, und die Beziehung zu Displays zur Verfügung stellen, Broschüren
bestehenden Kunden wird intensiviert. verteilen und gegebenenfalls Telefonnetz und
Kundendienst bietet dem Anbieter die Chan- Computerservice einschalten.
ce, sich von Wettbewerbern positiv zu unter-
scheiden, Kunden zu binden und weitere
Informationen über eigene Produkte von den
Benutzern einzuholen, um weitere Optimie-
rungen voranzutreiben.
520 Marketing

Kundendienst wird i. A. dann einen Beitrag Aufgaben


zum Unternehmenserfolg beisteuern, wenn
11. Gehen Sie die Unterscheidungen (siehe
die Leistung von den Nutzern so eingestuft
„Unterscheidungen bei Produkten“) bei
wird:
den Produkten der DMW AG durch!
• qualitativ hochwertig Welche Formen von Gütern bietet das
• schnell Unternehmen an?
• unkompliziert 12. Welche Auswirkungen hat die Einfüh-
rung eines Elektroautos, das mindestens
• reell im Preis (falls nicht gratis) 50% weniger Schadstoffe auswirft, auf
• genau Ökonomie und Ökologie, und wie stehen
diese beiden Komponenten zueinander?
• mit zuvorkommendem und kompetentem
Personal. 13. Was bedeutet die Verbesserung des Ser-
vices im Hinblick auf Kundenzufrieden-
Bei bestimmten Produkten ist der Service von heit, Leistung, Kosten, Image, Wirt-
so immenser Bedeutung, dass er den Aus- schaftlichkeit, Umsatz und Gewinn?
schlag für die Kaufentscheidung geben kann.
Stellen Sie die Beziehungen in einer
Die Produktpolitik steht im Zentrum des Skizze dar!
Marketing-Mix und ist i.d.R. ausschlagge-
bend für Erfolg oder Misserfolg.

Aus der nahen Vergangenheit – wie ein Japaner den Deutschen Beine machte (1994) und
diese inzwischen (1997) erheblich im Service aufholten:
„Der Wohlstand hat Meister Deutschland fett gemacht. Und faul. Dienst am Kunden? Findet
nicht mehr statt. Der Kunde ist König? Bei euch ist der Kunde mittlerweile Kaiser. Was ihr
vergesst? Der Kunde ist Gott. Denn er allein entscheidet über Tod und Leben eines Unterneh-
mens.“
Minoru Tominaga, Unternehmensberater aus Tokio, schimpft mit den deutschen Auto-
Managern wie mit uneinsichtigen Abc-Schützen. „Wir sind alle in einem Boot“, sagen die Ma-
nager gern zu ihren Mitarbeitern. Aber rudern sollen immer nur die anderen. Von Teamwork
keine Spur.
Mercedes-Fahrer Tominaga kann sich besonders über deutsche Autowerkstätten aufregen.
Schlampigkeiten, wie unlängst im BMW-Werkstatt-Test (von Auto Bild) überraschen ihn nicht.
Die Hälfte mangelhaft, nur einmal gut: „Die Deutschen arbeiten ohne Lust und Liebe.“ Und
sehen den Kunden oft als Feind an. Tominaga: „Wenn ich meinen Wagen zur Inspektion gebe
und um ein Taxi bitte, dann zeigt man mir die Telefonzelle an der nächsten Ecke.“ In Japan
undenkbar.
Service sowohl durch Hersteller als auch durch Verkäufer und Werkstättenpersonal ist durch
nichts zu ersetzen. Aber es geht auch anders: Mängel am 2 Jahre alten Mercedes 200 D von
L.T. Nach nur 40 000 Kilometern auf der Uhr rollten die Fondsicherheitsgurte schlecht auf, und
ein Bremssattel war gebrochen. „Als ich die Rechnung über 700,– DM bekam, war ich sehr
erstaunt. Ich verstehe nicht, dass für die Sicherheit eines Autos dermaßen wichtige Teile bereits
nach 2 Jahren defekt sind“, schreibt der Betroffene an Auto Bild. Auto Bild informierte Merce-
des. Das Werk übernahm die Materialkosten von 386,57 DM. Ein faires Verhalten.
Abb. 22: Servicemanagement/Kundenbezogenheit, zwei Beiträge aus Auto Bild (aus der
Vergangenheit – DM-Zeit)
7. Der Produktlebenszyklus 521

7. Der Produktlebenszyklus
Der Produktlebenszyklus stellt den Versuch Beispiel:
dar, die unterschiedlichen Phasen eines Pro-
Der Produktlebenszyklus – Hilfsmittel zur
duktes aufzuzeigen, um daraus entsprechende Beurteilung der DMW-Autos
und angemessene Marketing-Konzepte und
Aktivitäten zu entwickeln und anzuwenden. Die DMW AG nutzt den Produktlebenszyklus
auf dreierlei Weise:
Der klassische Produktlebenszyklus besteht
aus den fünf Phasen der Einführung, des • Es können optimale Marketingstrategien
Wachstums, der Reife, der Sättigung und des entwickelt werden und die dazugehörigen
Rückgangs. Nicht alle Produkte zeichnen sich Maßnahmen durchgeführt werden.
durch diesen typischen Verlauf aus. Manche • Gleichzeitig ist er ein Kontroll- bzw.
haben sofort ein rasches Wachstum, aber auch Vergleichsinstrument, mit dem festge-
eine extrem kurze Rückgangsphase. Andere stellt wird, wie sich das Produkt im Ver-
wiederum besitzen das Merkmal eines immer gleich zu ähnlichen Angeboten, etwa dem
wiederkehrenden Lebenszyklus, hervorgeru- Vorgängermodell, entwickelt.
fen durch Sonderanstrengungen.
• Außerdem dient er zu Prognosezwecken.
Den Anfang und das Ende eines jeden Stadi- Gelingt es, auf zukünftige Phasen/ Stadien
ums festzustellen, ist sehr schwierig. Zeigt der und ihre Dauer zu schließen, können dem-
Umsatz/Absatz eine deutliche Änderung, wird entsprechend die Werbebudgets festgelegt
der Beginn einer neuen Ära angenommen. werden. So ist es normalerweise unsinnig,
in ein Produkt werblich zu investieren, das
7.1 Die Einführungsphase kurz vor der Marktherausnahme steht.
Das Produkt erscheint auf dem Markt und ist Das Marktgeschehen, genauer das Wachstum
noch wenig bekannt. Der Umsatz ist klein, und das Verhältnis zu den Mitbewerbern,
wohingegen die Werbe- und Vertriebskosten wird bei dem Produktlebenszyklus nicht be-
hoch sind, entsprechend wird noch kein Ge- leuchtet.
winn erwirtschaftet. Gleichzeitig sind die
Kosten pro Stück relativ hoch, ggfs. werden
„Kinderkrankheiten“ noch ausgemerzt.

7.2 Die Wachstumsphase


Gelingt es dem Unternehmen, die Marktwider-
stände der Einführungsphase zu durchbrechen,
beginnt die Wachstumsphase. Früh gewonne-
ne, zufriedene Kunden tätigen Wiederkäufe,
Probierkäufer kommen hinzu, sodass das Pro-
dukt ein breites Publikum erreicht. Durch die
boomartig ansteigende Menge setzt die De-
gression der Stückkosten ein, die Gewinn-
schwelle (Break-even-point) wird erreicht.
Die ersten Mitbewerber erscheinen auf dem
Markt, was zu Preisreduzierungen führt. Der
Werbeaufwand ist weiterhin hoch, sinkt aber Abb. 23: Beispiel für einen klassischen
gemessen am absoluten Umsatz. Produktlebenszyklus
522 Marketing

7.3 Die Reifephase/ Durch Produktvariationen, optimierte Wer-


Sättigungsphase bung, Ausbau des Händlernetzes, eine opti-
male Preisreduzierung (dann, wenn Nachah-
mer in den Markt eintraten) und das Anspre-
Diese Phasen sind zunächst gekennzeichnet chen besonderer Zielgruppen durch zeitlich
durch eine absolute Marktausdehnung bei limitierte Sondermodelle konnte gerade der
gleichzeitigem Absinken der Umsatzzuwachs- „Shopper“, der mittlerweile in der dritten
raten und durch den Rückgang der Umsatzren- Generation auf dem Markt erscheint, eine
tabilität. Zwar kaufen noch einige Spätaufneh- sehr positive Entwicklung nehmen, sodass
mer das Produkt, andere aber kaufen bei den sich der Produktlebenszyklus zurzeit folgen-
Mitbewerbern oder gar nicht mehr. Der Umsatz dermaßen darstellt:
stagniert, der Preiskampf wird härter, verkaufs-
fördernde Maßnahmen werden verstärkt einge-
setzt. Dies führt zu insgesamt höheren Kosten
bei geringeren Umsätzen, was auch die Ge-
winne schrumpfen lässt. Gerade hier ist der
Übergang zur Sättigungsphase fließend. Spä-
testens jetzt muss das bestehende Produkt
verbessert oder ein neues eingeführt werden.
Das setzt voraus, dass das Unternehmen trotz
der bisher guten Marktlage rechtzeitig mit der
Entwicklung neuer Produkte beginnt oder das
alte Produkt zu verbessern trachtet. Auch das
ist nur mit Forschungs- und Entwicklungs-
ausgaben verbunden. Wer hat in diesem Zu-
sammenhang nicht die Handysparte von Sie- Abb. 24: Umsatzentwicklung des Shoppers
mens (2006) im Blick und wer denkt nicht an
so berühmte und jetzt vergessene Unterneh- 1975 erschien das erste Modell in einer Stan-
men wie Voigtländer und Grundig? dardversion. In der Zwischenzeit wurde das
Auto ständig weiterentwickelt, bevor zehn
7.4 Die Rückgangsphase Jahre später der „Shopper“ ein gänzlich neues
Aussehen und eine nochmals verbesserte
Technik erhielt. Das Auto wurde zudem auch
Absatz und Umsatz gehen weiter zurück, die als geräumige Stufenheck- und als normale
ersten Konkurrenten ziehen sich auf Grund Limousine angeboten. Wiederum eine Deka-
der niedrigen Gewinne zurück. Bevor das de später wurde das Design erneut dem neu-
eigene Produkt eliminiert, also vom Markt esten Stand der Geschmacksempfindungen
genommen wird, sollten folgende Fragen angeglichen und das Standard-Paket (Airbag
geklärt sein: für den Fahrer, Gurtstraffer, Wegfahrsperre
• Trägt das Produkt zur Attraktivität des serienmäßig) ausgedehnt.
übrigen Sortimentes/des Unternehmens
bei?
7. Der Produktlebenszyklus 523

• Bestehen Komplementärbeziehungen zu Die DMW AG hat mit diesen ständigen An-


anderen Produkten des Sortiments? passungen und Verbesserungen erzielt, dass,
von kurzen Rückgangsphasen am Ende der
• Ist der derzeitige Umsatzeinbruch nur
siebziger und achtziger Jahre abgesehen, der
vorübergehend?
„Shopper“ nach wie vor ein begehrtes Pro-
• Trägt das Produkt zur Verlustminimie- dukt geblieben ist, wenngleich vom Ursprung
rung bei, indem es hilft, fixe Kosten zu nur noch der Name übrig geblieben ist.
decken und Kapazitäten auszulasten?
Doch die DMW AG verkauft nicht nur Au-
Bleibt das Produkt im Markt, ist unter den drei tomobile, sondern bietet rund um das Auto
verschiedenen Vorgehensweisen zu wählen: Ersatzteile und Zubehör an. Das Unternehmen
• Fortsetzungsstrategie: Alles bleibt beim kann sich die Eliminierung eines Großteils
Alten, möglicherweise wird das Design dieser Artikel nicht erlauben (obwohl 60%
geändert (Preis, Absatzförderungsausga- davon positive Deckungsbeiträge erwirtschaf-
ben, Absatzwege, Segmente) ten), da sie zur Attraktivität des Autos beitragen
(z.B. Radio, Fußmatten, spezielle Schaltknüp-
• Konzentrationsstrategie: Konzentration pel, Spoiler, Dachgepäckträger), als typische
auf die größten Absatzwege und Markt- Komplementärgüter gelten, d.h., ohne die stän-
segmente dige und jahrelange Präsenz dieser Waren
• Ausmelkungsstrategie: Reduzierung der würde ein Auto, ohne die Möglichkeit Ersatz-
Absatzförderungsausgaben und dadurch teile nachzukaufen, in kürzester Zeit an Wert
kurz- bis mittelfristig Gewinnerhöhung, verlieren und unattraktiver werden.
dann aber schnelles „Sterben“ des Pro-
duktes.
Die Erfolgsstory eines Autokonzerns 2004
Der Produktlebenszyklus ist ein wichtiger Der Münchner Automobilkonzern BMW
Analyse-Bestandteil im Marketing. Seine setzte seine Rekordfahrt ungebremst fort. Das
Aussagekraft ist dennoch begrenzt. zweite Quartal 2004 war mit seinen Höchst-
werten bei Absatz, Umsatz und Ergebnis das
beste in der Firmengeschichte. Damit wird
der Autobauer mit seinen Marken BMW,
Mini, Rolls-Royce die Rekorde 2002 übertref-
fen. Damals wurde ein Umsatz von 42,4 Mrd
EUR und ein Nettogewinn von mehr als zwei
Mrd EUR erzielt.
Die Modelloffensive begann im Januar mit
dem Geländewagen X3 und im März mit dem
6er Coupe sowie mit dem 6er Cabrio. Im Mai
ging dann der neue Touring an den Start. Im
weiteren Jahresverlauf folgt der M5. Auch bei
der Marke Mini gab es unter anderem mit
Abb. 25: Der Stand des Produkts im dem Mini One Cabrio und dem Mini Cooper
Lebenszyklus hat zahlreiche Cabrio Neuerungen.(DW Aug.2004)
Auswirkungen Abb. 26: Sortimentspolitik
524 Marketing

8. Die Sortimentspolitik
Im Rahmen des Produkt-Mixes gehört die Aufgabe
Gestaltung des Sortiments zu den schwierigs-
14. Stellen Sie eine Matrix auf, in der Sie die
ten und weitreichendsten Entscheidungen
Faktoren Umsatz, Gewinn, Kundenstruk-
eines Unternehmens.
tur, Anzahl der Konkurrenten, Strategien,
Bei der Sortimentsgestaltung handelt es sich Absatzförderungsausgaben (für die
um die optimale Zusammensetzung der Arti- Kommunikation), Produktausführungen,
kel/Produkte/Marken/Dienstleistungen. Preis und Distribution in den vier Phasen
Üblicherweise lässt sich die Sortimentsgestal- Einführung, Wachstum, Reife/Sättigung
tung in drei Kategorien unterteilen. und Rückgang näher beschreiben!

8.1 Die Breite, die Tiefe und Beispiel:


die Geschlossenheit des Die Sortimentspolitik der DMW AG
Sortiments Die DMW AG bietet mit den Modellen „Sin-
gle“, „Shopper“, „Sporty“ und dem „Funny“,
der als Gelände- und Funcar kurz vor der
• Sortimentsbreite: Anzahl der verschie- Einführung steht, vier Modelle an. Damit ist
denen Produktlinien das Programm (Sortiment) recht geschlossen,
• Sortimentstiefe: Anzahl der in den ein- denn es handelt sich nur um Automobile, aber
zelnen Produktlinien enthaltenen Artikel es ist nicht sehr breit und mit den relativ weni-
• Sortimentsgeschlossenheit: Ähnlichkeit gen angebotenen Variationen (Motorisierung,
der Produktlinien bezüglich des End- Farben, Türanzahl, Sonderausstattungen)
verbraucherzweckes, der zu ihrer Herstel- durchschnittlich, aber nicht übermäßig tief.
lung notwendigen Vorraussetzungen, des
Absatzweges oder anderer Komponenten

Abb. 27: Marktanteile in den jeweiligen


Segmenten in Prozent Abb. 28: Sortimentsanteile der DMW AG
vor Einführung des „Funny“
Um sich ein optimales Sortiment zu schaffen,
bedarf es verschiedener strategischer Ent-
scheidungen, die wie folgt ausfallen können:
8. Die Sortimentspolitik 525

8.2 Variation, Differenzierung, Längst werden nicht alle Segmente (z.B.


Diversifikation und Mittel- und Oberklasse) abgedeckt. Dieses
enge Sortiment bedeutet einerseits, dass sich
Eliminierung die DMW AG auf ihre eigenen Stärken kon-
zentriert, andererseits besteht das Risiko, sich
8.2.1 Produktvariation selbst einzuengen. Um wettbewerbsfähig zu
bleiben, werden permanent bestehende Pro-
Das bestehende Produkt wird aufgrund tech- dukte geändert und technisch verbessert.
nischer Verbesserungen oder Modeerschei- Auch die Produktdifferenzierung wird bei der
nungen geändert. Ziel ist das Aufrechterhalten DMW AG groß geschrieben. Als Beispiel
oder Wiederankurbeln des Absatzes. mag der „Shopper“ gelten, der auch mit Stu-
Mittel: fenheck und als Limousine angeboten wird.
Das geplante Elektroauto, der Geländewagen
• Änderung funktionaler oder physischer sowie der Roadster sind weitere Produktdiffe-
Eigenschaften renzierungen bzw. können aufgrund des neu-
• Zusatz besonderer Leistungen, wie z.B. en Antriebs auch als Diversifikation bezeich-
Garantien net werden. Diese Themen und einige Andeu-
• Schaffung neuer Symbolbedeutung (Um- tungen zur Produktdifferenzierung stehen in
funktionieren des Images). einem Zeitungsartikel, der die zukünftigen
Planungen der DMW AG näher beleuchtet:
Das Risiko besteht darin, dass ein Teil der siehe folgendes Beispiel.
Stammkundschaft die Maßnahmen nicht wür-
digt und verloren geht. Beispiel:
Die DMW AG mit neuer Modellpalette
8.2.2 Produktdifferenzierung
Auf der gestern gestarteten IAA, der interna-
Weitere Ausführungen kommen zu den be- tionalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt
stehenden Produkten/Dienstleistungen hinzu. am Main, gab das Vorstandsmitglied der
Ziel ist das Ansprechen verschiedener Käu- DMW AG, Herr Dr. Schümann, einige grund-
fergruppen, die Bedienung neuer Segmente legende Neuerungen in der Sortimentspolitik
und die Risikominimierung gegenüber dem bekannt.
direkten Wettbewerb. Der Vorteil liegt darin,
dass der Gesamtumsatz gesteigert wird bei Der „Single“ wird überarbeitet und im nächs-
Erhaltung des Käuferpotenzials. Allerdings ten Frühjahr mit neuem Look und verbesser-
bedeutet diese Ausweitung höhere Fertigungs- ter Technik auf dem Markt angeboten. Der
und Vertriebskosten bei gleichzeitiger Substi- „Shopper“ wird auch als Fünftürer und mit
tution, also Eigenkonkurrenz. Beispiele, unab- höherer PS-Zahl verlängert und als Groß-
hängig von der Kraftfahrzeugindustrie, sind raumlimousine angeboten. Beim „Sporty“
z.B. die Zigarettenfabrik, die ihr Sortiment um werden die Sicherheitsstandards (Beifahrer-
Mentholzigaretten erweitert, oder der Feuer- Airbag serienmäßig) und die Umweltschutz-
zeughersteller, der sein Programm um ein bestimmungen (nach US-Norm) nochmal
elektronisches Feuerzeug ausdehnt. angehoben und liegen somit, lt. Konzernaus-
sage, weit über den Anforderungen des Ge-
setzgebers und stellen sich damit wesentlich
ausgeprägter als beim Wettbewerb dar.
526 Marketing

8.2.3 Produktdiversifikation Weiterhin sagte Dr. Schümann, dass mit ei-


nem neuen Modell, dem „Funny“, ein Gelän-
Aufnahme von neuen Produkten für neue dewagen/Funcar für unter 15 000,– EUR, zu
Märkte. Ziele sind die Risikostreuung, der rechnen sei, außerdem mit dem Joy, einem
Gang in Wachstumsmärkte, der Ausgleich offenen kleinen Roadster. In wenigen Wo-
saisonaler Schwankungen, die Auslastung chen wird das Auto in den Verkaufsräumen
von Überkapazitäten, die Umgehung rechtli- stehen.
cher Restriktionen und gesetzlicher Vorlagen
sowie das Ausweichen des Wettbewerbs aus Unbestätigt blieben bisher Gerüchte, nach
gesättigten Märkten. Die Kehrseite der Me- denen demnächst auch Omnibusse und Wohn-
daille: Sie bedeutet gleichzeitig eine Maxi- wagen von der DMW AG angeboten würden.
mierung des Risikos, denn bei hohem Finanz- Auf die Frage, ob die DMW AG die Nähma-
bedarf begibt man sich auf meist unbekanntes schinenfirma Axon, die überall im Osten
Terrain, wo das Know-how fehlt. Niederlassungen unterhält, kaufen würde, gab
der Vorstandsvorsitzende keinen Kommentar
8.2.4 Produkteliminierung ab und lächelte nur weise. Erst vor einem Jahr
hatte die DMW AG Pech mit einer Übernah-
Die Produkteliminierung ist das Ausschei- me. Quasi im letzten Moment kaufte ein japa-
den von Produkten oder ganzen Sortimenten. nischer Wettbewerber den Hannoveranern ein
Als Ziele sind zu nennen: die Optimierung renommiertes französisches Zweiradunter-
des Sortimentes und die Bereinigung um nehmen (Fahrräder, Motorräder, Mopeds) vor
Produkte mit niedrigem Absatz/Umsatz, zu der Nase weg.
hohen Kosten und geringen Gewinnen/ De-
ckungsbeiträgen. Auch können die Produkte
technisch veraltert sein. Das Risiko besteht Aufgaben
darin, Artikel zu eliminieren, die zwar nicht 15. Nachdem Sie den Zeitungsartikel gelesen
lohnend sind, aber die u.U. wichtige „Um- haben, zeigen Sie auf, wie das Sortiment
satzbringer ziehen“ bzw. davon abhängig sind aussieht, träten alle Neuerungen und Ge-
(Komplementärgüter, wie z.B. Ersatzteile). rüchte ein!
16. Wenn Sie eine Sortimentseliminierung
Je innovativer die Strategie ist (Differenzie- machen, was passiert dann i.d.R. mit Ab-
rung, Diversifikation), desto mehr kann das satz, Umsatz, Ertrag, Produktivität, Per-
Unternehmen damit gewinnen, aber auch sonalstand, Gewinn, Kosten, Wirtschaft-
verlieren. Einerseits wird das Risiko minimiert lichkeit und Rentabilität? Setzen Sie die
und verteilt, andererseits nimmt der Entschei- Kennziffern vernetzt in Beziehung!
der aber auch ein höheres Risiko in Kauf. Denn, 17. Teilen Sie sich in Gruppen auf! Techni-
je weiter man sich von seinem Stammgeschäft ker, Einkäufer, Finanzfachleute, Verkäu-
entfernt, desto geringer die Erfahrung und fer, Marketingfachleute sowie der Be-
desto höher die Ungewissheit, wie die Leistung triebsrat diskutieren kontrovers, was pas-
auf dem Markt Gefallen findet und ob sie in siert, wenn das geplante Elektroauto nun
eine Kaufentscheidung mündet. doch nicht weiterentwickelt werden soll.
9. Entgeltpolitik 527

9. Entgeltpolitik
Auch Kontrahierungspolitik genannt, um- 18. Bestimmen Sie nach der Diskussion
fasst die Entgeltpolitik die Bereiche Preispo- einen Vorstandssprecher! Er soll, egal
litik und Konditionenpolitik. Sie ist ein relativ wie Ihre gemeinsame Entscheidung auch
flexibles Instrumentarium, das auch kurzfris- ausfällt, die Meinung des gesamten Gre-
tig leicht zu beeinflussen ist. miums gegenüber dem Lehrer vertreten.

