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!allgemeine BWL - Betriebswirtschaftliches Wissen Für Kaufmännische Berufe. Schritt Für Schritt-Gabler Verlag (2007)
!allgemeine BWL - Betriebswirtschaftliches Wissen Für Kaufmännische Berufe. Schritt Für Schritt-Gabler Verlag (2007)
) · Allgemeine BWL
Jürgen R. Tiedtke (Hrsg.)
Allgemeine BWL
Betriebswirtschaftliches Wissen für
kaufmännische Berufe – Schritt für Schritt
Erarbeitet von
Birga Döring, Tim Döring, Wilfried Giesler,
Wolfgang Harmgardt, Regina Kühn, Axel W. Lange,
Kai Michaelsen, Jürgen R. Tiedtke
1. Auflage 1998
2., überarbeitete Auflage Januar 2007
Alle Rechte vorbehalten
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
Lektorat: Dr. Riccardo Mosena
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
www.gabler.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
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berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im
Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher
von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-409-29740-0
V
Vorwort
Wir hoffen, dass Sie Freude am Buch und an der Erarbeitung der Inhalte haben und Ihr Interesse für alle
wirtschaftlichen Fragen geweckt und verstärkt wird.
Die Autoren
VI
Inhaltsverzeichnis
3.2 Die Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften ..258
3.3 Die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge .......................................................260
4. Der Kaufvertrag ......................................................................................................................262
4.1 Inhalt des Kaufvertrages.....................................................................................................262
4.2 Pflichten der Kaufvertragsparteien.....................................................................................265
4.3 Übereignung .......................................................................................................................266
4.4 Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt.............................................................................267
4.5 Pflichtverletzungen beim Kaufvertrag ...............................................................................269
4.6 Besondere Kaufvertragsarten .............................................................................................274
Stichwortverzeichnis .........................................................................................................................551
XIII
Besondere Kennzeichen:
• preisgünstig durch kundenfreundliche Kalkulation
• sicher durch Seitenverstrebungen und Airbag
• diebstahlgeschützt durch Sicherheits-Code-Verschluss
• kurvenstabil durch das elektronische Kurvamatik-System
• laufruhig
• frisch und lebendig durch Design und Farbe.
Seit zwei Jahren basteln unsere Ingenieure an einem Geländewagen (Funny) herum. Jetzt kann das Modell
in Serie gehen. Dafür ist das Werk in Halle vorgesehen, das bislang den Single produziert.
Die Planung für das Projekt Elektro-Auto sind weit vorangeschritten. Auch für den Roadster „Joy" sind
bereits die Weichen gestellt. Jedoch ist die Planung erst in der Anfangsphase. Lean Production (schlanke
Produktion) bei gleichzeitiger Teamarbeit in der Herstellung ist für uns kein Fremdwort mehr. System-
statt Komponentenanbieter und der Einbau der Teile – z. B. der Elektrizität –, der von ihnen übernommen
wird, garantieren höchste Qualität. Wir selbst liefern Chassis, Motor, Getriebe, Bleche und anderes
(Abb. 2).
XV
Immaterielle Vermögensgegenstände 18
Sachanlagen 328
Finanzanlagen 96
Anlagevermögen 442
Vorräte 166
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 275
Übrige Forderungen und sonstiges Vermögen 28
Wertpapiere 152
Flüssige Mittel 47
Umlaufvermögen 668
Rechnungsabgrenzungsposten 10
1.120
Passiva
Gezeichnetes Kapital 90
Kapitalrücklage 82
Gewinnrücklagen 260
Jahresüberschuss 24
Eigenkapital 456
Pensionsrückstellungen 224
Übrige Rückstellungen 210
Rückstellungen 434
1.120
XVI
180
Umsatz
160 Personalaufwand
140
Automobilproduktion
Mitarbeiter
120
100
4. Personal
Ende 2005 arbeiteten in den Werken und Verwaltungen 18.800 Mitarbeiter. 400 weniger als ein Jahr zu-
vor. Mit weiteren 700 Mitarbeitern wurden Vereinbarungen über einen vorgezogenen Ruhestand geschlos-
sen, soweit es gesetzlich möglich ist.
Für die Aus- und Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter sowie für das technische Training und die Ver-
kaufsschulung von Mitarbeitern hat das Unternehmen hohe Geldsummen eingesetzt. Der Standard der
Mitarbeiter ist hoch. Förderprogramme für den Nachwuchs geben jungen Menschen Orientierungshilfe für
den künftigen Berufsweg.
Eine eigene Betriebskrankenkasse schafft für Mitarbeiter günstige Tarife.
5. Verkauf
Der Verkauf wurde zu sogenannten Gewinnzentren umorganisiert. Jedes Produkt bildet im Unternehmen
eine eigene Sparte mit eigener Ergebnisverantwortung. So hatten es die Händler immer gleichzeitig mit
mehreren Kundenberatern und Verkäufern zu tun. Auch wurde Spartenwerbung mit eigener Strategie be-
trieben, was zur Konkurrenz im eigenen Unternehmen führt und eine höhere Effizienz mit sich bringt.
6. Altfahrzeuge
Außer Betrieb genommene Fahrzeuge mit der DMW-Marke werden von selbstständigen Verwerterbetrie-
ben zerlegt. Die Bestandteile werden zum großen Teil aufbereitet und stofflich verwertet. Und das alles im
Auftrag von DMW.
Kapitel 1
Rechtsverhältnisse Dienstleistungen
Wirtschaftliche
Güter
Konsumgüter Produktionsgüter
(produktive)
(produktive)
Verbrauchsgüter Gebrauchsgüter Gebrauchsgüter =
Verbrauchsgüter
Investitionsgüter
Abb. 3: Güterarten
Aufgabe
5. Sie haben in Abb. 3 die Güterarten vor
sich.
a) Wieso spricht man von wirtschaftli-
chen Gütern?
b) Kennen Sie nicht-wirtschaftliche Gü-
ter? Nennen Sie diese!
c) Sehen Sie sich bitte Abb. 4 genau an.
Da ist von Gütern unterschiedlicher
Ordnung die Rede, da ist der Begriff
„Kombination“ ausgewiesen, und da
sind die Elementarfaktoren darge-
stellt.
ca) Wieso nennt man die Güter,
die ein Betrieb für andere Be-
triebe herstellt, Güter „höhe-
rer Ordnung“?
cb) Welche Aufgaben haben Gü-
ter „niederer Ordnung“ und
welche Güter „höherer Ord-
nung“ zu erfüllen?
cc) Können Sie die Abb. 4 inter-
pretieren? Versuchen Sie es
bitte! Vielleicht lässt sich sogar
Abb. 4: Zusammenhang von Produktion eine Art Kreislauf heraus-
und Konsumtion lesen.
6 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Zusammenfassung
Haushalte sind Stätten des Konsums, Betriebe Stätten der Produktion. Hier werden Güter
und Leistungen erzeugt, die einerseits den Haushalten dazu dienen, ihr Leben abzusichern
und zu gestalten, und andererseits erlauben sie den Betrieben, auf der Grundlage der Ele-
mentarfaktoren – Arbeitskräfte, Betriebsmittel, Werkstoffe und Informationen – neue Gü-
ter herzustellen, die sowohl an die Betriebe als auch an die Haushalte veräußert werden.
Sachleistungsbetriebe
Betriebe
(Produktionswirtschaft)
Dienstleistungsbetriebe
Abb. 5 a Betriebsarten
Wird die Anzahl der Produkte, die hergestellt Auch Porsche ist wegen der Exklusivität
werden, in den Vordergrund gerückt, dann seiner Sportwagen ein Großbetrieb (hoher
führt das zu Umsatz), von der Menge der fabrizierten
• Betrieben mit Massenfertigung Wagen dagegen ein Mittelbetrieb.
Die DMW AG ist zugleich Serienhersteller,
• Betrieben mit Sortenfertigung
die obengenannten Autofirmen, außer Por-
• Betrieben mit Chargenfertigung sche, produzieren in Massen.
• Betrieben mit Partieleistungen
• Betrieben mit Serienfertigung Aufgaben
• Betrieben mit Einzelfertigung. 6. Versuchen Sie herauszufinden, was unter
Während es Klein-, Mittel- und Großbetriebe einem Gewerbebetrieb zu verstehen ist!
sowohl bei Dienstleistungsbetrieben als auch Ziehen Sie hierzu ein Wirtschaftslexikon
bei Sachleistungsbetrieben gibt, gehören die zu Rate!
Betriebe, die Produkte herstellen, einzig und 7. Einzel-, Serien- und Massenfertigung
allein zu den Sachleistungsbetrieben. Auch sind bekannte Begriffe.
hier sind Kleinbetriebe (z.B. Klempnereien,
a) Erläutern Sie diese!
Dachdeckereien, Tischlereien etc.) ebenso
anzutreffen wie Mittelbetriebe (örtliche Brau- b) Machen Sie sich über Sorten-, Partie-
ereien) und Großbetriebe. und Chargenfertigung kundig!
Viele Betriebe sind miteinander verbunden. c) Warum hat die Massenfertigung im
Von einigen wissen wir, dass sie mehr als Laufe der Zeit ständig zugenommen
hundert Lieferanten haben, von den vielen und andere Fertigungen ersetzt?
Kunden ganz zu schweigen. Dann unterhalten
sie meist Konten bei verschiedenen Geldinsti-
tuten und sind bei einigen Versicherungsge- Auch die DMW AG unterhält vielfache Ge-
sellschaften gegen alle möglichen Risiken schäftsbeziehungen zu ihren Lieferanten und
(Feuer, Diebstahl, Brand, Unfall, Haftpflicht Abnehmern. Dabei spielen in- und ausländi-
etc.) versichert. sche Kontakte eine gleichgroße Rolle.
Abb. 6 a: Wirtschaftsbereiche
1. Grundlagen der Leistungserstellung 9
Zusammenfassung
Die vielen Unterscheidungsmerkmale der Betriebe erschweren eine eindeutige Systematik.
Wichtig ist, dass einerseits nach Dienstleistungs- und Sachleistungsbetrieben unterteilt
wird und andererseits nach Betrieben, die den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren zuge-
rechnet werden. Primärsektor ist die Urproduktion, Sekundärsektor die Weiterverarbei-
tung, der Tertiärsektor umfasst Dienstleistungen.
1.3 Industriebetriebe
Industrie Handwerk
Kapazität meist groß; Herstellung in Serien und meist begrenzt; Einzelprodukte
Massen
Käuferkreis anonym Individualnachfrage
Anlagen- hohes Anlagevermögen; Fertigungsma- relativ geringes Anlagevermögen;
struktur schinen Maschinen als Hilfsmittel
Arbeitskräfte unterschiedliche Quantitäten, bei auto- meist relativ wenig Arbeitskräfte (AK). Lehr-
Quantität und matischer Fertigung wenig Arbeitskräf- zeit (beruflich gut und lange ausgebildet)
Qualität te (AK), bei Fließbandfertigung sehr
viele AK beschäftigt, meist oben Tech-
niker, unten angelernte Kräfte
Produktions- verschiedene; Werkstattfertigung; weniger arbeitsgeteilt
verfahren sehr starke Arbeitsteilung
Art der Auf- hohe Aufwendungen für Instandhaltung geringe Abnutzungsaufwendungen, aber hohe
wendungen der Maschinen, hohe Abnutzungsauf- Personalausgaben, weil geschulte AK
wendungen
Erzeugnis- Einproduktunternehmen, Mehrprodukt- mehrere Produkte, Individualfertigung, Son-
programm unternehmen (verwandte Produkte, derwünsche
Baukastensystem)
Abb. 12: Wesentliche Merkmale zur Unterscheidung von Industrie und Handwerk
Wird für den anonymen Markt produziert – So legt sich eine Organisation wie ein Netz
also bei Massenerzeugnissen und Serienpro- über das gesamte Unternehmen, verbindet
dukten –, dann werden sie bis zum Verkauf Abteilungen miteinander und schafft Bezie-
gelagert (Nachlagerung). Schließlich gelan- hungen zu den Arbeitsplätzen mit Regeln, die
gen sie zu den Kunden. Oft über Groß- und für alle verbindlich sind. Nach außen tritt die
Einzelhändler, oft direkt. Mit diesen Aussa- Organisation als Firma mit einem Namen in
gen sind die für die Produktion notwendigen Erscheinung.
Faktoren – in der Betriebswirtschaftslehre als
Elementarfaktoren bezeichnet (menschliche
Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werk-
stoffe) – noch nicht ganz vollständig aufge-
zählt. Es fehlt als weitere Größe ein Informa-
tionssystem, das sich durch alle Abteilungen,
zu allen Arbeitsplätzen, einschließlich denen
der Leitung, zieht. Wie ein Büro im einzelnen
ausgestattet ist, mit welchen Geräten gearbei-
tet wird, welche Formulare wann und wo
eingesetzt werden, wie Nachrichten weiterge-
leitet und Anweisungen erteilt werden, ist in
diesem Zusammenhang nicht wichtig. Wich-
tig aber ist, dass alle Faktoren aufeinander
abgestimmt sein müssen (Kombination), damit
der Prozess reibungslos abläuft. Kein Betrieb
kann es sich nämlich leisten, dass bei Ausfall
einer Maschinenanlage das ganze Unterneh-
men stillgelegt wird. Ersatzanlagen stehen Abb. 16: Die Kombination der Betriebs-
daher meist bereit. Für viele Eventualfälle elemente mit Abteilungsver-
werden vorher Konzepte ausgearbeitet, die je knüpfung am Beispiel der
nach Art des Geschehnisses realisiert werden. DMW AG
Dass es allerdings immer wieder zu Pannen und
Fehlentscheidungen kommt, liegt daran, dass
die verantwortlichen Planer nicht alle Einflüs-
se und Möglichkeiten voraussehen können. Aufgaben
1.4.1.1 Organisation in der 18. Sehen Sie sich bitte noch einmal Abb. 16
Prozesskette an! Was besagen die Pfeile, die sich
Die hier erwähnte Kombination der Elemen- durch die Einzelsektoren ziehen?
tarfaktoren läuft natürlich nicht von selbst und 19. Man nennt den Betriebsprozess auch
ohne Zwischenfälle ab. Wertbildungsprozess. Versuchen Sie zu
erläutern, was man sich hierunter vorstel-
len könnte!
1. Grundlagen der Leistungserstellung 19
Die Organisation setzt das um, was die Lei- Zur Produktqualität
tung und die entsprechenden Mitarbeiter
Mehr denn je scheint in der Gesellschaft Qua-
geplant haben. Damit jeder einzelne seine ihm
lität der Produkte gefragt zu sein. Ein moder-
zugewiesenen Aufgaben auch erfüllt, damit
nes Qualitätsprodukt hat es leichter, am Markt
die Reihenfolge der Abläufe eingehalten wird.
platziert zu werden; es ist haltbarer, reparatur-
Mehr noch. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
unanfälliger und erzielt höhere Wiederver-
der Organisationsabteilungen suchen ständig
kaufswerte. Da lassen sich die Betriebe die
nach Verbesserungen. Für Belegschaft und
Qualitätskontrolle im eigenen Hause schon
einzelne Mitarbeiter werden Arbeitsplatzbe-
etwas kosten.
schreibungen, Explosionszeichnungen der
Erzeugnisse, Stücklisten für die Teile, Lauf-
karten, Arbeitszeitregelungen, Betriebsver-
einbarungen, Teamordnungen u.a. entwickelt,
die den reibungslosen und möglichst schnel-
len Prozess unterstützen, weil sie ihn durch-
sichtig machen.
Zusammenfassung
Das Betriebsgeschehen ist ein sich ständig erneuernder Prozess. In ihm werden die Elemen-
tarfaktoren „menschliche Arbeitskräfte“ (Belegschaft und Leitung), Betriebsmittel, Werk-
stoffe und Informationen auf der Basis von Leitungsentscheidungen kombiniert. Er bringt
Güter und Dienstleistungen nach bestimmten Regeln hervor. Je kürzer die Durchlaufzeit ist,
desto produktiver ist ein Unternehmen. Die fertiggestellten Erzeugnisse wandern meist in
die Nachlagerung, von dort über den Verkauf zum Kunden. Die Prozesskette ist ein Wert-
bildungsprozess, weil aus den Werkstoffen neue Produkte entstanden sind.
20 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
1.4.2 Der Geldprozess Der Q1 Award von Ford. „Es ist ein Geschäftsgrundsatz
von Ford, Geschäftsbeziehungen nur mit solchen Liefe-
Dem „Strom“ aus Gütern und Leistungen von ranten zu unterhalten, die ständig danach streben, ihre
Qualität zu verbessern und ihre Produktivität zu stei-
der Beschaffung zum Absatz – ein Halbkreis- gern.“ Mit diesem Satz leitet das Corporate Quality
lauf also – wird der Geldstrom gegenüberge- Office der Ford Motor Company seinen „Leitfaden Q1 –
stellt. Er verläuft genau entgegengesetzt. Das Qualitätsauszeichnung für Kaufteillieferanten“ ein. Der
Geld wird beim Absatz vereinnahmt, wenn Leitfaden erläutert die weltweit gültigen Auswahlkrite-
rien und Prüfstandards (Q 101a und Q 101b), nach denen
Kunden die Rechnungen begleichen. Und es Lieferanten des Automobilherstellers als „bevorzugt“,
wird der Kasse (Kassenhaltung) zugeführt, „geeignet“ oder „ungeeignet“ eingestuft werden.
von wo aus die nachrückenden Werkstoffe Lieferanten, die als „bevorzugt“ beurteilt werden und die
bezahlt werden können. Auch die übrigen Q1-Auszeichnung (Q1 Preferred Quality Award) erhalten
wollen, müssen eine Reihe von Mindestanforderungen
Faktoren werden entgolten. Die Arbeitnehmer erfüllen, beispielsweise
erhalten meist am Monatsende ihr Gehalt, • bei der „Systemüberprüfung“ (vom Einkauf über die
Miete dagegen wird im voraus fällig. Produktion bis zum Kundenservice) in 20 Kategorien
wenigstens 160 von 200 möglichen Punkten erreichen
Wie auch immer: Das Geld wird für betriebli- • dieses Niveau vor der Auszeichnung ein halbes Jahr
che Zwecke eingesetzt. Hier dient es zur Auf- lang dauerhaft und ohne jede Beanstandung beibehal-
rechterhaltung der Prozesskette und stammt ten haben
von den Kunden. Bei Gründung müssen es • ein hohes „Qualitätsbewusstsein der Führungskräfte“
nachweisen.
die Eigentümer und Kreditgeber aufbringen,
um den Prozess überhaupt in Gang zu setzen. Abb. 18: Qualitätsstandards (Quelle:
manager magazin)
Wertbildungsprozess
istungss
rle
te
tro
Gü
Güter und
Geld
Leistungen
Geld Güter
Ge
Wertverteilungsprozess ldstrom
Abb. 19: Die entgegengesetzten Halbkreisläufe, der Güter- und Leistungsstrom im Wert-
bildungsprozess und der Geldstrom im Wertverteilungsprozess
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 21
Fließt mehr Geld in das Unternehmen zurück Die DMW AG erzielt ihre Einnahmen durch
als Ausgaben anfallen werden, dann können den Verkauf ihrer drei Autotypen „Single“,
neue Pläne geschmiedet werden. So kann man „Shopper“, „Sporty“. Von den Einnahmen
z.B. neue Maschinen kaufen, die entweder die (Umsatz 900 Mio. EUR) müssen 9.400 Mit-
Kapazität erhöhen oder die die Fertigung arbeiter bezahlt werden. Die Ausgaben für
modernisieren. Beides zum Vorteil für den Werkstoffe, Energie und Investitionsgüter
Betrieb. Dass sich mit der Durchführung der waren im vergangenen Jahr beträchtlich. Sie
Entscheidung die Kombination ändert, wird werden sicher auch das nächste Jahr belasten.
deutlich.
Kaufleute und Betriebswirte sprechen – wenn Aufgaben
sie vom Geldprozess im Betrieb reden – vom
Wertverteilungsprozess, weil das eingehende 20. In der Presse ist folgendes bekannt gewor-
Geld sozusagen auf die Betriebselemente auf- den: „Mittlerweile laufen die Opelrückrufe
geteilt oder auf sie verteilt wird. Soundso viel 3 und 4. Erst war es der Tankstutzen, dann
bekommen die Mitarbeiter und die Leitung, so der Airbag links, jetzt der Benzinschlauch
und so viel muss für neue Werkstoffe aufge- im Motor.“ (Quelle: Auto Bild).
wandt werden, so und so viel kosten Werkzeu- Welche Folgen wird das für den großen
ge und Vorrichtungen, Maschinen und Fahr- deutschen Autohersteller – jedenfalls
zeuge, so und so viel ist für Reparaturen fällig, kurzfristig – haben?
so und so viel verschlingt die Miete etc.
21. Prüfen Sie, wie viel Bargeld laut Bilanz
Für alles wird Geld beansprucht. Es verlässt der DMW AG zur Verfügung stand! Fin-
den Betrieb. Damit ist der Kreislauf dann den Sie in der Bilanz weitere Positionen,
geschlossen. die dem Unternehmen zu Bargeld verhel-
fen, damit es seine künftigen Ausgaben
decken kann!
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher
Betriebe
Sie stellen den größten Teil aller Betriebe in Eine nähere Beschäftigung mit diesen Zahlen
unserer sozialen Marktwirtschaft. Daneben erfolgt im Kapitel Finanzierung – und hier
gibt es solche, die einzig und allein auf Be- besonders im Rahmen der Selbstfinanzierung
darfsdeckung aus sind, und solche, die für – und soll daher nicht weiter verfolgt werden.
sich und ihre Mitglieder Vorteile erwirtschaf-
ten wollen. Düsseldorf - Die Adam Opel AG ist 2003 noch tiefer in
Der Gewinn gilt als Antriebsmotor unserer die roten Zahlen gefahren. Das Minus in der Bilanz des
Rüsselsheimer Automobilherstellers stieg von 227 Mio.
Wirtschaft. So setzen Betriebsgründungen
Euro 2002 auf 384 Mio. Euro.
meist voraus, dass diejenigen, die das Kapital Als Grund für den hohen Verlust nannte er schwierige
hierzu bereitstellen, Geld verdienen wollen, Bedingungen im westeuropäischen Markt und die Kauf-
und das heißt Gewinne erwirtschaften, die zurückhaltung der Verbraucher.
Frankfurt - Der Stuttgarter Sportwagenhersteller Por-
eine gute Verzinsung mit sich bringen. Be-
sche hat offenbar im abgelaufenen Geschäftsjahr 2002/03
triebe, die Gewinne erzielen, werden als ren- vor Steuern einen Rekordgewinn von gut 950 Mio. Euro
tabel bezeichnet. Um rentable Betriebe ver- eingefahren. Dies entspreche einer Bruttorendite von 17
gleichbar zu machen, werden die Gewinne Prozent, berichtete „Der Spiegel" unter Berufung auf
namentlich nicht genannte Porsche-Manager. „Gesünder
mit dem eingesetzten Kapital in Beziehung
kann eine Firma nicht sein", zitierte das Magazin zudem
gesetzt. Zunächst soll sich hier auf das Eigen- Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. „Wir leiden auf
kapital beschränkt werden. Die so ermittelte hohem Niveau", fügte der Vorstandsvorsitzende von
Kennziffer heißt Rentabilität. Genau gesagt: Porsche – angesichts der schwachen Konjunktur und des
ins Stocken geratenen Verkaufs der Sportwagen – hinzu
Eigenkapitalrentabilität.
Nun soll der Gewinn nicht irgendeine Höhe Abb. 20: Gewinn- und Verlustrechnungen
haben, sondern er soll hoch ausfallen. In vie- 2003 Opel/Porsche (Die Welt)
len Büchern wird vom Maximalgewinn ge-
sprochen. Dennoch scheint es sinnvoller zu
sein, auch mit einem angemessenen Gewinn
zufrieden zu sein, und seine Höhe sollte eben Aufgabe
so bemessen sein, dass sie über derjenigen
liegt, die bei Investition des gleichen Betrages 22. a) Wie würden Sie zur Zeit ererbte
bei einer Bank herauskommt, und das über 1.000 EUR anlegen? Holen Sie bei
Jahre hinweg. Kreditinstituten Vorschläge ein!
Da die Zukunft aber nicht voraussehbar ist b) Zwei Freunde stritten miteinander.
und einige wirtschaftliche Entwicklungen nur Der eine sagte, er habe 500 EUR
abgeschätzt werden können, haben manche verdient. Der andere meinte, er müs-
Gründer von Betrieben und manche Geldge- se sich mit 200 EUR begnügen, dies
ber nach ersten Erfolgsjahren große Enttäu- sei aber viel rentabler. Wie wird er
schungen erleben müssen, weil der Gewinn das begründen?
spärlicher floss oder ganz versiegte. Ein Un- c) Suchen Sie bitte in diesem Buch und
ternehmen dann gleich aufzulösen, ist aller- in wirtschaftswissenschaftlicher Lite-
dings keine Alternative, oftmals gibt es ande- ratur nach weiteren Begriffen der
re Möglichkeiten zur Existenzsicherung. Rentabilitätsrechnung.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 23
Nun gibt es Menschen, die nur ihr Geld in Die DMW stellen eine Aktiengesellschaft
einem Unternehmen anlegen (z.B. Aktionäre), (AG) dar. Ihr Vorstand leitet das Unterneh-
ohne es zu leiten und in der Leitung mit- men. Vorstände sind keine Eigentümer. Sie
bestimmen zu wollen. Sie sind Eigentümer haben daher auch keinen Anspruch auf eine
und ausschließlich an einer hohen Verzinsung Verzinsung.
(Rendite) interessiert.
Aufgabe
2.1.2.6 Leitungsorgane
24. Die DMW hatten 2005 durch den Ver-
Die Unternehmensleitung, die nicht zugleich kauf ihrer PKW 130 Mio. EUR verdient.
Eigentümer ist (Manager), z.B. der Vorstand Hinzu kamen 20 Mio. Gewinn aus dem
in einer Aktiengesellschaft, eventuell Ge- Verkauf einer nicht genutzten Lagerhalle.
schäftsführer einer GmbH, würde am liebsten Das gesamte Eigenkapital belief sich auf
alle Gewinne im Unternehmen belassen. Das 456 Mio. EUR.
liegt daran, dass sie ihre Politik ganz dem
Unternehmen verschrieben haben. Sie wollen a) Wie hoch war die Eigenkapitalrenta-
seine Kraft stärken, gegebenenfalls die Macht bilität ( R[EK ] ). Sie ist eine Signal-
ausbauen und vor allen Dingen die Existenz kennziffer (vgl. 2.1 – 2.9). Was
des Unternehmens für die Zukunft absichern. meint man damit?
26 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
neutrale
Aufwendungen
neutrale Ergebniszahlen aus
Erfolge nicht
zweckbezogenen
neutraler Gewinn Vorgängen
(neutraler Erfolg)
Gesamt-
gewinn = G
Unternehmens- Leistungsgewinn
gewinn (U-K)
(Leistungserfolg)
Ergebniszahlen aus
Umsätze durch der Zwecksetzung
Kosten für die den Verkauf des Unternehmens
verkauften der
Erzeugnisse hergestellten
=K Erzeugnisse
(auch
Umsatzerträge
genannt) = U
Insofern unterscheiden sie sich nicht von b) Das Unternehmen hatte für die Pro-
Unternehmern selbst. Der Unterschied ist nur duktion und deren Vertrieb insge-
der, dass Unternehmer eben auch Eigentümer samt an Kapital ca. 650 Mio. EUR
des Unternehmens sind. Geht ein Unterneh- eingesetzt. In diesem Kapital sind
men in Konkurs, verliert der Eigentümer nur solche Titel enthalten, die unbe-
sozusagen Haus und Hof, der Vorstand in dingt für den Prozess und Verkauf
einer Aktiengesellschaft seine Stellung. Das benötigt wurden (betriebsnotwendi-
Verlustrisiko tragen letzten Endes immer ges Kapital). Wie hoch war seine
diejenigen, die das Kapital zur Verfügung Verzinsung? Vergleichen Sie beide
gestellt haben, und die Mitarbeiter, die ihren Zinssätze! Welche Schlüsse ziehen
Job verlieren. Den Managern geht es genauso. Sie daraus?
c) Das in der Bilanz ausgewiesene Ge-
2.1.2.7 Mitarbeiter und Controller samtkapital hatte seinerzeit (2002)
Auch die Mitarbeiter verfolgen die Gewinn- ein Volumen von 950 Mio. EUR. An
entwicklung ihres Betriebes mit Interesse, Fremdkapitalzinsen wurden 10 Mio.
sofern ihnen die Zahlen bekannt sind. Denn EUR abgeführt. Versuchen Sie nun,
der Gewinn ist schließlich auch Ausdruck die Gesamtkapitalrendite zu ermit-
ihrer Arbeitsleistung. Ein guter Gewinn lässt teln!
auf Tantiemen hoffen, und er wird, wenn er d) Im März 2006 rechneten die Planer
gut angelegt ist, das Unternehmen stärken und mit einem Umsatz von 190 Mio.
damit die Arbeitsplätze sichern. EUR. Als Leistungserfolg (Umsatz-
erfolg) werden 3,8 Mio. EUR veran-
schlagt. Wie hoch wird die Umsatz-
rendite sein?
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 27
öffentliche
Leistungen
Lebens-
Freizeit qualität
Lebens-
standard
Zusammenfassung
Der Gewinn ist eine zentrale Größe der betrieblichen Aktivitäten. Sein größter Teil ergibt
sich aus der Differenz der Kosten und der verkauften Erzeugnisse und ihren Umsätzen. Er
wird Leistungsgewinn genannt.
Ein Betrieb, der Gewinne erzielt, ist rentabel. Setzt man das eingesetzte Eigenkapital in
Beziehung zum erzielten Gewinn, gelangt man zur Eigenkapital-Rentabilität, kurz Renta-
bilität genannt.
Der Gewinn hat sowohl für Unternehmer als auch für nicht leitende Teilhaber, sonstige Ei-
gentümer, für Kreditgeber und für Mitarbeiter etc. große Bedeutung. Betriebe, die ange-
messene Gewinne erwirtschaften, sitzen meistens fest im Sattel der sozialen Marktwirt-
schaft.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 29
2.2.1.1 Ergebnisziele
Es ist unbestritten, dass als Ergebnis der ge-
schäftlichen Tätigkeit eine hohe Rentabilität
erreicht werden soll. Sie ist das Primärziel
eines Unternehmens. Andere Ergebnisziele –
und sie gelten als Zweit- oder Sekundärziele
– werden
• durch Wirtschaftlichkeitskennzahlen
(mit denen offenbart wird, wie rationell im
Betrieb gearbeitet wird)
• durch Liquiditätskennzahlen, die im
Rahmen des gesamten betrieblichen Fi-
nanzverhaltens beurteilt werden (und die
aufdecken sollen, wie weit die Zahlungs-
verhältnisse gediehen sind)
Abb. 27: Ergebniszahlen nach Schott
• durch Produktivitätskennzahlen (die
ersehen lassen, mit welchem Einsatz die Ergebnisziele und Ergebniszahlen
Leistungen erbracht werden)
Die Ergebniszahlen sind Ausdruck der Er-
nachgewiesen. gebnisziele. Abb. 27 soll die zentrale Stellung
der Rentabilität dokumentieren. Die hier nicht
2.2.1.2 Andere Differenzierungen bezeichneten „Ableger“ lassen sich auffüllen.
Eine anerkannte Zielunterteilung geht von So zählen zur Wirtschaftlichkeit auch die
drei Zielbereichen aus. Dazu gehören Herstellungsdurchlaufzeit, die Rationalität der
Kostenstellen, die Abfallmengen u.a., zur
• Leistungsziele
Rentabilität der Verschuldungsgrad.
• Erfolgsziele
• Finanzziele.
Hiernach gehören die obengenannten Ziele
Wirtschaftlichkeit und Rentabilität in den
Erfolgszielsektor, Produktivität ist den Leis-
tungszielen zuzuordnen, wobei es z.B. um Aufgabe
den Menschen geht (Arbeitsproduktivität)
oder um Sachen (z.B. Maschinenstundenpro- 26. Ein Zulieferer der DMW AG veröffent-
duktivität), und die Liquidität findet unter den lichte folgende Anzeige. Können Sie dar-
Finanzzielen Platz. in dessen Ziele erkennen?
30 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
In beiden Fällen fehlen Mitarbeiter- und Um- Wir sind ein Hersteller mit einem Servicemanage-
weltziele. Daher müssen sie um solche Ziele ment. Sie werden fragen, was das ist? Hier ist die
Antwort:
erweitert werden.
• Viele Unternehmer und deren Mitarbeiter wissen
wenig über industriellen Service. Die meisten sind
2.2.1.3 Personale und Service-Ignoranten. Wir nicht. Denn die Verbesserung
umweltbezogene Ziele der Information über Kosten und Nutzen von Services
ist unabdingbar für ein professionelleres Servicemana-
Was könnten personale Ziele beinhalten? gement. Das haben wir. Und das kommt Ihnen zugute.
Dazu könnten zählen: • Services bieten einerseits ungeahnte Chancen für
dauerhafte Wettbewerbsvorteile, die Sie in der Zu-
• menschenwürdige Arbeitsbedingungen sammenarbeit mit uns spüren werden, weil wir uns als
• Mitverantwortung Dienstleister mit Herstellerbasis verstehen. Wir planen
• Arbeitsplatzsicherheit mit Ihnen und stimmen Produktion, Lagerhaltung, Lie-
ferung, Einbau und Entsorgung mit Ihren Vorstellun-
• Mitsprache gen ab. Andererseits teilen wir uns die Ersparnisse
• gerechte Entlohnung durch genaueste Kosten-Nutzen-Analysen.
• Beteiligung der Arbeitnehmer am Ge- • Service beginnt bereits bei der Auswahl der richtigen
winn und Vermögen Mitarbeiter. Unsere Führung garantiert deren Motiva-
• Bevorzugung von Teamarbeit tion.
• Gleichbehandlung in Quoten, Positionen • Früher konzentrierte sich das Servicemanagement
und Gehältern von Frauen und Männern ausschließlich am Produkt. Diese Konzentration hat zu
einem hohen Qualitätsstandard geführt. Den haben wir
Lassen sich ebenso einige betriebliche Um- beibehalten. Aber wir konzentrieren uns auf mehr:
weltziele formulieren? nämlich auf Anwendungsberatung, auf Beschwerde-
management, auf schnelle Reaktion, auf Lieferflexibi-
Dies könnten sein: lität, auf Liefersicherheit und auf unsere Kunden integ-
rierende Teams mit dem Ziel, Zulieferer und Kunden
• Entwicklung und Produktion umwelt- in Entwicklungsaktivitäten, Logistikfunktionen und
freundlicher Produkte Qualitäts-Shifts verantwortlich einzubinden.
• umweltbewusster Einkauf von Werkstof- Abb. 28: Anzeige (Auszug)
fen und Zubehörteilen Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
• Verringerung und Eigenentsorgung pro-
duktionsbedingter Schadstoffe
• Rücknahme und Entsorgung von nicht
mehr gebrauchsfähigen verkauften Er- Die DMW AG hatte mit den Betriebsräten
zeugnissen und Teilen von Anfang an eine Mitarbeiterbeteiligung in
• offensive Informationen über die eigenen einer Betriebsvereinbarung unter bestimmten
umweltfreundlichen Erzeugnisse und de- Voraussetzungen festgeschrieben. Beide Sei-
ren umweltfreundliche Handhabung ten erhofften sich die Erfüllung einiger Ziele.
• Einrichtung von Seminaren über die Und in der Tat: Ein Großteil dieser Ziele wird
betriebliche Umweltpolitik für alle Mit- ständig erreicht, wenn dies auch von der Zu-
arbeiter weisung von Geld, Zinsen und Anteilen ab-
• Aufbau eines Ressorts, das für den Um- hängt. Als es dem Unternehmen im Jahre l997
weltschutz im Unternehmen und für die nicht sehr gut ging, wurden die Arbeitsentgel-
eigenen Erzeugnisse zuständig ist. te mit Zustimmung der Belegschaft eingefro-
Weitere Ausführungen sind in Abschnitt 5.4 ren. Ein Zeichen für ihre „Emanzipation“, ein
enthalten. Erfolg für die Atmosphäre.
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 31
2.2.2 Wirtschaftlichkeit
Ein Betrieb ist wirtschaftlich, wenn er kos- Wirtschaftlichkeitskennzahlen (W)
tengünstig arbeitet. Je weniger Kosten anfal- Die Praxis unterscheidet drei Formeln:
len, desto eher besteht die Chance, dass die
auf dem Markt erzielbaren Produktpreise Kosten
W (1) =
nicht nur alle Kosten decken, sondern auch Leistungen
noch Gewinn einbringen. Ein wirtschaftliches Aufwand
Unternehmen arbeitet rationell. Um seine W ( 2) =
Erträge
Rationalität zu messen, werden Wirtschaft-
lichkeitskennzahlen gebildet. Istkosten
W (3 ) =
Da sich in einer sozialen Marktwirtschaft die Sollkosten
Betriebe in Konkurrenz mit anderen befinden, Für alle drei Kennzahlen gibt es weitere Un-
bemühen sich Hersteller, Dienstleister wie terteilungen.
Banken, Handelsunternehmen, Spediteure,
Verkehrsgesellschaften etc. ständig darum,
die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Sie ist Beispiel:
zu einem fundamentalen Prinzip der Markt- W (1) beantwortet die Frage, wie viel EUR
wirtschaft geworden. Dieses Prinzip wird Kosten in einem EUR Leistung stecken. Ist
auch ökonomisches Prinzip genannt. die Kennzahl z. B. 0,60, dann lässt sich aus-
sagen, dass in einer EUR Leistung 60 EUR-
2.2.2.1 Das Minimalprinzip Cent oder 0,60 EUR an Kosten enthalten sind.
Das ökonomische Prinzip kommt in zwei Multipliziert man das Ergebnis mit 100, dann
Spielarten zum Ausdruck. Sie heißen gelangt man zu 60% und kann nun ausführen,
dass in den hergestellten Leistungen insge-
• Minimalprinzip und samt 60 % an Kosten stecken. Diese Berech-
• Maximalprinzip. nung der Wirtschaftlichkeit ist deutlich und
aussagekräftig. Sie wird auch in anderen
Das Minimalprinzip besagt, dass eine be- Kapiteln berücksichtigt.
stimmte Leistung mit geringstmöglichen Dabei sind zwei Dinge zu bedenken:
Kosten, die mit der Prozesskette verbunden
sind, erbracht werden soll. Kosten sind alle Verbräuche (man nennt sie
auch Aufwendungen), die für die Prozesskette
In die Praxis übertragen kann dieser Grund- aufgewandt werden. Und das muss in einer
satz für den Einkauf lauten, dass bei einem Periode sein und für die Produkte, die in die-
Vergleich zwischen verschiedenen Lieferan- ser Periode auch hergestellt werden.
ten, die die gleichen Rohstoffe zu denselben
Qualitäten und Quantitäten liefern können, W (2) setzt Größen in Beziehung, die nicht
derjenige den Zuschlag bekommt, der am allein der Prozesskette der gegenwärtigen
preiswertesten ist (siehe hierzu auch das JIT- Periode angehören. Die Aufwendungen ent-
Prinzip im Einkauf). Für die Herstellung halten nämlich alle Verbräuche, die für die
würde das Prinzip besagen, dass ein herzu- betriebliche Leistung (Erzeugnisse) und eben
stellendes Produkt in kürzester Durchlaufzeit auch für anderes (z. B. Spenden bei Kapital-
produziert wurde. gesellschaften) anfallen. Auch bezieht man in
die Erträge solche ein, die nicht auf das Be-
triebsziel ausgerichtet sind (Wertpapierver-
käufe u.a.).
32 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Oder ein anderes Beispiel – dass, wenn W (3) sagt aus, wie weit die Istkosten die
Nachtstrom billiger angeboten wird, in der Sollkosten unterschreiten oder höher sind.
Nacht betriebene Maschinen bei derselben Eine Zahl über 1 weist darauf hin, dass die
Dauer dieselbe Menge (wie tagsüber) herstel- Istkosten über den Sollkosten liegen und
len lassen. Aber die Energiekosten werden damit die Norm übersteigen. Multipliziert
geringer. man die Kennzahl mit 100, dann bedeuten
Produkte, die konventionell entwickelt wer- zum Beispiel 120 %, dass die Istkosten 20 %
den, brauchen Wochen und Monate, bis sie in höher als die Sollkosten sind oder dass die
Serie gehen können. Bedenkt man, wie viele Istkosten 120 % der Sollkosten betragen.
Teile beim PKW zu entwickeln sind, dann ist Demnach wäre dieser Betrieb (in dem hier
das auch verständlich. Heute helfen Computer gemessenen Rahmen) unwirtschaftlich.
und ganze Programm-Systeme. Sie reichen Alle Berechnungen müssen kritisch hinterfragt
von der Konstruktion (CAD – computerge- werden, denn allen Wirtschaftlichkeitskenn-
stütztes Aussehen – Computer Aided Design) zahlen haften Probleme an. Sind es bei der
über computergestützte Fertigung (CAM – Kennzahl W (1) insbesondere Bewertungs- und
Computer Aided Manufacturing) bis hin zur Abgrenzungsfragen (hier vornehmlich von
computerunterstützten Qualitätssicherung Aufwendungen und Kosten sowie von einzel-
(CAQ – Computer Aided Quality), siehe Abb. nen Leistungen – Fertigerzeugnissen, unferti-
29. So haben die Verkürzung der Entwick- gen Erzeugnissen, Eigenleistungen –), bei der
lungszeit und die Senkung der Gesamtkosten Kennzahl W (2) Interpretationsfragen, so han-
die Prozesskette wirtschaftlicher gemacht. delt es sich bei der Kennzahl W (3) schließlich
um Planungsfragen (Kostenhöhe, die das Soll
2.2.2.2 Das Maximalprinzip vorgibt) und Bewertungsfragen (Kostenhöhe,
Das Maximalprinzip besagt, dass mit gege- die das Ist mit sich bringt). Wirtschaftlichkeits-
bener Kostenhöhe der Prozesskette die analysen werden sich daher nie auf nur eine
höchstmögliche Leistung erbracht wird. Sichtweise beschränken.
Die industrielle Entwicklung ist bis heute eine
Entwicklung zu höchsten Präzisionsmaschi-
nen gewesen. Diese arbeiten so genau, dass
sich Abweichungen kaum mit der Lupe mes-
sen lassen. Sie betragen manchmal nur hun-
dertstel Millimeter. In der Autoindustrie kön-
nen heute mehr Teile aus einem Blech ge-
stanzt werden als es früher vorstellbar war.
Bei gleichem vorstellbarem Kosteneinsatz
(Bleche) hat sich die Leistung (Teile) erhöht.
Heute wird in vielen unternehmen verlangt,
ohne zusätzlichen Lohn länger zu arbeiten.
Das aber zieht eine höhere Produktivität nach
sich. Auch die Arbeitsplätze haben sich
grundlegend geändert.
Minimalprinzip Minimalprinzip
Arbeitsplatz-Engagement-Index
im internationalen Vergleich
Zusammenfassung
Das Wirtschaftlichkeitsprinzip – auch ökonomisches Prinzip genannt – ist die Richt-
schnur, nach der der Betriebsprozess organisiert wird. Es umfasst das Minimal- und das
Maximalprinzip. In beiden geht es darum, die Kosten-/Leistungsverhältnisse zu verbes-
sern. Das bedeutet, dass mit den Elementarfaktoren sparsam und rationell umgegangen
wird. Es ist vornehmlich an dem Quotienten K:L zu messen.
ten (siehe hierzu Abb. 36). Liquide Mittel 1. Ordnung stehen sofort zur Verfü-
Soll festgestellt werden, wie zahlungsfähig gung, liquide Mittel 2. Ordnung können z.T. erst
nach einer bestimmten Zeit verflüssigt werden,
das Unternehmen (Qualität der Zahlungs- jedoch besteht hierauf ein Anspruch (Forderungen,
fähigkeit) zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, aber auch Wechsel, Schecks), liquide Mittel 3.
setzt man die Zahlungsmittel zu den Verbind- Ordnung müssen z.T. erst umgesetzt werden (Er-
lichkeiten in Beziehung. Die Verbindlichkei- zeugnisse, die noch verkauft werden müssen u.a.).
ten auf Grund von Warenlieferungen und Dynamische Liquidität**
Leistungen stellen die eingegangenen Rech- ( Zahlungsmittel + Forderungen + Umsätze ) × 100
nungen für die eingekauften Werkstoffe und L2dyn =
Verpflichtungen
Betriebsmittel dar. Sie sind meist innerhalb
eines Monats fällig. Man spricht von Kurz- * Zahlen aus der Finanzwirtschaft und der Bi-
lanz. L bedeutet Liquidität 1. Grades.
fälligkeit. Reichen die liquiden Mittel zur
** Meist bezogen auf einen bestimmten Zeitraum,
Zahlung der Verbindlichkeiten aus, dann ist
zum Beispiel einen Monat. Selten als L1 dar-
der Betrieb nicht nur allein liquide, sondern er gestellt und meist in Über- und Unterdeckung,
hat eine Liquidität, deren Zahl über 1 (siehe nicht aber in % ausgedrückt.
hierzu Abb. 35) ist. Abb. 35: Verschiedene Liquiditäten
Unter Liquidität ist eine Kennzahl zu verste- „Es war schon ein weiter Weg von der ersten Näh-
hen, die angibt, ob ein Betrieb zu einem be- maschine bis zum Großunternehmen Pfaff, der
stimmten Zeitpunkt (statische Liquidität) oder größten europäischen Nähmaschinenfabrik mit rund
innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (dy- 10 000 Mitarbeitern in aller Welt“, schrieb die Mitar-
beiterzeitschrift „Pfaffianer“ zum 125jährigen Jubi-
namische Liquidität) seine Verbindlichkeiten läum der traditionsreichen Firma. Das war 1987.
(statisch) oder Verpflichtungen (dynamisch) Den Weg in die Beinahe-Pleite schafften die Pfälzer
erfüllen kann. Die statische Liquidität errech- weit schneller: In nur zwei Jahren sackte der Um-
nen Außenstehende bei Kapitalgesellschaften satz von mehr als einer Milliarde Mark auf inzwi-
schen weniger als 900 Millionen Mark ab, die Zahl
mit Hilfe von deren Bilanzen um sich über der Mitarbeiter halbierte sich, und nach vielen Jah-
den finanziellen Status des Unternehmens ein ren mit guten Gewinnen schrieb das Unternehmen
Bild zu verschaffen. plötzlich tiefrote Zahlen.
So purzelte der Marktanteil in Deutschland von 50
Ähnlich steht es mit Forderungen auf Grund Prozent (1985) auf weniger als 25 Prozent (1990).
von Warenlieferungen und Leistungen. Sie Bald stürzten die Pfälzer noch tiefer. Und in den
sind durch den Verkauf entstanden und stellen asiatischen Wachstumsregionen, die fast zwei
Drittel des gesamten Weltmarktes ausmachen,
die Verpflichtung des Käufers dar, die er auch spielte Pfaff wenig später mit einer Quote von weni-
in der Regel ausgleicht. Meist sehr schnell ger als 2 Prozent faktisch keine Rolle mehr. Heute
nach Ablieferung der Ware und Rechnungs- ist Pfaff nicht mehr in deutscher Hand. Erhalten
zustellung, um den Skonto in Anspruch zu blieb nur der Markenname. Der Hersteller firmiert
nun mit VSM Deutschland.
nehmen. Auch Forderungen auf Grund von
Warenlieferungen haben eine kurze Laufzeit. Abb. 36: Wie in der Vergangenheit ein
großes deutsches Unternehmen
in Schwierigkeiten geriet (Quel-
le: manager magazin)
38 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Zusammenfassung
Zu den betrieblichen Sekundärzielen zählt die Erreichung des finanzwirtschaftlichen
Gleichgewichts, das das finanzielle einschließt. Und letzteres kommt durch die Liquidi-
tätskennzahlen zum Ausdruck. Diese Kennzahlen sollten auch unter der Perspektive der
Vermögens- und Kapitalstrukturen beurteilt werden. Die statischen Liquiditäten sind das
Ergebnis der betrieblichen Arbeit der Vergangenheit (Ergebnisziele). Die dynamische Li-
quiditätskennzahl gibt den Status (Ergebnis) an, der sich unter den Voraussetzungen der
Planung (Soll) – Umsatz/Kosten – und des Kassenbestandes (Ist) [bei Berücksichtigung von
Forderungen und Verbindlichkeiten] ergibt (siehe Finanzierung).
Auch könnten Marktnischen, die ein Unter- bei. So stehen einer überzeugenden Berech-
nehmen mit seinen Erzeugnissen ausgemacht nung des betrieblichen Gleichgewichts zu
hat, zu guten Umsätzen beitragen. Diese ga- viele Unwägbarkeiten entgegen. Daher be-
rantieren meistens auch einen Gewinn.) Ver- schränkt man sich auf verschiedene Kennzah-
einnahmte Umsätze, die auch Gewinne ent- len, die den ausgewogenen Zustand des Un-
halten, stabilisieren die liquiden Verhältnisse ternehmens einigermaßen widerspiegeln.
eines Unternehmens.
Aufgaben
32. Die DMW AG stellt trotz ihrer Größe
2.4 Das betriebliche hervorragende Kleinwagen her. Die
Gleichgewicht DMW produzieren wirtschaftlicher als
manche Konkurrenz, und doch ist die li-
quide Basis des Unternehmens be-
Der Volksmund würde sagen, dass ein Be-
schränkt. Wie ist das zu erklären?
trieb im Gleichgewicht ist (betriebliches
Gleichgewicht), wenn er funktioniert. Und 33. Sie sehen hier eine Abbildung (Abb. 41),
der Gewinn ist sicher Indiz dafür, dass es ihm die auch verschiedene Zielsetzungen do-
gut geht. Aber diese Aussagen genügen für kumentiert. Sehen Sie Unterschiede zu
eine Definition nicht. dem bisher Gesagten?
2. Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Betriebe 43
Los Angeles – Mit der wohl ungewöhnlichsten Jordan Manufacturing ist eine Superfirma. Sie hat
Kette amerikanischer Lebensmittel-Supermärkte Supergewinne, eine Superpolitik, Superprodukte,
haben die deutschen Albrecht-Brüder (Aldi) in den Superproduktivität, Superpotential und die Leute,
USA großen Erfolg. An der Westküste sind ihre die das alles bewirken – Supermitarbeiter.
Trader-Joe’s-Märkte schon seit zwei Jahrzehnten Dies ist die spannende Geschichte von Jim Jack-
geradezu Kultobjekte. In diesen Monaten geht die son, dem Eigentümer und Gründer von Jordan.
Kette, die mit 83 Geschäften 750 Millionen Dollar Jacksons Konkurrenzstrategie basiert auf Qualität
umsetzt, auch an die Ostküste nach Massachusetts, und Service, worüber heutzutage alle reden. Etwas
New York und Washington D. C. ganz anderes ist es aber, diese dem Kunden tat-
Das Erfolgs-„Geheimnis“ ist ein Konzept, das am sächlich zu bieten, und das tut Jordan. Zwischen
US-Markt bislang einmalig blieb. Gourmetwaren 1982 und 1983 erhöhten sich die Umsätze von 74
verkauft Trader Joe’s zu Discountpreisen. Die Aus- auf 90 Millionen Dollar, und die Gewinne stiegen im
wahl ist gering. Wo ein normaler Supermarkt ein gleichen Zeitraum um über 700 Prozent. Die Aktien
Sortiment von 20000 Artikeln führt, gibt es bei Tra- des Unternehmens stiegen 1982 um 42 Prozent und
der Joe’s gerade mal 2000. Dennoch gilt die Kette 1983 ebenso. Der Verfasser eines Zeitschriftenarti-
in Kalifornien zum Beispiel als umsatzstärkster kels über Jordan bemerkte: „Der Erfolg des Unter-
Weinanbieter des Bundesstaates. nehmens basiert in erster Linie auf einer wohl-
Die Kundschaft wird monatlich mit einem 24seitigen durchdachten Strategie, die darauf abzielt, Vertrau-
Heft bedacht, das wie eine Mischung aus Mad en zwischen Mitarbeitern und den Eigentümern
Magazine und Stiftung Warentest anmutet. Inklusive aufzubauen.“ Jackson lässt es sich angelegen sein,
Cartoons, Witzen und jeder Menge kleiner Ge- mindestens zweimal wöchentlich in der Fabrikhalle
schichten über die Produktpalette von Trader Joe’s. zu erscheinen, um all jenen ein Lob auszusprechen,
Um die typisch kalifornisch-freundliche Kunden- die besonders gut gearbeitet haben, um zu fragen,
betreuung auch in den neuen Filialen an der Ost- wie es den Angehörigen geht, und um das Betriebs-
küste zu garantieren, hat das Unternehmen Filiallei- klima zu überprüfen. Seine Mitarbeiter brauchen
ter wie Mitarbeiter nach Boston transferiert. „Trader nicht zu befürchten, dass er sie über ihre Aufgaben
Joe’s hat eine Reputation als extrem kundenfreund- belehren wolle, da er so gut wie nichts über Einzel-
licher Supermarkt, wir nehmen uns alle Zeit der heiten der Fertigung weiß. Er lässt sich gern mit
Welt, um unseren Kunden die neuesten Importe zu dem Ausspruch zitieren, dass er „kaum weiß, wie
erklären.“ (von Holger HOETZEL) man ein Auto anlässt“.
Abb. 43: Ein Unternehmen im Gleichgewicht Abb. 44: Der Erfolg durch Menschenführung
Quelle: Hamburger Abendblatt Quelle: Führungskräfte
Zusammenfassung
Das betriebliche Gleichgewicht ist der Zustand, der die gegenwärtige Betriebsexistenz sichert
und die Grundlage für das zukünftige Dasein bildet.
Es setzt voraus, Es wird gemessen an den Kennzah-
• dass die Ertragsquellen ausge- • dass die Mitarbeiter einsatzfä- len
schöpft sind hig und mit Interesse entspre-
• in Umsatzeinnahmen** zu markt- chend ihren Kenntnissen und • Produktivität
gerechten Preisen transferiert wer- ihrem Können arbeiten • Wirtschaftlichkeit
den • dass die Arbeitsatmosphäre • Rentabilität
• dass auf der Grundlage* einer durch gegenseitige Anerken- • Liquidität,
ausgewogenen Vermögens- und nung geprägt ist • die als Signalkennziffern ausge-
Kapitalstruktur die Kapazität aus- • dass die Kunden umworben wiesen sind und um, meist aus
genutzt und die kürzesten Durch- und zuvorkommend behandelt ihnen abgeleitete, Nebenkennzah-
laufzeiten wirtschaftlich produziert werden. len (Derivate) erweitert werden,
werden • und am vorgegebenen Soll.
• dass Unternehmer, Handwerks-
meister und Leitung innovationsge-
richtet und flexibel, verantwor- * Langfristige Liquiditätsdimension
tungsbewusst und motivationsför-
** kurzfristige Liquiditätsdimension
dernd agieren
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 45
3.1.1 Der Mensch im Mittelpunkt Selten hat der Neubau einer einzigen Fabrik
für noch nicht einmal zweitausend Arbeits-
Jeder Betriebsprozess braucht Menschen. Sie plätze ein solches öffentliches Echo ausgelöst
sind heute genauso wichtig wie früher. wie das Eisenacher Opel-Werk.
Datenverarbeitungssysteme, computergesteu- Mit schlanker Fertigung und demokratischer
erte Produktionsverfahren und Roboter haben Gruppenarbeit ist der Anspruch verbunden,
zahlreiche Arbeitsplätze in den Werkshallen nicht nur die veralteten Produktionsmethoden
überflüssig gemacht. Neue Arbeitsplätze sind in Westdeutschland abzulegen, sondern damit
im Dienstleistungssektor – sowohl innerhalb auch die fortschrittlichsten Verfahren in Japan
der Unternehmen als auch auf den Märkten – und Amerika zu überholen. Humanisierung
dazugekommen. der Arbeitswelt und Produktivitätssteigerun-
In vielen Fällen stellt die veränderte Arbeits- gen von beachtlichem Ausmaß könnten sich
welt höhere Anforderungen an den einzelnen. zum Wohle von Umland und Umfeld gegen-
seitig bedingen … In steter Reihe, genau
Seit den achtziger Jahren zeichnet sich eine gesprochen nach jeweils 122 Sekunden, darf
Entwicklung ab, die den Mitarbeitern im jeder Arbeitnehmer einen neuen Corsa (zu-
Betriebsgeschehen wieder eine zentrale Stel- weilen auch Astra) bedienen. Sie tragen –
lung einräumt. Nicht mehr das Taylorsche ausnahmslos alle vom Werksleiter bis zum
Prinzip der Arbeitsteilung (siehe Fließband- Bandarbeiter – weiße Hemden und graue
fertigung), das den Arbeitnehmer durch im- Hosen mit verdeckter Knopfleiste und Klett-
mer wiederkehrende Arbeitsgriffe zu einem verschluss.
menschlichen „Roboter“ mit höchster Produk-
tivität machte, sondern eine Art ganzheitliche Abb. 45: Die Eisenacher und die Rüs-
Herstellung in einem Team rückt in den Mit- selsheimer
telpunkt der Produktionsverfahren. Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Mit letzterer gehen autonome Arbeitsgruppen, Was ist Total Quality Management?
Fertigungsinseln und Qualitätszirkel, die aus Auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruhende
dem „Qualitätsmanagement“ (Total Quality Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den
Management) abgeleitet sind, einher. In die- Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kun-
sen Fällen ist dem Mitarbeiter eine größere den auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen
für die Mitglieder der Organisation und für die Gesell-
Verantwortung zugewachsen. schaft zielt.
Was heißt das? Total: Einbeziehung aller Beteiligten (Mitar-
beiter, Lieferanten, Öffentlichkeit)
Alle in der Gruppe arbeitenden Mitarbeiter
sind an planerischen Aufgaben, die früher nur Quality: Qualität der eigenen Arbeit, Qualität
aller Prozesse, Qualität des Unterneh-
der Leitung zugedacht waren, beteiligt. Da mens mit dem Ergebnis: die Qualität der
sind z.B. Produkte und Dienstleistungen
• Arbeitsverteilung Management: Führen, Fördern der Teamfähigkeit,
Vorbild sein
• Terminplanung
Abb. 48: Qualitätsmanagement
• Maschinenwartung Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
• Teileversorgung und -nachschub
• Qualitätssicherung und Urlaubsplanung Frankfurt/Main – Die deutsche Industrie könnte
mit einem besseren Einkauf jährlich zweistellige
zu regeln.
Milliardenbeträge einsparen. Das geht aus einer
Das „Mehr“ an Verantwortung hat sich viel- Studie der Universität Köln und der Unterneh-
fach ausgezahlt: mensberatung Masai hervor, die den Einkauf von
• Erstens arbeiten Mitarbeiter engagierter. französischen, deutschen und spanischen Unter-
nehmen verglichen haben.
• Zweitens identifizieren sie sich eher mit
ihrem Betrieb. Vor allem bei der Qualifizierung der Einkäufer und
der weltweiten Suche nach Lieferanten ist
• Drittens werden die Arbeiten zuverlässig Deutschland weit abgeschlagen: In nur knapp 20
erledigt. Prozent der deutschen Unternehmen verfügen
• Viertens schafft Verantwortung eine mehr als die Hälfte der Mitarbeiter über einen
größere Arbeitsfreude und mit ihr Ar- Hochschulabschluss. In Spanien sind es 48 Pro-
beitszufriedenheit. zent, in Frankreich sogar zwei Drittel.
So zahlt sich humaneres Arbeiten für alle aus. Abb. 49: Qualifizierung (DW 2003)
Sowohl das eine als auch das andere hat nicht Pressenotiz
bewirken können, dass Frauen Männern ge- Frauen verdienen bis zu 30 Prozent weni-
genüber im Beruf gleichberechtigt sind, eine ger
Forderung, die überall erhoben, aber bisher
nur teilweise verwirklicht worden ist. Diese Wiesbaden – Frauen mit einem Vollzeitjob
nicht zu begründende mangelnde Gleichbe- verdienen immer noch weniger als Männer.
rechtigung wird spürbar bei Weibliche Angestellte bekamen 2003 im
Schnitt 2560 Euro im Monat – 30 Prozent
• der Bezahlung weniger als ihre männlichen Kollegen. Arbei-
• den Positionen und Stellen terinnen in der Industrie hatten brutto 1885
Euro – 26 Prozent weniger. (dpa)
• der Behandlung.
Abb. 50: Frauenverdienste
In vielen großen Betrieben und in der öffent- Quelle: Hamburger Abendblatt
lichen Verwaltung sind zur Gleichstellung der
Frauen Frauenbeauftragte ernannt bzw.
gewählt worden, die die Rechte der Frauen
vertreten. Auch existieren Programme zur
Frauenförderung. Da aber der größte Teil der Zusatzinformationen
Frauen in Klein- und Mittelbetrieben beschäf-
tigt ist, bei denen derartige Stellen fehlen, In mehr als 60 Berufen von circa 180 ehema-
weil die finanziellen Mittel hierfür nicht frei- ligen Männerberufen gehen Frauen eine Aus-
gemacht werden können, müssen die dort bildung ein und üben ihren Beruf darin auch
beschäftigten Frauen ihre eigenen Belange aus, manchmal allerdings nur in Teilzeitar-
vertreten. Das ist angesichts der Leitungseta- beit. Immerhin machen sie circa 35% aus. So
gen, die vornehmlich von Männern besetzt gibt es vermehrt Konditorinnen, Chemigra-
sind, schwierig (siehe Abschnitt 4.5). finnen, weibliche Postfachkräfte, Restaurant-
fachfrauen, Raumausstatterinnen, Gärtnerin-
Gesetzliche Bestimmungen über die Gleich- nen, Floristinnen, Vermessungstechnikerin-
berechtigung lassen sich u.a. aus dem Grund- nen und Köchinnen. Eine traditionelle Domä-
gesetz (Artikel 3, Absatz 2) ableiten, aus dem ne der Frauen sind Tätigkeiten im Dienstleis-
Betriebsverfassungsgesetz (§75 u.a.) und aus tungssektor. Da der Zuwachs an Arbeitsplät-
dem BGB, §§611, 612, Absatz 3. zen hier besonders hoch ist (Reisebüros, Wer-
beagenturen, Arztpraxen, Krankenhäuser,
Sozialstationen), konnten viele Frauen neue
3.2 Betriebsmittel Beschäftigungsverhältnisse eingehen. Zählt
man hierzu auch schreibtechnische Berufe
3.2.1 Arten der Betriebsmittel und und Sekretärinnen, dann allerdings hat in
Charaktermerkmale dieser Sparte der Abbau von Arbeitsplätzen
durch den Computer erhebliche Wirkung
Zu den Betriebsmitteln zählen u.a. gehabt. Dass für Teilzeitarbeitskräfte nicht die
• Grundstücke (Gebäudestandort, Außen- gleichen Positionen offen stehen, versteht sich
läger) von selbst. Sicher würden sich manche Frau-
en überlegen, ganztägig zu arbeiten, würden
• Gebäude (Verwaltung, Produktion) sie wie ihre männlichen Kollegen besoldet
• Ausstattungen (Büroeinrichtungen) werden.
50 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Fast kein Erzeugnis wird mehr ohne Normen Rückruf 1: Volvo. Weltweit müssen 105.000
hergestellt. Handelt es sich nur um betriebsei- Volvo der Modelle S60, S80 und V70 in die
gene Normen, spricht man auch von Stan- Werkstätten, davon 8000 in Deutschland. Bei
dards. den zwischen 31. März und 12. Oktober 2003
gebauten Fahrzeugen kann sich eine nicht
ausreichend angezogene Mutter am Kugelge-
lenk des Querlenkers lösen.