Beispiel:
9.1 Die Preispolitik
Die Entgeltpolitik der DMW AG
Als kleiner, nur nationaler Anbieter, ist die
Die Preispolitik deckt zielorientierte Ent-
DMW AG darauf angewiesen, eine moderate
scheidungen über die Preislage, innerhalb
Entgeltpolitik zu betreiben. Einerseits dürfen
derer das Unternehmen operieren will, und
die Preise und Konditionen nicht zu tief aus-
über die Preisfixierung für neue Produkte
fallen, da man auf ausreichende Gewinne und
bzw. über Preisänderungen für die im Leis-
Deckungsbeiträge angewiesen ist, anderer-
tungsprogramm enthaltenen Güter ab.
seits sollten sie nicht – in Anbetracht des
harten Wettbewerbs – so hoch sein, dass die
9.1.1 Preisabhängigkeiten potenziellen Käufer zur Konkurrenz abwan-
Der Preis für ein Produkt ist von diversen dern. Allerdings ist die Markentreue im Au-
Einflussfaktoren abhängig: tomobilsektor ausgeprägt, d.h., die Wahr-
scheinlichkeit, dass ein Auto vom gleichen
• Angebotsstruktur Hersteller gekauft wird, ist zwar eher rückläu-
Je weniger Mitbewerber auf dem Markt, desto fig, aber noch recht hoch. Dennoch: Selbst
höher i.d.R. der Preis. Anbieter, die in der Vergangenheit keine
Mitbewerber ausgeprägte Präferenzstrategie gewählt haben,
sind jetzt darauf angewiesen, mit einer kon-
Das Konkurrenzverhalten, ihre Ziele, Strate- kurrenzfähigen Preispolitik im wachsenden
gien, Maßnahmen und Produkte beeinflussen Segment der Kleinwagen aktiv zu werden.
die eigene Preisfindung. Dazu kommen die Hersteller aus dem asiati-
• Käufer schen Raum, die eine immer tragendere Rolle
spielen. Ihre Vorteile liegen in den ausgereif-
Die Bereitschaft zum Kauf muss vorhanden
ten Fertigungsmethoden in europäischen
sein, der Preis muss dem Image entsprechen.
Fabriken und bei den billigen Arbeitskräften
• Staatliche Beschränkungen in den Heimatländern. Dieser relativ niedrige
• Produktlebenszyklus Kostenblock spiegelt sich in den attraktiven
Endverbraucherpreisen wider und wird gerade
In der Einführungs- und Wachstumsphase in rezessiven Zeiten für die DMW AG, deren
können aufgrund der höheren Attraktivität Autos nicht zu den Spitzenreitern zählen, was
normalerweise höhere Preise als in der Sätti- den Wiederverkaufswert angeht, zu einer
gungs- und Rückgangsphase erzielt werden. echten Herausforderung, auch wenn schwan-
kende Wechselkurse von Zeit zu Zeit ein
wenig Trost vermitteln.
528 Marketing

• Das Produkt selbst


Handelt es sich um eine Innovation, also um
eine Marktneuheit, kann der Preis höher aus-
fallen als bei einem me-too-Produkt.

9.1.2 Die Preisbildung


Der „richtige Preis“ entscheidet nicht selten
über Erfolg oder Misserfolg einer Neueinfüh-
rung. Preise werden ermittelt.
• kostenorientiert
Zu den Kosten (variable und Gemeinkosten)
wird ein gewünschter Gewinn hinzugerechnet.
Das ist zwar einfach, aber nicht praktikabel, da Abb. 29: Die Entgeltpolitik der DMW
bei geringen Mengen die fixen Kosten auf das AG
geringere Volumen umgerechnet werden.
• mitbewerberorientiert
Preisänderungen der Konkurrenz werden
imitiert. Dieses Verhalten ist häufig dann zu Zusätzliches zum Markt
beobachten, wenn der Wettbewerb hart ist,
Wenngleich die Angebote der einzelnen An-
oder es handelt sich um homogene, also aus-
bieter nicht immer vollständig vergleichbar
tauschbare Produkte, bei denen der Verbrau-
sind, z.B. durch voneinander abweichende
cher seine Entscheidung nach dem günstigs-
Ausstattungen, handelt es sich bei Kraftfahr-
ten Preis fällt.
zeugen um einen oligopolistischen Markt
• nachfrageorientiert (wenige Anbieter, viele Nachfrager). Die
Der Preis wird alleine durch Angebot und Verbraucher haben die Möglichkeit, Leistun-
Nachfrage geregelt. Gerade bei Neueinfüh- gen und Preisforderungen zu vergleichen.
rung ist allerdings schwer abzuschätzen, wie Gerade in dieser Produktkategorie werden
viel der Käufer bereit ist zu zahlen. Zur Er- günstige Anschaffungskosten zwar immer
mittlung werden im Rahmen der Marktfor- wichtiger, aber in einem Markt, in dem sich
schung Preistests durchgeführt oder Test- zahlreiche Premiumanbieter tummeln, ist das
märkte eingerichtet. Damit können Rück- nicht alles. So konnte es sich in der Vergan-
schlüsse auf die Akzeptanz von Produkt und genheit ein Hersteller in Deutschland erlau-
Preis gezogen werden. ben, seine Produkte so zu kalkulieren, dass
bestimmte technische Neuerungen eingebaut
9.1.3 Preisdifferenzierung wurden, die Kosten dafür wurden addiert, und
gekrönt wurde dies mit einem saftigen Ge-
Wird ein Artikel mit unterschiedlichen Prei- winnaufschlag. Und die Besteller freuten sich,
sen verkauft, handelt es sich um eine Preis- wenn das neue Gefährt nach einer Wartezeit
differenzierung zur besseren Ausschöpfung von mehreren Monaten plötzlich und uner-
des Marktpotenzials. wartet vor der Tür stand!
9. Entgeltpolitik 529

• Räumliche Preisdifferenzierung bedeu- Beispiel:


tet, dass auf verschiedenen Märkten (lo- DMW AG
kal, regional, national, international)
unterschiedliche Preise gefordert werden. Da das Mitbewerberverhalten kaum oder gar
nicht von der DMW AG beeinflusst werden
• Zeitliche Preisdifferenzierung heißt, dass kann, ist das Unternehmen stets darauf ange-
zu verschiedenen Zeitpunkten voneinan- wiesen, durch Rationalisierungen, z.B. schlan-
der abweichende Preise verlangt werden. ke und effektive Produktionsverfahren, die
Damit wird eine gleichmäßigere Auslas- Kosten zu reduzieren.
tung geschaffen.
Die Möglichkeiten für Preisdifferenzierungs-
• Personelle Preisdifferenzierung: Ver- strategien sind für die DMW AG als nationa-
schiedene Kunden erhalten das Produkt zu ler Anbieter beschränkt. Das Preiskonzept bei
unterschiedlichen Preisen. dem niedersächsischen Unternehmen ist so
• Verwendungsbezogene Preisdifferenzie- gestaltet, dass alle Modelle mit bestimmten
rung: Güter, die für verschiedene Zwecke Ausstattungen zu einem Fixpreis an die ge-
eingesetzt werden, haben voneinander bundenen Vertriebshändler, wenn von dort
abweichende Preise. eine Bestellung vorliegt, verkauft werden. Die
personelle Preisdifferenzierung, also z.B. das
• Preisdifferenzierung nach Produktva- Einräumen eines Mengen- oder persönlichen
rianten: Leichte Produktdifferenzierun- Rabattes, liegt alleine im Ermessen des Ab-
gen werden eingebaut, um unterschiedli- satzmittlers.
che Preise zu rechtfertigen. Sonderwün-
sche werden dadurch berücksichtigt, der Da er sich verpflichtet, die Autos zu einem
Markt differenziert bedient. Listenpreis abzunehmen, gehen diese Rabatte
alleine zu seinen Lasten, sein Gewinn und
• Preisdifferenzierung nach abgenom- seine Spanne sinken.
mener Menge: Die gleiche Ware wird
billiger angeboten, je mehr abgenommen Mit diesem Verfahren verhindert die DMW
wird. Eigentlich zur Rabattpolitik gehö- AG, dass die Produkte dem Preisverfall unter-
rend, kann durch diese Anreizfunktion liegen. Unter den Händlern kann dies aller-
der absolute Gewinn gesteigert werden. dings zu Preiskämpfen führen. Das ist dann
der Fall, wenn ein Absatzmittler dringend auf
9.1.4 Preisstrategien Umsatz angewiesen ist.
Bei den existierenden Modellen kommt einmal
Bei Neueinführungen können hauptsächlich in zwölf Monaten ein Sondermodell mit exklu-
zwei Strategien zum Einsatz kommen: siver Lackierung und spezieller Ausstattung
auf den Markt. Der Preis ist höher als bei einer
9.1.4.1 Die Abschöpfungsstrategie vergleichbaren Standardausführung, aber nied-
Bei der Abschöpfungsstrategie, auch „skim- riger, als wenn die zusätzlichen Einbauten
ming-policy“ genannt, wird in der Anfangs- separat berechnet würden. Dadurch erfolgt eine
phase ein relativ hoher Preis gefordert, der im Produktdifferenzierung. Durch gezielte Wer-
Laufe des Produktlebenszyklus zurückge- bung werden bisherige Nichtkäufer angespro-
nommen wird. Die ursprünglich hohe Kaufbe- chen. Diese Aktionen laufen jeweils zwei Mo-
reitschaft der Konsumenten wird somit „ab- nate. Sie dürfen nur zeitlich begrenzt durchge-
geschöpft“. führt werden, da das Standardmodell ansonsten
an Bedeutung verlöre und die Deckungsbeiträ-
ge relativ sinken würden.
530 Marketing

• innovatives Produkt, das sich nicht Später, bei Preissenkungen, werden auch die
vergleichen lässt Endverbraucher erreicht, die den hohen Preis
zum Start nicht akzeptierten. Die Strategie
• keine Mitbewerber in der ersten Phase
empfiehlt sich insbesondere für bisher noch
• keine oder nur wenige Produktkenntnisse nicht im Markt befindliche (Gebrauchs)-
der Verbraucher güter. Soll dieses Vorgehen erfolgreich sein,
• relativ preisunelastische Nachfrage (siehe so sind einige Voraussetzungen zu erfüllen:
9.1.5) Die Modelle der DMW AG sind auf einem
• ausreichendes Potenzial von Käufern guten technischen Stand und bei dem jeweili-
gen Markteintritt mit richtungsweisenden
• kein Image des Ausbeutens Innovationen ausgestattet worden. Aber die
• spätere Preisreduzierungen dürfen dem Mitbewerber haben bei diesen Zusatzleistun-
Image des Produktes nicht schaden. gen relativ schnell nachziehen können.
Die DMW AG führt „proaktive Preissenkun-
9.1.4.2 Die Penetrationsstrategie gen“ durch. Kommt ein neues Modell eines
Auch als „penetration-policy“ bezeichnet, ernst zu nehmenden Mitbewerbers auf den
zielt diese Strategie darauf ab, ein hohes Ab- Markt, so wird, kurz nachdem Preis und Aus-
satzvolumen mit einem niedrigen Preis zu stattung bekannt sind, das eigene Auto mit
erreichen. Das geschieht vor allem in Feldern, einer Sonderausstattung offensiv beworben.
bei denen es keine gravierenden Produktvor- Damit wird der Konkurrenz gleich „Wind aus
teile anderer Mitbewerber gibt, die Produkte den Segeln“ genommen, denn gerade im Au-
sind sich recht ähnlich. Wer diesen Weg ein- tomobilsektor ist der Start eines Modells oft
schlägt, sollte folgende Bedingungen erfüllen: entscheidend für seinen weiteren Werdegang.
• Die Nachfrage muss relativ unelastisch Bei dem „Funny“ soll eine reine Penetrations-
sein (siehe 9.1.5). strategie zum Tragen kommen, um schnell
hohe Marktanteile bei der Zielgruppe der
• Es darf kein Negativ-Image für Produkt jungen Leute mit individueller Lebensweise
und Unternehmen durch niedrigen Preis zu erzielen.
geben.
• Es darf kein noch preiswerterer Anbieter
auf dem Markt sein.
• Der Markt muss groß sein, um Absatz-
mengen und Stückkostendegression zu si-
chern.
• Andere Mitbewerberprodukte bieten keine
weiteren Vorteile.
• Langfristig sollte eine ausreichende Fi-
nanzdecke vorhanden sein, die wegen des
hohen Kapazitätsbedarfs hohe Investi-
tionssummen notwendig macht, bei nied-
rigen Gewinnen und Deckungsbeiträgen
pro Stück. Abb. 30: Abschöpfungsstrategie
9. Entgeltpolitik 531

9.1.5 Preiselastizität der Kommt das Elektroauto, ist bislang eine ex-
Nachfrage treme Abschöpfungspolitik angedacht. Zum
gegenwärtigen Zeitpunkt sind sich die Ingeni-
Die Preiselastizität der Nachfrage sagt aus, eure sicher, dass kein anderer Hersteller die-
wie die Reaktion der Nachfrage auf eine ses Mobil derart weit entwickelt hat. Eine
Preisänderung verläuft. Sie gibt an, um wie breit angelegte Marktforschungsstudie hat
viel sich eine nachgefragte Menge ändert, zudem ergeben, dass es eine große Anzahl
wenn sich der Preis ändert. von potenziellen Käufern gibt, die der Um-
Anders ausgedrückt: Die Preiselastizität der welt zuliebe bereit wären, einen relativ hohen
Nachfrage gibt die Reaktionen der Käufer auf Preis für dieses Vehikel zu akzeptieren. Wei-
Preisänderungen im Hinblick auf die Menge terer Vorteil wäre, dass sich die Entwick-
wieder. lungskosten zügiger amortisierten.
Bei preisabhängigen Produkten geht die Hoher Preis in der Einführungsphase, der
Nachfrage bei einer Preiserhöhung stark zu- im Laufe des Produktlebenszyklus sukzes-
rück, bei einer Senkung steigt die Nachfrage sive gesenkt wird
stark. Handelt es sich um Produkte, bei denen Vorteile:
der Preis eine untergeordnete Rolle spielt,
verändert sich die Nachfrage nur leicht nach • schnelle Amortisation von F&E
unten; bei einer Preisanhebung bleibt der • Realisierung schneller Gewinne/ De-
Absatz nahezu konstant. ckungsbeiträge
Generell kann gesagt werden: • geringe Kapazitäten
Je höher der Preis, desto größer die Elastizi- • hohes Image durch Symbolcharakter des
tät; je niedriger der Preis, desto kleiner die Preises
Elastizität. (Man kann sich die Umsatzentwick-
• keine spätere Preiserhöhung notwendig
lung am besten an Produkten der Lebenshal-
tung klar machen. Fällt der Brotpreis, werden • Abschöpfen der Preis- und Kaufbereit-
die Menschen trotzdem kaum mehr Brot als schaft
vorher verzehren, der Umsatz wird also nicht • geringeres Floprisiko, weil kleine Men-
oder kaum steigen. Fällt dagegen der Sektpreis, gen
so könnte es sein, dass sich sehr viel mehr Kon-
sumenten für dieses Getränk entscheiden.)

Auszug aus einer geplanten Anzeige, die den


niedrigen Kaufpreis des „Funny“ herausstellt:

Abb. 31: Werbekampagne für den Funny Abb. 32: Penetrationsstrategie


532 Marketing

Mit einem relativ niedrigen Preis wird


schnell ein hohes Absatzvolumen erreicht.
Vorteile:
• schneller Gewinn bei niedrigen Stück-
deckungsbeträgen
• Kosten sinken bei hoher Ausbringungsmenge
• potenzielle Konkurrenten werden entmutigt
• schnelles Erreichen von Marktanteilen
• Ausnutzung des Niedrigpreissegments

Aufgaben
19. Als der Preis für einen Porsche erheblich
angezogen hatte, blieb dennoch davon
die verkaufte Menge unberührt. Als die
Sektsteuer heraufgesetzt wurde, ließen
sich keine Absatzreaktionen feststellen.
Können Sie das erklären?
20. a) Als BMW in den USA den Preis
seiner Limousinen senkte, fiel auch
der Absatz. Wie ist die Reaktion der
Kunden zu begründen?
b) Als im Jahr 2006 der Benzinpreis
von einem Höchstpreis wieder fiel,
Bisher nahmen wir an, dass bei sinkendem haben Konsumenten dennoch kaum
Preis die Nachfragemenge wächst. In diesem mehr getankt. Begründung?
Fall hat die Nachfragekurve einen von links
oben nach rechts unten fallenden Verlauf. Wir
sprechen von normal elastischer Nachfrage.
Normal elastisch ist die Nachfrage deshalb,
weil wir annehmen, dass die meisten Güter
bei sinkendem Preis mehr und bei steigendem
Preis weniger nachgefragt werden.
Für einige Güter gilt, dass bei steigendem
Preis die Nachfrage zunimmt und umgekehrt
bei sinkendem Preis auch die Nachfrage sinkt.
Wir sprechen dann von einer anomal elasti-
schen Nachfrage. Die Nachfragekurve steigt
von unten links nach oben rechts.
Abb. 33: Die Abhängigkeit von Preis und
Menge Abb. 34: Die abgesetzte Menge bei un-
Quelle: Tiedtke/Witthoff: Industriebetriebs- terschiedlichen Preisen
lehre, S. 301
9. Entgeltpolitik 533

9.2 Die Konditionenpolitik

Als Mittel der indirekten Preispolitik kann die Die DMW AG setzt als Mittel zur Absatzför-
Konditionenpolitik ganz flexibel eingesetzt derung eine aktive Konditionenpolitik ein, die
werden, gerade wenn große Mengen verhan- allerdings gerade in Zeiten des Abschwungs
delt werden. Nachfolgend die wichtigsten auch von den Mitbewerbern wahrgenommen
Bestandteile: wird. Um Kapazitäten zumindest auszulasten
und die Kosten für die Lagerhaltung zu be-
9.2.1 Rabattpolitik grenzen, unterbieten sich die Händler in Ab-
stimmung mit den Herstellern mit Preisen und
• Funktionsrabatte Rabatten sowie Finanzierungsmodellen. Der
• Mengenrabatte Käufer wird durch niedrige Anzahlungen über
eine lange Laufzeit mit niedrigen Raten ge-
• Zeitrabatte lockt. Auch die Leasingkonditionen gestalten
• Aktionsrabatte sich dann entsprechend dem Verhältnis von
Angebot und Nachfrage recht günstig. Große
• Treuerabatte
Taxi- und Fuhrunternehmen (das gilt nicht für
die DMW AG, weil das Unternehmen keine
9.2.2 Absatzkreditpolitik adäquaten Modelle anbietet) erhalten Men-
• Kreditform gen- und Treuerabatte. Bevorzugt behandelt
werden von der DMW AG zwei national
• Kreditlaufzeit agierende Mietwagenfirmen, die erstmalig im
• Kreditabwicklung letzten Jahr zu Sonderkonditionen Großauf-
träge für den „Sporty“ platziert haben.
• Kreditnehmer

9.2.3 Zahlungsbedingungen
• Zahlungsfristen Aufgabe
• Zahlungsweise 21. a) Die Elastizität (e) wird ermittelt,
indem die relative (prozentuale) Än-
• Zahlungssicherungen derung der Nachfrage durch die rela-
• Inzahlungnahme tive (prozentuale) Änderung des
Preises geteilt wird. Was für Elastizi-
9.2.4 Lieferbedingungen tätsverhältnisse liegen vor, wenn
• e größer als 1 ist
• Ort der Lieferübernahme
• e kleiner als 1 ist und
• Verpackungs-, Fracht- und Versiche-
rungskosten • e gegen 0 strebt?
• Mindestmengen b) Welchen Zeitraum würden Sie bei der
Elastizitätsbetrachtung als noch ak-
• Umtausch- und Rückgabemöglichkeiten zeptabel ansehen, wenn es darum
• Konventionalstrafen geht, sich auf den Markt einzustellen?
534 Marketing

Abb. 35: Wie die Preise und Konditionen bestimmt werden, und wovon sie abhängig sind

10. Distributionspolitik
Ist die Entgeltpolitik eher kurzfristiger Natur, Beispiel:
so müssen die distributionspolitischen Kon-
Ausnahmsweise werden Sie an dieser Stelle
zepte langfristig angepackt werden, da mit der nicht erfahren, wie die DMW AG ihre distri-
Wahl der Vertriebssysteme weit reichende butionspolitischen Probleme gelöst hat. Auf
Konsequenzen vollzogen werden.
der linken Seite haben sie den theoretischen
Die Distributionspolitik behandelt alle Ent- Teil gelesen – stellen Sie sich nun der folgen-
scheidungen, die im Zusammenhang mit dem den Aufgabe.
Weg eines Produktes zum Endverkäufer ste-
hen. Sie umfasst sowohl die Wahl der Absatz- Aufgabe
wege, Absatzformen und Vertriebssysteme als 22. Bereiten sie in Gruppen von 3–5 Perso-
auch die physische Distribution/Logistik. nen einen umfassenden Vorschlag vor,
wie die DMW AG ihre Distributionspoli-
tik in Bezug auf Vertriebssysteme, Ab-
10.1 Absatzwege satzwege und Absatzformen gestalten soll!
Schauen Sie sich auch an, wie in Deutsch-
Grundsätzlich kann der Hersteller seine Pro- land die Automobilindustrie verfährt!
dukte direkt oder indirekt absetzen. Von ent- Würden Sie etwas anders gestalten? Soll
scheidender Bedeutung bei der Wahl sind die DMW AG genauso handeln oder be-
vier Komponenten: wusst einen anderen Weg einschlagen?
10. Distributionspolitik 535

• die Wirtschaftlichkeit, also das Verhält- Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe!


nis von Kosten zu Leistungen Nach 20 Minuten kommen Sie zu einer Mei-
• die Kunden und deren Vorlieben, wo, nung. Nutzen Sie weitere 10 Minuten, um
wann und wie sie einkaufen Ihren Vorschlag zu skizzieren!
• die Marktabdeckung, denn die Ware Ihre anschließende Präsentation des Gruppen-
sollte dort erhältlich sein, wo Nachfrage sprechers sollte 5 Minuten nicht überschrei-
besteht. Gegenüber Mitbewerbern soll ten. Viel Spaß!
eine starke Position, z.B. eine breite Wa-
renpräsenz, erzielt werden
• die Kontrolle, der Hersteller möchte in
der Regel seine Erzeugnisse bis zum
Konsumenten kontrollieren, um seine
Strategie voll durchsetzen zu können und
beispielsweise das Produkt nicht zu „ver-
ramschen“.

10.1.1 Der direkte Absatz


Der direkte Absatz liegt immer dann vor,
wenn der Hersteller den Vertrieb bis zum
Endverbraucher in eigener Regie durchführt.
Der Hersteller übernimmt dann folgende
Funktionen selbst:
• Festlegung von Preis- und Lieferbedin-
gungen
• Werbung, Präsentation, Erklärung und
Verkauf
• Lagerung und Lieferung
• Serviceleistungen wie Installation, Um-
tausch, Reparatur, Unterhaltung
• Kreditierung und Inkasso.
Diese Aufgaben verursachen hohe Kosten,
bedeuten aber gleichzeitig eine gute Kontrol-
le. Neben dem Dienstleistungssektor ist der
Direktabsatz stark vertreten bei erklärungsbe-
dürftigen Anlagegütern und qualifizierten
Gebrauchsartikeln.
Die Ware wird dann i.d.R. ab Fabrik, in der
eigenen Filiale, aus dem Katalog oder an der
Tür bzw. auf der Party verkauft. Der Verkauf
über das Internet verzeichnet bei bestimmten
Warengruppen (CDs, Bücher, Reisen) be-
trächtliche Absatzsteigerungen. Abb. 36: Absatzwege
536 Marketing

10.1.2 Der indirekte Absatz


Werden Erzeugnisse über den Handel oder
rechtlich selbstständige Kaufleute vertrieben,
spricht man vom indirekten Absatzweg.
Dabei werden eine oder mehrere Zwischen-
stufen eingesetzt, um die Produkte an den
Letztabnehmer zu befördern. Beim Einstufen-
absatz wird ein Zwischenglied genutzt, z.B.
der Einzelhändler; beim Zweistufenabsatz
sind es beispielsweise Groß- und Einzelhänd-
ler, die zwischen Hersteller und Konsumenten
die Ware weiterleiten. Je mehr Stufen, desto
geringer die Kontrolle. Trotzdem werden
Zwischenglieder eingesetzt, denn
• fehlt es den Produzenten an Kapital, ein
eigenes Vertriebsnetz aufzubauen, ist es
leichter, ein existierendes und etabliertes
Abb. 37: Schematische Darstellung der
System zu nutzen
Absatzwege mit ein- und zwei-
• auch wenn bestehende Mittel vorhanden stufigem indirektem Absatz
sind, kann der fremde Vertrieb eine höhe-
re Rentabilität bedeuten
• sind die Sortimente der Hersteller tief,
aber nicht breit, wirken sie für den Kon-
sumenten – trotz der zunehmenden Spe-
zialisierung und Segmentierung – alleine
präsentiert oftmals unattraktiv.
Die Händler haben auch Erzeugnisse anderer
Unternehmen im Sortiment. Das garantiert
eine breite, attraktivere Angebotspalette.
• Der Händler hat Erfahrung im Umgang
mit Kunden, gute Geschäftskontakte, ein
spezielleres Know-how und kennt sich
bei der Warenpräsentation aus.
• Der Händler ist vor Ort, d.h., der Konsu-
ment kann die Ware an seinem Wohnort
bzw. in seiner Nähe erwerben, ohne eige-
ne Kosten für den Transport und mehr
Zeit in Kauf nehmen zu müssen.
• Auch volkswirtschaftlich bedeutet die
Verteilung über Absatzmittler eine Kosten
sparende Arbeitsteilung, denn die Kontak-
te verringern sich, und die Umwelt wird
Abb. 38: Absatzwege ohne und mit
vergleichsweise weniger belastet.
Absatzmittlern
10. Distributionspolitik 537

10.1.2.1 Der Großhandel Aufgaben


Der Großhandel fasst das Warenangebot 23. Im Großhandel unterscheidet man Spezi-
einer oder mehrerer Branchen zusammen. Er alhandel und Sortimentshandel (vgl. Abb.
verkauft weiter an den Einzelhandel, Gewerbe- 36).
treibende sowie Großverbraucher (Kranken-
Versuchen Sie herauszufinden, worin der
häuser, gastronomische Betriebe). Er über-
Unterschied besteht!
nimmt vom Hersteller die Aufgaben der Sortie-
rung, Lagerhaltung, Lieferung und Kreditie- 24. a) Wie Sie aus demselben Schaubild
rung. Durch seine Hilfe kann der Hersteller entnehmen können, ist der Einzel-
u.U. seinen Außendienst reduzieren, die Ab- handel sehr differenziert.
nahmemengen sind i.d.R. hoch. Wie erklären Sie sich, dass es heute
immer noch genügend Spezialge-
10.1.2.2 Der Einzelhandel schäfte gibt, obwohl diese höhere
Der Einzelhandel beliefert die Privathaushal- Preise verlangen?
te. Es gibt mehrere Typen, die sich insbeson- b) Definieren Sie die beiden Begriffe
dere durch Sortimentsbreite und -tiefe, die Fachgeschäft und Gemischtwarenla-
Preisgestaltung, den Servicegrad und den den!
Standort unterscheiden.
Hersteller Händler
Der Einzelhandel begegnet uns in vielen Va- Distribu- - hohe Bestellmen- - schnelle Lieferung
riationen, mit denen sich der Konsument tion gen auch kleiner Men-
versorgt. Ob es eigenständige Supermärkte - i.d.R. intensive gen
Distribution - gleichmäßige
sind oder Filialbetriebe (z.B. solche von Ede-
- Hervorhebung der Platzierung
ka, Lidl, Aldi, Plus, Minimal, Sky usf.) oder eigenen Produkte - Hervorhebung
Fachgeschäfte, also typische Einzelhandels- - Hervorhebung des ausgewählter Mar-
geschäfte, sie tragen zur Vielfalt des Ange- ganzen Sortiments ken
- Schaffung eines - Profilierung der
bots bei. Fest allerdings steht, dass das typi-
hohen Marken- eigenen Einkaufs-
sche Geschäft um die Ecke, der Tante-Emma- images stätte
Laden, ausstirbt. - Bildung positiver - Erhöhung der
Einstellungen Kaufbereitschaft
Entgelt - seriöse Preisgestal- - punktuell aggres-
10.2 Vertriebssystem tung sive Preise
- einheitliche Preise - punktuelle Preis-
- angemessene differenzierung
Drei Möglichkeiten stehen dem Hersteller als Handelsspannen - hohe Handels-
spannen
Alternativen zur Verfügung: Produkt - hohes Image von - Sortimentsimage
• Intensiv: Das Produkt wird sehr breit Marke und Produkt - gemäßigte Innova-
- hohe Innovations- tionsrate
angeboten, die maximale Marktabde- rate - Förderung von
ckung soll erfüllt werden. - Förderung eigener Handelsmarken
Marken
• Exklusiv: Bewusste Einschränkung auf Kom- - Erhöhung der - Erhöhung der
einen Händler für ein definiertes Gebiet, munika- Produkttreue Händlertreue
bietet sich für sehr hochwertige, image- tion - nationale Bekannt- - lokale/regionale
trächtige Marken an. heit Bekanntheit
- positive Abgren- - positive Abgren-
• Selektiv: Mischform zwischen intensi- zung gegenüber zung gegenüber
vem und exklusivem Vertrieb, ausge- anderen Marken anderen Händlern
wählte Händler/Vertriebssysteme werden Abb. 39: Ziele und Erwartungen von
beliefert. Herstellern und Händlern
538 Marketing

10.3 Die Absatzformen Aufgaben


25.
Drei Formen gibt es:
• betriebseigene Verkaufsorgane, z.B.
Mitglieder der Geschäftsleitung, Key-
accounter, Reisende, Automaten, Ge-
schäfte, Telefonverkauf, schriftliche Be-
stellung
• Absatzvermittler wie Handelsvertreter
(selbstständige Kaufleute, die im Namen
einer Firma Geschäfte unter fremden
Namen anbahnen)
• Kommissionäre (Verkauf im eigenen
Namen für fremde Rechnung)
• Makler, die Verkäufer und Käufer meist
fallweise zusammenbringen und bei Ab-
schluss eine Provision erhalten
• betriebsfremde Verkaufsorgane wie
der Groß- und Einzelhandel (siehe 10.1)

10.4 Physische
Distribution/Logistik

Wie welche Produkte physisch vom Herstel-


ler zum Endverbraucher transportiert werden,
und wie sie in welchen Mengen gelagert wer-
den, hängt von diversen Einflussfaktoren ab:
• vom Markt (Art und Größe des Verkaufs-
gebietes, Kaufgewohnheiten, Struktur des
Handels, Systeme der Mitbewerber)
• vom Unternehmen (Standort, Stellung im
Markt, Finanzkraft, Sortimentsstruktur)
• von den Produkten (Gewicht, Konsistenz,
Sperrigkeit, Verderblichkeit, Empfind-
lichkeit).
Die Entscheidungen innerhalb der Distributi-
on, also Fragen zu geeigneten Vertriebssyste-
men, Absatzformen und Absatzwegen, sowie
die Logistik sind eng miteinander verknüpft Abb. 40: Zwei Stellenanzeigen
und müssen ganzheitlich aufeinander abge-
stimmt sein. Und das natürlich auch mit den a) Wer wird hier gesucht? Skizzieren
anderen Komponenten des Marketing-Mix. Sie die Positionen!
11. Kommunikationspolitik 539

b) Ordnen Sie die Personen in die Ab-


satzformen ein!
26. Bitte sehen Sie sich diese Anzeige (links)
an!
Zunächst wird ein Handelsvertreter ge-
sucht, dann ein Gesundheitsberater. Was
halten Sie von diesem Anzeigenteil? Ge-
Abb. 41: Aus einer historischen Anzeige ben Sie Begründungen ab!

11. Kommunikationspolitik
Das Produkt ist marktreif, die Distributions-
wege sind gewählt, und es ist erhältlich. Jetzt
gilt es, den Verbraucher darüber zu informie-
ren und das Produkt „in einem guten Licht zu
präsentieren“. Dafür stehen verschiedene
Möglichkeiten zur Auswahl: Werbung, Ver-
kaufsförderung (VKF), Publicrelations
(PR), Sponsoring, Webauftritt oder die
Kombination von Möglichkeiten. Wie auch
immer, hierbei handelt es sich um den Kom-
munikationsmix.
Die Kommunikationspolitik befasst sich mit
der Übermittlung von Informationen an Kun-
den, Verbraucher und die Umwelt, um Mei-
nungen, Einstellungen, Erwartungen und Abb. 42: Kommunikationspolitik
Verhaltensweisen zu steuern.
Ergänzendes
Autos sind faszinierende Produkte, haben
11.1 Werbung weltweit das 20. Jahrhundert geprägt und stel-
len in der heutigen Zeit zugleich Fluch und
Werbung ist der Einsatz besonderer Werbe- Segen dar: Einerseits sorgen sie für die Mobili-
mittel mit dem Ziel, das Interesse von Perso- tät des Einzelnen und Wohlstand für die Gesell-
nen bzw. Gruppen für bestimmte Produkte schaft, andererseits tragen sie erheblich zur
und Dienstleistungen zu wecken und dabei Umweltverschmutzung bei. Nach dem zweiten
positive Reaktionen auszulösen und zum Weltkrieg hat Deutschland ganz besonders von
Kauf der Güter zu veranlassen. seiner starken Automobilindustrie profitiert.
Autos „Made in Germany“ sind nach wie vor
ein Gütesiegel für hohe Qualität, etwa jeder
siebte Arbeitsplatz ist in irgendeiner Weise
von dieser Branche abhängig.
540 Marketing

Werbung soll vor allem informieren (über Das Image eines Unternehmens und seiner
ein Produkt, über Preisänderungen, verbesser- Fabrikate hat einen entscheidenden Anteil am
te Leistungen, neues Design etc.), überzeugen Absatzerfolg. Nur so ist das Engagement etwa
(nämlich von den Vorteilen und dem hohen der Motoren- und Reifenhersteller in der
Nutzen) und erinnern (dann, wenn das Pro- teuren Formel 1 zu erklären. Vorteile gegen-
dukt i.a. bekannt ist, aber der Verbraucher hin über den Mitbewerbern erzielt in dieser Bran-
und wieder „einen Anstoß braucht“). che nur der, der kommunikativ aktiv ist. Im
Bei den Umworbenen soll letztendlich der Allgemeinen erinnert man sich an Werbespots
Kaufentschluss ausgelöst werden, was auch in der Autoanbieter nicht nur am besten, sondern
der sog. AIDA-Formel zum Ausdruck kommt. sie werden auch am positivsten eingestuft. So
Zunächst erlangt der potenzielle Käufer konnten die befragten Personen in einer re-
Kenntnis von dem Produkt („attention“), viel- präsentativ angelegten Studie durchschnittlich
leicht interessiert er sich dafür („interest“), er acht Automarken nennen. In der Regel kom-
verspürt den Wunsch, es zu erwerben („desi- men den Konsumenten nur zwei bis vier
re“) und führt den Kauf durch („action“). Marken pro Branche in den Sinn.
Absatzwerbung wird vorwiegend als Einzel- Gemäß der hohen Bedeutung und Akzeptanz
werbung betrieben. Werben mehrere Unter- und des harten Wettbewerbs ist auch die
nehmen für gleichartige Produkte, handelt es DMW AG gezwungen, sehr hohe Etats so-
sich um Gemeinschaftswerbung. Als dritte wohl für Werbung, PR, Sponsoring, einen
Möglichkeit sei die Verbundwerbung ge- professionellen, aktuellen Webauftritt, Mes-
nannt, bei der mindestens zwei Unternehmen sen, Dialogmarketingaktivitäten VKF bereit-
mit unterschiedlichen Produkten gemeinsam zustellen.
auftreten.

11.1.1 Durchführung einer


Werbekampagne

11.1.1.1 Ziele
Werbeziele sind Teilziele der Unternehmens-
und Marketingziele und müssen darauf abge-
stimmt sein.

11.1.1.2 Etat
Damit die Werbung einen größtmöglichen
Erfolg hat, sollten die knappen Werbegelder,
der sog. Etat oder das sog. Budget, so be-
messen sein, dass die realistischen Werbeziele
auch erreicht werden. Abb. 43: Was die Werbung bezweckt
11. Kommunikationspolitik 541

11.1.1.3 Die Werbebotschaft Gerade ist die Kommunikationsstrategie für


Steht der Etat fest, wird die Werbebotschaft, den „Funny“ von dem Vorstand, erarbeitet
das ist die grundsätzliche Argumentation und von der Marketing- und Werbeabteilung in
Positionierung, erarbeitet. Hier geht es vor Zusammenarbeit mit externen Werbe-, Me-
allem darum, der gewünschten Zielgruppe dia-, VKF- und PR-Agenturen, genehmigt
Sinn und Zweck des Produktes sowie Nutzen worden. Hier einige wichtige Auszüge:
und Vorteile deutlich herauszustellen. Zentra- „Der „Funny“ soll innerhalb eines halben
le Botschaften können z.B. abgeleitet werden Jahres eine Bekanntheit von 25% in Deutsch-
von: land erreichen. Nach 12 Monaten soll er den
• dem Produkt (Qualität, Preis, Leistung, Marktführer in dem Segment überflügeln und
Vorteile gegenüber anderen Angeboten) sich als moderner, frischer und preiswerter
Geländewagen/Funcar „Made in Halle“ etab-
• den Botschaftsempfängern (z.B. Män- liert haben. Die DMW AG will ihr Image mit
ner/Frauen, Kinder/Erwachsene, soziale diesem neuen Modell ausbauen: In der jähr-
Gruppen, Einkommensschichten) lich stattfindenden Marktforschungsstudie
• den Bedürfnissen, die das Produkt befrie- soll das Unternehmen unter den ersten sechs
digt (Sicherheit, Grundbedürfnisse, sozia- innovativsten Anbietern genannt sein. Die
le Anerkennung) Kommunikation soll so ausgerichtet sein, dass
nicht nur Endverbraucher, sondern auch die
• den Botschaften der Konkurrenten (Schaf- Presse, Händler, Verkäufer und die eigenen
fung neuer, noch nicht verwendeter Bot- Mitarbeiter sich voll mit dem „Funny“ identi-
schaften oder die Nachahmung erfolgrei- fizieren. Das bedeutet, dass alle Register der
cher und bewährter Ansprachen der Kon- Kommunikation, also Werbung, VKF, PR
kurrenz (siehe me-too-Produkt). und Sponsoring, gezogen werden. Dabei sind
die ersten zwei Monate von entscheidender
11.1.1.4 Werbemittel und Werbeträger Bedeutung, denn das „Rundum-Paket“ aller
Bei der Planung ist nicht nur wichtig, was Maßnahmen soll mit mehreren Paukenschlä-
gesagt werden soll (Werbebotschaft), sondern gen das jeweilige Zielpublikum erreichen.
auch, wo geworben wird, also welche Wer- Die Einführungskampagne führt zu Kosten in
bemittel und -träger zum Einsatz kommen Höhe von 20 Mio. EUR. Die Werbebotschaft
sollen. Werbeträger sind solche Gegenstände lautet: „Der „Funny“ ist das moderne und
oder Einrichtungen, durch die der Kontakt preiswerte Funcar „Made in Halle“, beste
zwischen dem Werbenden und dem Umwor- Technik, Komfort, Sicherheit und Umwelt-
benen hergestellt wird. Werbemittel sind schutz zum unschlagbar günstigen Preis.“
persönliche oder gegenständliche Ausdrucks-
formen wie Ton, Text und Bild.
Die optimalen Mittel und Träger oder die
beste Kombination sollten ausgesucht wer- Aufgabe
den. Kriterien dafür sind: 27. Beurteilen Sie die Einführungskampagne!
542 Marketing

• Das Produkt:
Wie groß und homogen ist die Zielgrup-
pe? Wird die Leistung lokal, regional, na-
tional oder international angeboten? Mit
welchen Werbemitteln lässt sich das Pro-
dukt am besten darstellen?
• Die Mediengewohnheiten der Zielgrup-
pen
• Die Gestaltung, das Image und die
Erscheinungsweise der Werbemittel
• Die Werbebotschaft
• Die Kosten: Was kostet die Maßnahme
absolut und im Verhältnis zu anderen
Werbemitteln unter Berücksichtigung der
Abb. 44: Der Ablauf einer Werbekam-
Ziele?
pagne
11.1.1.5 Die kreative Umsetzung
Werbeträger Werbemittel
Jetzt kann die Umsetzung erfolgen. Dazu
- Fernsehen - TV-Spot
erarbeiten Fachleute aus der eigenen Werbe- - Kino - Kinospots, Dia
abteilung oder aus beauftragten, externen - Rundfunk - Radiospots
Werbeagenturen die Vorschläge, die sich - Zeitungen, Zeit- - Inserate, Anzeigen
nach Produkt, Zielgruppe, Argumentation, schriften, Bücher, - Werbegeschenke,
Kalender Abzeichen
Werbemittel und Werbeträger richten und - Gebäude, Verkehrs- - Plakat
sich in Stil, Form, Formulierung und Ton mittel, Messen, Ban- - Prospekte
unterscheiden. ken, Ausstellungen
- Sportler, Verwender
Dieses „wie“ sollte qualitativ so ausfallen, - Litfaßsäulen, Wände
dass sich der potenzielle Käufer dieses Ange- - Tragetaschen
bot wünscht, es originell und aktuell findet, es Abb. 45: Werbemittel und Werbeträger
sich übersichtlich und verständlich darstellt
und es ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit
aufweist.
Zum Start der Einführungskampagne produ-
ziert die DMW AG entsprechende Werbemit-
11.1.1.6 Die zeitliche Verteilung
tel. Dabei wird der Schwerpunkt auf Fernseh-
Hier unterscheidet man zwischen Mikro- und und Kinowerbung gelegt, deren Ausstrahlung
Makroplanung. zwar absolut teuer ist, aber ein breites Publi-
Zu den Möglichkeiten der Makroterminpla- kum erreicht und mit optischen und visuellen
nung: Eindrücken eine hohe qualitative Wirkung
erzielt. Anzeigen in Publikumszeitschriften
• Prozyklische Werbung bedeutet, dass werden ebenfalls „geschaltet“. Zur Abrun-
die Werbung desto intensiver ist, je stär- dung werden in den ersten acht Wochen eine
ker der Umsatz/Absatz verläuft. Vielzahl von Plakatwänden gebucht und
Der Nachteil besteht darin, dass der sin- Rundfunkspots ausgestrahlt. Das sind Werbe-
kende Umsatz bei geringerer Werbung träger bzw. Medien, die für eine schnelle und
noch stärker fällt. flächendeckende Bekanntheit sorgen.
11. Kommunikationspolitik 543

• Bei der antizyklischen Werbung nimmt Ergänzendes zur Neueinführung


die Werbeintensität bei sinkenden Um- Gerade bei einer Neueinführung empfiehlt es
sätzen zu und bei steigenden Umsätzen sich, am Anfang konzentriert zu werben, weil
ab. Das hat einen stabilisierenden Cha- das neue Produkt mit großer Unterstützung
rakter, allerdings führen bei schwachen bekannt gemacht werden soll. Streng genom-
Umsätzen hohe Werbeausgaben zu er- men handelt es sich hierbei um ein antizykli-
heblichen Belastungen. sches Verhalten, da die Ab- und Umsätze in
• Gemischt prozyklisch und antizyklisch der Einführungsphase noch gering ausfallen
bedeutet extrem hohe Werbeausgaben. und die Kommunikation dazu beitragen soll,
sie zu steigern.
• Nach dem Nivellierungsprinzip werden
die Ausgaben unabhängig von der Um-
satzentwicklung bestimmt.
Bei der Mikroterminplanung, der Einteilung
innerhalb kürzester Zeiteinheiten, kann man
unterscheiden zwischen:
• konzentriert, also zeitlich begrenzt und
dann intensiv
• kontinuierlich
• intermittierend, z.B. kurze intensive Ak-
tionen in unregelmäßigen Abständen
• Kombination der drei o.g. Möglichkeiten.