3.4 Informationen Rückruf 2: Corvette. General Motors ruft
weltweit 117 000 Chevrolet Corvette der Bau-
Der vierte Elementarfaktor – in vielen Lehr- jahre 1997 bis 2000 wegen eines Defekts an
büchern noch nicht enthalten – hat einen der elektronischen Lenkradsperre in die
Werkstätten.
anderen Charakter. Es sind Informationen, um
die es sich handelt (siehe auch S. 58 f.). Abb. 58: Keine Kostensenkungspoten-
ziale durch Pfuscharbeit
Informationen sind Beschreibungen von
Quelle: Auto Bild
vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen
Sachverhalten, die für bestimmte Adressaten Wir stehen seit vielen Jahren in Geschäftsverbindungen.
Dabei haben wir mit Ihnen gute Geschäfte abgeschlossen,
verständlich sind und von mindestens einem auch wenn sich die Verhandlungen über Mengen und
genutzt werden. Die Beschreibung von Sach- Preise Wochen hinzogen.
verhalten wird in Form von Daten dargestellt. Das hat zu einem erheblichen Aufwand geführt, den wir
Daten sind somit die Darstellungsform der nicht mehr zu tragen gewillt sind. Wir können ihn auch
Informationen. nicht mehr übernehmen, weil die Kostenschraube unauf-
hörlich weiterläuft. Die Konkurrenz zieht mit günstigeren
Der Elementarfaktor Information muss aus Angeboten davon, weil deren Kosten weit unter den
zwei sich ergänzenden und sich überschnei- unsrigen liegen.
denden Sichtweisen gesehen werden: Wir haben bei uns schon einiges getan, wie Sie wissen.
Insbesondere haben wir Millionen in den Service gesteckt,
1. Informationen sind Rohstoff. um den Kunden wenig Anlass zur Kritik zu bieten. Dennoch
hat sich der Kampf um die Absatzmärkte verschärft.
2. Informationen gehören einem logischen Wir bitten zu prüfen, ob Sie bei unseren nächsten Preisver-
System an. handlungen nicht mit einem Preissenkungsvorschlag von
circa 5 Prozent aufwarten. Das würde uns und Ihnen helfen.
Zu 1. Dieser Abschlag wäre noch nicht einmal ausreichend, um
Als Rohstoff werden Informationen innerhalb die Konkurrenzpreise in der Zuliefererindustrie zu errei-
des Betriebes bearbeitet, veredelt und an- chen, hilft aber, unsere eigenen Kosten zu drücken und
unsere Preise für ein weiteres Jahr stabil zu halten.
schließend zur Planung und Steuerung des
Wir wissen, dass wir mit diesem Vorschlag erhebliche
Unternehmens eingesetzt. Widerstände errichten. Wir werden in den Preisverhand-
Hierbei kann es sich um Marktdaten handeln, lungen der kommenden Runde auch Ihre Wünsche nicht
unberücksichtigt lassen. Schließlich möchten wir unsere
die im Rahmen einer Marktforschungsanalyse alten Geschäftspartner, mit denen wir lange Zeit gut
verdichtet und umgeformt werden, um die zusammengearbeitet haben, nicht ohne weiteres verlieren.
Erschließung neuer Absatzsegmente vorzube- Aber die Anbieter aus dem Ausland, bei mindestens
reiten. Es können auch nur Zahlen aus dem derselben Qualität, würden uns bei einer Ablehnung
Ihrerseits zu neuen Geschäftsverbindungen zwingen.
eigenen Prozess sein oder nur solche, die
Bitte überdenken Sie unseren Vorschlag, und lassen Sie
befreundete Unternehmen zur Verfügung uns wissen, ob wir mit einem Entgegenkommen rechnen
stellen. Es kann sich jedoch auch um Techni- können.
ken handeln, die zur Prozessinnovation des Mit freundlichen Grüßen
Unternehmens beitragen. Abb. 59: Wie die DMW AG zu
Kostensenkungen kommen
wollte
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 57
Die Verwirklichung dieses Grundsatzes wird Die DMW AG verwendet genormte Schrau-
im Verbundsystem einer computerintegrierten ben, Muttern, Scheiben, Walzlager, Stifte,
Fertigung ermöglicht. Passfedern, Ringe, Dichtungen, Bolzen, Flan-
schen, Rohrverschraubungen, elektrische
Es beginnt bei der Konstruktion. Auf der Leitungen, Keile, Kondensatoren, Nieten,
Grundlage standardisierter Vorgaben wie Widerstände, Stecker, Relais etc.
Normen, Richtlinien etc. im Computer und
unter Ausnutzung des Know-hows des Kon- Zum Begriff der Information
strukteurs werden Teile und Erzeugnisse Der Vollständigkeit wegen sind Aussagen
konstruiert. Man spricht von computerunter- über „Wissen“, „Nachrichten“ und „Zeichen“
stützter Konstruktion (CAD). zu ergänzen.
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 59
Genau definiert hört sich dieser Begriff so an: Wissen ist die Voraussetzung dafür, Sachver-
CAD (Computer Aided Design) ist ein Sam- halte zu erkennen, zu beschreiben, zusam-
melbegriff für alle Aktivitäten, bei denen die menzuführen und Entscheidungen treffen zu
EDV direkt oder indirekt im Rahmen von können.
Entwicklungs- und Konstruktionstätigkeiten Nachrichten sind konkrete Mitteilungsfor-
eingesetzt wird. Dies bezieht sich im engeren men einer Information.
Sinne auf die grafisch interaktive Erzeugung
Zeichen stellen die Grundelemente der Daten
und Manipulation einer digitalen Objektdar-
dar. Sie erlauben eine allgemein anerkannte
stellung, zum Beispiel durch zweidimensiona-
Ordnung, die jedem, der sie kennt, den Zugriff
le Zeichnungserstellung oder durch dreidi-
zu den Daten gestattet.
mensionale Modellbildung (räumliche Dar-
stellung von Gegenständen). Zur Speicherung und Übermittlung dienen u.a.
Vernetzungssysteme (Computer und Bild-
Ihm folgt die computerunterstützte Planung schirme) und Disketten.
(CAP – Computer Aided Planning) Sie über-
nimmt die Daten aus der Konstruktion und
Die moderne Welt
arbeitet sie entsprechend ihrer Aufgabenstel-
lung auf. So werden von der computerunter- Informationen kommen von außen (externe
stützten Planung die für die Produktion und Informationsbeschaffung) und werden mit
für den Einkauf notwendigen Stücklisten den Daten des Betriebes innen (interne Infor-
aufgestellt. Sie enthalten die für die einzelnen mationsbeschaffung) zusammengeführt. Die
Erzeugnisse oder Erzeugnisteile erforderli- Globalisierung der Märkte und der Struktur-
chen Abmessungen, Gütegrade etc. Auch wandel der Industrie zwingen ständig zur
lassen sich hier Arbeitspläne ableiten, deren Aufnahme der vielfältigen Mitteilungen.
Inhalt vom Fabrikat über die zu verwenden- Nicht nur das. Der Wandel ist auch in den
den Werkstoffe bis hin zu Arbeits- oder Ferti- Betrieben selbst bemerkbar. Er vollzieht sich
gungsgängen, -stufen, Arbeitsgriffen und u.a. durch die Abnahme der Hierarchien.
Griffelementen reicht. Folge ist, dass sich die Aufgabenbereiche der
Entscheidungsträger erweitern. Das bedeutet,
Nach diesem Schritt hat die Fertigung das
dass der Informationsbedarf größer wird.
Wort. Ob die Herstellung nun schon compu-
Auch bedingt der Wandel, dass aus Gründen
tergesteuert verläuft, ist eine Frage des Be-
der innerbetrieblichen Koordination die Ein-
triebes. Tut sie es, dann sprechen wir von
zelstellen und Abteilungen untereinander
computerunterstützter Herstellung (CAM
mehr Informationen austauschen müssen.
– Computer Aided Manufacturing). Rechner
übergeben Teileprogramme an einzelne CNC- Der Strukturwandel hat es auch mit sich ge-
Bearbeitungsmaschinen, sorgen dafür, dass bracht, dass die Fertigungstiefen verringert
Werkzeuge und Werkstücke über Transport- werden. Dabei ist von schlanken Fabriken die
systeme an die Maschinen gelangen, kurz, sie Rede. Sie machen es aber erforderlich, dass
übernehmen die Fertigungssteuerung und mehr Teile zum Endprodukt hinzugekauft
Fertigungsüberwachung. Die computerunter- werden müssen. Also müssen die Verbindun-
stützte Herstellung trägt dazu bei, dass Men- gen zu Lieferanten verstärkt oder neu aufgebaut
schen eingespart werden. Für sie eine bedenk- werden. Nun werden in den Herstellungsbe-
liche Entwicklung. trieben die Durchlaufzeiten verringert.
60 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Was folgt, ist die Qualitätskontrolle. Auch sie Voraussetzung ist die Abstimmung der ge-
ist computerunterstützt. Fachwort hierfür ist samten Prozesskette. Hierin einbezogen sind
CAQ. Sie kann endproduktbezogen sein, aber die Lieferanten. So gilt es auch hier, sich
auch prozessbezogen. Man spricht von Com- gegenseitig zu informieren. Was ja so weit
puter Aided Quality – computerunterstütz- geht, dass über Computeranbindung zusam-
ter Qualitätssicherung. mengearbeitet wird. Siehe hierzu auch: JIT.
Unter das Dach der computerintegrierten Bleibt noch hinzuzufügen, dass heute bereits
Herstellung gehören auch die Planung und 75% der Belegschaft eines Industrieunter-
Steuerung des gesamten Betriebsgeschehens. nehmens nichts mehr mit der Verarbeitung zu
Das leistet das so genannte PPS-System. Die tun haben. Vielmehr erfasst sie Daten und
drei Buchstaben stehen für Produktionspla- Informationen, verarbeitet, speichert und
nung und -steuerung. Es integriert die Men- überträgt sie. Folgende Beobachtungen sind
gen-, Termin-, Personal-, Kapazitäts- und gemacht worden:
Personalplanung einschließlich der Maschi-
• Bis zu 50 % der Produktionskosten sind
nenbelegung (siehe auch Kapitel Produkti-
Kosten für Information.
onswirtschaft).
• Mehr als 50 % der Gemeinkosten sind
Dass der Informationsaustausch im Unter-
Kosten für Information.
nehmen selbstverständlich auch die Verwal-
tung berührt, bedarf keiner Erläuterung. Die Das bekräftigt die Aussage, dass Informati-
Verwaltung (z.B. Lager und Rechnungswe- onserzeugung und Informationsbe- und -
sen) muss mit der Fertigung zusammenarbei- verarbeitung ebenso wie die Produktion pro-
ten. Wie kann sie es besser als über eine Ver- duktive Vorgänge sind.
netzung? So ist LAN das lokale Netzwerk des
Betriebes.
Verarbeitungs- Liege und
Die Eingabe von Daten in das betriebliche zeit ca. 10 % Wartezeit ca. 90 % 100 %
Netzwerk hat (sozusagen im Nebeneffekt)
bewirkt, dass alle Zugriffsberechtigten in der
Regel zum selben Zeitpunkt über alle Infor-
mationen verfügen können, die für sie und
Lesen Suchzeiten
ihren Sektor – und bei den Führungsorganen Schreiben Kapazitätsengpässe
über alle Disziplinen – wichtig sind. Das Verdichten Fehlende Informationen
Umformen Abstimmungsschwierigkeiten
bedeutet, dass die Abteilungs- und Einzel- Entscheiden Übertragungszeiten
egoismen abgebaut und die oft damit verbun-
dene Zurückhaltung von Materialien verhin- Abb. 61: Determinanten der Informati-
dert wird. Der Verbund mit der Außenwelt onsdurchlaufzeit
oder mit Tochterfirmen im In- und Ausland
erlaubt Metakonferenzen am Bildschirm und
kann vielleicht auf Probleme schneller einge-
hen und ausgewogenere Entscheidungen
bewirken.
3. Die Leistungsfaktoren im Betriebsprozess 61
3.5 Elementarfaktoren im
Überblick
4. Die Geschäftsführung
4.1 Führungsbegriff
Steuerung lässt sich auch mit Willensdurch- Diese beiden Begriffe werden im Kapitel
setzung beschreiben, die Kontrolle mit Wil- „Rechtliche Grundlagen“ behandelt. In die-
lenssicherung. Viele der gegenüberstehenden sem Abschnitt wird von einem Führungsbeg-
Definitionen enthalten den Begriff der riff ausgegangen. Hiernach hat die Geschäfts-
Kontrolle. Obwohl viele Menschen Kontrollen führung die Aufgabe, einem Unternehmen
als überflüssig ansehen, machen Beispiele aus nach innen und außen vorzustehen, d.h. nach
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft deutlich, innen und außen zu lenken.
dass sie unerlässlich ist (vgl. Abb. 58,
S. 56 u.a.). Führung von Unternehmen als „Gesamtheit aller
Hiernach werden in der Literatur (siehe auch Bestimmungsgrundlagen in der Unternehmung“, das
heißt „aller Vorgänge, welche das Verhalten des Systems
Abb. 64) immer wieder vier Führungsmerk- Unternehmung festlegen“ (H. Ulrich, Unternehmung, S.
male herausgestellt: 317).
Führungsentscheidungen sind „diejenigen Entschei-
• Planung dungen, die von den Führungsorganen der Unternehmung
getroffen werden, … und die durch ihre Relevanz für den
• Entscheidung Unternehmensbestand, ihren Bezug auf die gesamte
Unternehmung und ihre Nicht-Delegierbarkeit charakte-
• Steuerung risiert sind“ (Gutenberg, Produktion, S. 132–133).
• Kontrolle. Führung wird „als Tätigkeit definiert, die die Steuerung
und Gestaltung des Handelns anderer Personen zum
Gegenstand hat. Sie vollzieht sich in Teilprozessen (wie
Zielbildung, Planung, Entscheidung, Kontrolle), die wir
Das kann nicht zufrieden stellen. Denn die Führungsprozess nennen, und schafft Systeme, die der
Führung hat neben sachrationalen Aufgaben Konditionierung dieser Prozesse dienen. Einzelne Füh-
rungsfunktionen (wie Planung, Entscheidung, Organisa-
personale Funktionen zu lösen. tion) können aus den Teilprozessen der Steuerung bezie-
In vielen Fällen wird davon ausgegangen, hungsweise den Tätigkeiten der Systemgestaltung abge-
leitet werden“ (K. Bleicher, Führung in der Unterneh-
dass der Mensch in den Mittelpunkt eines mung, S. 37).
Unternehmens gehört und ihm entsprechende Führung wird als Prozess der Willensbildung und Wil-
Aufmerksamkeit zuteil zu kommen hat (siehe lensdurchsetzung unter Übernahme der hiermit verbun-
Aufgabe 40). Neuere Entwicklungen bestäti- denen Verantwortung definiert. Ihr immanent sind Füh-
gen diese Ansicht. rungsaufgaben wie Planung, Steuerung und Kontrolle
(Dietger Hahn, Puk 24, in Anlehnung an Gutenberg,
Unternehmensführung, S. 11 u. 59 ff.).
Zur Führung gehören alle Handlungen, die sich in der
Unternehmung zur Sicherung eines dauerhaften Bestan-
des vollziehen. Daher werden alle ökonomischen und
Führung ist eine Tätigkeit, die den betriebli- sozialen Ziele aus dieser Sicht der Überlebenssicherung
chen Prozess einschließlich der in ihm tätigen formuliert (N. Luhmann, Zweckbegriff, Tübingen).
Menschen zu gestalten (planen und entschei- Führen bedeutet, dass ein Vorgesetzter auf seine Mitar-
beiter einwirkt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
den) und zu lenken (steuern) hat, und zwar in
Dabei sollen die Mitarbeiter im Betrieb zu einer be-
einer Weise, dass unter Beachtung der vor- stimmten Leistung „hingeführt“ werden. Somit ist Füh-
handenen und zukünftigen Bedingungen (wie rung die Voraussetzung dafür, dass untergeordnete
Gesetzgebung, Standort, Infrastruktur, Be- Mitarbeiter selbstständige Funktionen übernehmen
können (Dezentralisation). Der Führende muss dabei
triebsaufbau, Gesellschaftsform u.a.) und
mehrere Teilaufgaben erfüllen, damit bei den Mitarbei-
unter Einhaltung humaner Prinzipien die tern die gewünschte Wirkung erzielt wird (Handbuch für
Unternehmensziele erreicht werden und die den Industriekaufmann, Driehaus/Zschenderlein, S. 11).
Existenz gesichert wird (überwachen). Abb. 64: Führungsbegriffe aus der Lite-
ratur
4. Die Geschäftsführung 65
Überwachung
Planungsmetho- - Informationsdurchlauf, - Marktforschung,
Steuerung
den, - Menschenführung, - Marktanalysen,
Abstimmungen - Arbeitsanweisungen, - Unternehmensanalyse,
etc. - Betriebsvereinbarun- - Schwachstellen-
gen, ermittlung,
- Geschäftsordnungen - Stellenabgrenzungen
u.v.m mit Verantwortungs-
bereichen
u.v.m.
Abb. 66: Führung aus vielfältiger Perspektive – Zusammenfassung (siehe auch Abb. 67)
• Direktorial- und
Pluralinstanz
• Kollegialsystem
Leitungssystem
genannt.
Das Direktorialsystem muss deutlich von der Direktorialsystem Kollegialsystem
Direktorialinstanz unterschieden werden. Es
oHG
ist nämlich Teil der Pluralinstanz, und das
KG mit mehreren Komplementären
besagt, dass die Leitung durch mehrere Mit-
GmbH mit mehreren Geschäftsführern
glieder vertreten wird. Worin ist der Unter-
AG mit mehreren Vorstandsmitgliedern
schied zu sehen?
Das Direktorialsystem hebt eine Person aus Beachtung gesetzlicher Vorschriften
den übrigen heraus und stattet sie mit beson- Abb. 73: Horizontale Leitungsorganisation
deren Rechten aus, die Entscheidungen
betreffen:
• Sie kann z.B. allein entscheiden (ohne
auf die übrigen Leiter Rücksicht zu neh-
men).
• Sie kann z.B. gegen die qualifizierte
Mehrheit Entscheidungen treffen.
• Sie kann z.B. gegen eine einfache Mehr-
heit bestimmen, was zu tun ist.
Abb. 74: Abstimmungskollegialitäten
4. Die Geschäftsführung 71
Kennzeichen des Kollegialsystems ist die Die DMW hatten sich bei Gründung die fol-
Gleichberechtigung seiner Mitglieder. In der gende Satzung gegeben:
Regel tritt es als Abstimmungskollegialität in Satzung
Erscheinung. Ein ähnliches System findet man
§1
in der Politik, z.B. im Kabinett. In Koalitionen
Die Aktiengesellschaft führt die Firma „Deutsche
allerdings richtet sich der Streit auf die Frage, Motoren Werke“ AG. Ihr Sitz ist Hannover.
ob Kanzler oder Kanzlerin die Richtlinien der
§2
Politik der Regierung bestimmen. Die Ausei-
Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung
nandersetzung ist noch nicht beendet. Daneben
von Kraftfahrzeugen aller Art.
gibt es andere Ausprägungsformen, die auf der
§ 18
Seite 70 näher beschrieben werden.
Der Vorstand besteht nach der Gründung in den
Um den Auseinandersetzungen über Abstim- ersten beiden Jahren aus drei Vorstandsmitglie-
mungsmodalitäten zu entgehen, geben sich dern. In den folgenden Jahren kann der Vorstand
Unternehmen so genannte Geschäftsordnun- auf bis zu 7 Mitglieder aufgestockt werden. Dazu
gen, in denen festgelegt ist, nach welchem muss die Satzung nicht geändert werden.
Verfahren bei Unstimmigkeiten vorzugehen Abb. 75: Satzung der DMW AG
ist. Bei Aktiengesellschaften bildet das Akti-
engesetz in den §§76ff. die Grundlage.
4.4.3.1 Führungsebenen
Der Führungsaufbau eines Unternehmens,
also seine Führungsstruktur, sieht von oben
(Führung) nach unten (Mitarbeiterebene)
meist wie eine Pyramide aus (siehe Abb. 76).
In kleinen und mittleren Betrieben werden
drei Führungsebenen unterschieden. Vorstell-
bar ist aber auch eine weitere Differenzie-
rung. Jede Führungsebene verfügt über Füh-
rungs- oder Leitungsbefugnisse. Ihre heraus-
ragenden Ermächtigungen sind die
• Entscheidungs- und
• Weisungsbefugnis. Abb. 76: Herkömmliche Untergliederung
Letztere begründet das Vorgesetzten-Unter- einer Unternehmung
gebenenverhältnis (Hierarchie). Je mehr Be-
fugnisse (Verpflichtungs-, Verfügungs- und Aufgabe
Informationsbefugnis sowie die oben genann- 44. a) Versuchen Sie, die Vor- und
ten) übertragen werden, desto größer wird Nachteile der Leitungssysteme her-
auch die Verantwortung (siehe Abb. 78), d.h. auszustellen!
das persönliche Einstehen für die Folgen, die
sich durch das eigene Handeln und durch die b) Die DMW AG praktiziert das Kolle-
eigenen Entscheidungen ergeben. gialsystem. Warum ist eine ungerade
Zahl von Mitgliedern gewählt wor-
den?
72 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Der Aufbau eines Unternehmens von der Der Vorstand der DMW AG musste mit einer
Spitze bis zur Basis (vertikaler Aufbau) lässt Geschäftsordnung leben, die der Aufsichtsrat
unterschiedliche Weisungssysteme einzie- erlassen hatte. Ein Vorsitzender war be-
hen: stimmt. Ihm war das Recht zugebilligt wor-
Die Unterscheidung richtet sich u.a. nach der den, dass bei Stimmengleichheit seine Stim-
Unterstellung der Mitarbeiter. Unterstehen sie me entscheidet.
nur einer Instanz, dann heißt das Einfachun-
Geschäftsordnung für den Vorstand
terstellung, nehmen sie die Weisungen von
Der Aufsichtsrat der … Aktiengesellschaft erlässt gemäß
mehreren Stellen an, dann wird von Mehr- § 15 Abs. II der Satzung nachstehende Geschäftsordnung
fachunterstellung gesprochen. für den Vorstand:
Die 1. Der Vorstand führt die Geschäfte nach dem Aktien-
gesetz, der Satzung und dieser Geschäftsordnung.
• Linienorganisation und die 2. Die Geschäfte werden unter die einzelnen Vor-
standsmitglieder nach dem beigefügten Geschäftsver-
• Stablinienorganisation teilungsplan verteilt. Die einzelnen Ressorts werden
gehören zur Einfachunterstellung, die im Vorstand durch die Direktoren dieser Bereiche
vertreten. Die Direktoren entscheiden in ihren Res-
• Funktionsmeisterorganisation und die sorts allein, so weit es sich um den normalen Ge-
schäftsgang handelt. Alle über diesen Rahmen hi-
• Matrixorganisation zählen zur Mehr- nausgehenden Geschäfte müssen im Vorstand zur
fachunterstellung. Abstimmung gebracht werden.
3. Der Aufsichtsrat kann auch bestimmen, dass einzelne
Geschäfte außerhalb des Geschäftsverteilungsplans
bestimmten Vorstandsmitgliedern zur Erledigung ü-
Zunahme der Anforderungen
bertragen werden.
und der Verantwortung
4. Dem Aufsichtsrat bleibt vorbehalten, ein Vorstands-
mitglied zum Vorsitzenden des Vorstandes zu bestel-
len, der bei Meinungsverschiedenheiten eine einheit-
liche Entscheidung des gesamten Vorstandes und not-
falls eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen soll.
5. Die Mitglieder des Vorstandes sind verpflichtet, sich
gegenseitig dauernd über wichtige Geschäftsvorgän-
ge zu unterrichten. Angelegenheiten von größerer
Bedeutung sollen in regelmäßig stattfindenden ge-
meinschaftlichen Besprechungen unter den Vor-
standsmitgliedern erörtert und entschieden werden.
Abb. 77: Auszug aus der GO der DMW AG
Zu Hierarchien
Zurzeit werden überall Hierarchieebenen
gestrichen. Es hat sich herausgestellt, dass
viele Hierarchieebenen zu umständlich arbei-
ten und oft Entscheidungen hinauszögern.
Dabei wird von Verdünnung der Hierarchien
gesprochen. Das Ergebnis wird mit dem Beg-
riff „Lean Management“ erfasst. Auch ist der
Abb. 78: Zunahme der Verantwortung Begriff „schlanke Führung“ üblich.
innerhalb der betrieblichen Hie-
rarchie
4. Die Geschäftsführung 73
Leitung
• Dann verlangte er von seinen Tech-
nikern erlebbare Produktvorteile ge-
Projekt- genüber der Konkurrenz. Die kamen
leitung mit dem Intervall-Brüh-System
(IBS). Der Kaffee schmeckt, ver-
spricht die Werbung, wie von Hand
Fertigung Vertrieb Beschaffung aufgegossen.
• Ein weiterer Vorsprung wurde durch
das Design geschaffen. Die Form der
Maschine wurde aus der weltbekann-
ten M-Filtertüte übernommen und
lässt die Herkunft ohne Markenzei-
chen erkennen (Quelle: manager
magazin).
a) Stellen Sie grafisch die Organisations-
struktur dar, die aus dem „Turnaround“
Abb. 82: Projektorganisation abzuleiten sein müsste. Ergänzen Sie die-
se aus Ihren eigenen Überlegungen und
würdigen Sie diese Organisationsform!
Leitung
b) Die Produktion der neuen Kaffeemaschi-
nen auf der Grundlage der alten Modelle
Produkt A Produkt B musste auch zu Veränderungen in den
Fabrikhallen führen. Als das neue Pro-
Produkt- Produkt- dukt entwickelt war, nahm sich der Pro-
leiter leiter
jektleiter einen Projektassistenten zu Hil-
fe. Dem oblag es, die Fertigungsstätten
bis zur Nullserie vorzubereiten. Können
Technik Fertigung Fertigung Sie auch hier die Organisationsform gra-
fisch darstellen? Erläutern Sie, was sich
möglicherweise verändert haben könnte!
Markt-
Vertrieb Vertrieb
forschung
Zusammenfassung
Die Führung eines Unternehmens ist aus horizontaler und vertikaler Sicht zu sehen. Sie ist
horizontal, wenn es um den Entscheidungsprozess geht, der sich in der obersten Führungs-
etage vollzieht. Dazu gehört auch die Organisation, wie Entscheidungen getroffen werden.
Die vertikale Sicht offenbart die Hierarchie eines Unternehmens, d.h. seine Instanzen mit
den dazugehörigen Befugnissen. Dazu wird insbesondere die Anweisungsfunktion gezählt,
aus der sich Befehlslinien und viele Informationswege ableiten lassen.
4. Die Geschäftsführung 77
Bürokraft
angelernter Arbeiter
Facharbeiter
Verkäufer
Sachbearbeiter
Vorarbeiter
Herausgehobene
qualifizierte Fachkraft
Sachgebietsleiter, Referent,
Amts-, Betriebsleiter
Direktor
Prokurist
Handlungsbevollmächtigter
Abteilungsleister
13,7
14,0
13,6
16,9
12,8
15,1
28,8
32,6
40,0
49,6
37,6
24,3
21,9
16,1
0,6
2,4
0,9
2,2
0,9
3,5
1,9
3,7
1,1
3,2
1,9
3,1
8,7
5,9
So wie ihre männlichen Kollegen sind die b) Verfolgen Sie Zeitungs- und Praxis-
meisten weiblichen Führungskräfte durch ihre berichte über Frauen, die hohe Lei-
Tätigkeit, Verantwortung und durch ihr En- tungsfunktionen innehaben! Achten
gagement gezwungen, nicht nur länger zu Sie besonders auf die Politik! Stellen
arbeiten als die Normalbeschäftigten, sondern Sie Ihre Ergebnisse zusammen, und
herumzureisen, Verhandlungen außerhalb des diskutieren Sie hierüber miteinander!
Betriebes zu führen und möglicherweise Ge- Und was tut sich bei der DMW AG in dieser
schäftsfreunde mehrere Wochen lang aufzu- Hinsicht? Aus dem Informationsblatt der
suchen. DMW:
Eine Direktorin kann in der Regel nicht von Ein „Frauenauto“ gibt es noch nicht. Die
einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung Gebrauch DMW basteln daran. Immer mehr Frauen
machen, kann kaum Familienpausen in An- haben bei der Konstruktion ein entscheiden-
spruch nehmen oder gar Erziehungsurlaub des Wort mitzureden, weil sich ihre Ansich-
eingehen. Ebenso entfallen für sie Halbtagstä- ten über Autos von denen der Männer abhe-
tigkeit und Jobsharing. Etwa ein Drittel aller ben. Damit tragen sie dazu bei, dass die
beschäftigten Frauen übt eine Teilzeitbeschäf- Kombination unterschiedlicher Erwartungen
tigung aus. Für sie entfällt die Chance, eine und Denkansätze zu einem perfekten Produkt
leitende Stelle zu bekleiden. führt. Das Frauenauto ist ein neues Projekt
Die Diskrepanz zu verkleinern zwischen dem, der DMW. Chefkonstrukteurin ist die Ingeni-
was Gesetzgeber fordern, nämlich der Gleich- eurin Frau Dr. Lara Weniger. Sie arbeitet mit
stellung von Mann und Frau, und dem, was weiteren Frauen zusammen.
die Praxis verwirklicht hat, ist nach führenden
Frauenpolitikerinnen nur möglich, wenn Be-
triebe Gleichstellungsstellen schaffen (Instan- Das Wochenpensum der
zen), die Führungscharakter haben.
Selbstständigen
Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in
4.6 Führungskultur Stunden 2005
Land Arbeitszeit
4.6.1 Begriff Irland 58,4
Führungskultur ist Teil der Unternehmens- Niederlande 56,3
kultur (siehe Kapitel „Personalwirtschaft“). Belgien 54,9
Sie wird hier verstanden als das Führungsver-
Frankreich 54,6
halten. Verhalten kann als Funktion der Inter-
aktion von Person und Umfeld aufgefasst Luxemburg 54,2
werden. Das Umfeld der Unternehmensfüh- Deutschland 53,5
rung ist bestimmt
Dänemark 53,3
• nach innen durch Personen gleicher
Ebene (z.B. Vorstand) und durch die Großbritannien 51,4
Mitarbeiter Portugal 50,8
• nach außen u.a. durch Teilhaber ohne Griechenland 50,4
Führungsanspruch, durch Kunden und Spanien 47,2
Lieferanten, durch Mitbewerber und Ge-
schäftsfreunde, durch Verbände und Poli- Italien 45,6
tiker. Abb. 87: Arbeitszeit der Selbstständigen
4. Die Geschäftsführung 81
Ihre wesentliche Auswirkung findet die An- Die DMW AG musste es sich gefallen lassen,
erkennung von menschlicher Gleichberechti- dass der Betriebsrat u.a. veröffentlichte:
gung und Gleichstellung darin, dass die Un- Eine zukünftige Anpassung der Unternehmen
tergebenen als Träger eines Selbstständig- an den zunehmenden Wettbewerbsdruck –
keitsanspruches angesehen werden. Sie sind und das wird selbst in den konservativen
als Mitarbeiter anerkannt, die mit dem Vorge- Lagern der Arbeitgeber so gesehen – kann nur
setzten gemeinsam die Aufgaben im Betrieb dadurch erreicht werden, dass den Beschäftig-
zu bewältigen versuchen. Allerdings erfordert ten mehr Entscheidungs- und Beteiligungs-
dieser Führungsstil vom Führenden Vertrauen möglichkeiten gegeben werden und mehr als
zu den Mitarbeitern und von diesen Verant- bisher auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse
wortungsbewusstsein. vertraut wird.
84 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Der kooperative Führungsstil ist mehr als nur Sie sind die eigentlichen Experten, die durch
die Zusammenarbeit zwischen den Vorgesetz- ihr Know-how und das Nutzen informeller
ten und den Mitarbeitern. Er erlaubt eine Kanäle viele Unternehmen überhaupt am
Mitwirkung an den Führungsentscheidungen. Leben erhalten. Deshalb wird Beteiligung im
Das aber kann nicht im „freien Raum“ passie- betrieblichen Management einen immer wich-
ren. Er erfordert eine Reihe von Regeln, die tiger werdenden Stellenwert erhalten. Auch
beide Partner einhalten müssen. Aus diesem bei uns ist in Hannover die Trendwende ein-
Ansatz haben sich so genannte Führungs- geleitet. Nun müssen wir folgen.
modelle entwickelt, die unter der Bezeich-
nung „Management by…“ bekannt gewor-
den sind. Führungsstil
autoritär kooperativ
Ziel
4.7.3 Re-engineering
Re-engineering ist das „fundamentale Über-
denken und radikale Umformen von geschäft-
lichen Prozessen mit dem Ziel, Leistungsda-
ten wie Kosten, Qualität, Service und Ge-
schwindigkeit dramatisch zu verbessern“.
Re-engineering wird durch fünf Forderungen
begleitet, die mit der Umwandlung einherge-
hen. Sie sind zum Teil zugleich auch Voraus-
setzungen für den Erfolg:
• Ziel ist der höhere Kundennutzen, d.h. es
rückt den Abnehmer in den Vordergrund Abb. 95: Inhalt des Re-engineering in
(und seine Zufriedenheit). Anlehnung an Gemini-
Consulting
4. Die Geschäftsführung 89
4.7.4 Target-Costing
Target-Costing ist ein kundenorientiertes
Konzept der Kostenplanung, -steuerung und -
kontrolle. Man nennt dieses Vorhaben auch
Zielkostenmanagement (target, engl. = Ziel).
Target-Costing geht weit über seinen Kosten-
charakter hinaus, weil es
• das Rechnungswesen zum strategischen Abb. 96: Re-engineering bei Rolls-Royce
Instrument eines Unternehmens treibt
• den besten Konkurrenten und dessen
Kosten (vom Markt erlaubte Kosten) zur
Richtschnur der eigenen Kosten macht
(Soll), die nicht höher als die Zielkosten
sein dürfen
90 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Total Quality
Management
Zusammenfassung
Wesentliche politische und soziale Veränderungen im Inland und in Europa, in den Ent-
wicklungs- und Schwellenländern sowie in den übrigen Industrienationen haben den Kon-
kurrenzkampf verstärkt. Um in der Zukunft überleben zu können, müssen Strategien ent-
wickelt werden, die sich von den früheren unterscheiden. So haben sich in den letzten Jah-
ren Führungsansätze gebildet, die auf eine neue Sichtweise betrieblicher und wirtschaftli-
cher Vorgänge basieren. Sie ist holistisch, d.h. ganzheitlich, und fordert vernetztes Denken
heraus. Das TQM war wohl der Wegweiser für den Umwälzungsprozess, der später seinen
Ausdruck in der schlanken Produktion und dem schlanken Management (Lean Produc-
tion, Lean Management) fand. Parallel dazu wurde schon das Just-in-time-Management
praktiziert, oder es wurden Führungstechniken wie MbO, MbE, MbD eingeführt. Heute
stehen Re-engineering, Benchmarking und Target-Costing im Vordergrund. Sie alle ma-
chen die Kundenorientierung zum Mittelpunkt.
und Arbeitsweisen, das die betriebsinternen Ist für den Erfolg wichtig
Strukturen, Abläufe und Entscheidungen auf
der Ebene der zwischenmenschlichen Bezie- Produktqualität 33 %
Zusammenfassung
Die Unternehmenskultur ist ein schwierig zu definierender Begriff. Hinter ihr verbirgt
sich das äußere und innere Erscheinungsbild eines Betriebes. Herausragend sind die Bezie-
hungen von Führung zu Mitarbeitern und umgekehrt sowie der Umgang der Betriebsange-
hörigen untereinander.
5.1 Organisationsbegriff
Leitungsebene
Problemanalyse (Feedback) Infor-
nehmen spannt. Sie ordnet es, verknüpft mation
Planung
Haupt- und Nebenstellen, schafft Schnitt-, (Willensbildung)
Durchgangs- und Endstellen. Mit ihr wird die
Arbeit im Betrieb geregelt. Organisation ist Zielformulierung
Kontrolle
überall. Sie vollzieht sich in Raum und Zeit,
Revisionsebene
(Willenssicherung)
ihre Regelungen können einmalig und dau-
ernd sein, sodass ihre Anzahl (Menge) die Ziel- Maß- Ergebniskontrollen
vorgabe nahmen
dritte Dimension hierin ist. Wer Organisation Verfahrenskontrollen
Verhaltenskontrollen
beschreiben will, kann sich des Organisati- Ist-Sollvergleich
onswürfels bedienen.
Organisation
5.2 Die Aufbauorganisation
Mitarbeiterebene
(Willensdurchsetzung)
Zeitablauf
Beschaffung
5.2.1 Herkömmliche Produktion
Absatz
Betriebsstruktur
Umsetzung der Ziele
Unternehmen werden theoretisch in zwei
Sektoren gegliedert, in die Verwaltung und Abb. 102: Der Regelkreislauf im Füh-
die Herstellung. Das ist ihr äußerst grob rungssystem
strukturierter Aufbau.
Die beiden Begriffe sind nicht mit dem Beg- Aufgabe
riff „Abteilung“ gleichzusetzen. Die Herstel- 54. Interpretieren Sie Abbildung 102!
lung ist meistens räumlich von der Verwal-
tung getrennt. Sie findet in Fabriken statt.
Zum Begriff „Verwaltung“
Eine weitere Differenzierung hängt von der
Branche, von der Größe des Betriebes, von Der Verwaltungsbegriff wird unterschiedlich
den Produkten, von der Zugehörigkeit zu ausgelegt. Spricht man im Volksmund von
anderen Unternehmenseinheiten, vom Alter ihm, dann meint man behördliche Tätigkeiten,
des Betriebes, von seinen Herstellungsverfah- die mit der Erfassung von Daten (z.B. Eintra-
ren, von der Art der Führung u.a. ab. gung von Geburten, Eheschließungen, Sterbe-
fällen, Ausstellen von Ausweisen, Führer-
Zur Verwaltung zählen alle Abteilungen, die scheinen und Zeugnissen) und mit deren
nicht der Produktion zugeordnet werden kön- Überwachung zu tun haben. Man könnte dies
nen. Das sind der Einkauf (siehe auch Abb. alles als Verwaltung im engeren Sinne be-
105), der Verkauf, die Buchhaltung, die Per- zeichnen. Verwaltung ist aber mehr. Sie um-
sonalabteilung (siehe Abb. 104). fasst neben der Durchführung und Überwa-
chung auch die Planung und Organisation. Im
eigentlichen Sinne lässt sie sich wie folgt
ordnen: Planung – Organisation – Durchfüh-
rung – Überwachung.
96 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Marktforschung Abteilungsleiter
Eine automatisierte Fertigung z.B. mit dem Public Relations Werbung
eingeführten CIM wird weniger Abteilungen
haben als ein Unternehmen, das herkömmlich Abb. 103: Mögliche Abteilungsorganisation
produziert. Lagergröße und -ablauf sowie
Lagerhaltung werden bei produktionssyn-
chroner Beschaffung anders als bei üblicher
Belieferung aussehen. Heute geht die Koope-
ration mit Lieferanten bereits so weit, dass
Komponentenanbieter ihre Produkte nicht nur
herstellen und liefern, sondern diese beim Beispiel DMW AG:
Besteller einbauen, sodass die eigene Produk- In den DMW in Hannover gibt es eine Abtei-
tion „schlanker“ wird. lung, die „Allgemeine Verwaltung“ heißt.
Sieht man sich die Ziele der Verwaltung an, Hinter ihr verbergen sich die Registratur und
kann man bei der Herstellung ergänzen, dass Datenverwaltung, Hausmeister und Gebäude-
in fast allen ihren Abteilungen gleichzeitig versorgung, Telefonzentrale und Betriebsarzt
auch verwaltet wird. mit Krankenzimmer.
5. Kurzer Abriss der Organisation 97
Abb. 105: Der Einkauf der „jungen“ Abb. 106: Neubestimmung der Arbeitsfel-
DMW AG in Halle, heute durch der eines Unternehmens
Logistik völlig geändert
98 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Zusammenfassung
Die Aufbauorganisation beschäftigt sich mit den einzelnen Unternehmensbereichen, Ab-
teilungen und Stellen. Eingeschlossen ist die oberste Führungsetage eines Betriebes. Ihre
Untergliederung richtet sich bei herkömmlichen nach den bekannten Funktionen Beschaf-
fung, Produktion, Absatz etc. Diese Organisationsstruktur ist zum Teil durch überlappende
Sektoren abgelöst worden (siehe auch Projekt O.).
5. Kurzer Abriss der Organisation 99
5.3.1 Übersicht
Controlling ist als übergreifende, entschei-
dungsbezogene Informationsbereitstellung mit
Entscheidungsfindungshilfen zu verstehen.
Controlling ist nicht mit Kontrolle gleichzu-
setzen. Sein Rahmen ist sehr viel weiter ge-
steckt, weil es auch den Steuerungsbereich
umfasst. Controlling hat vier Funktionen:
• Planungsfunktion
• Kontrollfunktion
• Informationsfunktion
• Steuerungsfunktion.
Eine Kennzeichnung dieser Aufgaben sollte Abb. 109: Ergänzungen zum Objektprin-
nicht ohne Wissen um die Ansiedlung des zip (am Beispiel Einkauf)
Controlling in der betrieblichen Hierarchie ins
Auge gefasst werden.
Es ist eine Stababteilung der Führung. Sie ist
Zuträger an Informationen. Sie leistet Service-
oder Lotsendienst. Sie hat demnach – wie alle
Stababteilungen – Beratungs-, keine Entschei-
dungsfunktion. Aber sie hat, entgegen den
übrigen Stabsstellen, die i.d.R. nur ein begrenz-
tes Auftragsfeld zu bearbeiten haben, holisti-
schen Charakter. Die ist auch die Begründung
für die Begriffswahl! Hätte man nur „Kontrol-
le“ gesagt, dann wäre der Eindruck vermittelt,
dass es sich um Überwachung handelt.
Das Schaubild auf Seite 102 vermittelt, wie
das Controlling in den gesamten Prozess des
Betriebes greift. Die vielfältigen Beziehungen
sind nur fruchtbar, wenn alle Elemente ge-
willt sind, Informationen weiterzugeben.
Unternehmens- Controller
leitung
Informationsverarbeitungsstufen
I II III IV
Leitung Beschaf-
Logistik- Produktions- Absatz-
Rechnungs- fungs-
leitung leitung leitung
wesen leitung
Abb. 111: Controlling als Stabsstelle der Führung bei zentraler Einbindung nach Reichmann
Das operative Controlling (wie es die Abb. Beispiel aus der Praxis
111 verdeutlicht) ist gegenwartsbezogen und Der Jahresabschluss traf Stefan Hofemeier wie ein
innerbetrieblich ausgerichtet. Dabei spielen Faustschlag: Monat für Monat hatte die kurzfristi-
die Soll-/Ist-Vergleiche von Zielvorgaben und ge Erfolgsrechnung der im ostwestfälischen Bünde
Zielerreichung der Mitarbeiter eine ebenso ansässigen Werner Hofemeier GmbH für 2004
große Rolle wie die Gegenüberstellung der weitgehend den Erwartungen entsprochen – und
plötzlich musste der Finanzchef des Küchenher-
Soll-/Ist-Budgets.
stellers seinen Mitgeschäftsführern Anfang 2003
unter dem Strich einen deftigen Gewinneinbruch
5.3.2 Controllingaufgaben beichten.
Die Ursache war schnell ausgemacht: Eine für 4,5
Planungsaufgaben sind im Stab nicht gleich-
Millionen EUR errichtete Produktionshalle hatte
zusetzen mit Entscheidungsaufgaben. Im für die – in dieser Höhe unerwartete – Ergebnisbe-
Controllingsektor werden Planungsvorgaben lastung gesorgt. Die Führungscrew hatte die Aus-
(Soll) mit dem Ist verglichen, Analysen hier- wirkungen der Investition auf die Bilanz unter-
zu aufgestellt und neue Vorgaben gemacht, schätzt.
die der Leitung unterbreitet werden. Sie wird Die Geschäftsführer reagierten sofort: Stefan Ho-
entscheiden, ob dem neuen Plan gefolgt wer- femeier erhielt den Auftrag, ein Controlling-
den soll oder nicht. System zu installieren, um in Zukunft gegen böse
Überraschungen gefeit zu sein.
Solche Planungsvorhaben haben auch mit der
Das Controlling, so Stefan Hofemeier, sollte also
Kontrolle zu tun. Denn jede Stelle, jede Ab-
eine Alarmfunktion erfüllen, um Blindflüge wie
teilung, jeder Ablauf, jedes Ereignis etc. muss 2004 zu verhindern. Zudem wollte der Finanzmann
erfasst (Ist) und verglichen (Soll) werden als solide Beschlussgrundlage fürs Management
(Kontrollaufgaben). Hierzu sind Informatio- ein System, mit dem sich schon zu Beginn des
nen notwendig. So genügt nicht nur ihre Be- Geschäftsjahres eine provisorische Bilanz bauen
schaffung. Sie werden sondiert, aufbereitet, und die Auswirkung verschiedener Entscheidungen
und das heißt auch: mit anderen Posten und auf das Ergebnis simulieren lässt.
Positionen, mit neuen Daten und Entwicklun- Durch das Controlling-System fällen die Hofemei-
gen in Zusammenhang gebracht, dabei umge- er-Geschäftsführer ihre Entscheidungen auf einer
formt, umgewandelt und kritisch gewürdigt. vergleichsweise sicheren Datenbasis und können
Solche Informationsaufgaben haben einen die künftige finanzielle Entwicklung des Unter-
nehmens besser einschätzen.
hohen Stellenwert, weil Fehlinformationen
und Fehlinterpretationen Leitung und den Durch größere Transparenz ließen sich bereits
2005 einige erst für dieses Jahr geplante Investitio-
Betrieb in fatale Situationen bringen können.
nen vorziehen, da das Controlling einen finanziel-
Diese drei Aufgabenfelder dienen der Festle- len Spielraum bei der Bilanzgestaltung angezeigt
gung von Leitlinien, Vorgaben und Sollgrö- hatte.
ßen und dazu, diese einzuhalten und Abb. 112: Einführung eines Controlling-
Schwachstellen aufzudecken. systems
Steuerungsaufgaben haben regulierende Wir-
kung. Beispiel aus der DMW AG:
Sie beginnen mit der Fragestellung, wie man Die DMW AG hat bei der Einrichtung ihres
auf den richtigen Weg zurückkommt. So neuen Werkes eine Analyse der Komponen-
gehört es auch zu den Steuerungsaufgaben, ten-Lieferer für die Artikel Vordersitze, Sitz-
Maßnahmen zu entwickeln, die Soll und Ist bänke, Kopfstützen, Sitzheizungen und Er-
angleichen lassen. satzbezüge (Lieferantenanalyse) gefordert.
Das Angebot an Herstellern ist groß und um-
fassend.
104 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Alle Controllingfunktionen wirken zusam- Wer ist der richtige Lieferant? Wer kann zum
men. Mit der Steuerung ist der Regelkreislauf richtigen Zeitpunkt die gewählte Menge in
des Controlling geschlossen. Er ist anders als der geforderten Qualität bei günstigen
der Führungsregelkreislauf, weil das Control- Konditionen einschließlich angemessener
ling immer von der Leitung abhängig ist. Mit Preise liefern? Manche Lieferanten sind näm-
allen Funktionen bildet es ein ganzes System lich preiswert, aber nicht pünktlich in der
(siehe Abb. 113), ohne das es seine Ziele Ablieferung der Stoffe, andere sind zwar
nicht erfüllen kann. etwas teurer, dagegen aber im höchsten Grade
zuverlässig. Einige bieten nur Sitzbänke an,
andere nur Vordersitze.
Der Controller erfasste zunächst die Anforde-
rungsmerkmale. Hierzu einige Beispiele:
• Die Qualität der Stoffe muss durch Reiß-
Zusammenfassung festigkeit und Farbtreue gekennzeichnet
Das Controlling ist eine Stababteilung sein.
(Organisationsstruktur). Es ist in der Un- • Die Liefermenge von jährlich insgesamt
ternehmung ein System der Willenssiche- 100 000 Sitzen muss sichergestellt sein.
rung eingebettet. Es umfasst Qualitäten
• Die Preise pro Sitz dürfen 600 EUR nicht
und Quantitäten (vgl. S. 104) und ist im-
überschreiten.
mer ein Regelkreislauf.
Es kann zentralisiert oder dezentralisiert • Die DMW müssen wöchentlich 2500
sein. Die Aufgaben sind vielfältig. Alle Sitze abrufen können.
zusammengenommen bilden einen Regel- • Die Sitze für die jeweils kommende Pro-
kreislauf. duktionswoche müssen freitags in den
Fabrikationsstätten angeliefert werden.
5. Kurzer Abriss der Organisation 105
5.4.1 Umfang
Unter Umweltorientierung eines Unterneh-
mens ist seine Rücksichtnahme auf die Natur
zu verstehen. Der Unternehmensaufbau ist
umweltorientiert, wenn
• ein Umwelt(schutz)management gebildet
worden ist
• Standort und Anbindung an das
Verkehrssystem nach Umweltent- statt -
belastung ausgewählt sind
• Gebäude und Anlagen Umweltfragen
berücksichtigt haben
• die Entsorgung umweltfreundlich von-
statten geht
• der Umweltschutz in alle betrieblichen
Abteilungen greift.
Abb. 115: Offensive Umweltschutzmana-
Über eine umweltorientierte Organisations- gement (mit ausgewählten
struktur liegen bis heute weder gesicherte Maßnahmen)
Erkenntnisse noch wissenschaftliche Analy- Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
sen vor, wenn auch umweltbezogene Einzel-
erscheinungen im Betrieb bekannt sind.
106 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Kaufmännischer Technischer
Bereich Bereich
Zusammenfassung
Aufbau- und Ablauforganisation müssen nach Grundsätzen eingerichtet werden, die die
Prozesskette bestmöglich (optimal) gestalten. Die primären Grundsätze sind das Zweck-
mäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsprinzip. Beide Organisationsarten können ihre Auf-
gaben nur erfüllen, wenn zugleich das Prinzip des organisatorischen Gleichgewichts und
das der Koordination eingehalten wird.
6. Verschiedenes
6.1 Der industrielle Standort Neue Arbeitsstrukturen in den Werken erprobt
Neben Personalentwicklung und wettbewerbsgerechter
Steuerung des Personalaufwands bildet die Gestaltung
6.1.1 Begriff der Arbeitsstrukturen einen Schwerpunkt der Personalar-
beit.
Jede menschliche Tätigkeit findet an einer Die komplexen, automatisierten Prozesse in fast allen
bestimmten Stelle der Erde statt, sie hat ihren Fertigungsbereichen von BMW ließen den Bedarf an
qualifizierten Mitarbeitern deutlich ansteigen. Innerhalb
Standort. Dieses „Irgendwo“ muss genau wie von zehn Jahren erhöhte sich der Anteil von Facharbei-
das „Irgendwie“ der Herstellung, der Vertei- tern in der Produktion von 30 Prozent auf mehr als 50
lung (Distribution) und des Verbrauchs (Kon- Prozent; er wird auch in Zukunft weiter steigen.
sumtion) nach besonderen Gesetzmäßigkeiten Neue Technologien und besser ausgebildete Mitarbeiter
verlaufen, die in der wirtschaftlichen Tätig- ermöglichen gleichermaßen flexible wie effiziente For-
men der Arbeitsorganisation. Immer mehr Arbeitsgrup-
keit selbst liegen. Damit ist gemeint, dass es pen in der Produktion übernehmen zusätzliche Aufgaben
Bestimmungsfaktoren gibt, die das wirtschaft- wie Instandhaltung, Logistik und Qualitätssicherung in
liche Tun beeinflussen. Zu ihnen gehören u.a. eigener Verantwortung. In Pilotprojekten wurde Grup-
penarbeit eingeführt, in der die Mitarbeiter wechselnde
• die Knappheit der Elementarfaktoren Tätigkeiten übernehmen.
Diese Art der Arbeitsorganisation hebt die Trennung von
• der technische Fortschritt
planenden und ausführenden Tätigkeiten weit gehend auf.
• der Stand der wirtschaftlichen Entwick- Sie verbindet die Flexibilität handwerklicher Fertigung
mit den Kostenvorteilen der Großserienproduktion und
lung
erhöht darüber hinaus die Attraktivität der Arbeitsplätze
• die Höhe der Standortkosten in der Fertigung.
• die Qualität der Arbeitskräfte Abb. 124: Ein Autohersteller setzt auf den
Grundsatz der Elastizität
• die Infrastruktur usw. Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
6. Verschiedenes 115
Der optimale Standort ist ein Kombinations- Werden neue Verkehrswege in Aussicht ge-
standort, weil nicht nur ein Merkmal entschei- stellt, die schneller als die bisherigen sein
dend für seine Wahl sein kann. An ihm sind die werden, wächst ein neuer Standortfaktor her-
Standortrisiken gering. Standortrisiken lassen an (Magnetbahn zwischen Hamburg und
sich als Gefahren definieren, die die Vorteile Berlin – inzwischen abgelehnt). Einzelne
eines bestimmten Standortes vernichten, wenn Standortfaktoren haben an Wichtigkeit abge-
sie auftreten (Austrocknen eines Flusses, Kür- nommen, weil die Informationssysteme einen
zung der staatlichen Subventionen, Belastun- Austausch von Nachrichten innerhalb von
gen durch Umweltauflagen, Verschlechterung Minuten zulassen. Preiswerte Konstrukteure
der Grundwasserqualität etc.). in Schwellenländern übermitteln ihre Vor-
schläge per Datennetz. Arbeitskosten sind das
6.1.3 Ungebundene Standorte gegenwärtige Schlagwort, die in den Indust-
rieländern die Standorte verlagern lassen.
Mehr denn je sind Standorte ungebunden.
Dennoch gibt es Prioritäten, nach denen sich
die Wahl eines Standortes am ehesten richtet.
Auf diese Weise sind mehrere Standortarten
herauszustellen. Sie können als:
• absatzorientiert
• arbeitskostenorientiert
• bodenpreisorientiert
• kraftstofforientiert
• steuerorientiert
• traditionsorientiert
• transportkostenorientiert
• verkehrsorientiert
bezeichnet werden. Abb. 125: Standortqualität international
Die DMW hatten ihre neuen Standorte in Ost-
und Norddeutschland aus unterschiedlichen
6.1.4 Standortanalysen Gründen gewählt. Halle verfügt über gut aus-
gebildetes Personal aus dem Kraftfahrzeugsek-
Sucht ein Unternehmen einen Platz für seine tor der alten Republik mit einem hohen Grad an
Verwaltungsgebäude und Produktionshallen, geistiger Flexibilität (um einen Arbeitsplatz zu
dann werden Untersuchungen über das Um- erwerben und zu halten), Emden ist dem Meer
feld, die Natur, über andere Wirtschaftsunter- zugewandt und hat eine hervorragende Anbin-
nehmen am Ort, über Konkurrenz, über die dung an das Ausland, was den Export be-
Wohnmöglichkeiten, über Freizeitorientie- schleunigt und die Transportzeit verkürzt.
rungen etc. angestellt. Dabei handelt es sich
um solche Merkmale, die für das Unterneh- Zur Standortkonzentration
men vorrangig sind. Meist werden diese ge- Es lässt sich leicht ausmachen, dass es in
wichtet, sodass sich ihre Rangfolge ergibt. Deutschland Konzentrationen von Unterneh-
Den einzelnen Merkmalen gibt man eine men gibt. Im Ruhrgebiet, im Rhein-Main-
Punktzahl bis 10, je nachdem, wie sie ausges- Gebiet, in den Großstädten wie Berlin, Ham-
taltet sind. Eine Multiplikation der Punkte burg, München, Frankfurt, Köln, Leipzig,
und der Gewichtung führt zu Standortpunk- Rostock und Stuttgart. Das liegt u.a. auch
ten. Der Standort mit der höchsten Zahl ist daran, dass ein Unternehmen ein anderes nach
dann der ausgewählte. sich zog.
6. Verschiedenes 117
Druckfrisch liegt der Global Competitives Report (GCR) mit 574 Seiten auf den Konferenz-
tischen dieser Welt, und man reibt sich erneut verwundert die Hände: Im internationalen
Wachstums- und Wettbewerbsvergleich steht Deutschland (2003) besser da (Platz 13) als vor
zwei Jahren (Platz 17) und behauptet in einer Reihe von Indikatoren sogar weltweit beneidete
Positionen.
Deutschland ist einsame Spitzenklasse im Umweltschutz (Luft, Wasser, Gefahrenstoffe). Hier
finden wir einige der Haupt-Wettbewerbsländer (USA, GB, Japan) auf Rangplätzen zwischen 8
und 20.
Bei aller Vorschriften- und Regelungs-Dichte hat Deutschland eine der besten Infrastrukturen
einhergehend mit einer höchst intensiven internen Wettbewerbssituation – viele nationa-
le/internationale Unternehmen:
• keine/wenige marktdominierende Unternehmen,
• lokale Qualitätsanbieter,
• strenge Qualitäts- und Sicherheitsstandards,
• Spitzenpositionen im Export.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit (deutscher Unternehmen) beruht wesentlich auf ein-
zigartigen Produkten und Prozessen. Platz l zusammen mit Japan und Finnland; Exportunter-
nehmen beherrschen die gesamte Wertschöpfungskette von Produktdesign bis zum „after-sales-
service“, Platz l mit Schweden; international tätige Unternehmen haben eigenständige For-
schungs- und Entwicklungsprogramme. Für Produkte und Prozesse, Platz l mit Finnland und
Schweden.
(D. J. Pomerening, Prof. priv. Hochschule Schule Leipzig, DW)
Abb. 126: Standort Deutschland – anders bewertet
Zusammenfassung
Betriebe sind überall in genügendem Umfang und in genügender Variation angesiedelt. Sie
haben ihren Standort meist nach Kennzeichen gewählt, die ihnen am wertvollsten erschie-
nen. Grundsätzlich spielen bei der Wahl eines Standortes die Kosten (Standortfaktoren)
eine überragende Rolle.
118 Der Betrieb als Teil der Wirtschaft
Ertragshoheit Steuerquelle
Verbrauch + grenz-
Besitz Verkehr überschreitender
Warenverkehr
Verbrauschssteuern
Besitzsteuern Verkehrssteuern
+ Zölle
Gesellschaftssteuer
Grunderwerbssteuer
Landessteuern Vermögensteuer Feuerschutzsteuer
Biersteuer
(L) Erbschaftsteuer Rennwett- und
Lotteriesteuer
Spielbankabgabe
In der Praxis hat sich eine Gliederung – wie • Er verfügt über weitere Einnahmequel-
Abb. 127 zeigt – von len. Dazu zählen u. a. eigene Betriebe,
• Besitzsteuern wie z. B. Energieversorgungsbetriebe,
Beteiligungen, wie zum Beispiel am
• Verkehrsteuern Volkswagenwerk, die Deutsche Bundes-
• Verbrauchsteuern und bank. Außerdem beschafft er sich Geld u.
a. durch Kreditaufnahmen.
• Zöllen
durchgesetzt.
Ergänzungen zum Allgemeinen Teil
Ein Teil der Besitzsteuern wird auch als Er-
tragsteuer bezeichnet, womit die Begriffe Steuererhebungen sollen unter dem Aspekt der
Erträge, Gewinne, Erfolge und Überschüsse Gerechtigkeit, der Durchsichtigkeit (Steuer-
gemeint sind, ein Teil umfasst Vermögen, transparenz), der Praktikabilität, der Stetigkeit,
Eigentum und Kapital. Er nennt sich Sub- der deckungspolitischen Anpassungsfähigkeit,
stanzsteuer. der Umverteilungsnotwendigkeit sowie der
Wirtschaftskraftsicherung vorgenommen wer-
Zu den Ertragsteuern gehören
den. Besonders in der Diskussion ist die Frage
• die Einkommensteuer* mit der daran- der Steuergerechtigkeit, aber auch die der Si-
hängenden Kirchensteuer sowie dem cherung des Wirtschaftspotenzials (Standort
Solidaritätszuschlag (und bei abhängig Deutschland) gekommen. In Zusammenhang
Beschäftigten wird die Einkommensteuer mit Letzterer ist die so genannte Öko-Steuer in
Lohnsteuer genannt) das Bewusstsein der Politiker, Gesellschafts-
• die Körperschaftsteuer mit dem Solida- wissenschaftler, Soziologen und Wirtschaftler
ritätszuschlag sowie gerückt. Hinter den Vorschlägen, die von allen
Seiten gemacht werden, steht ein besonderer
• die Gewerbeertragsteuer (das ist jener Gedanke: Umweltbelastendes Produzieren und
Teil der Gewerbesteuer, der den Gewer- Konsumieren soll mit einer staatlichen Abgabe
beertrag zur Bemessungsgrundlage hat). belegt werden, um Verursacher von Umwelt-
Ertragsteuern greifen sowohl in die Besteue- schäden anzuhalten, mit der Natur und ihren
rung der Privathaushalte als auch in die der Ressourcen schonender umzugehen. Solche
Unternehmen. Auf die Privathaushalte entfal- Steuern und Gebühren werden teilweise bereits
len Einkommen- und Lohnsteuer, auf die erhoben, z.B. Abwasserabgaben, Kraftfahr-
Kapitalgesellschaften Körperschaftsteuer, auf zeugsteuer, Zweitwohnsteuer und Grundsteu-
alle Unternehmen Gewerbeertragsteuer. Alle er. Viele von ihnen sind aber ohne Bezug zur
Ertragsteuern haben etwas gemeinsam: Die Umwelt, vielmehr aus finanzpolitischen Grün-
Bemessungsgrundlage ist abhängig von einem den eingeführt worden. Die neue Denkweise
wirtschaftlichen Ergebnis. hat auch Eingang in den Richtlinienentwurf der
Europäischen Union vom 12. April 1995 ge-
funden. Er lässt den Mitgliedstaaten bei der
Einführung einer Energie-Ökosteuer bis zum
Jahre 2000 in einem Übergangsplan freie Hand.
* Die Einkommensteuer beschert dem Staat eine große
Einnahme, weil sie von jedem Arbeitnehmer erhoben
wird (und das sind in Deutschland mehr als 30 Millionen
Menschen). Gegenwärtig (2005) stehen die Prozentsät-
ze (Abgabesätze) in der Diskussion. Mit der rot-grünen
Regierung unter Bundeskanzler Schröder (bis 2005)
wurde eine besondere Steuer auf Benzin und Diesel er-
hoben, um Autofahrer zu bewegen, verstärkt andere
Verkehrsmittel zu nutzen. Das schlug fehl.
6. Verschiedenes 121
Zusammenfassung
Das Steuersystem in Deutschland ist außergewöhnlich kompliziert. Eine einheitliche Unter-
nehmens- oder Betriebssteuer gibt es nicht. In der Praxis hat sich die Gliederung in Besitz-
steuern, Verkehrssteuern, Verbrauchssteuern und Zöllen durchgesetzt. Unternehmer und
Unternehmen zahlen daher ebenso wie Haushalte eine Vielzahl von Steuern. Der Gesetzge-
ber ermittelt die unterschiedlichen Einkünfte aus allen anfallenden Arten. Für die Unter-
nehmer sind die Einkünfte aus seiner Tätigkeit und aus seinem Zweck besonders hervorzu-
heben.