11.1.1.7 Die Werbeerfolgskontrolle


Mit Hilfe dieser Kontrollen kann das Unter-
Abb. 46: Die zeitliche Verteilung der
nehmen feststellen, ob die Werbeziele erreicht
Werbung
worden sind (Post-test) bzw. ob die Werbung
Erfolg verspricht (Pre-test). Die begleitende
Pre-test der DMW AG
und nachträgliche Kontrolle kann auch Erfah-
rungswerte für künftige Werbekampagnen Bei einem derart hohen Etat werden die Ges-
liefern. Als Instrumentarien aus der Marktfor- taltungsentwürfe der betreuenden Werbeagen-
schung bieten sich beispielsweise an: Befra- tur bereits durch Pre-tests beim Verbraucher
gungen und Gruppendiskussionen mit poten- getestet. Schließlich will die DMW AG sicher
ziellen oder tatsächlichen Verwendern, Test- gehen, dass sie das Werbegeld sinnvoll und
käufe und Vorführungen oder die direkte effizient anlegt.
Ermittlung des Erfolges anhand der Käufe. Und noch eins: Gegenüber den kritischen
Allerdings kann man kaum mit ganz eindeuti- Händlern sollen die guten Ergebnisse dieser
gen, schlüssigen Beweisen rechnen. Norma- Tests positiv herausgestellt werden und die-
lerweise muss sich der Werbecontroller mit nen als zusätzliches, internes Verkaufsargu-
Mutmaßungen und Schätzungen begnügen, da ment. So führt die DMW AG im gesamten
neben der Werbung auch andere Faktoren Bundesgebiet sowohl repräsentative Einzelbe-
Anstoß zum Kaufentschluss geben können fragungen als auch Gruppendiskussionen mit
(z.B. Preisaktionen der Mitbewerber, Witte- Vertretern der potenziellen Zielgruppen – in
rungsverhältnisse bei Saisonprodukten wie erster Linie abenteuerlustige Männer im Alter
Softdrinks oder Eiscreme). zwischen 20–29 Jahre – durch.
544 Marketing

11.2 Die Verkaufsförderung Glücklicherweise hat die Werbeagentur gute


Arbeit geleistet. Die Werbebotschaft wird voll
verstanden, die Resultate lassen auf eine er-
Verkaufsförderung umfasst alle zeitlich be- folgreiche Werbekampagne hoffen!
grenzten, kurzfristig mengenwirksamen Son-
deraktivitäten, die den Verbraucher und/oder Verkaufsförderung
Handel direkt oder indirekt aktivieren. Handel Verbraucher
- Gewährung von preisorientiert nicht preisorientiert
Der Vollständigkeit halber können Sonder- Rabatten - Sonderpreise - Produktproben
- Gewährung von - Bonus-Packungen - sofortige Zugaben
formen wie Messen, Ausstellungen und Di- Distributionshilfen - Coupons - Zweitnutzer-
rektwerbung zur Verkaufsförderung hinzuge- - Zweitplatzierungs-
vergütungen
- Treuerabatte Verpackungen
- Zugabe nach
zählt werden. - Serviceleistungen Treuekäufen
durch - self liquidating offer
Verkaufsförderung, auch Promotion ge- Propagandistinnen - Preisausschreiben
- Handelswerbung
nannt, soll sowohl den Hineinverkauf vom - Wettbewerbe
- Preissausschreiben
Hersteller zum Absatzmittler („pull-Effekt“) - Geld-/Sach-
als auch den Hinausverkauf vom Absatzmitt- leistungen

ler zum Käufer („push-Effekt“) forcieren. Abb. 47: Was Verkaufsförderung um-
Bei der erstgenannten Handels-VKF werden fasst
in erster Linie folgende Ziele verfolgt: Auf-
und Ausbau der Distribution, attraktive Plat-
Die o.g. Beispiele bieten sich besonders für
zierung (Regal- und Zweitplatzierung), La-
Waren des täglichen Bedarfs an – bei Autos
gerdruck ausüben, hohe Attraktivität des
sind sie wenig passend. Die DMW AG führt
Artikels demonstrieren.
Verkaufsförderungsaktionen im weitesten
Die Konsumenten-VKF soll vor allem Pro- Sinne durch: So wird der „Funny“ auf der
bierkäufe steigern, Wiederholungskäufe er- Internationalen Automobil-Ausstellung in
leichtern und die Kauffrequenz und –bereit- Frankfurt, dem Genfer Autosalon und der
schaft erhöhen. Pariser Autoshow in einem repräsentativen
Rahmen dem Publikum vorgestellt.
11.3 Publicrelations In Zusammenarbeit mit den DMW-Händlern
wurde ein VKF-Paket vor Ort „geschnürt“:
Die bisherigen Kunden werden angeschrieben
Publicrelations ist das bewusste und legitime (Direktmarketing) und erhalten eine Einla-
Bemühen um Verständnis sowie um Ausbau dung zu einem „Fun-Tag“ mit dem „Funny“
und Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit. in der jeweiligen Verkaufsfiliale. Aber auch
PR richtet sich nach außen an die Öffentlich- persönlich vereinbarte Probefahrten und das
keit, Kunden und Verbraucher sowie Mei- Drumherum spielen eine wichtige Rolle, um
nungsbildner (Politiker, Journalisten etc.) und das neue Modell dem potenziellen Kunden-
nach innen, z.B. an die eigene Belegschaft. kreis vorzustellen und näher zu bringen.
11. Kommunikationspolitik 545

So können Unternehmen, Marken, Produkt- Zwei Monate vor der Auslieferung werden
gruppen oder Produkte im Ansehen gesteigert die Redakteure aller bedeutenden Autozeit-
werden. Als PR-Mittel bieten sich an: Pros- schriften zu einer „Fun-Party“ eingeladen.
pekte, Anzeigen, Artikel, Geschäftsberichte, Die Journalisten der großen Tageszeitungen
Vorträge, Messen, Ausstellungen, Pressekon- führen das gleiche Programm eine Woche vor
ferenzen. der Einführung durch. Die Verkaufszeit ist
Jede PR-Aktion sollte folgende Vorausset- hier durch die tägliche Erscheinungsweise
zungen erfüllen: und das einfachere Druckverfahren kürzer.
Auf diesen Partys lernen die Presseleute zu-
• aktuell sein nächst das umweltschonende Herstellungsver-
• einen Neuigkeitswert mit hohem Infor- fahren und das Recyclingkonzept in der Fab-
mationsgehalt klar und deutlich aufwei- rikationsstätte Halle kennen und werden dann
sen in einem, in lockerer Atmosphäre geführten,
Pressegespräch von dem Vorstandsmitglied
• verwertbar und auf das jeweilige Medium Dr. Schümann, dem Technikchef Ingenieur
abgestimmt sein. Karl-Heinz Rudolph und dem Designer Carlo
Ventura über den „Funny“ informiert. Danach
11.4 Sponsoring fährt die Gesellschaft zum nahe gelegenen
Flugplatz, um von dort in drei gecharterten
Flugzeugen nach Südfinnland zu fliegen, wo
Unter Sponsoring wird eine Art Schirmherr- sich die Journalisten selbst von den Vorzügen
schaft bzw. Patenschaft verstanden. des neuen DMW-Autos bei einer Rallye über-
Um seine eigenen Marketing- und Kommuni- zeugen können. Nach fünf Stunden Spaß und
kationsziele voranzutreiben, werden Perso- einem opulenten Buffet geht es zurück in die
nen, Organisationen oder Veranstaltungen im Heimat – die positive Grundeinstellung ist
sportlichen, kulturellen oder sozialen Bereich erreicht, und die DMW AG hofft, dass sich
„gesponsert“. der „Funny“ in seiner Klasse zum „Auto des
Jahres“, gewählt von den Journalisten, durch-
Das bedeutet, dass Geld, Sachzuwendungen,
setzen wird, was als zusätzliches Verkaufsar-
Know-how oder Dienstleistungen bereitge-
gument gewertet werden darf.
stellt werden und dies entsprechend kommu-
nikativ dargestellt wird. Die DMW AG verfügt über einen eigenen
kleinen Verkäuferstab in den eigenen Nieder-
lassungen, hat aber auch eine Reihe von regi-
11.5 Persönlicher Verkauf onalen Repräsentanten, die einen engen Kon-
takt mit den Händlern pflegen. Ausgestattet
Mündliche, schriftliche oder telefonische mit einer vorzüglichen Ausbildung und Schu-
Präsentation mit potenziellen Käufern, um lung, die sich durch Fachkenntnis und Ver-
einen Verkaufsabschluss zu erzielen. handlungsgeschick äußert, nehmen diese
Repräsentanten die Belange ihres Arbeitge-
Daneben hat das Verkaufspersonal i.d.R. bers wahr, sind Kontaktpersonen zu den
diese Aufgaben: Händlern, versorgen sie optimal mit Ver-
• Informationen einholen über Kunden und kaufsunterlagen wie Handbücher, Prospekte,
ihren Bedarf technische Zeichnungen, Preislisten, For-
schungs- und Laborberichte, Gutachten sowie
Argumentationshilfen und bieten auch Fort-
bildungsseminare für Vorgesetzte, Verkaufs-
personal und Mechaniker an.
546 Marketing

• Verkaufsunterstützung in Form von Bera- Die DMW AG führt erfolgreiche Händler-


tung, Präsentation etc. wettbewerbe durch, bei denen nach einem
ausgeklügelten System von absoluten und
• ggfs. Auslieferung der Ware, Marktbeo-
relativen Steigerungen bei Neuwagenverkäu-
bachtung, Reklamationsbearbeitung, In-
fen Prämien bezahlt werden. Einmal jährlich
kasso, Weiterleitung von Kundenwün-
findet eine sog. Incentive-Reise für die drei
schen etc.
besten Händler und ihre gesamten Teams statt.
Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und
Das Sponsoring sieht dergestalt aus, dass bei
die Steigerung der Leistungsbereitschaft wer-
bestimmten Funsportarten die deutschen
den durch VKF-nahe Maßnahmen wie Aus-
Nationalmannschaften unterstützt werden. So
bildung und Schulung, Motivation (Prämien,
ist auf deren Trikots das Emblem und der
Provisionen, Wettbewerbe, Auszeichnungen),
Markenname des „Funny“ abgebildet, pas-
Firmenwagen, Fortbildung und durch eine
send zur Zielgruppe und zum Umfeld.
optimale Ausstattung mit Verkaufsunterlagen
erzielt.
Mit zunehmender Konzentration auf die Ab-
satzmittlerseite setzt sich immer mehr der Aufgaben
Trend zum Key-account-Konzept durch,
d.h., Großkundenbetreuer auf Industrieseite 28. Wählen Sie kleine, schlagkräftige „Wer-
sind die Gesprächspartner von einflussreichen beteams“, und gestalten Sie die Werbung
„Schlüsselkunden“. für den „Funny“!
Immer ähnlicher werdende Produkte, die Entwickeln Sie jeweils einen Fernsehspot
keinen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern und eine Zeitschriftenanzeige, und stellen
erkennen lassen, fördern den Stellenwert der Sie sie vor!
Kommunikation. Gerade im Bereich der Wer- Bedenken Sie, dass Sie die Werbeagentur
bung sind 1. Qualität, d.h. die positive Abgren- sind und Sie Ihre Leistungen an Ihren
zung gegenüber der Konkurrenz, 2. die Quanti- Kunden, die DMW AG, gut verkaufen
tät, sprich ausreichend hohe Werbeetats, die wollen.
den entsprechenden Werbedruck erzeugen, und 29. Was verspricht sich die DMW AG von
3. eine Kontinuität, die die Positionierung be- ihren diversen Sponsoring-Aktivitäten?
greifbar und langfristig nachvollziehbar gestal-
tet, von hoher Bedeutung. Kommen zeitgleich Nennen Sie bekannte deutsche Unter-
mehr kommunikative Maßnahmen zum Ein- nehmen, die Sportler beziehungsweise
satz, so sollen sie sich sinnvoll ergänzen und sportliche Veranstaltungen sponsern!
„aus einem Guss sein“, um die Wiedererken- 30. Warum setzt sich das Key-account-
nung zu gewährleisten. Konzept immer mehr durch?
12. Planung und Kontrolle 547

12. Planung und Kontrolle


Schon im Zuge der Konzeptphase (siehe Ab- Beispiel:
schnitt 3.3.3) ist es erforderlich, dass nicht nur
Planung und Kontrolle bei der DMW AG
die kommunikativen Maßnahmen eine Hand-
schrift tragen, sondern dass sich alle Marke- Einmal jährlich wird ein Marketingplan bei
ting-Mix-Faktoren in einem sinnvollen auf- der DMW AG verabschiedet, der sämtliche
einander abgestimmten und ergänzenden Ziele, Strategien und Maßnahmen der einzel-
Rahmen, abgeleitet von den jeweiligen Zie- nen Märkte, Produktgruppen, Marken und
len, bewegen, um eine größtmögliche Ge- Absatzwege aufführt. Gleichzeitig werden die
samteffektivität zu erzielen. Dabei ist zu klä- einzelnen verabschiedeten Marketingbudgets
ren, welches Gewicht die einzelnen Kompo- genehmigt. Jede einzelne Aktivität wird auf
nenten erfahren sollen, wobei in jeder Bran- diese Weise bis ins kleinste Detail dargestellt.
che und jedem Unternehmen unterschiedliche Eine weitere Auflistung schlüsselt alle Kosten
Schwerpunkte gesetzt werden. Ein allgemein- auf, die für das Produkt, Distributions- und
gültiges Rezept gibt es nicht, dafür ändern Kommunikations-Mix geplant sind.
sich Märkte, Mitbewerber- und Verbraucher- Drohen Überschreitungen des Budgets, greift
verhalten und Situationen zu schnell. die Marketing-Controlling-Gruppe (MCG)
Sowohl die Entwicklung von Produkten, ihre ein, um die jeweiligen Markenverantwortli-
Pflege, der Aufbau der Distribution und die chen zur Rede zu stellen.
kommunikativen Maßnahmen verschlingen in Einmal monatlich finden zudem planmäßige
der Regel hohe Kosten. Immens wichtig ist es Treffen statt, bei denen das jeweilige Ist präsen-
deshalb, die eigenen Ziele, Strategien und tiert wird. Hier werden in Abstimmung mit dem
Maßnahmen permanent in Frage zu stellen Marketingleiter Plankorrekturen vorgenom-
und sie zu kontrollieren. Vor der Einführung men und Aktivitäten näher unter die Lupe
sind alle notwendigen Planungen durchzufüh- genommen, ggfs. gestrichen oder reduziert.
ren (5-Jahres-Pläne, Break-even-Analyse).
Dieses System hat sich bewährt und sichert
Absätze, Umsätze, Deckungsbeiträge und
der DMW AG eine laufende und aktuelle
Gewinne sind zu prognostizieren.
Kontrolle.
Während und am Ende eines Geschäftsjah-
In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass
res/einer Aktion sind die erforderlichen Kon-
Informationen und deren schnelle, genaue
trollen notwendig, die alle betriebswirtschaft-
Übermittlung und Transparenz mit Hilfe
lichen Kennziffern und kaufmännischen Er-
modernster Techniken ein wichtiger Faktor
gebnisse näher beleuchten und allgemeine
sind, um sich erfolgreich in einem harten
Effizienzkontrollen im Hinblick auf z.B.
Wettbewerb zu behaupten.
Verkaufsstäbe, Werbung, Promotions und
Distribution zulassen.
Marketing stellt den Kontakt vom Markt zum Aufgabe
Unternehmen her. Es ist in erster Linie eine
Denkweise. Das gelingt vor allem den Unter- 31. Erklären Sie, warum die Planung und
nehmen, die mit einem optimalen Marketing- Kontrolle aller Marketing-Maßnahmen so
Mix überzeugen. immens wichtig für ein Unternehmen sind!
548 Marketing

Rollenspiel schwerlich mit dem hohen Krankenstand der


Allgemeine Informationen zum Fall Produktion in Einklang zu bringen. Ein be-
sonderes Argument des Produktionsleiters
Sie sind Mitarbeiter bei der Milchi AG, die schlägt nach Meinung der Gruppe auch zu
unter anderem Jogurt herstellt. Dieses Pro- Buche: Die Investitionsplanung für das nächs-
duktfeld hat im Unternehmen einen wertmä- te Jahr liegt vor und enthält hohe Investitio-
ßigen Anteil von 45 %. Insgesamt werden nen für die hochpreisigen Artikel. Wird jetzt
drei Marken in drei unterschiedlichen Preis- in den Deckel investiert, fehlt das Geld für
gefügen verkauft (hochpreisig, mittelpreisig, andere Vorhaben.
niedrigpreisig).
Arbeitsgruppe 2 – Verkauf
Die mittelpreisige Marke heißt „Muttis Bes-
ter“ mit sechs Sorten in zwei Größen. Sie Die Mitarbeiter des Verkaufs sind zunächst
bedient das immer noch größte Konsumseg- von dem neuen Deckel begeistert und erhof-
ment und ist mit mengenmäßig 24,7 % Markt- fen sich bei seiner Einführung einen Umsatz-
führer in Deutschland. schub. Gerade ist den Außendienstlern ein
neues Auto in Aussicht gestellt worden, und
Seit vier Monaten stagniert der Marktanteil, dann lassen sich die neuen Becher mögli-
die eigenen und fremden hochpreisigen Mar- cherweise noch besser an den Mann bringen.
ken verzeichnen leichte Marktzuwächse. Der Vertriebschef allerdings ist hier eher
Seit einigen Monaten häufen sich auch die skeptisch, weil er hat läuten hören, dass die
Reklamationen über „Muttis Bester“. Des Wagen erst im nächsten Jahr angeschafft
Öfteren muss der Außendienst von den würden. Finanzlöcher nannte er als Begrün-
Verbrauchern reklamierte Jogurts beim Han- dung. Der Vertriebschef teilte der Gruppe
del wieder abholen, weil die Deckel eingeris- auch mit, dass er gerade den Antrag auf Preis-
sen sind. senkung von „Muttis Bester“ beim Marke-
Glücklicherweise hat parallel dazu die F&E- tingchef gefordert hat.
Abteilung eine neue Generation von Deckeln Arbeitsgruppe 3 – Einkauf
entwickelt, die sich sehr gut öffnen lassen Die Mitarbeiter des Einkaufs sind zusammen
sowie extrem reiß- und stoßfest sind – und mit ihrem Chef gegen einen neuen Deckel.
das bei einer sehr dünnen Folie. Das Material wird nur von ganz wenigen
Jetzt findet ein Meeting der Ressortschefs Herstellern angeboten. Außerdem müssten
statt, die sich jeweils vorher von ihren Mitar- intensive Tests durchgeführt werden. Der
beitern über deren Ergebnisse aus den Ar- Einkauf ist sowieso personell überfordert und
beitsgruppen zur Überwindung der misslichen schafft seine Arbeit nur durch unbezahlte
Lage für „Muttis Bester“ informieren ließen. Überstunden. Ein spezieller Materialwunsch
Arbeitsgruppe 1 – Produktionssektor fordert noch mehr Einsatz.

Die Produktion ist bisher unentschlossen. Es


wurde herausgefunden, dass die Taktzahl
sinkt und die Umrüstkosten um 20 % steigen.
Gerade diese Probleme hatte man im letzten
Jahr in den Griff bekommen. Außerdem müs-
sen in der Umstellungsphase (Probeläufe,
Nullserie) Überstunden gefahren werden, die
voll auf die eigene Kostenstelle durchschla-
gen. Auch muss am Wochenende gearbeitet
werden. Diese besondere Belastung ist
12. Planung und Kontrolle 549

Arbeitsgruppe 4 – Finanzen Arbeitsgruppe 5 – Personal


Die Finanzplanung ist abgeschlossen. Mittel Bekannt ist der hohe Krankenstand in der
für eine Erneuerung des Fuhrparks haben Produktion. Außerdem die Demotivation bei
danach zusammen mit maschinellen Anlagen den Mitarbeitern, die ständig Überstunden
für hochpreisige Produkte Vorrang. Man wird fahren müssen und ständig Neuerungen in der
wegen neuer Investitionen sicher Schwierig- Organisation in Kauf nehmen sollen. Die
keiten bekommen, nur vorhergeplante Investi- Stimmung für Neues ist schlecht. Dem Be-
tionen waren beim Finanzchef bisher durch- triebsrat allerdings ist die Einführung eines
setzbar. Sowohl der Finanzchef als auch der neuen Deckels gleichgültig. Hauptsache, es
Einkaufsdirektor sind gegen ständige Ände- werden keine Leute umgesetzt, und die Über-
rungen ihrer Planungen und Arbeiten, auch stunden werden verringert.
das wissen die Mitarbeiter und das ganze
Haus. Aber deswegen hatte der Vorstand ja Aufgabe
auch Mitarbeitergruppen eingesetzt, die aus
ihrer Sicht die Dinge beraten sollten. 32. Tragen Sie alle Argumente in den Grup-
pen zusammen! Geben Sie Ihren Chefs
nach der Diskussion einen Entschei-
Autos werden auf Diät gesetzt dungsratschlag, damit sich diese in dem
Für die Autohersteller zählt jedes Gramm. Meeting der Leiter gut behaupten kön-
Um ihre Modell sparsam oder sportlich zu nen. Berücksichtigen Sie bei Ihren Über-
trimmen, versuchen sie überall, Gewicht legungen Aspekte der Wirtschaftlichkeit,
einzusparen Rentabilität, Liquidität, Markenmacht
und des Deckungsbeitrags!
Ganz hoch im Kurs stehen derzeit Kohlefaser-
Name Börsenwert Umsatz 2003
Verbundwerkstoffe (CFK). Aus ihnen ferti- in Mio EUR in Mio. EUR
gen Porsche und Mercedes Chassis und Ka- Toyota 103 630,4 72333,8
rosserie ihrer beiden Spitzensportler und Nissan 41 226,3 28299,1
Daimler-Chrysler 36 998,5 136437,0
sparen dabei gegenüber Aluminium ein Drit-
Honda Motor 35001,1 27501,6
tel des Gewichts ein. Gleichzeitig erhöht das BMW 23 225,6 42282,0
Hightech-Material Steifigkeit und Sicherheit General Motors 22 003,1 164151,1
bei einem Crash. Die CFK-Komponenten Ford Motor 20 660,8 i 145280,1
bestehen aus Tausenden einzelner Karbonfä- Renault 16 355,4 37525,0
Volkswagen 13 808,7 87153,0
den, die nur 0,25 mm stark sie. Sie werden Peugeot 10 123,1 54238,0
verwebt und mit einem Epoxydharz verklebt. Porsche 8282,2 5582,0
Ebenso hoch im Kurs steht bei Experten Ke- Hyundai Motor 7563,1 40854,5
ramik. Es wird bei der Konstruktion von Suzuki 7022,2 11682,1
Fiat 5722,3 47271,0
Brems-Scheiben eingesetzt. Folge: Längere
Denway Motors 3509,6 198,3
Lebensdauer und geringerer Spritverbauch. Tata Motors 3216,8 1976,6
Abb. 48 a: Die Zukunft hat schon begonnen Fuji Heavy Industries 3146,4 7550,4
Mazda Motor 2987,3 12726,5
Mitsubishi Motors 2915,4 15537,9
Kia Motors 2808,1 13635,4
Maruti Udyog 2658,6 1523,5
China Motor 2238,8 1684,5
Yulon Motor 2198,6 1294,5
Tofas Turk Otomobil 2170,8 1083,1
DMW AG 1882,6 1222,0

Abb. 48b: Die DMW AG in Konkurrenz


mit dem Gros der Autobranche
551

Stichwortverzeichnis
A Agreement Corner 245
AIDA-Formel 540
ABC-Analyse 321 ff. Akkordlohn 414 f.
Ablauf 94 Akquisition 501
Ablaufdiagramme 109, 111 Aktien 176, 232 f.
Ablauforganisation 94, 108 ff., 114, 285 f. - Mindestnennbetrag 178, 236
Ablaufplan, aufgabenbezogener 110 Aktienarten 177
Abmessungsnormen 57 Aktienbuch 233 f.
Abnahmeprüfung 487 Aktienemissionen 181
Absatz 65, 496 Aktiengesellschaft (AG) 69 ff., 149, 173, 176 ff.,
- direkter 535 f. 181 f., 221 f., 231 f., 247, 251
- indirekter 536 f. - Anteile 233 f.
Absatzformen 538 - Aufsichtsrat 232, 234 f.
Absatzkreditpolitik 533 - einfache Gründung 232
Absatzkurve 465 - Eintragung ins Handelsregister 233
Absatzmittler 497 f., 536 - Geschäftsführung 244
Absatzplan 291, 432 - Gesetz für kleine 234
Absatzpotential 503 - Gründung 232 f.
Absatzprogrammplanung 433 - Grundkapital 232 f.
Absatzrisiko 436 - Haftung 244
Absatzvermittler 538 - Hauptversammlung 234 ff.
Absatzwege 320, 534 ff. - Kontrollrechte 244
Abschöpfungspolitik 531 - Pflicht zur Rechnungslegung 236
Abschöpfungsstrategie 529 f. - Rechte der Hauptversammlung 236
Abschreibungen 13, 52, 54 f., 143, 148, 156, - Vermögen 244
161 ff., 166 - Vorstand 232, 234 f.
- degressive 164 f. Aktiengesetz (AktG) 71, 178, 181, 232, 234,
- kalkulatorische 143 240 f.
- lineare 161, 165, 211 Aktienrecht, Deregulierung 234
- proportionale 164 Aktionär
- zeitabhängige (lineare) 164 - Pflichten 233
Abschreibungsarten 164 - Rechte 233
Abschreibungsgegenwerte 162, 172 Aktionsrabatte 533
Abschreibungsgesellschaft 244 f. Aktiva 128 f.
Absetzung für Abnutzung (AfA) 161 f., 211 - Unterbewertung 158
- Tabelle 211 Aktivseite 128
- Zeit 212 Akzept 187
Abstimmungskollegialität 70 f. Akzeptkredit 187 f.
Abteilungsgliederung 98, 100 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 255 f.,
Abwasserabgaben 120 309
Advertising 93 Altersaufbau 366
Änderungskündigung 424 Andler-Formel 296, 461
- außerordentliche 424 Anfechtung 254
- ordentliche 424 Anforderungsarten 368, 412
ärztliche Untersuchung 382 Anforderungsgerechtigkeit 411
Agio 182, 194 Anforderungsprofil 375, 377, 392
- bei Ausgabe eigener Anteile 150 Anfrage 254, 303
- bei Wandelschuldverschreibungen 150 Angebot 253, 303 ff.
552 Stichwortverzeichnis

- Inhalt 304 ff. - analytische 413


- mündliches 304 - summarische 412
- rechtlich bindendes 254 - Verfahren 412
- schriftliches 304 Arbeitsdauer 366
- stillschweigendes 304 Arbeitseffizienz 349
Angebotsdatei 310 f. Arbeitsentgelt 407 ff.
Angebotskartei 310 f. Arbeitsergebnis 391
Angebotsvergleich 303 f., 309 f., 312, 318 Arbeitserweiterung 12
Angestellte 359 ff. Arbeitsgriffe 451
- außertarifliche (AT-Angestellte) 362 Arbeitsgruppen, autonome 48
- kaufmännische 361 Arbeitskräfte 5 f., 61 f., 115, 279, 431
- leitende 361 f. Arbeitskräftepotential, Erhaltung 349
- tarifliche 362 Arbeitskraft, menschliche 45 ff.
- technische 361 Arbeitsleistungen 3, 10, 16, 35, 127, 358 f., 391 f.
Anlagen 55 - dispositive 358
Anlagenintensität 12 f. - menschliche 18
Anlagen-Leasing 211 - operative 358
Anlagenniveau 55 Arbeitslosenversicherung 420
Anlage- und Umlaufvermögen, betriebsnotwendi- Arbeitslosigkeit, Entwicklung 351
ges 128, 131 Arbeitsmarkt 279, 400
Anlagevermögen 55, 128 f., 141, 154 - sinkende Nachfrage 350
Anleiheemission 192 Arbeitsmarktanalyse 354
Anleihen 192 Arbeitsordnungen 356
- Besicherung 194 ff. Arbeitsorganisation 352
- kommunaler Körperschaften 195 Arbeitsplätze 350
- mündelsichere 195 Arbeitsplanung 477 f.
- Platzierung 196 Arbeitsanforderungen 369
- Stückelung 193 f. Arbeitsplatzbeschreibung 356, 368
Anlernung 402 Arbeitsplatzgestaltung 386, 398
Annahme 253 f. - ergonomische 398
Annahmeverzug 275 Arbeitsplatzwechsel 366
Anpassungsfortbildung 402 Arbeitsproduktivität 35, 479, 481
Anschlusskunde 169, 172 Arbeitsrecht 409 ff.
Antrag 254 - kollektives 410
Anzahlung 183, 309 Arbeitsschutz 386, 399
Arbeit Arbeitssicherheit 355
- menschliche 343 Arbeitsstil 347
- Qualität 47 f. Arbeitsstudien 451
Arbeit des Sozialwesens 356 Arbeitsstufen 451
Arbeiter 359 ff. Arbeitsstundenproduktivität 35
- angelernte 360 f. Arbeitsteilung 7, 11 f., 45
- gelernte 360 f. - horizontale 7
- ungelernte 360 f. - vertikale 7
Arbeitnehmer 17, 358, 360 f. - volkswirtschaftliche 7
- Mitbeteiligung 417 Arbeits- und Sozialwesen 366
Arbeitnehmerkündigungen Arbeitsunfall 399
- außerordentliche 424 Arbeitsverhältnis 382
- ordentliche 424 - Kündigung 423 f.
Arbeitsagentur 372 Arbeitsverhalten 369, 391
Arbeitsanforderungen 367 Arbeitsvertrag 377, 382, 385, 410
Arbeitsbereicherung 12 - Pflichten 385
Arbeitsbescheinigung 379 - Rechte 385
Arbeitsbewertung 411 ff. Arbeitsvorbereitung 477 f.
553

Arbeitsvorgangs-Durchlaufzeit 468 Außenhandel 535


Arbeitswechsel 12 Austaktung 451, 463
Arbeitszeit, flexible 365, 389 f. Austausch 518
Arbeitszeitgestaltung 386 Auszubildende 360, 362
Arbeitszeitordnungen 356 Automatenkauf 304
Arbeitszeitvariation Automation 14, 443
- chronologische 389 Automobilindustrie 341
- chronometrische 389 Avalkredit 183, 189 f.
Arbeitszergliederung 11 Avalprovision 190
Arbeitszerlegung 12, 451
Assessment Center 375, 377 B
Audit 289
Aufbau 65, 94 Balkendiagramm 110 f.
Aufbauorganisation 95 ff., 97 f., 108, 114, 284 f., Bankakzept 188
299 f. Banken 3 f.
Aufgabengestaltung 386 Bankkonsortien 246
Aufgabengliederung 99 f. Bankkredit 183
- eindimensionale 99 Barvermögen 37
- mehrdimensionale 99 Basic Synactics 503
Aufgabengliederungspläne 99 f. Baukastenstückliste 292
Aufgabenverteilung 99 Baustellenfertigung 444
Aufgabenwürfel 100 Bearbeitungszeit 469 f.
Aufgeld 182 Bedarfsarten 292 f.
Aufstaulager 464 Bedarfsauflösung 292 f.
Aufstiegsfortbildung 402 Bedarfsermittlung 291
Aufstiegsplanung 400 - deterministische 291
Aufstiegssteuerung 400 - stochastische 291
Aufträge, Wert 471 subjektiv schätzende 291
Auftragsbestätigung 303, 313 Bedarfsermittlungsverfahren 291
Auftrags-Durchlaufzeit 468 f. Bedarfsinformationen 290
Auftragsstruktur 14 Bedarfsmeldung 303
Aufwand 161 Bedarfsmenge 290
Aufwendungen 31 Bedarfsmengenplanung 290 ff.
- neutrale 26 Bedarfsplanung 291, 324
Ausbildung 349, 356, 366, 400 Bedarfsrechnung 290
- Nachwuchs 355 - deterministische 291
Ausbildungsordnung 362 - quantitative 367
Ausbildungsplanung, betriebliche 402 Bedarfstermin 290
Ausbildungsrahmenlehrplan 402 Bedingungsgerechtigkeit 411
Ausbildungsverhältnis, Übernahme 371 Bedürfnisstrukturen 507
Ausbringung 34 Beendigungskündigung 424
- qualitative 34 - außerordentliche 424
- quantitative 34 - ordentliche 424
Ausbringungsmenge 482 Befehlssystem 99
Ausfallbürgschaft 201, 209 Beförderungsrisiko 307
Ausfuhrzölle 122 Befragung 509
Ausgabekurs 179, 182 - mündliche 510
Ausgaben - schriftliche 510
- einmalige 141 - telefonische 510
- laufende 141 Befugnisse 71, 99
Ausmelkungsstrategie 523 Belegflusspläne 110
Ausschüttungsgewinnbeteiligung 417 Belegschaftsaktien 234, 237
Außenfinanzierung 132, 140, 148, 150, 156, 173, Benchmarking 87 f., 91
183 Beobachtung 509 f.
554 Stichwortverzeichnis

Beratungsfunktion 348 - telegrafische 312


bergrechtliche Gesellschaft 221 Bestellzeitpunkt 297 f., 334
Beruf, freier 249 Bestellrhythmusverfahren 298
Berufsbildung 402 Beteiligungen 148, 173
- duale 402 Beteiligungsfinanzierung 173 f., 181 f.
Berufsausbildungsvertrag 362 Betriebe 3 ff., 6 ff., 9, 67
Berufsgenossenschaften 420 - abgeleitete 3 f.
Beschäftigte 120, 359 - Arten 6 ff.
- zur Berufsausbildung 359 f. - land- und fortwirtschaftliche 4
Beschaffung 282, 299 ff. - ursprüngliche 3 f.
- Ablauf 302 f. - Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher 21 ff..
- äußere Organisation 300 f. Betriebsarten 7
- Aufgaben 299 f. Betriebsdatenarten 482
- Beleg- und Informationsfluss 303 Betriebsdatenauswertung 482
- Methoden 299 Betriebsdatenerfassung (BDE) 482 f.
- Ziele 299 ff. Betriebsdatenkombination 482
Beschaffungsabschluss 303 Betriebsdatenkonzentratoren 482
Beschaffungsabwicklung 303 Betriebsdatenleitung 482
Beschaffungsanbahnung 303 Betriebsdatenquellen 482
Beschaffungslogistik 320 f. Betriebsdatenstellen 482
Beschaffungs-Losgröße 295 Betriebselemente 16 f., 62
Beschaffungsmarketing (BM) 316 ff. - Kombination 18
Beschaffungsmarktforschung (BMF) 316 ff. Betriebsgeschehen 19
- fallweise 317 f. Betriebsmaterialien 53 f.
- kontinuierliche 317 Betriebsmittel 3, 5 f., 10, 16 ff., 35, 49 ff., 51,
- Objekte 317 61 f., 65, 115, 127, 279, 343, 358, 431,
Beschaffungsplanung 324 433 f.
Beschaffungsrisiko 436 Betriebsoptimum 485
Beschaffungswege 320 Betriebsordnungen 349
Besitz 266 Betriebsprozess 3, 45
Besitzkonstitut 203 f., 266 Betriebsrat 359, 384
Besitzsteuern 118, 120, 123 - allgemeine Aufgaben 428
Bestätigungsschreiben, kaufmännisches 251, 313 - Mitbestimmungsrecht 384
Bestand, durchschnittlicher 333 - Mitwirkungsrecht 377, 428
Bestandsrechnung 290 Betriebsrentabilität 480
Bestandsverzeichnis 206 Betriebsstoffe 279
Bestellbestätigung 313 Betriebsvereinbarungen 349, 355 f., 372, 411
Bestellhäufigkeit 335 Betriebsverfassungsgesetz 234, 399, 427 f.
Bestellinformationen 290 - von 1952 237
Bestellkennzahlen 335 Beurteilungen, Objektivität 405
Bestellkosten 54, 297 Beurteilungsgrundsätze 356
Bestellmenge 290, 295 ff. Beurteilungsmerkmale 405
- Höchstgrenzen 295 Beurteilungszeiten 404
- optimale 296 f. Beurteilungszuständigkeiten 406
Bestellmengenplanung 293, 295 ff. Bevorratungsmaßnahmen 326
Bestellmengenrechnung, dynamische 296 Bewerbung 377, 379
Bestellpunkt 298 Bewerbungsunterlagen 378
Bestellpunktverfahren 298 Bewertung 158, 499 f.
Bestelltermin 290 Beziehung, kollektive 363
Bestellüberwachung 313 f. Bezugsaktien 178
Bestellung 253, 303, 312 f. Bezugskosten 54
- mündliche 312 Bezugskurs 196
- schriftliche 312 Bezugsquellennachweis 318
555

Bezugsrecht 179 f., 234 Computer Aided Design (CAD) 32, 59 f., 61, 477
Bezugsverhältnis 179 Computer Aided Engineering (CAE) 61, 477
Biersteuer 118 Computer Aided Manufacturing (CAM) 32, 61,
Bilanz 128 f., 148 477
- Fremdkapitalpositionen auf der Passivseite 183 Computer Aided Planning (CAP) 59, 61, 477
- Mittelherkunft und -verwendung 128 Computer Aided Quality (CAQ) 32, 60 f., 477
Bilanzgewinnbeteiligung 417 Computer Integrated Manufacturing (CIM) 47,
Bilanzverlängerung 131 61, 505 f.
Bildungsmarkt 400 Computerized relative layout planning (CRAFT)
Bildungswesen, betriebliches 401 f. 457
Binnenhandel 535 - Entscheidungsablauf des 458
Blocklager 328 - Verfahren 458
Börse 234 Controller 26 f.
Börsenkurs 194 Controlling 94, 100 f., 345, 359
Börsenumsatzsteuer 118 - dezentralisiertes 104
Bonitätsprüfung 170 - operatives 102 f.
Brainstorming 503 - strategisches 102
Brainwriting 503 - zentralisiertes 104
Branntweinsteuer 121 Controllingarten 104
Break-even-Analyse 547 Controllingaufgaben 103 ff.
Break-even-point 503, 521 Controllingfunktion 104
Breitengliederung 101 Controllingsystem 104
Briefhypothek 206 f. Controllingtechniken 104
Bringschuld 263 f. Controllingtypen 104
Brutto-Arbeitsentgelt 420 Controllingziel 104
Bruttobedarf 293 f. Corporate Advertising (CA) 92
Bruttoertragsbeteiligung 417 Corporate Behavior (CB) 92
Bruttopersonalbestand 366 Corporate Communications (CC) 92 f.
Brutto-Primärbedarf 293 Corporate Design (CD) 92
Brutto-Sekundärbedarf 293 Corporate Identity (CI) 65, 91, 93
Brutto-Tertiärbedarf 293 - Strategie 92
Buchhypothek 206 f. - Teilinstrumente 93
Budget 540 Corporate Sales Promotion (CSP) 92
Budgetplanung 324 Cost and Freight (CFR) 265, 308
Bürgschaft 190, 200 f., 209 Cost, Insurance, Freight (CIF) 265, 308
- selbstschuldnerische 201 f., 209
Bürgschaftsvertrag 200, 209 D
Bundesagentur für Arbeit 372
Bundessteuern 118 Dachmarke 518
Bundes- und Länderanleihen 195 Darlehensvertrag 252, 312
Daten 56
C Datenfernübertragung (DFÜ) 312
Datenflusspläne 109 f.
Carriage and Insurance Paid to (CIP) 308 Debitor 170
Carriage Paid to (CPT) 308 Deckenkreisförderer 330 f.
Cash-Flow 143 ff., 218 Deckungsbeitrag 503
Cash-Flow-Berechnung 144 ff. Deckungsstock 195
Cash Management 98 Deckungsstockfähigkeit 195
CA-Verfahren 477 Delcrederefunktion 169 f.
Chaoslager 341 Delcrederegebühr 171
Charge 442 Delivered At Frontier (DAF) 308
Chargenfertigung 8 Delivered Duty Paid (DDP) 308
Chargen-Produktion 442 Delivered Duty Unpaid (DDU) 308
Client Quality Management 90 Delivered Ex Quai Duty Paid (DEQ) 308
556 Stichwortverzeichnis

Delivered Ex Ship (DES) 308 E


derivativer Teil 431
Design 93, 517 Ebene
desk research 508 - operative 365
Developping 98 - strategische 365
Dezentralisation 102 - taktische 365
Dezentralisierung 345, 347 Effekenlombard 189
Dienstleistungen 4 f., 8 f., 127, 279 Effektivverzinsung 194
Dienstleistungsbetriebe 6 ff. Eigenfertigung 319 f., 434
- sonstige 7 Eigenfinanzierung 132, 149, 156 f., 173, 199
Dienstleistungsgebühr 171 Eigenkapital 16, 24, 28, 128 f., 131, 148 f., 151 f.,
Dienstleistungsnorm 58 154, 156
Dienstleistungsrolle 348 - variables 149
Dienstvertrag 252, 312 Eigenkapitalausstattung 153, 234
Diffusion 437 f. Eigenkapitalquote 154
Dimensionierung 52 Eigenkapitalrentabilität 22 f., 25, 154 f., 480
DIN 55, 57 Eigenleistungen 34, 359
DIN-Normen 57 Eigenschaften 518
Direktgeschäft 320 Eigenservice-Factoring 171
Direktionsfunktion 68 Eigentümer 24, 69
Direktorialinstanz 70 - mitarbeitende 359
Direktorialsystem 70 Eigentümerfunktion 68
Direktvertrieb 258 Eigentümergrundschuld 206
Disagio 194 Eigentum 266
Diskont 188 Eigentumsübereignung 203
Diskontkredit 187 f. Eigentumsvorbehalt 201 f., 209, 265, 267 f.
Disposition 281 f. - einfacher 202, 268
- auftragsgesteuerte 291 - erweiterter 203, 268
- plangesteuerte 291 ff., 293 - gewöhnlicher 268
- programmgesteuerte 291 - verlängerter 202 f., 268
- verbrauchsgesteuerte 291, 294 - weitergeleiteter 203
Dispositionsablauf 290 Eignungsanalyse 374 ff.
Dispositionsarten 291 Eignungsprofil 375, 381
Distribution 281, 537 Einfachunterstellung 72 ff.
- physische 538 Einführungsphase 502, 505 f., 521, 531
Distributions-Mix 499, 516 Einfuhrzölle 122
Distributionspolitik 500, 534 ff. Einigungsstelle 355, 397
Distributionswege 320 f. Einkauf 281
- direkte 320 - Aufbauorganisation 300 ff.
- geschlossene 320 - dezentraler 284, 300
- indirekte 320 - operativer 302
- Streckengeschäft 320 - strategische Aufgaben 316 ff.
Dividende 177, 234 - von Komponenten und Systemen 342
Dividendenpolitik 182 - zentraler 284, 300
Dividendenvorzug 177 Einkaufsbedingungen 309
Durchlauflager 327 f. Einkaufslogistik 322
Durchlaufterminierung 475, 478 Einkaufsorganisation 285
Durchlaufzeiten 431, 468 ff., 470, 476 Einkaufswerte 54
Durchlaufzeitenerhöhung 476 Einkommensteuer 120, 123
Durchlaufzeit-Syndrom 476 Einlagen 148, 173
Durchschnittskosten 482, 484 f. Einlagenfinanzierung 173, 175, 182
Einlagenkapital 149
Einliniensystem 74
557