Kapitel 2
Finanzierung
im betrieblichen
Leistungsgeschehen
von Dr. Wolfgang Harmgardt
überarbeitet von Jürgen Tiedtke
127
1. Zum Finanzierungsbegriff
Unternehmen benötigen für ihre Leistungser- Einsatzfaktoren
stellung Produktionsfaktoren in Form von • Werkstoffe
Arbeitsleistungen, Werkstoffen, Betriebsmit- • Arbeitsleistungen
teln und Informationen. Um den betrieblichen • Betriebsmittel
• Informationen
Produktionsapparat zu
• gründen
• unterhalten Der
• erweitern oder betriebliche
Produktions-
• modernisieren, apparat
werden Sachgüter eingesetzt und Dienstleis- muss…
tungen verbraucht. Diese Produktionsfaktoren
müssen beschafft und finanziert werden. Das
unternehmerische Handeln löst somit Finan- • gegründet
zierungsakte einmaliger und laufender Art • unterhalten
aus: • modernisiert
• erweitert
• Grundstücke und Gebäude, Fahrzeuge werden
und Maschinen sind anzuschaffen.
• Arbeitskräfte müssen entlohnt, und der Abb. 1: Finanzierungsanlässe
Bezug von Roh-, Hilfs- und Betriebsstof-
fen muss bezahlt werden.
Finanzielle Mittel werden benötigt, um den
laufenden Betrieb des Unternehmens zu si- Finanzierung
chern.
Finanzierungsentscheidungen können nicht
nur unter dem Aspekt, finanzielle Mittel zu
beschaffen, gesehen, sondern müssen auch Beschaffung von
Geld- und
unter dem Gesichtspunkt der kostengünstigs- Sachkapital
ten Finanzierungsart betrachtet werden.
Zur Finanzierung sollen Maßnahmen gerech- +
net werden, Maßnahmen zur
Kapitalfreisetzung
• die sich auf die Beschaffung von Eigen- und -herabsetzung
und Fremdkapital beziehen
• mit denen Sachkapital (z. B. in Form von Abb. 2: Finanzierungsbegriff
Grundstücken, Gebäuden oder Maschi-
nen) in das Unternehmen eingebracht
wird
• die eine Kapitalfreisetzung oder eine
Kapitalherabsetzung herbeiführen.
128 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Alle übrigen Vermögensgegenstände, die Aus der Bilanz 2005 der DMW AG ist der
durch eine kurze Verweildauer gekennzeich- Zusammenhang zwischen Mittelverwendung
net sind, werden dem Umlaufvermögen und Herkunft der Mittel erkennbar:
zugerechnet: Bestände an Rohstoffen, halb
fertigen und fertigen Erzeugnissen, Forderun- Aktiva in Mio. EUR
A. Anlagevermögen
gen, Wertpapiere (zur vorübergehenden An- I. Immaterielle Vermögensgegenstände 18
lage liquider Mittel), Bankguthaben und Kas- II. Sachanlagen 328
senbestand. III. Finanzanlagen 96
442
B. Umlaufvermögen
1.2.2 Die Struktur der Bilanz – I. Vorräte 166
Passiva II. Forderungen und sonstige
Vermögensgegenstände
Die Passivseite der Bilanz weist die Herkunft – Forderungen aus Lieferungen und
des Kapitals aus. Kapitalquellen sind zum Leistungen 275
– Übrige Forderungen und sonstiges
einen im Eigenkapital und zum anderen im Vermögen 28
Fremdkapital zu sehen. III. Wertpapiere 152
IV. Flüssige Mittel 47
Das Eigenkapital wiederum setzt sich aus C. Rechnungsabgrenzungsposten 10
verschiedenen Positionen der Bilanz zusam- 678
men, und zwar aus Summe Aktiva 1 120
Zusammenfassung
1. Finanzierung umfasst alle Maßnahmen der Unternehmensführung, mit denen die Leis-
tungserstellung und -verwertung kurz-, mittel- und langfristig sichergestellt wird.
2. Finanzierungsvorgänge können sich sowohl auf die Bereitstellung von Eigen- und
Fremdkapital als auch auf das Einbringen von Sachgütern und Rechten erstrecken und
Maßnahmen der Kapitalfreisetzung und -herabsetzung umschließen.
3. Unter Investition wird verstanden
• die Umwandlung von Geldkapital in betriebsnotwendiges Anlage- und Umlaufver-
mögen
• das Einbringen von Sachkapital und immateriellen Vermögenswerten.
4. Eine Investition liegt erst dann vor, wenn das Kapital in betrieblichen Vermögenswerten
gebunden ist.
5. Die Investitionstätigkeit spiegelt sich in den Aktiv- und Passivpositionen der Bilanz
wider. Sie bewirkt im Falle des Kapital- und Vermögenszuwachses eine Bilanzverlän-
gerung. Werden dagegen Geldbestände des Umlaufvermögens in Sachkapital umge-
wandelt, verändert sich die Kapitalsumme nicht.
132 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
2. Finanzierungsentscheidungen
2.1 Grundlagen der Finanzierung
2.1.1 Aufgaben der Finanzierung
Wie bereits in der Begriffsbestimmung zur
Aufgaben der Finanzierung
Finanzierung dargestellt, besteht die allge-
meine Aufgabe der finanzwirtschaftlichen
Führung des Unternehmens darin, den be-
trieblichen Leistungsprozess mit finanziellen Kapital- Kapital- Kapital-
beschaffung verwendung verwaltung
Mitteln auszustatten.
Aus dieser allgemeinen Aufgabenstellung
Abb. 7: Aufgaben der Finanzierung
lassen sich drei Aspekte der finanzwirtschaft-
lichen Führung bestimmen:
Kapital muss
1. beschafft werden, um in dem Unterneh- Kapitalbeschaffung
men (in der Regel) Geldkapital bereitzu-
stellen. Die finanzwirtschaftliche Füh-
rung muss deshalb entscheiden, ob
Kapitalherkunft Außen-/Innenfinanzierung
• dieses Kapital von außen (Außenfi- Kapitalart: Eigen-/Fremdkapital
nanzierung) dem Unternehmen zuge-
führt oder aus dem laufenden Betriebs- Abb. 8: Kapitalbeschaffung
prozess bereitgestellt wird (Innen-
finanzierung)
• dieses Kapital aus eigenen Mitteln (Ei-
genfinanzierung) oder als Fremdkapi- Finanzierungsanlässe
tal (Fremdfinanzierung) verfügbar ist
2. eingesetzt werden, um Investitionen zu
besondere Anlässe:
finanzieren (Kapitalverwendung). Die • Gründung
Kapitalverwendung erfolgt aus besonde- • Erweiterung
ren Anlässen, weil beispielsweise Betriebe • Modernisierung
• Rationalisierung
gegründet, erweitert, modernisiert oder • Sanierung
saniert werden
laufende Anlässe:
3. verwaltet werden, um die jederzeitige • Lieferantenrechnungen
• Löhne und Gehälter
Zahlungsfähigkeit (Liquidität) des Unter- • Kostensteuern
nehmens sicherzustellen. Weil die betrieb- • Versicherungsprämien
lichen Ein- und Auszahlungsströme in al-
ler Regel zeitlich auseinander fallen, muss Abb. 9: Finanzierungsanlässe
eine ständige Liquiditätsvorsorge betrie-
ben werden. D.h. für die finanzwirtschaft- Wie deutlich wird, beziehen sich laufende
liche Führung, dass häufig wiederkehrend Anlässe auf den Betriebsprozess, besondere
Finanzierungsentscheidungen getroffen eher auf die Struktur des Unternehmens. Die
werden müssen, um fristgerecht Ausgaben Übergänge können fließend sein (Rationali-
zu leisten (laufende Finanzierung). sierung z.B.)
2. Finanzierungsentscheidungen 133
Unternehmensleitung
Absatz Beschaffung
Entscheidungen
Betriebsmittel-
Eigenkapital
ausstattung
Fremdkapital Mitarbeiter
Werkstoff-
verbrauch
• ausgabewirksame Kosten
• kurzfristige Verbindlichkeiten
• Lieferantenverbindlichkeiten
Liquidität 1. Grades
Zahlungsmi tttelbes tan d
= L1
kurzfristige Verbindlichkeiten
Liquidität 2. Grades
Zahlungsmi tttelbes tan d + Forderunge n
=L
kurzfristige Verbindlichkeiten
Liquidität 3. Grades
Umlaufverm ögen Abb. 16: Liquiditätsplanung
= L3
kurzfristige Verbindlichkeiten
Aufgaben
Aus dieser statischen Liquiditätsbetrachtung 12. Ermitteln Sie den Grad der dynamischen
können nur zeitpunktbezogene Aussagen zur Liquidität aus folgenden Angaben für den
Zahlungsfähigkeit des Unternehmens abgelei- Monat März der DMW AG (Angaben in
tet werden. Es wird nicht berücksichtigt, dass Mio. EUR).
geldferne Vermögenstitel wie Rohstoffbe-
stände oder auf Vorrat produzierte Endpro- Erwartete Einnahmen aus
dukte erst einmal verarbeitet und verkauft Umsatzerlösen .................................190,0
werden müssen, um Einnahmen aus Umsatz- Forderungen..................................... 35,0
erlösen zu erzielen. Zeigt beispielsweise die Wertpapiere (im Umlauf-
Liquidität 3. Grades, dass die kurzfristigen vermögen)........................................120,0
Verbindlichkeiten durch das Umlaufvermö- Kassenbe-
gen zu einem bestimmten Zeitpunkt gedeckt stand/Bankguthaben .........................20,0
sind, so bedeutet dies nicht, dass das Unter- Materialausgaben...............................65,0
nehmen auch tatsächlich zahlungsfähig sein
Personalausgaben ..............................85,0
wird. Sind die Fälligkeitsfristen der kurzfris-
tigen Verbindlichkeiten in der Regel exakt zu Lieferantenverbindlichkei-
bestimmen, so ist nicht genau im Voraus ten ......................................................60,0
bestimmbar, ob auch die Warenbestände Kreditzinsen........................................ 0,5
fristgemäß liquidisierbar sein werden. Tilgungen.............................................0,3
Um eine verfeinerte Liquiditätsbeurteilung Abschreibungen .................................25,0
durchzuführen, müssen bei der Ermittlung der Zinsen auf das eingesetzte
Liquiditätsgrade Fälligkeitsfristen der kurz- Eigenkapital .........................................0,9
fristigen Verbindlichkeiten und die Zeiträu- sonstige Ausgaben .............................12,0
me, in denen geldferne Vermögenstitel in
13. Entwickeln Sie die Struktur eines Fi-
Zahlungsmittel umgewandelt werden können,
nanzplans, mit dem die Liquiditätsverfas-
in die Beurteilung einbezogen werden.
sung des Unternehmens monatlich darge-
Dennoch haben diese Liquiditätsberechnun- stellt werden kann!
gen ihre Bedeutung und werden in allen Be-
14. Überlegen Sie, mit welchen Maßnahmen
trieben mit wissenschaftlich orientierter Aus-
die Unternehmensführung auf rechtzeitig
richtung angewandt.
erkennbare Liquiditätsengpässe oder
-überschüsse reagieren kann!
15. Erläutern Sie die in der Abbildung 5
aufgezeigten Zusammenhänge!
138 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Zusammenfassung
1. Finanzwirtschaftliche Entscheidungen sind darauf gerichtet, Kapital
• zu beschaffen, das im Wege der Innen- und Außenfinanzierung bereitgestellt wird
• im laufenden Betriebsprozess einzusetzen, um die jederzeitige Zahlungsfähigkeit
(Liquidität) zu sichern
• für Investitionszwecke zu verwenden.
2. Kapitalbeschaffung, -verwendung und -verwaltung dienen dem Ziel, das finanzwirt-
schaftliche Gleichgewicht zu erhalten.
3. Der finanzwirtschaftliche Gleichgewichtszustand ist gegeben, wenn die kapital-und
güterwirtschaftlichen Strukturen einander entsprechen und die Liquidität auf längere
Sicht gesichert ist.
4. Das finanzielle Gleichgewicht ist gegeben, wenn das Unternehmen auf kurze Sicht
seine Verbindlichkeiten begleichen kann.
5. Der finanzielle Zustand wird mit Liquiditätskennziffern beurteilt, die entweder zeit-
punkt- oder zeitraumbezogen Aussagen über die Zahlungsfähigkeit ermöglichen.
6. Die statischen Liquiditätskennziffern 1., 2. und 3. Grades drücken das Verhältnis
zwischen Zahlungsmittelbestand und liquidisierbaren Teilen des Umlaufvermögens im
Verhältnis zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten aus.
7. In der dynamischen Liquiditätsbeurteilung
• wird die Zahlungsfähigkeit während eines bestimmten Zeitraumes vorausschauend
dargestellt
• werden neben den kurzfristigen Verbindlichkeiten, die im Planungszeitraum zu
Ausgaben führen, auch die ausgabewirksamen Kosten erfasst
• werden die erwarteten Einnahmen aus Umsatzerlösen den verfügbaren Geldmitteln
zugerechnet.
Die dynamische Liquiditätsrechnung ist Grundlage einer Finanz- und Liquiditätspla-
nung, die einen längeren Zeitraum des laufenden Geschäftsjahres umfasst
8. Die Finanzplanung erleichtert das Erkennen von Liquiditätsengpässen oder -überschüs-
sen und ermöglicht, frühzeitig gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen.
9. Mit diesen liquiditätssteuernden Maßnahmen können zusätzliche Erträge (Anlage liqui-
der Mittel) erzielt oder zusätzliche Kosten (kurzfristige Finanzierungsakte in Engpass-
situationen) vermieden werden.
2. Finanzierungsentscheidungen 141
Ausgangspunkt für die Berechnung des Cash- = Umsatzerlöse (netto) 7390240 EUR
flow ist die Gewinn- und Verlustrechnung. Ausgabewirksame Kosten:
Die dort aufgeführten Erträge werden um die • Personalausgaben 2992000 EUR
Aufwendungen verringert, die in der Rech-
nungsperiode zu Ausgaben geführt haben. Als • Materialausgaben 2244000 EUR
Differenz verbleiben die nichtausgabewirk- • übrige Kosten 1232000 EUR
samen Aufwendungen sowie der vereinnahm-
te Gewinn. Im Einzelnen: • Steuern und übrige Abgaben 132000 EUR
teilweise gebunden in
• erhöhten Beständen in Halb- und
Fertigerzeugnissen
• erhöhten Forderungsbeständen
Cash-Flow
Abschreibungen
Bilanzgewinn + Einstellungen in
offene Rücklagen
Zusammenfassung
Mit Hilfe der Kennziffer „Cashflow“ kann die finanzielle Struktur des Unternehmens beur-
teilt werden.
Der Cashflow ist Teil einer dynamischen Liquiditätsbeurteilung. Während die Liquiditäts-
kennziffern des 1. bis 3. Grades nur eine zeitpunktbezogene (statische) Betrachtung der
Finanzkraft des Unternehmens erlauben, ermöglicht die Cashflow-Analyse Aussagen über
den Netto-Finanzmittelzufluss (einschließlich vereinnahmter Abschreibungserlöse) im Ge-
schäftsjahr.
Der Cashflow ist somit Ausdruck für den erwirtschafteten Überschuss der Einnahmen über
die Ausgaben. Dieser Einnahmeüberschuss konnte in der Rechnungsperiode für verschiede-
ne Zwecke verwendet werden:
• Schuldentilgung
• Investitionsfinanzierung
• Gewinnausschüttung
• Liquiditätszuführung.
Der Cashflow umreißt den finanziellen Spielraum, der für Zwecke der Innenfinanzierung
genutzt werden konnte. Wird der Cashflow um den Teil auszuschüttenden Gewinns verrin-
gert, ergibt sich der Überschuss, der für innenfinanzierte Investitionen zur Verfügung stand.
Im Vergleich über mehrere Jahre ist der Cashflow besser als der ausgewiesene Bilanzge-
winn geeignet, die Ertragslage des Unternehmens zu beurteilen. Da die Höhe der Abschrei-
bungen auf Investitionen in der Vergangenheit zurückzuführen ist, können aus dem Bilanz-
gewinn nur bedingt Aussagen über die Ertragskraft abgeleitet werden. So führt beispielswei-
se eine verstärkte Investitionstätigkeit zu höheren Abschreibungen, die bei gegebenen Um-
satzerlösen einen geringeren Gewinnausweis bewirken.
148 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Werden die Abschreibungen auf das Anlagevermögen in die Beurteilung einbezogen, kön-
nen die Auswirkungen der Investitionstätigkeit auf das Unternehmensergebnis eindeutig
beurteilt werden.
Der Aussagekraft des Cashflow sind aber auch Grenzen gesetzt, weil er nicht unbedingt die
verfügbare Liquiditätsmasse am Ende der Rechnungsperiode anzeigt:
• Im Jahresverlauf kann ein Teil des Überschusses in erhöhten Lagerbeständen an halb
fertigen und fertigen Erzeugnissen gebunden sein. Diese Lagerbestandsveränderungen
erscheinen in der GuV-Rechnung (siehe Aufgabe 20). Mit der Lagerproduktion sind a-
ber (überwiegend) ausgabewirksame Aufwendungen entstanden. Ein Teil des Gewinns
ist ebenfalls in dem Vorratsvermögen gebunden und wird erst durch Verarbeitung und
Veräußerung dieser Güter zu Umsatzerlösen.
• Verkäufe auf Ziel erhöhen den Forderungsbestand. Wenn diese Forderungen erst in der
kommenden Rechnungsperiode realisiert werden, so stehen die flüssigen Mittel auch
erst dann zur Verfügung.
Wird nach der Rechtsstellung der Kapitalge- Zusammensetzung des Eigenkapitals der
ber unterschieden, so kann der Bilanz ent- Kapitalgesellschaften
nommen werden, in welchem Umfang in dem
Unternehmen aus eigener Kraft (Eigenfinan-
zierung) Kapital erwirtschaftet wurde und in
welchem Maße Dritte als Gläubiger Fremd- • Gezeichnetes Kapital
kapital (Fremdfinanzierung) zur Verfügung (AG)
Rücklagen
gestellt haben. • Stammkapital
(GmbH)
Vermögensstruktur Rechnungs-
abgrenzungsposten 0,4 0,3 0,5 1,0
Aktiva insgesamt =
In ihren Untersuchungen zu den Ursachen Bilanzsumme 100,0 100,0 100,0 100,0
von Unternehmensinsolvenzen hat die Deut-
sche Bundesbank festgestellt, dass als relativ
Kapital
häufigster Grund eine mangelhafte Eigenka- Eigenmittel 17,6 24,3 11,4 -10,0
pitalausstattung zum Zusammenbruch von Fremdmittel 81,9 75,1 88,3 110,0
Unternehmen geführt hatte. Private Institute Verbindlichkeiten 62,4 50,4 75,6 106,1
kurzfristige 44,9 39,4 51,2 64,5
sehen als Ursache von Insolvenzen auch Ma- langfristige 17,5 11,0 24,4 41,6
nagementfehler, die gemacht wurden. Rückstellungen 19,6 24,7 12,7 4,1
darunter:
Konjunkturbedingte Absatzeinbußen führen Pensions-
rückstellungen 8,3 10,8 4,8 0,4
rasch zu Verlusten, die nur dann aufgefangen
werden können, wenn das Unternehmen über Rechnungs-
abgrenzungsposten 0,5 0,6 0,3 0,0
eine hinreichende Ausstattung mit Eigenkapi- Passiva insgesamt =
tal verfügt. Abbildung 29 zeigt, dass die Bilanzsumme 100,0 100,0 100,0 100,0
Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwi- Einer der ältesten Flugzeugbauer der Welt muss ins
schen Eigen- und Fremdkapital herzustellen Gras beißen:
und zu erhalten. 1919: Firmengründung.
1985: Jungfernflüge der Fokker F 50 und F 100.
1. Grundsatz der Fristenentsprechung 1987: Niederländische Regierung muss Fokker vor
dem Konkurs retten.
Das langfristig gebundene Vermögen, zu dem 1993: Daimler Benz Aerospace (DASA) steigt bei
das Anlagevermögen und teilweise das Um- Fokker ein (Kauf von Fokker-Aktien und damit
laufvermögen gehören, sollte langfristig fi- Eigenkapitalhalter).
1994: Verlust bei Fokker häufen sich. Entlassungen.
nanziert sein. Diese Vermögensgegenstände 1995: Fokker bittet DASA und Regierung um Finanz-
sind mit Eigenkapital und langfristigem hilfen von 2,3 Mrd. Ablehnung der Aktionäre.
Fremdkapital zu finanzieren. Banken lehnen Kredite (Fremdkapital) ab.
1996: Fokker erklärt drei Kernbereiche für bankrott.
Anlagendeckung in Prozent: Übernahmeverhandlungen scheitern.
(Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) x 100 Abb. 29: Wenn kein Kapital mehr bereit-
Anlagevermögen + langfristig gebundenes Umlaufvermögen
gestellt wird
2. Vertikale Kapitalstrukturregel
Im Idealfall sollte das Fremdkapital vollstän-
dig durch Eigenkapital gedeckt sein. Der
Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital
wird durch die Eigenkapitalquote ausge-
drückt:
Eigenkapital x 100
EK
Gesamtkapital
50 %
Zusammenfassung
1. Die Quellen der Finanzierung können nach verschiedenen Merkmalen unterschieden
werden:
a) Mittelherkunft
Entweder stammen die finanziellen Mittel aus dem betrieblichen Leistungsprozess
(Innenfinanzierung: Rücklagen, stille Reserven, Abschreibungen) oder von au-
ßen, indem Eigentümer aus ihrem Privatvermögen Einlagen in das betriebliche
Vermögen leisten (Einzelunternehmen, Personengesellschaften) oder Anteilseigner
Kapitalanteile erwerben (Außenfinanzierung).
b) Rechtsstellung der Kapitalgeber
Das Kapital wird von den Eigentümern im Wege der Innen- oder Außenfinanzie-
rung bereitgestellt (Eigenfinanzierung).
2. Das Eigenkapital (als Risikokapital) stellt aus der Sicht des Unternehmens das sichers-
te Finanzierungsmittel dar. Die Kapitaleigner tragen das Kapitalrisiko, werden dafür a-
ber auch an dem Gewinn beteiligt.
3. Das Fremdkapital wird von Dritten für eine bestimmte Vertragsdauer mit dem An-
spruch auf Zinszahlung und Tilgung überlassen.
4. Um das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren, sollte
a) der Grundsatz der Fristenentsprechung beachtet werden. Er besagt, dass das
Vermögen entsprechend seiner Bindungsdauer im Unternehmen finanziert sein
sollte
b) im Idealfall das Fremdkapital vollständig durch Eigenkapital gedeckt sein (vertika-
le Kapitalstrukturregel).
5. Der Leverage-Effekt wirkt sich positiv auf die Eigenkapitalrentabilität aus, wenn der
Fremdkapitalzins geringer ist als die Rentabilität des Gesamtkapitals.
2. Finanzierungsentscheidungen 157
Auflösung stiller
Gewinne
Reserven
Verkauf von
Abschreibungen
Forderungen
Rückstellungen
Schlussbilanz Schlussbilanz
Aktiva Bilanz Passiva Aktiva Bilanz Passiva
Maschinen 1 000 EK 700 Maschinen -300 + 200 = 900 EK 600
Werkzeuge 100 Werkzeuge + 100 = 100
Zahlungsmittel 1 000 FK 1 400 Zahlungsmittel 1 000 FK 1 400
• In ertragsschwachen Jahren können, und In dem Jahr der Auflösung solcher stillen
dies gilt für Aktiengesellschaften, Reserven steigt der Gewinn und damit
Gewinnrücklagen aufgelöst werden, um automatisch die Rentabilität, weil der um
eine kontinuierliche Dividendenzahlung den Auflösungsbetrag höhere Gewinn zu
an Aktionäre des Unternehmens zu dem Eigenkapital der vorangegangenen
gewährleisten. Das setzt natürlich voraus, Periode ins Verhältnis gesetzt wird.
dass genügend liquide Mittel (Kassen-
haltung) vorhanden sind.
ausgabeunwirksame Kosten
• qualitativen Veränderung aufgrund des
Gewinn
technischen Fortschritts
nur zu höheren Wiederbeschaffungspreisen zu u.a. Abschreibungsgegenwerte
erhalten sind, gehen viele Unternehmen in
ihrer Kostenrechnung von Wiederbeschaf-
fungspreisen aus, um die Abschreibungskos- Kapitalfreisetzung
ten in die Preiskalkulation aufzunehmen. Erhalt der Kapaztäts-
Kapaztät erweiterung
Jährliche lineare Abschreibung =
Ersatz der Erweiterungs-
Anschaffun gs − ( Wiederbesc haffungs −)preis Investitionen investitionen
Nutzungsda uer
Abb. 36: Verwendung des freigesetzten
Kapitals
Abschreibungen
Beispiel:
gebräuchliche 2 6 25
Abschreibungsmethoden
3 7 24
4 8 22
5 10 24
proportio-
zeit- 6 7 24
nal zur
abhängig degressiv
Leistungs-
(linear)
abgabe
Da lediglich die Abschreibungsgegenwerte
reinvestiert wurden, kann folglich auch keine
Abb. 38: Abschreibungsarten – auf die Gesamtnutzungszeit bezogene –
Ausweitung der Kapazität erfolgen.
So wird verhindert, dass Scheingewinne aus- 3. Die Anlagenbau GmbH hat eine neuarti-
gewiesen werden, die im Falle der Gewinn- ge, vollautomatisch arbeitende Ferti-
ausschüttung einen Kapitalabfluss herbeifüh- gungsstraße an die DMW AG, bestimmt
ren und an der betrieblichen Substanz zehren. für das Werk in Halle, geliefert. Wegen
Sie müssen in dem Jahr wieder aufgelöst der Risiken, die in möglichen Anlauf-
werden und mit den tatsächlich entstandenen schwierigkeiten gesehen werden, besteht
Belastungen verrechnet werden, in dem der die DMW AG auf einer über den übli-
Entstehungsgrund fortgefallen ist. cherweise geltenden Umfang hinausge-
henden verlängerten Gewährleistungszu-
2.4.3.2 Finanzierungseffekt sage. Der Anlagenbauer schätzt den geld-
lichen Effekt seiner Zusage ab und bildet
Aus den gebildeten Rückstellungen fließen eine Rückstellung für eingegangene Ga-
dem Unternehmen keine zusätzlichen Mittel rantiezusagen.
zu. Ihr Finanzierungseffekt ist jedoch darin
zu sehen, dass Beispiel:
• sie durch Passivierung den Gewinnaus- Der Anlagenbauer bildete eine Rückstellung
weis in der Bilanz verringern und für die Garantiezusage in Höhe von 850000,–
EUR. Um diesen Betrag konnte er seinen
• in Höhe des Rückstellungsbetrages keine Gewinnausweis und die Körperschaftsteuer-
gewinnabhängigen Steuern entrichtet belastung reduzieren.
werden müssen.
An der neuen Fertigungsstraße zeigen sich
Flüssige Mittel, die aus den Verkaufserlösen dennoch – unerwartet – Mängel, die zu Pro-
stammen, verbleiben im Umfang der gebilde- duktionsausfällen und Nachbesserungen an
ten Rückstellungen in dem Unternehmen. Sie der Anlage führen. Der gesamte Aufwand aus
können für Finanzierungszwecke eingesetzt der über zwei Jahre laufenden Gewährleis-
werden, solange der Rückstellungsgrund tungszusage beträgt 700000,– EUR. In Höhe
besteht. des nicht aufgewendeten Betrages (150000,–
EUR) ist die Rückstellung gewinn- und steu-
ererhöhend aufzulösen.
Um sich noch während der Laufzeit dieser Im vergangenen Jahr beliefen sich die
Forderungen mit liquiden Mitteln zu versor- • Verbindlichkeiten aus Lieferungen
gen, kann der Gläubiger seine Forderungen an und Leistungen auf 225000 EUR
ein Finanzierungsunternehmen (Factor) ver-
• Forderungen an die DMW AG auf
kaufen. Der Factor nimmt für den Verkäufer
300000 EUR.
der Forderungen (Anschlusskunde) drei
Das Unternehmen erzielte einen Umsatz
wichtige Funktionen wahr:
von 3,0 Mio. EUR.
1. Finanzierungsfunktion:
Um die Finanzierungskosten im kurzfris-
Die Außenstände des Unternehmens werden tigen Bereich zu senken, werden in dem
vorfinanziert. In der Regel zahlt der Factor 90 Unternehmen verschiedene Handlungs-
Prozent des Forderungsbetrages sofort bei möglichkeiten untersucht:
Vorlage der Rechnung. Die verbleibenden 10
1. Abbau der Lieferantenkredite und
Prozent werden mit eventuellen Skontoabzü-
stärkere Nutzung des von der Haus-
gen oder Betragsminderungen aufgrund von
bank zur Verfügung gestellten Kon-
Reklamationen durch den Kunden verrechnet.
tokorrentkredits. Für den Kontokor-
Dieser Restbetrag wird an den Anschlusskun-
rentkredit berechnet die Bank zurzeit
den erst ausgezahlt, nachdem der Kunde die
12 Prozent Zinsen.
Rechnung beglichen hat.
2. Verkauf der Forderungen an eine
Der Anschlusskunde wird in die Lage ver- Factoring-Gesellschaft. Dem Unter-
setzt, nehmen liegt das Angebot eines Fac-
• den Forderungsbestand abzubauen tors zu folgenden Bedingungen vor:
• Forderungen werden zu 100
• seinen Kunden Zahlungsziele einzuräu- Prozent angekauft. Die Delcre-
men, ohne den Liquiditätsspielraum deregebühr beträgt für das zu
einzuengen übernehmende Ausfallrisiko
• Skontoerträge durch fristgerechte Rech- 0,25 Prozent vom Rechnungs-
nungsbegleichung zu erzielen und im ge- umsatz.
gebenen Falle • Die Zwischenfinanzierung der
• Warenangebote zu Sonderkonditionen Forderungen erfolgt zu einem
(Boni, Sonderrabatte) auch kurzfristig Zinssatz von 11 Prozent.
wahrzunehmen. • Die Dienstleistungsgebühr wird
mit 1,2 Prozent des Jahresumsat-
Bei wachsendem Umsatzvolumen braucht das zes (3,0 Mio. EUR) berechnet.
Unternehmen kein zusätzliches Kapital von
außen zuzuführen, um kapitalbindende Forde- Entscheidet sich das Unternehmen
rungen zu finanzieren. für eine langfristige Zusammenarbeit
mit der Factoring-Gesellschaft, wer-
2. Delcrederefunktion: den jährliche Einsparungen an Per-
Mit dem Erwerb der Forderungen übernimmt sonal- und Sachkosten von 25000
der Factor das Forderungsausfallrisiko. Der EUR erwartet.
Anschlusskunde sichert gegen Zahlung einer Mit dem Forderungsverkauf können
Prämie, deren Höhe an den Forderungsausfäl- zukünftige Forderungsausfälle, die
len in der Vergangenheit orientiert ist, seine sich im Jahresdurchschnitt auf rund
Liquidität. Unvorhergesehene Forderungsaus- 3 Prozent des ausgewiesenen Forde-
fälle können also nicht mehr das finanzielle rungsbestandes beliefen, vermindert
Gleichgewicht des Unternehmens stören. werden.
Fortsetzung auf der nächsten Seite
170 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Factor
Verkäufer/ Kunde/
Lieferant Debitor
1. Finanzierungsfunktion
2. Decrederefunktion
3. Dienstleistungsfunkltion
Vor dem Ankauf der Forderungen prüft der 3. Bislang gewährte die „Messgeräte
Factor die Kreditwürdigkeit (Bonitätsprü- GmbH“ ihren Kunden keinen Skon-
fung) eines jeden einzelnen Kunden. Das to. Um einen schnelleren Zahlungs-
bedeutet, dass der Faktor Einblick in Umsätze eingang zu erreichen, wird daran ge-
des Anschlusskunden erhält und über die dacht, einen Skonto von 2 Prozent
Zahlungsusancen von dessen Kunden aufge- einzuführen. Bei der Beurteilung
klärt wird. Das ist nicht immer vorteilhaft. dieser Alternative wird unterstellt,
Die Zahlungen zwischen Anschlusskunde, dass der Umsatz zu 80 Prozent von
Factor und Schuldner können entweder offen dieser eigenen Skontogewährung be-
(echtes Factoring) oder für den Schuldner troffen sein wird.
nicht erkennbar (unechtes Factoring oder a) Ermitteln Sie die Finanzie-
Inkasso-Zession) abgewickelt werden. rungskosten der jeweiligen
Handlungsalternative, und stel-
Im Falle des echten Factoring wird der Kunde len Sie die kostengünstigste Fi-
(Schuldner) über die Abtretung seiner Forde- nanzierungsart heraus!
rungen benachrichtigt und gebeten, Zahlun- b) Erläutern Sie, welche Funktio-
gen unmittelbar an den Factor zu leisten. Im nen der Factor für das Unter-
anderen Fall begleicht der Schuldner den nehmen wahrnimmt!
Rechnungsbetrag gegenüber dem Lieferanten c) Überlegen Sie, warum die Skon-
direkt, der die Kundenzahlung an den Factor togewährung oft nicht ausreicht,
weiterleitet. den Schuldner zur vorzeitigen
Zahlung zu bewegen.
2. Finanzierungsentscheidungen 171
3. Dienstleistungsfunktion:
In dem Vertrag zwischen Factor und An-
schlusskunde kann auch vereinbart werden,
dass der Factor nicht nur das Mahn- und In-
kassowesen, sondern auch die Debitoren-
buchhaltung übernimmt. In vielen Fällen wird
darüber hinaus vereinbart, dass der Factor die
Rechnung ausstellt. Das Unternehmen entlas-
tet sich von Verwaltungsaufgaben (Rationali-
sierungseffekt) und kann Verwaltungskosten
senken. Dieser Rationalisierungsgewinn ist
bei der Betrachtung der Factoringkosten zu
berücksichtigen.
Die erbrachte Leistung des Factors ist nicht
kostenlos. Der Factor berechnet für den For-
derungsankauf eine Gebühr, die sich aus
folgenden Bestandteilen zusammensetzt:
Abb. 44: Verschiedene Arten des Factoring
• Dienstleistungsgebühr für die Einzie-
hung der Forderung
• Delcrederegebühr, die das Forderungs-
ausfallrisiko abdeckt Aufgaben
• Zinsen für die Restlaufzeit des ausge- 37. Fragen Sie bei Factoring-Instituten oder
zahlten, aber noch nicht fälligen Forde- Banken nach, was sich hinter den einzel-
rungsbetrages: Die Verzinsung entspricht nen Factoringarten verbirgt, und geben
in etwa dem Zinssatz für Kontokor- Sie eine Kurzdefinition hierfür ab!
rentkredite. 38. Dem Factoring wird oft die Zession ge-
Die Höhe der Dienstleistungs- und Delcrede- genübergestellt. Erklären Sie den Unter-
regebühr hängt von dem Forderungsvolumen schied zum Factoring! Ziehen Sie das
und von dem Umfang der zu übernehmenden Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 398 ff.) hier-
Verwaltungsaufgaben ab. für zu Rate!
Zusammenfassung
1. Der Umfang der Selbstfinanzierung ist Ausdruck für die Kraft des Unternehmens,
Vorhaben aus Mittelzuflüssen zu finanzieren, die dem Umsatzprozess entstammen.
2. Die Finanzierung erfolgt
• aus Umsatzerlösen. Hierzu zählen die
– offene und stille Selbstfinanzierung sowie
– die Finanzierung aus Abschreibungs- und Rückstellungsgegenwerten
• durch Vermögensumschichtung, indem
– stille Reserven aufgelöst und
– Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft verkauft werden.
172 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Außenfinanzierung
Abhängigkeit
Anspruch auf: durch Tilgung
Gewinnanteil, Mitsprache, Leitung und Zinsen
Stärkung der Liquidität:
keine Zins- und Tilgungsleistungen
*) Eigenfinanzierung
Der Einzelunternehmer haftet für die Ver- * besondere Form der Kapitalgesellschaften
Soll der GmbH zusätzliches Eigenkapital c) Herr Hans Wassermann 800000 EUR
durch weitere Gesellschafter zugeführt wer- d) Frau Anna Zühlsdorff 700000 EUR
den, so kann sich die Suche langwierig gestal- Die Stammeinlagen sind zur Hälfte sofort
ten. in bar an die Gesellschaft zu zahlen; der
Rest ist innerhalb von 4 Wochen nach An-
2.5.1.2.2 Aktiengesellschaft (AG) forderung durch die Gesellschafterver-
Nach dem Aktiengesetz (AktG) ist die Grün- sammlung zu zahlen.
dung dieser Kapitalgesellschaft nur möglich, 3. Zu Geschäftsführern werden bestellt: Herr
wenn der Mindestnennbetrag des Grundkapi- Gustav Thormählen, wohnhaft Holzgraben
tals von 50 000 EUR von einem oder mehre- 9, 50375 Köln, Herr Hans Wassermann,
ren Gründern aufgebracht wird. Das Grund- wohnhaft Bergstraße 395, 50162 Köln.
kapital wird in Anteile (Nominal- oder 4. Der Notar wies darauf hin, dass die Gesell-
Nennwert) zerlegt. Nennbetragsaktien müs- schaft erst mit der Eintragung in das Han-
sen mindestens auf 1 EUR lauten. Stückaktien delsregister entsteht. Diejenigen, die vor
dürfen einen Euro nicht unterschreiten. Höhe- der Eintragung im Namen der Gesellschaft
re Anteile müssen auf volle EUR lauten. Über handeln, haften gemäß § 11 Abs. 2
seinen Anteil erhält der Kapitalanleger Teil- GmbHG persönlich als Gesamtschuldner.
haberpapiere (Aktien) ausgehändigt. Die 5. Die Kosten der Errichtung dieses Vertra-
Kapitalbeschaffung der AG erfolgt durch ges und der Anmeldung zum Handelsregis-
Ausgabe von Aktien, die von Kapitalanlegern ter, der Eintragung der Gesellschaft in das
an der Börse erworben werden können. An Handelsregister sowie die anfallende Kapi-
der Börse werden diese Wertpapiere auch talverkehrsteuer trägt die Gesellschaft.
wieder veräußert, wenn sich der Aktionär von Diese Niederschrift nebst der Anlage wurde
seinem Anteilsbesitz trennen will. Dabei den Erschienenen vorgelesen, von ihnen ge-
werden die Aktien auf der Grundlage von nehmigt und sodann von ihnen und dem No-
Angebot und Nachfrage bewertet. Es kommt tar eigenhändig – wie folgt – unterschrieben:
zum Börsenkurs, der höher sein kann als der ____________________
Nennwert, aber auch geringer. Die AG nimmt
die Aktien nicht zurück; somit steht ihr auf Abb. 48: Auszug aus dem Gesellschafts-
Dauer das Grundkapital zur Verfügung. vertrag der „Regel- und Mess-
technik GmbH“, einem Zuliefe-
Abhängig von der Art der Übertragung und rer der DMW AG
den Rechten, mit denen das Wertpapier aus-
gestattet ist, werden folgende Aktienarten
unterschieden:
Aufgabe
42. Die „Regel- und Messtechnik GmbH“
• nach der Übertragungsart:
will ihr Stammkapital um 700000 EUR
Inhaberaktien werden durch Einigung erhöhen, indem sie einen weiteren Ge-
und Übergabe übertragen. Der jeweilige sellschafter beteiligt.
Inhaber ist Eigentümer. Dieser formlose
a) Stellen Sie dar, wie sich die Beteili-
Eigentumsübergang macht die Aktie als
gungsverhältnisse durch Aufnahme
Finanzierungsinstrument so fungibel,
des neuen Gesellschafters verändern!
d. h. beweglich. Aktionäre, die Inhaber-
aktien besitzen, können diese an andere b) In welchem Verhältnis werden die
weitergeben (z.B. an Familienmitglieder Gesellschafter an dem Gewinn oder
verschenken). Dann werden diese Mitei- Verlust der GmbH beteiligt?
gentümer der Aktiengesellschaft. c) Warum gehört die GmbH zu einer
Gesellschaftsform, die gern einge-
gangen wird?
2. Finanzierungsentscheidungen 177
Nach deutschem Aktienrecht muss der Aus- Ein Bankenkonsortium unter Führung der
gabekurs mindestens dem Nominalwert der Kreditbank AG hat die neuen Aktien mit der
Aktie entsprechen. In aller Regel wird der Verpflichtung übernommen, die neuen
Ausgabekurs der jungen Aktie unter dem Stammaktien den Inhabern der alten Stamm-
Börsenkurs der alten Aktie liegen. Nach der aktien im Verhältnis 9:1 zu den Ausgabebe-
Ausgabe (Emission) der zusätzlichen Aktien dingungen zum Bezug anzubieten. Nachdem
bildet sich ein neuer (niedrigerer) Kurs der die Durchführung der Kapitalerhöhung in das
nun insgesamt im Umlauf befindlichen Akti- Handelsregister eingetragen worden ist, bitten
en. Der Wert eines Bezugsrechts wird rechne- wir unsere Aktionäre, ihr Bezugsrecht auf die
risch – ohne andere Marktfaktoren zu berück- neuen Stammaktien zur Vermeidung des
sichtigen – den Unterschiedsbetrag zwischen Ausschlusses in der Zeit
altem und neuem Börsenkurs aufweisen. Das vom 20. Juli bis 2. August 2005
Bezugsrecht stellt ein eigenständiges Recht
dar. Es wird an der Börse während einer kur- bei einer der nachstehend aufgeführten Ban-
zen Zeit (mindestens 14 Tage) gehandelt. ken oder deren Niederlassungen während der
Altaktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung üblichen Schalterstunden auszuüben.
nicht beteiligen wollen oder können, werden Zu diesen Banken zählen:
ihr Bezugsrecht verkaufen. Der erzielte Ver- - Deutsche Bank
kaufserlös gleicht die Differenz zwischen
dem neuen und alten Börsenkurs aus. Andere - Dresdner Bank
Kapitalanleger müssen, um an der Kapitaler- - Commerzbank
höhung teilzunehmen, zuerst die entsprechen- Die Bezugsrechte werden vom 20. Juli bis 2.
de Anzahl an Bezugsrechten kaufen, um eine August 2005 ausschließlich an der Wertpa-
neue Aktie zum Ausgabekurs zu erwerben.
pierbörse in Hamburg gehandelt und amtlich
Rechnerisch bestimmter Wert des Bezugs- notiert werden. Die Bezugsstellen sind bereit,
rechts: den börsenmäßigen An- und Verkauf von
Bezugsrechten nach Möglichkeit zu vermit-
1. Berechnung des Durchschnittskurses teln. Vom Beginn der Bezugsfrist an werden
aller Aktien die alten Aktien „ex Bezugsrecht“ notiert.
Ka + Kn Die Zulassung der neuen Aktien zum Börsen-
= neuer (Durchschnitts−) Kurswert handel mit amtlicher Notierung an der Wert-
A
papierbörse Hamburg ist erfolgt. Es ist vorge-
2. Wert des Bezugsrechts sehen, dass die neuen Aktien alsbald nach
Kurswert der alten Aktie Ablauf der Bezugsfrist gehandelt und amtlich
– neuer Kurswert notiert werden.
= Wert des Bezugsrechts
Hannover, im Juli 2005
K = Kurswert der alten Aktien
K = Kurswert der neuen Aktien Der Vorstand
A = Summe alter + neuer Aktien
Vorteile Nachteile
1. Das Beteiligungskapital belastet nicht die 1. Die Kosten des Ausgabeverfahrens sind
Liquidität des Unternehmens, da der bei Aktienemissionen relativ hoch. Des-
Kapitaleigentümer keinen Anspruch auf wegen wird eine Beteiligungsfinanzie-
Zins- und Tilgungsleistungen gegen die rung nur aperiodisch zur Finanzierung
Gesellschaft besitzt. größerer Investitionsprojekte durchge-
2. Bei Über-pari-Emissionen wird das den führt.
Nominalwert übersteigende Kapital der 2. Die Ausweitung des Aktienbestandes
Kapitalrücklage zugeführt. Zusätzliches kann zu einer Veränderung der Stimm-
Eigenkapital steht bereit, um Investitio- verhältnisse und -mehrheiten in der
nen zu finanzieren. Die Differenz zwi- Hauptversammlung führen.
schen Nominalwert und Ausgabekurs
wird als Agio (Aufgeld) bezeichnet.
182 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Zusammenfassung
Personenunternehmen
In Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird zusätzliches Eigenkapital durch den
oder die Eigentümer oder durch Aufnahme weiterer Gesellschafter (oHG, KG) aufge-
bracht. Sie leisten Einlagen in das Vermögen des Unternehmens (Einlagenfinanzierung).
Als vollhaftende Gesellschafter nehmen sie Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse
wahr. Sie haften für die Verbindlichkeiten des Unternehmens neben ihrer Einlage auch un-
eingeschränkt mit ihrem privaten Vermögen.
Erschwert wird die Eigenfinanzierung von Erweiterungsinvestitionen dann, wenn neue Ge-
sellschafter gesucht werden müssen.
In der KG wird – im Gegensatz zur oHG – die Eigenkapitalbeschaffung erleichtert, weil
Kommanditisten beteiligt werden können, ohne dass diese die Rechte der vollhaftenden Ge-
sellschafter schmälern.
Kapitalgesellschaften
In Kapitalgesellschaften wird das Eigenkapital erhöht, indem die bisherigen Anteilseigner
ihre Beteiligung ausweiten oder zusätzliche Kapitalgeber an der Gesellschaft beteiligt wer-
den (Beteiligungsfinanzierung).
Die Suche nach geeigneten Kapitalgebern für die GmbH kann sich ähnlich schwierig wie
bei oHG und KG gestalten.
Aktiengesellschaften dagegen erschließen sich mit ihren Neuemissionen den anonymen
Kapitalmarkt. Sie besitzen einen wesentlich leichteren Zugang zu neuem Beteiligungskapi-
tal. Aber auch hier gilt: Der Erfolg einer Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien wird
auch von der Rentabilitätsbeurteilung interessierter Kapitalanleger abhängen.
2. Finanzierungsentscheidungen 183
Kredite spielen in der Finanzierung der Un- Fremdkapitalpositionen auf der Passiv-
ternehmen eine wichtige Rolle. Ihr Vermögen Seite der Bilanz
ist überwiegend fremdfinanziert. Dieses • Anleihen
(fremdfinanzierte Vermögen) entspricht dem
Fremdkapital, das auf der Passivseite der • Verbindlichkeiten gegenüber Kreditin-
Bilanz seinen Ausdruck findet. Neben der stituten
Beteiligungsfinanzierung ist die Fremdfi- • erhaltene Anzahlungen auf Bestellun-
nanzierung eine weitere Form der Außenfi- gen
nanzierung. Man kann sogar davon ausgehen,
dass in fast allen deutschen Unternehmen das • Verbindlichkeiten aus Lieferungen
Fremdkapital überwiegt. und Leistungen
Wesentliche Merkmale des Kredits sind darin • Wechselverbindlichkeiten
zu sehen, dass Dritte • Verbindlichkeiten gegenüber verbun-
• im Vertrauen darauf, der Kreditnehmer denen Unternehmen
stehe für die Verbindlichkeiten ein • Verbindlichkeiten gegenüber Unter-
• Geld- und/oder Sachkapital gegen Entgelt nehmen, mit denen ein Beteiligungs-
befristet verhältnis besteht
überlassen. • sonstige Verbindlichkeiten
184 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
2.5.2.1.1 Lieferantenkredit
Ein Lieferantenkredit wird begründet, in- Beispiel:
dem der Lieferant seinem Vertragspartner die
Zahlungsbedingungen
Entrichtung des Kaufpreises für eine be-
stimmte Zeit stundet (Zahlungsziel). Die Zahlungsalternativen, die dem Kunden
angeboten werden, können beispielsweise
Das Zahlungsziel erstreckt sich meistens auf
darin bestehen, „bei Zahlung innerhalb von
einen Zeitraum von 30 Tagen (im Inland),
10 Tagen 2 Prozent Skonto von dem Rech-
kann aber auch, abhängig von branchentypi-
nungsbetrag abzusetzen“ oder aber „spätes-
schen Zahlungsgewohnheiten, länger oder
tens nach 30 Tagen den Rechnungsbetrag
kürzer sein. Der Käufer kann durch Ausnut-
ohne Abzug zu bezahlen“.
zen des Zahlungsziels sein Warenlager finan-
zieren und gewinnt einen Liquiditätsspiel-
raum. Neben dem Kontokorrentkredit nimmt
der Lieferantenkredit im kurzfristigen Finan- Kosten
zierungsbereich eine bedeutende Stellung ein,
weil er
• ohne große Formalitäten vom Käufer als
schnelles Kreditierungsmittel genutzt wer-
den kann
• keine banküblichen Sicherheiten erfor-
dert. Der Verkäufer behält sich als Si-
cherheit das Eigentum an der gelieferten
Ware bis zur endgültigen Bezahlung vor
(siehe: Eigentumsvorbehalt)
Abb. 54: Alternative zum Lieferanten-
• ein zinsloser Kredit ist, wenn keine wei- kredit
teren Zahlungsbedingungen vereinbart
wurden Aufgaben
• kein Abhängigkeitsverhältnis mit einem 46. Nehmen Sie Stellung zu der Aussage, der
Bankunternehmen begründet. Lieferantenkredit sei ein kostenloser
In aller Regel regt der Verkäufer seinen Kun- Kredit!
den zur schnelleren Zahlung des Kaufpreises 47. a) Ermitteln Sie den Zinsertrag/-
an, indem er ihm einen Preisnachlass (Skon- aufwand für den Kunden, der eine
to) anbietet, wenn er noch vor Ablauf des Rechnung über 10 000 EUR entwe-
Zahlungsziels die Rechnungssumme be- der innerhalb von 30 Tagen ohne
gleicht. Abzug (brutto) oder den skontierten
Dass der Lieferantenkredit nicht als kostenlo- Nettobetrag innerhalb von 10 Tagen
se Liquiditätshilfe anzusehen ist, wenn dem zahlt!
Abnehmer Skontozahlung während einer b) Wie verändert sich das Beispiel, wenn
bestimmten Frist eingeräumt wird, zeigen ein Skonto von 2 % auch bei 30 Tagen
folgende Überlegungen: Zahlungsziel gewährt wird?
2. Finanzierungsentscheidungen 185
1. Der Rechnungsbetrag ist während der 48. Prüfen Sie, ob es sinnvoller wäre, mit
Skontofrist netto zu zahlen. einem kurzfristigen Bankkredit (Konto-
2. Für den Zeitraum zwischen dem Ende korrentkredit) den Nettobetrag am 10.
der Skontofrist und dem Ende des Zah- Tag zu zahlen! Der Zinssatz des Bank-
lungsziels gewährt der Lieferant einen kredits beträgt 12 Prozent.
Kredit in Höhe des Netto-Rechnungs- Berechnung der Zinskosten (ZK) des Liefe-
betrages. rantenkredits:
3. Zahlt der Kunde am letzten Tag des Zah- Skontoertr ag × 100 365 Tage
ZK = ×
lungsziels, so „verschenkt“ er den Skon- Neubetrag Z
tobetrag.
Z=Zahlungsziel – Skontofrist in Tagen
4. Der Skontobetrag ist der Preis für die
Rechnungsbetrag: 2.000 EUR
Inanspruchnahme des Zahlungsziels. Skontosatz: 2%
5. Wird der Skontobetrag ins Verhältnis Skontofrist: 10 Tage
Zahlungsziel: 30 Tage
zum Netto-Rechnungsbetrag gesetzt –
unter Berücksichtigung des Zahlungsziels 40 EUR × 100 365 Tage
ZK = ×
–, ergeben sich die Zinskosten des Liefe- 1.960 EUR 20 Tage
rantenkredits.
ZK = 2,0408 x 18,25 = 37,24 %
Fazit Der entgangene Skontoertrag beträgt für die
20tägige Laufzeit zwar „nur“ 2,04 Prozent, auf das
Der Lieferantenkredit ist eine ausgespro- ganze Jahr hochgerechnet ergibt sich aber eine
chen kostspielige Form der kurzfristigen Verzinsung von 37,24 Prozent.
Finanzierung. In jedem Fall wäre das Un-
ternehmen gut beraten, überschüssige Aufgabe
liquide Mittel für die Begleichung der Lie- 49. Berechnen Sie die Skontoverzinsung bei
ferantenrechnungen während der Skonto- einem Zahlungsziel von 30 Tagen und
frist zu nutzen oder das eingeräumte Kredit- einem Skontosatz von
limit der Hausbank zu nutzen. Die Kosten a) 1 %
eines kurzfristigen Bankkredits sind gerin-
ger als der Verzicht auf den Skontoertrag. b) 3 %!
2.5.2.1.2 Kontokorrentkredit
Das Kontokorrentkonto ist nach §355 HGB § 355 HGB (Laufende Rechnung, Konto-
ein Konto, das in laufender Rechnung zwi- korrent)
schen einem Kaufmann und (in der Regel) (1) Steht jemand mit einem Kaufmanne derart in
einer Bank geführt wird. Auf diesem Konto Geschäftsverbindung, dass die aus der Ver-
werden die Ansprüche und Leistungen ein- bindung entspringenden beiderseitigen An-
schließlich der Zinsen den Vertragspartnern sprüche und Leistungen nebst Zinsen in
in Rechnung gestellt. In regelmäßigen Zeitab- Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeit-
ständen werden die gegenseitigen Ansprüche abschnitten durch Verrechnung und Feststel-
verrechnet (saldiert). Dadurch ist der Konto- lung des für den einen oder anderen Teil sich
korrentinhaber nicht ständig aufgefordert, mit ergebenden Überschusses ausgeglichen wer-
den (laufende Rechnung, Kontokorrent), so
der Bank zu verhandeln, sondern er kann in
kann derjenige, welchem bei dem Rechnungs-
einem gesetzten Kreditrahmen agieren. abschluss ein Überschuss gebührt, von dem Ta-
ge des Abschlusses an Zinsen von dem Über-
schusse verlangen, auch so weit in der Rech-
nung Zinsen enthalten sind.
186 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Der Saldo wird dann auf die neue Rechnung (2) Der Rechnungsabschluss geschieht jährlich
vorgetragen. Bestehen Zweifel an der Zah- einmal, sofern nicht ein anderes bestimmt ist.
lungsfähigkeit des Vertragspartners, kann der (3) Die laufende Rechnung kann im Zweifel auch
Gläubiger jederzeit den Forderungsbetrag von während der Dauer einer Rechnungsperiode
dem Schuldner verlangen. Die kurzfristige jederzeit mit der Wirkung gekündigt werden,
Kündigung des Kredits kann zu einem exis- dass derjenige, welchem nach der Rechnung
tenzbedrohenden Liquiditätsengpass führen. der Überschuss gebührt, dessen Zahlung be-
anspruchen kann.
Da der Kontokorrentkredit in der Regel ver-
längert wird, steht er als mittel- und langfristi-
ges Finanzierungsinstrument zur Verfügung.
Er wird zur Finanzierung des Umlaufvermö-
Aufgabe
gens eingesetzt (siehe Lieferantenkredit). 50. Dem Bankkunden ist von dem Kreditin-
Kosten des Kontokorrentkredits stitut ein Kontokorrentkredit zu folgen-
den Konditionen eingeräumt worden:
Ein Kontokorrentkonto kann nur durch be-
sondere Vereinbarung mit dem Bankunter- Kreditlinie: 20 000 EUR
nehmen als Kreditkonto genutzt werden. Im Sollzins (zurzeit): 10% p.a.
Allgemeinen wird ein Kreditlimit (Kreditli- Bereitstellungsprovision: 2%
nie) vereinbart. Sowohl für die eingeräumte
Kreditlinie als auch den tatsächlich genutzten der Differenz zwischen dem in Anspruch
Kredit werden Zinskosten berechnet. genommenen Kredit und der Kreditlinie.
Im Wesentlichen setzen sich die Kosten des a) Berechnen Sie die Verzinsung unter
Kontokorrentkredits zusammen aus der Annahme, dass die Kreditlinie
während des Jahres
1. dem Sollzinssatz auf den in der Abrech-
nungsperiode tatsächlich in Anspruch aa) vollständig und
genommenen Kredit. Der Zinssatz wird ab) zu 50 %
an dem Diskontsatz der Deutschen Bun- genutzt wird!
desbank orientiert
b) Begründen Sie den Kostenunter-
2. der Bereitstellungsprovision, die auf die schied zwischen den beiden Annah-
vereinbarte Kreditlinie bezogen wird. Die men!
Erhebungsmodalitäten sind bei den ein-
zelnen Bankunternehmen unterschiedlich c) Es wird dem Kunden alternativ ein
Sollzins von 12 % angeboten und auf
3. der Überziehungsprovision, wenn das die Erhebung einer Bereitstellungs-
Kreditlimit überschritten wird. Die Über- provision verzichtet.
ziehungsprovision wird dem Sollzins zu-
geschlagen Berechnen Sie die Verzinsung für die un-
ter aa), ab) und c) genannten Alternati-
4. weiteren Positionen wie Barauslagen und ven, und treffen Sie eine Auswahl zwi-
Umsatzprovision. schen den Alternativen!
2. Finanzierungsentscheidungen 187
Der Wechsel ist eine Urkunde, mit der der Ein Wechsel muss folgende Bestandteile
Aussteller (Gläubiger) des Wechsels den aufweisen (gesetzliche Bestandteile gemäß §1
Bezogenen (Wechselschuldner) anweist, eine Wechselgesetz):
bestimmte Geldsumme an einem festgelegten 1. die Bezeichnung als Wechsel im Text der
Termin und Ort zu zahlen. Die Geldsumme ist Urkunde
an die im Wechsel genannte Person oder an
Order zu leisten. 2. die unbedingte Anweisung, eine be-
stimmte Geldsumme zu zahlen
Dem Akzept- und Diskontkredit liegt ein
Wechsel zugrunde, der auf ein Handelsge- 3. den Namen des Bezogenen
schäft zurückgeht. Der Abnehmer einer Wa- 4. die Angabe der Verfallzeit
renlieferung bittet den Verkäufer um Stun- 5. die Angabe des Zahlungsortes
dung der Kaufsumme. Zur Absicherung sei-
ner Forderung stellt der Lieferant einen 6. den Namen desjenigen, an den oder des-
Wechsel aus. Es handelt sich um einen gezo- sen Order gezahlt werden soll
genen Wechsel, wenn der Aussteller einen 7. die Angabe des Tages und des Ortes der
anderen anweist, einen bestimmten Geldbe- Ausstellung.
trag zu zahlen. Ein Solawechsel (eigener
Wechsel) liegt vor, wenn der Aussteller sich
verpflichtet, den Wechselbetrag selbst zu Funktionen des Wechsels
zahlen.
Erst wenn der Bezogene schriftlich die An-
nahme des Wechsels erklärt, wird aus dem
gezogenen Wechsel ein Akzept. Kredit- Zahlungs- Kredit-
Der Wechsel erfüllt drei wichtige Funktionen: sicherung mittel mittel
2.5.2.1.4 Lombardkredit
Unter einem Lombardkredit ist die (kurz- kurzfristige Beleihung beweglicher
fristige) Verpfändung von Sachen und Rechte gegen deren
Hinterlegung
• Waren
Abb. 58: Arten des Lombardkredits
• Wechseln oder
• Wertpapieren
zu verstehen.
Ist der Kontokorrentkredit ausgeschöpft, kann Avalkredit
das Unternehmen den Finanzmittelbedarf
durch das teilweise Beleihen dieser bewegli-
chen Vermögensgegenstände decken.
Stundung von Zöllen und
Nachteilig ist, dass der Pfandgeber den Besitz Steuerzahlungen
an der Sache verliert, weil der beliehene Ge-
genstand von der lombardierenden Bank
Gewährleistungs-
verwahrt wird. Beim Warenlombard wird ansprüche
die Ware bei einem Spediteur oder einer La-
gergesellschaft während der Laufzeit des
geleistete Auszahlungen
Kredits unter Verschluss genommen. Eine
wirtschaftliche Verwertung der Ware, deren
Bezug durch einen Lombardkredit finanziert
Konventionalstrafen
wird, ist dann nicht mehr möglich. Deshalb
wird meist die Sicherungsübereignung als
unechter Lombard gewählt. Die beliehene ausstehende Einlagen
auf Beteiligungen
Sache verbleibt weiterhin im Besitz des
Schuldners und kann von diesem genutzt
werden.
Übernahme einer Bürgschaft durch die
Die Finanzierungskosten liegen in der Regel Bank und Besicherung von
um 1 bis 2 Prozentpunkte über den Kosten Forderungen Dritter gegenüber dem
eines Kontokorrentkredits. Kreditnehmer
Schuldscheine sind zwar Urkunden, können Die DMW AG gibt die Zulassung ihrer Inha-
aber nicht wie Schuldverschreibungen an der ber-Teilschuldverschreibungen über 30 Millio-
Börse gehandelt werden. nen EUR bekannt:
Aufgrund der von der Hauptversammlung am 6.
Aus der Sicht des Schuldners ist ein Schuld- August 2003 erteilten Ermächtigung haben wir die
scheindarlehen eine preiswertere Finanzie- Begebung einer Anleihe über 30000000 EURO
rungsmöglichkeit als die Schuldverschrei- beschlossen.
bung, weil Emissionskosten entfallen. Für den Stückelung
Gläubiger wird die Sicherheit seiner Kapital- Die Anleihe ist eingeteilt in 10 000 Inhaber-
anlage mit dem Risiko erkauft, das sich aus Teilschuldverschreibungen zu je 1 000 EUR, Nr.
dem über einen längeren Zeitraum festge- 000001 bis 10000, 2000 Inhaber-Teilschuldver-
schriebenen Zinssatz ergibt. Ihm entstehen schreibungen zu je 10000 EUR, Nr. 10001 bis 12000.
höhere Refinanzierungskosten, wenn der Verzinsung
Kapitalmarktzins dem vereinbarten Darle- Die Teilschuldverschreibungen sind vom 1. Sep-
henszins vorauseilt. tember 2003 mit 7,5% jährlich zu verzinsen.
Die Zinsen sind jährlich nachträglich am 1. Sep-
2.5.2.2.2 Schuldverschreibungen tember eines jeden Jahres fällig. Der erste Zins-
Die Schuldverschreibung (Anleihe oder schein ist am 1. September 2004 fällig.
Obligation) gehört zu den Finanzierungsin- Rückzahlung
strumenten, mit denen Unternehmen, aber Die Teilschuldverschreibungen werden am 1.
auch Gebietskörperschaften, langfristiges September 2013 zum Nennbetrag zurückgezahlt.
Fremdkapital durch Ausgabe (meist) festver- Zahlstellen
zinslicher Wertpapiere an der Börse beschaf- Zahlstellen sind die in §7 Abs. 1 der Anleihebe-
fen. Der Gesamtbetrag einer Schuldverschrei- dingungen genannten Banken.
bung wird gestückelt, d.h. in Teilschuldver- Garantie
schreibungen ausgegeben. Die DMW AG hat ihre unbedingte und unwider-
rufliche Garantie für die ordnungsgemäße Zahlung
Ausstattungsmerkmale einer Schuldver- von Kapital und Zinsen der Teilschuldverschrei-
schreibung bungen gegeben.