Einmann-GmbH 70, 237, 239 Erfolgsbegriffe 479


Einpersonenunternehmen 69 f., 173, 221 ff. Erfolgsbeteiligung 417
Einproduktproduktion 441 Erfolgsort 263
Einrichtungen Erfolgsziele 29
- kaufmännische 250 Erfüllungsort 263 f., 306 f.
- soziale 355 Ergebniszahlen 29
Einsatz 34 - aus der Zwecksetzung des Unternehmens 26
Einstellungsänderung (Reframing) 88 f. - aus nicht zweckbezogenen Vorgängen 26
Einstellungsgespräch 377, 380 ff. Ergebnisziele 29, 41
Einstellung 375 Ergiebigkeitsprinzip 112 f.
Einstufenabsatz 536 Erneuerung (Renewing) 88 f.
Einstufenverfahren 406 Ersatzinvestitionen 52, 161 f.
Einwendungsdurchgriff 260 Ersatzteillager 325
Einzelbeschaffung 287 Erstziel, betriebliches 21 ff.
Einzelfertigung 8, 14, 440, 443 Erträge 359
Einzelgüter-Leasing 211 - neutrale 26
Einzelhandel 535, 537 Ertragsbeteiligung 417
Einzelkaufmann 223 Ertragshoheit 118
Einzelkosten 483 Ertragsteuer 120
Einzelmaßnahmen 354 Erweiterungsinvestitionen 162
Einzelunternehmen 149, 174, 182, 359 Erwerb, gutgläubiger 202
Einzelwerbung 540 Erzeugnisfluss 322
Einzelzession 208 Erzeugnisse, unfertige 18, 34
Elastizität, Grundsatz der 114 Erzeugung 439
Elastizitätsprinzip 113 Etat 540 f.
Elementarfaktoren 3, 6, 17 f., 34, 45, 61 f., 115, Experiment 509 f.
431 Ex- und Import-Factoring 171
- Arbeitskräfte 5 f., 61 f., 115, 279, 431 Ex Works (EXW) 308
- Betriebsmittel 3, 5 f., 10, 16 ff., 35, 49 ff., 51,
61 f., 65, 115, 127, 279, 343, 358, 433 f. F
- Informationen 3, 5 f., 10, 16, 18 f., 35, 56 ff.,
59, 61 f., 65, 115 Fabrik 15
- Kombination 17 f. Facharbeiter 360
- Werkstoffe 3, 5 f., 10, 16 ff., 35, 53 ff., 61 f., 65, Fachbildung, berufliche 402
115, 127, 343, 358 f., 431 - allgemeine 402
Emissionskurs 193 f. - besondere 402
Emittent 193 Fachbodenregale 327
Endverarbeitung 7 Fach- und Spezialgeschäfte 535
enlargement 398 Factor 168 f.
Entgelt 354, 407, 537 - Delcrederefunktion 169 f.
Entgeltpolitik 500, 527 ff. - Dienstleistungsfunktion 170 f.
Entlassungen 355, 424 - Finanzierungsfunktion 169, 171
Entlohnung, gerechte 411 Factoring 168
Entlohnungsformen 414 ff. - Arten 171
Entscheidung 67 - echtes 170 f.
Entscheidungsaufgaben 99, 103 - halboffenes 171
Entscheidungsbefugnis 71 - stilles 171
Entscheidungsphase 302 - unechtes 170 f.
Entsorgung 281 f. Factoring-Gesellschaft 171 f.
Entwicklung 65, 431, 436 ff. Fähigkeitsprofil 375, 400
Entwicklungsfunktion 348 Fälligkeits-Factoring 171
Equipment-Leasing 211 Faktoreinsatzmengen 481
Erbschaftsteuer 118, 121 Faktoren
Erfolg, neutraler 23, 26 - dispositive 343, 431
558 Stichwortverzeichnis

- individuelle 408 Finanzsicherung 98


- originäre 431 Finanzziele 29
Familienangehörige, mitarbeitende 359 Firma 223, 250
Fayolsches Organisationsprinzip 74 First-in-first-out-Prinzip 327
Fehler, kritische 488 Fixkauf 312
Fehlerbewertung 488 Fixkosten, sinkende pro Stück 457
Fehlerfolgekosten 489 Fixkostendegression 450
- externe 489 Flachpaletten 331
- interne 489 Fließfertigung 11, 14, 443 ff., 449 ff., 463
Fehlerverhütungskosten 489 - naturbedingte 450 f.
Fehlmengen 297 - organisierte 450
Fertigerzeugnisse 17, 34 Fluktuation 354 f.
Fertigung 281, 439 Förderhilfsmittel 329
- computerintegrierte 58 Fördermittel 331
- Organisationsformen 431 Förderzeuge 329 f.
Fertigungsauftragsdaten 483 - flurfreie 329, 331
Fertigungsinsel 47 f. - flurgebundene 331
Fertigungsprozess 443 - stetig arbeitende 329
Fertigungssteuerung 281 f., 467, 477 - unstetig arbeitende 329
Fertigungstiefe 319 Forderungsabtretung 208 ff.
Fertigungsüberwachung (CAM) 477 f. Forderungsausfallrisiko 169, 172
Fertigwaren, Verteilung 282 Formkaufmann 249, 251
Festplatzsystem 332 Formnichtigkeit 254
Feuerschutzsteuer 118 Forschung 65, 431, 436 ff.
field research 507 - angewandte 438
Filialgeschäfte 535 Fortbildung 402
Finance-Leasing 211 f. Fortschritt, technologischer 350
Finanzbereich 131, 281 Fortsetzungsstrategie 523
Finanzdisposition 98 Frachtkosten 533
Finanzierung 125 ff., 131, 171, 467 Frauen, in der Arbeitswelt 48 f., 79
- Aufgaben 132 f. Frauenbeauftragte 49
- aus Abschreibungsgegenwerten 161, 171 Free Alongside Ship (FAS) 264, 308
- aus Rückstellungsgegenwerten 165, 171 Free Carrier (FCA) 308
- aus Umsatzerlösen 157, 171 f. Free on Board (FOB) 264, 308
- durch Forderungsverkauf 168 ff. Freiplatzsystem 332
- durch Vermögensumschichtung 157, 167 f., Freizeichnungsklausel 304
171 f. Fremdbezug 319 f., 434
- Formen 148 Fremdfinanzierung 132, 149, 183 ff., 199
- interne 157 - kurzfristige 184 f.
- laufende 132 f. - langfristige 190 f.
- Quellen 156 - mittelfristige 190 f.
Finanzierungsanlässe 127, 132 Fremdfinanzierungsstrategie 156
Finanzierungsbegriff 127 ff. Fremdkapital 16, 24, 128 f., 131, 148, 151 f., 156,
Finanzierungseffekt 164, 166 f. 173
Finanzierungsentscheidungen 127, 132 ff. - kurzfristiges 151, 154
Finanzierungs-Leasing 212 ff. - langfristiges 151, 154
- indirektes 213 - mittelfristiges 151
Finanzierungsqualität 155 f. Fremdlager 326
Finanzierungsregeln 153 f. Fristenentsprechung, Grundsatz der 154, 156
Finanzierungsstrategie 155 Führung 64, 71, 76, 431
Finanzierungsvorgänge 131 - äußeres Umfeld 65 f.
- bilanzwirksame 131 - horizontale Organisation 69 ff.
Finanzplanung 133, 140, 143 - horizontale Sicht 76
559

- inneres Umfeld 65 ff. Gemeindesteuer 118


- operative 345 Gemeinkosten 483, 528
- Organisation 67 ff. Gemeinschaftsteuern 118
- schlanke 72 Gemeinschaftswerbung 540
- vertikale Sicht 76 Gemischtwarengeschäfte 535
Führungsanforderungen 77 ff. Generalklausel 257
Führungsanweisungen 356 Genossen 242
Führungsaufbau 71 ff. Genossenschaft 69, 149, 173, 181, 221, 241 f.,
Führungsaufgaben 87 ff., 99 245, 251
Führungsbegriff 63 f. - Aufsichtsrat 242
Führungsebenen 63, 71 f., 98 - Gründung 242
Führungseigenschaften 81 - Haftung 242
Führungsentscheidungen 64, 67 - Nachschusspflicht 242
Führungsfähigkeiten 81 - Statut 242
Führungsgrundsätze 349 - Vorstand 242
Führungshandeln 63, 67 Genossenschaftsgesetz 181
Führungskräfte Genossenschaftsregister 242
- Eigenschaften 78 Genussschein 199
- weibliche 80 Gerichtsstand 306
Führungskultur 80 ff. Gesamtbeschaffungskosten 297
Führungsmodelle 84 ff. Gesamtbeschaffungsmarkt 279
Führungspositionen 79 Gesamtbetriebsrat 427
Führungsqualifikationen 369 Gesamterfolg 23
Führungsstil 81 ff., 347 Gesamtgewinn 23, 26
- autoritärer 82 ff. Gesamtjugendvertretung 427
- formeller 83 Gesamtkapitalrentabilität 25, 155, 480
- kooperativer 83 f., 86 Gesamtkosten 460 f., 482, 484 f.
- patriarchalischer 82 Gesamtmarkt 503 f.
Führungsstruktur 71 Gesamtplanung, betriebliche 366
Führungssystem, Regelkreislauf 95 Gesamtproduktivität 481
Führungstechniken 91 Gesamtwirtschaft 507
Führungsverhalten 80, 86, 393 Geschäftsfähigkeit 254
Funktionsmeistersystem 72, 74 - beschränkte 254
Funktionsprinzip 100 f., 300 ff. - mangelnde 254
Funktionsrabatte 533 Geschäftsführung 63 ff.
Fusion 248 Geschäftsguthaben 149
Geschäftsleitung 63 f.
G Geschäftsordnung 235
Geschäftsqualität 288
Gabelhubwagen 329 f. Geschäftsunfähigkeit 254
Gabelstapler 329 f. Geschäftsvertretung 63 f.
Gantt-Diagramme 472 f. Gesellschaft 223
Gattungskauf 262, 271 - nichtrechtsfähige 224
Gebäudelayoutplanung 454 - rechtsfähige 224
Gebrauchsgüter 4 f., 517 - stille 174
- produktive 4 f. - unvollkommene 221, 223 f.
Gebrauchstauglichkeitsnorm 58 - Wertewandel 82
Gebühren 119 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) 221, 224,
Gehälter 407 229
Geld 20 - gemeinschaftliche Vertretung 229
Geldkapital 127, 131, 148 - Gesamthandsvermögen 229
Geldprozess 20 f., 55 - Geschäftsführung 229, 244
Geldschulden 307 - Haftung 244
Geldstrom 20 - Konsortium 245
560 Stichwortverzeichnis

- Kontrollrechte 244 Gewerbesteuer 118


- Vermögen 244 Gewerkschaften 410
Gesellschafter 174 Gewinn 21 ff., 28, 162, 283, 435, 498
- stille 174 - neutraler 23, 26
Gesellschafterkapital 149 - rentabler 22, 28
Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. KG - thesaurierter 150, 172, 182
(GmbH & Co. KG) 113 f., 149, 171, Gewinnarten 23
221, 239, 242 ff. Gewinnberechnung 26
- Geschäftsführung 243 Gewinnbeteiligung 417
- Haftungsbeschränkung 243 Gewinngegenwerte 160
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Gewinnhöhe 66
69 f., 175 f., 181 f., 221, 231, 237 ff., Gewinnrücklagen 129, 149 f.
244, 251 f. Gewinnschuldverschreibung 199
- Aufsichtsrat 238 Gewinnschwelle 521
- Geschäftsführung 238, 244 Gewinn- und Verlustrechnung 143
- Gesellschafterversammlung 238 Gewinnverwendungen 24
- Haftung 244 Gewinnvortrag 129
- Kontrollrechte 244 Gewinnzuordnungen 23
- Organe 238 f. Gewinnzusammenhänge 27
- Stammkapital 237 f. Gitterboxpaletten 331
- Vermögen 244 Gläubiger 205
Gesellschaftsformen 223 Gleichberechtigung 49
- besondere 241 ff. Gleichgewicht
Gesellschaftsrecht 223 ff. - betriebliches 42 ff.
Gesellschaftsteuer 118 - finanzielles 38 ff., 134, 140
Gesellschaftsunternehmen 221 f. - finanzwirtschaftliches 39 ff., 133 ff., 156
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsge- Gleichordnungskonzern 247
nossenschaften (GenG) 241 Gleichstellungsstellen 80
Gesetz der Kostendegression 53 Globalisierung 77
Gesetz der Massendegression 13 Globalzession 208
Gesetz der Massenproduktion 53, 449 f., 457 GmbH-Gesetz 181, 237 f.
Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur graphologisches Gutachten 375
Deregulierung des Aktienrechts 232, Grenzkosten 482, 484 f.
234, 237 Großbetriebe 6, 8
Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften Großhandel 535, 537
und ähnlichen Geschäften (HWiG) Grundbildung, berufliche 402
258 f. Grundbuch 210
Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) - Abteilung! 206
246 - Abteilung II 206
Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäfts- - Abteilung III 206
bedingungen (AGBG) 255 ff. - Bestandsverzeichnis 206
Gestaltungsfunktion 68 Grundbuchauszug 206
Gesundheitsschutz 355, 386, 399 Grunderwerbsteuer 118
Gesundheitswesen, betriebliches 400 Grundkapital 149, 176, 178, 232 f.
Getränkesteuer 118 - Mindestnennbetrag 178
Gewährleistungsansprüche, Verjährung 273 - Nennbetrag 176
Gewährleistungsrechte - Nennwert 176
- Ausschluss 272 Grundlagenforschung 438
- Ausübung 273 f. Grundmaterialien 53
Gewerbe 249 Grundnutzen 517 f.
Gewerbebetriebe 3 f. Grundpfandrechte 205 f.
Gewerbeertragsteuer 120 Grundschuld 205, 207, 210
Gewerbekapitalsteuer 121 Grundschulden 191
561

Grundsteuer 118, 120 f. Hilfsarbeiter 360


Gruppen 345 Hilfsstoffe 53, 279
Gruppenakkord 416 Hochregallager 328
Gruppenarbeit 47, 82 f., 342, 355 Hochrendite 40
Gruppendiskussion 375 Höchstbestand 335
Gruppenfertigung 443 f., 446 Holdinggesellschaft 247 f.
Gruppenkonflikte 396 Holschuld 263 f.
Gütenormen 57 Holschulden 306
Güter 6, 20 Hubförderer 330 f.
- andere Vermögenswerte 262 human capital 393
- wirtschaftliche 4 f. Humanziele 349
Güterarten 4 Hypothek 191, 205 ff., 210
Güterleistungsstrom 20 Hypothekenbrief 206
Güterströme 7
Gurtförderer 330 f. I
Gut
- erklärungsbedürftiges 517 Idee 502 f.
- problemloses 517 Ideenauswahl 502 f.
Ideensammlung 502
H Ideensuche 502
Identitätsprinzip 518
Hängebahnen 330 f. Image-Transfer 518
Halbfertigwaren 279 Immobilien-Leasing 211
Handarbeit 443 Incoterms (International Commercial Terms) 08,
Handel 4 335 f.
- ambulanter 535 Individualabrede 256
Handelsbetriebe 3, 7 Individualbeziehung 363
Handelsgesellschaft 221, 223 Individualgut 517
Handelsgesetzbuch (HGB) 249 Indossament 177, 187, 233
Handelspanel 511 Industrie 4
Handelsregister 225, 238, 251 - deutsche 341
- Eintragung 250 Industriebetriebe 3 f., 10 ff.
- negative Publizität 251 - Betriebssysteme 15 f.
- positive Publizität 251 - innerbetrieblicher Kreislauf 16 ff.
Handels-Verkaufsförderung 544 - Personal 360
Handhabungstest 509 industrielle Entwicklung 341
Handwerk 4 Informationen 3, 5 f., 10, 16, 18 f., 35, 56 ff., 59,
Handwerksbetriebe 3, 10 61 f., 65, 115
Hauptfehler 488 - externe 287
Hauptschuldner 200 - interne 287
Haushalte 4, 6, 8 f. Informationsaufgaben 103
- öffentliche 4 Informationsbefugnis 71
Haushaltspanel 510 Informationsbeschaffung
Haustürgeschäfte 258 - externe 59
Hebelwirkung 198 - interne 59
Heimarbeiter 360, 363 Informationsdurchlaufzeit 60
Hersteller-Leasing 210 Informationsfluss 286
Herstellung 5, 95 f., 439 Informationsfunktion 101
Herstellungsbetriebe 6, 10 Informationsgewinnung 510
Hierarchien 71 f., 345 Informationsphase 302
- betriebliche 72 Informationssystem 18
- flache 346 Informationswesen 356, 366
- verflachte 345 Inhaberaktien 176 f., 233 f.
high interest product 517 Inhaberpapiere 193
562 Stichwortverzeichnis

Initialphase 302 Just-in-time-Konzept 321


Inkasso-Zession 170 Just-in-time-Lieferung 342
Innenfinanzierung 132, 140, 148, 150, 156 f. Just-in-time-Management 91
- Formen 157 Just-in-time-Prinzip 31, 54, 336
Innovation 98, 437
Innovationsprozess 437 K
input 10, 34
Insolvenzen 133 Käufermärkte 502
Insolvenzursachen 154 Käuferprofil 508
Instandhaltung 281 Kaffeesteuer 121
Instanz 69 Kanban 91, 290
Integrationsprinzip 518 Kanban-Konzept 320 f.
Interessengemeinschaft 247 Kannibalisierung 514
Internationalisierung 341, 345, 347 Kannkaufmann 249 f.
Intrapreneurship 66 Kapazität 52, 327
Inventur 333 - maximale 51
- permanente 333 - optimale 51 f.
Investitionen 128, 131, 467, 503 - technisch-maximale 50, 52
Investitionsbegriff 128 - wirtschaftliche 51 f.
Investitionsbereich 128, 131 Kapazitätsabgleich 475, 478
Investitionsfinanzierung 158 Kapazitätsausnutzung 466
Investitionsgüter 4, 279, 517 Kapazitätsbelastungsrechnung 475, 478
- produktive 5 Kapazitätsentwicklung 163
Investitionsgüterbeschaffung 302 Kapazitätserweiterung 162 ff.
Investitionsgüter-Leasing 211 - durch Abschreibungsgegenwerte 162
Investitionsgüterproduktion 440 Kapazitätsplanung 327, 434
Investitionsgüterwerbung 322 Kapital 129, 279
Investitionsmittel 145 - bedingtes 198
Investitionsplan 432 - betriebsnotwendiges 24, 283
Investitionsrisiko 436 - genehmigtes 178
Investitionstätigkeit 131 - gezeichnetes 149
invitatio ad offerendum 254 - Überlassungsdauer kurzfristig 183
Inzahlungnahme 533 - Überlassungsdauer langfristig 183
Isolationsprinzip 517 - Überlassungsdauer mittelfristig 183
- Verwendung des freigesetzten 162
J Kapitalart 132
Kapitalbedarf 141
Jahresabschluss 236 - Ermittlung 141 ff.
- Aktiengesellschaft (AG) 236 Kapitalbereich 128
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Kapitalbeschaffung 132, 140
236 Kapitalbeteiligung 417
- Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) 236 Kapitalbindung 141 f.
- Lagebericht 236 Kapitalerhöhung 178 f., 199
Jahresüberschuss 129 - bedingte 178 f.
Jahreszins, effektiver 261 - Formen in der AG 179
Job enlargement 12, 90 - genehmigte 179 ff.
Job enrichment 12, 90 - ordentliche 178 f.
jobrotation 12, 90, 398 Kapitalfreisetzung 127, 131, 161 f.
Jugend- und Auszubildendenvertretung, allgemei- Kapitalgeber 358
ne Aufgaben 428 - Rechtsstellung 156
Junior-Leitung 69 Kapitalgesellschaft 173, 175 ff., 181 f., 221, 223,
Just-in-time (JIT) 60, 290 231 ff.
Just-in-time-Belieferung 91, 326, 334 Kapitalherabsetzung 127, 131
563

Kapitalherkunft 132 - Auflösungsgründe 228


Kapitalkonzentration 245 - Geschäftsführung 228, 244
Kapitalmarkt 279 - Gesellschaftsvertrag 228
Kapitalmarktzins 194 - Gewinnverteilung 228
Kapitalproduktivität 479, 481 - Haftung 244
Kapitalrückflusszeit 503 - Kommanditist 228
Kapitalrücklagen 129, 150 - Komplementär 228
Kapitalstruktur 153 f. - Kontrollrechte 244
Kapital Strukturregel, vertikale 154, 156 - Rechtsverhältnisse der Gesellschafter 228
Kapitalumschlag 283 - Restgewinn 228
Kapitalverwaltung 132, 140 - Vermögen 244
Kapitalverwendung 132, 140 Kommanditisten 149, 174, 228
Kartelle 245 ff. Kommissionäre 538
- anmeldepflichtige 246 Kommunikation 516, 537
- genehmigungspflichtige 246 Kommunikationskosten 518
- höherer Ordnung 245 Kommunikationskultur 345
- niederer Ordnung 245 Kommunikations-Mix 499, 539
Kassationskollegialität 70 Kommunikationspolitik 500, 539 ff.
Kassenhaltung 20, 39 Komplementäre 174, 228
Kauf Konditionenkartell 246
- auf Abruf 312 Konditionenpolitik 528, 533 f.
- auf Probe oder Besicht 274 Konflikte
- zur Probe 274 - im Unternehmen 394
Käufermarkt 494 - individuelle 395
Kaufgegenstand 262 - persönliche 395
Kaufmann 249 ff., 251 - soziale 395
Kaufmannseigenschaft 249 Konfliktlösungsstrategien 397
Kaufoption 212, 214 f. Konfliktmanagement 397
Kauf- und Warenhäuser 535 Konfliktursachen 394
Kaufvertrag 221, 252, 254, 275, 312 Konjunktur 366
- Inhalt 262 ff. Konkurrenzdenken 517
- Leistungsstörungen 269 ff. Konsignationslager 326
- Nichterfüllung 269 Konsortium 245 f., 247
- Schlechterfüllung 269 Konstruktion (CAE) 65, 477 f.
Kaufvertragsarten, besondere 274 f. Konsumentenpanel 510
Kaufvertragsparteien, Pflichten 265 f. Konsumenten-Verkaufsförderung 544
Kerngeschäft 501 Konsumgenossenschaften 535
Kettenförderer 330 f. Konsumgüter 3, 5
Key-account-Konzept 546 Konsumgüterbetriebe 6 f.
Kirchensteuer 120, 418 Konsumgüter-Leasing 211
Klassifizierungsnormen 57 Konsumgüterproduktion 440
Kleinbetriebe 6, 8, 344 Konsumgüterwerbung 322
Kleinstserienherstellung 14 Konsumtion 4 f.
Kleinteilebehälter 331 Kontokorrentkonto 185
Körperschaftsteuer 118, 120 Kontokorrentkredit 183, 185 f.
Kollegialsystem 70 f. Kontokorrentverbindlichkeiten 136
Kombinationsstandort 116 Kontokorrentvorbehalt 268
Kommanditaktionäre 240 Kontrahierungs-Mix 498
Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) 173, Kontrahierungspolitik 527
221, 240, 251 Kontrollaufgaben 99, 103
- Gesellschafterversammlung 240 Kontrolle 64, 67, 94, 431, 499, 547 ff.
- Gründung 240 - nach ökonomischen Kriterien 479 ff.
Kommanditgesellschaft (KG) 69 f., 149, 173 f., Kontrollfunktion 101
182, 221, 223 f., 227 ff. Kontrollkarte 486 f.
564 Stichwortverzeichnis

Kontrollphase 401 Kreditsicherung, Formen 201


Konventionalstrafen 533 Kredittilgung 145
Konzentration Kündigung
- diagonale 248 - außerordentliche 423
- horizontale 246, 248 - des Arbeitgebers 423
Konzentrationsstrategie 523 - des Arbeitnehmers 423
Konzept 503 f. - des Arbeitsverhältnisses 423
Konzeptphase 502 - ordentliche 425
Konzepttest 509 Kündigungsfrist, bei Arbeitsverhältnissen 423
Konzern 245, 247 f. Kündigungsschutz, besonderer 425
- horizontaler 245 Kündigungsschutzgesetz 425
- vertikaler 245 Kündigungstypen 424
Konzernbetriebsrat 427 Kündigungszeiten 424
Konzernunternehmen, multinationales 344 Kürzeste-Operationszeit-Regel 471 f., 473 f.
Konzernvorbehalt 268 Kunde 349
Koordination 114 Kundendienst 519
Koordinationsprinzip 113 Kundenorientierung 90 f.
Kosten 26, 31, 483, 503 Kundenwünsche 495
- ausgabeunwirksame 162 Kurswert 194
- ausgabewirksame 135, 162
- durchschnittliche 485 L
- fixe 13, 53, 483 f.
- variable 483 f., 528 Lageanalyse 497
Kostenerfassung 482 ff. Lager 286
Kostenersparnisbeteiligung 417 - Aufgabe 325
Kostengrößen 431 - chaotische 332
Kostenkennzeichen 483 - geschlossene 327
Kosten-Nutzen-Analyse 479 - halboffene 327
Kostensenkungspotentiale 56 - offene 327
Kostensenkungsstrategien 54 - Umformfunktion 325 f.
Kostenverläufe 482 f. Lagerbauart 327
- fixe 485 Lagerbestand 298
- intervallfixe 485 - durchschnittlicher 333 f., 461
- proportionale 484 Lagerbestandsführung 333
- überproportionale 484 Lagerbestandsplanung 334 f.
- unterproportionale 484 Lagerdaten 482 f.
Kostenverminderung 457 Lagerdauer 333
Kraftfahrzeugsteuer 118, 120 - durchschnittliche 333
Kragarmregale 327 Lagereinrichtung 327
Krankenversicherung 418, 420 - bewegliche 329 ff.
Kreditabwicklung 533 - feste 327 ff., 328 f.
Kredite 173, 183, 190, 209, 528 Lagergestaltung 327 ff.
Kreditfinanzierung, Sicherheiten 200 Lagerhaltung 281 f., 325 ff.
Kreditform 533 - Aufgaben 332 ff.
Kreditgeber 27 f. - chaotische 55
Kreditkonsortium 246 - Kosten 334
Kreditlaufzeit 533 Lagerhaltungssystem, chaotisches 332
Kreditleihe 188 Lagerhilfsmittel 331
Kreditlimit 186 Lagerkennziffern 333
Kreditlinie 186 Lagerkontrolle 333
Kreditmittel 187 Lagerkosten 54, 297, 460 ff., 466
Kreditnehmer 533 - proportionale 462
Kreditsicherheiten, dingliche 209 Lagerkostenverlauf 461
565

Lagerordnung 331 f. Leistungsgerechtigkeit 411


Lagerplanung 327 ff., 454 Leistungsgewinn 23, 26, 28
Lagerplatzoptimierung 331 f. Leistungslohn 414 f.
Lagerstandort, optimaler 327 Leistungsmerkmal 483
Lagersteuerung 331 f. Leistungsort 263, 306
LAN 60 f. Leistungsprozess 134
Landessteuern 118 Leistungssteigerung 393
Lastenausgleichsabgaben 118 Leistungswille 393
Laufbahnsysteme, differenzierte 345 Leistungsziele 29
Laufzeit 193 Leitung 19
Layout 454 - kollegiale 70
Layoutänderungen 456 f. - mittlere 69
Layoutplanung 431, 454 - oberste 69
- Fixkosten 458 Leitungsorgane 25 f.
- variable Kosten 458 Leitungsorganisation, horizontale 70
- Verfahren 456 f. Leitungssystem 70
Lean Management 12, 33, 47, 72, 87, 90 f. Lenkungsfunktion 348
Lean Production 11 f., 33, 47, 91, 114 Leverage-Effekt 25, 154 ff., 199
Leasing 210 ff. Lieferanten 27 f.
- Arten 211 Lieferantenkredite 183 ff., 265, 308
- direktes 210 f., 216 Lieferantenverbindlichkeiten 135
- indirektes 210 f., 216 lieferbare Menge 306
Leasingdauer 211 Lieferbedingungen 263 f., 307 f., 533
Leasingfinanzierung, Ziele und Risiken 216 Lieferfähigkeit 306
Leasinggeber 210 ff. Liefernorm 58
Leasinggesellschaft 210 f., 213 Liefertermin 306, 470
Leasinggut 211 f. Liefertermin-Regel 471, 473
Leasingnehmer 210, 212 f. Lieferübernahme, Ort 533
Leasingraten 213 f. Lieferverzug 269 f., 275
Leasingansprüche 213 - Rechte des Käufers 270
Leasingumfang 211 Lieferzeit 263, 306
Leasingvertrag 210 ff., 214, 252 Linienorganisation 72 f.
- mit Kaufoption 215 Liniensystem 73 f.
- mit Verlängerungsoption 215 Liquidationsvorzug 177
- ohne Kaufoption 214 Liquidität 28, 37, 40 f., 43 f., 132, 134, 136 ff.,
Lebensdauer 51 140
Lebenslauf 378 - 1. Grades 137
- tabellarische Form 378 - 2. Grades 137
Leerkosten 466 - 3. Grades 137
Leerzeiten 472 - dynamische 37 f., 138 ff.
Leihe 266 - statische 36 ff., 138
Leihpersonal 360, 363 f. Liquiditätsberechnung, dynamische 138
Leistungen 6, 20, 400 Liquiditätsbetrachtung, statische 137
- erstellte 359 Liquiditätsbeurteilung, dynamische 140
- veräußerte 359 Liquiditätskennzahlen 29, 41
Leistungsbereitschaft 349 Liquiditätskennziffern 39, 137, 140
Leistungsbeteiligung 417 Liquiditätsplanung 137
Leistungsbeurteilung 403 Liquiditätsrechnungen 138
- freie Beschreibung 405 Liquiditätssicherung 98
- Verfahren 405 f. Liquiditätsvorsorge 132
Leistungserfolg 23, 26 Liquiditätsziel, erstes 37
Leistungsergebnismotive 393 Löhne 407
Leistungserstellung 3 ff., 20 Logistik 98, 281, 322, 538
Leistungsfaktoren, im Betriebsprozess 45 ff. - ganzheitliche 341
566 Stichwortverzeichnis

- innerbetriebliche 281, 322, 325 ff., 431 Marketingmaßnahmen 499


Logistiksysteme 55 Marketing-Mix 499, 516, 548
Lohmann-Ruchti-Effekt 162 Marketingplanung 496 ff.
Lohn Marketingrolle 496
- Einflussfaktoren 409 Marketingstrategie 498 f.
- individueller 408 Marketingziele 498
Lohngerechtigkeit 411 - System 500
Lohngruppen 412 market-pull 437
Lohngruppenverfahren 412 Markierung 516
Lohnhöhe 412 Markt 497, 507
Lohnkosten 122 - Absatzwege 507
Lohnniveau 408 - anonymer 511
Lohnsteuer 120, 418 Marktakzeptanz 438
Lohnstückkosten 117 Marktanalyse 507 ff.
Lohn- und Einkommensteuer 118 Marktbeobachtung 507 ff.
Lohn- und Gehaltspolitik 349 Markteinführung 437
Lohn- und Gehaltsregelungen 356 Marktforschung 437, 507 ff.
Lohn- und Gehaltstarif vertrage 410 - demoskopische 507 f.
Lohn- und Gehaltsabrechnung 355, 418 ff. - direkte 507
Lombardkredit 183, 189 - indirekte 508
Lose 295, 460 - Methoden 509 ff.
Losgrößen 295, 460 f. Marktnischenstrategie 514
- Anpassung 463 Marktsegmente 505
- kostenminimale 461 f. Marktsegmentierung 512
- optimale 296 f., 335, 431, 461 f. - produktgruppenbezogene 513 f.
Lotteriesteuer 118 - zielgruppenbezogene 513 f.
low interest product 517 Marktverbreitung 438
Marktvorbereitungsphase 505
M Maschinenbelegungsplan 475 f., 478
Maschinendaten 482 f.
Mängelrüge 315 Maschinenlayoutplanung 454
Märkte 500 Maschinenpark 458
- Absatzwege 507 Maschinenproduktivität 35
Make or Buy-Entscheidungen 319 Maschinenstärkeproduktivität 35
Makler 538 Massenentlassungen 424, 426
Makroplanung 542 Massenfertigung 8, 11, 14, 441, 443
Management by Conflicts (MbC) 84, 86 Massengut 517
Management by Delegation (MbD) 81 f., 91 Massenmarktprodukt 518
Management by Exception (MbE) 84 ff., 91 Massenmarktstrategie 512
Management by Objectives (MbO) 84, 86, 91 Maßnahmen 499
Management by Results (MbR) 84, 86 - liquiditätssteuernde 140
Management-Development 404 Maßnorm 58
Manager 68, 77 Materialdisposition 290 ff.
Manteltarifverträge 410 - Aufgabe 290
Mantelzession 208 Materialentsorgung 324 f.
Manufaktur 15 Materialfluss 286
Markenartikel 516 f. Materialkosten 54 f.
Markenkern 518 Materiallogistik 322
Markennamenstrategie 517 Materialproduktivität 481
Marketing 98, 437, 491 ff. Materialverwertung 324 f.
- differenziertes 514 Materialwirtschaft 277 ff.
- konzentriertes 514 - Aufgabe 280
- undifferenziertes 514 - Bedeutung und Kosten 282 ff.
567

- Daten- und Informationsverarbeitung 287 f. - Interessen 349


- EDV-Einsatz 287 - Internationalität 353
- integrierte 282, 322 - Ist-Qualifikation 367
- Organisation 284 ff. - Qualität 346
- Qualitätssicherung 288 f. - Selbstbewusstsein 352
- Stellung 284 Mitarbeiterbedarf 364 ff.
- Zielkonflikte 337 Mitarbeiterbeurteilung 403 f.
Matrix 75 - gebundene Verfahren 405
Matrixorganisation 72, 75 f. - strukturierte Verfahren 405
- mit Liniensystem 76 Mitarbeitergespräch 357
Maximalkapazität 52 Mitarbeiterinformation 354
Maximalprinzip 31 ff., 479 Mitarbeiterkommunikation 354
Mehrfachunterstellung 72, 74 f. Mitarbeiterverhalten 369
Mehrliniensystem 74 Mitbewerber 498, 507
Mehrpersonenkonflikte 396 Mittel, liquide 37
Mehrpersonenunternehmen 173 Mittelbetriebe 6, 8
Mehrproduktproduktion 441 Mittelherkunft 128, 148, 156
Mehrschichtensystem 389 Mittelverwendung 128
Mehrstufenverfahren 406 Mittelwertberechnung, gleitende 294
Mehrverantwortung 393 Mittlerfunktion 345, 347 f.
Mehrwertsteuer 121 Mobilien-Leasing 211
Meldebestand 298 Modulfabriken 336
Mengenkennzahl 35 Monomarke 517
Mengenplanung 324, 475, 478 Montanmitbestimmungsgesetz 237
Mengenrabatte 533 Montanmitbestimmungsrecht von 1976 237
Mengenrelationen 479 Motive
Mengenübersichtsstückliste 292 - kompetenzbedingte 393
Menschen 17 f. - materielle 393
menschliche Arbeitskräfte 19 - sicherheitsbedingte 393
me-too-Produkt 528 - soziale 393
Miete 266 Mündelgelder 195
- kalkulatorische 143 Multimedia 61
Mietoption 212, 214 f.
Mietvertrag 252, 312 N
Mikroplanung 542
Mikroterminplanung 543 Nachfragekurven, elastische 532
- intermittierende 543 Nachlagerung 18, 20
- Kombination 543 Nachliegezeit 468
- kontinuierliche 543 Näherungsformel 461
- konzentrierte 543 Name 516
Minderkaufmann 249 ff. Namensaktien 177, 233 f.
Mindestbestand 298 - gebundene 234
Mindestbestellmenge 295 - vinkulierte 177, 234
Mindestmengen 533 Nebenfehler 488
Mindestnennbetrag 232 Nebenkennzahlen 44
Mineralölsteuer 120 f. Negativerklärung 195
Minimalprinzip 31, 33 f., 479 Nennbetrag 233
Mischbeziehung 363 Nettobedarf 293 f.
Mitarbeiter 26 f., 65, 362 Nettoertragsbeteiligung 417
- arbeitnehmerähnliche 359 f., 363 Netto-Personalbedarf 366
- Einstellung 377 ff. Netto-Primärbedarf 293
- freie 360, 363 f. Netto-Sekundärbedarf 293
- Führung 344 Netto-Tertiärbedarf 293
- Grundsätze 353 f. Netzpläne 110 f.
568 Stichwortverzeichnis

Neueinführung 543 Organisationsstrukturen, dezentrale 345


Neuproduktentwicklung 501 ff. Organisationstypen 444
Nichtigkeitsgründe 254 Organisationswürfel 94 f.
Nischenanbieter 515 Originallohnabrechnung 421
Niveauänderungskosten 466 Output 10, 34
Nivellierungsprinzip 543
Nominalzins 194 P
Normalitätsmerkmal 483
Normalleistung 414 Pachtvertrag 312
Normalzeit nach REFA 415 Packungstest 509
Normen, Arten 58 Palettenregale 327
Normung 55 f. Panel 509 f.
Nutzungsdauer, betriebsgewöhnliche 211 Partialkontrolle 487
Partie 442
O Partieleistungen 8
Partie-Produktion 442
Objektdezentralisation 445 Passiva 128 f.
Objektprinzip 100 f., 300 ff., 445 - Überbewertung 158
Objektzentralisation 445 Passivseite 129
Obligationär 193 Penetrationsstrategie 530 f.
Obligationen 192, 196 Periodengewinn 143
öffentlicher Glauben 206 Periodenkapazität 163
Öffentlichkeitsarbeit 65, 92 Persönlichkeitsbeurteilung 403
ökonomisches Prinzip 31, 33 f., 479 Personalabbau 354, 404, 426
Öko-Steuer 120 Personalarbeit 345
Offene Handelsgesellschaft (oHG) 69, 149, Personalauswahl 375
173 f., 182, 221, 223 ff., 239 Personalbedarf 366, 404
- Auflösung 226 f. - qualitativer 364, 367 ff.
- Geschäftsführung 244 - quantitativer 364
- Geschäftsführungsbefugnis 225 Personalbedarfsbestimmung 365
- Gesellschaftsvertrag 225 Personalbedarfsdeckung 354
- Gewinnverteilung 226 Personalbedarfsplanung 366
- Haftung 225, 244 - qualitative 367
- Kontrollrechte 244 - quantitative 367, 369
- Rechtsverhältnisse der Gesellschafter 225 Personalberatungsunternehmen 373
- Vermögen 244 Personalbeschaffung 354, 365, 370 ff., 376, 404
- Vertretung der Gesellschafter 226 - außerbetriebliche 376
Operate-Leasing 211 f. - innerbetriebliche 371 f., 376
Option 197 Personalbeschaffungsplanung 366
Optionsanleihen 196 f., 200 Personalbestandsanalyse 365
Optionsrecht 197 f. Personalbetreuung 354, 400 ff., 404
Optionsscheine 197 f. Personalbeurteilung 354, 400, 403
Organisation 17, 19, 65, 94 ff., 112 Personaldaten 483
- disziplinarische Sicht 99 Personaleinarbeitung 386
- innere 301 f. Personaleinführung 386
- sachlich-funktionale Sicht 99 Personaleinsatz 354 f., 365, 386 ff., 399, 404
Organisationsbegriff 94 f. Personaleinsatzplanung 366
Organisationsentwicklung 354 Personaleinstellung 404
Organisationsformen 444 ff. Personaleinteilungsplan 475 f., 478
Organisationsgrundsätze 112 ff. Personalentgelt 404
Organisationskonflikte 396 Personalentwicklung 349, 354, 365, 400, 402,
Organisationsmanagement 345 f. 404
Organisationsprinzipien 113 - Ziele 400
569

Personalentwicklungsplanung 366 Personenunternehmen 182


Personalentwicklungsschritte, individuelle 355 - Kapitalzuführung 174
Personalforschung 354 Pfand 205
Personalfreisetzung 365, 422 ff. Pfandgeber 205
Personalführung 354, 366, 400, 404 Pfandgegenstände 205
Personalführungsgrundsätze 354 Pfandnehmer 205
Personalfunktion 66 Pfandrechte 205 ff.
Personalinformationsmanagement 365 - an beweglichen Sachen 201, 209
Personal-Istbestand 366 - an unbeweglichen Sachen 201, 210
Personalkonflikte 355 Pflegeversicherung 420
Personalkosten 404, 407, 409 Plant-Leasing 211
Personalkostenmanagement 365 Planung 67, 349, 547 ff.
Personalkredite 209 - mengenmäßige 460 ff., 462
Personalleistung - operative 369
- am Arbeitsplatz 391 ff. - zeitliche 464 ff.
- objektive Bedingungen 391 Planungsaufgaben 99, 103
- subjektive Bedingungen 391 Planungsfunktion 101
Personalmanagement 344, 345 f., 354, 366, 387 f. Planungsnorm 58
Personalmarketing 354 Planungsphase 401
Personalmaßnahmen Plattenförderer 331
- qualitative 349 Plattform-Produktion 341
- quantitative 349 Pluralinstanz 70 f.
Personalorganisation 355 f. Post-test 509, 543
Personalplanung 354, 364 ff., 366, 370, 404 Potentialbeurteilung 403
- operative 364 f. Potentiale 400
- strategische 364 Power-and-free-Förderer 329 ff.
- taktische 364 Prämienlohn 414, 416
Personalrichtlinien 356 Praktikanten 360, 363
Personalsicherheiten 200 f. Praktikum 402
Personalstrukturen 345 Preis 305 f., 527
- qualitative 346 - kostenorientierter 528
Personalveränderung 365 - mitbewerberorientierter 528
Personalverwaltung 355, 366, 387 f., 400 - nachfrageorientierter 528
Personalwerbung 354 Preisabhängigkeiten 527 f.
- externe 372 f. Preisänderungen 528
Personalwesen 339 ff. Preisbildung 528
- als Schnittstellen 344 Preisdifferenzierung 528 f.
- Anforderungen 345 ff. - nach Produktvarianten 529
- Aufgaben 354 ff. - nach abgenommener Menge 529
- Bedeutung 344 f. - personelle 529
- externe Einflüsse 349 ff. - räumliche 529
- Funktion 343 - verwendungsbezogene 529
- industrielles 344 - zeitliche 529
- interne Einflüsse 349 ff. Preiselastizität der Nachfrage 531
- Organisation 356 f. Preisentwicklungsplanung 324
- Rationalisierung 355 Preiskartell 246
- Stellung 341 Preislage 528
- Ziele 348 f. Preispolitik 527 f.
Personalzusatzkosten 408 f. Preisstrategien 529 ff.
Personen Preistest 509, 528
- juristische 231, 252 Pre-test 509, 543
- natürliche 252 Primärbedarf 292 f.
Personengesellschaft 149, 173 f., 221 ff., 359 Primärerhebung 510
- Firma 223 Primärforschung 507 f., 511
570 Stichwortverzeichnis

Primärsektor 8 - kurzfristige 432, 458 ff.