Nicht jedes beliebige Unternehmen kann Sicherstellung
Anleihen zur Deckung seines Kreditbedarfs Die Gesellschaft hat sich verpflichtet, während der
begeben. Die Ausgabe einer Anleihe (Anlei- gesamten Laufzeit der Anleihe ihren Grundbesitz
heemission) setzt eine staatliche Emissions- in Deutschland nicht zu belasten, es sei denn, die
genehmigung voraus. Diese wird nur solchen Belastung erfolgt auch zugunsten der Gläubiger
Unternehmen gewährt, deren Bonität (Stan- dieser Teilschuldverschreibungen. Ausgenommen
sind hiervon Belastungen des Grundbesitzes als
ding) als einwandfrei beurteilt wird. Zu den
Sicherheit für Kredite aus öffentlichen Mitteln und
Merkmalen einer Bonitätsbeurteilung gehören normale Wohnungsbauhypotheken im Range der
u. a. die ersten Stelle in üblicher Höhe.
• Eigenkapitalausstattung Deckungsstockfähigkeit
Die notwendigen Schritte sind eingeleitet worden,
• Gewinnentwicklung
um die Deckungsstockfähigkeit der Anleihe zu
• Qualifikation des Managements. erlangen.
Bremen, im März 2003
Der Vorstand der DMW AG
Abb. 61: Auszug aus dem Börseneinfüh-
rungsprospekt der DMW AG
2. Finanzierungsentscheidungen 193
Laufzeit
Laufzeit
Gegenwärtig betragen die Laufzeiten 10 bis Zahl-
Emis-
15 Jahre. Anleihen mit längeren Laufzeiten sions-
stellen
kurs
sind am Kapitalmarkt kaum mehr unterzu-
bringen, weil Anleger längere Laufzeiten
hinsichtlich ihrer Finanzdispositionen nicht
für überschaubar halten.
Be-
Verzinsung und Emissionskurs siche- Zinssatz
rung
Anleihen sind überwiegend mit einem festen
Zinssatz ausgestattet, der sich auf den Nenn- Tilgung
wert der Teilschuldverschreibungen bezieht.
Er bleibt während der gesamten Laufzeit
unverändert. Anleihen werden deshalb auch Abb. 62: Ausstattungsmerkmale einer
als festverzinsliche Wertpapiere bezeichnet. Anleihe
194 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Nach dem Emissionsgesetz ist der Emittent • Das Unternehmen gehört der Grundstoff-
verpflichtet, in seinem Emissionsprospekt die industrie an oder ist ein anderes bedeu-
Namen der Banken bekannt zu geben, die als tendes inländisches Unternehmen.
Zahlstellen die Zinsscheine und zur Tilgung • Unternehmen der Versorgungswirtschaft
ausgelosten oder fälligen Teilschuldver- sind mit einem Grundkapital von mindes-
schreibungen einlösen. tens 6 Mio. EUR ausgestattet und dürfen
keinen starken Konjunkturschwankungen
ausgesetzt sein.
• Die dingliche Belastung der Nettobuch-
werte des Anlagevermögens soll sich auf
nicht mehr als 40 Prozent belaufen.
196 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Obligationen
zusätzliche
Umtausch vertragsmäßige Tilgung wie
wie Wahl-
der Tilgungs-
Tilgungs- möglich-
Forderung anleihe
anleihe keiten
in Aktion
+
Gewinnschuldverschreibung Beispiel:
Es handelt sich um eine Anleihe, die getilgt Beschluss der Gesellschaft über die Ausgabe
und verzinst wird. Die Verzinsung kann ganz von Genussscheinen im Nennbetrag von 10,–
oder teilweise von der Gewinnentwicklung EUR zum Ausgabepreis von 50,– EUR:
abhängig sein.
Die Genussscheine gewähren einen Anspruch
Genussschein auf eine jährliche Ausschüttung, deren Höhe
Mit dem Genussschein werden dem Inhaber an den jeweiligen Dividendensatz der
des Wertpapiers bestimmte Rechte an dem Stammaktie der Gesellschaft für das abgelau-
Gewinn und/oder Vermögen des Unterneh- fene Geschäftsjahr geknüpft ist. Der jährliche
mens verbrieft. Den Genussscheininhabern Ausschüttungssatz beträgt das 1,2-fache des
stehen in aller Regel keine Stimmrechte in der Dividendensatzes auf Stammaktien. Bezogen
Hauptversammlung zu. auf den niedrigeren Nennbetrag der Genuss-
scheine berechnet sich die Ausschüttung auf
Gesetzliche Regelungen für die Ausgestaltung einen Genussschein im Nennbetrag von 10,–
von Genussscheinen existieren nicht. Gestal- EUR somit als 24% der auf eine Aktie im
tungsmöglichkeiten können daher unter- Nennbetrag von 50,–EUR ausgeschütteten
schiedlich weit gefasst sein und sich u. a. auf Dividende.
Verzinsung, Dividendenanteil, Bezugs- oder
Umtauschrechte beziehen. Unabhängig vom Bilanzergebnis der Gesell-
schaft wird für die Genussscheine eine Min-
destverzinsung von 5 % des Nennbetrages der
Genussscheine garantiert.
Zusammenfassung
Um langfristige Investitionen zu finanzieren, stehen dem Großunternehmen neben der Ei-
genfinanzierung verschiedene Formen der Fremdfinanzierung zur Auswahl.
Die Entscheidung für eine der beiden Alternativen muss folgende Überlegungen berück-
sichtigen:
1. Die Beschaffung von langfristigem Kapital im Wege der Kapitalerhöhung entlastet
das Unternehmen liquiditätsmäßig. In Zeiten der Rezession ist kein zusätzlicher
Fremdkapitaldienst zu leisten. Eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien kann
aber eine Veränderung in den Stimmverhältnissen zur Folge haben.
2. Die Aufnahme langfristigen Fremdkapitals setzt vor allem eine entsprechende Bonität
des Unternehmens voraus, um die staatliche Genehmigung zur Emission einer Anleihe
zu erhalten.
Tilgung und Verzinsung des Fremdkapitals engen den Liquiditätsspielraum ein.
Die Bildung von Rücklagen ist nur möglich, wenn die Gesamtkapitalrentabilität über
dem Fremdkapitalzins liegt (Leverage-Effekt).
3. Für den Fremdkapitaleinsatz spricht, dass die Mitbestimmungsbasis der Eigentümer
nicht verändert wird. In Gewinnjahren wird eine steuerliche Entlastung erzielt, da
Zinsausgaben als Betriebsausgaben bei der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns
abzugsfähig sind.
200 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
2.5.3.2 Eigentumsvorbehalt
Eigentumsvorbehalt
Der Käufer einer beweglichen Sache (z. B.
einer Ware), die an ihn übergeben worden ist,
wird erst nach vollständiger Bezahlung des
Kaufpreises Eigentümer dieser Sache (vgl.
Einfacher Erweite- Verlän-
§455 BGB). Eigen- ter Eigen- gerter
tums- tumsvor- Eigen-
Zahlt der Käufer (Schuldner) den Kaufpreis vorbehalt behalt tums-
nicht, kann der Verkäufer von dem Kaufver- § 455 vorbehalt
BGB
trag zurücktreten. Der Eigentumsvorbehalt
ist spätestens bei Übergabe des Gegenstandes
gegenüber dem Käufer zu erklären. In den Abb. 69: Ausprägungsformen des Eigen-
Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in tumsvorbehalts
der Rechnung wird auf den Eigentumsvorbe-
halt hingewiesen. Beispiel:
Auszug aus den Allgemeinen Geschäfts-
2.5.3.2.1 Einfacher bedingungen der DMW AG
Eigentumsvorbehalt (…)
Gegenstand des einfachen Eigentumsvorbe- 5. Die Waren, einschließlich des Naturalra-
halts ist nur die gelieferte Sache. Kommt der batts, bleiben unser Eigentum bis zur vol-
Käufer seiner Zahlungsverpflichtung nicht len Bezahlung sämtlicher, auch der zu-
nach, kann der Gläubiger auf Herausgabe der künftigen Forderungen unserer Firma ge-
Ware bestehen. Dies setzt jedoch voraus, dass gen den Käufer aus der Geschäftsverbin-
sich die gelieferte Ware noch im Besitz des dung. Der Käufer darf zwar über die Wa-
Schuldners befindet. Der Gläubiger kann die re im Rahmen eines ordnungsgemäßen
zurückgenommene Ware veräußern und even- Geschäftsganges verfügen, sie jedoch
tuelle Mindererlöse von dem Schuldner ein- weder verpfänden noch sicherheitsüber-
fordern. Hat der Käufer die Ware bereits eignen. Die Forderungen des Käufers aus
weiterverkauft, macht er sich der Unterschla- dem Weiterverkauf der Waren werden
gung (§ 246 BGB) strafbar. Der Abnehmer bereits jetzt an uns zur Sicherheit abge-
dieser Ware ist – im Falle des gutgläubigen treten. Für den Fall, dass die Waren vom
Erwerbs (§ 932 BGB) – Eigentümer gewor- Käufer zusammen mit anderen, uns nicht
den. Der Erwerb ist gutgläubig, wenn der gehörenden Waren weiterverkauft wer-
Dritte (Käufer) nicht wusste und nicht wissen den, gilt die Abtretung der Kaufpreisfor-
konnte, dass der Verkäufer nicht Eigentümer derung nur in Höhe des Verkaufswertes
der verkauften Sache ist. Der gutgläubige unserer Waren aus dem Weiterverkauf.
Erwerb des Eigentums an einer Sache befreit Wir verpflichten uns, diejenigen Sicher-
den Veräußerer dieser Sache nicht von der heiten freizugeben, die den Wert der zu
Zahlung der geschuldeten Summe. Der erste sichernden Forderungen um mehr als 25
Verkäufer hat aber das Eigentumsrecht verlo- Prozent übersteigen. Der Käufer ist zur
ren und damit die Möglichkeit, im Falle der Einziehung der Forderungen aus dem
Insolvenz seines Abnehmers die gelieferten Weiterverkauf widerruflich ermächtigt.
Gegenstände aus der Masse auszusondern. Auf unser Verlangen hin hat der Käufer
uns die Schuldner der abgetretenen For-
derungen mitzuteilen und den Schuldnern
die Abtretung anzuzeigen.
(…)
2. Finanzierungsentscheidungen 203
2.5.3.2.3 Verlängerter
Eigentumsvorbehalt
Mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt Sicherungsvertrag
wird dem Käufer das Recht zugestanden, die
Sache trotz Vorbehalts an Dritte weiterzuver-
äußern. Der Veräußerer tritt die Forderungen
aus dem Weiterverkauf der Sache an den Besitzkonstitut
ursprünglichen Lieferanten ab. Er erwirbt ein
Miteigentum an der neu hergestellten Sache.
Um einen weitergeleiteten Eigentumsvor- SN SG
behalt handelt es sich, wenn der Käufer der
Sache verpflichtet wird, diese nur unter Eigen-
tumsvorbehalt weiter zu veräußern. Der ur- Eigentumsübereignung
sprüngliche Verkäufer bleibt weiterhin Eigen-
tümer. Er kann sich bei Forderungsausfall un-
mittelbar in den Besitz der Sache bringen. Rückübertragung bei
Fortfall der Verbindlichkeit
2.5.3.3 Sicherungsübereignung
SN = Sicherungsnehmer; SG = Sicherungsge
Der Schuldner (Sicherungsgeber) übereignet
sein Eigentum an beweglichen Sachen dem Abb. 70: Sicherungsübereignung
Gläubiger (Sicherungsnehmer). Mit dieser
Übertragung werden dessen Forderungen Beispiel:
gegenüber dem Schuldner abgesichert. Wie der K. kauft von B eine bewegliche Sache unter
Eigentumsvorbehalt gehört die Sicherungs- Eigentumsvorbehalt. K. verkauft die Sache an
übereignung zur dinglichen Kreditsicherung. C unter Eigentumsvorbehalt weiter. K. zahlt
Für die Dauer der Sicherungsübereignung nicht und verweist auf C. Der verweigert die
erhält der Gläubiger das Eigentumsrecht an Zahlung. an K. mit der Begründung, dass
der übereigneten Sache übertragen. Er kann dieser gar nicht Eigentümer der Sache ist, und
das Eigentumsrecht aber nur dann verwerten lehnt eine Zahlung an B. ab. Wie sich heraus-
und auf Herausgabe des übereigneten Ge- stellt, ist B. ein Dieb, der nie Eigentum an
genstandes bestehen, wenn der Schuldner in einer gestohlenen Sache erwerben kann. So-
Zahlungsverzug gerät. mit sind alle Geschäftsbeziehungen nichtig.
204 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Im Normalfall wird die Buch- oder Briefhy- § 1113 BGB (Hypothek, Begriff)
pothek als Verkehrshypothek eingetragen.
(1) Ein Grundstück kann in der Weise be-
Die Verbindlichkeit wird als feststehender
lastet werden, dass an denjenigen, zu
Betrag in das Grundbuch eingetragen, d. h.,
dessen Gunsten die Belastung erfolgt, ei-
der Gläubiger kann sein Pfandrecht in An-
ne bestimmte Geldsumme zur Befriedi-
spruch nehmen, ohne die Höhe der Forderung
gung wegen einer ihm zustehenden For-
nachweisen zu müssen. Im Gegensatz hierzu
derung aus dem Grundstück zu zahlen ist.
steht die Sicherungshypothek. Sie kann nach
§ 1184 BGB „in der Weise bestellt werden, § 1115 BGB (Inhalt der Eintragung)
dass sich das Recht des Gläubigers aus der (1) Bei der Eintragung der Hypothek müssen
Hypothek nur nach der Forderung bestimmt der Gläubiger, der Geldbetrag der Forde-
und sich der Gläubiger zum Beweise der rung und, wenn die Forderung verzins-
Forderung nicht auf die Eintragung berufen lich ist, der Zinssatz, wenn andere Ne-
kann. Die Hypothek muss im Grundbuch als benleistungen zu entrichten sind, ihr
Sicherungshypothek bezeichnet werden“. Geldbetrag im Grundbuch angegeben
werden; im Übrigen kann zur Bezeich-
2.5.3.4.3 Grundschuld nung der Forderung auf die Eintragungs-
Die Grundschuld ist im Gegensatz zur Hy- bewilligung Bezug genommen werden.
pothek unabhängig von einer bestehenden § 1116 BGB (Briefhypothek)
Forderung zu sehen. Mit der Grundschuld
(1) Über die Hypothek wird ein Hypothe-
wird ein Grundstück belastet, aus dem eine
kenbrief erteilt.
bestimmte Geldsumme an denjenigen zu
zahlen ist, zu dessen Gunsten die Belastung (2) (Buchhypothek). Die Erteilung des Brie-
erfolgte (§1191 BGB). fes kann ausgeschlossen werden. Die
Ausschließung kann auch nachträglich
2.5.3.4.4 Rentenschuld erfolgen. Zu der Ausschließung sind die
Einigung des Gläubigers und des Eigen-
Die Rentenschuld ist mit der Grundschuld
tümers sowie die Eintragung in das
vergleichbar, weil auch sie unabhängig von
Grundbuch erforderlich; die Vorschriften
einer bestehenden Forderung bestellt werden
des § 873 Abs. 2 und der §§ 876, 878
kann. Sie unterscheidet sich von der Grund-
finden entsprechende Anwendung.
schuld, weil in regelmäßig wiederkehrenden
Raten eine bestimmte Geldsumme aus dem § 1191 BGB (Grundschuld, Begriff)
Grundstück zu leisten ist. Der Schuldner kann (1) Ein Grundstück kann in der Weise be-
die Rentenschuld jederzeit durch Zahlung lastet werden, dass an denjenigen, zu
einer Ablösesumme kündigen. Die Ablöse- dessen Gunsten die Belastung erfolgt, ei-
summe muss bei der Bestellung der Grund- ne bestimmte Geldsumme aus dem
schuld in das Grundbuch eingetragen werden. Grundstück zu zahlen ist.
(2) Die Belastung kann auch in der Weise
erfolgen, dass Zinsen von der Geldsum-
me sowie andere Nebenleistungen aus
dem Grundstücke zu entrichten sind.
208 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Zusammenfassung
1. Kredite werden in aller Regel nur gegen Stellung von Sicherheiten gewährt.
2. Nach der Art der Sicherheit wird in Personalkredite und in dinglich gesicherte (Real-)
kredite unterschieden:
• Um Personalkredite handelt es sich, wenn neben dem Schuldner weitere Personen
für die Verbindlichkeit haften.
• Realkredite werden durch Vermögensgegenstände materieller und immaterieller
Art gesichert.
3. Die Bürgschaft gehört zu den Kreditsicherheiten, die durch eine Person mit ihrem
Vermögen gegeben wird:
• Die Bürgschaft bezieht sich nur auf die Verbindlichkeit aus der Hauptforderung.
• Der Bürgschaftsvertrag wird zwischen Gläubiger und Bürgen geschlossen.
• Mit einer Ausfallbürgschaft übernimmt der Bürge die Haftung für den Teil der
verbürgten Schuld, die durch den Schuldner nach erfolgten Vollstreckungs-
maßnahmen nicht abgetragen werden konnte.
• Mit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft ist der Bürge dem Hauptschuldner
gleichgestellt. Für Zahlungsausfälle des Hauptschuldners haftet der Bürge unein-
geschränkt (im Rahmen der übernommenen Bürgschaft).
4. Zu den dinglichen Kreditsicherheiten zählen:
• der Eigentumsvorbehalt des Lieferanten: Der Verkäufer behält sich so lange sein
Eigentum an der gelieferten Ware vor, bis der Kaufpreis von dem Käufer gezahlt
wurde
• die Sicherungsübereignung von beweglichen Sachen: Zur Kreditabsicherung wird
dem Kreditgeber das Eigentum an einer beweglichen Sache übereignet. Der über-
eignete Gegenstand verbleibt weiterhin im Besitz des Kreditnehmers
• die Abtretung von Forderungen und Rechten (Zession): Der Kreditnehmer tritt
seine Ansprüche aus Forderungen und Rechten an den Gläubiger entweder in
Form der stillen oder offenen Zession ab
• das Pfandrecht an beweglichen Sachen: Wertgegenstände (Wertpapiere, Edel-
metalle, Forderungen und Rechte) händigt der Kreditnehmer dem Gläubiger als
Pfand aus
• das Pfandrecht an unbeweglichen Sachen: Immobilien können durch Eintragung
von Hypotheken und Grundschulden in das Grundbuch beliehen werden.
• Bei der Hypothek besteht zwischen der Höhe der Forderung und der eingetragenen
Hypothek ein unmittelbarer Zusammenhang.
• Mit einer Grundschuld wird ein Grundstück belastet, wenn die Belastung unab-
hängig von einer Forderung besteht.
210 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
Unter Leasing (engl. to lease = mieten) wird Leasing: Von der Schreibmaschine bis zum
die mittel- bis langfristige Vermietung Großkraftwerk*
(Gebrauchsüberlassung) von Wirtschaftsgü-
Wie Umfragen des Ifo-Instituts zeigten,
tern gegen Entgelt verstanden. Vermieter
schließen rund 60% der Unternehmen im
(Leasinggeber) kann der Hersteller dieser
Verarbeitenden Gewerbe mindestens einen
Güter oder eine Leasinggesellschaft sein.
Leasingvertrag pro Jahr. Von den außenfinan-
Mieter oder Pächter (Leasingnehmer) sind
zierten Investitionen des Verarbeitenden Ge-
Unternehmen, private und öffentliche Haus-
werbes bestreiten die Leasinggesellschaften
halte.
rund 44% …
2.6.1 Erscheinungsformen des Mit ihren raschen Marktanteilsgewinnen und
Leasing einer Produktpalette, die von der elektroni-
schen Schreibmaschine bis hin zum Groß-
Das Leasinggeschäft hat sich in den vergange- kraftwerk reicht, erarbeiteten sich die Lea-
nen Jahrzehnten zu einem bedeutenden Faktor singgesellschaften das Image, dynamisch,
unternehmerischer Investitionsentscheidungen kreativ und modern zu sein. Sie hatten jen-
und Finanzierungsüberlegungen entwickelt. seits des Bankkredits das erfolgreichste Fi-
Die Bandbreite der Leasingvarianten reicht von nanzierungsprodukt für Unternehmen ge-
der Miete eines Transportfahrzeuges, um kurz- schaffen …
fristig auftretende Kapazitätsengpässe aus- Wie die Ergebnisse der jüngsten Leasingum-
zugleichen, bis zum Verkauf unternehmensei- frage des Ifo-Instituts zeigen, dürften die
gener Immobilien an eine Leasinggesellschaft, Leasinggesellschaften im vergangenen Jahr
um diese Anlagegegenstände von dem Lea- 55,1 Mrd. EURO investiert und damit die
singgeber zurückzumieten (Sale-lease-back). Leasingquote von 10,5 auf 10,7% erhöht
Einen Überblick über einige Erscheinungsfor- haben, da der Rückgang der gesamtwirt-
men des Leasinggeschäfts vermittelt die Ab- schaftlichen Anlageinvestitionen ohne den
bildung 77. Wohnungsbau auf knapp 4% veranschlagt
Der Leasingvertrag kann auf unterschiedliche wird.
Art zustande kommen: * Städtler, A.: Die wachstumsstarke Lea-
• Tritt der Hersteller als Leasinggeber auf, singbranche wird von der Rezession nicht
so wird dieser Vorgang als Hersteller- verschont, in: Handelsblatt
oder direktes Leasing bezeichnet. Abb. 76: Pressebericht
• Von indirektem Leasing ist die Rede,
wenn spezielle Leasinggesellschaften
eingeschaltet werden. Aufgabe
67. Besorgen Sie sich einmal Leasingunter-
lagen vom Kraftfahrzeughandel, und stu-
dieren Sie diese!
2. Finanzierungsentscheidungen 211
Konsum- Investitions-
direktes indirektes Anlagen- Einzelgüter-
güter- güter-
Leasing Leasing Leasing Leasing
Leasing Leasing
Leasing-
Hersteller
gesellschaft
kurzfristig langfristig
Vollamorti- Teilamorti-
Operate Finance- Mobilien- Immobilien-
sations- sations-
Leasing Leasing Leasing Leasing
Leasing Leasing
Nach dem Leasingumfang, der Anzahl der Ausgewählte Begriffe zum Leasing-Vertrag
vermieteten Gegenstände, ist zu unterschei-
AfA = Absetzung für Abnutzung
den zwischen dem
Abschreibung als steuerrechtlicher Begriff.
• Einzelgüter- oder Equipment-Leasing Die Höhe des AfA-Satzes hängt von der be-
Objekte des Leasingvertrages sind Aus- triebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ab. Das
rüstungsgegenstände, wie z. B. Werk- Wirtschaftsgut wird linear abgeschrieben,
zeug- oder Büromaschinen, Datenverar- wenn die Anschaffungs- oder Herstellungs-
beitungsanlagen und Fahrzeuge kosten des Wirtschaftsgutes jährlich um einen
und gleich bleibenden Satz vermindert werden.
• Anlagen- oder Plant-Leasing
AfA-Tabelle
Vermietet werden u.a. Verwaltungsge-
bäude, Fabrikationsanlagen, komplette enthält die in der Finanzverwaltung verwen-
Büro- und Geschäftsausstattungen. Die deten betriebsgewöhnlichen Nutzungszeiten
Leasingverträge weisen oftmals Laufzei- der abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlage-
ten von bis zu 30 Jahren auf. vermögens.
212 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
• die Summe aller Leasingraten während Fällige Wartungsarbeiten hat der LN pünkt-
der Verlängerungszeit den Wertverzehr lich, erforderliche Reparaturen unverzüglich
für den Leasinggegenstand deckt. Der durch einen vom Hersteller anerkannten Be-
Wertverzehr lässt sich ableiten aus der trieb ausführen zu lassen.
Restnutzungsdauer und dem nach der Abrechnung nach Ablauf der vereinbarten
amtlichen AfA-Tabelle ermittelten Rest- Leasingzeit
buchwert. (1) Bei Beendigung von Verträgen mit Ki-
lometer-Abrechnung durch Ablauf der
2.6.2.2.5 Vertrag über Spezial-Leasing vereinbarten Leasingzeit werden dem LN
Unter Spezial-Leasing ist zu verstehen, dass bei Über- oder Unterschreitung der ver-
der Anlagegegenstand (z. B. eine komplette einbarten Gesamtfahrleistung die gefah-
Fabrikationsanlage oder ein Großkraftwerk) renen Mehr- bzw. Minderkilometer zu
speziell auf die Belange des Investors zuge- den im Leasingantrag genannten Sätzen
schnitten ist und an diesen vermietet wird. nachberechnet bzw. vergütet.
216 Finanzierung im betrieblichen Leistungsgeschehen
In einem solchen Fall ist der Gegenstand, (2) Bei Beendigung von Verträgen mit Fahr-
ohne Rücksicht auf das Verhältnis von zeug-Abrechnung durch Ablauf der ver-
Grundmietzeit und Nutzungsdauer sowie auf einbarten Leasingzeit ist die Differenz zu
Optionsklauseln, regelmäßig dem Leasing- ermitteln zwischen dem kalkulierten Net-
nehmer zuzurechnen. to-Rücknahmewert (vereinbarter Mindest-
wert bei Fahrzeugrücknahme) und dem
2.6.3 Zur betriebswirtschaftlichen geschätzten Netto-Händler-Einkaufspreis
Bedeutung des Leasing (Schätzwert) des zurückgegebenen Fahr-
zeugs. Übersteigt der Schätzwert den kal-
Der Zwang zur Modernisierung der Produkti- kulierten Netto-Rücknahmepreis, so erhält
onsanlagen angesichts der schnellen techni- der LN 75 % des Mehrbetrages erstattet. Ist
schen Entwicklung führt zu erheblichen fi- der Schätzwert geringer als der kalkulierte
nanziellen Belastungen. Der Investor muss im Netto-Rücknahmepreis, so hat der LN
Rahmen seiner Finanz- und Investitionspla- den entsprechenden Minderbetrag an den
nung abwägen, ob das Investitionsprojekt als LG zu zahlen.
Eigeninvestition oder in Form des direkten
oder indirekten Leasing realisiert werden soll.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Inves-
tor mit der Leasingalternative höhere Kosten
zu tragen hat als es bei der Fremdfinanzierung Ziele aus der Sicht des
der Fall wäre. Da sich Leasinggesellschaften Leasingnehmers
mit Fremdkapital refinanzieren, berechnen sie
die Leasingraten in Anlehnung an den markt-
Entlastung des
üblichen Kapitalmarktzins, beziehen sie antei- Eigenkapitals
lig ihre Verwaltungskosten und einen ent-
sprechenden Gewinnzuschlag in die Kalkula- Stabilisierung der
Liquiditätslage
tion ein.
Deshalb ist diese Finanzierungs- und Investi- Planbare Mietausgaben
tionsalternative unter quantitativen (Wirt-
schaftlichkeitsbetrachtungen (siehe hierzu Anpassung an techni-
Abschnitt 2.1.2) und qualitativen Aspekten zu schen Entwicklungsstand
beurteilen.
Risiken eines
Qualitative Aspekte: Leasingvertrages
Rechtliche Grundlagen
von Birga Döring
überarbeitet
von Sabrina Wandel
221
Einpersonenunternehmen Genossenschaften
Gesellschaftsunternehmen
Personengesellschaften Kapitalgesellschaften
2. Die Einpersonenunternehmung
Die Einpersonenunternehmung ist die häu- Historisches - zwei Beispiele
figste Rechtsform bei Klein- und kleineren Von der Einpersonenunternehmung zum Merck-
Mittelbetrieben. Vergrößern sich Kapazität Konzern
Im Jahre 1668 kaufte Friedrich Jacob Merck die Darm-
und Umsatz, wird in der Regel Geld ge- städter Engel-Apotheke, aus der später der Merck-
braucht. Dies beschafft man sich häufig durch Konzern hervorging. Begonnen hatte der Aufstieg im
Teilhaber, sodass aus der Einpersonenunter- Jahre 1816, als Emanuel Merck die Apotheke übernahm
nehmung ein Gesellschaftsunternehmen wird. und in seinem Labor verschiedene Arzneisubstanzen
mischte und verkaufte. Wenig später begann er mit der
Manchmal werden solche Einpersonenunter- Produktion von Morphinen, nachdem kurz vorher der
nehmen bei hohem Kapitalbedarf (aber auch alkalische Charakter von Opium entdeckt worden war.
aus anderen Gründen) von größeren Betrieben Noch zu seinen Lebzeiten musste das Unternehmen
übernommen, z.B. Nixdorf von Siemens. umfirmiert werden. Aus der Einpersonenunternehmung
wurde eine Personengesellschaft, die damals schon mit
Die Einpersonenunternehmung unterscheidet 800 einzelnen Artikeln handelte. Heute ist Merck ein
sich von den anderen Rechtsformen erheblich. Weltkonzern. Sein Sortiment umfasst nunmehr 15 000
Um eine Einzelhandelsgesellschaft handelt es Artikel, sein Umsatz ist inzwischen weltweit auf mehrere
Milliarden gestiegen.
sich zum Beispiel bei einem „Tante-Emma- Von einer Personengesellschaft zur AG
Laden“. Im Jahre 1883 gründete Karl Benz in Mannheim die
Firma ,,Benz & Cie.“ 1890 rief Gottlieb Daimler die
Hier hat der Inhaber das Kapital für das Ge- Daimler-Motoren-Gesellschaft ins Leben. Erst in den
schäft aufgebracht. Daher trägt auch er allein zwanziger Jahren des folgenden Jahrhunderts (1926)
das Risiko eines Misserfolges. Andererseits entstand die Daimler-Benz AG durch eine Fusion beider
kann er den erzielten Gewinn für sich behalten. Unternehmen. Benz und Daimler – zwei Namen, die sich
bald einprägten. Sie gehörten zu den innovativsten Per-
Neu gegründete Einpersonenunternehmen sönlichkeiten der aufstrebenden Automobil- und Motor-
haben es auch sehr schwer, fremdes Geld, z.B. branche, schreibt Rüdiger Liedtke. Gottfried Daimler,
von dem hier die Rede sein soll, hatte es sich zu seinem
von Banken, zu beschaffen. Da ihnen die Kapi- Lebensinhalt gemacht, eine Kraftquelle zu entwickeln,
talbasis fehlt und da sie oft über keine zusätzli- die nicht von Wasser, Kohle oder Dampf abhängig sein
chen Sicherheiten verfügen, tun sich die Kre- sollte. Interessant ist, dass sich Benz und Daimler nie
ditinstitute schwer, Kredite einzuräumen. begegnet sind. Zur gleichen Zeit aber – so schreibt Theo-
dor Heuss in seinem Buch ,, Deutsche Gestalten" – sehen
Obwohl die Erfolgsaussichten von neuge- die Stuttgarter „auf einmal ein Fahrrad, bei dem man gar
gründeten Einpersonenunternehmen der Grö- nicht strampeln muss, und eine Kutsche, die fährt, ohne
ße wegen relativ gering oder nicht immer dass ein Gaul davor gespannt ist, sie gehen an den Ne-
ckar, da fahren Boote herum, und kein Mensch muss
ganz positiv einzuschätzen sind, gibt es genü- rudern". Und die Mannheimer machen dieselben Erfah-
gend Menschen, die eine Einpersonenunter- rungen. Duplizität der Ereignisse. Benz und Daimler
nehmung gründen, weil sie im Berufsleben arbeiteten an der Entwicklung eines Motors, also an
selbstständig bleiben und Macht ausüben derselben Sache. Doch sie wussten nichts voneinander.
Es ist interessant zu wissen, dass Daimler im Gegensatz
wollen. Das nebenstehende Beispiel macht zu Lenoir in Frankreich einen vom Standort losgelösten
das deutlich. Motor entwickelte und sein Anliegen von der Konstrukti-
on her löste, Benz dagegen gestaltete ,,die Dinge" vom
Chassis aus. 1885 wurde von ihm das erste Motorrad der
Welt auf den Markt gebracht, 1886 schaffte er den ersten
brauchbaren vierrädrigen Motorwagen, 1891 wird mit
dem Bau von Lastkraftwagen begonnen. Heute jst Daim-
ler-Chrysler ein deutsch-amerikanischer Konzern. Siehe
auch Seite 68.
3. Gesellschaftsrecht 223
Manche von ihnen erreichen durch Können DW Frankfurt/Main – Um Jürgen Schneider entwickel-
und Fleiß, durch Geschick und Glück hohe te sich seit Ostern 1994 die größte deutsche Immobilien-
pleite. Die Chronologie:
Umsätze. Das allerdings dauert oft Jahre.
7. April 1994 –- Der Vorstand der Deutschen Bank AG
Einige Namen mögen hierfür als Beispiele erhält einen Brief Schneiders, in dem er vor einer dro-
dienen: Borgward, Schlieker, Schneider, henden Zahlungsunfähigkeit warnt und eine Finanzie-
Nixdorf. Doch: Letztlich sind sie alle aus rungshilfe beantragt. Er erklärt, sich aus Gesundheits-
unterschiedlichsten Gründen gescheitert. Der gründen zurückzuziehen, und taucht unter.
„Fall Schneider“ zeigt uns eine Ursache der 13. April – Strafanzeige der Deutschen Bank gegen
Schneider
Entwicklung.
14. April – Das Amtsgericht Königstein eröffnet das
erste Konkursverfahren.
25. April – Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper beziffert
die Bankschulden Schneiders zum Jahresende 1993 auf
3. Gesellschaftsrecht 5,3 Mrd. DM.
26. April – Die Genfer Staatsanwaltschaft bestätigt die
Beschlagnahme von 240 Mio. DM aus Schneiders Ver-
mögen.
3.1 Gesellschaftsformen 10. Mai 1995 – Laut Amtsgericht Königstein wird die
Konkursquote für nichtbevorrechtigte Gläubiger Schnei-
ders 10 Prozent betragen.
Anders als bei Einzelunternehmen ist bei
Gesellschaften mehr als eine Person beteiligt. Abb. 3: Chronologie eines Crashs
Quelle: Die Wirtschaftswoche
Gesellschaften stellen privatrechtliche Perso-
nenvereinigungen zur Verfolgung gemeinsa-
mer Zwecke dar.
Je nachdem, ob bei der Personenvereinigung
die Person als Gesellschafter oder aber die
Kapitalbeteiligung im Vordergrund steht,
wird zwischen Personen- und Kapitalgesell-
schaften unterschieden. Firma (Name)
von Personengesellschaften
3.2 Personengesellschaften
Einzelkaufmann (§ 18 HGB)
3.2.1 Die offene Die Gesellschaft hatte kein sehr starkes finan-
Handelsgesellschaft (oHG) zielles Gerüst, da die beiden Gesellschafter
primär ihre persönliche Arbeitskraft investie-
Nach der gesetzlichen Definition der offenen ren wollten.
Handelsgesellschaft in §105 Abs. 1 HGB ist
Konsequenz war, dass die oHG in Zahlungs-
sie eine Gesellschaft, deren Zweck auf den
schwierigkeiten geriet. Herr Krogmann und
Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemein-
Herr Krüger waren nicht bereit, ihre Einlagen
schaftlicher Firma gerichtet ist, wenn bei
in dem erforderlichen Maße zu erhöhen, mit
keinem der Gesellschafter die Haftung ge-
der Folge, dass die Gesellschaft nicht alle
genüber den Gesellschaftsgläubigern be-
fälligen Verbindlichkeiten tilgen konnte.
schränkt ist.
Daraufhin wandten sich einige Gläubiger an
Letzteres ist das wesentliche Merkmal einer Herrn Krogmann und Herrn Krüger persön-
oHG, um sie von anderen Gesellschaften lich. Der eine hat einen Privatkredit zu nicht
abzugrenzen: Alle Gesellschafter haften un- ganz günstigen Bedingungen mangels ausrei-
beschränkt persönlich, auch mit ihrem Privat- chender Haftungsmasse aufnehmen müssen,
vermögen. der andere konnte sein Haus mit einer Hypo-
Die oHG ist in das Handelsregister einzutra- thek belasten und so einen besseren Kredit
gen. bekommen.
Zum Handelsregister
3.2.1.1 Rechtsverhältnisse der
Das Handelsregister ist ein Verzeichnis aller
Gesellschafter
Vollkaufleute und wird von den Gerichten
Nach dem Gesellschaftsvertrag bestimmen geführt (§ 8 HGB). Es ist öffentlich, was
sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschaf- besagt, dass jedem die Einsicht des Handels-
ter untereinander. Der Gesellschaftsvertrag registers und der zum Handelsregister einge-
bedarf keiner bestimmten Form, jedoch ist bei reichten Schriftstücke gestattet ist (§ 9 HGB).
Einbringung von Grundstücken in die Gesell- Alle Eintragungen im Handelsregister werden
schaft notarielle Beurkundung erforderlich. vom Gericht öffentlich bekannt gegeben (§ 10
Regelt der Gesellschaftsvertrag nicht sämtli- HGB).
che Rechte und Pflichten der Gesellschafter
im Innenverhältnis, finden ergänzend die
Vorschriften des HGB Anwendung. Aufgabe
Zu den wichtigsten Pflichten der Gesellschaf- 2. Zwei Mitarbeiter aus dem Einkauf der
ter untereinander gehört zunächst die Leis- DMW AG, Verena Schacht und Jens
tung der Einlage, die je nach Vereinbarung als Völckers, beabsichtigen, ihre Firma zu
Geld oder in Sach- und Rechtswerten geleistet verlassen und sich selbstständig zu ma-
werden kann. Wichtig ist auch, dass nach der chen. Während ihrer Tätigkeit im Ein-
gesetzlichen Regelung jeder Gesellschafter kauf haben sie festgestellt, dass die
allein zur Geschäftsführung verpflichtet und DMW AG diverse Einzelteile häufig von
berechtigt ist, was jedoch im Gesellschafts- Importfirmen bezieht, die ihre Waren aus
vertrag anders geregelt werden kann. Die Südostasien einführen.
Geschäftsführungsbefugnis gilt für alle Hand-
lungen, die der gewöhnliche Betrieb der je-
weiligen Gesellschaft mit sich bringt. Bei
darüber hinausgehenden, außergewöhnlichen
Geschäften ist ein Beschluss sämtlicher Ge-
sellschafter erforderlich.
226 Rechtliche Grundlagen
3.2.4 Die stille Gesellschaft Die Kapital- und Rücklagenkonten sind unverzinslich.
Die Darlehenskonten sind mit einem Zinssatz entspre-
Bei der stillen Gesellschaft beteiligt sich der chend dem Bundesbankdiskontsatz im Jahresdurchschnitt
stille Gesellschafter an dem Handelsgewerbe am Jahresende zu verzinsen.
eines anderen mit einer Vermögenseinlage, III. Geschäftsführung, Gesellschafterbeschlüsse
die in das Vermögen des Inhabers des Han-
delsgeschäftes übergeht. § 5 Geschäftsführung, Vertretung
Der stille Gesellschafter ist nur Kapitalgeber, Die persönlich haftenden Gesellschafter sind zur Ge-
nach außen hin tritt er nicht in Erscheinung. schäftsführung und Vertretung der Gesellschaft allein
Daraus ergibt sich bereits, dass der stille Ge- berechtigt und verpflichtet.
sellschafter nicht an der Geschäftsführung Die persönlich haftenden Gesellschafter haben ihre ganze
Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft z u stellen.
beteiligt ist und die Gesellschaft nicht vertre- Sie erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung von 3000,-
ten kann. EUR monatlich, die zum Ende eines jeden Monats zahl-
bar ist. Die Vergütung ist zu Beginn eines jeden Ge-
schäftsjahres unter Berücksichtigung der Entwicklung der
Lebenshaltungskosten und der Ertragslage der Gesell-
schaft neu festzusetzen. Die persönlich haftenden Gesell-
schafter haben Anspruch auf fünf Wochen Urlaub im
Jahr. Der Urlaub ist so zu legen, dass die Belange der
Gesellschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.
Nicht genommener Urlaub wird entsprechend ausgezahlt.
230 Rechtliche Grundlagen
§ 7 Geschäftsjahr, Jahresabschluss
3.3.1.1 Die Gründung einer AG Der ausgeschiedene Gesellschafter erhält eine Abfin-
dung, für deren Höhe und Bezahlung gilt:
Das AktG enthält ausführliche und zwingende
Regelungen zur Gründung einer AG. Hierfür Der Gesellschafter erhält als Abfindungsguthaben den
waren früher mindestens fünf Gründungsakti- Buchwert seiner Beteiligung zuzüglich eiines Aufschla-
ges von 20 %. Das Darlehenskonto bleibt bei der Abfin-
onäre erforderlich. Nachdem das „Gesetz für dung außer Betracht. Ein Guthaben darauf ist dem Ge-
kleine Aktiengesellschaften und zur Deregu- sellschafter unverzüglich nach seinem Ausscheiden
lierung des Aktienrechts“ im August 1994 in auszuzahlen; ein Schuldsaldo unverzüglich von ihm
Kraft getreten ist, kann eine AG auch durch auszugleichen. Die Abfindung ist in sechs gleichen
Jahresraten zu bezahlen. Die erste Rate ist mit Ablauf des
nur eine Person gegründet werden. Bei der auf das Ausscheiden folgenden Jahres fällig.
sog. einfachen Gründung muss zunächst die
Satzung durch notarielle Beurkundung festge- Am Gewinn oder Verlust, der sich aus den am Tag des
stellt werden. Die Satzung muss einen Mindest- Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt, nimmt der
ausgeschiedene Gesellschafter nicht teil.
inhalt aufweisen, wozu u.a. die Firma und der
Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Un- Ändern sich die Jahresabschlüsse für die Zeit bis zum
ternehmens, die Höhe des Grundkapitals, die Ausscheiden des Gesellschafters infolge einer steuerli-
Nennbeträge der Aktien und ihre Zahl sowie chen Außenprüfung der Gesellschaft oder durch ander-
weitig veranlasste Änderungen der Veranlagungen, so ist
die Zahl der Vorstandsmitglieder gehören. die Auseinandersetzungsbilanz entsprechend zu ändern
Sodann ist das Grundkapital aufzubringen, und die Abfindung der Änderung anzupassen.
indem die Gründer die Aktien übernehmen,
VIII. Schlussbestimmung
was bedeutet, dass sie sich zur Einzahlung der
Einlagen verpflichten. § 14 Salvatorische Klausel
Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz
beträgt 50000 EUR. oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird
hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht
Damit ist die AG errichtet. begeührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung oder
Es folgt die Bestellung des Aufsichtsrates, der zur Ausfüllung der Lücke soll eine angemessene wirksa-
me Regelung treten, die dem angestrebten wirtschaftli-
seinerseits den Vorstand bestellt. Nun sind chen Zweck am nächsten kommt.
das Kapital einzuzahlen und ein schriftlicher
Bericht über den Hergang der Gründung zu Abb. 7: Auszug aus einem Original-
erstellen. Kommanditisten-Vertrag
Schließlich ist die Gesellschaft zur Eintra- Die Deutschen Motoren Werke sind eine
gung in das Handelsregister anzumelden. Aktiengesellschaft. Ihr Grundkapital beträgt
Erst mit der Eintragung in das Handelsregister 90 000 000,-- EUR. Sie hat 18400 Mitarbeiter.
entsteht die AG als juristische Person.
Um eine qualifizierte Gründung handelt es Beispiel:
sich beispielsweise, wenn einzelnen Aktionä- Abbildung einer Aktie der DMW AG. Bei
ren Sondervorteile zugestanden werden oder Inhaberaktien ist die Führung eines Aktienbu-
Sacheinlagen geleistet werden dürfen. Es ches zwar nicht notwendig, dennoch wird ein
handelt sich um Abreden, die zum Schutz von solches häufig zu Beweiszwecken angelegt.
Aktionären und Gläubigern in die Satzung
aufgenommen werden müssen. DMW Aktiengesellschaft
in Hannover
Aktie über 50,- EUR
3.3.1.2 Die Anteile an einer AG Nr. 1370
Die AG hat ein in Aktien zerlegtes Grundka-
pital. Die Aktien müssen einen Nennbetrag Der Inhaber dieser Aktie ist im Nenn-
betrag von fünfzig EUR an der DMW Ak-
von mindestens 1 EUR haben. Ein höherer tiengesellschaft in Hannover nach Maß-
Nennbetrag muss auf volle EUR lauten. gabe ihrer Satzung als Aktionär betei-
ligt.
In den Aktien ist der Anteil des Aktionärs,
seine Mitgliedschaft an der AG, verbrieft. Hannover, August 20..
Aktien sind Wertpapiere, die ihrer Art nach
hinsichtlich der Übertragbarkeit unterschie- Eingetragen in das Aktienbuch S. 315
den werden. Meistens handelt es sich bei den Kallenberger Behr Schröder
Aktien um sog. Inhaberaktien. Dies bedeu- (Aufsichtsrats- (Vorstand)
tet, dass das Recht, das in der Aktie verbrieft vorsitzender)
ist, dem jeweiligen Inhaber der Aktie zusteht.
Die Übertragung ist einfach, sie erfolgt durch Abb. 8: Aktie der DMW AG
Einigung zwischen dem Inhaber und dem
Erwerber und der Übergabe der Aktie. Die an
der Börse gehandelten Aktien stellen Inhaber-
aktien dar.
Bei Namensaktien hingegen steht das ver-
briefte Recht demjenigen zu, auf dessen Na-
men die Aktie lautet. Der Name muss zumin-
dest auf der Rückseite der Aktie vermerkt
sein. Die Übertragung von Namensaktien
bedarf zusätzlich zu der Einigung und Über-
gabe eines Indossaments. Dies bedeutet, dass
der Inhaber auf der Rückseite der Aktie durch
eine rechtsgeschäftliche Erklärung die Aktie
auf den Erwerber überträgt.
Abb. 9: Stammaktien verbriefen Rechte
und Pflichten des Aktionärs
234 Rechtliche Grundlagen
Zur Gründung sind mindestens sieben Genos- Alle gemeinnützig anerkannten Wohnungs-
sen erforderlich, die schriftlich ein Statut baugenossenschaften sind verpflichtet, Nut-
(Satzung) festlegen müssen. Sodann werden zungsverträge nur nach dem vorgeschriebe-
der Vorstand und der Aufsichtsrat gewählt. nen Mustervertrag abzuschließen. Nachdem
Die Genossenschaft ist in das Genossen- Frau Riemann die verlangten Mietzinse ande-
schaftsregister, das beim Handelsregisterge- rer Wohnungen verglichen hat mit dem Nut-
richt geführt wird, einzutragen. zungsentgelt, das die Wohnungsbaugenossen-
Die Haftung der Genossen ist in der Satzung zu schaft fordert, stellt sie fest, dass sie über die
bestimmen. Möglich ist, dass nur die Genos- Genossenschaft zu besseren Konditionen eine
senschaft mit ihrem Vermögen haftet, die ein- Wohnung bekommen kann.
zelnen Genossen aber keine Nachschusspflicht Aufgabe
trifft. In diesem Fall haften sie also lediglich mit
8. a) Es kommt vor, dass die Gläubiger
ihrem Geschäftsanteil. Es kann aber auch be-
eines verschuldeten Unternehmens die-
stimmt werden, dass die Genossen bis zu einer
ses durch weitere Kapitalzufuhr zu
bestimmten Summe oder sogar in unbe-
sanieren versuchen, um sich selbst
schränkter Höhe Nachschüsse leisten müssen.
größere Verluste zu ersparen. Dies ist
Die Nachschusspflicht besteht nur gegenüber
insbesondere dann zweckmäßig, wenn
der Genossenschaft, die Gläubiger können die
sich das Unternehmen in einer vorü-
Genossen nicht selbst unmittelbar in Anspruch
bergehenden Krise befindet.
nehmen.
Weshalb wäre die Umwandlung des sa-
Genossenschaften gibt es in Deutschland
nierungsbedürftigen Unternehmens in
bereits seit fast 150 Jahren. Aufgrund der weit
eine GmbH & Co. KG möglicherweise
reichenden Vorteile für die Genossen gibt es
für die Gläubiger empfehlenswert?
etwa gut 7000 Genossenschaften. Das macht
deutlich, dass den Genossenschaften eine b) Die Spedition H. Brinker KG besteht
besondere, gesamtwirtschaftliche Bedeutung seit 70 Jahren als Familienunternehmen,
zukommt. bei welchem auch einige Kommanditis-
ten nicht zur Familie gehören, sondern
Eine besondere gesellschaftliche Aufgabe
nur aus wirtschaftlichen Gründen betei-
erfüllen Baugenossenschaften. Mit ihren
ligt sind. Der Komplementär Georg
Genossenschaftsanteilen wird es den Genos-
Brinker, ein Enkel des Gründers, ist ver-
sen ermöglicht, in die von der Genossenschaft
storben. Seine Kinder sind noch zu jung,
gebauten und betriebenen Wohnhäuser zu
um die Leitung des Unternehmens zu
ziehen, d.h. eine Mietwohnung zu bekommen.
übernehmen, seine verwitwete Ehefrau
traut sich diese Aufgabe nicht zu. Den-
3.3.5.2 Die GmbH & Co. KG
noch möchte die Familie Brinker keinen
Die GmbH & Co. KG ist eine kombinierte Außenstehenden, der fachlich und fi-
Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit nanziell dazu in der Lage wäre, zum
einer Personengesellschaft. Komplementär machen, weil ein Frem-
Es handelt sich bei dieser Unternehmensform der nicht die starke Stellung des persön-
um eine KG, deren persönlich haftender Ge- lich haftenden Gesellschafters einneh-
sellschafter eine GmbH ist. men soll.
Weshalb wäre die Umwandlung in ei-
ne GmbH & Co. KG vorteilhafter als
in eine GmbH?
3. Gesellschaftsrecht 243
Kennzeichnend ist, dass die Herrschaftsmacht Sie beabsichtigen, Kunden als Kapitalgeber
den Gründern, die die Anteile an der Kom- zu gewinne und verschicken deshalb ein ent-
plementär-GmbH besitzen, obliegt. Die Kom- sprechendes Rundschreiben. Die DMW AG
manditisten sind an der Ausgestaltung des ist zwar nicht interessiert, eine solche Kapi-
Gesellschaftsvertrages nicht beteiligt, sondern talbeteiligung passt nicht in ihr Konzept, aber
werden im Wege des Beitritts Mitglied der einige der anderen Kunden beteiligen sich
Gesellschaft. gern an dem expandierenden Unternehmen.
3.4. Unternehmenszusammenschlüsse
Grund befinden sich einige Regelungen zum rechtlich und wirtschaftlich - Trust
Konzernrecht im Aktiengesetz. unselbstständig
Unternehmenszusammenschlüsse können
auch nach der Wirtschaftsstufe unterschieden
werden: Bei der horizontalen Konzentration
vereinigen sich Unternehmen der gleichen
Produktions- oder Handelsstufe, wie etwa der
Zusammenschluss mehrerer Warenhäuser
oder Kosmetikhersteller. Zusammenschlüsse
auf vertikaler Ebene liegen vor, wenn sich
Unternehmen, die in aufeinander folgenden
Produktions- oder Handelsstufen tätig sind,
zusammenschließen. Von einer diagonalen
Konzentration spricht man (siehe Abb. 24),
wenn sich Unternehmen unterschiedlicher
Branchen zusammenschließen.
Dies trifft z.B. auf Trödler oder kleine Hand- Nach einigen Monaten nimmt die D-
werksbetriebe zu. Unter kaufmännischer Bank Rüdiger Schmitz in Anspruch.
Einrichtung in diesem Sinne ist insbesondere Dieser wendet ein, die Bank müsse
kaufmännische Buchführung, Bilanzierung sich erst an Horst Meyer halten. Ist
und Organisation zu verstehen. Maßgebliche Rüdiger Schmitz Kaufmann und wel-
Kriterien für die Erforderlichkeit kaufmänni- che Bedeutung hätte dies für die Inan-
scher Einrichtungen sind für den Umfang spruchnahme aus der Bürgschaft?
beispielsweise Umsatz, Zahl der Beschäftig- e) Konrad Müller betreibt ein kleines
ten, Anlage- und Betriebskapital und für die Lebensmittelgeschäft und tritt nach
Art beispielsweise die Vielfalt des Geschäfts- außen als „Großhandel Müller“ auf.
gegenstandes, die Inanspruchnahme von Kre- Kann er sich darauf berufen, nicht ins
dit- oder Teilzahlungen und der Umfang der Handelsregister eingetragen zu sein?
Geschäftskorrespondenz.
h) Eine Initiative betroffener Familien
Kleingewerbe sind somit grundsätzlich nicht gründet eine Behindertentagesstätte.
kaufmännisch, sie können sich aber im Han- Betreut werden behinderte Familien-
delsregister eintragen lassen und erhalten mitglieder von Mitgliedern. Die Initi-
dadurch dann die Kaufmannseigenschaft. Sie ative will die Tagesstätte als GmbH &
werden als Kannkaufleute bezeichnet, da sie Co. KG führen und meldet sie zur Ein-
ein Wahlrecht haben, ob sie sich in das Han- tragung in das Handelsregister an.
delsregister eintragen lassen. Wird die GmbH & Co. KG eingetra-
Land- und Forstwirte gen werden (mit Begründung)?
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft wer- i) Der Baustoffhändler Reiner Ramcke
den nicht von § l und § 2 Handelsgesetzbuch hat an die V. Schröder KG, eine
erfasst, so dass sie kraft Gesetz keine Kauf- Bauuntemehmung, Baumaterial ge-
leute sind. Sie können sich jedoch in das liefert. Beide sind im Handelsregis-
Handelsregister eintragen lassen, wenn ihr ter eingetragen. Beim Einbau der
Unternehmen nach Art und Umfang einen in Materialien drei Monate später zeigt
kaufmännischer Weise eingerichteten Gewer- sich, dass die Baumaterialien schad-
bebetrieb erfordert ( § 3 HGB). Dies gilt auch haft sind, was auch erkennbar war.
für land- oder forstwirtschaftliche Nebenbe- Sind die Parteien Kaufleute, und
triebe, also wenn die Erzeugnisse vertrieben weshalb ist dies von Bedeutung?
werden, wie z.B. in Molkereien oder Säge-
werken. Landwirtschaftliche Tätigkeit setzt Beispiel:
voraus, dass der Grund und Boden in be- Geschäft unter Kaufleuten
stimmter Weise genutzt wird. So betreiben
Gärtnereien nur dann Landwirtschaft i.S.d. Die DMW AG und die Kern GmbH & Co.
§ 3 HGB, wenn der Betrieb auf Gewinnung KG haben konkrete Verhandlungen über den
und Züchtung von Pflanzen im Eigenanbau Kauf von Autoreifen geführt, die die Kern
gerichtet ist. Der bloße Vertrieb von gekauf- GmbH & Co. KG vertreibt. Der Einkäufer der
ten Pflanzen stellt keine Landwirtschaft dar. DMW AG, Herr Cremer, ist der Ansicht, dass
es zwischen ihnen zu einem Vertragsschluss
gekommen ist, und zwar dergestalt, dass die
DMW AG zunächst sechs Monate lang pro
Monat 5 000 Reifen 135 SR 13 abnimmt zu
einem Stückpreis von 34 EUR.
Teil 2: Der Kaufmann 251
Rechtsscheinhaftung
Ein Dritter kann sich auf eine unrichtig
eingetragene Tatsache demjenigen
gegenüber, für den sie einzutragen war,
berufen, es sei denn, er kannte die
Unrichtigkeit.
3. Verbraucherschutzvorschriften
Von den zahlreichen Verbraucherschutzvorschriften seien hier nur drei genannt, die auch beim
Abschluss von Verträgen eine Rolle spielen.
Zwar müssen die Vertragspartner keine Ver- b) Des Weiteren befindet sich in den
träge mit für sie nachteiligen Bedingungen Verkaufsbedingungen des Händlers
abschließen. Häufig bleibt ihnen aber nichts Fritz Baldur eine Klausel, wonach
anderes übrig, wenn sie die betreffende der Käufer ein Jahr lang nach der
Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen Abnehme des Wagens seinen Treib-
oder die jeweilige Ware dringend benötigen, stoff nur an bestimmten Tankstellen,
zumal oftmals die konkurrierenden Anbieter mit denen Fritz Baldur eine vertrag-
ähnliche AGB verwenden. Davon abgesehen, liche Übereinkunft getroffen hat, be-
ist für viele am Rechtsleben Beteiligte auch ziehen darf. Ist diese Klausel wirk-
die Bedeutung der AGB nicht stets erkennbar. sam (mit Begründung)?
Diese wird insbesondere von Privaten oftmals
erst erkannt, wenn es zu Schwierigkeiten in
der Vertragsabwicklung kommt. Auszug aus den Verkaufsbedingungen des Händ-
lers Schuchardt, der besonders in Mecklenburg-
Vorpommern mehrere Niederlassungen hat:
3.1.2 Einbeziehung der AGB in 5. Gewährleistung
den Vertrag a) Der Verkäufer gewährleistet eine dem jeweili-
gen Stand der Technik entsprechende Fehler-
AGB sind keine rechtlichen Regelungen. Sie freiheit für ein Jahr nach Auslieferung.
werden nur dann Inhalt des Vertrages, wenn b) Der Käufer kann die Beseitigung von Fehleren
der Verwender seinen Vertragspartner bei und dadurch an anderen Teilen des Wagens
verursachten Schäden (Nachbesserung) mit
Vertragsschluss ausdrücklich auf die AGB folgender Maßgabe verlangen:
hinweist bzw. – falls dies wegen der Art des • Der Käufer kann die Ansprüche beim
Vertragsschlusses unverhältnismäßig schwie- Verkäufer direkt oder bei vom Hersteller
rig ist – durch deutlich sichtbaren Aushang für die Betreuung des Kraftfahrzeugs an-
am Ort des Vertragsabschlusses. Darüber erkannten Betrieben geltend machen.
hinaus muss der Vertragspartner die Mög- • Der Käufer hat Mängel unverzüglich
nach deren Feststellung bei dem in An-
lichkeit haben, von dem Inhalt der AGB spruch genommenen Betrieb schriftlich
Kenntnis zu erlangen, und er muss mit der anzuzeigen oder von dem Betrieb auf-
Geltung der AGB einverstanden sein. nehmen zu lassen.
• Nachbesserungen erfolgen unverzüglich
3.1.3 Wichtige Regelungen der ohne Berechnung. Ersetzte Teile werden
Eigentum des Verkäufers.
§§ 305ff BGB • Für die bei der Nachbesserung eingebauten
Teile wird bis zum Ablauf der Gewährleis-
Vereinbaren die Parteien in einem bestimm- tungsfrist des Kraftfahrzeuges Gewähr
ten Punkt etwas anderes als in den AGB steht, aufgrund des Kaufvertrages geleistet.
so hat die Individualabrede Vorrang vor • Bei Betriebsunfähigkeit des Kraftfahr-
den AGB. Außerdem werden sog. „überra- zeuges sorgt der nächstgelegene, vom
schende Klauseln“ in den AGB, mit denen Hersteller anerkannte Betrieb für ein kos-
tenloses Abschleppen zum Zwecke der
der Vertragspartner nicht zu rechnen brauch-
Ausführung der Nachbesserung.
te, nicht Bestandteil des Vertrages. c) Kann der Fehler nicht beseitigt werden, oder
sind weitere Nachbesserungsversuche für den
Käufer unzumutbar, kann der Käufer Wand-
lung (Rückgängigmachung des Kaufvertrages)
oder Minderung (Herabsetzung des Kaufprei-
ses) verlangen. Ein Anspruch auf Ersatzliefe-
rung besteht nicht.
Das eigentliche Ziel der §§305 ff. ist die Vor- Beispiel:
nahme einer Inhaltskontrolle: Es werden
Herr Venden beauftragte eine Kfz-Werkstatt,
Grenzen für die Geltung von Allgemeinen
den defekten Auspuff seines PKWs zu erneu-
Geschäftsbedingungen gesetzt, wenn diese
ern. Bei Abholung wundert er sich über die
die gesetzlichen Regelungen einseitig zu
hohe Rechnung, stellt aber fest, dass der
Lasten des Vertragspartners abändern. So
Meister zusätzlich Vergaser und Zündkerzen
werden in den §§ 308, 309 einzelne Klausel-
ausgetauscht und entsprechend berechnet hat.
verbote aufgezählt. Da diese einzelnen Klau- Herr Venden stellt den Meister zur Rede. Der
selverbote aber nicht alle denkbaren Regelun- antwortet, dass sowohl der Vergaser als auch
gen aufzählen können, die den Vertragspart- die Zündkerzen dringend hätten erneuert
ner einseitig benachteiligen, existiert eine sog.
werden müssen. In diesem Zusammenhang
Generalklausel in § 307 BGB.
weist der Meister auf seine ausliegenden
Danach sind Bestimmungen in AGB unwirk- AGB (siehe Abb. 4) hin, nach deren Ziffer 6
sam, wenn sie den Vertragspartner entgegen der Auftrag auf Arbeiten, die der Meister für
den Geboten von Treu und Glauben unange- notwendig hält, erweitert werden kann. Herr
messen benachteiligen. Eine unangemessene Venden ist zu Recht empört: Diese Klausel ist
Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, gemäß § 9 AGBG unwirksam, da sie den
• wenn die Regelung in den AGB mit we- Kunden unangemessen benachteiligt.
sentlichen Grundgedanken der gesetzli-
chen Regelung nicht zu vereinbaren ist, Aufgabe
oder
3. c) Wieso wird der Kunde – Beispiel
• wenn die Regelung wesentliche Rechte oben – unangemessen benachteiligt?
und Pflichten des Vertrages so ein- Wieso hat der Gesetzgeber eine Ge-
schränkt, dass die Erreichung des neralklausel geschaffen? Begründen
Vertragszwecks gefährdet ist. Sie Ihre Überlegungen!
Um den Verbraucherschutz zu stärken, haben
nicht nur die einzelnen Vertragspartner das
Recht, gewissen Klauseln anzugreifen. Viel-
mehr können etwa Verbraucherschutzverbän-
de oder Industrie- und Handelskammern den § 2 Abs. 1. Einbeziehung in den Vertrag
Verwender von angreifbaren AGB auf Unter- Allgemeine Geschäftsbedingungen werden
lassung verklagen. nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn
der Verwender bei Vertragsabschluss
1. die andere Vertragspartei ausdrücklich
Zusammenfassung oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis
Die Vorschriften zur Regelung der All- wegen der Art des Vertragsabschlusses
gemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 nur unter unverhältnismäßigen Schwie-
ff.) sind wichtige Vorschriften zum rigkeiten möglich ist, durch deutlich
Schütze des Verbrauchers. Ihre General- sichtbaren Aushang am Ort des Vertrags-
klausel mit dem Gebot von Treu und abschlusses auf sie hinweist und
Glauben übt eine Art allgemeiner Schutz- 2. der anderen Vertragspartei die Möglich-
funktion aus. Daneben enthält es weitere keit verschafft, in zumutbarer Weise von
wichtige Bestimmungen, die den Bürgern ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.
im Geschäftsleben zugute kommen.
Abb. 5: Auszug aus dem AGBG
258 Rechtliche Grundlagen
Die §§ 312, 312a, 355 BGB gelten nicht nur i.d.R. wettbewerbsrechtlich gebilligt
für Kaufverträge, sondern für alle Verträge, • Haustürgeschäfte im Sinne von unbestellten
die auf eine entgeltliche Leistung gerichtet Vertreterbesuchen
• Freizeitveranstaltungen, insbesondere
sind und bei denen die Willenserklärung des „Kaffeefahrten“
Kunden aufgrund der aufgeführten Situatio- • Geschäfte im privaten Bereich, insbesondere
„Partywerbung“
nen abgegeben wurde, somit auch z.B. Mak-
ler-, Dienst- und Werkverträge. i.d.R. wettbewerbsrechtlich missbilligt
Danach muss der Kunde seine Willenserklä- „Der Käufer kann binnen einer Woche ab
rung entweder Erhalt einer Ausfertigung dieses Vertrages
• aufgrund mündlicher Verhandlungen an seine auf den Abschluss des Kaufvertrages
seinem Arbeitsplatz oder im Bereich ei- gerichtete Willenserklärung widerrufen.
ner Privatwohnung oder Der Widerruf ist schriftlich zu richten an: ...