Primärziele 21 ff., 29 - langfristige 431 f.
Primatkollegialität 70 - mittelfristige 431 f.
Prinzip Produktionsplanungs und –Steuerungssysteme
- der Ergiebigkeit 113 (PPS) 60 f., 288, 431, 475, 477, 483
- der Koordination 113 Produktionsprogrammplanung 433, 475, 478
- der Sparsamkeit 113 - langfristige 433
- der Wirtschaftlichkeit 113 Produktionsprozess 431
- der Zweckmäßigkeit 113 Produktionsrisiko 436
- des organisatorischen Gleichgewichts 113 f. Produktionsstätten 3
- logistisches 57 Produktionssteuerung 60, 432, 467, 475
Prioritätsregeln 470, 476 Produktionstiefe 434, 441
Privatrecht 409 Produktionswirtschaft 429 ff.
Produktart 534 Produktivität 28, 34 ff., 41, 44, 349, 359, 481
Produktdifferenzierung 525 Produktivitätsberechnung 35
Produktdiversifikation 525 f. Produktivitätsbeteiligung 417
Produkte 431 ff., 497, 537 Produktivitätskennzahlen 29
- absatzreife 17 Produktlebenszyklen 502, 521 ff., 534
Produkteigenschaften 518 Produktlinie 435
Produkteliminierung 526 Produktmanagement 75 f.
Produktentwicklung Produktmaterialien 53
- in einem CIM-System 32 Produkt-Mix 498
- konventionelle 32 Produktpolitik 500, 516 ff.
Produktentwicklungsphase 502, 504 Produktqualität 19
Produktentwurf (CAD) 477 f. Produkttest 509
Produktfelder 433 ff. Produktvariation 522, 525
Produktgruppen 433 ff., 500 Profitcenter 12
Produktion 4 f., 11, 65, 431 ff. Prognose 497
- automatisierte 440 Programmbreite 433
- emanzipierte 465 f. Programmplanung 475 f.
- handwerkliche 440 Projektarbeit 355
- kontinuierliche 442 Projektmanagement 75
- losweise 442 Projektorganisation 75 f.
- mechanisierte 440 Promotion 544
- produkteinheitsfreie 442 Prototyp 504
- Rationalität 478 Prozesskette 16 ff.
- stufenweise emanzipierte 465 Prüfnorm 58
- synchrone 465 f. Prüf- und Beurteilungskosten 489
- Weiterverarbeitung 8 Public Relations (PR) 93, 539, 544
Produktionsapparat, betrieblicher 127 Pufferfunktion 325
Produktionsarten 432, 439 ff. Pufferlager 325
Produktionsbeteiligung 417 pull-Effekt 544
Produktionsbreite 434 push-Effekt 544
Produktionsfaktoren 127, 431
- elementar betriebliche 343 Q
- menschliche Arbeit 358 ff.
Produktionsgüter 4 f., 517 Qualifikationsstrukturen 346
Produktionsgüterbetriebe 6 f. Qualität 288, 486, 490, 518 f.
Produktionskontrolle 432, 478 ff., 487 - Qualitätskontrolle 55, 60, 478, 486 ff.
Produktionskurve 465 - optimale 489
Produktionspalette 458 Qualitätsmanagement 48, 355
Produktionsplan 291, 432 Qualitätsnorm 40, 58
Produktionsplanung 60, 475 Qualitätsplanung 477
571

Qualitätsprüfung (CAQ) 477 f. Rentabilität 22 f., 25, 28 f., 39 ff., 43 f., 349,
Qualitätssicherung 289, 477, 490 479 ff.
- Kosten 489 - auf das betriebsnotwendige Kapital 25
- Methoden 486 f. Rentabilitätsberechnung 24 f.
Qualitätsstrategie 490 Rentenschuld 205, 207
Qualitätszirkel 48 Rentenversicherung 420
Quotaverfahren 511 Reserven
- Auflösung stiller 172
R - stille 148, 150, 156, 167 f., 171
Ressortkollegialität 70
Rabatte 528 Restrukturierung (Restruction) 88 f.
Rabattpolitik 533 f. Reststoffverwertung 282
Rahmenvertrag 312 Return on Investment (ROI) 283
Random-Verfahren 511 Revitalisierung (Revitalizing) 88 f.
Rangfolgeverfahren, summarisches 412 Risikostreuung 517
Rangreihenverfahren, analytisches 413 Rohstoffe 53, 56, 279
Rationalisierung 342 Rohstoffgewinnungsbetriebe 6 f.
Rationalisierungseffekte 55, 171 Rohstoffproduktion 440
Rationalität 349 Rolle 395
Reaktivierung, beruflich 402 Rollenbahnen 330 f.
Realisationsaufgaben 99 Rückgangsphase 522 f.
Realisationsphase 401 Rücklagen 148 f., 156
Realkredite 183, 191 - andere 150, 158
- dinglich gesicherte 209 - für eigene Anteile 150, 158
Rechnung 316 - gesetzliche 150, 158
Rechnungsabgrenzungsposten 129 - offene 150
Rechnungskern 316 - satzungsmäßige 150, 158
Rechnungskopf 316 Rückstellungen 129, 143, 165 f., 172
Rechnungslegung, externe 98 - Pensions-und sonstige 130
Rechnungsprüfung 303, 315 f. Rüstkosten 460 ff.
Rechnungsschluss 316 Rüstkostenverlauf 461
Rechte 131, 262 Rüstzeit 469
Rechtsformen, eines Unternehmens 221 ff. Rutschen 330 f.
Rechtsgeschäfte 252
- einseitige 252 S
- mehrseitige 252
Rechtsgeschäftslehre 252 ff. Sachanlagen 16
Rechtsscheinhaftung 251 Sachaufgaben 99
Rechtsstreitigkeiten 355 Sachen 262
Rechtsverhältnisse 4 f. Sachfunktion 66
Rechtsvorschriften 385 Sachgüter 16, 127, 130 f.
Recycling 324 ff., 341 Sachkapital 127, 130 f., 148
Reederei 221 Sachkauf 265
Re-engineering 12, 87 f., 91, 352 f. Sachleistung 391
Regalförderzeuge (RFZ) 329 f. Sachleistungsbetriebe 6 ff.
Regallager 328 Sachmängelhaftung 271, 274
- konventionelle 327 f. Sachmangel 271
Rehabilitierung, berufliche 402 Sättigungsphase 522
Reifephase 522 Sale-lease-back 210
Reihenfertigung 443 ff. Sale-lease-back-Verfahren 167
Reinvestition 161 Scheinkaufmann 249, 251
Rendite 25 Schenkungsteuer 121
Rennwettsteuer 118, 121 Schickschuld 263 f., 307
Schlechterfüllung 271
572 Stichwortverzeichnis

Schlepper 329 f. Solidaritätszuschlag 120


Schlüsselkunden 546 Sollbeschaffenheit 271
Schlüsselqualifikationen 46, 402 Sonderlager 327
Schuldbuchforderungen 195 Sortenfertigung 8
Schuldenhaftung 224, 231 Sortenproduktion 441
Schuldner 205 Sortimenthandel 535
Schuldschein 192 Sortimentsbreite 524
Schuldscheindarlehen 183, 191 f. Sortimentsgeschlossenheit 524
Schuldverschreibungen 183, 191 f., 195 Sortimentsgestaltung 524
Schuldwechsel 136 Sortimentsmarke 518
Science-Fiction-Szenarien 503 Sortimentspolitik 524 ff.
Segmentierung 512 ff., 517 Sortimentstiefe 524
Segmentierungsstrategien 514 f. soziale Angelegenheiten 428
Sektor Sozialgerechtigkeit 411
- tertiärer 7 Sozialkosten
- volkswirtschaftlicher 9 - freiwillige 407 f.
Sektorengliederung 98 - gesetzliche 407 f.
Sekundärbedarf 292 f. - tarifliche 407 f.
Sekundärerhebung 510 Sozialleistungen 355
- externe 510 Sozialpolitik 349
- interne 510 Sozialverhalten 369
Sekundärforschung 507 f. Sozialversicherungen, Beitragssätze 420
Sekundärsektor 8 f. Sozialwesen 366
Sekundärziele 29 Spaltentensoren 110
- betriebliche 41 Sparsamkeitsprinzip 112
Selbständige 68, 80 Speicherfunktion 325
Selbstfinanzierung 148, 157 ff., 171 Spezialarbeiter 360
- im engeren Sinn 160 f. Spezialhandel 535
- offene 157 f., 160, 171 f. Speziallager 327
- stille 158 f., 171 Spezial-Leasing 215 f.
Selbstkosten 55, 283 Spezialpaletten 331
Selbstorganschaft 223 Spezifikationskauf 312
Serienfertigung 8, 441, 443 Spielbankabgaben 118, 121
Service 519 f. Sponsoring 539, 545
Servicemanagement 30, 319 Staat 27 f.
Sicherheiten 209 Stab 73
- dingliche 201 Stababteilung 19
Sicherheitsbestand 298 Stabilitätsprinzip 113
Sicherheitsnorm 58 Stablinienorganisation 72 f.
Sicherheitswesen 366 Stabliniensystem 73 f., 75
Sicherung des Wirtschaftspotentials 120 Stammaktien 177, 233 f.
Sicherungsgeber 203 Stammeinlage 237
Sicherungshypothek 207 Stammkapital 149, 237
Sicherungsnehmer 203 Standard-Factoring 171
Sicherungsübereignung 201, 203 f., 209 Standortanalysen 116 f.
Sicherungsvertrag 203 f. Standortbestimmung 348
Signalkennziffern 28, 41 f., 44 Standorte 114, 117
Singularinstanz 69 f. - absatzorientierte 116
skimming-policy 529 f. - arbeitskostenorientierte 116
Skonto 184, 309 - bodenpreisorientierte 116
Skontozahlung 309 - industrielle 114 ff.
Sofortverwendung, lagerlose 287 - innerbetriebliche 432, 457
Solawechsel 187 - optimale 115
573

- kraftstofforientierte 116 Stückzeitakkord 415


- steuerorientierte 116 Stufenwertzahlverfahren, analytische 413
- traditionsorientierte 116 Substanzgewinnbeteiligung 417
- transportkostenorientierte 116 Substanzsteuer 120 f.
- verkehrsorientierte 116 Substitution 518
Standortfaktoren 115 f., 117 SWOT-Analyse 497
Standortkonzentration 116 f. Syndikat 246
Standortplanung 327 Synergieeffekt 66 f.
- innerbetriebliche 454 ff. System 70
Standortqualitäten 115 f. Systemanbieter 54, 336
Standortrisiken 116
Stellenanzeigen 372 T
Stellenausschreibung
- innerbetriebliche 372 Tabaksteuer 121
- interne 371 f. Tabelle 211
Stellenbeschreibungen 356, 368 f., 377, 392 Taktzeit 451 f.
Stellen- und Besetzungspläne 356 Tante-Emma-Laden 222
Stetigförderer 330 f. Target-Costing 87, 89 ff., 91
- flurfreie 330 f. Target-Costing Management 91
- flurgebundene 330 f. Tarifverträge 410
Steuereinnahmeberechtigte 120 Taylorismus 449
Steuereinteilung 119 ff. Taylorsches Prinzip 45, 74
Steuergerechtigkeit 120 Teamarbeit 12, 33, 46, 75, 82 f.
Steuern 119 Teams 345
- direkte 122 f. technology-push 437
- indirekte 121 Teilamortisations-Leasing 211, 213
Steuerpolitik 121 Teilerhebung 511 f.
Steuerquellen 118, 120 Teilkostenrechnung 503
Steuerspirale 119 Teilmärkte 518
Steuersystem 118 ff., 123 Teilproduktivität 481
Steuertransparenz 120 Teilsegmente 503 f.
Steuerung 64, 67 Terminplanung 293, 324
Steuerungsaufgaben 103 f. Terminüberwachung 303
Steuerungsfunktion 101, 348 Tertiärbedarf 292 f.
Steuerungskonzepte 470 ff. Tertiärsektor 8 f.
- spezielle 475 ff. Testmärkte 528
Steuerungsverfahren, EDV-gestützte 475 Testphase 502, 504 f.
Stichprobe 511 Testverfahren 375
Stichtagsinventur 333 Tiefengliederung 101
stille Gesellschaft 69, 221, 224, 229 f. Tilgungsanleihe 196
- Innengesellschaft 230 Time Based Management 90 f.
- Kommanditist 230 Totalkapazität 163
- Komplementär 230 Totalkontrolle 487
Stimmrechtsvorzug 177 Total Quality 87
Stoffnormen 57 f. Total Quality Management (TQM) 48, 90 f., 289
Streckengeschäft 320 Trainee-Programme 402
Strukturmanagement 345 Transport
Strukturstückliste 292 - externer 281
Stückakkord 414 - innerbetrieblicher 282
Stückgewinn 143 - interner 281
Stückkosten, sinkende variable 457 Transportkosten 264 f.
Stückkostenkurve 485 Transportsysteme, fahrerlose (FTS) 329 f.
Stücklisten 292 Transportzeit 469
Stückperiodenausgleich 296 Treasuring 98
574 Stichwortverzeichnis

Treuerabatte 533 Unternehmensmoral 65


Treu und Glauben, Grundsatz von 316 Unternehmensqualität 288
Trust 247 f. Unternehmensstrategie 87
Typisierung 55 Unternehmensziele 344, 498, 500, 542
Unternehmenszusammenschluss 245 ff.
U - diagonaler 248
- horizontaler 248
Überbewertung 158 - Konzentrationsform 245
Überdimensionierung 52 Unternehmenszweck 497
Übereignung 266 f. Unternehmer 24, 67 ff., 77, 358
Über-pari-Emission 181, 194 Unternehmung 67
Umlaufvermögen 129, 141, 154 - horizontaler Aufbau 71
Umsatz 283 - Kapitalkraft 435 f.
Umsatzbeteiligung 417 - Leitung 71
Umsatzerträge 26 - Mitarbeiter-Ebene 71
Umsatzpotential 503 - mittlere Führungsebene 71
Umsatzrentabilität 25, 283, 480 - produktbezogener Aufbau 73
Umsatzsteuer 118, 121, 123 - untere Führungsebene 71
Umschichtungsfinanzierung 168 - vertikaler Aufbau 71
Umschlagshäufigkeit 333 Unterordnungskonzern 247
Umschüler 360, 363 Unter-pari-Emission 194
Umschulung 400, 402 Urkunden 378 f.
Umsetzung, kreative 542 Urproduktion 7 ff., 249, 440
Umstrukturierung 352
Umtausch- und Rückgabemöglichkeiten 533 V
Umweltmanagement 87, 107 f., 341, 386
- offensives 107 Verbesserungs- und Vorschlagswesen 355
Umweltorientierung 105 Verbesserungsverfahren 456 f.
Umweltpolitik 106 Verbindlichkeiten 37, 129
Umweltschutz 10, 106 - kurzfristige 135 f.
- integrierter 106 - Überbewertung 172
Umweltschutzmanagement 105 Verbrauch
Unstetigförderer 329 f. - öffentlicher 8
- flurfreie 330 - privater 8
- flurgebundene 330 Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) 260 ff.
Unterbewertung 158 Verbraucherschutzvorschriften 255
Unterdimensionierung 52 Verbrauchsgüter 4 f., 517
Unternehmen - produktive 4 f.
- Ertragskraft 143 Verbrauchsteuern 118, 120 f., 123
- Finanzkraft 143 Verbundwerbung 540
- Kapitalkraft 435 f. Verein, wirtschaftlicher 241
- Konzentration 245 Vereinigung, nichtrechtsfähige 224
- mittelständisches 344 Verfahrensnormen 57 f.
- Verschuldungsgrad 146 Verfügungsbefugnis 71
Unternehmensaufbau, umweltorientierter 105 ff. Vergnügungsteuer 118
Unternehmensbegriff 67 verhaltensbedingte Gründe 425
Unternehmensbesteuerung 122 Verkäufermarkt 494, 502, 512
Unternehmensführung 63 Verkauf
Unternehmensgewinn 23, 26 - persönlicher 545
Unternehmensinsolvenzen 153 - unter Eigentumsvorbehalt 309
Unternehmensinteressen 349 - von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Unternehmenskultur 91 ff., 94 172
- internationale 346 Verkaufsförderung (VKF) 93, 539, 544
575

Verkaufsorgane - Antrag 253


- betriebseigene 538 - Inhalt 253
- betriebsfremde 538 - Zustandekommen 253 ff.
Verkehrsbetriebe 7 Vertragsabschlüsse 349
Verkehrshypothek 207 Vertragsarten 312
Verkehrsteuern 118, 120 f., 123 Vertragspartner, Einigung 253 f.
Verlauf Vertragsrahmen 382 f.
- degressiver 484 Vertreterprovision 407
- fixer 485 Vertrieb 281
- intervallfixer 485 Vertriebssystem 537
- progressiver 484 - exklusives 537
- proportionaler 484 - intensives 537
- überproportionaler 484 - selektives 537
- unterproportionaler 484 Verursachungsprinzip 107
Vermarktungsvorbereitungsphase 502 Verwaltung 95
Vermietung 210 - allgemeine 98
Vermögen, immaterielles 130 Verwaltungsorganisation 355
Vermögensbestände Verwaltungsrolle 348
- geldferne 136 Verwender 497
- geldnahe 136 Verwendungsplanung 400
Vermögensstruktur 153 f. Verwendungssteuerung 400
Vermögensteile Verwertung 281
- geldferne 136 Verzinsung 23 f., 193 f.
- geldnahe 136 Verzugsschaden 270
Vermögensteuer 118, 121 Vollamortisations-Leasing 211, 213
Vermögenstitel Vollamortisationsvertrag 212
- kurzfristige 128 Vollerhebung 511 f.
- langfristige 128 Vollkaufmann 224 f., 249 ff.
- Unterbewertung 172 Vollkostenkalkulation 55
Vermögenswerte Vollkostenrechnung 503
- betriebliche 131 Volontäre 360, 363
- immaterielle 131 Volontariat 402
Verpackung 517, 519 Vorauswahl 377
Verpackungskosten 533 Vorauszahlung 308
Verpackungssteuer 120 Vorlagerung 20
Verpflichtungen 37 Vorleistungen 359
Verpflichtungsbefugnis 71 Vorliegezeit 469
Verrichtungsdezentralisation 445 Vorratshaltung 287
Verrichtungsprinzip 100 f., 445 Vorschlagswesen 67
Verrichtungszentralisation 445 Vorschriften, gesetzliche und tarifliche 355
Versetzungen 371 Vorstand, Geschäftsordnung 72
Versicherungen 4 Vorstellungsgespräch 375, 377, 379
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) 195, 241 Vorsteuer 121
Versicherungsbetriebe 3, 7 Vorüberlegungsphase 302
Versicherungskosten 533 Vorzugsaktien 177, 234
Versicherungsteuer 118
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) W
241
- Aufsichtsrat 241 Wachstumsphase 521 f.
- oberste Vertretung 241 Wagnisse, kalkulatorische 143
- Vorstand 241 Wandelanleihe 197
Verständigungsnorm 58 Wandelobligation 196, 200
Vertrag 252 Wandlungspreis 197
- Annahme 253 Wandlungsverhältnis 197
576 Stichwortverzeichnis

Ware Werkstoffe 3, 5 f., 10, 16 ff., 35, 53 ff., 61 f., 65,


- anonyme 517 115, 127, 343, 358 f., 431
- Art und Qualität 304 f. Werkstoffkosten 54 f.
- markierte 517 Werkvertrag 252, 254, 312
Warenannahme 332 f. Werkzeuglager 325
Warenausgangslager 325 Wertbildungsprozess 19 f.
Warenauslagerung 333 Wertekreislauf 108
Warenbereitstellung 286 f. Wertmerkmal 483
Warenbereitstellungsprinzip 287 Wertpapier-Urkunde 193
Wareneingang 303, 314 f. Wert-Regel 472 ff.
Wareneingangskontrolle 314 Wertrelationen 479
Wareneingangslager 325 Wertschöpfung 358 f.
Wareneinlagerung 332 f. Wertschöpfungsbeteiligung 417
Warenlombard 189 Wertschöpfungskette 47
Warenschulden 306 Wertströme 7
Warenstrom 9 Wertverteilungsprozess 20 f.
Waren- und Dienstleistungsmarkt 279 Wettbewerb
Wechsel 187 - globaler 341
- gesetzliche Bestandteile 187 - internationaler 349 f.
- gezogener 187 Widerrufsrecht 259, 261
- Kreditmittelfunktion 188 Wiederbeschaffungszeit 298, 335
- Kreditsicherungsmittel 187 Willensbildung 63, 66, 94, 104
- Zahlungsmittelfunktion 187 Willensdurchsetzung 64, 66, 94, 104
Wechseldiskontkredit 187 f. Willenserklärung 252
Wechselgesetz 187 - einseitige 423
Wechselkredit 183, 188 - empfangsbedürftige 252, 423
Wechsellombard 189 - nicht empfangsbedürftige 252
Wechselsteuer 118 Willenssicherung 64, 66
Wegoptimierung 332 Wirtschaft
Weisungsbefugnis 71 - Wachstum 352
Weisungssystem 71 ff., 99 - Wandel 341
Weiterbildung 355, 366, 400, 402 Wirtschaften 3 ff.
- berufliche 401 Wirtschaftlichkeit 28, 31 ff., 35, 41, 43 f., 349,
Weiterbildungssystem 345 479 f.
Weiterverarbeitung 7, 9 - Grundsatz der 112
Werbebotschaft 541 Wirtschaftlichkeitskennzahlen 29, 31
Werbeerfolgskontrolle 542 f. Wirtschaftlichkeitsprinzip 33 f., 114
Werbeetat 542 Wirtschaftsausschuss 427
Werbekampagne 540 ff., 542 Wirtschaftsbereiche 8
Werbemittel 541 f. Wirtschaftsbetriebe 3 f.
Werbepanel 510 f. Wirtschaftsgüter 210
Werbetest 509 Wirtschaftssektor 9
Werbeträger 541 f. - primärer 7
Werbeziele 540, 542 - sekundärer 7
Werbung 65, 539 - tertiärer 9
- antizyklische 543 Wohlstandsmärkte 512
- gemischt antizyklische 543
- gemischt prozyklische 543 Z
- prozyklische 543
- zeitliche Verteilung 543 Zahlstellen 195
Werklieferungsvertrag 312 Zahlung
Werkstatt, Belastung 468 - auf Ziel 309
Werkstattfertigung 443 f., 446, 448, 463 Zahlungsbedingungen 184, 265, 308 f., 533
577

Zahlungsbereich 128, 131 Ziele


Zahlungseinstellung 275 - betriebliche 29 ff.
Zahlungsfähigkeit 39, 134 - personale 30
Zahlungsfähigkeitsrisiko 39 - umweltbezogene 30
Zahlungsfristen 308, 533 Zielkauf 308
Zahlungsmittel 37, 136 Zielkonflikte 349
Zahlungsmoral 133 Zielkosten 90
Zahlungssicherungen 533 Zielkostenmanagement 89 ff.
Zahlungs- und Lieferungsbedingungen 528 Zielsetzungen
Zahlungsunfähigkeit 133 - betriebliche 43
Zahlungsverkehr 218 ff. - wirtschaftliche 349
Zahlungsverzug 274 Zinsen 171
Zahlungsweise 533 - kalkulatorische 143
Zahlungsziel 168, 184 Zinskosten 462
Zedent 208 Zölle 118 ff., 122 f.
Zeitakkord 414 Zuckersteuer 118
Zeitarbeitsunternehmen 373 Zug um Zug 308 f.
Zeitdaten 482 Zulieferteile 279
Zeitlohn Zusatznutzen 517, 519
- mit Zulage 414 Zuzahlungen
- reiner 414 - andere 150
Zeitmerkmal 483 - für Vorzugsrechte 150
Zeitrabatte 533 Zweckmäßigkeit 112
Zentraleinkauf 302 - Grundsatz der 112
Zentralisierung 345, 347 Zweckmäßigkeitsprinzip 114
Zerreißlager 464 Zweistufenabsatz 536
Zession 208 ff. Zweitwohnsteuer 120
- Abtretung von Forderungen und Rechten 209 Zweitziele 29 ff.
- offene 208 Zwischenbrachzeiten 472
- stille 208 Zwischenhandel 535
Zeugnis 378, 380 Zwischenlager 325, 431, 463

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