• anlässlich einer Freizeitveranstaltung, die Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige
von dem Vertragspartner oder einem Absendung der Widerrufserklärung.
Dritten in dessen Interesse durchgeführt ...
wird, oder
• im Anschluss an ein überraschendes
Ansprechen in Verkehrsmittel oder im Unterschrift Käufer“
Bereich öffentlich zugänglicher Ver- Abb. 8: Widerrufsbelehrung
kehrswege
Beispiel zum VerbrKrG:
abgegeben haben.
Im Juni 20.. kaufte Max Turner bei dem
Ein Widerrufsrecht besteht jedoch nicht,
DMW-Händler Frank Schuchardt einen ge-
wenn der Kunde seinen Vertragspartner vor-
brauchten DMW-Shopper zum Preis von
her bestellt hat und deshalb die mündlichen
11800,- EUR. Herr Turner konnte nur 3000,-
Verhandlungen geführt worden sind. Eben-
EUR anzahlen, weshalb die Parteien verein-
falls ist der Kunde nicht schutzwürdig, wenn
barten, den restlichen Kaufpreis über die
seine Erklärung notariell beurkundet worden
Teilzahlungs-, Handels- und Anlagebank
ist. Zudem sind Bagatellgeschäfte von dem
(THA-Bank) zu finanzieren. Herr Schuchardt
Schutzbereich des § 312 BGB ausgenommen
arbeitete häufig auf diese Weise mit der
worden. Bagatellgeschäfte in diesem Sinne
THA-Bank zusammen und hatte entsprechen-
liegen vor, wenn die Leistung sofort erbracht
de Darlehensformulare in seinem Schreibtisch
wird und das Entgelt nicht höher ist als 80,-
vorrätig. Herr Schuchardt und Herr Turner
EUR. Wichtig ist weiter, dass auf Vertragsab-
sprachen die Konditionen durch und füllten
schlüsse zwischen Privatpersonen, wie etwa
das Formular aus, das Herr Turner auch un-
beim Verkauf eines Gebrauchtwagens von
terschrieb. Danach sollte Herr Turner der
privat, das § 312 BGB keine Anwendung
Bank das Darlehen über 8800,- EUR zuzüg-
findet.
lich Bearbeitungs- und Kreditgebühren in
Das Widerrufsrecht für den Kunden ist die Höhe von 2000,- EUR ab 15. Juli 20.. in 18
einzige Rechtsfolge des § 312 BGB. Der Monatsraten à 600,- EUR zurückzahlen. In
Widerruf hat binnen einer Frist von zwei dem Vertrag war schriftlich vereinbart, dass
Wochen schriftlich zu erfolgen. Hervorzuhe- Herr Turner den gekauften DMW-Shopper
ben ist, dass der Lauf dieser Frist erst beginnt, der THA-Bank zur Sicherung des gewährten
wenn der Kunde schriftlich und deutlich über Kredits übereignet. Sobald Herr Turner das
sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Darlehen vollständig getilgt hat, würde das
Eigentum an dem Wagen automatisch wieder
an ihn zurückfallen. Die Darlehensvaluta von
8800,-EUR zahlte die Bank direkt an Herrn
Schuchardt aus, der den Wagen Herrn Turner
übergab.
260 Rechtliche Grundlagen
3.3 Die Vorschriften über Nach einem Monat stellte Herr Turner fest,
Verbraucherdarlehens- dass der Tank ein Leck hat, und reklamierte
dies bei Herrn Schuchardt. Dieser versprach,
verträge (§§ 491 ff. BGB) den Mangel kostenlos zu beseitigen. Während
der Reparaturzeit verweigerte Herr Turner die
Am 1. Januar 1991 trat das Verbraucherkre- nächste fällige Rate unter Hinweis auf die
ditgesetz in Kraft. Ein entsprechendes Gesetz Mangelhaftigkeit des Wagens. Zu Unrecht.
war erforderlich geworden aufgrund einer Zwar handelt es sich bei dem Kauf- und dem
Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, Kreditvertrag um ein so genanntes verbunde-
wonach ein angemessener Verbraucherschutz nes Geschäft im Sinne der §§ 358, 369 BGB.
bei Kreditverträgen zwischen gewerblichen Denn der Kredit diente allein der Finanzie-
Kreditgebern und Verbrauchern hergestellt rung des Kaufpreises, und die Verträge sind
werden sollte. Zuvor hatte bereits das Gesetz als wirtschaftliche Einheit anzusehen, insbe-
betreffend die Abzahlungsgeschäfte von 1894 sondere, da Herr Schuchardt und die THA-
fast einhundert Jahre lang für Verbraucher- Bank öfter auf diese Weise zusammenarbei-
schutz bei Ratenkäufen gesorgt. Der Käufer ten. Bei einem derartig verbundenen Geschäft
sollte insbesondere vor dem Verlust der ge- kann der Käufer dem Kreditgeber gegenüber
kauften Sache und der schon gezahlten An- die Einwendungen aus dem Kaufvertrag ent-
zahlung auf den Kaufpreis geschützt werden. gegenhalten und seine Leistung verweigern,
Im Wege der Schuldrechtsreform 2002 wurde wenn er sie auch gegenüber dem Verkäufer
das Verbraucherkreditgesetz in das Bürgerli- verweigern könnte (sog. Einwendungsdurch-
che Gesetzbuch integriert. Die Verbraucher- griff). Allerdings ist in § 359 BGB bestimmt,
darlehensverträge sind nun in den §§ 491 - dass dies bei einem Mangel, für welchen der
498 BGB geregelt. Käufer Nachbesserung fordert, erst möglich
ist, wenn die Nachbesserung fehlgeschlagen
ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall gewesen,
3.3.1 Der Anwendungsbereich
Herr Schuchardt hat das Leck einwandfrei
der §§ 491 ff. BGB repariert. Nach Aufklärung über die Rechtsla-
Die §§491 ff. BGB haben einen weiten An- ge hat Herr Turner seine Zahlung an die Bank
wendungsbereich. Sie regeln bis auf wenige auch geleistet.
Ausnahmen den gesamten Bereich der Insgesamt hat Herr Turner in der Folgezeit
Verbraucherkredite. Verbraucherschutz in die ersten zehn Monatsraten geleistet. Nach-
diesem Bereich ist besonders wichtig, denn dem er allerdings mit den folgenden drei
wie eine Untersuchung der Situation der Raten in Verzug geraten war, schickte ihm die
Schuldner von Ratenkrediten gezeigt hat, Bank das folgende Schreiben: siehe Seite 289.
geraten viele Schuldner, die die Einzelraten Herr Turner war aufgrund persönlicher Prob-
nicht mehr aufbringen können und denen leme jedoch zu keiner weiteren Zahlung in
aufgrund dessen der Kredit gekündigt und die der Lage, weshalb die THA-Bank ihm den
Gesamtsumme fällig gestellt wird, in wirt- Kredit im September 20.. kündigte und Herrn
schaftliche Not. Sie sind oftmals nicht in der Turner aufforderte, den finanzierten Wagen
Lage, den offenen Betrag sofort auszuglei- an sie herauszugeben. Herr Turner übergab
chen, weshalb die Schulden – auch wegen der dem Niederlassungsleiter den Wagen sowie
Zinseszinsen – schnell anwachsen. die dazugehörigen Schlüssel und Papiere. Sie
einigten sich darauf, dass die Bank versuchen
sollte, den Wagen möglichst gut zu verkaufen
und den erzielten Erlös sodann auf die restli-
che Darlehensschuld zu verrechnen.
3. Verbraucherschutzvorschriften 261
4. Der Kaufvertrag
Von wirtschaftlich herausragender Bedeutung
ist der Kaufvertrag, der hier genauer darge-
stellt werden soll.
Ist vertraglich kein Erfüllungsort vereinbart, Die Lieferbedingungen des Händlers Schuchardt
so ist die Leistung am Ort des Schuldners 1. Liefertermine können verbindlich oder unverbind-
vorzunehmen. Im Zweifel liegt somit keine lich vereinbart werden. Sie sind schriftlich an-
zugeben.
Bringschuld vor, sondern eine Hol- oder eine
2. Vier Wochen nach Überschreiten eines unverbind-
Schickschuld. Im Handelsverkehr sind Wa- lichen Liefertermins kann der Käufer den Verkäufer
renschulden im Zweifel Schickschulden. Bei schriftlich auffordern, binnen angemessener Frist zu
der Abwicklung eines Kaufvertrages ist zu liefern. Mit dieser Mahnung kommt der Verkäufer
bedenken, dass sowohl der Verkäufer als auch in Verzug. Neben der Lieferung kann der Käufer
Ersatz des Verzugsschadens nur verlangen, wenn
der Käufer dem anderen Vertragspartner eine dem Verkäufer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
Leistung schulden. Für die Warenlieferung ist zur Last fällt.
i.d.R. der Ort des Verkäufers Erfüllungsort, Im Falle des Verzuges kann der Käufer dem Verkäu-
dort hat er die verkaufte Ware zu übergeben fer auch schriftlich eine angemessene Nachfrist set-
zen mit dem Hinweis, dass er die Abnahme des Fahr-
bzw. abzusenden. Bei der Zahlungsschuld des
zeuges nach Fristablauf ablehne. Nach erfolglosem
Käufers handelt es sich im Zweifel um eine Ablauf der Frist ist der Käufer berechtigt, durch
Schickschuld; der Käufer hat das Geld auf schriftliche Erklärung vom Kaufvertrag zurückzutre-
seine Gefahr und seine Kosten dem Verkäufer ten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu for-
dern. Dieser beschränkt sich bei leichter Fahrlässig-
an dessen Wohnsitz zu übermitteln.
keit auf höchstens 10 % des Kaufpreises.
• Transportkosten 3. Wird ein verbindlicher Liefertermin überschritten,
kommt der Verkäufer bereits mit Überschreiten des
Die Frage, wer die Transportkosten zu tragen Liefertermins in Verzug. Die Rechte des Käufers
hat, hängt von dem Erfüllungsort ab. Wenn bestimmen sich dann nach Ziffer 2 Absatz 1 Satz 3
nichts anderes vereinbart ist, hat der Verkäu- und Absatz 2.
fer die Kosten der Übergabe und der Käufer 4. Höhere Gewalt, Aufruhr, Streik, Aussperrung und
unverschuldete erhebliche Betriebsstörungen führen
die Kosten der Abnahme und der Versendung zu einer Verlängerung der Liefertermine um die
nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort Dauer dieser Störungen.
zu tragen. Häufig wird jedoch etwas anderes
Abb. 12: Beispiel für Lieferbedingungen
vereinbart. So sind etwa typische Klauseln im
innerdeutschen Handelsverkehr „ab Lager“
oder „ab Werk“ (der Käufer trägt sämtliche Aufgabe
Transportkosten) oder „frei Bahn“ (der Ver- 5. Was für eine Schuld im Hinblick auf den
käufer trägt die Beförderungskosten bis zur Erfüllungsort der verkauften Ware liegt
Bahn, die übrigen Kosten trägt der Käufer). in den folgenden Fällen vor?
Von besonderer Bedeutung im internationalen a) Frau Meier bestellt mehrere Klei-
Handelsverkehr sind die Incoterms dungsstücke bei einem Versandhaus.
(international commercial terms), eine Liste b) Das Ehepaar Krüger bestellt in ei-
von Klauseln, die die Internationale Handels- nem Möbelgeschäft eine Einbaukü-
kammer aufgestellt hat. Hierzu gehören bei- che auf Abruf für ihr gerade im Bau
spielsweise: befindliches Haus.
fas – free alongside ship: Der Verkäufer c) Frau Meier kauft im Supermarkt
trägt die Kosten bis an die Längsseite des einige Lebensmittel ein.
Schiffes im Verschiffungshafen. d) Die DMW AG bestellt bei einem in
fob – free on board: Hier übernimmt der Mainz ansässigen Zulieferbetrieb
Verkäufer zusätzlich die Kosten des Verla- Fertigungsteile, wobei vereinbart
dens auf das Schiff im Verschiffungshafen. wird, dass der Zulieferer die Trans-
portkosten trägt.
4. Der Kaufvertrag 265
c & f – cost and freight: Der Verkäufer über- e) Wie d), aber die DMW AG soll die
nimmt die Kosten, auch die der Fracht, bis Transportkosten zahlen.
zum Bestimmungshafen.
cif – cost, insurance, freight: Darüber hinaus
trägt der Verkäufer auch die Versicherungskos-
ten bis zum Bestimmungshafen.
4.1.2 Zahlungsbedingungen
Bei den Zahlungsbedingungen geht es dar-
Abb. 13: Hauptpflichten der Parteien
um, wann und wie der Käufer seine Zahlung
beim Sachkauf
zu leisten hat. Wie bereits erläutert, handelt es
sich bei Geldschulden um Schickschulden. Ist
Ergänzendes zum Lieferantenkredit
nichts anderes vereinbart, so kann der Ver-
käufer sofort Zahlung verlangen und darf der Lieferantenkredite sind im marktwirtschaftli-
Kunde sofort zahlen. Vereinbart werden kann chen System an der Tagesordnung. Ihr Cha-
jedoch z.B., dass der Käufer vor Lieferung rakter besteht darin, dass der Kredit des Liefe-
eine Anzahlung zu leisten hat oder dass in ranten zugleich mit der Lieferung von Waren
Raten gezahlt werden kann. Häufig wird eine einhergeht, ja, dass er nur so vor sich gehen
Vorauszahlung gefordert, wenn die Bonität kann. Er setzt einen Kaufvertrag voraus und
(Zahlungsfähigkeit) des Käufers fraglich verpflichtet den Käufer, die Rechnung inner-
erscheint. Oftmals wird dem Käufer ein Zah- halb einer bestimmten Frist, meist sind es 30
lungsziel von beispielsweise 30 oder 60 Ta- Tage im Inland, ohne Zinsaufschlag zu be-
gen gewährt (Lieferantenkredit), verbunden gleichen. Damit wird das Eingangslager des
mit dem Abzug von (3%) Skonto, falls die Kunden finanziert. Nun muss man wissen,
Zahlung innerhalb von z.B. 10 Tagen erfolgt. dass Lieferanten hierfür oft gewisse Sicher-
heiten verlangen. Meistens ist es der Eigen-
tumsvorbehalt (siehe Kapitel 4.4).
4.2 Pflichten der
Kaufvertragsparteien
Hauptpflicht des Käufers ist die Zahlung des c) Der Arbeitgeber hat den Frau
Kaufpreises. Eine typische Nebenpflicht für Schneider zur Verfügung gestellten
ihn ist die Abnahme der gekauften Sache. Wagen geleast. Wie ist nun die Ei-
gentums- und Besitzlage?
4.3 Übereignung d) Frau Schneider hat sich zu Anlage-
zwecken eine vermietete Eigen-
tumswohnung gekauft. Wer ist Ei-
Zu unterscheiden ist zwischen Besitz und gentümer, wer Besitzer?
Eigentum.
e) Jon Starck hat bei Herrn Schuchardt
Besitz ist die tatsächliche Gewalt über eine einen bestimmten Anhänger gekauft
Sache, wohingegen Eigentum das umfas- und sogleich bezahlt. Herr Schu-
sendste Recht an einer Sache ist. chardt bietet Herrn Starck an, den
Der Besitzer hat also die tatsächliche Gewalt Anhänger am Abend bei ihm abzu-
über eine Sache, eine rechtliche Zuordnung liefern. Wann hat Herr Starck das
erfolgt hierdurch nicht. Der Begriff Besitz Eigentum an dem Anhänger erlangt?
bezeichnet lediglich die tatsächliche Bezie-
hung einer Person zu einer Sache. Der Eigen-
tümer einer Sache kann aufgrund seiner recht- Beispiel:
lichen Herrschaft grundsätzlich mit der Sache Kaja Klose, Sachbearbeiterin bei der DMW
nach seinem Belieben verfahren. Diesem AG, hatte sich am Sonnabend auf eine Privat-
umfassenden Recht werden durch die Rechte anzeige hin einen Gebrauchtwagen von Herrn
anderer Personen und durch Gesetze Grenzen Wolf, einem Privatmann, gekauft. Den Wa-
gesetzt. gen hatte sie bar bezahlt und sogleich mitge-
Bewegliche Sachen werden übereignet, indem nommen. Im Kfz-Brief war als Eigentümer
der bisherige Eigentümer dem Erwerber die ein Michael Bruhns eingetragen. Herr Wolf
Sache übergibt und sich beide darüber einig erklärte ihr, dass Herr Bruhns sein Cousin sei
sind, dass das Eigentum übergehen soll (§929 und er den Wagen für ihn verkaufe. Leider
S. 1 BGB). Falls der Erwerber bereits im hat sich Frau Klose mit dieser Erklärung
Besitz der Sache ist, genügt die Einigung zufrieden gegeben. Zwei Tage später meldete
(§929 S. 2 BGB). Die Einigung ist auch aus- sich Herr Bruhns bei Frau Klose und wollte
reichend, wenn der Verkäufer den Besitz an seinen Wagen zurückhaben. Er erklärte, dass
der Sache behalten soll, in dem Fall müssen er Herrn Wolf seinen Wagen lediglich für das
der Verkäufer und der Käufer ein sog. Be- Wochenende geliehen habe. Keinesfalls sollte
sitzkonstitut, wie z.B. Leihe oder Miete, Herr Wolf den Wagen für ihn verkaufen. In
vereinbaren (§ 930 BGB). Ist der Verkäufer diesem Fall hat Frau Klose nicht gutgläubig
nicht im Besitz der Sache, sondern ist sie im das Eigentum an dem Wagen von dem nicht-
Besitz eines Dritten, etwa weil die verkaufte berechtigten Herrn Wolf erworben, da sie
und zu übereignende Sache vermietet ist, so grob fahrlässig gehandelt hat. Zwar besteht
wird die Übergabe dadurch ersetzt, dass der nicht grundsätzlich eine Nachforschungs-
Verkäufer dem Käufer seinen Herausgabe- pflicht, jedoch muss sich der Käufer bei ei-
anspruch abtritt (§ 931 BGB). nem Gebrauchtwagenkauf, wenn der Kfz-
Brief auf einen fremden Namen ausgestellt
ist, über die Berechtigung des Veräußerers
vergewissern.
4. Der Kaufvertrag 267
4.5.1.1 Lieferverzug
Zusammenfassung
Der Kaufvertrag gehört zu denjenigen Verträgen, die am häufigsten vorkommen. Eigent-
lich schließen ihn täglich Millionen Menschen ab, wenn sie ihren Haushaltsbedarf bei ihren
Händlern decken. Allerdings bedarf es hier nicht der schriftlichen Form, wie das unter
Kaufleuten sonst üblich ist. Die täglichen Haushaltseinkäufe der Privatkunden lösen bei
Warenmängeln auch nicht immer gleich einen Schriftverkehr aus. Geschäftsführer und Ein-
zelhandelskaufleute regeln solche Angelegenheiten meistens ohne „Wenn und Aber“. Im
sonstigen Geschäftsleben ist die bezahlte Rechnung Quittung für die Übergabe und oft Ga-
rantieschein für auftretende Risiken.
Daher muss man diese aufbewahren. Bei einem PKW-Kauf, einer Computer-Anschaffung,
einer Waschmaschinenbestellung etc. werden i. d. R. schriftliche Kaufverträge abgeschlos-
sen. Bei Kaufleuten untereinander ist das selbstverständlich. Die Rechte bei eingetretenen
Mängeln, z. B. bei Lieferungsverzug, bei Qualitätsmängeln, bei Annahmeverzug und bei
Zahlungseinstellung, sind vielfältig. Neben dem Kaufvertrag werden im Geschäftsleben
viele Verträge unterschiedlichster Art abgeschlossen, was aus den Geschäftsbeziehungen
der DMW AG hervorgeht (siehe Abb. 22).
Kapitel 4
Materialwirtschaft
von Axel W. Lange
überarbeitet von J.R. Tiedtke
278
1.1 Einleitung
Materialwirtschaft ist die Gesamtheit aller In den letzten 5 Jahren hat die DMW AG
materialbezogenen Funktionen, die sich mit 1 Mrd. EUR in die Erweiterung und Moderni-
der Versorgung des Betriebs und des Marktes sierung des Stammwerkes in Hannover sowie
sowie der Steuerung des Materialflusses von in die Gründung des sächsischen Betriebes
den Lieferanten durch die Unternehmung bis (Halle) investiert.
zu den Kunden befasst..1 Bei der Planung des Fertigungslayouts und
des Materialflusses für das Werk in Halle
1.1.2 Aufgabe und Ziel der wurde konsequent auf die Teamarbeit in Fer-
Materialwirtschaft tigungsinseln ausgerichtet. In Emden ist dies
erst zu einem Teil realisiert, und hier werden
Die Aufgabe der Materialwirtschaft ist es, in den nächsten Jahren noch einige Investitio-
die Versorgung des Unternehmens mit Gütern nen notwendig sein, um das Ziel zu erreichen.
und Dienstleistungen
Der Materialfluss eines Unternehmens, das
• in der erforderlichen Art, Qualität und Serienfertigung betreibt, wie die DMW AG,
Menge ist i. d. R. deutlich besser strukturierbar als
• zum richtigen Zeitpunkt bei einem Unternehmen mit Auftragsferti-
gung. Doch jedes einzelne Bauteil, das bis zur
• am richtigen Ort und Fertigstellung eines Automobils produziert
• zu den geringstmöglichen Kosten oder zugeliefert werden muss, muss dann zum
zu gewährleisten. Innerhalb dieses Verant- richtigen Zeitpunkt zum richtigen Montage-
wortungsbereiches muss sie einen Kompro- platz transportiert werden, um im richtigen
miss zwischen den o.g. Forderungen der an- Auto montiert werden zu können. Für jedes
deren Abteilungen finden, der dem Gesamtin- einzelne Teil entsteht so ein eigener Material-
teresse der Firma am dienlichsten ist. fuß, der geplant und gesteuert werden muss.
Bei einem so komplexen Produkt wie einem
Die Aufgabe der Materialwirtschaft ist die Automobil ergeben sich so viele Einzelmate-
Versorgung des Unternehmens mit allen zur rialströme im Unternehmen, die alle aufein-
Leistungserstellung erforderlichen Waren und ander abgestimmt sein müssen. Für Außen-
Dienstleistungen. stehende ist ihre Gesamtheit bei der DMW
Ihr Ziel ist es dabei, die Summe aus Beschaf- AG fast unüberschaubar.
fungskosten, Neben-, Lager-, Verarbeitungs- Bauteile, bei denen die Stückzahlen nicht so
und Vertriebskosten zu minimieren. groß sind, dass die Fertigung in beiden Werken
Bei der Verfolgung dieses Zieles kommt es wirtschaftlich ist, werden nur an einem der
allerdings zu Interessenkonflikten mit den beiden Standorte gefertigt. Die Belieferung des
anderen Bereichen des Unternehmens. Diese jeweils anderen Werkes geschieht mit der Bahn
haben aus ihrer Sichtweise heraus andere und in dafür speziell entwickelten Doppelstock-
manchmal sogar gegensätzliche Interessen. waggons. Die Fertigung wurde so ausgeglichen
Diese zahlreichen Konfliktsituationen (Bei- aufgeteilt, dass die Waggons in beiden Rich-
spiele sind in Abb. 2 aufgeführt) zeigen die tungen meistens gut ausgelastet sind.
starke Verflechtung der Materialwirtschaft
mit den anderen Bereichen (siehe Abb. 46 am
Ende des Kapitels).
Bereich* Interessen und Ziele Beispiele fur Aus- In enger Kooperation mit den Zulieferern
der Bereiche wirkungen bei DMW werden große Teile, Produktionsmaterial und
Vertrieb - jeder Kunden- - breites Produkt- Fahrzeuge ebenfalls mit der Bahn befördert.
wunsch soll mög- spektrum bzw. hohe
lich sein Variantenvielfalt
- Lieferfähigkeit - hohe Bestände im
ohne Lieferzeit Fertidwarenlager
oder kleine Produk-
tions-Losgrößen
Fertigung - hohe Kapazitätsaus- - kleines Produkt-
lastung spektrum bzw. Va-
- keine Produktions- riantenvielfalt
störungen - große Produktions-
Losgrößen
- Ausgangsmateria-
lien hoher Qualität
- hohe Bestände im
Wareneingangsla-
ger, in den Zwi-
schenlagern der
Produktion und im
Ersatzteillager
Instand- - für jeden möglichen - hohe Bestände im
haltung Schaden soll das Ersatzteillager
Ersatzteil am Lager
sein
Finanz- - niedrige Kosten - kleines Produkt-
bereich - niedrige Kapital- spektrum/ Varian-
bindung tenvielfalt und gro-
ße Produktions- und Abb. 3: Funktionen der Materialwirt-
Beschaffungs-Los- schaft
größen; Ausgangs-
materialien not-
wendiger Qualität
- geringe Bestände in
allen Lagern und
damit indirekt klei-
ne Losgrößen
Einkauf - niedrige Kosten - große Beschaf-
fungs-Losgrößen;
Ausgangsmateria-
lien notwendiger
Qualität
Abb. 2: Die Materialwirtschaft und die
Zielkonflikte mit anderen Un-
ternehmensbereichen
* Die Beispiele sind unvollständig, so
fehlen der Bereich Lager und der Produk-
tionsfaktor Arbeit. Außerdem sind sie
auch für andere Autoproduzenten sym-
ptomatisch.
Abb. 4: Eine Entwicklung aus Deutsch-
land: das neue Kunststoffrad
282 Materialwirtschaft
Aufgabe
3. b) Verschaffen Sie sich einen Überblick
über die Aufbau- und die Ablaufor-
ganisation der Materialwirtschaft in
Ihrem Ausbildungsbetrieb!
286 Materialwirtschaft
Materialfluss ist die „Verkettung aller Vor- Innovation und Zukunftsfähigkeit der Autoin-
gänge beim Gewinnen, Be- und Verarbeiten dustrie bestimmen immer mehr die Zulieferer.
sowie bei der Verteilung von stofflichen Gü- Die Branche befindet sich in einem tiefen
tern innerhalb festgelegter Bereiche“. (VDI- Umbruchsprozess. Lag die Fertigungstiefe
Richtlinie 3300). 1995 bei ihr noch bei 40 %, dürften bis zum
Zu diesen Vorgängen gehören die Funktionen Jahr 2015 Zulieferer bereits 80 % der Ent-
Handhaben, Transportieren, Prüfen, Aufent- wicklung und Produktion für die Hersteller
halte und Lagerungen. übernommen haben. Grund: Die Technik
„Autos sind so kompliziert geworden, dass es
Der Informationsfluss steht in engem Zu- wenig Sinn macht, wenn der Autohersteller
sammenhang mit dem Materialfluss und ver- alles allein macht“(Dudenhöfer).
läuft in entgegengesetzter Richtung (siehe
Abb. 9). (Die Welt 19.7.2004)
Haupt-Materialfluss
Haupt-Informationsfluss
Abb. 9: Material- und Informationsfluss in der Ablauforganisation der Materialwirtschaft
bei der DNW AG
1. Grundlagen der Materialwirtschaft 287
Schon in mittelgroßen Industrie- und Han- • Der Einkauf wird durch ein Beschaf-
delsbetrieben ist die Vielzahl an Informatio- fungssystem unterstützt. (Dieses hat z. B.
nen, mit denen die Materialwirtschaft heute Schnittstellen zur Warenwirtschaft sowie
fertig werden muss, so groß, dass eine Verar- zur Rechnungsprüfung und weiter zur Fi-
beitung ohne moderne DV-Technik oft un- nanzbuchhaltung.)
möglich und mit Sicherheit unwirtschaftlich
• Die Fertigungssteuerung wird durch ein
ist. Die wichtigen Informationen der einzel-
umfangreiches PPS-System unterstützt.
nen Abteilungen werden mittels geeigneter
Programme in einer Datenbank gesammelt. • Die Lagerhaltung und innerbetriebliche
Von dort aus können die Daten dann weiter- Warenbewegung werden über ein Wa-
verarbeitet und von allen genutzt werden, die renwirtschaftsmodul verwaltet.
diese Informationen zur Durchführung ihrer Zunehmend gewinnt auch die Anbindung
Aufgaben benötigen. strategischer Lieferanten an das eigene DV-
Aus dem gesamten Spektrum der betriebs- System an Bedeutung. So wurden in den
wirtschaftlichen Anwendungs-Software letzten Jahren Datenverbundsysteme mit zwei
kommen in der Materialwirtschaft üblicher- „Just-in-time“-produzierenden Systemliefe-
weise folgende Programme zum Einsatz: ranten eingerichtet (siehe Abschnitt 3.4.2).
Die Lieferanten bekommen dadurch die ein-
• ein Programm zur Unterstützung der
zelnen Aufträge von DMW direkt per Daten-
Beschaffungstätigkeiten
leitung in ihr DV-System eingespielt. Umge-
• ein Warenwirtschaftssystem für die Be- kehrt kann DMW ständig deren Fertigungs-
standsführung sowie stand abfragen und in der eigenen Planung
• ein Produktionsplanungs- und -steue- berücksichtigen.
rungssystem (PPS-System). So hat die DMW AG rechtzeitig an den stra-
Der Datenaustausch zwischen den einzelnen tegischen Entwicklungen der Industriebetrie-
Programm-Modulen wird durch entsprechen- be auf dem Beschaffungssektor teilgenommen
de Schnittstellen ermöglicht. und so vorzeitig auf die Kostenhöhe senkend
gewirkt.
Qualitätssicherung ist in den meisten Unter- Die wichtigsten Lieferanten werden in unre-
nehmen zu einem immer wichtigeren Thema gelmäßigen Abständen „Lieferantenaudits“
geworden (Schlagwort „Total Quality Ma- unterzogen.
nagement – TQM). (vergl. S. 19, Abb. 17)
Die Hauptgründe sind: TÜV
• Der Kunde akzeptiert nur Produkte mit Zertifikat
einwandfreier Qualität.
Die TÜV-Zertifizierungsgemeinschaft e.V.
• Die Korrektur eines Qualitätsmangels bescheinigt hiermit, dass das Unternehmen
wird umso teurer, je später er bemerkt
wird. Deutsche Motorenwerke AG
Während früher die Qualität durch eine auf- Lister Damm 58-67
wändige Endkontrolle erreicht wurde, wird D-30163 Hannover
die Qualitätssicherung heute zunehmend nach für den Geltungsbereich
jedem Produktionsschritt durchgeführt. So
wird gewährleistet, dass nur einwandfreie Herstellung und Vertrieb von Personenkraft-
Teile in der nächsten Fertigungsstufe verar- wagen
beitet werden. ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt
Um weitgehend gewährleisten zu können, hat und anwendet.
dass auch die Zulieferer qualitativ einwand- Durch ein Audit, Berichts-Nr. 1234, wurde
freie Teile liefern, finden bei besonders wich- der Nachweis erbracht, dass die Forderungen
tigen Lieferanten so genannte „Audits“ statt. der
Dabei werden die Zulieferer daraufhin über- DIN ISO 9001
prüft, inwieweit sie die Voraussetzungen
besitzen, um die erforderliche Qualität und erfüllt sind.
Zuverlässigkeit zu erfüllen. Dieses Zertifikat ist gültig bis
Unternehmen,. die über ein geschlossenes Juli 2010
Qualitätsmanagement verfügen, können sich Zertifikats-Register-Nr.
dieses von bestimmten unabhängigen Institu-
ten testieren lassen, um dies auch nach außen 08 15 47 11
Hannover, Hannover,
hin (gegenüber ihren Kunden) dokumentieren den 20. November 20.. den 20. November 20..
zu können. Zum Erwerb dieses Zertifikates
muss gegenüber einem unabhängigen Institut
nachgewiesen werden, dass ein durchgehen- TÜV-Präsidium TÜV-Zertifizierungsstelle des
des Qualitätssicherungssystem angewendet TÜV Bremen
wird, das neben der Fertigung auch alle ande- Abb. 11: Die ISO 9000-Zertifizierungs-
ren Abteilungen umfasst. Die Vorschrift bzw. urkunde der DMW AG
Norm, nach der diese Zertifizierungen erfol-
gen, trägt die Bezeichnung ISO 9000. Zu-
nehmend verlangen Unternehmen von ihren Aufgabe
wichtigen Zulieferern diesen Nachweis.
4. Wieso kann eine einmalige Endkontrolle
höhere Kosten verursachen als Kontrol-
len nach jedem Produktionsschritt?
290 Materialwirtschaft
2. Materialdisposition
2.1 Einleitung
2.2 Bedarfsmengenplanung
2.2.1.2 Bedarfsarten
Generell lassen sich die drei Bedarfsarten Abb. 15: Grundformen von Stücklisten
• Primärbedarf Beispiel:
• Sekundärbedarf und Bedarfsauflösung bei der DMW AG
• Tertiärbedarf Auf Basis der Kundenaufträge (Brutto-
unterscheiden (siehe Abb. 16). Primärbedarf) aus dem vorliegenden Produkti-
Der Primärbedarf ist der Bedarf an Endpro- onsplan für die „Single“-Produktion der nächs-
dukten, die von den Kunden beim Unterneh- ten Woche errechnet sich durch Stücklistenauf-
men nachgefragt werden (d.h. der Bedarf, der lösung u. a. ein Brutto-Sekundärbedarf von 784
im Absatz- bzw. dem Produktionsplan festge- Stoßdämpfern (hinten). Das Materialwirt-
legt ist). Außer den eigentlichen Fertigpro- schaftssystem weist einen aktuellen Lagerbe-
dukten und Handelswaren können dies auch stand von 620 Stück aus. Davon sind allerdings
Ersatzteile sein. bereits 278 für die Produktion dieser Woche
reserviert. Außerdem muss bei der Disposition
ein Sicherheitsbestand von 390 Stück (Bedarf
für etwa eine halbe Woche) beachtet werden.
2. Materialdisposition 293
2 × X × KB
Um ein gewisses „Ausprobieren“ mit der
q0 = Anzahl kommt man meistens nicht her-
p × (kL + k Z )
um. Es empfiehlt sich daher, zunächst
qo Optimale Bestellmenge mit größeren Abständen zu rechnen und
X Jahresbedarf dann im Bereich um den so gefundenen
p Einstandspreis kleinsten Wert noch einmal ein feineres
KB Fixe Kosten je Bestellung Intervall zu wählen.
kZ Zinssatz Die für DMW kostengünstigste Anzahl
kL Lagerkostensatz der Bestellungen, in denen die Jahres-
Dabei wird vorausgesetzt, dass der Stückpreis menge abgenommen werden muss, liegt
und die Fixkosten pro Bestellung (z.B. Trans- also bei 25. Daraus ergibt sich eine Los-
portkosten) unabhängig von der Bestell- größe von 3200 Stück pro Bestellung.
Losgröße sind. Die Tabelle (Abb. 18) ist in Abb. 19 zum
Natürlich gibt es viele Beschaffungsfälle, die besseren Verständnis noch einmal gra-
nicht die Voraussetzungen erfüllen, um die fisch dargestellt.
einfache Andler-Formel anwenden zu kön- b) Berechnung mit der Andler-Formel
nen. Es gibt jedoch auch für eine Reihe
schwierigerer Fälle Formeln zur Bestimmung Durch Einsetzen der Daten in die Andler-
der optimalen Losgröße, die jedoch auch Formel erhält man die optimale Losgröße
entsprechend komplizierter sind. direkt:
2 × 80 000 × 450
Neben der Andler-Formel gibt es noch weite- qo = = 3 110
62,03 × (0,04 + 0,08 )
re Verfahren zur Bestimmung der optimalen
Losgröße (z.B. die dynamische Bestellmen- Die direkte Berechnung der optimalen Los-
genrechnung oder der Stückperiodenaus- größe mit der Andler-Formel geht natürlich
gleich), auf die hier aber nicht weiter einge- viel schneller als das "Probieren" mit der
gangen werden soll. Tabelle.
2. Materialdisposition 297
100
Die Andler-Formel wird analog auch in der
Fertigung zur Festlegung von Produktions- 90
dass der Lagerbestand nicht zu niedrig wird Abb. 19: Bestell-, Lager- und Gesamtbe-
und es nicht zu Fehlmengen kommen kann. schaffungskosten in Abhängig-
Fehlmengen, also fehlendes Produktionsma- keit von der Losgröße
terial, führen immer zu kurzfristigen Ände-
rungen im Produktionsablauf und damit min-
destens zu erhöhten Kosten – u.U. sogar zu Aufgabe
Kundenverlusten. 7. Erkundigen Sie sich in Ihrem Ausbil-
Um Fehlmengen zu vermeiden, wird für alle dungsbetrieb, welches Verfahren zur Be-
unverzichtbar wichtigen Roh-, Hilfs- und stellmengenplanung verwendet wird!
Betriebsstoffe die jeweilige Wiederbeschaf- Fragen Sie auch, warum dieses Verfahren
fungszeit festgelegt. – und nicht ein anderes – eingesetzt wird!
Beispiel:
Bestimmung des Bestellzeitpunktes
Um den Bestellzeitpunkt für die nächste Rei-
fenlieferung festlegen zu können, müssen
zunächst einige andere Parameter ermittelt
werden.
298 Materialwirtschaft
Die Wiederbeschaffungszeit ist die Zeit, die Die Wiederbeschaffungszeit wurde zwischen
zwischen dem Zeitpunkt der Bestellung und dem DMW-Einkauf und dem Lieferanten auf
der Verfügbarkeit im Unternehmen vergeht. 3 Tage festgelegt.
Sie setzt sich i.d.R. aus Vorbereitungs-, Be- Der Tagesbedarf liegt bei
stell-, Liefer- und Warenprüfzeit zusammen.
80 000 Stück p.a.
Außerdem wird ein so genannter Mindest- = 313,7 Stück / AT
255 AT p.a.
oder Sicherheitsbestand festgelegt. Dabei
wird meistens ein Vielfaches des Tages- Der Sicherheitsbestand beträgt
verbrauchs genommen, wobei die Höhe des 1,5 AT × 313,7 Stück / AT = 471 Stück
„Vielfachen“ von der Schwankungsbandbrei-
te der Tagesverbräuche abhängt. Die Autoreifen werden bei DMW nach dem
Bestellpunktverfahren disponiert. Der Melde-
Zur Festlegung des Bestellzeitpunktes werden bestand errechnet sich nun als
zwei gängige Verfahren eingesetzt:
3 Tage × 313,7 Stück / AT + 471 Stück = 1412 Stück
• Das Bestellpunktverfahren ist eine
Methode der Bestellmengenplanung, bei D.h., immer wenn der Lagerbestand auf 1412
der die neue Bestellung immer dann aus- Stück (oder schon darunter) abgesunken ist,
gelöst wird, wenn der Lagerbestand eine wird wieder ein neues Los (3100 Stück) be-
festgelegte Höhe (den Meldebestand stellt.
bzw. den Bestellpunkt) erreicht hat. Der Würden die Reifen nach dem Bestellrhythmus-
Meldebestand ist die Summe aus der verfahren disponiert werden, so würde sich der
Menge, die innerhalb des Wiederbeschaf- Rhythmus folgendermaßen errechnen:
fungszeitraumes verbraucht wird, und 3100 Stück
dem Sicherheitsbestand. = 9,88 AT ~ 10 AT
313,7 Stück / AT
Bei einem Absinken des Lagerbestandes
eines Artikels auf seinen Meldebestand
muss das Lager diese Information an den
Disponenten weitergeben (siehe Ab-
schnitt 4.3). Der Bestellzeitpunkt wird Beispiel
bei diesem Verfahren durch den Lager-
DV-gestützte Disposition bei der DNM AG
abgang bestimmt.
Seit 4 Jahren ist die EDV-Integration in der
• Das Bestellrhythmusverfahren ist eine Materialwirtschaft zwischen Disposition und
Methode der Bestellmengenplanung, bei Einkauf so weit, dass die wichtigsten 872
der die Bestellungen immer nach Ablauf Artikel für die Produktion automatisch dispo-
eines festgelegten Zeitintervalls erfolgen. niert und die ersten 186 Artikel auch automa-
Die Bestellung kann entweder immer in tisch durch das DV-System bestellt bzw. abge-
gleicher Höhe erfolgen, oder – was bei rufen werden. Dazu wird der Lagerbestand
dieser Methode meist zweckmäßiger ist – dieser Artikel regelmäßig vom Programm mit
es wird immer die Differenz zu einem ihrem Meldebestand verglichen bzw. der Ab-
festgelegten Sollbestand beschafft. lauf eines vorgegebenen Zeitintervalls über-
In Unternehmen mit einer DV-gestützten wacht. Z. T. erfolgt dann sogar eine automati-
Materialwirtschaft kann die Disposition au- sche Bestellung in der vorgegebenen Losgröße
tomatisch durch das DV-System erfolgen. bei dem vorgegebenen Lieferanten.
3. Beschaffung 299
3. Beschaffung
3.1 Einleitung
3.1.1 Begriff
Der Begriff der Beschaffung bezeichnet die
Versorgungsfunktion von Organisationen bzw.
Unternehmen. Die Objekte der Beschaffung
sind alle Materialien, Maschinen und Dienst-
leistungen, die die Organisation benötigt.
3.1.2.1 Methoden
Bei der Beschaffung von Waren und Dienst-
leistungen erfordern Güter, die kontinuierlich
Abb. 20: Verbesserungsvorschlag zum
oder periodisch wiederkehrend beschafft
Einkauf (vergl. S. 328)
werden müssen, andere Methoden als einma-
lig zu beschaffende Objekte. Dies führt zu
folgender Unterscheidung:
1. Objekte, die kontinuierlich oder häufig Aufgabe
wiederkehrend beschafft werden: 8. Nennen Sie wichtige Roh-, Hilfs- und
• Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Betriebsstoffe Ihres Ausbildungs-Unter-
nehmens, und beschreiben Sie deren Ei-
• Zulieferteile bzw. Halbfabrikate genschaften!
• wiederkehrende Dienstleistungen
(z.B. Gebäudereinigung)
• Handelswaren Beispiel:
2. Objekte, die einmalig oder selten be- Die Aufbauorganisation des Einkaufs bei
schafft werden: der DMW AG
• Betriebsmittel bzw. Investitionsgüter Die Aufbauorganisation des DMW-Einkaufs
lässt sich bereits dem Organigramm des ge-
• Dienstleistungen (z.B. Instandset- samten Materialwirtschaftsbereiches (siehe
zung). Abb. 8) entnehmen.
300 Materialwirtschaft
Dagegen kann die dezentrale Beschaffung Der zentrale Einkauf ist für die gesamte Be-
von z.B. Büromaterial oder Ersatzteilen direkt schaffung bei DMW verantwortlich. Das
durch die Fachabteilungen sinnvoller sein, bedeutet aber nicht, dass alles nur über den
weil sich der Abwicklungsaufwand über ei- Einkauf bestellt werden darf. In Abstimmung
nen Zentraleinkauf, im Verhältnis zum Be- zwischen dem Einkauf und den Fachabteilun-
schaffungswert dieser Dinge, als zu groß gen wurden, dort wo es sinnvoll ist, Beschaf-
erweist. Die Zuständigkeit wird in Unterneh- fungstätigkeiten dezentralisiert. So findet die
men häufig über die Einführung von Wert- Disposition der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
grenzen geregelt: Einkäufe unterhalb eines nicht im Einkauf statt, sondern, nach den Vor-
festgelegten Wertes können bzw. sollen die gaben des Einkaufs (Rahmenverträge etc.), in
Abteilungen selbst tätigen, da die Abwicklung den jeweiligen Lagern der Produktionen.
über den Zentraleinkauf zu aufwändig ist. Bei Außerdem werden alle Bestellungen, deren
Überschreitung dieses Wertes muss eine Be- Auftragswert die vorgegebene Wertgrenze
darfsmeldung an den Einkauf erfolgen. von 300,- EUR nicht überschreitet, von den
Um die Konditionenvorteile des zentralen Fachabteilungen direkt beschafft (wenige
Einkaufs mit der Flexibilität des dezentralen Ausnahmen wurden genau festgelegt).
Einkaufs kombinieren zu können, konzent-
riert sich die Arbeit des Zentraleinkaufs auf
Festlegung der Lieferanten und der Bezugs- Aufgabe
konditionen, z.B. durch Rahmenverträge. Die 10. Der Verbesserungsvorschlag (Abb. 20)
eigentlichen (Abruf-)Bestellungen werden, der Bau AG zielt auf eine Zentralisas tion
nach diesen Vorgaben, direkt durch die Abtei- des Einkaufs hin.
lungen oder Lager durchgeführt, bei denen
Stellen Sie zeichnerisch die bestehende
der Bedarf auftritt.
Organisation des Einkaufs aller drei Ob-
jekte dar! Versuchen Sie dabei auch he-
3.2.2 Die innere Organisation der rauszufinden, welche Werkstoffe wahr-
Beschaffung scheinlich beim Bau von Gebäuden benö-
Beim Aufbau der inneren Organisation des tigt werden!
Einkaufs geht es darum, eine für den Betrieb
möglichst sinnvolle Form zu finden, in der die Beispiel:
notwendigen Arbeiten nach der Tätigkeitsart Die innere Organisation des Einkaufs bei
(Funktionsprinzip) oder Objekten (Objekt- der DMW AG
prinzip) verteilt werden (siehe Abb. 22 und Der Zentraleinkauf ist in erster Linie nach
Abb. 8). dem Objektprinzip gegliedert (siehe Abb. 8):
• Das Objektprinzip orientiert sich an • Rohstoffe
gleichartigen Produkten. „Spezialeinkäu-
fer“ übernehmen alle Einkaufsfunktionen • Hilfs- und Betriebsstoffe
für bestimmte Produktgruppen. • Kaufteile
• Das Funktionsprinzip orientiert sich an • Investitionsgüter und technischer Bedarf
gleichartigen Aufgaben (wie z.B. Anfra-
gen, Lieferantenauswahl, Bestellabwick- • Dienstleistungen
lung und Warenannahme). Es erfolgt eine • Werbe- und Büromaterial.
Gliederung in Aufgaben- und Tätigkeits- Innerhalb der Bereiche Rohstoffe, Hilfs- und
bereiche. Betriebsstoffe und Kaufteile hat sich aller-
dings eine weitere Stellenaufteilung nach dem
Funktionsprinzip bewährt.
302 Materialwirtschaft
Abb. 22: Möglicher Aufbau der inneren Organisation des DMW-Zentraleinkaufs nach dem
reinen Objektprinzip (links) bzw. nach dem reinen Funktionsprinzip (rechts)
3.3.2 Anfrage
Nachdem der Bedarf nach Art und Menge
festgelegt worden ist, verschickt der Einkäu-
fer Anfragen an verschiedene Lieferanten, in
denen er um die Abgabe eines Angebotes
bittet. Die Anfrage kann sich erübrigen, wenn
es für diesen Artikel bereits festgelegte Liefe- Abb. 23: Ablaufschema des Beleg- und
ranten und Preise gibt. Informationsflusses der Be-
Das Schreiben von Anfragen geschieht im schaffung
Großhandel und in der Industrie routinemä-
ßig, wenn Bedarfe auftreten. Eine Anfrage ist Beispiel:
rechtlich völlig unverbindlich. Anfrage
Ein Kunde, der ein Einzelhandelsgeschäft Für die Belieferung mit elektrischen Schaltern
betritt, um sich nach einem Preis zu erkundi- für die Armaturenbretter der DMW-Fahrzeuge
gen, stellt damit, rechtlich gesehen, ebenfalls existiert seit zwei Jahren eine fester Lieferbe-
eine (formlose) Art der Anfrage. ziehung mit der Firma „Schulte Schaltelemente
GmbH“. Nachdem der damals ausgehandelte
Preis für zwei Jahre festgeschrieben worden
war, hat der Lieferant jetzt eine 4,9%ige Preis-
erhöhung angekündigt.
304 Materialwirtschaft
Versand- Empfangs-
Lieferbedingung Lieferant Käufer
station station
„frei dort“,
Käufer trägt die Transportkosten
„frachtfrei“ Verkäufer trägt die Transportkosten bis zur Empfangsstation
ab der Empfangsstation
„frei Bahnhof (dort)“
„frei Haus/Werk/
Verkäufer trägt alle Transportkosten
Lager“
Unabhängig vom Erfüllungsort (s.o.) kann die Anmerkung zur Bedeutung der Incoterms:
Frage, ob der Käufer oder der Verkäufer die
Im Im- und Export-Bereich sind die Inco-
Beförderungskosten zu tragen hat, durch die
terms schon lange üblich, weil dadurch Miss-
Lieferbedingungen gesondert geregelt werden
verständnisse und rechtlich unklare Situatio-
(siehe Kapitel „Rechtliche Grundlagen“, Teil
nen vermieden werden können.
3, Abschnitt 4.1.1).
308 Materialwirtschaft
Bevor der Computer Einzug in die Einkaufs- Der Preis ist zwar in den meisten Fällen aus-
abteilungen gehalten hatte, musste auf der schlaggebend für den Kauf einer Ware, trotz-
Karteikarte des Lieferanten der angebotene dem müssen Qualität, Liefersicherheit und
Artikel und auf der Karteikarte des Artikels Service in dem erforderlichen Maße gewähr-
das Angebot des Lieferanten festgehalten leistet werden. Sind sie bei der Entscheidung
werden. nicht ausreichend berücksichtigt worden,
kann „billiger“ manchmal „teurer“ werden
(durch z. B. Produktionsausfälle, Nacharbeit
und Lieferschwierigkeiten mit drohendem
Imageverlust).
Obwohl Microtronics die besten Preise bietet,
entschied man sich aufgrund der besseren
Qualität und räumlichen Nähe für die
Alphatron KG als zukünftigen Lieferanten.
Abb. 30: Tabellarischer Angebotsvergleich (Kurs seinerzeit in DM: 0,80 EUR = 1,60 DM = 1 $)
312 Materialwirtschaft
Datum/Unterschrift
Abb. 34: Beispiel Lieferschein
3. Beschaffung 315
• Gespräche mit den Vertriebsbeauftragten Kurz nachdem die Bestellung an den Liefe-
der Lieferanten ranten gefaxt worden war, meldet sich dieser
telefonisch und teilt mit, dass die Produktion
• Markt-, Ernte- und Börsenberichte
des Gerätes eingestellt wurde und leider auch
• Besuch von Messen, Ausstellungen, keine mehr im Lager sind. Gleichzeitig bietet
Kongressen und Fachtagungen der Lieferant alternative Geräte an.
• Tages-, Fach- und Wirtschaftszeitungen Da die letzte Preisanfrage für Faxgeräte oh-
• Broschüren, Prospekte, Angebote nehin schon etwas zurücklag und der Markt
außerdem einem ständigen Preisverfall unter-
• Fernsprech- und Branchenfernsprechbü- liegt, wird dieser Umstand zum Anlass ge-
cher nommen, Faxgeräte neu anzufragen. Damit
• Beschaffungskataloge (z.B.: „ABC der alle neu angeschafften Kommunikationsgerä-
Deutschen Wirtschaft“, „Wer liefert te in das zukünftige Gesamtkonzept passen,
was?“, „Europages“) werden die neuen Spezifikationen mit der
zuständigen Fachabteilung, der Datenverar-
• Wirtschaftsdatenbanken. beitung, abgestimmt.
Die Lieferantenauswahl wird dann auf Grund- Nachdem die Anfrage abgeschlossen ist, wird
lage eines Angebotsvergleichs getroffen das Gerät zusammen mit der DV ausgewählt.
(siehe Abschnitt 3.3.3). Den günstigsten Lieferanten legt der Einkauf
Als Bezugsquellennachweis werden im Ein- fest.
kauf mittels eines geeigneten DV-Systems
(früher Karteikartensystem) sowohl die Arti-
kel- als auch die Lieferantenstammdaten
geführt. Die Daten der Lieferanten, die sich
aufgrund der Beschaffungsmarktforschung als
Aufgabe
geeignet für das Unternehmen erwiesen ha- 16. Nebenstehend wird ausgesagt, dass der
ben, werden für zukünftige Bedarfsfälle in Einkauf eine der wichtigsten Schnittstel-
den Dateien (bzw. auf den Karteikarten) auf- len eines Unternehmens ist.
genommen. a) Stellen Sie grafisch die vielfältigen
Neben dem Vertrieb ist der Einkauf eine der Kontakte dar, die der Einkauf zur Be-
wichtigsten Schnittstellen des Unternehmens wältigung seiner Aufgaben unterhält!
mit seiner Außenwelt. Durch den ständigen b) Überlegen Sie bitte, ob die Globalisie-
Kontakt mit Zulieferern vieler Branchen ist es rung der Märkte mit den zurzeit beste-
auch Aufgabe des Einkaufs, auf diesem Wege henden Informationssystemen den
Informationen über Erfahrungen und Lö- Einkauf erleichtert oder erschwert!
sungskonzepte anderer Unternehmen für das
eigene nutzbar zu machen. Das gilt sowohl c) Sehen Sie in der Globalisierung der
für neue Entwicklungen im Rohstoffbereich Märkte auch Gefahren für den Ein-
als auch für neue Fertigungsverfahren. Schließ- kauf?
lich sollte der Lieferant die entsprechende d) Worin besteht der Unterschied zwi-
Fachkompetenz auf dem Gebiet seiner Produk- schen Messen und Ausstellungen?
te besitzen. Dem Einkauf kommt eine wichtige Machen Sie sich hierüber kundig.
Rolle in der Beeinflussung der Produktions- Können Sie einige deutsche Standor-
struktur zu, was die enge Verflechtung mit dem te benennen, an denen derartige Ver-
Produktionsbereich deutlich macht. anstaltungen abgehalten werden?
3. Beschaffung 319
Insbesondere beim Einkauf von Handelswa- Wir sind ein Hersteller mit Servicemanagement! Was
ren benötigt der Einkäufer erhebliche Kennt- bedeutet das?
Viele Unternehmen und deren Mitarbeiter wissen wenig
nisse über die Absatzmärkte, damit keine über industriellen Service. Die meisten sind Service-
„Ladenhüter“ eingekauft werden. Ignoranten. Wir nicht. Denn die Verbesserung der Infor-
mation über Kosten und Nutzen von Service ist unab-
3.4.1.3 Eigenfertigung oder dingbar für ein professionelleres Servicemanagement.
Das haben wir. Und das kommt Ihnen zugute.
Fremdbezug Services bietet einerseits ungeahnte Chancen für dauer-
Zu Entscheidungen, die Materialwirtschaft hafte Wettbewerbsvorteile, die Sie in der Zusammenar-
beit mit uns spüren werden, weil wir uns als Dienstleister
(insbesondere den Einkauf) und Produktion mit Herstellerbasis verstehen. Wir planen mit Ihnen und
(und u.U. noch andere Bereiche) gemeinsam stimmen Produktion, Lagerhaltung, Lieferung, Einbau
betreffen, gehören so genannte „Make or und Entsorgung mit Ihren Vorstellungen ab. Andererseits
Buy“-Entscheidungen. Dabei geht es um die teilen wir uns die Ersparnisse durch genaueste Kosten-
Nutzenanalysen.
Frage, ob ein Bauteil oder Zwischenprodukt Service beginnt bereits bei der Auswahl der richtigen
selbst in Eigenfertigung („make“) hergestellt Mitarbeiter. Unsere Führung garantiert deren Motivation.
werden oder ob es von einem Lieferanten Früher konzentrierte sich das Servicemanagement aus-
zugekauft („buy“) werden soll. schließlich am Produkt. Diese Konzentration hat zu
einem hohen Qualitätsstandard geführt. Den haben wir
Auf den ersten Blick scheint es vielleicht beibehalten. Aber wir konzentrieren uns auf mehr: näm-
wenig sinnvoll zu sein, Teile der Fertigung lich auf Anwendungsberatung, auf Beschwerdemanage-
ment, auf schnelle Reaktion, auf Lieferflexibilität, und
fremd zu vergeben. Bedeutet es doch, dass Liefersicherheit und auf unsere Kunden integrierende
Wertschöpfungspotenzial außer Haus gege- Teams mit dem Ziel, Zulieferer und Kunden in Entwick-
ben wird, denn schließlich will der Zulieferer lungsaktivitäten, Logistikfunktionen und Qualitäts-Shifts
ja daran verdienen. Die Gründe, warum ein verantwortlich einzubinden.
Unternehmen seine Fertigungstiefe reduziert Abb. 36: Auszüge aus der Anzeige eines
und Bauteile oder ganze Baugruppen fremd- KFZ-Zulieferers
fertigen lässt, sind vielfältig. Die Kriterien,
die es bei der Entscheidung abzuwägen gilt,
sind im Wesentlichen: Beispiel:
Es kann aber auch sein, dass kurzfristig die Die Systemanbieter benutzen eigene Spedi-
Möglichkeit des Fremdbezugs genutzt wird, teure. Mit zwei Lieferanten bestehen Daten-
wenn in der eigenen Produktion ein vorüber- verbundsysteme.
gehender Kapazitätsengpass auftritt (z.B., Der Systemlieferant der Stoßfänger (inkl.
weil die Nachfrage zu groß geworden oder Beleuchtung) ist einer der Zulieferer, die für
eine Anlage ausgefallen ist). DMW „Just-in-time“ produzieren und liefern.
3.4.2.3 Just-in-time-Konzept
Im Sinne einer möglichst geringen Kapital-
bindung und geringen Handlingskosten ist die
produktionssynchrone Anlieferung („Just-in-
time“-Belieferung) optimal.
Just-in-time (JIT) spart zwar Lager- und
Personalkosten, verlangt auf der anderen Seite
aber auch höchste Zuverlässigkeit. Weil bis
auf gewisse eiserne Reserven kein Lager
mehr vorhanden ist, um auch bei Verbrauchs-
schwankungen, Lieferverzögerungen, Aus-
schusslieferungen oder Produktionsstillstand
beim Lieferanten die Versorgungssicherheit
gewährleisten zu können, muss die logistische
Kette entsprechend optimiert und unanfällig
werden. JIT hat aber mit sich gebracht, dass
Transporter Tag und Nacht die Straßen be-
lasten, was auch für Anwohner als erhebliche
Beeinträchtigung angesehen werden kann.
Können Sie den Aufbau Ihrer Telekommunikati- Kein Zweifel: War bei festlichen Anlässen die Teil-
on später einmal genauso leicht verändern? nahme irn XJS V12 Cabriolet fast schon ein gesell-
Nun, voraussagen lasst sich nichts. Viele Entschei- schaftliches Muss, so empfand man sich beim
dungen müssen jedoch schon heute getroffen Golfclub-Picknick mitunter doch ein wenig overdres-
werden: Vernetzung? Verkabelung? Welcher Anbie- sed. Dem Wunsch nach etwas salopperer Motorisie-
ter? Um so wichtiger ist es, dass die angebotenen rung entsprechen wir rechtzeitig zu Saisonbeginn
Lösungen anpassungs- und erweiterungsfähig sind mit einem neuen XJS 4.0 Cabriolet mit dem schlan-
und Sie auch noch nach Jahren zufrieden stellen. keren Sechszylinder-Reihenmotor. 24 Ventile sor-
Telekommunikation hat nichts mit Telepathie zu tun. gen in harmonischem Zusammenspiel mit der 4-
Auch wir von AT&T behaupten nicht, Ihre zukünfti- Gang-Automatik für einen kräftigen und gleichzeitig
gen Anforderungen zu kennen. Aber unsere Erfah- kultivierten Antrieb, wobei Ihnen zwei Fahrpro-
rung hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. gramme je nach Straßen- und Gemütsverfassung
Schließlich wurde in den letzten hundert Jahren die Wahl zwischen entspannter und sportlicher
praktisch jede richtungsweisende Innovation auf Fahrweise lassen. Das elektrisch zu betätigende
diesem Gebiet in unseren Bell Laboratories entwi- Faltverdeck ist ebenso dicht und zuverlässig wie die
ckelt, oder wir waren führend daran beteiligt. So das legendäre englische Wachstuchjacke, und den Air-
Glasfaserkabel, die drahtlose Schalttechnik oder bag haben wir so diskret im Lenkrad platziert, dass
das UNIX-Betriebssystem. er die feine Ausstattung aus Leder und die in polier-
So werden auch unsere Innovationen von heute tem Wurzelholz eingelassenen Rundinstrumente
zum technischen Standard von morgen gehören. nicht unnötig derangiert. Lassen Sie sich bei einer
Für Telefongesellschaften genauso wie für deren Probefahrt von Ihrem Jaguar-Partner erläutern,
Kunden. Ganz gleich – und das beruhigt doch warum wir glauben, dass das neue XJS 4.0 Cabrio-
ungemein – wie der Aufbau der Telekommunikation let auf der nach oben offenen Werteskala eines
später einmal aussehen wird. überzeugten Cabriolet-Fahrers einen zumindest
ebenso hohen Platz einnimmt wie ein handgefloch-
Abb. 40a): Aus der Investitionsgüterwer- tener Picknickkorb mit echt englischem Porzellan.
bung Jaguar Info-Center, Tel. 069-5 97 60 43 oder Fax 0
69 - 59 1022.
Abb. 40b): Aus der Konsumgüterwerbung
3. Beschaffung 323
Hier ist vor allem der Einkauf gefordert, zu- In den Klimaanlagen werden nur noch Kühl-
sammen mit Lieferanten, Konstruktion, Pro- mittel ohne FCKW und FKW eingesetzt, und
duktion und Marketing neue Wege zur Ver- ein Teil der Lieferanten für Kunststoffteile
wendung umweltverträglicher Rohstoffe zu produziert bereits mit hohen Anteilen an Re-
finden und die Abfallentsorgung ständig wei- cycling-Kunststoff, der z. T. aus den o.g.
ter zu reduzieren. Verwertungsbetrieben stammt.
Aufgabe
4. Lagerhaltung und 17. In Abb. 39 sind verschiedene logistische
Systeme (Einkaufslogistik, Materiallogis-
innerbetriebliche tik etc.) dargestellt.
Logistik Stellen Sie die Unterschiede dar!
4.1 Einleitung
In einem produzierenden Unternehmen findet Aufgaben
man eine Vielzahl von Lagern mit unter-
18. a) Welche Lager gibt es in Ihrem Aus-
schiedlicher Art, Größe und Funktion:
bildungsbetrieb?
• Wareneingangslager für Roh-, Hilfs- und
Zu welchen der nebenstehend aufge-
Betriebsstoffe
führten Typen gehören diese Lager?
• Zwischenlager in der Produktion b) Überlegen Sie, wie sich der Ferti-
• Warenausgangslager für Fertigerzeugnis- gungstyp (Einzel- oder Serienferti-
se sowie gung) auf die Lagerhaltung auswirkt!
• Werkzeug- und Ersatzteillager. Beispiel:
Die Aufgabe des Lagers ist die Bereitstel- Lager mit unterschiedlicher Funktion
lung
1. Lager mit Speicher- oder Pufferfunktion:
• der notwendigen Lagerkapazität
• Wareneingangs- und Warenaus-
• der gelagerten Materialien in ausreichend gangslager
kurzer Zeit sowie
• Pufferlager in der Fertigung zwi-
• aktueller Informationen über Bestände schen zwei Arbeitsgängen (siehe
(ggfs. Inventur), Zu- und Abgänge Kapitel „Produktionswirtschaft“)
auf möglichst wirtschaftliche Weise zu ge- 2. Lager mit Umformfunktion:
währleisten. Frisch lackierte Werkstücke (wie z. B.
Grundsätzlich erfüllt ein Lager immer mindes- die Rohkarosserie) müssen i. a. erst zum
tens eine der beiden folgenden Funktionen: Trocknen zwischengelagert werden, be-
1. Die Speicher- oder Pufferfunktion: vor sie weiterverarbeitet werden können.
Durch das Lager soll gewährleistet wer- Klebstoffe müssen erst aushärten, und
den, dass immer genug Waren für den Material, das in einem Arbeitsgang er-
nächsten Verarbeitungsschritt verfügbar hitzt wurde, muss oft erst auskühlen.
sind und somit zeitliche Differenzen zwi- (Branchenfremde Beispiele: die Lage-
schen dem Wareneingang und dem Wa- rung von Wein oder Käse während des
renausgang überbrückt werden können. Reifeprozesses.)
326 Materialwirtschaft
4.2 Lagerplanung
Blocklager Regallager
Konv. Regallager Durchlauflager Hochregallager
Flächennutzungsgrad gering mittel mittel hoch
Volumennutzungsgrad hoch mittel hoch mittel
Füllgrad hoch hoch mittel (nur 1 Position/Kanal) hoch
First-in-first-out nein (LIFO) möglich automatisch möglich
Wahlfreier Zugriff auf alle nein ja nein ja
Einheiten
Investitionsaufwand sehr gering mittel hoch hoch
Betriebskosten (Automati- hoch (nied- mittel mittel niedrig (hoch)
sierung) rig)
Flexibilität gering hoch mittel hoch
1. Das Festplatzsystem ordnet jedem Arti- Bei der Bestimmung des nächsten freien
kel einen festen Lagerplatz zu, wobei die Platzes werden Informationen über Platz-
Größe des reservierten Raumes dem er- bedarf, Gewicht und Umschlagshäufig-
warteten Maximalbestand entspricht. Ein keit berücksichtigt. Für einen Außenste-
großer Teil des Raumes bleibt daher die henden scheinen die Waren „chaotisch“
meiste Zeit über ungenutzt. eingelagert zu werden.
2. Beim Freiplatzsystem (auch chaotisches 2. Die Wegoptimierung
Lagerhaltungssystem) wird kein festes Prozessrechner können die Reihenfolge
Ordnungsschema vorgegeben, sodass der Aufträge für Ein-, Aus- und Umlage-
gleichartige Ware an auseinanderliegen- rungen so optimieren, dass der Gesamt-
den, wechselnden Plätzen eingelagert weg, der zur Erfüllung aller Aufträge zu-
werden kann. Da der vorhandene Lager- rückgelegt werden muss, möglichst kurz
raum für alle Artikel genutzt werden kann, ist und Leerfahrten weit gehend vermie-
kann das Lager kleiner ausgelegt werden. den werden.
Voraussetzung ist aber eine Lagerkartei,
aus der jederzeit entnommen werden kann, Zum chaotischen Lager
wo ein bestimmter Artikel liegt und was Hierbei wird jeder Materialart ein beliebiger Platz
sich auf einem bestimmten Platz befindet. zugeordnet, der gerade nicht belegt ist. Damit kann
sich bei freier Lagerordnung eine Materialart
Die Steuerung des Lagers ist eine wichtige
zufallsbedingt an wechselnden Orten befinden. Der
Einflussgröße für die Effizienz eines Lagers. besondere Vorteil chaotischen Lagerns liegt in der
Ein- und Auslagerungsvorgänge sowie Arti- erheblichen Platzersparnis. Geht man davon aus,
kel- und Lagerplatzdatei müssen nach einem dass im Zeitraum zwischen zwei Bestellungen
bestimmten System gesteuert und verwaltet durchschnittlich nur die Hälfte der Bestellmenge
werden. Insbesondere automatische Steue- auf Lager liegt, so genügt hier eine Kapazität, die
rungssysteme übernehmen dabei zwei Funkti- der halben Bestellmenge zuzüglich des Sicher-
onen: die Lagerplatzoptimierung und die heitsabstandes entspricht. Ausgangspunkt dieser
Wegoptimierung (siehe Beispiel Seite 331 f.). Betrachtung ist die Bestellung unterschiedlichen
Materials zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Vor
dem Hintergrund dieser Platzersparnis eröffnen
4.3 Ablauf der Lagerhaltung sich für die Lagerhaltung weit reichende organisa-
torische Möglichkeiten.
4.3.1 Die Aufgaben der Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
Lagerhaltung
Die Aufgaben der Lagerhaltung beginnen Ergänzungen zu ausgewählten Aufgaben
dort, wo sie für den Einkauf bzw. die Dispositi- der Lagerhaltung
on – zumindest zum Teil – aufhören, nämlich • Warenannahme: Die Prüfung der Liefe-
mit dem Eintreffen der Ware, also der Erfül- rung auf offen erkennbare Mängel ge-
lung des Kaufvertrages durch den Lieferanten: schieht i. d. R., indem kontrolliert wird,
• Warenannahme und -einlagerung: Bei ob Art und Menge der gelieferten Ware
der Durchführung der Warenannahme mit den Angaben auf dem Lieferschein
muss die Lieferung auf offen erkennbare übereinstimmen und ob die Ware äußer-
Mängel geprüft werden. Der Warenemp- lich unbeschädigt ist. Bei besonders kriti-
fang wird dann auf dem Lieferschein bes- schen Waren kann eine zusätzliche Wa-
tätigt (ein Exemplar ist für den Lieferan- reneingangs-Qualitätsprüfung erforder-
ten) und ggf. im DV-System erfasst. An- lich sein. Dies können z. B. Rohstoffe mit
schließend wird die Ware an ihren La- schwankenden Qualitäten oder Erstliefe-
gerplatz gebracht. rungen von neuen Lieferanten sein.
4. Lagerhaltung und innerbetriebliche Logistik 333
4.3.4 Stellenwert
Sowohl die hier genannten Strategien als auch Der Dritte im Bunde, Finanzmann und Cont-
alle herkömmlichen, einkaufspolitischen Akti- roller Christoph Baubin, kalkuliert derweil
vitäten und die Struktur des Einkaufs bringen schon mit konkreten Größen. 1999, wenn die
eine Fülle von Problemen mit sich, die durch volle Leistungsfähigkeit von 200 000 Autos
die Berührung mit anderen Betriebsteilen pro Jahr erreicht sein wird, sollen annähernd
überhaupt erst sichtbar werden. 2000 Mitarbeiter für nahezu drei Milliarden
Immer wieder kommt es daher zu Zielkonflik- Mark Umsatz sorgen. Nicht mehr als 50 Zu-
ten (siehe Abb. 46). Auch die Modulfabrik lieferer werden direkt am Standort Hambach
von Hambach macht da keine Ausnahme. Der in einem Baukastensystem (Fachjargon: Mo-
Mercedes-Chef beschreibt sie so: dultechnik) zusammenarbeiten und so die
Fertigungstiefe auf sensationelle 18 bis 20
„Sie ist ganz anders: die Idee, das Produkt, Prozent drücken.
die Mitarbeiter, die Aufbruchstimmung (siehe
Abb. 45).“ Was dabei herauskommt, gilt als ein ambitio-
niertes Stück Autotechnik: Die Karosserie
wird selbsttragend, der Motor sitzt, nach dem
Unterflurprinzip, knapp vor der Hinterachse
und sorgt für Heckantrieb. Inzwischen (2004)
ist der Smart ein Renner.
Kapitel 5
Personalwesen
von Jürgen R. Tiedtke
341
Der Einkauf von „Komponenten“ und Eine „atmende“ Automobilfabrik auf deut-
„Systemen“, wie zum Beispiel das komplette schem Boden ist in Bayern verwirklicht. Nach
Armaturenbrett oder fertig einzubauende der Richtschnur „Arbeiten, wenn Arbeit da
Türen, reduziert die Abwicklung von Ein- ist“ hat die BMW AG eine für Deutschland
kaufsvorgängen, entlastet die Verwaltung bis revolutionäre Betriebsvereinbarung abge-
hin zur Buchhaltung. schlossen. Für jeden der 36.000 BMW-
Die Just-in-time-Lieferung verringert die Schichtarbeiter in München, Dingolfing,
Lagerhaltung und den innerbetrieblichen Regensburg und Landsberg wird ein Zeitkor-
Transport, beschleunigt die Produktion. ridor von plu/minus zweihundert Stunden
eingeführt.
Die Gruppenarbeit löst den Taylorismus ab,
der die Teilung komplexer Arbeitsvorgänge Wenn man diese Flexibilisierung auf ein
in Teilschritte einleitete und damit die Fließ- einzelnes Produktionswerk, beispielsweise
bandproduktion vorbereitete. Heute bauen Dingolfing, herunterbricht, gibt das eine
Arbeitsgruppen die Komponenten zusammen, „Atmung“ von fünfzig Tagen mit „mehrjähri-
sind weit gehend für die eigene Steuerung gem Übertragungszeitraum“. Die Beschäfti-
und für die Qualität verantwortlich. gung kann also der Nachfrage angepasst und
über en Produktionszyklus eine Modells ver-
Durch weitere Rationalisierungen, die be- teilt werden: Bei Serienanlauf wird geklotzt,
reits bei der Entwicklung des Automobils bei Serienende gekleckert.
vorgedacht und dann konsequent umgesetzt
werden, einschließlich einer schnellen Ver- Was früher eine Überstunde war, wird jetzt in
wirklichung von Verbesserungsvorschlägen, ein Guthaben auf dem persönlichen Arbeits-
konnten die Kosten erheblich gesenkt werden. zeitkonto verwandelt – und umgekehrt: Frei-
So wurden in wenigen Jahren die Produkti- schichten schmälern nicht mehr den Lohn,
ons-, Einkaufs-, Verwaltungs- und Arbeits- sondern das Konto.
kosten gesenkt, die Effektivität gesteigert und Abb. 1: Veränderung in der Arbeitsor-
die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. ganisation
Der Anschluss der deutschen Industrie an den Quelle: u. a. Welt am Sonntag
Weltmarkt und die Vorreiterrolle, die sie bei
der aktiven Sicherheit und beim Umwelt-
schutz spielt, zeigt, dass sich die Anstrengun-
gen lohnen.
Aufgabe
Die Nachteile, wie der harte Wettbewerb und
1. a) Welche Wirkung verspricht sich die
der Verlust vieler Arbeitsplätze bei den Zulie-
Unternehmensleitung von der „at-
ferern, sollten dabei nicht vergessen werden.
menden Fabrik“?
Eine solche durchgreifende Änderung des
Denkens und der industriellen Arbeit führte b) Warum kann eine atmende Fabrik
auch in anderen Wirtschaftszweigen zu erheb- nicht in allen Produktionsstätten ein-
lichen Veränderungen. gerichtet werden?
Die Folge war auch eine Neufassung von c) Prüfen Sie, welchen Weg VW ge-
Grundsätzen, Zielen und Aufgaben des Per- gangen ist, um die Arbeitszeit zu
sonalwesens. flexibilisieren.
2. Das Personalwesen und seine Funktion 343
2.5.2 Sinkende Nachfrage auf Bei DaimlerChrysler hat man sich nach Ver-
dem Arbeitsmarkt handlungsmarathon mit dem Betriebsrat geei-
nigt, l7 Stunden dauerte es, bis Arbeitgeber
Bei knappen Gewinnspannen, zunehmender und -nehmer die Türen des Besprechungs-
Weltmarktkonkurrenz und einem hohen Lohn- zimmers öffneten, um den Journalisten den
und Gehaltsniveau wird zunehmend in den Erfolg ihrer gemeinsamen Auseinanderset-
Ländern produziert, in denen auch der Absatz zungen mitzuteilen:
der Ware liegt und die Produktion kosten-
günstig ist. Die Folge ist: Die Nachfrage nach - Die interessanteste Erfahrung ist eine
Arbeitskräften sinkt im Inland, und die Ar- höchst komplizierte Vereinbarung, die
beitslosigkeit steigt bei uns. So steht bei vie- selbst in der Konzernzentrale am Freitag –
len Firmen nicht die Einstellung neuen Perso- 23.07.2004 – noch viele offene Fragen
nals, sondern die Personaleinschränkung und aufwarf. Generell ist man übereingekom-
die Betreuung des bestehenden Personals im men,
Vordergrund. Die Vorausschauenden prognos- - dass D.C. eine Arbeitsplatzgarantie für alle
tizieren daher, dass sich die Lage am Arbeits- 160 000 Arbeitsplätze bis zum Jahre 2012
markt kaum entspannt und nur längerfristig mit in Deutschland gibt,
positiven Veränderungen zu rechnen ist. - dass die Konzernspitze auf 10 % ihrer jähr-
Hier eine Trendwende und neue Arbeitsplätze lichen Bezüge verzichtet,
zu schaffen, ist dabei eine gesellschaftspoliti- - alle Beschäftigten auf eine bereits für 2006
sche bzw. eine unternehmerische Aufgabe. vereinbarte Gehaltserhöhung verzichten
Das Personalwesen kann das Unternehmen u.v.m.
oder den Unternehmer lediglich unterstützen.
Sie kann keineswegs aus eigenem Gestal- Das hat es in dieser Form noch nie gegeben.
tungswillen heraus eigene Entscheidungen im Beide Seiten müssen große Zugeständnis ma-
Alleingang treffen. Sie kann aber im täglichen chen, sichern aber den heimischen Standort.
Umgang mit Mitarbeitern, Vorgesetzten und Abb. 7: Arbeitsplätze
Betriebsräten deutlich machen, dass der Ver- Quelle: Hamburger Abendblatt, Juli 2004
teilungsspielraum immer enger wird und man
sich auch von lieb gewordenen Besitzständen
lösen muss (vergl. Abb. 7).
2.5.6 Veränderte
Arbeitsorganisation
Abb. 10: Wachstum der deutschen Wirt-
Die Beschränkung auf wertschöpfende Tätig- schaft
keiten, verstärkte Gruppenarbeiten, prozess-
orientiertes und nicht funktionsorientiertes
Denken, Projektmanagement sind Stichworte, Die besonderen Aufgaben des Personalwe-
die eine veränderte Arbeitsorganisation sens bei radikaler Umstrukturierung (Re-
erfordern und zum Beispiel Abteilungs- engineering) – Beispiele
schranken abbauen, auch flachere Hierarchien Die Inhalte des Re-engineering sind im ersten
produzieren. Bei diesen Entwicklungen muss Kapitel unter dem Abschnitt 4.7.3 näher läu-
das Personalwesen die Prozesse mitgestalten tert worden. Auch haben sie Eingang in das
und die Veränderungen durch geeignete, Kapitel „Produktionswirtschaft“ gefunden.
praktikable Maßnahmen für die Mitarbeiter Der Durchsetzung des Re-engineering gehen
und das Unternehmen auch sehr schnell und intensive Maßnahmen des Personalwesens
effektiv durchführbar machen. Insoweit voraus. Es muss den Mitarbeitern, aber auch
kommt dem Personalwesen eine klare Len- den Führungsebenen unterhalb des Vorstan-
kungs- und Steuerungsfunktion zu, die nicht des den Wandel verdeutlichen und dafür Sor-
zu unterschätzen ist und eine erhebliche Wei- ge tragen, dass dieser verstanden und akzep-
terentwicklung der bisherigen Dienstleis- tiert wird. Mit seiner Akzeptanz können die
tungsrolle beinhaltet. Einzelprozesse in Gang gesetzt werden, die
Die Änderung bisheriger Arbeitsorganisatio- dem Unternehmen einen neuen, anderen
nen in neue Formen wirft meist menschliche Stempel aufdrücken. Dafür werden meist
Probleme auf, weil das Beharrungsvermögen Trainer angeworben, die mit ihren Methoden
der Mitarbeiter einerseits wie übereilte Aktio- alte Denkmuster überwinden helfen, indem
nen der Leitung, andererseits einer guten und sie neue lehren und einüben. Hierbei ist z. B.
relativ schnellen Lösung im Wege stehen. an das vernetzte Denken gedacht.
2. Das Personalwesen und seine Funktion 353
Beiderseitiges Vertrauen, klare Führungs- Heute arbeiten alle im Team. Heute wird
grundsätze und eindeutige Ziele schaffen eine miteinander gesprochen. Krankenstand, Kon-
Atmosphäre, die Leistungsbereitschaft för- flikte, Zweifel, Ärger, Niederlagen, nichts
dert, gleichzeitig aber auch hilft, Ängste ab- bleibt unentdeckt. Auf fünfteiligen Infotafeln,
zubauen. Monitoren und Diskussionsecken wird vergli-
chen, gelobt, angeklagt, angespornt. Heute ist
jeder wieder stolz, Porsche-Mitarbeiter zu
2.6 Aufgaben des sein. Und dafür lohnt es sich ranzuklotzen.
Personalwesens In Anlehnung an capital, Hamburger Abend-
blatt, Die Welt, Auto Bild
Im vorangegangenen Abschnitt „Anforderun-
gen“ wird geschildert, wie sich das Personal-
wesen im Gesamtunternehmen neu ausrichtet
und geänderte Funktionen wahrnimmt.
Das wird auch in der erweiterten Aufgaben-
stellung deutlich.
Heute übernehmen Personalabteilungen viel-
fach Aufgaben, die nicht alle eingehend be-
schrieben werden können und die von Unter-
nehmen zu Unternehmen auch unterschiedlich
ausgeprägt sind. Die Kurzübersicht – ohne
Anspruch auf absolute Vollständigkeit – ist
lediglich als Grobauswahl dieser Funktionen
und Aufgaben anzusehen.
Folgende Aufgaben sind stichwortartig auf-
zulisten:
• Personalforschung, Arbeitsmarktanalyse,
Personalmarketing
• Personalwerbung, Personalplanung und
-bedarfsdeckung
• Erstellung und Überwachung der Perso-
nalführungsgrundsätze
• Gestaltung der Mitarbeiterinformation
und -kommunikation
• Gestaltung der tariflichen Regelungen
• Erstellung der Richtlinien für personelle Abb. 11: Aufgabenfelder der Personal-
Einzelmaßnahmen wirtschaft nach Bröckermann
2. Das Personalwesen und seine Funktion 355
Auf diese Art und Weise kann jede Gruppe Zur Wertschöpfung:
ihre Bedürfnisse besser decken, ganz gleich, Die Wertschöpfung ist der Wertezuwachs, den ein
zu welchem Teil sie daran beteiligt ist. Unternehmen erwirtschaftet hat. Dabei sind die
Dieses Denken führte in den Unternehmen zu Vorleistungen (auch als Zulieferungen bezeichnet,
z. B. die eingekauften Werkstoffe, die fremden
einer kritischen Distanz zu einzelnen Tätig-
Dienstleistungen) unberücksichtigt zu lassen, weil
keiten, aber auch zu Entlassungen, so z.B. sie als Wertschöpfung bereits von anderen Unter-
wenn Arbeitnehmer unzuverlässig arbeiten, nehmen und Personen erbracht worden sind. Nun
aber auch, wenn Leitungskräfte falsche Ent- beschränkt sich die Wertschöpfungsrechnung nicht
scheidungen treffen (vergl. 2006 Airbus- allein auf die erstellten und veräußerten Leistun-
Industrie, in der Vergangenheit Siemens mit gen, sondern erfasst alle Erträge, und dazu zählen
BenQ – 2006 und DaimlerChrysler mit Mit- auch die Erzeugnisse, die noch nicht veräußert,
aber in der Periode hergestellt sind, Erzeugnisse,
subishi, siehe auch Seite 68).
die selbst noch am Stichtag der Wertschöpfungs-
Ohne Wertschöpfung kann jedoch kein ge- ermittlung in der Prozesskette stecken, und Eigen-
winnorientiertes Unternehmen auf Dauer exis- leistungen, also Produkte, die das Unternehmen für
tieren. sich selbst erstellt hat (z. B. eigene Fahrzeuge, die
als Geschäftswagen benutzt werden). Die Wert-
So entspricht der zentralen Bedeutung des schöpfung resultiert aus dem Zusammenwirken der
Menschen auch die Stellung des Personalwe- Elementarfaktoren Werkstoffe, Betriebsmittel und
sens. Es muss sich mit allen Fragen auseinan- Arbeitsleistungen. Die Umsetzung der Ziele unter
der setzen, die mit dem Einsatz von Men- Einhaltung humaner Prinzipien wird ständig durch
schen zusammenhängen, um das Ziel, Ge- Institutionen (z. B. Aufsichtsrat und Betriebsrat,
durch besondere Organe wie dem Controlling u. a.)
winne zu machen, zu erreichen. kontrolliert. Dass der Einsatz an Elementarfaktoren
Risiken in sich birgt, sei am Rande erwähnt. Im
Ernstfall verliert der Unternehmer seinen Betrieb,
3.1 Personal im die Eigentümer ihr eingesetztes Kapital, die Ar-
Industriebetrieb beitnehmer ihren Arbeitsplatz. Alle Faktoren sollen
- wie im Sachtext dargestellt - derartig zusammen-
geführt werden, dass eine hohe Produktivität er-
Das im Industriebetrieb beschäftigte Personal zielt wird (siehe hierzu Kapitel 1: Zielsetzungen).
wird nach Angestellten, Arbeitern, den zur
Berufsausbildung Beschäftigten und arbeit-
nehmerähnlichen Mitarbeitern unterschieden. Aufgabe
Darüber hinaus gehören im Einzelunterneh- 10. a) Sie finden im Vorspann der Sachaus-
men sowie in Personengesellschaften die führungen (siehe Seite 145) die Ge-
mitarbeitenden Eigentümer und deren mitar- winn- und Verlustrechnung der DMW
beitende Familienangehörige ebenfalls zum AG. Errechnen Sie hiernach die Wert-
Personal. schöpfung des Unternehmens!
b) Überlegen Sie, ob es nicht sinnvoller
ist, die Wertschöpfung nur auf die
Zwecksetzung des Industriebetriebes
zu konzentrieren (Herstellung und
Verkauf von Erzeugnissen), und
schlagen Sie hierzu den Lösungsweg
vor!
360 Personalwesen
Abb. 15: Zusammensetzung des für einen Betrieb nötigen Personals im Industriebetrieb
3.1.2 Arbeiter
Auszug aus dem BetrVG
Arbeiter sind Mitarbeiter, die überwiegend §5
körperliche Arbeit leisten. Sie sind in der
1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes
Landesversicherungsanstalt (LVA) rentenver- sind Arbeiter und Angestellte einschließ-
sichert. lich der zu ihrer Berufsausbildung Be-
Je nach dem Ausbildungsstand unterscheidet schäftigten.
man ungelernte Arbeiter (Hilfsarbeiter), 2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Geset-
angelernte Arbeiter (für Spezialfunktionen) zes gelten nicht
und gelernte Arbeiter (Facharbeiter). 1 in Betrieben einer juristischen Per-
son die Mitglieder des Organs, das
3.1.3 Angestellte zur gesetzlichen Vertretung der ju-
ristischen Person berufen ist;
Angestellte sind Mitarbeiter, die überwiegend 2 die Gesellschafter einer offenen
geistige Arbeit leisten. Sie sind in der Bun- Handelsgesellschaft oder die Mit-
glieder einer anderen Personenge-
desversicherungsanstalt für Angestellte ren-
samtheit, soweit sie durch Gesetz,
tenversichert. Je nach ihrer überwiegenden Satzung oder Gesellschaftsvertrag
Arbeitsaufgabe unterscheidet man kaufmän- zur Vertretung der Personengesamt-
nische und technische Angestellte. heit oder zur Geschäftsführung beru-
fen sind, in deren Betrieben;
3.1.3.1 Leitende Angestellte 3 Personen, deren Beschäftigung nicht
in erster Linie ihrem Erwerb dient,
Leitende Angestellte sind Mitarbeiter, die sondern vorwiegend durch Beweg-
unternehmens- oder betriebsleitende Aufga- gründe karikativer oder religiöser
ben, also Arbeitgeberfunktionen, in einer Art bestimmt ist;
Schlüsselstellung ausüben. Sie leiten im We- 4 Personen, deren Beschäftigung nicht
sentlichen selbstständig und verantwortlich in erster Linie ihrem Erwerb dient und
den Betrieb, einen bedeutenden Betriebsteil die vorwiegend zu ihrer Heilung,
oder einen größeren Aufgabenbereich. Zu Wiedereingewöhnung, sittlichen Bes-
ihnen gehören Vorstände, Hauptabteilungslei- serung oder Erziehung beschäftigt
ter, Abteilungsleiter sowie das Junior- werden;
5 der Ehegatte, Verwandte, Verschwä-
Management. Außerdem sind Arbeitnehmer gerte ersten Grades, die in häuslicher
zu erwähnen, die rechtlich herausgehobene Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber
Stellungen bekleiden wie Prokuristen und leben.
Bevollmächtigte. Aber auch die Mitarbeiter,
3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht
die aufgrund eigener Entschlusskraft hoch ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist,
qualifizierte Stabsarbeit führender, prüfender, keine Anwendung auf leitende Angestellte.
entwerfender, forschender oder werbender Leitender Angestellter ist, wer nach Ar-
Art leisten und damit wegen der Bedeutung beitsvertrag und Stellung im Unternehmen
für das Unternehmen von dem persönlichen oder Betrieb
Vertrauen des Unternehmens getragen sind, 1 zur selbständigen Einstellung und
werden als „Leitende Angestellte“ behandelt. Entlassung von im Betrieb oder in
der Betriebsabteilung beschäftigten
Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2 Generalvollmacht oder Prokura hat
und die Prokura auch im Verhältnis
zum Arbeitgeber nicht unbedeutend
ist oder
362 Personalwesen
Abb. 18: Strategische Felder mit drei strategischen Ebenen der Personalplanung
Es muss auch klar sein, ob es sich beim Neu- Ergänzendes zum Personalbedarf
bedarf um Arbeitsspitzen handelt, die durch Die Einflussfaktoren, die auf den Personalbedarf wirken,
befristete Arbeitsverhältnisse abgefangen lassen sich nach quantitativen, zeitlichen und qualitativen
Merkmalen systematisieren. Hier seien die quantitativen
werden können, oder um einen langfristigen und zeitlichen in den Blickpunkt gerückt.
durchgehenden Bedarf an unbefristet einzu- Zu den quantitativen rechnet man z. B.:
stellenden Mitarbeitern. • die Konjunktur. Befindet sich die Wirtschaft im
Zur Ermittlung des Personalbedarfs für eine Aufschwung, dann muss die vollständige Kapazität der
Betriebe vielleicht ausgenutzt beziehungsweise ausge-
zukünftige Periode wird in der betrieblichen dehnt werden. Folge ist ein höherer Personalbedarf.
Praxis das auf Seite 367 dargestellte Schema • die Arbeitsdauer. Wird die betriebliche Arbeitszeit
angewandt. auf Grund neuer Tarifverträge oder auf Grund von be-
triebsinternen Absprachen heruntergefahren, erhöht
sich automatisch der Personalbedarf.
• den Arbeitsplatzwechsel der Mitarbeiter. Eine hohe
Fluktuation der Mitarbeiter bewirkt einen sich ständig
verändernden Bedarf. Solche Fluktuation kann auf un-
zureichende Arbeitsbedingungen ebenso zurückgeführt
werden wie auf ein schlechtes Betriebsklima.
Zu den zeitlichen gehören:
• der Altersaufbau, der sicher auch eng mit den quali-
tativen Einflussmerkmalen einhergeht. Mit ihm ist der
Ruhestand verknüpft.
Personal-
planung
Zusammenfassung Beispiel:
Quantitative Bedarfsrechnung
Die quantitative Personalbedarfspla-
nung geht von der Frage aus, wie viele Gegenwärtiger Personalbestand (IST)
Mitarbeiter auf Grund der vorgegebenen - Abgänge durch Pensionierungen, Kündi-
Sachaufgaben zu welchem Zeitpunkt be- gungen durch Arbeitnehmer, Entlassun-
nötigt werden. Sie kann aber nicht von der gen, Beförderungen, Versetzungen, To-
qualitativen Bedarfsplanung losgelöst er- desfälle, Invalidität, Einberufung zur
mittelt werden. Bundeswehr oder zum Zivildienst, Um-
schulung etc.
+ Zugänge durch bereits feststehende Neu-
eintritte, Übernahme aus dem Ausbil-
4.2 Qualitative Aspekte des dungs- in das unbefristete Arbeitsver-
Personalbedarfs hältnis, Versetzungen, Rückkehr von der
Bundeswehr und vom Zivildienst, Rück-
„Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital kehr von längerfristigen Fortbildungs-
des Unternehmens!“ Wenn diese oft zitierte maßnahmen
Aussage bei der qualitativen Personalplanung = zu erwartender Personalbestand (im Pla-
des Industrieunternehmens als Richtschnur nungszeitpunkt)
gilt, dann muss diesem Aspekt ein hohes
Gewicht beigemessen werden. + zu planende Neueinstellungen (Ersatz-
und Zusatzbedarf/Nachholbedarf)
Die Aufgaben einer qualitativen Bedarfs-
ermittlung konzentrieren sich auf zwei Kern- = Geplanter Personalbedarf (Soll) (im Pla-
inhalte: nungszeitraum)
• Erfassung der Arbeitsanforderungen
und
• Bestimmung der Ist-Qualifikation der
Mitarbeiter.
Die Arbeitsanforderungen stellen die Leis- Aufgabe
tungsvoraussetzungen dar, die von einem
Arbeitnehmer zur Bewältigung der Tätigkei- 14. a) Die grafische Darstellung der Perso-
nalbedarfplanung (vgl. Abb. 20)
ten an einer Arbeitsstelle erbracht werden
weicht etwas von der Aufstellung
müssen. Sind diese Arbeitsanforderungen
oben ab. Suchen Sie bitte nach Grün-
festgelegt, dann muss geprüft werden, ob
den!
jemand im Betrieb die Eignung für diese
Stelle mitbringt, d.h., ob er die Arbeitsanfor- b) Sie haben von quantitativen Ein-
derungen mit seinen Fähigkeiten und seinem flussfaktoren gehört, siehe S. 392f.
Können erfüllen kann. Oder es muss nach Nun stellen Sie bitte qualitative Ein-
einer geeigneten Person auf dem Arbeits- flussfaktoren, die auf den Personal-
markt gesucht werden. bedarf wirken, heraus, und begrün-
den Sie Ihre Überlegungen!
Da meistens die Stellen genau beschrieben
sind, also die Arbeitsanforderungen für sie c) Bei der Ermittlung des Personalbe-
festliegen, bedient man sich zur Bedarfser- darfs ist eine Personalbestandsanaly-
mittlung dem nebenstehenden Schema (rechte se vorzunehmen. Was würden Sie
Spalte oben). darunter verstehen?
368 Personalwesen
Stellenbeschreibung
Reparaturschlosser, Bereich „Produktion", Kenn-Nr. 21137
Die erforderlichen Fachkenntnisse sind eine dreijährige Handwerkslehre und eine zwei- bis
fünfjährige Berufserfahrung. Bei der Durchführung von Reparaturen an den Produktions- und
Ausrüstungsmaschinen wird eine mittlere Geschicklichkeit verlangt.
Die geistige Beanspruchung ist sehr hoch, da häufige Denktätigkeit erforderlich ist. Die Arbei-
ten sind z.T. nur mit Hilfe eigener Überlegungen durchführbar (z.B. Lesen von Zeichnungen).
Die körperliche Beanspruchung ist hoch, weil Arbeiten mit anstrengender Körperhaltung anfal-
len. So sind z.B. schwere Werkstücke zu handhaben, Treppen und Leitern zu begehen und Ar-
beiten mit statischer Belastung durchzuführen.
Die Verantwortung für die Betriebsmittel ist durchschnittlich, da die Möglichkeit der Verursa-
chung von Schäden gering ist. Jedoch besteht bei fehlerhafter Durchführung der Reparaturarbei-
ten die Gefahr zur Schädigung der Gesundheit anderer.
Der Reparaturschlosser hat einen sehr großen Einfluss auf den Arbeitsablauf, da eine schnelle
Durchführung von Reparaturen Stillstände und Ausschuss vermeidet.
Die Tätigkeit des Reparaturschlossers unterliegt verschiedenen negativen Umwelteinflüssen. In
der Regel arbeitet er zwar nicht unter extremen Temperaturverhältnissen. Jedoch sind die Ar-
beiten abwechselnd in geschlossenen Räumen und im Freien durchzuführen, so dass die Erkäl-
tungsgefahr groß ist. Hinzu kommt die Blendung beim Schweißen.
Die Verschmutzung durch Öle, Fette und Rost ist hoch. Außerdem sind erhebliche Belästigungen
durch Lärm und Erschütterungen bei Arbeiten an den Maschinen und in der Werkstatt gegeben.
Abb. 22: Beispiel einer Arbeitsplatzbeschreibung der DMW AG
Anforderungsarten
Arbeits-
Können Verantwortung Belastung
bedingungen
muskel- Umge-
Geschick- Verant- geistige
Kenntnisse mäßige bungs-
lichkeit wortung Belastung
Belastung einflüsse
Abb. 23: Beispiel von Anforderungen, die an einen Arbeitsplatz gestellt werden
4. Personalplanung und der Mitarbeiterbedarf 369
Stellenbeschreibungen haben ein sehr unter- Qualitätsanforderungen, die an das Verhalten der
schiedliches Aussehen. Die in Abb. 22 darge- Mitarbeiter gestellt werden, sind besonders wich-
stellte Arbeitsplatzbeschreibung ist nur verba- tig. Dabei wird die „fachliche Kompetenz" als
ler Natur. Meist stehen hierfür Formulare zur selbstverständlich vorausgesetzt. Was der Kunde in
steigendem Maße erwartet, sind Freundlichkeit,
Verfügung. Sie enthalten neben der Stellen- Höflichkeit, Verständnis für seine individuelle
bezeichnung eine Kurzbeschreibung des Auf- Situation verbunden mit der Fähigkeit, zuzuhören
gabengebietes (Ziel der Stelle), die Stellenbe- und auf Kundenwünsche einzugehen.
zeichnung des direkten Vorgesetzten, die An-
Mitarbeiterverhalten als Qualitätsmerkmal
zahl der direkt unterstellten Mitarbeiter, Stel-
lenvertretungen, besondere Vollmachten und Erwartet wird, dass der Mitarbeiter für den Kunden
eine Beschreibung der Tätigkeiten, die der „da ist", Zeit für ihn hat, sich während des Kun-
denkontaktes ausschließlich ihm widmet, dass sein
Stelleninhaber selbstständig durchführt. „Geschäft" nicht gestört wird, zum Beispiel durch
Arbeitsanforderungen lassen sich aus Stellen- Kollegenfragen, Telefongespräche oder andere
beschreibungen und Anforderungskatalogen Kunden, die „nur schnell etwas erledigen wollen".
zusammenstellen. Neben den schon in Abb. 23 Dass auch das äußere Erscheinungsbild des Mitar-
ausgewiesenen Anforderungsmerkmalen wer- beiters zu den Qualitätsanforderungen zählt, es auf
die Art und Weise der Gesprächsführung ankommt
den oft extra allgemeine Anforderungen (Ge-
– Kunden wollen weder „kurz" noch „von oben
schlecht, Alter), Arbeitsverhalten (Konzentrati- herab" abgefertigt, sondern „bedient" werden – sei
on, Problembewusstsein, Verhandlungsgeschick nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
z.B.), Sozialverhalten (Anpassungsvermögen,
Abb. 24: Zur Qualität der Mitarbeiter in
Hilfsbereitschaft, Kommunikationsbereitschaft
Ausstellungs- und Verkaufs-
u.a.) und Führungsqualifikationen (Delegation,
räumen der DMW AG
Informationsbereitschaft, Motivationsfähigkeit
Quelle: Gablers Magazin
u.v.m.) genannt.
Bei der Einrichtung neuer Stellen müssen die Aufgabe
Aufgaben dieser Stellen bekannt sein, damit
die Anforderungsmerkmale festgelegt werden 15. a) Besorgen Sie sich von Ihrer Unter-
können. nehmung eine Arbeitsplatzbeschrei-
bung, und vergleichen Sie diese mit
Für die operative Planung werden Bedarfs-
der Abb. 22. Welche Unterschiede
meldungen der Abteilungen bzw. der Haupt-
stellen Sie fest?
bereiche aufgestellt. Sie sind zunächst quanti-
tativ orientiert, jedoch enthalten sie auch b) Der qualitative Personalbedarf ist
Hinweise auf die notwendigen Eigenschaften weit schwerer zu planen als der
und Fähigkeiten, die mit der Besetzung ver- quantitative. Welche Gründe lassen
bunden sind. sich hierfür anführen?
c) Bei der DMW AG wird die Kunden-
Zusammenfassung orientierung groß geschrieben. Be-
sonders die Mitarbeiter in den Aus-
Die Personalbedarfsplanung wird sowohl
stellungs- und Verkaufsräumen sind
quantitativ als auch qualitativ vorge-
entsprechend geschult. Welche Grün-
nommen. Je größer der Planungszeitraum
de sprechen hierfür? Können Sie sich
ist, desto schwieriger wird sie. Erst eine ex-
vorstellen, dass ein ähnliches Denken
akte Aufgabenanalyse einer Stelle lässt die
und Verhalten von den in der Produk-
an sie gestellten Anforderungen ermitteln.
tion Beschäftigten erwartet wird?
Anforderungsmerkmale und Eignung müs-
Wenn ja, warum ist es so? Erläutern
sen bei Besetzung einer Stelle aufeinander
Sie auch, wenn Sie zu einem anderen
abgestimmt werden.
Ergebnis gekommen sind!
370 Personalwesen
5.2.3 Zeitarbeitsunternehmen
In bestimmten Fällen ist die Zusammenarbeit
mit Zeitarbeitsunternehmen, die Arbeits-
kräfte meist für einen bestimmten Zeitraum
verleihen, sehr sinnvoll. So können Zeitar-
beitskräfte für Arbeitsspitzen oder bei beson-
deren Anlässen eingesetzt werden, ohne ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen.
Der Vorteil liegt in der schnellen Verfügbar-
keit, aber auch in der klaren Beendigung des
zeitlich befristeten Vertrages.
5.2.4 Personalberatungs-
unternehmen
Personalberatungsunternehmen überneh-
men den Auftrag, geeignete Bewerber – meist Abb. 28: Gesucht wird ... Originalanzei-
für die Führungsebene – zu suchen. Sie ge einer Reparaturwerkstätte
schreiben – vielfach ohne Nennung des Auf- für Automobile der DMW und
traggebers – die Stelle aus, führen die ersten VW AG
Kontaktgespräche, treffen eine Vorauswahl
und präsentieren dann dem Kunden die nach
ihrer Meinung geeigneten Bewerber.
Personalberatungsunternehmen verfügen über
Aufgabe
Fachkräfte, z.B. Psychologen, Arbeitswissen- 17. In vielen Fällen ist eine außerbetriebliche
schaftler, Betriebswirte, Volkswirte u.a. und Personalwerbung unumgänglich. Das
schätzen, je nach Bedarf, Qualifikation und neue Werk der DMW in Niedersachsen zur
Charaktermerkmale eines Stellungssuchenden Produktion des offenen Joy wird wohl von
ein, bewerten diese, vergleichen sie mit ande- einer solchen Maßnahme ausgehen.
ren Bewerbern und präsentieren die Ausge- a) Warum wird das so sein? Begründen
wählten ihrem Auftraggeber. Die Entschei- Sie Ihre Überlegungen!
dung, wen man einstellt, trifft die Leitung des
Stellenanbieters. Natürlich geht es hierbei nur b) Welche Medien stehen für eine Per-
um hochdotierte Posten, denn für die Allge- sonalwerbung zur Verfügung, und
meinheit sind solche Auswahlverfahren meist welcher Medien würden Sie sich be-
überflüssig, da deren Fähigkeiten und Fertig- dienen?
keiten im Normalbereich liegen, viel zu kost- c) Wann werden Unternehmen sonst
spielig. Der Vorteil solcher externen Bera- grundsätzlich auf den Arbeitsmarkt
tungsunternehmen ist zweifellos deren Know gehen, um neue Kräfte anzuwerben?
How, und ihre Objektivität, die sie dem Be- d) Es gibt viele Personalberatungsun-
werber gegenüber haben. ternehmen, die eine Anwerbung von
Arbeitskräften für eine suchende
Firma übernehmen. Warum werden
diese oft und gern eingeschaltet?
374 Personalwesen
Abb. 31: Zur Personalauswahl (U. Stopp, Betriebliche Personalwirtschaft, expert Verlag,
S. 60, Taylorix Fachverlag)
376 Personalwesen
PETER FREYMANN
Bergstraße 27
60314 Frankfurt/M
Deutsche Motoren Werke AG
z.Hd. von Herrn Dr. Franz Oster
Personalleitung
Lister Damm 58-67
30163 Hannover
§6
Altersversorgung
Die Firma gewährt Herrn P. Freymann nach Errei-
chung des Rentenalters oder bei vorzeitiger Be-
rufsunfähigkeit nach mindestens 10-jähriger Tätig-
keit in ihrem Dienst eine Altersversorgung nach
den Grundsätzen der betriebsinternen Ruhege-
haltsordnung.
§ 13
Zeugnisausstellung
Vom Zeitpunkt der Kündigung an hat Herr P.
Freymann einen Anspruch auf Ausstellung eines
Zeugnisses, das sich auf Führung und Leistung zu
erstrecken hat.
§ 14
Der einschlägige Tarifvertrag ist Bestandteil dieses
Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten für das
Arbeitsverhältnis von Herrn P. Freymann die
Vorschriften der Betriebsordnung sowie der sons-
tigen Betriebsvereinbarungen der Firma ergänzend,
so weit ihre Anwendung nicht nach Inhalt oder
persönlichem Geltungsbereich entfällt.
Rechtsvorschriften
Bei der Formulierung von Arbeitsverträgen
müssen viele Rechtsvorschriften beachtet
werden, die bis in das europäische Recht rei-
chen (siehe Abb. 40). Dabei können sich Ver-
tragsschließende nicht jeweils „das Beste“ aus
den Einzelvorschriften herauspicken, sondern
Abb. 39: Rechte und Pflichten aus dem haben die Normenhierarchie zu beachten.
Arbeitsvertrag
Aufgabe
25. Informieren Sie sich im Einzelnen über
die Rechte und Pflichten als Arbeitneh-
mer! Gegebenenfalls entnehmen Sie die-
se aus Ihrem Arbeits- bzw. Ausbildungs-
vertrag. Sie finden einiges z.B. im BGB
und HGB. Prüfen Sie, welche Regelungen
in ihnen enthalten sind! Schlagen Sie auch
das Tarifvertragsgesetz auf! Worin beste-
Abb. 40: Normenhierarchie hen die Unterschiede der Vorschriften?
386 Personalwesen
7. Personaleinsatz
Es geht immer darum, dass das Personal in Beispiel zum örtlichen Personaleinsatz:
der erforderlichen Anzahl mit der erforderli- Markantes Beispiel hierfür sind „Springer“,
chen Qualifikation zu dem für die Erstellung die einen ständigen Arbeitsplatzwechsel in
der betrieblichen Leistung notwendigen Zeit- Kauf nehmen, wenn irgendwo im Hause Ar-
punkt und an dem jeweiligen Einsatzort ver- beitsausfälle (Krankheit) gemeldet werden.
fügbar ist (Bröckermann) und eine Arbeits-
leistung erbringt, die auf das Ziel gerichtet ist. Ergänzendes zum Personaleinsatz -- das
Personalmanagement
Die Personalverwaltung galt früher als der
Kern der Arbeit der Personalabteilung. Sie Die Personalverwaltung hat nur wenig mit
hatte die Belegschaft von der Einstellung bis Personalmanagement zu tun. Die Verwaltung
hin zum Ausscheiden zu „verwalten“, d.h. zu ist eine „Funktion“, die Personalverwaltung
erfassen, zu betreuen, zu begleiten und zu eine Funktion des Personalwesens. Das Per-
kontrollieren. Letzteres hört sich diskriminie- sonalmanagement ist mehr und von der
rend an, ist es aber nicht. Denn die Kontrolle Grundlage her etwas anderes. Es ist das Lei-
ist auch im Interesse des Einzelnen nötig, z.B. tungsorgan des Personalwesens, und als sol-
bei Krankschreibung, bei Auseinandersetzun- ches übt es u. a. die Aufsicht über die Perso-
gen, bei Eintragungen etc. nalverwaltung aus. Letztere ist eher statisch
zu sehen, ersteres ist eine dynamische Kraft –
Heute umfasst die Personalverwaltung die wenn das Management so geführt wird, wie
Planung und Organisation des Personaleinsat- es der Begriff vermuten lässt und die gegen-
zes, seine Durchführung und seine Überwa- wärtigen Herausforderungen erzwingen. Das
chung, woraus deutlich wird, dass Personalein- Personalmanagement gestaltet das Unterneh-
satz und -verwaltung nicht losgelöst voneinan- men von seiner personellen Ausstattung und
der zu sehen sind. Dabei sind überall personal- steuert die Belegschaft von ihrem Verhalten
rechtliche Regelungen aus dem Arbeits- und her. Von ihm gehen Ideen aus, werden Impul-
Sozialrecht, aus dem Tarifrecht und den Be- se gesetzt und Leitlinien allgemeiner und
triebsvereinbarungen sowie aus dem Betriebs- verhaltensorientierter Natur formuliert und
verfassungsrecht zu beachten und vor allen vorgelebt. Das Personalmanagement wirkt
Dingen umzusetzen. Personalverwaltung, aber wie kein anderer Betriebssektor in die gesam-
auch Personaleinsatz setzen daher erhebliche te Wertschöpfungskette des Unternehmens.
Kenntnisse aus dem Rechtswesen voraus. Dies ist auch der Grund, warum es in der
Die folgende Definition der Personalverwal- Regel im Vorstand angesiedelt ist bzw. im
tung und deren Aufgaben im Einzelnen kenn- Vorstand vertreten wird.
zeichnen den Unterschied zum Personalein- Die Rolle des Personalmanagements definiert
satz. sich aus der Gesamtstrategie des Unterneh-
Auch in der Personalverwaltung spielt, wie mens. Ihr kommt eine klare Lenkungs- und
im modernen Betriebsprozess, der Mensch Steuerungsfunktion zu, die eine erhebliche
eine große Rolle. Ihn nur zu verwalten, hieße, Weiterentwicklung der bisherigen Dienst-
ihn allein als Objekt zu sehen. Daher haben leisterrolle beinhaltet. Die in der Gegenwart
größere Unternehmen zum Beispiel Personal- diskutierten Ansätze über neue Dimensionen
beratungsstellen eingerichtet, damit der Ar- in der Mitarbeiterführung ((Übertragung von
beitnehmer mit seinen betrieblichen Sorgen Verantwortung, Einführung von Teamarbeit,
Hilfe erfahren kann. Betrachtung der eigenen Abteilung als Liefe-
rant und Kunde für andere Abteilungen, Bil-
dung von Qualitätszirkeln, lernende Organisa-
tion) sind ohne ein dynamisches Personalma-
nagement undenkbar.
388 Personalwesen
• Wie können die Teilzeitkräfte mit den Die höhere Produktivität ist nicht nur auf die neuen
Vollzeitkräften kombiniert werden (sach- äußerlichen Bedingungen zurückzuführen (objek-
liche Integration)? tive Bedingungen menschlicher Arbeitsleistungen),
wenn sie auch wesentlich zur Erhöhung des Aus-
• Welche Auswirkungen hat ein täglicher stoßes und der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
Wechsel am Arbeitsplatz auf Arbeitsleis- beitragen. Auch die subjektiven Bedingungen
tungen und auf das Umfeld? menschlicher Arbeitsleistungen beeinflussen die
Personalleistung, wobei es sich einerseits um
• Lassen sich Gesamtaufgaben so teilen, Fähigkeiten und Fertigkeiten handelt, die Arbeits-
dass die Tätigkeiten der Teilzeitkräfte kräfte mitbringen, und um ihre Erfahrungen, die
nacheinander zu erledigen sind? sie einbringen, andererseits um den Leistungswil-
len (siehe Abb. 44). Er wird gesteigert, wenn Men-
• Welche Kenntnisse und Erfahrungen
schen zeitlich und vielleicht auch sachlich so und
muss eine Teilzeitkraft haben, damit sie dann arbeiten dürfen, wenn sie es wünschen. Das
die geteilten, nacheinander folgenden macht arbeitszufriedener. Arbeitszufriedenheit
Aufgaben auch bewältigt? senkt Arbeitsausfälle (Fehlzeiten). Und es macht
• Müssen zusätzliche Arbeitsmittel zur freier, was wiederum dem Menschen gut tut. Auf
diese Weise wird allen geholfen und durch günstige
Verfügung gestellt werden, um mehreren
Kosten möglicherweise der Arbeitsplatz gesichert.
Teilzeitkräften für eine Gesamtaufgabe
auch eine individuelle Ausstattung zu
gewähren?
Mit diesen Fragen sind die wesentlichen Auf- Aufgabe
gaben des Personaleinsatzes berührt, nämlich 27. a) Wieso gehen viele Veränderungen in
Aufgabengestaltung, Arbeitsplanung und einem Unternehmen, die auch den
Arbeitsplatzgestaltung. Sie müssen in glei- Personalsektor betreffen, von innen
cher Weise, jedoch anders gewichtet, in Be- aus?
trieben gelöst werden, was besagt, dass die
Ausbringung erhöht werden kann. Das ist b) Wieso bestimmen auch objektive
natürlich nur sinnvoll, wenn mehr verkauft Bedingungen menschliche Arbeits-
werden kann. Veränderungen mit derartigen leistungen?
Personalauswirkungen erfordern daher eine
globale und vernetzte Denkweise. „Mehr Flexibilität und Kundenorientierung ist
kaum noch denkbar ohne eine gleichzeitige
Flexibilisierung und Differenzierung der
Zusammenfassung Arbeit. Beispiele auch weniger bekannter
Jeder Personaleinsatz muss sich mit den Unternehmen zeigen, dass eine intelligente
verschiedensten Veränderungen auseinan- Arbeitszeitgestaltung nicht nur die Wirt-
der setzen. Heute geht es vornehmlich um schaftlichkeit verbessert. Richtig eingesetzt,
neue Arbeitsformen (Teamarbeit) und fle- kann dieses Instrument auch Arbeitsplätze
xiblere Arbeitszeiten. Beides führt zu einer sichern und den Zeitwohlstand der Beschäf-
höheren Produktivität. Was besagt, dass die tigten erhöhen“, meint das Rationalisierungs-
Anstrengung erhöht werden kann. Das ist kuratorium der Deutschen Wirtschaft.
natürlich nur sinnvoll, wenn mehr verkauft Abb. 44: Pressebericht
werden kann. Quelle: Wirtschaftswoche
7. Personaleinsatz 391
Beispiel:
Zusammenfassung
Mehrverantwortung bei der DMW AG
Die Personalleitung ist von objektiven
Auch bei der DMW AG sind Arbeitsformen
und subjektiven Faktoren abhängig. So
übernommen, die dem Teamgedanken Rech-
weit sie beeinflussbar sind, können geziel-
nung tragen und der Einzelgruppe mehr Ver-
te Strategien die Effizienz der Mitarbeiter
antwortung aufbürden. Hiermit wird vielfach
erhöhen. Die beste Voraussetzung hierzu
das Abteilungsdenken aufgegeben zu Gunsten
ist, die Mitarbeiter als das wichtigste „Ka-
eines prozessorientierten Arbeitens. Die Ge-
pital“ (human capital) anzusehen. Diese
samtaufgabe wird als „Paket“ definiert und
so gehandhabte Unternehmensphilosophie
dann an eine Gruppe zur Erledigung delegiert.
ist in vielen Unternehmen feststellbar.
Jeder kann jede Aufgabe erledigen, die Gruppe
organisiert, disponiert, verwaltet und kontrol-
liert Arbeit und Qualität. Damit ist eine Stel-
lenbeschreibung für jeden Mitarbeiter nicht
mehr notwendig.
394 Personalwesen
beinflusster Sektor Entstehungsbereich Zum einen waren die volks- und betriebswirt-
Ent- Individuum soziales institututio- schaftlichen Rahmenbedingungen sowie das ge-
stehungs- Zusam- neller Rah- sellschaftliche Selbstverständnis gravierenden
bereich menwirken men Wandlungsprozessen unterworfen, zum anderen
Individuum persönliche Anpas- Anpassungs- haben sich gerade auch unter dem Einfluss der
Vorurteile, sungsproble probleme an gesellschaftlichen Werteverschiebungen Sichtwei-
Rivalität, me, soziale vorgegebene sen und Bewertungen des Phänomens Konflikt
Feindschaft, Vorurteile, Ordnungen
ergeben, die vor einer Generation noch undenkbar
Abneigung von der und Werthal-
Norm tungen
waren (siehe auch Kapitel 1, Abb. 90).
abweichen- • Gleichrangige Mitarbeiter diskutieren in Stä-
des Verhal- ben, Arbeitsgruppen oder Teams häufig als
ten
Spezialisten Problemlösungen, stimmen Pla-
soziales Spannungen Spannungen Spannungen
nung ab etc.
Zusammen- zwischen zwischen zwischen
wirken Verhaltens- verschiede- Einzel- und • Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse
anforderun- nen Interes- Gruppenzie- werden so weit wie möglich und sinnvoll auch
gen und sengruppen len sowie auf niedrige Hierarchieebenen delegiert.
Rollen Betriebszielen
und Verhal- • Der Führungsstil hat sich von einer Befehls-
tensnormen Gehorsams-Philosophie zu dialog- und argu-
institutio- Konflikte Kommuni- Kompetenz- mentationsorientierten Leistungsphilosophien
neller bei Nonnen kations- streitigkeiten hin entwickelt, die mit flacheren Hierarchien
Rahmen und Wert- probleme, auskommen.“*
haltung, Kommuni-
Betriebs- kations- Konflikte sind seltener geworden und können
zwänge, schwierig- leichter abgebaut werden, wenn sie nicht persönli-
Autoritäts- keiten cher Natur sind. Im Übrigen gehen junge Men-
probleme schen mit Konflikten besser um, denn sie bieten
Abb. 47: Formen von Mehrpersonen-, oftmals ein Eignungsprofil an, das einem moder-
Gruppen oder Organisations- nen Anforderungsprofil entspricht, dessen Schwer-
konflikten punkte auf Flexibilität, Kreativität, Initiative,
Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsbe-
(in Anlehnung an: Fürstenberg, F.: Grundla-
reitschaft ausgerichtet sind.
gen der Betriebssoziologie, Köln/Opladen)
Abb. 48: *Pressebericht
Konfliktlösungen hängen von der Konflikt- Quelle: IK, Zeitschrift für Industriekaufleute
stärke und der Situation ab, in der sie aufge-
treten sind. Rein sachliche Konflikte (z.B.
wenn es um den Einsatz von eigenen Mitar- Aufgabe
beitern oder von fremden Anbietern bei Re-
30. a) Zur Managementstrategie gehört es,
novierung eines Lagerraumes geht) regulieren
sachliche Konflikte unter den Mitar-
sich durch Diskussion beinahe von selbst, wenn
beitern zu fördern. Geben Sie ein
bei den Konfliktparteien bei zwei konkurrie-
Beispiel für einen sachlichen Kon-
renden Maßnahmen Klarheit über deren Wirt-
flikt, und begründen Sie, warum die-
schaftlichkeit gewonnen wird. Oft wird bei
se Konfliktart Teil einer positiven
sachlichen Konflikten auch die Entscheidung
Konfliktstrategie der Unternehmens-
der Vorgesetzten gesucht, wenn es zu keiner
leitung ist!
Einigung unter den „Streithähnen“ kommt.
b) Suchen Sie sich ein Feld der Matrix
(Abb. 47) heraus, und erläutern Sie
die hier dargestellten Konflikte!
7. Personaleinsatz 397
Aufgabe
30 b) Wie würden Sie den Konflikt in der
Fussball-Bundesliga bezeichnen? Ist
ein vergleichbarer Konflikt in Be-
trieben vorstellbar? Bitte um Be-
gründung.
398 Personalwesen
Prozessbegleitende Maßnahmen
Aufgrund der fortwährenden Veränderungen,
Ausrichtungen auf dem Markt und Optimie-
rungen der Strukturen finden bei der DMW
AG ständig strategische Prozesse statt. Dies
gilt für Aktivitäten besonders bei Umorgani-
sationen, Restrukturierungsmaßnahmen, der
Einführung neuer Verfahren, der Installation
neuer Arbeitsformen. Die Bildungsprogram-
me sind als flankierende Maßnahmen zu ver-
stehen. Sie werden z. B. als Seminare und
besonders gern als Workshops geführt.
Aufgabe
35. a) Sehen Sie sich in Ihrem Unterneh-
men die Personalentwicklung an,
und stellen Sie deren Ziele heraus!
b) Was verstehen Sie unter so genann-
ten Coachings und Workshops?
Aufgabe
36. a) Welche zehn Beurteilungsmerkmale
würden Sie für die Einschätzung ei-
ner Führungskraft nennen? Welche
von diesen sind Ihrer Meinung nach
am wichtigsten?
b) Deuten Sie die folgenden Texte aus
einer Beurteilung:
„ … bemühte sich stets, den Anfor-
derungen gerecht zu werden“
Abb. 53: Dimensionen einer Mitarbeiter-
beurteilung nach Harlander u. a. „ … das Verhalten im Kollegenkreis
war tadellos“
„ … verstand es, die Aufgaben mit
8.3.2 Hauptmerkmale einer
vollem Erfolg zu delegieren“
Beurteilung bei Mitarbeitern
in der Verwaltung „ … wir wünschen für die Zukunft
alles Gute, vor allen Dingen Ge-
Die meisten Unternehmen haben eigene Beur- sundheit“
teilungsvorstellungen entwickelt, lehnen sich Beispiel:
aber oft an bekannte Schemata an, in denen
nach Beurteilungszeiten bei der DMW AG
• Fachkönnen Die DMW AG unterhält ein umfassendes und
übersichtliches Beurteilungssystem. Regel-
• geistigen Fähigkeiten mäßige Beurteilungen werden für alle Mitar-
• Zusammenarbeit (bei Bedarf) beiter jedes Jahr abgegeben, anlassbedingte
zu entsprechenden Zeiten, also bei Umset-
• Führungsqualitäten zung, bei Kündigung oder bei Übertragung
unterschieden wird. neuer Aufgaben.
8. Die Personalbetreuung an zwei Beispielen 405
Beispiel
Sachbearbeiter im Einkauf der DMW AG
Die Leistungsbeurteilung des Sachbearbeiters
(Abb. 52) weist insgesamt einen Punktestand
von 115 aus. Nur „Insider“ wissen, wie hoch
die zu erreichende Punktzahl je Beurtei-
lungsmerkmal ist. Es ist hier davon auszuge-
hen, dass alle drei Beurteilungsräume dieselbe
Höchstpunktzahl erreichen lassen. Sie beträgt
54. Da alle Merkmale gleich gewichtet sind,
aber eine unterschiedliche Punktzahl ausma-
chen, verfügt der Beurteilte über gewisse
Stärken (Einsatzbereitschaft) und Schwächen.
Die Gesamtpunktzahl von 115 erreichten von
insgesamt 162 erreichbaren Punkten lässt den
Schluss einer befriedigenden „Note“ zu, weil
Abb. 54: Beurteilungsmerkmale für die circa zwei Drittel des Solls erreicht worden
Zusammenarbeit sind.
Aufgaben
38. a) Sehen Sie sich die Beurtei-
lungsmerkmale für den Ar-
beitseinsatz an! Würden Sie
alle gleich gewichten? Kön-
nen Sie Vorschläge zur Ge-
wichtung unterbreiten?
b) Beurteilen Sie diese Mitar-
beiterin: Frau Lisbeth König
beherrscht ihr Arbeitsgebiet
entsprechend den Anforde-
rungen. Sie erledigte ihre
Aufgaben mit Umsicht und
Engagement. Ihre gesellige
Art ist in Mitarbeiterkreisen
sehr geschätzt. Darüber hin-
aus wusste sie sich auch gut
zu verkaufen. Im Laufe der
Jahre hat sie ihre Kenntnisse
weiterentwickelt.
9. Das Arbeitsentgelt
Denn Löhne stellen für sie Kosten dar, und Noch komplizierter werden die Differenzie-
Kosten belasten den Preis. Je höher die rungen bei gesetzlichen, tariflichen und frei-
Stückkosten, desto höher meist auch der willigen Sozialkosten (auch als Sozialleistun-
Preis, der vom Käufer gefordert werden muss. gen bezeichnet):
Zu den gesetzlichen Sozialkosten zählen:
9.2 Bestimmungsfaktoren der • Rentenversicherung
Lohnhöhe • Krankenversicherung
• Arbeitslosenversicherung
Der individuelle Lohn ist vom gesamtwirt- • Berufsgenossenschaftsprämien
schaftlichen Lohnniveau, d.h. von der in einer • Konkursausfallgeld
Volkswirtschaft gezahlten durchschnittlichen • Mutterschaftsgeld
Lohnhöhe, abhängig. • Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversi-
cherung
Die das Lohnniveau bewegenden Größen
• Ausgleichsabgaben für Schwerbehinderte
stammen vornehmlich aus der Volkswirt-
schaft. Es sind Preisniveauveränderungen Den tariflichen Sozialkosten gehören an:
einerseits und das Wirtschaftswachstum ande- • tarifliches Urlaubsgeld
rerseits. Außerdem ist für das aktuelle Lohn- • tarifliche Jahresleistungen (Treueprä-
niveau und für die Lohnhöhe des einzelnen mien)
Arbeitnehmers auch die jeweilige Arbeits- • Kontoführungsgebühr
marktlage von Bedeutung. In Zeiten der Voll-
• vermögenswirksame Leistungen.
beschäftigung lassen sich Lohnerhöhungen
leichter durchsetzen als in Zeiten einer Unter- Die freiwilligen Sozialkosten umfassen:
beschäftigung. Bei einer hohen Arbeitslosig- • Jubiläumsgelder
keit fallen daher Lohnerhöhungen nur spär- • Essensgeldzuschüsse
lich aus, wenn sie überhaupt zustande kom- • Prämien für Vorschläge (Vorschlagswe-
men. Mangelberufe erzwingen höhere Löhne, sen)
weil Arbeitgeber für sie mehr zahlen als die • Fahrtkostenzuschläge
Tarife es vorsehen, nur, um solche qualifizier-
• Betriebsausflüge
ten Mitarbeiter für sich zu gewinnen.
• Beihilfen bei Tod, Geburten, Hochzeiten
Neben diesen gesamtwirtschaftlichen Größen • Weiterbildung
wird die Lohnhöhe auch von sogenannten • Pensionsrückstellungen
individuellen Faktoren des einzelnen Mitar- • betriebliche Zahlungen für Lebensversi-
beiters beeinflusst. cherungen.
So kommt es darauf an, welche Arbeitsanfor- Als Personalzusatzkosten lassen sich alle
derungen bei der Bewältigung der Aufgaben Aufwendungen definieren, die zwar mit dem
an einem Arbeitsplatz gestellt werden, welche Personal zusammenhängen, nicht aber mit der
Arbeitsleistungen und wie viele zu erbringen tatsächlich geleisteten Arbeit direkt in Ver-
sind, und schließlich spielen auch soziale bindung zu bringen sind. Man unterscheidet
Faktoren eine Rolle, so zum Beispiel der hier die gesetzlichen Personalzusatzkosten
Familienstand, Dauer der Betriebszugehörig- sowie tarifliche und betriebliche (siehe Abb.
keit u.a. 59). Die gesetzlichen Personalzusatzkosten
stimmen mit den gesetzlichen Sozialkosten
überein.
9. Das Arbeitsentgelt 409
Aufgabe
40. Für die geleistete Arbeit wird nicht nur
ein Bruttolohn gezahlt, sondern es addie-
ren sich für den Betrieb zusätzlich soge-
nannte Lohnnebenkosten oder Personal-
zusatzkosten hinzu, wie die Grafik unten
aufzeigt. Der größte Posten bei den Ne-
benkosten sind die gesetzlich vorge-
schriebenen Arbeitgeberbeiträge zur So-
zialversicherung, also die Renten-, Ar-
beitslosen-, Kranken- und Pflegeversi-
cherung. Sie summieren sich auf 26,80
EUR (West) und 27,60 EUR (Ost) je 100
EUR Direktentgelt. Die Bundesregierung
bemüht sich darum, die Arbeitslosenver-
Abb. 58: Einflussfaktoren auf den Lohn sicherung zu verringern. Welche Folgen
hätte eine Verringerung der gegenwärti-
9.3 Arbeitsrechtliche gen Arbeitslosenversicherungsquote von
6,5 % auf 4,2 % des Bruttolohns für Ar-
Grundlagen beitgeber und Arbeitnehmer?
Beispiel:
9.3.1 Aus dem Privatrecht Personalkosten der DMW AG
Der Gesetzgeber hat schon sehr früh die gesetz- Die Personalkosten der DMW AG betrugen
lichen Grundlagen für die Entlohnung gelegt. im Jahre 2005 circa 560 Mio. Euro. Bei einem
Sowohl das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als Umsatz von ungefähr 900 Mio. Euro macht
auch das Handelsgesetzbuch (HGB) enthalten das über 60 % aus. Das war zu viel. Daimler-
Vorschriften, die aus dem vergangenen Jahr- Benz ebenso wie BMW arbeiten mit 20–25 %
hundert (1896/l897) stammen. So wird nach Personalkosten vom Umsatz. Inzwischen ist
dem BGB § 611 derjenige, welcher Dienste die DMW AG auch bei einem Prozentsatz
zusagt, zur Leistung dieser Dienste und der von 27 angelangt. Das war mit erheblichen
andere Teil zur Zahlung für diese Dienste ver- Anstrengungen verbunden.
pflichtet. Diese sehr allgemeine
Formulierung wird im HGB in § 64
für Handlungsgehilfen, also kauf-
männische Angestellte, präzisiert,
indem es heißt: „Die Zahlung des
dem Handlungsgehilfen zukom-
menden Gehalts hat am Schluss
jedes Monats zu erfolgen. Eine
Vereinbarung, nach der die Zahlung
des Gehalts später erfolgen soll, ist
nichtig.“
Abb. 59 Personalzusatzkosten
410 Personalwesen
Verantwortung X
Arbeitsbedingungen X
9. Das Arbeitsentgelt 413
Sind im Betrieb die einzelnen Stellen nach Das Können stellt den höchsten Grad einer
ihren Tätigkeiten erfasst, lassen sie durch Tätigkeit dar. Unberücksichtigt bleiben Dauer
einen Vergleich mit den beschriebenen Lohn- und Häufigkeit des Einsatzes. So muss ein
gruppen eine Zuordnung zu ihnen zu. Sachbearbeiter in der Organisation Arbeits-
plätze analysieren können. Wie lange er dazu
9.4.2.2 Die analytische benötigt, um einen Arbeitsplatz zu durch-
Arbeitsplatzbewertung leuchten, und wie viele Arbeitsplätze von ihm
Die analytische Arbeitsplatzbewertung beurteilt werden, steht hier außer Frage. Die
zerlegt die Arbeit in einzelne Anforderungsar- Belastung dagegen bezieht die Dauer einer
ten, bewertet diese getrennt voneinander, Beanspruchung und die Häufigkeit mit ein.
gewichtet die bewerteten Anforderungsarten Da Verantwortung und Arbeitsbedingungen
und errechnet durch Addition aller Einzelwer- unabhängig vom Können in Anspruch ge-
te den Gesamtarbeitswert. nommen werden, gelangt man zu sechs
Hauptanforderungsarten.
Die analytische Arbeitsplatzbewertung kennt
zwei Verfahren, nämlich das
• analytische Rangreihenverfahren und Beispiel:
fertigkeit, kurze
bei nur geringer Beanspruchung erhält sie den Übung
Wert 10. Auf diese Weise werden unter-
3. Handfertigkeit 6,00 6,60 8,40
schiedliche Beanspruchungsdifferenzen in die bei mehreren
Bewertung einbezogen. Die unterschiedliche Operationen
Bedeutung der einzelnen Anforderungsarten 4. große Hand- 8,40 9,24 11,76
ist durch eine Gewichtungsziffer zu berück- fertigkeit, prä-
sichtigen. zises Arbeiten
Das analytische Stufenverfahren geht nicht 5. Handfertigkeit, 10,80 11,88 15,12
langjährige
von Rangreihen, sondern von Anforderungs-
Übung, völlige
stufen mit unterschiedlichen Wertziffern aus. Körper-
Die Wertziffern werden mit einem Stunden- beherrschung
faktor, z.B. 1,0, multipliziert. Durch Addition Die Stundenfaktoren 1,2; 1,3; 1,5 sind ausgelassen.
der Punktwerte ergibt sich eine Gesamtpunkt-
zahl, die die Grundlage für die Einordnung in
eine bestimmte Lohngruppe ist.
414 Personalwesen
Der Leistungslohn richtet sich nach der er- Hinweise zur Normalleistung nach REFA
brachten Arbeitsleistung. Eine leistungsab-
Unter REFA-Normalleistung bei gewerbli-
hängige Entlohnungsform setzt voraus, dass
chen Mitarbeitern wird eine Bewegungsaus-
• der Mitarbeiter die Mengenleistungen führung verstanden, die dem Beobachter
verändern kann hinsichtlich der Einzelbewegungen, der Be-
• die Güte der Arbeitsleistungen nicht wegungsfolge und ihrer Koordinierung be-
beeinträchtigt werden darf sonders harmonisch, natürlich und ausgegli-
chen erscheint. Sie kann erfahrungsgemäß
• die Tätigkeitsart exakt bestimmt und die von jedem im erforderlichen Maße geeigne-
Durchführung klar festgelegt sein muss ten, geübten und voll eingearbeiteten Arbeiter
• der Mitarbeiter durch die höhere Leistung auf die Dauer und im Mittel der Schichtzeit
nicht gesundheitsmäßig oder durch höhe- erbracht werden, sofern er die für die persön-
re Unfallgefahren gefährdet werden darf. lichen Bedürfnisse und gegebenenfalls auch
für die Erholung vorgegebenen Zeiten einhält
Beim Akkordlohn wird der Mitarbeiter für
und die freie Entfaltung seiner Fähigkeiten
die geleistete Arbeitsmenge entlohnt, und
nicht behindert wird.
zwar dient das Mengenergebnis der Arbeit als
Berechnungsgrundlage für die Lohnhöhe. Der
Akkord weist einen unmittelbaren Leistungs- Aufgabe
bezug auf, wobei ein proportionaler Zusam- 44. a) Bei welchen Arbeiten sollte ein
menhang zwischen erbrachter Mengenleis- Zeitlohn angewandt werden?
tung und Lohn besteht. Beim Stückakkord b) Nennen Sie Vor- und Nachteile
wird für jedes Arbeitsstück ein bestimmter dieser Lohnform!
Geldbetrag vorgegeben. Der Stückakkord
wird auch Stückgeldakkord genannt. c) Der Zeitlohn mit Zulagen hat sich
nicht recht bewährt. Woran liegt
Der Stückzeitakkord beschreitet einen ande- das?
ren Weg. Bei ihm bestimmt zwar auch die
Leistungsmenge die Lohnhöhe, jedoch wird Beispiel:
für jede Leistungseinheit eine Vorgabezeit
vergütet, ein so genannter Zeitakkordsatz. Stückakkord
Multipliziert man die Gesamtleistung mit dem Leistungsmenge = 2 000 Stück
Zeitakkordsatz (= Vorgabezeit), erhält man Akkordsatz = 1,00 Euro je Leistungseinheit
die Gesamtvergütungszeit. Danach muss man
diese mit einem Geldsatz pro Minute (Minu- Monatslohn = 2 000 x 1,00
tenfaktor) malnehmen und gelangt danach = 2000 Euro
zum Bruttoarbeitslohn. Bei der Berechnung des Akkordsatzes je Leis-
Vorgabezeiten werden durch Arbeitszeitstu- tungseinheit ist zunächst von einem garantier-
dien ermittelt. Mit einer Stoppuhr werden die ten Mindestlohn auszugehen. Dieser ist in Ta-
unterschiedlichen Zeiten einer bestimmten rifverträgen festgeschrieben. Ihm wird ein
Tätigkeit bei verschiedenen Arbeitskräften bestimmter Prozentsatz zugeschlagen (Ak-
gemessen. kordzuschlag).
416 Personalwesen
Da die tatsächlich erbrachte Leistung (Ist) der garantierter Mindestlohn 9,00 EUR
einzelnen Arbeitskräfte unterschiedlich ist, + Akkordzuschlag 25 % 2,25 EUR
muss der Zeitnehmer gleichzeitig den Leis-
tungsgrad der Arbeitskräfte schätzen, also Akkordstundenlohn 11,25 EUR
beurteilen, ob die Testperson eine sehr schwa- : Normalleistung je A.stunde 11,25 Stk.
che, schwache, ausreichende, befriedigende Akkordsatz je Leist.einheit /D 1,00
oder gute Leistung bzw. sehr gute Leistung
erbringt. Entsprechend wird der Leistungsgrad Der Akkordstundenlohn wird durch eine mit
eingestuft und mit der Istleistung multipliziert. Hilfe von Zeitstudien ermittelte Normalleis-
Aus der Summe aller erbrachten Leistungen tung geteilt. Als Quotient erhält man den
unter Berücksichtigung ihrer Leistungsgrade Akkordsatz je Leistungseinheit.
kommt man so zur Normalleistung pro Stunde.
Beispiel:
Der Gruppenakkord wird überall dort an-
gewandt, wo die Arbeitsleistung von einem Gruppenakkord bei der DMW AG
Team erbracht wird. Auf der Grundlage der Die DMW AG hat in ihrem modernsten Werk
Gruppenleistung wird zunächst ein Gruppen- in den neuen Ländern den Gruppenakkord-
lohn, entweder nach dem Stückgeldakkord lohn eingeführt. Jede Gruppe konnte ent-
oder dem Stückzeitakkord, berechnet, der scheiden, wie der gesamte Gruppenlohn auf
dann nach einem Schlüssel für die einzelnen die Gruppenmitglieder umgeschlagen werden
Mitglieder der Gruppe verteilt wird. soll. Dabei hat sich der größte Teil der Teams
Der Prämienlohn ist auch ein Leistungslohn. dafür ausgesprochen, eine gleichmäßige Be-
Während der Akkordlohn nur angewandt zahlung aller Mitglieder vorzusehen, zumal in
werden kann, wenn die Leistungen in Men- den Gruppen an wechselnden Arbeitsplätzen
geneinheiten gemessen werden können, wer- gearbeitet wird (job rotation). Jedoch ist man
den beim Prämienlohn neben Mengenleistun- übereingekommen, Altersunterschiede bei der
gen auch Geschwindigkeits- und Qualitäts- Verteilung zu berücksichten.
leistungen einbezogen. Aufgabe
Grundsätzlich ist die Prämie ein prozentualer 45. a) Es wird behauptet, dass Gruppenak-
Aufschlag zum Grundlohn. Der überwiegende kord das Zusammengehörigkeitsge-
Teil des Lohnes besteht aus einem festen fühl der Gruppenmitglieder fördert.
Grundlohn (Fixum). Eine Prämie wird nur für Können Sie diese Meinung teilen?
die Mehrleistung gezahlt. Die Vorteile einer
Prämie liegen auf der Hand. Prämien verrin- b) Halten Sie die Lösung der Gruppen-
gern die Fluktuation, wirken sich auf die akkordvergütung bei der DMW AG
Qualität der Arbeit aus und motivieren Ar- für sinnvoll?
beitnehmer, noch sorgsamer bei ihrem Einsatz
zu sein. Das Problem allerdings ist und bleibt Ergänzung zu Prämienlohn
der Verteilungsschlüssel. Prämien werden z. B.
Prämien werden oft auch im Einzelhandel • für hohe Ausbringungsmengen
vereinbart, z.B. in Kaufhäusern. Dabei wer- • für geringen Materialabfall
den Prämien für außergewöhnliche Umsätze • für sparsamen Energieverbrauch
gewährt. • für termingerechte Fertigung
• für geringe Fehlzeiten
• für geringe Ausschussquoten und
• für hohe Qualität
gezahlt.
9. Das Arbeitsentgelt 417
Aufgabe
50. a) Die Schwarzarbeit macht allen Län-
dern schwer zu schaffen. Überlegen
Sie, warum der Gesetzgeber immer
wieder nach neuen Möglichkeiten
sucht, um sie einzudämmen.
b) Welche Bedeutung messen Sie der
Altersentwicklung der deutschen
Bevölkerung für die Sozialversiche-
Abb. 67: Die Altersentwicklung. Die rung bei?
Deutschen werden immer älter. c) Gegenwärtig wird über den Mindest-
2030 wird bereits jeder dritte lohn diskutiert. Besorgen Sie sich
Bundesbürger über 60 Jahre alt hierzu Material und diskutieren Sie
sein. Die Zahl der Jungen hierüber.
nimmt hingegen rapide ab.
422 Personalwesen
10. Personalfreisetzung
10.1 Anlässe Tabakkonzern streicht 2600 Stellen
Winston-Salem - Der zweitgrößte US-
Ein Arbeitnehmer scheidet aus dem Unter- Zigarettenhersteller R.J. Reynolds Tobacco
nehmen aus, wenn streicht 40 Prozent der Stellen. Die 2600
x das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Arbeitsplätze sollen bei der Zigarettentochter
Einvernehmen gelöst wird R.J. Reynolds Tobacco Company und der
Konzernholding wegfallen, teilte das Unter-
x die im Arbeitsvertrag (Zeitvertrag) verein- nehmen mit. R.J. Reynolds will bis Ende
barte Beschäftigungsdauer abgelaufen ist 2005 unter anderem wegen des sinkenden
x der Arbeitnehmer in den Ruhestand tritt US-Absatzes 901 Millionen Euro sparen. Die
oder Mehrzahl der Stellen soll im vierten Quartal
2003 und im ersten Quartal 2004 wegfallen.
x entweder der Arbeitnehmer oder der Ar-
Reynolds will sich auf seine wichtigen Spit-
beitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt.
zenmarken Camel, Winston, Salem und Doral
konzentrieren, (dpa)
10.2 Kündigung im Abb. 68: Pressebericht – Entlassungen
gegenseitigen
Einvernehmen Zum Begriff Personalfreisetzung
Unter Personalfreisetzung ist die Auflösung
des gegenseitigen „Arbeitsvertrages“ zwi-
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können das
schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ver-
Arbeitsverhältnis in beiderseitigem Einver-
stehen. Mit ihr endet das Arbeitsverhältnis.
nehmen lösen und zu einem vereinbarten
Eine Personalfreisetzung liegt auch vor, wenn
Zeitpunkt beenden. Die Form wird dann ge-
es zu Massenentlassungen kommt.
wählt, wenn beide Parteien z.B. bei unüber-
brückbaren Streitigkeiten die Auflösung wün-
schen. Mit dem Eingehen eines solchen Auf- Kostenkiller
lösungsvertrages in beiderseitigem Einver- Arbeitskosten Unternehmensgewinn-
in EUR/Std. Steuersätze in Prozent
nehmen verzichtet der Arbeitnehmer in der
Regel auf den Kündigungsschutz. Den Auf- Deutschland (West) 28,5 39
hebungsvertrag kann der Arbeitnehmer nur Deutschland (Ost) 16,5 39
anfechten, wenn er durch arglistige Täu- Polen 5,4 19
schung oder widerrechtliche Drohung zustan- Ungarn 4,7 18
de gekommen ist.
Tschechien 4,2 24
Slowakei 3,3 19
10.3 Auflösung durch Rumänien 1,7 25
Zeitablauf oder durch Quelle: CAR
Seit Jahren investieren deutsche Autohersteller im Osten,
Zweckerreichung um die hohen Personalkosten zu senken.
Abb. 69: Standortkiller Nr. 1
Immer dann, wenn der Umfang der Tätigkeit
terminlich begrenzt ist, z.B. bei Aushilfskräf-
ten für Messetätigkeiten, werden Arbeitsver-
hältnisse zeitlich begrenzt vereinbart.
10. Personalfreisetzung 423
10.5 Kündigungszeiten
Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber
beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Ar-
beitsverhältnis in dem Betrieb oder Unter-
nehmen
1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat
zum Ende eines Kalendermonats
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate
zum Ende eines Kalendermonats
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate
zum Ende eines Kalendermonats
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate
zum Ende eines Kalendermonats
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate
zum Ende eines Kalendermonats
6. fünfzehn Jahre bestanden hat, sechs Mo-
nate zum Ende eines Kalendermonats
7. zwanzig Jahre bestanden hat, sieben
Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer
werden Zeiten, die vor der Vollendung des
25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen,
nicht berücksichtigt.
Während einer vereinbarten Probezeit, längs-
tens für die Dauer von sechs Wochen, kann
das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei
Wochen gekündigt werden.
In allen Betrieben, in denen ein Betriebsrat
besteht, ist er vor jeder Kündigung des Ar-
beitgebers zu hören. Eine ohne die Anhörung
vom Arbeitgeber vorgenommene Kündigung
ist unwirksam (§ 102 Betriebsverfassungsge-
setz). Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um
eine ordentliche oder um eine außerordentli-
che (fristlose) Kündigung oder um eine Ände- Abb. 70: Kündigungstypen nach Brö-
rungskündigung handelt. Auch vor einer ckermann
Kündigung in den ersten sechs Monaten des
Arbeitsverhältnisses ist der Betriebsrat einzu-
schalten.
10. Personalfreisetzung 425
Der Betriebsrat kann entweder Bedenken zur Gründe zum Widerspruch nach § 102
ordentlichen Kündigung äußern oder Wider- BetrVG
spruch einlegen. Der Arbeitgeber kann trotz
• Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des
dessen Bedenken oder Widerspruchs rechts-
zu kündigenden Arbeitnehmers soziale
wirksam eine ordentliche Kündigung ausspre-
Gründe nicht ausreichend berücksichtigt.
chen. Der Widerspruch ist dem Betriebsrat
bei einer außerordentlichen Kündigung ver- • Die Kündigung verstößt gegen Richtli-
sagt, ihm bleibt aber das Recht offen, dem nien, die über die personelle Auswahl bei
Arbeitgeber seine Bedenken gegen diese Kündigungen zwischen Arbeitgeber und
Kündigungsart mitzuteilen. Betriebsrat vereinbart sind.
Bei der Auswahl unter mehreren Arbeitneh- • Der zu kündigende Arbeitnehmer kann
mern, bei denen wegen der dringenden be- an einem anderen Arbeitsplatz im selben
trieblichen Gründe eine Entlassung möglich Betrieb des Unternehmens weiterbeschäf-
gewesen wäre, hat der Arbeitgeber soziale tigt werden.
Gründe zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 Kün- • Die Weiterbeschäftigung des Arbeitneh-
digungsschutzgesetz). Berücksichtigt er diese mers ist nach zumutbaren Umschulungs-
nicht oder nicht ausreichend, ist die Kündi- maßnahmen und Fortbildungsmaßnah-
gung trotz dringender betrieblicher Gründe men möglich.
sozial ungerechtfertigt. Auf Verlangen des
Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Ar- • Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitneh-
beitnehmer die Gründe anzugeben, die zur mers unter geänderten Vertragsbedingun-
sozialen Auswahl geführt haben (§ 1 Abs. 3 gen ist möglich, und der Arbeitnehmer hat
Kündigungsschutzgesetz). Auf diese Weise sein Einverständnis hierzu erklärt.
soll der Arbeitnehmer in die Lage versetzt
werden, die Aussicht für eine Kündigungs- Aufgabe
schutzklage besser einschätzen zu können. 52. a) Finden Sie heraus, welche Gründe zu
einer fristlosen Kündigung eines Ar-
beitnehmers führen können!
b) Welche Gründe könnte es für einen
Widerspruch bei sozial ungerechtfer-
tigter Kündigung geben?
Zusammenfassung c) Erkundigen Sie sich im Unterneh-
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnis- men, wer besonderen Kündigungs-
ses (Personalfreisetzung) geschieht aus schutz besitzt!
vielerlei Gründen. Aus der Sicht der Ar- Auszug aus dem Kündigungsschutzgesetz
beitgeber können es betriebliche Gründe (KSchG)
sein (Stilllegung), personenbedingte
§ 1 (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnis-
(Unfähigkeit des Mitarbeiters) und ver-
ses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen
haltensbedingte (unentschuldigtes Feh-
Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder
len). Meist werden ordentliche, also frist-
Unternehmen ohne Unterbrechung länger als
gemäße, Kündigungen ausgesprochen.
sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirk-
Dabei genießen bestimmte Personen einen
sam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. (2)
besonderen Kündigungsschutz. Bei al-
Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung,
len Kündigungen von Arbeitnehmern sind
wenn sie nicht durch Gründe, die in der Per-
die Vorschriften des BetrVG zu beachten,
son oder im Verhalten des Arbeitnehmers
so weit ein Betriebsrat vorhanden ist.
liegen …, bedingt ist.
426 Personalwesen
Für das Betriebsverfassungsgesetz ist grund- Es behält die bewährten Grundsätze des Gesetzes
von 1952 bei, schafft aber im Verhältnis zum
sätzlich der einzelne Betrieb maßgeblich,
bisherigen Recht vor allem
nicht das Unternehmen.
• einen stärkeren Einfluss des Betriebsrates
Insofern ist eine Unterscheidung nach dem durch Ausbau und Verstärkung der Mitbe-
Zweck der Tätigkeit notwendig. stimmungsrechte
• Mit dem Betrieb verfolgt der Unterneh- • eine Vermehrung der Initiativ-, Kontroll- und
mer allein oder zusammen mit seinen Teilnahmerechte der Gewerkschaften in der
Mitarbeitern einen bestimmten arbeits- Betriebsverfassung, die aber auch weiterhin
technischen Zweck, Produktion von Wa- unterstützender Natur sind, also keine Ent-
ren oder Dienstleistungen. scheidungsbefugnisse in betrieblichen Ange-
legenheiten geben
• Mit dem Unternehmen verfolgt der Un-
• eigene Rechte des einzelnen Arbeitnehmers
ternehmer ein über den arbeitstechni-
schen Zweck hinausgehendes Interesse, • einen größeren Schutz des Engagements der
z.B. Gewinne zu erwirtschaften. Arbeitnehmer in tarifpolitischen, sozialpoliti-
schen und wirtschaftlichen Fragen und
Die Zuständigkeit des Betriebsrates be-
• eine Erleichterung der Arbeit der Betriebsräte
schränkt sich daher auf den Betrieb. Darüber
u.a. durch vermehrte Freistellungen und grö-
hinausgehend sind aber auch übergreifende ßere soziale Absicherungen.
Gremien in der Betriebsverfassung verankert,
wie der Gesamtbetriebsrat, die Gesamtju-
gendvertretung und der Wirtschaftsaus- Aufgabe
schuss bzw. der Konzernbetriebsrat bei
54. Besorgen Sie sich ein Betriebsverfas-
Konzernunternehmen.
sungsgesetz, und studieren Sie darin!
Stellen Sie Mitwirkungs- und Mitbe-
stimmungsrechte heraus!
428 Personalwesen
Produktionswirtschaft
von Kai Michaelsen
1. Überblick 431
1. Überblick
„Produktion“ ist ein von Menschen gelenk-
ter Entstehungsprozess von Produkten. Diese
Produkte können materielle, greifbare Güter,
aber auch immaterielle Dinge wie Energie
oder Dienstleistungen aller Art sein. In dem
Produktionsprozess werden Produktionsfakto-
ren eingesetzt, die sich in Elementarfaktoren
und dispositive Faktoren unterteilen lassen.
Als elementar werden die in dem Produktions-
prozess untergehenden Faktoren wie Arbeits-
kräfte, Betriebsmittel und Werkstoffe bezeich-
net.
Die Führung repräsentiert den originären
dispositiven Faktor Arbeit. Als dispositive Abb. 1: Produktionsprozess als Faktor-
Faktoren allgemein wird in einem Produkti- kombination
onsprozess die Gesamtheit der organisatori-
schen Notwendigkeiten bezeichnet. Um einen
Produktionsprozess erfolgreich durchzufüh-
ren, müssen die Tätigkeiten geplant und auf- Zusatzinformationen
einander abgestimmt werden. Darüber hinaus Der Leser wird durch das Kapitel – wie im
müssen der Einkauf der Faktoren und der Überblick geschrieben – geführt. Dabei wer-
Verkauf der Produkte zeitgerecht und Gewinn den in fast allen Abschnitten weitere Fragen
bringend durchgeführt werden. berührt. So wird zum Beispiel auf die For-
Die Aufgabe eines Industriebetriebes kann schung und Entwicklung eingegangen, auf
grundsätzlich darin gesehen werden, Güter Organisationsformen der Fertigung mit ihren
oder Dienstleistungen zu produzieren und auf Besonderheiten, Layoutplanung im Rahmen
dem Absatzmarkt zu veräußern. Hieraus er- der innerbetrieblichen Logistik, auf Kosten-
gibt sich die fundamentale Aufgabe für die größen, auf Zwischenläger, auf optimale
Produktionsabteilungen eines Unterneh- Losgrößen, auf die Durchlaufzeit, auf PPS-
mens: die Herstellung absetzbarer Güter. Systeme und schließlich auf Fragen der Kon-
Die erste sehr allgemeine Beschreibung lässt trolle. Dabei allerdings taucht auch immer die
sich konkretisieren, wenn in der lang- und Frage auf, wie weit und wie tief in einer All-
mittelfristigen Produktionsplanung festge- gemeinen Betriebswirtschaftslehre das Thema
legt wurde, welche Arten von Produkten „Produktionswirtschaft“ behandelt werden
hergestellt werden sollen. kann. Die Inhalte dieses Kapitels sind auf das
Wesentliche beschränkt worden. Ausdehnung
und Vertiefung des Themas bleiben einer
„Industriebetriebslehre“ vorbehalten.
432 Produktionswirtschaft
Aus diesen Entscheidungen über das Produk- „Die Europäische Union hatte gefordert, dass die Emis-
tionsprogramm ergibt sich die Festlegung auf sionsgrenzwerte für Pkw-Dieselmotoren innerhalb von 10
bestimmte Produktionsarten und die hierfür Jahren für Stickoxide um rund 90 Prozent und für die
Partikel um rund 60 Prozent gesenkt werden. Außerdem
geeignete Organisationsform. Die verschiede- sollten die Geräuschemissionen für Personenwagen und
nen Produktionsarten und Organisationsfor- Nutzfahrzeuge bis zum Jahre 2000 stufenweise reduziert
men stellen Merkmale unterschiedlicher werden. Die angestrebte Verminderung des Schallpegels
Produktionsarten dar. um 10 Dezibel bedeutet eine Halbierung der subjektiven
Geräuschwahrnehmung. Um diese vielfältigen Forderun-
Aus diesen Merkmalen ergeben sich Anforde- gen zu erfüllen, spielt die Einspritzanlage eine entschei-
rungen für die Festlegung innerbetrieblicher dende Rolle. Sie muss den Kraftstoff bei jedem Arbeits-
takt mit größter Präzision zum richtigen Zeitpunkt in der
Standorte von Maschinen, Lagern, Büros richtigen Menge und mit optimalem Druck einspritzen.
und Transporteinrichtungen. Will man neben niedrigem Verbrauch zugleich geringe
Ruß-Emissionen und ein hohes Drehmoment erreichen,
Aus der Festlegung dieser Merkmale ergeben sind Einspritzdrücke zwischen 1 000 und 2 000 bar
sich unterschiedliche Rahmenbedingungen notwendig. Rund 900 Mitarbeiter forschen bei Bosch auf
für die kurzfristige Produktionsplanung. dem Gebiet der Dieseleinspritzausrüstung und passen die
Systeme an die unterschiedlichsten Motoren und Anfor-
Diese Entscheidungen haben Einfluss auf die derungen der Automobilhersteller an.“
Wahl der geeigneten Produktionssteuerung, Mit einem Einspritzsystemanteil von 30 % auf dem
die einen technisch störungsfreien Ablauf der Weltmarkt ist Bosch der führende Hersteller in der Ein-
Produktionsprozesse innerhalb der vorgege- spritztechnik. Um den Stand zu halten, sind ständige
Neuerungen anzubieten. Diese müssen entwickelt, kon-
benen Zeit gewährleisten soll. struiert und praktisch umgesetzt werden. Planung, Steue-
Durch die Produktionskontrolle, die diesen rung und Kontrolle sind täglich aufgerufen, dem Rech-
nung zu tragen.
Produktionsdurchlauf begleitet, soll sicherge-
stellt werden, dass die anfangs geplanten Abb. 2: Wenn Gesetzgeber für Produkte
Werte, insbesondere die Qualität und der neue Vorgaben erlassen oder
wirtschaftliche Erfolg, eingehalten werden. Verbände und Organisationen
neue Richtlinien fordern
Quelle: Welt am Sonntag
Die mengenmäßige Ausstattung mit Betriebs- Während alle Pkw-Typen von DMW auf
mitteln wird hingegen von der Entscheidung Wunsch mit einer Anhängerkupplung ausges-
über die Tiefe (siehe Abb. 5) des Produktions- tattet werden, lohnt sich für die DMW AG auf
programms (Eigenfertigung oder Fremdbezug) Grund der verhältnismäßig geringen Stück-
und die finanziellen Möglichkeiten des Unter- zahlen keine eigene Anhängerproduktion.
nehmens, die sich aus dem Investitionsplan Dennoch möchte das Unternehmen seinen
ergeben, beeinflusst. Kunden aus Imagegründen ein geschlossenes
Diese Fragestellung wird auch als Kapazi- Produktprogramm anbieten, da der größte
tätsplanung bezeichnet. Während in der Konkurrent dies auch tut.
lang- und mittelfristigen Planung die Kapazi-
tät variabel ist und die optimale Ausstattung Zusatzinformation zum Produktions-
festgelegt werden soll, wird die Kapazität in programm
der kurzfristigen Planung als gegeben und Die DMW AG hält ein relativ enges Produk-
unveränderbar angesehen. In der kurzfristigen tionsprogramm mit drei Pkw-Typen. Da in-
Produktionsplanung werden die einzelnen zwischen durch die Besinnung auf Kernberei-
Produktionsschritte auf die gegebenen Be- che viele Teile fremdbezogen (Fremdferti-
triebsmittel verteilt. gung) werden, hat sich auch die Produktions-
Zu welchen Zeitpunkten produzieren? tiefe verringert.
Die Frage nach den Zeitpunkten der Produk-
tion wird zum einen von der Nachfragesitua-
tion (stetiger oder schwankender Absatz),
zum anderen von der Anzahl der im Unterneh-
men vorliegenden Kapazitätsengpässe be-
stimmt. Unter Berücksichtigung dieser Punkte
wird festgelegt, in welchen Zeitabschnitten
(z. B. Monaten) auf welchen Betriebsmitteln
welche Mengen produziert werden.
Neben diesen Chancen bestehen für ein Un- Zu den Risiken eines Produktfeldes
Risiken sind Verlustgefahren, die mit jeder wirtschaftli-
ternehmen aber auch Risiken bei der Wahl chen Tätigkeit auftreten. Sie treffen jeden Betrieb, kön-
des Produktfeldes. nen aber durch eine gezielte Risikopolitik vermindert,
vielleicht sogar vermieden, manchmal auch durch Versi-
• Beschaffungsrisiko cherungen abgedeckt werden. Der Entscheidung für eine
Werden Produktionsfaktoren (z. B. Roh- Produktlinie haftet demnach auch eine Menge von Risi-
stoffe) benötigt, deren Beschaffung prob- ken an. Das beginnt beim Beschaffungsrisiko. Das kann
sich auf die Menschen beziehen, die eingestellt werden
lematisch ist oder wird? sollen, auf die Betriebsmittel und auf die Werkstoffe.
• Produktionsrisiko Gerade sie geben oft zu Besorgnis Anlass, insbesondere
dann, wenn ein Land über fast keine Rohstoffquellen
Kann die benötigte Produktqualität tech- verfügt, wie etwa Deutschland. Hierbei ist z.B. an Erdöl
nisch realisiert werden? Können die ge- zu denken. Wie lange steht es zur Verfügung? Wie
werden sich die Preise entwickeln? Wann und wie drehen
planten Produktionskosten eingehalten Öllieferanten den Hahn zu bzw. vermindern ihre Aus-
werden? bringung?
Auch das Produktionsrisiko ist nicht zu unterschätzen.
• Investitionsrisiko Zum einen offenbart es sich in der Frage, ob der Herstel-
Sind die kalkulierten Investitionskosten ler überhaupt in der Lage ist, mit seinen Anlagen und
seinen anderen Voraussetzungen die benötigte Produkt-
(Abschreibungen, Kapitalkosten) ausrei- qualität zu liefern. Zum anderen, wie weit Menschen und
chend? Maschinen im Prozess selbst Fehler machen oder überse-
hen, was schon des Öfteren zu Rückrufaktionen in der
• Absatzrisiko Autobranche geführt hat. Vom Absatzrisiko ganz zu
Sind die geplanten Absatzmengen und Ab- schweigen. Der Kunde bestimmt, was gekauft wird. Und
sein Verhalten ist selten voraussehbar.
satzpreise realisierbar? Trifft die hierfür
zugrunde gelegte Konkurrenzsituation zu?
Diese am Ende des Prozesses stehende Markt- „Wann ich eigentlich das erste Auto gesehen habe,
verbreitung und Marktakzeptanz wird Diffusi- das weiß ich nicht, denn ich bin nicht in Stuttgart
on genannt. Das Erreichen dieses Stadiums ist aufgewachsen. Aber ich weiß noch, wann ich in
für den wirtschaftlichen Erfolg des Innovati- das erste Auto gestiegen bin, wenn man das Fahr-
zeug Auto heißen konnte. Das war im Frühjahr
onsprozesses von entscheidender Bedeutung
1903 … Warum erzähle ich das? Weil diese Erin-
und ist auch bei hoher Qualität und Genialität nerung, indem sie fast ein halbes Jahrhundert
der ursprünglichen Idee nicht selbstverständ- umfasst, einen Begriff gibt von dem Tempo der
lich. Dinge, in die wir durch diesen Motor gestellt wor-
den sind. Damals war das noch ein Kuriosum …“
2.2.2 Abgrenzung von Gottfried Daimler, der Mann der Werkbesessen-
F&E-Tätigkeiten heit, der fortgesetzten Selbstprüfung, für den die
beste Arbeitsleistung ein Stück Ehrsamkeit dar-
a) Grundlagenforschung stellte, hatte von Anbeginn seiner Arbeit ein Ge-
Grundlagenforschung umfasst alle wissen- fühl dafür, und zwar nicht, weil er sich in spekula-
schaftlichen Aktivitäten, die die Gewinnung tivem Prophezeien und Planen ergangen hätte,
sondern weil er sich in einem sehr zähen Ringen
neuer Erkenntnisse zum Ziel haben, ohne dass
um die Vollkommenheit der Aufgabe mühte, der er
diese auf eine spezielle Anwendungsmöglich- sich verschrieben hatte. Was war das für eine
keit gerichtet ist. Aufgabe? Einen Motor herzustellen von geringem
b) Angewandte Forschung Gewicht, geringem Umfang, mit möglichst hoher
Umlaufzahl …
Die Suche nach neuen wissenschaftlichen
„Er hat gewiss auch andere Dinge zu betreiben
Erkenntnissen wird bei der angewandten
gehabt. Er ist dann 1870 nach Deutz gerufen wor-
Forschung vor dem Hintergrund einer späte- den, wo dieser Versuch, dieses Bemühen Lenoirs,
ren praktischen Anwendung und wirtschaftli- einen Motor, der von Gas betrieben wird, zu schaf-
chen Nutzung betrieben. fen, durch Otto und Langen weiterentwickelt war.
c) Entwicklung Es war für ihn eine Lehrzeit, aber es war für ihn
auch der Durchstoß zum eigenen Willen. Der hieß
Die Entwicklungsphase setzt den Abschluss so viel: von dem Gas, das irgendeine Gasanstalt
der Gewinnung neuer Erkenntnisse voraus liefert, frei zu werden und nun den Motor zu ent-
und umfasst nur noch technische und wirt- wickeln, der von dem aus Petroleum-Derivat
schaftliche Anwendungserfordernisse. ,Benzin‘ zu gewinnendem Gas sich treiben lässt …
Dann kommen die ersten Versuche.
Forschungsausgaben in % des Bruttoin- Die Stuttgarter sehen auf einmal ein Fahrrad, bei
landsproduktes BIP. Ausgewählt 2002 dem man gar nicht strampeln muss, und eine Kut-
sche, die fährt, ohne dass ein Gaul davorgespannt
Schweden 3,9
ist. Das ist das Neue. Bei Lenoir und auch bei
Finnland 3,7 Leuten in Deutz war der Motor standortgebunden,
hier aber war das Prinzip gefunden des vom Stand-
Japan 3,0 ort freien, die Kraft im Kleinen Raum spendenden
USA 2,8 Motors.“1
Schweiz 2,7 Abb. 8 b): Einige neue Ideen
Deutschland 2,5
Frankreich 2,2
Abb. 8 a): Forschungsausgaben
Serienfertigung Mehrproduktproduktion
Ein Betrieb betreibt Serienfertigung, wenn die Bei der Mehrproduktproduktion werden ver-
unterschiedlichen Produktarten in größeren, schiedene Erzeugnisse nebeneinander herge-
aber begrenzten Stückzahlen hergestellt wer- stellt. Als ökonomischer Vorteil gilt das ver-
den. Nach der Anzahl der hintereinander gefer- minderte Risiko gleichzeitiger Nachfrage-
tigten Einheiten wird in Klein- und Großse- schwankungen auf verschiedenen Absatz-
rienproduktion unterschieden. Der genaue märkten. In diesem Fall spricht man von
Grenzwert ist dabei branchenabhängig. horizontaler Diversifikation. Zudem kann
Beispiele: eine Mehrproduktproduktion auch aus techni-
schen Gründen unumgänglich sein. Dies ist
Textil- und Möbelindustrie bei der Kuppelproduktion der Fall, bei der
Massenfertigung nebeneinander völlig unterschiedliche Er-
Massenfertigung liegt vor, wenn Erzeugnisse zeugnisse aus einem Produktionsprozess
in unbegrenztem Umfang, d. h. ohne vorher entstehen.
geplante Beschränkungen, produziert werden. Beispiel:
Beispiel: Diversifikation ist bei allen größeren Industrie-
DMW AG unternehmen festzustellen, Kuppelproduktion
liegt bei der Raffinierung von Erdöl vor. Es
entsteht neben dem Hauptprodukt Benzin das
3.1.4 Anzahl verschiedener
Nebenprodukt Paraffin, welches als Rohstoff
Produkte für die Kerzenherstellung verwendet wird.
Einproduktproduktion
3.1.5 Grad der Produktionstiefe
Das Unternehmen stellt ausschließlich ein
Produkt ohne wesentliche Variationen her. Die Produktionstiefe beschreibt den Grad der
Diese Produktionsform tritt in der Praxis sehr Vollständigkeit, mit der ein Unternehmen die
selten in Erscheinung, da das Betriebsrisiko für das Endprodukt notwendigen Einzelteile
durch unvorhergesehene Absatzschwankun- selbst fertigt. Bei einer hohen Produktionstie-
gen sehr groß ist. fe wird auch von vertikaler Diversifikation
Beispiele: gesprochen. Je höher der Grad der Produktions-
tiefe eines Unternehmens ist, desto größer sind
Wasser- und Energieerzeugung
der Grad der Wertschöpfung aus dem Endpro-
Einproduktartproduktion (Sortenproduk- dukt und die Unabhängigkeit von Beschaf-
tion) fungsmärkten. Dementgegen erfordert eine
Sortenprodukte sind Varianten eines Grund- hohe Produktionstiefe größere Investitionen
produktes. Es werden also wie bei der Einpro- und eine gute innerbetriebliche Organisation.
duktproduktion artgleiche Erzeugnisse herge- Aufgaben
stellt, die jedoch in wesentlichen Eigenschaften
voneinander abweichen. Das Absatzrisiko 4. a) Nennen Sie deutsche Firmen für
mindert sich, aber kann durch die Abhängigkeit Energieversorgung.
von dem zugrunde liegenden Basisprodukt b) Fallen Ihnen Namen deutscher Fir-
nicht vollständig vermieden werden. men ein, die Stahl produzieren?
Beispiele:
Stahl- und Walzwerke
442 Produktionswirtschaft
3.2 Organisationsformen
1. Positiver Effekt:
Je niedriger die Bestände an Aufträgen,
die in den Werkstätten zur Bearbeitung
vorliegen, sind, desto niedriger ist das im
Umlaufvermögen gebundene Kapital, und
desto kürzer sind die Durchlaufzeiten (sie-
he Abschnitt 6.2) der einzelnen Aufträge.
Negativer Effekt:
Je weniger Aufträge vor einer Werkstatt
lagern, desto schwerer ist die optimale
Auslastung der Maschinen, woraus sich
eine Verminderung der Gesamtleistung
des Produktionsapparates ergeben könnte.
Ergebnis:
+ Durchlaufzeiten verkürzt
Abb. 14: Simultane Planungsschritte bei
– Kapitalbindung vermindert der Werkstattfertigung
– Maschinenauslastung gefährdet
– Gesamtleistung gefährdet
2. Positiver Effekt:
Je kleiner die Losgröße gewählt wird,
desto einfacher ist die optimale Auslas-
tung der Maschine, da kleinere Produkti-
onseinheiten besser in Produktionsfrei-
räume eingeplant werden können.
Negativer Effekt:
Je kleiner die Losgröße, desto größer die
Losanzahl (siehe Abschnitt 5.). Hieraus
folgen höhere Transportkosten durch
mehr Transportvorgänge und eine Erhö-
hung der Durchlaufzeit des Auftrags (aus
mehreren Losen), da erst nach Fertigstel-
lung des letzten Loses der Auftrag ausge-
liefert werden kann.
Ergebnis:
+ hohe Maschinenauslastung
+ hohe Gesamtleistung
– hohe Transport- und Rüstkosten
– lange Auftrags-Durchlaufzeit Abb. 15: Die Werkstattfertigung in ihrer
typischen Ausformung (Jaeger)
mit langen Durchlaufzeiten
(Doppelwege u. a.)
448 Produktionswirtschaft
Als Ergebnis kann festgestellt werden, dass 12. Stellen Sie anhand eines Ihnen bekannten
aufgrund der zu großen Komplexität der Zu- Unternehmens (z. B. Ausbildungsbetrieb)
sammenhänge die Planung zunächst für ein- dar, warum das Unternehmen mit Werk-
zelne Zielgrößen getrennt vorgenommen stattfertigung produziert bzw. warum die-
werden muss, die Ergebnisse anschließend se Organisationsform nicht gewählt wur-
jedoch aufeinander abgestimmt werden müs- de!
sen, um sich an eine insgesamt gute Lösung 13. Was versteht man unter einer Werkstatt
anzunähern. im handwerklichen Sinn?
Dies ist umso schwerer, da es sich bei der 14. Warum ist die Werkstattfertigung typisch
Werkstattfertigung meistens um ein dynami- für kleine Handwerksbetriebe?
sches, also kurzfristig wechselndes Auftrags-
programm handelt. Eine gestern gefundene 15. Was spricht aus absatzpolitischer Hin-
gute Lösung kann morgen schon unbrauchbar sicht für die Werkstattfertigung?
sein.
Diese Planungsschwierigkeit wird auch das
„Dilemma der Ablaufplanung“ genannt.
a) Der Arbeitsplatz ist feststehend, das Fallstudie zur Fließbandplanung bei der
Produkt wird durch das Fließband an die- DMW AG:
sen Arbeitsplatz befördert. Während der Ausgangssituation:
Bearbeitung verweilt das Produkt am
Platz und wird während einer Zeitphase Auf mehreren Fertigungsstraßen der DMW
bearbeitet. AG werden Motorenblöcke im Rohbau und
zugelieferte Motoren-Bestandteile zu einem
b) Das Fließband befördert das Produkt mit einbaufertigen Motor zusammengesetzt.
gleich bleibender Geschwindigkeit an Ar-
beitszonen vorbei, in denen das Produkt Die Gesamtkapazität dieser Fertigungsstraßen
während der Bewegung bearbeitet wird. beträgt 4800 Minuten pro Schicht. Der Bedarf
an kompletten Motoren, die unmittelbar nach
3.2.2.3 Arbeitszerlegung der Montage in die Fertigmontage eingehen,
beträgt 96 Stück pro Schicht.
Die Abteilung „Arbeitsvorbereitung“ führt
eine systematische Zerlegung des gesamten Der Ablauf der Planung für die Einrichtung
Vorgangs mittels Arbeitsablauf- und Arbeits- dieses Teilabschnitts „Zusammenbau Moto-
zeitstudien in Ablaufabschnitte durch. Nach ren“ im Rahmen des gesamten Fließbandes
diesen Arbeitsstudien ist der gesamte Vor- verläuft dabei wie folgt:
gang in Arbeitsgänge (1. Ebene), Arbeitsstu- 1. Schritt: Zerlegung des Arbeitsablaufs
fen (2. Ebene) bis hin zu einzelnen Arbeits- In der Arbeitsvorbereitung wird der Arbeitsab-
griffen (3. Ebene) unterteilt. lauf „Zusammenbau Motor“ in die Einzelver-
richtungen aufgelöst. Weiterhin wird in Zu-
3.2.2.4 Abstimmung von Kapazität sammenarbeit mit der Montageleitung ermit-
und Reihenfolge telt, welche Bearbeitungsreihenfolgen dieser
Aufgabe der Bandabstimmung ist es, einen Einzelverrichtungen möglich sind und welche
kontinuierlichen, von Unterbrechungen freien Reihenfolgen aus technischen Gründen aus-
Materialfluss durch die einzelnen Arbeitssta- scheiden.
tionen eines Fließbandes zu erzielen. Diese Ergebnis der Zerlegung: siehe Abb. S. 480
Austaktung gliedert sich in drei Problembe- oben
reiche, die simultan gelöst werden müssen:
2. Schritt: Bestimmung einer realisierba-
1. Abstimmung von Bedarfs- und ren Taktzeit
Produktionsmenge
Für das Beispiel ergibt sich bei einer Schicht-
Zunächst muss der Bedarf, also die benö- Kapazität von 4800 ZE und einem Bedarf von
tigte Ausbringungsmenge, so genau wie 96 Stück pro Schicht eine Taktzeit von:
möglich abgeschätzt werden. Anhand
dieser Menge kann die Grobplanung für 4800 ZE / Schicht
= 5 Minuten
den Kapazitätsbedarf erfolgen. Die Fein- 960 Stück / Schicht
planung, also die genaue Bestimmung des Umgekehrt kann anhand dieses Zusammen-
notwendigen Personalumfanges und der hanges auch die benötigte Kapazität bei vor-
Anzahl der Maschinen, wird zusätzlich gegebener Bedarfsmenge und vorgegebener
von der Geschwindigkeit des Fließbandes, Taktzeit (z. B. maximal mögliche Bearbei-
der so genannten Taktzeit, bestimmt. tungsgeschwindigkeit) ermittelt werden.
452 Produktionswirtschaft
Die benötigten Zeiten der anderen Bearbei- Damit stehen für die Bearbeitung an diesen
tungsschritte sind dagegen alle kleiner als die Stationen zwei Takte, also 10 Minuten, zur
Taktzeit und können somit problemlos durch- Verfügung.
geführt werden. Da jedoch erhebliche Ab- Ergebnis der Austaktung:
stimmungsverluste entstehen würden, wenn
jeder dieser Schritte in einem Takt durchge- Stati- Arbeits- Bearbeitungs- Takt Abstim-
führt werden würde, wird darüber hinaus on schritte zeit zeit mungs-
versucht, Bearbeitungsschritte, die nachein- zeit
ander durchgeführt werden können und in der I. A, B 1+4=5 5 0
Summe der Zeiten innerhalb des Taktes lie-
II. C, D 1,5 + 2,5 = 4 5 1
gen, zusammenzufassen.
III. E 4 5 1
Abschließend wird überprüft, ob durch die
Parallelanordnung von Arbeitsstationen die IV. F, G 3,5 + 1 = 4,5 5 0,5
Gesamtzahl der Takte, die für die Durchfüh- V. H, I 2+3=5 5 0
rung des gesamten Vorgangs (Zusammenbau
Motor) benötigt werden, verringert werden VI. J, K 7 + 2,5 = 9,5 5+ 0,5
kann. Auch hierbei müssen die technischen 5
Möglichkeiten berücksichtigt werden. VII. L 4,5 5 0,5
Aufgabe
16. Definieren Sie den Begriff „Fließferti-
gung“ umfassend!
4. Innerbetriebliche Standortplanung
Der Begriff Layout bedeutet „räumliche An- Innerbetriebliche Standorte müssen exakt
ordnung“. Die Layoutplanung umfasst die festgelegt werden. Das macht die Layoutpla-
Ermittlung, Bewertung und Auswahl alternati- nung. Es erscheint wie selbstverständlich,
ver räumlicher Anordnungsmöglichkeiten von dass innerhalb eines Betriebes die einzelnen
Produktionsfaktoren innerhalb eines Betriebes. Fertigungsabteilungen räumlich annähernd
Diese Planung bezieht sich zum Beispiel auf: nach dem Weg der Erzeugnisse durch die
• Maschinen (Maschinenlayoutplanung) Produktion angeordnet sind, die Büroräume
einer Abteilung möglichst nah beieinander
• Büros (Gebäudelayoutplanung) liegen oder das Rohstofflager im Erdgeschoss
• Lagerplätze (Lagerplanung). eines Werksgebäudes mit Anschluss an eine
Lkw-Rampe liegt. Erst in Situationen, in
Die Ausgangssituation bei der Layoutplanung denen der Material- oder Informationsfluss
wird von folgenden vier wesentlichen Fakto- durch räumliche Einflüsse behindert oder
ren bestimmt: unterbrochen ist, wird deutlich, dass die Fest-
legung der Standorte einzelner Abteilungen
nicht willkürlich, sondern das Ergebnis einer
umfangreichen Planung ist. Diese Bestim-
mung der innerbetrieblichen Standorte wird
Layoutplanung genannt.
4. Innerbetriebliche Standortplanung 455
Abb. 22 a): Beispielsituation vor Layout- Abb. 22 b): Beispielsituation nach Layout-
verbesserung verbesserung
Diese Prozedur läuft so lange, bis durch kei- Ergänzungen zum innerbetrieblichen Standort
nen Tausch eine Erhöhung des Wertes ent- Wie umfassend die innerbetriebliche Standortplanung
steht. Das Verfahren, nach dem diese Pla- sein kann, lässt sich an den folgenden Fragestellungen
nungssoftware abläuft, wird CRAFT (compu- festmachen.
terized relative layout planning) genannt. • Um was für einen Betrieb handelt es sich?
Die Vorgehensweise verdeutlicht den erhebli- • Wie groß ist er, bzw. wie groß ist das gesamte
Werksgelände, bzw. welche Größe ist überhaupt
chen Aufwand, der sich bei der Planung er- geplant?
gibt. Es stellt sich daher die Frage, ob sich
• Welches Fertigungsverfahren soll zur Anwendung
Layoutplanung eigentlich lohnt. Für die Be- kommen?
antwortung müssen die Auswirkungen der
• Welche Verträge sind mit den Lieferanten abge-
Layoutplanung auf die Kosten betrachtet schlossen oder sollen zum Abschluss kommen?
werden.
Aufgabe
4.2 Kostenverminderung 17. a) Wieso könnten sich langfristige
durch Layoutplanung Verträge mit Lieferanten auf die
Layoutplanung auswirken?
Da die Layoutplanung betriebsinterne Abläu- b) Gesetzt den Fall, dass die Layout-
fe verbessern soll, ist die Kostenverminde- Fein-Planung sogar die Lagerungs-
rung vorrangiges Ziel. plätze (z. B. abgeteilte Lagerräume)
für die Werkstoffe festlegt. Welche
Hierbei ist zwischen zwei Arten der Kosten- Werkstoffmerkmale könnten diese
verminderung zu unterscheiden: bestimmen?
Grundsätze für die Wahl innerbetrieblicher Standorte
4.2.1 Sinkende Fixkosten pro
Die Wahl des innerbetrieblichen Standorts hängt weit
Stück gehend vom Wirtschaftlichkeitsdenken ab. Es ist in
diesem Fall langfristig orientiert. Die Wissenschaft hat
Ergeben sich durch die Layoutveränderungen Grundsätze hierzu entwickelt, die für eine Reihe von
geringere Leerzeiten bei den vorhandenen Unternehmen anwendbar sind. Einige seien in Anlehnung
Anlagen, so kann in gleicher Zeit mehr pro- an Mellerowicz genannt:
duziert werden. Dadurch sinken die Fixkosten • Prinzip der kurzen Transportwege
pro Stück (Gesetz der Massenproduktion). • Prinzip der zentralen Anordnung verkehrsreicher
Abteilungen
• Prinzip der Prozessfolge
4.2.2 Sinkende variable • Prinzip der Kontrolle
Stückkosten • Prinzip der Geschlossenheit zusammengehöriger
Betriebsteile
Durch Verkürzung des Materialflusses sinkt • Prinzip der Isolierung von Gefahrenquellen.
die Zeit für innerbetriebliche Transporte, in Was besagt das Prinzip der Kontrolle? Grundsätzlich
denen die Werkstücke zwischen zwei Ferti- erlaubt ein übersichtlich gestaltetes Gebäude eine leichte-
gungsstufen befördert werden. Die Kosten für re Kontrolle. Bei ständig zu überwachenden Betriebstei-
len müssen Kontrollstellen unmittelbar in deren Nähe
diese Transportzeit vermindern sich analog.
sein, sodass bei der Überwachung nicht dauernd zu lange
Diesen Verbesserungen stehen jedoch auch Wege zurückgelegt werden und zu viele Arbeitsminuten
negative Effekte gegenüber. Layoutplanung verloren gehen.
verursacht Kosten, die in zwei Bereiche un-
terteilt werden können. Aufgabe
18. Versuchen Sie die einzelnen Prinzipien
zu erläutern!
458 Produktionswirtschaft
5. Kurzfristige Produktionsplanung
Die kurzfristige Produktionsplanung baut Beispiel:
auf den Ergebnissen der lang- und mittelfris-
DMW AG
tigen Produktionsplanung (siehe Abschnitt 2.)
auf. Die Produktionsplanung der DMW AG wird
in den Monaten Mai und Juni vor eine schwe-
Die dort gefällten Entscheidungen:
re Aufgabe gestellt. Durch einen großen Zu-
• welche Produkte satzauftrag aus Fernost werden die geschätz-
• in welchen Gesamtmengen ten Absatzzahlen des II. Quartals für das
Modell „Shopper“ erheblich übersteigen.
• mit welchen Betriebsmitteln
Diese für das Unternehmen sehr positive
gefertigt werden sollen, ergeben eine konkrete Entwicklung führt jedoch dazu, dass im Mo-
Anzahl von verschiedenen Produkten (Pro- nat Mai auf dem vorhandenen Maschinenpark
duktionspalette) und eine Ausstattung mit erheblich mehr Pkws produziert werden müs-
Betriebsmitteln (Maschinenpark). Diese sind sen, da auch die geplante Nachfrage nach den
kurzfristig nicht veränderbar. anderen Modellen erfüllt wird.
5. Kurzfristige Produktionsplanung 459
Die kurzfristige Produktionsplanung hat nun Der Praktikant A. Zubi, der für drei Monate
die Aufgabe, hierauf aufbauend für einen die Abläufe in der Produktionsplanung ken-
kürzeren Zeitraum, z.B. eine Woche oder nen lernen soll, fragt, warum nicht einfach
einen Tag, festzulegen, mit welchen dieser zusätzliche Maschinen gekauft werden, umso
Produkte die einzelnen Maschinen belegt die Kapazität zu erhöhen.
werden sollen. Diese Einteilung soll natürlich Der Leiter der Produktionsplanung, Herr Kai
(im Sinne des Unternehmensziels Gewinnma- Neahnung, erwidert auf diesen Vorschlag:
ximierung) möglichst niedrige Kosten verur- „Damit die Investition in eine zusätzliche
sachen. Fertigungsstraße rentabel ist, muss die lang-
Für die Planung sind drei Fragestellungen fristige Auslastung gewährleistet sein. An-
wichtig: sonsten werden kurzfristig zusätzliche De-
• Wie hoch ist der Bedarf in dem Zeit- ckungsbeiträge gewonnen, aber langfristig bei
raum? nicht ausreichender Auslastung der Maschi-
nen erheblich höhere Kosten anfallen.
Diese Informationen müssen auf Basis
vorliegender Bestellungen oder geplanter Darüber hinaus benötigt die Installation einer
Absatzzahlen von der Absatzwirtschaft neuen Fertigungsstraße mindestens drei Mo-
bereitgestellt werden. nate. Wenn wir diesen Zusatzauftrag erfüllen
wollen, müssen wir die Teilaufgaben auf die
• Welche Kostenauswirkung haben unter- vorhandenen Anlagen so verteilen, dass die
schiedliche Maschinenbelegungen? Anlagen besser ausgelastet sind und somit in
Hier fließen die Ergebnisse des Rech- der gleichen Zeit mehr produzieren können.
nungswesens und der Kosten- und Leis- Können wir dies nicht schaffen, so müssen
tungsrechnung in die Produktion ein. Auf wir die Verkaufsabteilung informieren, damit
die Ermittlung der Kosten im Produkti- dort über eine Lieferterminverlängerung oder
onsbereich wird im Abschnitt 7. einge- über Teillieferungen nachverhandelt wird.“
gangen. Und der Praktikant ergänzte: „Das verstehe
• Wie viel Fertigungszeit benötigt eine ich gut. Hinzu kommt wohl, dass eine zusätz-
Maschine für ein bestimmtes Produkt? liche Fertigungsstraße eine Erweiterung der
Fertigungshalle nach sich ziehen würde. Wo
Diese Fragestellung wird im Rahmen von sollte diese aber gebaut werden?“
Arbeitszeitstudien der Personalwirtschaft
bearbeitet. Wie auch hier deutlich wird, geht es wieder-
um um Kosten, allerdings auch um Investitio-
Liegen diese Daten aus den anderen Berei- nen. Letzteren haftet „eine Art Makel“ an. Sie
chen vor, kann die kurzfristige Produktions- müssen immer langfristig geplant werden.
planung beginnen.
(Auf die kurzfristige Planung ist bereits in der
Organisation hingewiesen worden, auch auf
ihr Wesen und ihre Besonderheit.)
460 Produktionswirtschaft
Diese Unterstellung ist jedoch in den meisten Die Situation bei der DMW AG
Fällen, vor allem bei längeren Zeiträumen
Langjährige Verkaufsstatistiken haben ge-
(ein Monat, ein Jahr), unrealistisch.
zeigt, dass sich die jährlichen Absatzzahlen
Die Absatzkurve, also der Verlauf der ab- für die DMW-Modelle relativ konstant über
setzbaren Mengen im Zeitablauf, unterliegt in die einzelnen Monate verteilen. Einzige Aus-
den meisten Branchen gewissen Schwankun- nahme bildet die Cabrio-Version des Sporty,
gen. Diese Schwankungen können zwar durch dessen Absatz in den Frühjahrsmonaten stark
den Einsatz absatzpolitischer Instrumente ansteigt und im Spätherbst rapide absinkt.
(siehe Kapitel „Marketing“) etwas vermindert
Die DMW AG will nun untersuchen, ob es
werden, ein konstanter Bedarf entsteht da-
sinnvoller ist, eine über das Jahr konstante
durch aber nicht.
Produktion dieses Modells durchzuführen oder
Innerhalb der Produktionsplanung muss die die Ausbringungsmengen nach den geplanten
Frage gestellt werden, inwieweit sich die monatlichen Absatzzahlen auszurichten.
Produktionskurve, also die Produktions-
mengen in Abhängigkeit vom Zeitablauf,
dieser Absatzkurve anpassen oder unabhängig
von ihr verlaufen soll.
Dabei hat das Unternehmen folgende Mög-
lichkeiten:
• Emanzipierte Produktion
Die Produktionskurve verläuft ungebun-
den (= emanzipiert) zur Absatzkurve auf
einem konstanten Niveau. In Zeiten mit
geringem Absatz wird ein Lagerbestand
aufgebaut, der in der Hauptsaison mit
Absatzmengen höher als der laufenden
Produktion abgebaut wird.
• Stufenweise emanzipierte Produktion
Die Produktion ist innerhalb von Interval-
len konstant, die Mengen der Intervalle
werden aber dem Absatztrend angepasst.
• Synchrone Produktion Abb. 28: Mögliche Produktionsalternati-
ven bei saisonalen Absatz-
Die Ausbringungsmengen der Produktion schwankungen
werden genau den Absatzzahlen ange-
passt. Produktions- und Absatzkurve ver-
laufen gleich.
Aufgabe
20. a) Es wird oft mit dem durchschnittli-
• Weitere Möglichkeiten sind denkbar,
chen Lagerbestand gerechnet. Suchen
aber ökonomisch nicht sinnvoll. So könnte
Sie eine Konstellation, in welcher der
monatlich die Mindestabsatzmenge pro-
durchschnittliche Lagerbestand völlig
duziert werden und Aufträge, die darüber
falsche Ergebnisse liefert.
hinausgehen, könnten abgelehnt werden.
466 Produktionswirtschaft
6. Produktionssteuerung
6.1 Grundlagen
• Je mehr Wasser in das Becken vor einer Die Produktionssteuerung sorgt dafür, dass
Leitung fließt, oder je weniger Wasser aus vor jeder Werkstatt (Leitung) ausreichend
der betreffenden Leitung abfließt, desto Aufträge zur Bearbeitung vorliegen (Wasser-
höher steigt der Wasserstand in dem Be- vorrat), andererseits durch zu viele Aufträge
cken. Die Höhe des Wasserstandes stellt keine unnötigen Wartezeiten oder Überlas-
die Belastung der Werkstatt dar. tungen entstehen (Überlauf der Becken) und
• Steigt diese Belastung immer weiter an, die Aufträge insgesamt schnell auslieferbar
muss es zum Überlaufen des Beckens sind (Abfluss). Die Zu- und Ableitungen
kommen. Im Produktionsablauf liegt dies werden somit aufeinander abgestimmt.
z.B. vor, wenn die Zwischenlager vor ei- Input Freigabe von A ufträgen
(geöffneter Wasserhahn)
ner Werkstatt vollständig belegt sind.
Bei vielen verschiedenen zusammenwirken- A uftrags-W arteschlange
(gefülltes Becken)
den Bearbeitungsstufen zeigen sich weitere
Zusammenhänge: W erkstatt
(Abfluß)
• Ist das Becken vor einer Leitung leer,
kann dies zu einer Entleerung nachfol-
gender Becken führen und im Extremfall
den Abfluss insgesamt zum Stillstand Output
bringen. Kann die Vormontage keine Abb. 30: Durchfluss durch die Produktion
Baugruppen montieren, kann es in der
Endmontage nach Verbrauch der Puffer-
lagermengen ebenfalls zum Produktions-
stillstand kommen.
2. Transportzeit
Zeit der Beförderung zwischen den
Werkstätten.
3. Vorliegezeit
Zeitraum, in dem die Werkstücke an der
Folgestation vorliegen, jedoch noch nicht
bearbeitet werden können. Die Vorliege-
zeit kann durch Stillstand an der Station
(Wartung) oder durch hohe Belastung
entstehen.
4. Rüstzeit
Liegezeit der Werkstücke infolge von
Umrüstungen an der Bearbeitungsstufe.
Die Rüstzeit zu Beginn einer Bearbeitung
kann auch der Vorliegezeit zugerechnet
werden.
5. Bearbeitungszeit Abb. 31: Bestandteile der Durchlaufzeit
Die Zeit, in der die eigentliche Bearbei-
tung der Werkstücke an der Arbeitsstati- Als Ford Anfang der Neunzigerjahre die ja-
on erfolgt. panische mit der europäischen Autoindustrie
vergleichen ließ, wurde überraschend bestä-
Die Ermittlung der Zeiten kann bei der tigt, was bereits unter der Hand gehandelt
Transport-, der Rüst- und der Bearbeitungs- wurde: In Europa war die Durchlaufzeit zu
zeit über geeignete REFA-Studien (siehe lang. In der unten stehenden Tabelle ist sie als
„Personalwirtschaft“) relativ genau durchge- ein Merkmal (Fertigungszeit) ausgewiesen.
führt werden. Grund waren nicht nur Transport- und Arbeits-
Die Vor- und Nachliegezeit hingegen sind nicht zeiten, sondern auch Rüstzeiten durch die stän-
eindeutig messbar, da sie von der Auslastung dig wechselnden, zu bearbeitenden Typen.
der jeweiligen Arbeitsstation abhängen. Kennzahl Europäer Japaner
Dabei gilt: Je höher die Belastung der Stufe, Verhältnis 3:1 bis 8:1
desto länger sind die Vor- und Nachliegezeiten.
Linie:Stab 8:1
Untersuchungen haben gezeigt, dass aber
gerade diese Liegezeiten für die Beschleuni- Abwesenheitsquote 5% bis 20% 1%
gung der Fertigstellung von Aufträgen von -
erheblicher Bedeutung sind. Fertigungszeit pro 5 bis 27 Tage 1 Tag
Danach sind bis zu 85% der Auftrags- Teil
Durchlaufzeit auf Liegezeiten zurückzufüh- Lieferpünktlichkeit 80% bis besser als
ren, und auf die Rüst- und Bearbeitungszeit 100% 99%
entfallen nur ca. 10%.
Qualitätskosten 4% bis 20% 1%
(als % der Ge-
samtkosten)
3. Betrachtet man die Zielgröße „Lieferter- 28. Mit Prioritätsregeln in der Produktions-
mineinhaltung“ (siehe Tabelle A, Seite steuerung werden Reihenfolgen bei der
502), so verwundert zunächst, dass die Bearbeitung von Aufträgen festgelegt.
Liefertermin-Regel die scheinbar schlech- In Warteschlangensituationen ordnen
testen Ergebnisse liefert. Dies täuscht aber: Prioritätsregeln den Einzelnen bei der
Obwohl die Liefertermine bei drei Aufträ- Produktionsgroßplanung zu berücksichti-
gen abweichen, liegen bei den anderen Re- genden Aufträgen unterschiedliche Prio-
geln bei einzelnen Aufträgen wesentlich ritäten zur Belegung von Engpasskapazi-
höhere Abweichungen vor. Die Lieferter- täten zu und ermöglichen somit eine
min-Regel erscheint also günstig, kombi- Ordnung der Aufträge nach ihrer jeweili-
niert mit einer Kapazitätsausweitung. gen Bedeutung.
4. Betrachtet man die Zielgröße „Kapitalbin- a) Nennen Sie die Ihnen bekannten
dung“, so ergibt sich eindeutig die Wert- Prioritätsregeln, und erklären Sie de-
Regel als geeignet. Nimmt man als Maß ren Zielgrößen!
für die Kapitalbindung das Produkt aus der
Gesamtzeit eines Auftrags in der Produk- b) Erklären Sie mögliche Vor- und
tion und dem Auftragswert (siehe Tabelle Nachteile dieser Regeln für ein
B), so ergibt sich eine rund 50 % niedrigere Unternehmen!
Kapitalbindung als bei der Liefertermin- b) Definieren Sie den Begriff „Eng-
Regel und eine immerhin um ca. 30 % passkapazität“!
niedrigere Kapitalbindung als bei der Kür- 29. Was versteht man unter „Leer- oder Zwi-
zeste-Operationszeit-Regel. Die um 50 % schenbrachzeiten“?
niedrigere Kapitalbindung wirkt sich er-
heblich auf die Kapitalbindungskosten 30. Von welchen Kriterien hängt die Wahl
aus. Ob die Kosteneinsparung die Zwi- der „richtigen“ Prioritätsregel ab?
schenbrachzeiten aufwiegt, kann nur be- 31. Inwiefern hilft das Gantt-Diagramm,
triebsindividuell entschieden werden. Leerzeiten und Zwischenbrachzeiten zu
vermeiden?
Tabelle A: Auswertung der Liefertermin-Einhaltung
Auftrag Termin LT-Regel KOZ-Regel Wert-Regel
Soll Ist Abw. Ist Abw. Ist Abw.
A 37 43 -6 31 6 9 28
B 29 34 -5 30 -1 42 -13
C 36 42 -6 14 22 20 16
D 15 13 2 34 -19 23 -8
Summe -15 8 23
Positive Abweichung bedeutet Fertigstellung vor Liefertermin Negative Abweichung bedeutet Fertigstellung nach Liefertermin
7. Produktionskontrolle
Ziel aller marktwirtschaftlich arbeitenden Ergänzendes zu den Kontrollen
Unternehmen ist die Erzielung von Gewinnen.
Diese Kontrollen beziehen sich sowohl auf
Um zu gewährleisten, dass dieses Unterneh-
ökonomische Kriterien im engeren Sinne (Ra-
mensziel erreicht wird, müssen parallel zu den
tionalität der Produktion) als auch auf Krite-
in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten
rien, die sich indirekt auf die Gewinnsituation
Produktionsabläufen Kontrollen der Produk-
des Unternehmens auswirken (Qualitätskon-
tionsergebnisse durchgeführt werden.
trolle zur Sicherstellung der Kundenzufrieden-
heit).
7. Produktionskontrolle 479
7.1.1 Wirtschaftlichkeit
Abb. 36: Das ökonomische Prinzip und
Allgemeine Definition: seine Erfolgsrelationen
Für eine bestimmte Handlung ermittelte Be-
ziehung zwischen dem Handlungsergebnis Erfolgsbegriffe und deren Zusammenhän-
und dem dafür erforderlichen Mitteleinsatz. ge:
Betriebswirtschaftliche Auslegung: Sollen Vorgänge nach dem ökonomischen
Prinzip gemessen und bewertet werden, so
Für die Bewertung betrieblicher Prozesse ist müssen die unterschiedlichen Erfolgsfaktoren
es üblich, das Ergebnis und den Einsatz in
in Beziehung zueinander gesetzt werden.
Geldeinheiten darzustellen. Demnach ergibt
sich die Wirtschaftlichkeit als Quotient aus • Subtrahiert man Erfolgsgrößen, so erhält
den aufgewandten Kosten und den hergestell- man eine absolute Erfolgszahl.
ten Produkten einer Periode (Leistungen), • Dividiert man Erfolgsgrößen, so erhält
betrieblichen Erträgen und betrieblichen man eine Erfolgsrelation.
Aufwendungen. Da beide Größen in Geldein-
heiten bewertet werden, ist der Wirtschaft- • Multipliziert man eine Erfolgsrelation mit
lichkeitsquotient dimensionslos (wichtig für 100, so erhält man eine Prozentzahl.
die Vergleichbarkeit von Werten). Vergl. Diese Zusammenhänge sind wichtig für die
auch Seiten 31 ff. Vergleichbarkeit und Bewertung von Erfolgs-
größen.
480 Produktionswirtschaft
Wichtige Betriebsdaten sind beispielsweise: Kosten sind der bewertete betriebliche Gü-
• Maschinendaten terverbrauch, der direkt mit der Leistungser-
stellung zusammenhängt.
(Belegungszeiten, Störungen, Umrüstun-
gen, Werkzeugstatus) Man unterscheidet nach der Abhängigkeit von
der Beschäftigung fixe Kosten (unabhängig
• Fertigungsauftragsdaten von der Leistungserstellung) und variable
(Anfang und Ende von Arbeitsschritten, Kosten.
Mengen- und Qualitätsabweichungen) Nach der Zurechenbarkeit auf die einzelnen
• Lagerdaten Leistungen unterscheidet man weiterhin Ein-
zelkosten und Gemeinkosten.
(Zugänge, Reservierungen, Abgänge)
• Personaldaten
Kosteninformationen
(Anwesenheit, Akkord- und Entloh-
In allen Wirtschaftseinheiten werden Stoffe, Kräfte und
nungsdaten). Rechte zur Herstellung von Gütern oder Leistungen
Da die Art der Betriebsdatenerfassung sehr verbraucht. Aber erst wenn diese Verbräuche die in Abb.
38 ausgewiesenen Merkmale erfüllen, handelt es sich um
von den individuellen Verhältnissen in einem Kosten. Von Kosten wird auch geredet, wenn es sich um
Betrieb abhängt, werden zur Durchführung Nutzentgang handelt. Das ist dadurch der Fall, dass dem
meistens Standard-Softwarepakete installiert Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt wird, wel-
und den betrieblichen Besonderheiten ange- ches die Grundlage für seine Existenz bildet. Hätte man
dieses der Bank überlassen, dann wäre zwar kein Betrieb
passt. Es besteht dabei eine enge Verknüp- gegründet worden, aber man hätte Zinsen erhalten. Auf
fung mit PPS- oder CIM-Systemen (vgl. Ab- diese wird durch die Gründung verzichtet, d. h., dem
schnitt 6.4). Unternehmen gehen Zinsen verloren. Das nennt man
Nutzentgang.
Über diese wichtigen betriebswirtschaftlichen Kosten werden sehr unterschiedlich eingeteilt. Aus der
Daten hinaus erlangt man aber durch Ver- Perspektive der Arten lassen sich unterscheiden: Perso-
knüpfung mit dem Rechnungswesen auch die nalkosten, Stoffkosten, Kapitalkosten, Fremdleistungs-
für die Kontrolle von Produktionsabläufen kosten und Kosten der menschlichen Gesellschaft (Steu-
ern, Gebühren, Abgaben).
unerlässlichen Informationen über die Kosten.
Nach der Art der Zurechenbarkeit auf die Produkte
untergliedert man Einzel- und Gemeinkosten.
7.2.2 Kostenverläufe
Man kann grundsätzlich folgende sechs Mög-
lichkeiten des Gesamtkostenverlaufs in Ab-
hängigkeit von der Ausbringung (z. B. Men-
ge) unterscheiden.
Die Gesamtkosten nach 1. bis 4. bezeichnet
man als variable Kosten, da sie im Gegen-
satz zu den fixen Kosten in Abhängigkeit von
der Beschäftigung variieren. Die intervallfi-
xen Kosten nehmen zwischen diesen beiden
klassischen Kostenverläufen eine Sonderstel-
lung ein.
Abb. 39 b)
3. Überproportionaler Verlauf der K Sich unterproportional entwickelnde Gesamt-
Eine relative Beschäftigungsänderung führt kosten wirken auf die Durchschnittskosten
zu einer höheren relativen Kostenänderung. (schwach) degressiv.
Eine Erhöhung der Ausbringung um 10% hat • Überproportionaler Verlauf
beispielsweise eine Erhöhung der Kosten um
12% zur Folge.
Beispiel: (Energie bei erhöhter Belastung)
x K k K’
1 15 15 15
2 32 16 17
Abb. 39 c)
3 51 17 19
Sich überproportional entwickelnde Gesamt-
kosten wirken auf die Durchschnittskosten
progressiv.
7. Produktionskontrolle 485
Marketing
von Tim Döring
1. Grundlagen des Marketing 493
1.2 Die Entstehung des Mitte der achtziger Jahre wurden die Deut-
Marketing schen Motorenwerke in eine Aktiengesell-
schaft umgewandelt. Endlich konnte im gro-
ßen Rahmen investiert werden, die Arbeitsab-
Die Wirtschaften der westlichen Industriege- läufe wurden verfeinert und produktiver ges-
sellschaften waren von Mitte des 19. Jahr- taltet, das Vertriebsnetz wurde national aus-
hunderts bis nach dem zweiten Weltkrieg von gebaut, und die ersten größeren Werbemaß-
einem produktionsorientierten Verkäufer- nahmen starteten.
markt gekennzeichnet. Alles, was produziert
Heute umfasst das Sortiment drei Modelle,
wurde, konnte i.d.R. auch abgesetzt werden,
vom Verbraucher liebevoll „Kisten für den
teilweise kam es zu Zuteilungen. So fand der
Hausgebrauch“ genannt. In dem neu errichte-
Ford Edsel, das erste Auto, das über das
ten Werk Halle soll demnächst ein weiteres
Fließband in hohen Stückzahlen gefertigt
Modell (Funny – ein Geländewagen) vom
wurde und daher mit einem attraktiven Preis
Fließband rollen. Außerdem wird an einem
angeboten werden konnte, einen reißenden
kleinen offenen Roadster „herumgebastelt“.
Absatz. Dass der Käufer nicht zwischen Far-
Die F&E-Abteilung (Forschung & Entwick-
ben, Motorisierung und Extras wählen konn-
lung) widmet sich bereits dem nächsten Pro-
te, tat dem Erfolg keinen Abbruch. In dem
jekt: einem Elektroauto, das in wenigen Jah-
Maße, wie sich der allgemeine Wohlstand
ren auf den Markt kommen soll.
Mitte der fünfziger Jahre mehrte und in
Deutschland das so genannte „Wirtschafts- Das Marketing prüft, ob der Markt „reif“
wunder“ einleitete, die Industrie ihre Kapazi- dafür ist.
täten erweiterte, wandelten sich die Märkte
von Verkäufermärkten zu Käufermärkten.
Bis Ende der sechziger Jahre hieß die Devise
daher: nicht nur absetzen, sondern auch mit
verfeinerten Vertriebssystemen zum Käufer
bringen. Seit den siebziger Jahren ist das
Angebot im Allgemeinen höher als die Nach-
frage, die Märkte sind gesättigt, der Verbrau-
cher wählt die ihm sympathischste Leistung
zwischen mehreren Alternativen aus. Im Sin-
ne einer kundenorientierten, ganzheitlichen
Unternehmensstrategie vor dem Hintergrund
einer Überflussgesellschaft war das die Ge-
burtsstunde des Marketing. Der Absatz der
eigenen Produkte/Dienstleistungen hat damit
produktionstechnische und logistische Prob-
lemstellungen in den Hintergrund gedrängt
und ist zum zentralen Ausgangspunkt wirt-
schaftlichen Handelns geworden. Abb. 2: Die Umsatzentwicklung der
DMW AG
1. Grundlagen des Marketing 495
Eigentlich spielt Marketing eine opportunisti- Ihre Ausführungen kann ich nur bestätigen,
sche Rolle, indem es dem Kunden das gibt, nach meinen Erfahrungen sind die Deutschen
was er zu seiner Bedürfnisbefriedigung haben so wenig kundenorientiert wie das sonst nir-
möchte. Aber ist das Marktgeschehen so gendwo auf der Welt der Fall ist.
transparent, dass man vom gläsernen
Letztes Frühjahr wollte ich ein recht teures
Verbraucher sprechen kann? Wohl kaum!
Cabrio für meine Frau kaufen, rechtzeitig zur
Deshalb hat das Marketing vor allem folgende
Sommersaison. Es sollte eine Geburtstagsüber-
Aufgaben:
raschung werden. Ich hatte eine ganz bestimm-
• die Suche, das Finden oder Erfinden von te Marke und ein bestimmtes Fabrikat im Auge.
Problemen, deren Bewusstmachung und Dazu muss ich in aller Bescheidenheit sagen,
das Anbieten von Lösungen dass ich mehrfacher Millionär bin. Ich kann es
• das Bemühen um Schaffung von Präfe- mir also glücklicherweise leisten, ein Auto
renzen und Erringung von Wettbewerbs- spontan, ohne lange Kreditgenehmigungen, zu
vorteilen erwerben. Voranschicken möchte ich auch,
dass ich gerne nach getaner Arbeit im Gammel-
• die Planung, Koordination und Kontrolle look herumlaufe, weil ich es einfach bequemer
auf den Markt ausgerichteter Aktivitäten finde. Ich also los zu dem nächsten Autohänd-
• das systematische, marktorientierte Han- ler der betreffenden Marke. Mit dem Sporty
deln mit Hilfe modernster Techniken zu meines Sohnes, übrigens eine Klasse-Kiste,
zielbewusster Marktgestaltung unter Be- solide verarbeitet und sicher.
rücksichtigung bestimmter Vorgaben wie In Sweat-Shirt und Jeans fuhr ich nun auf den
Umweltschutz, rechtliche Restriktionen Hof des Autohändlers. Ich ging in den Ver-
etc. kaufsraum und sagte „Guten Tag“. Der Ver-
Kundenwünsche aktiv aufspüren, sie in be- käufer an seinem Schreibtisch blickte nur kurz
gehrte Leistungen/Lösungen umsetzen und auf, musterte mich mit mürrischem Gesicht,
diese optimal dem Markt anbieten – das ist murmelte etwas Unverständliches und widme-
erfolgreiches Marketing! te sich wieder seinen Papieren. Nachdem ich so
zwei Minuten vor seinem Schreibtisch wartete,
Wie sich das Marketing bis heute in seiner
sagte ich dann bewusst kleinlaut, dass ich mich
Rolle in den Unternehmen verändert hat,
für ein Auto interessiere und ich gerne mal eine
zeigen die folgenden Bilder:
Probefahrt machen wolle. Er guckte mich nur
1. Phase: Marketing als gleichberechtigte ungläubig an und fragte daraufhin: „Haben Sie
Funktion denn Ihren Pass und Führerschein mit?“ Nach-
dem ich verneinte, sagte er leicht erheitert:
Marketing Produktion „Dann tut es mir schrecklich Leid; Probefahr-
ten gestatten wir nur gegen Vorlage von Pass
Finanzierung Personal
und Führerschein. Kommen Sie doch einfach
morgen noch Mal vorbei.“
„Vielen Dank für die Information“, sagte ich
grinsend und verließ das ehrenwerte Auto-
haus. Ich war mir sicher, dass ich hier nie
einen Wagen kaufen würde.
Abb. 3: Kundenorientierung – Leserbrief
496 Marketing
2. Marketingplanung
Ein Unternehmen sichert sich sein Fortbeste- Beispiel:
hen und schafft Arbeitsplätze, indem es Ab-
Die Marketingplanung der DMW AG
sätze, Umsätze und daraus resultierend Ge-
winne erwirtschaftet. Besonders erfolgreich Hier ein aktueller Auszug aus dem neuesten
agieren die Firmen, die einen Unternehmens- Marketingplan der DMW AG, der alle 12
zweck (Mission, Philosophie) erfüllen, der von Monate für die kurzfristigen Belange er-
motivierten Mitarbeitern voll mitgetragen und scheint und alle fünf Jahre für die mittel- und
verwirklicht wird. Auf dieser Grundlage kann langfristigen Ziele, Strategien und Aktivitäten
die Marketingplanung in Angriff genommen erstellt wird:
werden. Die Beantwortung der folgenden drei
Fragen führt durch dieses Procedere:
2. Marketingplanung 497
• Welche Absatzwege sollen dafür genutzt • Einführung des Elektroautos als erster
werden? (Distributions-Mix) etablierter Anbieter und Marktführer-
• Wie soll der potenzielle Käufer über die schaft vor den Spezialherstellern
Ware informiert werden? (Kommunika- • internationaler Absatz: 60000 Einheiten
tions-Mix) = +10 %.
Die besten Einzelstrategien werden zu einer Nach der Zielfestlegung entwickelt die Stra-
Kombination, dem Marketing-Mix, zusam- tegiekommission, bestehend aus leitenden
mengeführt. Dieser Mix muss in sich stimmig Angestellten des Marketing und des Vertriebs,
und harmonisch sein. So wäre es beispiels- alternative Strategien, um schließlich die wohl
weise nicht absatzfördernd, ein qualitativ beste Alternative auszuwählen. Auch hier ein
schwaches Produkt mit einem extrem hohen Auszug aus dem Ergebnispapier:
Preis anzubieten. „Vorwiegend soll der Stamm-Markt Deutschland
bearbeitet werden. Im deutschsprachigen Raum
2.4 Die Maßnahmen Österreich und Schweiz werden Händlernetze
aufgebaut, in Osteuropa (Polen, Tschechien, Slo-
Bei der Durchführung handelt es sich um eine wakei und Ungarn) werden wir mit einem Mitbe-
operative Tätigkeit, es ist quasi die Umset- werber kooperieren, indem vorhandene Vertriebs-
zung der Strategie. Maßnahmen müssen wege gemeinschaftlich genutzt werden. Die
geplant sein! So ist vorab zu klären, DMW-Produkte sprechen verschiedene Käufer-
• um welche Einsatzzeiträume es sich, mit gruppen an: Der Einsteiger, der ein sparsames
Start und Endpunkt, handelt Auto mit einem günstigen Anschaffungspreis
wünscht, wählt den „Single“. Die Hausfrau, die
• wo die Maßnahme zum Tragen kommt einen Zweitwagen für Einkäufe nutzt, bedient sich
• welche Kosten entstehen (der entspre- des „Shoppers“. Der „Sporty“ ist für die Fahrer mit
chende Etat ist vorher zu verabschieden). geringeren Ansprüchen konzipiert, für die der Spaß
am Fahren in einem Cabrio vorrangig ist. Eine
gewisse Eigenkonkurrenz erfährt dieses Modell
2.5 Die Kontrolle durch das neue Geländeauto/Funcar, das in Halle
gebaut werden wird. Trotzdem ist es unerlässlich,
Während und nach der Durchführung der
auch in diesem Segment Flagge zu zeigen. Kom-
Maßnahmen ist eine permanente Kontrolle
plettiert wird das Leistungsangebot durch das
notwendig. Nur so können Aktionen, die am
Elektroauto, das sich in Zukunft an die besonders
Ziel vorbeilaufen, korrigiert werden und in
umweltorientierten Verbraucher wendet.
die richtigen Bahnen gelenkt werden.
Abb. 5: Das Ergebnispapier der Strate-
giekommission der DMW AG
2.6 Die Bewertung
Abschließend ist die Bewertung der Aktivität Aufgabe
obligatorisch. Das hat den Vorteil, die Resul-
tate unter der Maßgabe von Zielen und Stra- 3. a) Warum dürfte es schwierig sein, diese
tegien beurteilen zu können. Auf diese Weise Marketingziele auch umzusetzen?
gewinnt das Unternehmen darüber Sicherheit, b) Welche absatzwirtschaftlichen
ob die Aktion erfolgreich war und wie sie Schwierigkeiten könnte die Einfüh-
ggfs. zu einem späteren Zeitpunkt verbessert rung eines Geländewagens mit sich
wieder eingesetzt werden kann. bringen?
500 Marketing
3. Die Neuproduktentwicklung
3.2 Risiken und Probleme bei Die DMW AG reagierte darauf: Ein neues
der Neuprodukt- Modell, ein bequemes, allradangetriebenes
Geländeauto und Freizeitmobil mit der Leis-
entwicklung tung eines Kompaktautos, „Funny“ genannt,
befindet sich in der Marktvorbereitungsphase
In vielen Bereichen haben sich Verkäufer- und soll in einem halben Jahr serienmäßig
märkte in Käufermärkte gewandelt. Daraus vom Band des neuen Werkes in Halle rollen.
ergeben sich für den Hersteller bei der Neu- Auch wird, wie schon erwähnt, am Roadster
produktentwicklung mehrere Hürden: „Joy“ herumexperimentiert. Für das geplante
Elektroauto ist die Konzeptphase abgeschlos-
• gesättigte Märkte, d. h. hoher Anteil von
sen. Die Entwicklung ist von der F&E-
Ersatzkäufen
Abteilung (vergl. S. 549) zum Ende geführt
• Marktabsatzchancen werden kleiner worden, jetzt startet die Testphase eines Pro-
aufgrund spezieller Kundenwünsche totypen. Während die Entwickler glauben, mit
• rechtliche Restriktionen des Gesetzgebers dem „Funny“ eine Marknische entdeckt zu
erschweren freie Entfaltungsmöglichkei- haben, stellt das Elektroauto nach dem heuti-
ten gen Stand der Dinge eine noch nie da gewe-
sene Marktneuheit aufgrund eines speziellen,
• hohe Entwicklungskosten bedeuten ein Kosten sparenden und extrem kurzen Aufla-
hohes unternehmerisches Risiko. deverfahrens dar (weitere Informationen sind
Allerdings ist die Industrie in diesem harten nicht möglich – Betriebsgeheimnis!).
Wettbewerbsumfeld gezwungen, sich einen
Vorsprung vor der Konkurrenz zu erarbeiten.
Folge sind immer kürzer werdende Produkt-
lebenszyklen (siehe Abschnitt 7), nicht selten
mit zweifelhaftem Produktvorteil und Pseu-
donutzen. Ebenso schnell verschwinden diese
Marken und Produkte wieder. Nur was der
Verbraucher tatsächlich wünscht, kann sich
im Markt zu etablieren.
Die Ideen können entweder intuitiv oder sys- • der Fantasie keine Grenzen setzen, sei sie
tematisch (durch bestimmte Techniken wie noch so absurd
Brainstorming, Brainwriting, Sciencefiction-
• keine Kritik an den Ideen, da sich das
Szenarien, Basic Synactics) gefunden werden.
hemmend auswirken könnte
3.3.2 Die Ideenauswahl • Quantität vor Qualität, um ein breites
Spektrum zu erzielen
Bei der Vielfalt der Ideen gibt es bessere und
• die Kombination von Ideen ist erwünscht,
schlechtere, einfache, nützliche und technisch
d.h., Vorschläge können zur Schaffung
schwer realisierbare. Aber wie die erfolgver-
neuer Ideen weiterentwickelt und ver-
sprechendsten herausfiltern?
knüpft werden.
Mit Hilfe eines Bewertungsschemas werden
Danach wurde jede einzelne Idee wie in der
die besten Ideen systematisch herausgezogen.
unten aufgeführten Aufstellung bewertet und
So werden von 100 Produktideen ca. 98 eli-
die besten Lösungen herausgestellt. Mit dieser
miniert, zwei werden i.d.R. weiterverfolgt.
Methode erlangte das Ideenteam zwar keine
Diese hohe Ausschussquote ist schon dadurch
Sicherheit, dass der Geländewagen tatsächlich
begründet, dass alle weiteren Schritte einen
die beste Idee ist, aber durch die Systematik
hohen Investitionsbedarf erfordern und Per-
wurde das Risiko einer Fehlentscheidung
sonal aus nahezu allen Abteilungen früher
bereits zu diesem Zeitpunkt eingeschränkt.
oder später binden.
- das zu erwartende Absatz- und Um- Kapazität/Anlagen 0,5 x 4=2 3 = 1,5 1 = 0,5
vorhanden
satzpotenzial, Kosten, Gewinne und
Deckungsbeiträge mit einer Voll- Material beschaff- 0,5 x 4=2 4=2 3 = 1,5
bar
und Teilkostenrechnung nach kurz-,
Vorfinanzierung 0,5 x 4=2 4=2 3 = 1,5
mittel- und langfristigen Aspekten
unter Einbeziehung der Höhe der In- 41 27 26
Nachdem das Konzept auf Herz und Nieren Schließlich wurde das Konzeptpapier ver-
geprüft ist, z.B. durch Gruppendiskussionen fasst. Letztendlich kam die DMW AG zu dem
mit Verbrauchern, Befragungen oder erhärte- Ergebnis, diese Produktentwicklung weiter
ten sekundärstatistischen Materialien über voranzutreiben, denn:
Verbrauchergewohnheiten, Einstellungen und • Ein wirtschaftlich gesunder Rahmen wur-
Wünsche der potenziellen Verwender, und de vorgestellt, der bei dem prognostizier-
nachdem das Konzept durch die jeweiligen ten Absatzvolumen in den ersten fünf Jah-
Entscheider bewilligt ist, beginnt die Pro- ren hohe Zuwächse und Gewinne bei einer
duktentwicklungsphase. moderaten Kostenstruktur versprach.
3.3.4 Die Produktentwicklungs- • Eine optimistisch erwartete Nachfrage
phase wurde durch die allgemeinen konjunktu-
rellen Bedingungen des Marktes begrün-
Von dem Produkt, dem in der Konzeptphase det und konnte von dem Vorstand in sei-
eine reelle Marktchance zugetraut wird, wird ner Funktion als Genehmigungsgremium
ein Prototyp gebaut. Generell sollten folgen- nachvollzogen werden.
de Voraussetzungen beachtet werden: • Der wirtschaftliche Erfolg wurde vor
• ansprechbar, merkbar und attraktiv allem durch das attraktive Produktkon-
zept für gerechtfertigt erklärt: System-
• differenziert zu Mitbewerbermarken
anstatt Komponentenzulieferer und der
• (international) schutzfähig von ihnen übernommene Einbau der Tei-
• zum Kauf anregend le, z.B. der gesamten Elektrizität, garan-
tieren höchste Qualität bei wachsender
• suggeriert gewünschte Produkteigen- Flexibilität und gleichzeitiger Reduzie-
schaften und lässt Vorteile erkennen. rung des Fixkostenblocks. Neben den ty-
pischen, beim Verbraucher durchgesetz-
3.3.5 Die Testphase ten Vorteilen der DMW AG ließen be-
Stellt sich heraus, dass das entwickelte Pro- sonders zwei Schaubilder erkennen, dass
dukt bis zu diesem Entwicklungsschritt als mit dem „Funny“ eine Marktlücke ent-
marktreif anzusehen ist, folgt mit der Test- deckt wurde, die ausgefüllt werden sollte:
phase die nächste Bewährungsprobe. Das das preiswerte Geländeauto, speziell für
neue Produkt wird jetzt in eigenen Laborato- junge Leute, das Fahrspaß und kompakte
rien getestet und einem ausgewählten Kreis Leistung für unter 15 000 EUR bietet.
von Verbrauchern vorgeführt, um Sicherheit Somit würde ein Vorsprung vor der Konkur-
zu erlangen, dass sich das Testobjekt im spä- renz herausgearbeitet werden, die zeitweise
ter tatsächlichen Markt auch bewähren kann. Alleinstellung bis zum ersten Nachahmer
So zeigen Produkttests die positiven und wäre gesichert.
negativen mechanischen Eigenschaften, die
Zuverlässigkeit, die Gebrauchsgüte und die Aufgabe
„Kinderkrankheiten“. Dass größte Sorgsam-
6. Machen Sie sich darüber Gedanken,
keit auf die Auswahl der Verbraucher gelegt
warum die Gewichtungsfaktoren so un-
werden muss, versteht sich von selbst.
terschiedlich sind!
Beispiel: Vorfinanzierung 0,5 und Markt-
volumen 2. Können Sie hierfür und für
weitere Merkmale Erklärungen abgeben?
3. Die Neuproduktentwicklung 505
Die Neueinführung eines Produktes birgt 8. Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich ein
hohe Risiken in sich und ist kapitalaufwändig. Auto zulegen. Wählen Sie für sich wich-
Allerdings ist sie i.d.R. lebensnotwendig, um tige Kriterien aus, und bewerten Sie sie
dem Unternehmen seinen Platz in einer nicht nach Ihrem eigenen Geschmack. Wählen
stillstehenden Wirtschaft zu sichern! Sie dabei nur Modelle/Marken, die für
Sie grundsätzlich in Frage kommen. Be-
Wankelmotor in schönstem Kleid werten Sie die einzelnen Fabrikate an-
Von Karlheinz Feege hand Ihres eigenen Punktesystems, und
multiplizieren sie mit Ihren Gewichtungs-
NSU begann nach dem Krieg mit der Produktion
von Motorrädern. Für technische Novitäten war die faktoren. Jetzt addieren Sie die einzelnen
damalige Geschäftsführung immer aufgeschlossen, Punkte der jeweiligen Modelle. Zu wel-
und so war es kein Wunder, dass man mit dem chem Ergebnis kommen Sie? Ist Ihr Fa-
Erfinder des Rotationskolbenmotors, Felix Wan- vorit ein anderer, als Sie ursprünglich
kel, Kontakt aufnahm. Im Februar 1957 lief bereits glaubten?
der erste nach dem Wankelsystem gebaute Motor
auf dem Prüfstand. Rund sieben Jahre später kam
9. Bilden Sie die Gruppen Finanzierung,
der Wankel-Spider auf den Markt. F&E, Marketing und Produktion, und
Im September 1967 wurde auf der IAA in Frankfurt
diskutieren Sie im Hinblick auf die Krite-
die erste Kreiskolben-Limousine von NSU RO 80 rien Absatz, Kosten, Kundenzufrieden-
vorgestellt. Sie erregte Aufsehen durch die moderne heit und Investitionen, ob der „Funny“
Technik des Zweischeiben-Wankelmotors und die eingeführt werden soll!
zeit- und schnörkellose Eleganz der keilförmig
gestylten Karosserie. Es war ein mutiger Versuch der
Technischen Abteilung und des Designers Claus
Luthe. Als eine der schönsten Limousinen der Nach-
Als der erste serienreife VW in Bonn vorge-
kriegszeit wurde der RO 80 zum „Auto des Jahres
1967“ gewählt. Im Oktober 1967 ging er in die Serie. stellt wurde, der Biodiesel statt Benzin oder
Diesel schluckt, verschlug es den meisten den
Ganz so glücklich waren die Käufer der Jahrgänge
1967 und 1968 nicht. Sie mussten viel Geduld Atem. Denn der umweltfreundliche Kraftstoff
aufbringen, weil der Motor sich störanfällig zeigte (Rapsölmethylester – RME) „wächst“ auf den
und die Werkstätten teilweise noch unerfahren mit Feldern. Jedermann kann mit dem Wagen
dem Wankelmotor waren. seine „Ökobilanz“ verbessern. „Die Kombi-
Der letzte Wagen, der vom Band lief, wurde dem nation von Biodieseltauglichkeit und innova-
Deutschen Museum in München zur Verfügung tiver Motortechnik lässt Kraftstoffverbrauch,
gestellt. Er ist ein Edelstein in der Automobil- Lärm- und Abgasemissionen in zweistelligen
Entwicklung. Heute soll es noch etwa 1 600 davon Raten sinken.“ Und das alles bei einem mode-
geben. raten Aufpreis. Volkswagen hat zehn Jahre
Der RO 80 hatte vorn Einzelradaufhängung, Quer- Forschung investiert, um ein bewährtes Mo-
lenker, Federbeine mit Schraubenfedern und einen dell aus seiner Produktpalette für den Ökoein-
Stabilisator. Die Federbeine waren oben und unten
satz fit zu machen. Was herausgekommen ist,
drehbar gelagert. Hinten gab es ebenfalls eine
Einzelradaufhängung. Alle vier Räder waren mit
kann sich sehen lassen. Auch mit Mixgeträn-
Scheibenbremsen versehen. Der große Kofferraum ken (Biodiesel und Diesel) ist der Wagen
hatte eine Durchlademöglichkeit. zufrieden. Fehlen nur noch genügend Tank-
stellen. Eine Frage der Zeit.
Abb. 11: Aus der jüngeren Geschichte – eine
Weltneuheit (Henk (2004): Wan- Abb. 12: Aus der vergangenen Gegen-
kelmotor wieder bei Mazda aktuell wart – Biodiesel (vergl. S. 539)
Quelle: Hamburger Abendblatt
4. Marktforschung 507
4. Marktforschung
Produkt-, Packungs-, Konzept-, Handha- Die DMW AG greift auf das ganze Instru-
bungs-, Preis- und Werbetests können entwe- mentarium der Marktforschung zurück. Ne-
der vor der Einführung eines neuen Produktes ben der Primärforschung werden permanente
(Pre-test) oder danach (Post-test) durchge- Anstrengungen unternommen, um nicht nur
führt werden. Das hängt sowohl von Prob- zeitpunktbezogene Marktanalysen der Ge-
lemstellungen, Erfahrungen, Kosten als auch genwart oder ablaufbezogene Marktbeobach-
dem verfügbaren Zeitrahmen ab. Generell tungen, die in die Vergangenheit hereinrei-
empfiehlt sich eher der Vorabtest, um von chen, durchzuführen, sondern es wird mit
vornherein Chancen und Risiken sowie Vor- Hilfe von Szenariotechniken auch die Zukunft
und Nachteile zu erkennen und eventuelle der Automobilbranche intensiv beleuchtet.
Kosten für Angleichungen an den Markt zu Alternative Energiesysteme, das Verhältnis
minimieren. der Bürger zum Kraftfahrzeug, konkurrieren-
de Transportmöglichkeiten auf der Schiene,
zu Wasser oder in der Luft, technisch saubere
4.3 Methoden der und umweltverträgliche Antriebsalternativen,
Marktforschung Stau-Umgehungs- und Navigationssysteme,
um nur einige Beispiele zu nennen. Es werden
Konzepte erarbeitet und Lösungsmöglichkei-
In der Primärforschung werden sowohl quan-
ten schubladenreif parat gehalten.
titative als auch qualitative Untersuchungen
erhoben. Die Befragung, die Beobachtung, Diese Prognosen und Interpretationen dienen
das Experiment und das Panel sind die ge- ebenfalls dazu, die zukünftige Entscheidungs-
bräuchlichsten Methoden. findung zu objektivieren und zu präzisieren,
damit unliebsame Überraschungen, ausgehend
von Markt und Mitbewerbern, ausbleiben.
4.3.1 Die Befragung
Marktforschung
Die Befragung ist die am meisten angewand-
te Methode. Damit lassen sich Informationen Marktanalyse Marktbeobachtung
über Meinungen und Einstellungen und über Erforschung der Markt- Erfassung laufender
das bisherige und künftige Konsumverhalten struktur – zeitpunktbezo- Veränderungen der Markt-
gen faktoren – ablaufbezogen
abfragen. Sie kann schriftlich, mündlich oder
- Bedarfsuntersuchung - Mode- und Ge-
telefonisch erfolgen. Entweder handelt es sich schmacksänderungen
- Kaufkraft
um ein strukturiertes Interview, bei dem die - Saisonschwankungen
- Grad der Versorgung
sorgsam ausgewählten Fragen in einer festen - Auftauchen neuer
- Einstellung zum
Reihenfolge gestellt werden, oder um ein Erzeugnis Produkte
unstrukturiertes Interview, bei dem der Inter- - geschmackliches - technischer Fortschritt
viewer die freie Wahl bei dem Ablauf und der Empfinden - Einkommens-
Art der Fragestellungen hat. Somit können - Kaufgewohnheiten änderungen
u.U. wichtige Zusatzinformationen gewonnen - Wettbewerbssituation - Konjunktur-
schwankungen
werden. Das setzt allerdings einen gut ausge- - Werbewirkungs-
untersuchungen - Konkurrenzverhalten
bildeten und erfahrenen Befrager voraus.
- Distributions-
untersuchungen
Abb. 15: Die DMW AG greift auf das
ganze Instrumentarium der
Marktforschung zurück
510 Marketing
5. Segmentierung
In den frühen Verkäufermärkten, wo die Beispiel:
Verbraucher froh waren, die begehrte Ware
So segmentiert die DMW AG
überhaupt zu bekommen, konnten die Anbie-
ter eine reine Massenmarktstrategie, das be- In der Dekade zwischen 1950–1959 wurde für
deutete hohe Mengen bei niedrigen Kosten den Massenmarkt produziert. Die damaligen
pro Stück, durchsetzen. Mit dem Wandel zum Erwerber eines Autos waren froh und stolz,
Käufermarkt, also in wettbewerbsintensive einen eigenen fahrenden „Untersatz“ zu besit-
Wohlstandsmärkte, wurden die Wünsche und zen und konnten sich in der damaligen Nach-
Bedürfnisse immer spezieller. Die Hersteller kriegszeit der Bewunderung von Fußgängern
sind gezwungen, ihr Angebot der Nachfrage- und Fahrradfahrern sicher sein.
struktur des Marktes anzupassen, also den Heute bedient sich die DMW AG eines kon-
Markt zu „segmentieren“. zentrierten Marketing. Bestimmte Marktni-
schen (vgl. Abb. 21) wurden schon früh besetzt,
Die Marktsegmentierung ist die Aufteilung sind aber in den vergangenen Jahren mehr und
eines Marktes in klar abgegrenzte Untergrup- mehr auch von den großen und ausländischen
pen von Kunden, von denen jede als Ziel- Mitbewerbern angesteuert worden. Die Folge
markt angesehen wird und mit einem speziel- ist ein immer härter ausgetragener Verdrän-
len Marketing-Mix bearbeitet wird. gungswettbewerb.
5. Segmentierung 513
5.1 Die Vor- und Nachteile der Zwar verfügt die DMW AG im Kleinwagen-
Marktsegmentierung bereich über ein hervorragendes Image. Al-
lerdings ist das Unternehmen gezwungen,
weitere Marktnischen aufzustöbern und sie,
Vorteile: um den Fortbestand langfristig zu sichern, mit
• Berücksichtigung verschiedener Kunden- intelligenten Lösungen zu besetzen.
bedürfnisse schafft maßgeschneiderte Pro- Mit den drei Modellen „Shopper“, „Single“
blemlösungen und „Sporty“ ist die DMW AG auf das Segment
• verbesserte Möglichkeiten, noch nicht der Kleinwagen fixiert. Einerseits hat es wegen
besetzte Segmente zu bearbeiten und des hohen Verkehrsaufkommens, ständig klei-
Marktlücken zu füllen nerer Familiengrößen, hoher Kosten für An-
• gezieltere, „spitzere“ Ansprache der Ver- schaffung und Unterhalt (Benzin, Steuern,
braucher Versicherung) und des Umweltschutzes an
– Abdeckung aller Verbraucherwün- Gewicht gewonnen, andererseits „wird die
sche und damit Risikostreuung Luft hier enger“. Aber in die Mittel- und
– höhere Preise leichter durchsetzbar Oberklasse einzusteigen, empfindet das stra-
– effizientere Aufteilung des Marke- tegische Management der DMW AG auf-
tingbudgets möglich grund des mangelnden Know-hows, des ho-
Nachteile: hen Kapitalaufwandes für neue Fertigungs-
straßen, der überprüften, nachweislich fehlen-
• Verzicht auf Massenproduktion und damit den Akzeptanz beim Verwender und starker
höhere Kosten pro Stück Konkurrenten als zu gefährlich.
• sehr spezifisches Marketing-Know-how
erforderlich
• hohe Kosten pro Segment, das u.U. sehr
klein sein kann
• Gefahr der „Übersegmentierung“, d.h. zu
starke, nicht mehr lohnende Unterteilung
der Märkte
• speziellere Produkte bedeuten ggfs. ge-
ringere Akzeptanz und Lebensdauer
Dafür bieten sich drei Wege an. Die folgende Abbildung verdeutlicht, dass die
DMW AG sich damit auf bestimmte Ziel-
• demografisch: gruppen festgelegt hat. Somit kommt es in-
Alter, Geschlecht, Familienstand, Famili- nerhalb der Modellpolitik zu Substitutionsef-
engröße, Haushaltseinkommen, Beruf, fekten (die sog. „Kannibalisierung“). Es wer-
Bildungsstand, Ortsgröße, Religion den keine zusätzlichen Käufergruppen ge-
wonnen. Im Gegenteil: Die DMW AG läuft
• psychografisch:
Gefahr, sie sich durch zusätzliche Angebote
Lebensstil, Persönlichkeitsstruktur, Ein- wie den „Funny“ selbst wegzunehmen. Zu-
stellungen, Erwartungen, Wünsche sätzlich kann das bedeuten, dass die jetzigen
• soziologisch: Käufer später, wenn sie mehr Geld in der
Tasche und damit auch höhere Ansprüche
soziale Schicht, Prestige, Status, kulturel- haben, auf andere Mitbewerber-Fabrikate
le Einflüsse umsteigen, obgleich in der Automobilbranche
– bei adäquater Angebotsvielfalt – die
5.3 Segmentierungsstrategien Markentreue verhältnismäßig (im Vergleich
zu anderen Branchen) hoch ist.
Wie in der Abbildung schon zu sehen ist,
• Ein undifferenziertes Marketing bedeu- konzentriert sich die DMW AG auf junge
tet, dass ein Produkt von allen Zielgrup- Zielgruppen, die anderen Segmente bleiben
pen gekauft werden soll, das ist quasi die unbesetzt!
Massenmarktstrategie.
• Das differenzierte Marketing beinhaltet
die Idee, dass verschiedene Segmente be-
setzt werden und jedes mit einem speziel-
len Marketingkonzept bedient wird.
• Die Entscheidung für das konzentrierte
Marketing hat zur Folge, dass sich das
Unternehmen nur einem oder nur weni-
gen ausgewählten Segmenten widmet.
Hier wird die Marktnischenstrategie „ge-
fahren“.
6. Produktpolitik
Das Produkt ist die zentrale Leistung, die auf Beispiel:
dem Markt angeboten wird. Erst wenn diese
Die Produktpolitik der DMW AG
Leistung vom Verbraucher honoriert wird,
können wirtschaftliche Absatzerfolge erzielt „Bei der DMW AG ist die Produktpolitik das
werden. Die übrigen Aktivitäten wie Vertei- „Herzstück“ des Marketing. Als kleiner An-
lung (Distributions-Mix) und Kommunikati- bieter im Konzert der internationalen Auto-
on sind dann nachgeschaltete Elemente. Wird konzerne ist es für uns besonders wichtig,
umgekehrt ein Produkt nicht vom Markt ak- sich gegenüber den Mitbewerberautos positiv
zeptiert, so sind die ansprechendste Werbung abzugrenzen und eigenständige, technisch
und der intelligenteste Vertriebsweg langfris- ausgereifte Lösungen auf dem Markt anzubie-
tig nicht Erfolg versprechend. ten. Das haben wir in der Vergangenheit mit
unseren Modellen „Single“, „Shopper“ und
Produktpolitik beinhaltet alle Kriterien, die „Sporty“ erreicht. Wir werden das auch mit
mit dem Produkt selbst, dem Sortiment und
unserer Neueinführung „Funny“ schaffen,
dem Service zu tun haben. Das Produkt (An-
und ich darf Ihnen sagen, dass wir spätestens
gebot) ist alles das, was einem Markt als in zwei Jahren mit einem serienreifen Elekt-
Objekt der Aufmerksamkeit, zum Erwerb roauto auch dieses Segment ausfüllen werden.
oder zum Konsum angeboten werden kann. Im Übrigen basteln wir am „Joy“, einem
Der Begriff umfasst konkrete Gegenstände, offenen, kleinen Roadster.“
Dienstleistungen, Orte, Organisationen und
Ideen. So ein Zitat des Vorstandsvorsitzenden und
Unternehmenssprechers Dr. Schümann auf
Die Produktpolitik ist Schwerpunkt der Mar- der letzten Hauptversammlung zur Zukunft
ketingstrategie. Sie wird flankiert von drei der DMW AG.
weiteren Marketingmaßnahmebündeln, näm-
lich der Distributions-, der Kommunikations- Zunächst wird ein marktreifes Produkt entwi-
und der Kontrahierungspolitik. Je nach Pro- ckelt und auf den Markt gebracht. Dann wird
dukt und Markt muss ein Unternehmen alle die Distribution aufgebaut, und wenn die
Elemente harmonisch aufeinander abstimmen. Ware verfügbar ist, wird dafür Kommunikati-
Dabei spricht man von Marketing-Mix. Jedes on betrieben. Distribution und Kommunikati-
angebotene Produkt soll zur Sicherung des on sind i.d.R. vom Produkt abhängig und
Unternehmens wachsen d.h. es soll Absatz richten sich danach.
mit hohen Gewinnen erzielen.. Die Automobile der DMW AG sind Markenar-
tikel. Sie haben die gleiche Qualität, die glei-
chen bzw. ähnlichen Preise, sie sehen gleich
6.1 Merkmale eines Produktes aus (im Rahmen der verschiedenen Varianten
wie Farben, Türanzahl, Motorisierung, Son-
6.1.1 Der Name/die Markierung derausstattung etc.), sind – verbunden mit einer
gewissen Lieferzeit – permanent verfügbar und
Eines der Instrumentarien, die langfristig aufgrund des hohen Werbeeinsatzes und der
eingesetzt werden, ist der Name bzw. die Präsenz auf den Straßen weit bekannt.
Markierung. Die größten Verkaufserfolge
werden i.d.R. mit Markenartikeln erzielt.
Sie weisen folgende Merkmale auf:
6. Produktpolitik 517
• Gefahr der Substitution, also des Austau- Die Produkteigenschaften, die bei der Ent-
sches wicklung eines Elektroautos für die F&E-
Abteilung zu beachten sind, werden nun nä-
• Gefahr zu kleiner Teilmärkte
her aus einem internen Anforderungsprofil
• höhere Kommunikationskosten. beleuchtet:
Nach dem Identitätsprinzip arbeitet die 1. Gemäß der Firmenphilosophie müssen
Sortimentsmarke, auch Dachmarke oder mindestens 90% eines Modells recycling-
„Umbrella“ (Regenschirm) genannt. Sie er- fähig sein. Ein schwieriges Unterfangen
füllt den Vorteil, dass bei einem guten Image gerade bei Elektroautos, da der Antrieb
zusätzliche Produkte unter gleichem Namen durch schwere, leistungsstarke Batterien
einen sog. „Image-Transfer“ genießen, also erfolgt, für die noch kein befriedigendes
mit Vorschusslorbeeren angenommen wer- Entsorgungskonzept gefunden wurde.
den. Das wiederum bedeutet geringere Kom- 2. Die Reichweite, d.h. die Strecke, die mit
munikationskosten. Aber als Massenmarkt- einer „Füllung“ gefahren werden kann,
produkt ist die Positionierung einer Dachmar- schwankt zurzeit zwischen 80–100 km.
ke i.d.R. weniger „spitz“, d.h., sie erfüllt nicht Zwar können für den außerstädtischen
unbedingt die speziellen Bedürfnisse einer Verkehr Batterien eingebaut werden, die
bestimmten Zielgruppe. Bei einer Sortiments- die Reichweite verdoppeln, aber auch um
marke besteht zudem die Gefahr, dass, wenn ein Vielfaches schwerer sind (siehe 1.)
ein relativ artfremdes Produkt in die Linie auf- 3. Die Sicherheitsstandards müssen auch für
genommen wird, die Verwässerung des Images ein Auto eingehalten werden, das nur
bzw. der sog. „Markenkern“ (das, wofür die knapp über 2,50 m lang ist und somit ü-
Marke beim Verbraucher steht) voranschreitet ber geringe Knautschzonen verfügt.
bzw. diffus und undeutlich wird. 4. Das Elektroauto soll ausreichende Leis-
Als dritte Möglichkeit bietet sich das Integra- tungen aufweisen (PS, Spurtstärke).
tionsprinzip an. Das ist eine Kombination 5. Der Schadstoffausstoß muss deutlich
beider vorne genannter Prinzipien. Damit geringer ausfallen als bei Benzin- oder
wird versucht, sowohl Altbewährtes der Dieselfahrzeugen. Erst wenn alle drei
Dachmarke zu nutzen als auch Neues, Beson- umweltbelastenden Abgase: Kohlendi-
deres, Unterscheidbares einfließen zu lassen. oxid, Schwefeldioxid und Stickoxide ein-
zeln gesehen mindestens 50% weniger
6.1.2 Die Qualität/Eigenschaften ausstoßen, kann das neue Modell als
marktreif angesehen werden.
Je nach Produkt können das verschiedene Wenn alle diese fünf hier grob skizzierten
Merkmale sein, wie Zusammenstellung, Ge- Anforderungen erfüllt sind, geht das DMW-
schmack, Geruch, Gewicht, Abmessungen, Elektroauto in Serie. Die bereits eingeführte
Inhalt, Konsistenz, Haltbarkeit, Sicherheit, „Lean Production“ (schlanke Produktion) ist
Handhabung, Lebensdauer, technische Mög- hierbei Chance und Risiko zugleich: Ein
lichkeiten, Aussehen und Verbrauch. Systemanbieter sorgt für die gesamte Elektrik.
Gleichzeitig mit den Eigenschaften ist eine Das verringert zwar die Fixkosten für die
Art Qualitätsgarantie verbunden. So muss ein eigene Firma ganz erheblich, und die For-
Duft zum Beispiel haltbar sein und darf sich schungsarbeiten werden von absoluten Fach-
nicht nach einem Gebrauch verflüchtigen. kräften erbracht, aber die Abhängigkeit ist
groß, will der Durchbruch nicht rechtzeitig
gelingen, und die Technologie kann auch
anderen Herstellern relativ leicht zugänglich
gemacht werden.
6. Produktpolitik 519
Neben dem rein funktionalen Grundnutzen Einige Anmerkungen zum Service der
(Autos dienen dem Transport von A nach B) DMW AG:
gibt es auch den eher emotionalen Zusatznut- Gerade hat man den Standard der Mitbewerber
zen. Dieser kann sowohl ästhetische Bedürf- erreicht. Das war jahrelang ein Schwachpunkt.
nisse (wie Design, Formen und Farben) als Erst jetzt, mit dem Einstieg einer durchset-
auch Bedürfnisse der Selbstverwirklichung zungs- und führungsstarken „Manager-
sowie der sozialen Integration und Anerken- Kapazität“ auf diesem Feld, die von einem
nung befriedigen. französischen Mitbewerber mit viel Geld vor
zwei Jahren abgeworben worden war, hat die
6.1.3 Die Verpackung DMW AG den Aderlass seiner Leitung aus dem
Die Verpackung soll folgende Vorausset- Weg geräumt. Unter Leitung dieser anerkann-
zungen erfüllen: ten Spitzenkraft wurde eine Arbeitsgruppe
installiert. Sie analysierte das Problem, entwi-
• das Produkt beim Transport schützen ckelte Konzepte und hat es geschafft, zumin-
• umweltfreundlich sein dest den Standard der Konkurrenz zu erreichen.
Das bringt zwar im Moment keinen Wettbe-
• displaystark, also sich verkaufsfördernd werbsvorteil, nur gestiegene Kosten. Aber
präsentieren immerhin verspricht sich die DMW AG davon,
• stapelfähig sein Imagedefizite in diesem Bereich langsam, aber
sicher auszuräumen, um mit eigenen mittelfris-
• unverwechselbar sein
tigen innovativen Konzepten selbst in eine
• einfach zu handhaben und zu dosieren Vorreiterrolle zu schlüpfen (wie z.B. Langzeit-
sein Reparatur-Garantie, Mobilitätsgarantie, 30-
• verkaufs- und lagerfähig sein bei einer Tage-Umtausch-Garantie, Garantie gegen Durch-
günstigen Kostenstruktur. rosten). Früher wurden Ersatzteile nicht inner-
halb eines Tages aus Zentrallägern in die ein-
zelnen Werkstätten befördert, die Vertrags-
6.2 Der Service werkstätten zeigten sich oftmals bei Streitfällen
wenig kulant gegenüber den Kunden. Repara-
Je nach Branche und Erklärungsnotwendig-
turen erwiesen sich als wesentlich teurer,
keit des Produktes bedienen sich Unterneh-
wurden schlampig ausgeführt und dauerten
men des Services (Kundendienst).
verhältnismäßig lange. „Schnee von gestern“,
Service beinhaltet die besonderen Dienstleis- aber beim Kunden deshalb noch lange nicht
tungen kaufmännischer oder technischer Art, ausgeräumt. Hier gilt es, mit einer konsequen-
die vor, während oder nach dem Kauf ange- ten und offensiven Servicepolitik das Ver-
boten werden. trauen langfristig zurückzugewinnen.
Somit wird potenziellen Käufern eine zusätz- Die DMW werden ihre Kunden anschreiben,
liche Hilfe angeboten, und die Beziehung zu Displays zur Verfügung stellen, Broschüren
bestehenden Kunden wird intensiviert. verteilen und gegebenenfalls Telefonnetz und
Kundendienst bietet dem Anbieter die Chan- Computerservice einschalten.
ce, sich von Wettbewerbern positiv zu unter-
scheiden, Kunden zu binden und weitere
Informationen über eigene Produkte von den
Benutzern einzuholen, um weitere Optimie-
rungen voranzutreiben.
520 Marketing
Aus der nahen Vergangenheit – wie ein Japaner den Deutschen Beine machte (1994) und
diese inzwischen (1997) erheblich im Service aufholten:
„Der Wohlstand hat Meister Deutschland fett gemacht. Und faul. Dienst am Kunden? Findet
nicht mehr statt. Der Kunde ist König? Bei euch ist der Kunde mittlerweile Kaiser. Was ihr
vergesst? Der Kunde ist Gott. Denn er allein entscheidet über Tod und Leben eines Unterneh-
mens.“
Minoru Tominaga, Unternehmensberater aus Tokio, schimpft mit den deutschen Auto-
Managern wie mit uneinsichtigen Abc-Schützen. „Wir sind alle in einem Boot“, sagen die Ma-
nager gern zu ihren Mitarbeitern. Aber rudern sollen immer nur die anderen. Von Teamwork
keine Spur.
Mercedes-Fahrer Tominaga kann sich besonders über deutsche Autowerkstätten aufregen.
Schlampigkeiten, wie unlängst im BMW-Werkstatt-Test (von Auto Bild) überraschen ihn nicht.
Die Hälfte mangelhaft, nur einmal gut: „Die Deutschen arbeiten ohne Lust und Liebe.“ Und
sehen den Kunden oft als Feind an. Tominaga: „Wenn ich meinen Wagen zur Inspektion gebe
und um ein Taxi bitte, dann zeigt man mir die Telefonzelle an der nächsten Ecke.“ In Japan
undenkbar.
Service sowohl durch Hersteller als auch durch Verkäufer und Werkstättenpersonal ist durch
nichts zu ersetzen. Aber es geht auch anders: Mängel am 2 Jahre alten Mercedes 200 D von
L.T. Nach nur 40 000 Kilometern auf der Uhr rollten die Fondsicherheitsgurte schlecht auf, und
ein Bremssattel war gebrochen. „Als ich die Rechnung über 700,– DM bekam, war ich sehr
erstaunt. Ich verstehe nicht, dass für die Sicherheit eines Autos dermaßen wichtige Teile bereits
nach 2 Jahren defekt sind“, schreibt der Betroffene an Auto Bild. Auto Bild informierte Merce-
des. Das Werk übernahm die Materialkosten von 386,57 DM. Ein faires Verhalten.
Abb. 22: Servicemanagement/Kundenbezogenheit, zwei Beiträge aus Auto Bild (aus der
Vergangenheit – DM-Zeit)
7. Der Produktlebenszyklus 521
7. Der Produktlebenszyklus
Der Produktlebenszyklus stellt den Versuch Beispiel:
dar, die unterschiedlichen Phasen eines Pro-
Der Produktlebenszyklus – Hilfsmittel zur
duktes aufzuzeigen, um daraus entsprechende Beurteilung der DMW-Autos
und angemessene Marketing-Konzepte und
Aktivitäten zu entwickeln und anzuwenden. Die DMW AG nutzt den Produktlebenszyklus
auf dreierlei Weise:
Der klassische Produktlebenszyklus besteht
aus den fünf Phasen der Einführung, des • Es können optimale Marketingstrategien
Wachstums, der Reife, der Sättigung und des entwickelt werden und die dazugehörigen
Rückgangs. Nicht alle Produkte zeichnen sich Maßnahmen durchgeführt werden.
durch diesen typischen Verlauf aus. Manche • Gleichzeitig ist er ein Kontroll- bzw.
haben sofort ein rasches Wachstum, aber auch Vergleichsinstrument, mit dem festge-
eine extrem kurze Rückgangsphase. Andere stellt wird, wie sich das Produkt im Ver-
wiederum besitzen das Merkmal eines immer gleich zu ähnlichen Angeboten, etwa dem
wiederkehrenden Lebenszyklus, hervorgeru- Vorgängermodell, entwickelt.
fen durch Sonderanstrengungen.
• Außerdem dient er zu Prognosezwecken.
Den Anfang und das Ende eines jeden Stadi- Gelingt es, auf zukünftige Phasen/ Stadien
ums festzustellen, ist sehr schwierig. Zeigt der und ihre Dauer zu schließen, können dem-
Umsatz/Absatz eine deutliche Änderung, wird entsprechend die Werbebudgets festgelegt
der Beginn einer neuen Ära angenommen. werden. So ist es normalerweise unsinnig,
in ein Produkt werblich zu investieren, das
7.1 Die Einführungsphase kurz vor der Marktherausnahme steht.
Das Produkt erscheint auf dem Markt und ist Das Marktgeschehen, genauer das Wachstum
noch wenig bekannt. Der Umsatz ist klein, und das Verhältnis zu den Mitbewerbern,
wohingegen die Werbe- und Vertriebskosten wird bei dem Produktlebenszyklus nicht be-
hoch sind, entsprechend wird noch kein Ge- leuchtet.
winn erwirtschaftet. Gleichzeitig sind die
Kosten pro Stück relativ hoch, ggfs. werden
„Kinderkrankheiten“ noch ausgemerzt.
8. Die Sortimentspolitik
Im Rahmen des Produkt-Mixes gehört die Aufgabe
Gestaltung des Sortiments zu den schwierigs-
14. Stellen Sie eine Matrix auf, in der Sie die
ten und weitreichendsten Entscheidungen
Faktoren Umsatz, Gewinn, Kundenstruk-
eines Unternehmens.
tur, Anzahl der Konkurrenten, Strategien,
Bei der Sortimentsgestaltung handelt es sich Absatzförderungsausgaben (für die
um die optimale Zusammensetzung der Arti- Kommunikation), Produktausführungen,
kel/Produkte/Marken/Dienstleistungen. Preis und Distribution in den vier Phasen
Üblicherweise lässt sich die Sortimentsgestal- Einführung, Wachstum, Reife/Sättigung
tung in drei Kategorien unterteilen. und Rückgang näher beschreiben!
9. Entgeltpolitik
Auch Kontrahierungspolitik genannt, um- 18. Bestimmen Sie nach der Diskussion
fasst die Entgeltpolitik die Bereiche Preispo- einen Vorstandssprecher! Er soll, egal
litik und Konditionenpolitik. Sie ist ein relativ wie Ihre gemeinsame Entscheidung auch
flexibles Instrumentarium, das auch kurzfris- ausfällt, die Meinung des gesamten Gre-
tig leicht zu beeinflussen ist. miums gegenüber dem Lehrer vertreten.
Beispiel:
9.1 Die Preispolitik
Die Entgeltpolitik der DMW AG
Als kleiner, nur nationaler Anbieter, ist die
Die Preispolitik deckt zielorientierte Ent-
DMW AG darauf angewiesen, eine moderate
scheidungen über die Preislage, innerhalb
Entgeltpolitik zu betreiben. Einerseits dürfen
derer das Unternehmen operieren will, und
die Preise und Konditionen nicht zu tief aus-
über die Preisfixierung für neue Produkte
fallen, da man auf ausreichende Gewinne und
bzw. über Preisänderungen für die im Leis-
Deckungsbeiträge angewiesen ist, anderer-
tungsprogramm enthaltenen Güter ab.
seits sollten sie nicht – in Anbetracht des
harten Wettbewerbs – so hoch sein, dass die
9.1.1 Preisabhängigkeiten potenziellen Käufer zur Konkurrenz abwan-
Der Preis für ein Produkt ist von diversen dern. Allerdings ist die Markentreue im Au-
Einflussfaktoren abhängig: tomobilsektor ausgeprägt, d.h., die Wahr-
scheinlichkeit, dass ein Auto vom gleichen
• Angebotsstruktur Hersteller gekauft wird, ist zwar eher rückläu-
Je weniger Mitbewerber auf dem Markt, desto fig, aber noch recht hoch. Dennoch: Selbst
höher i.d.R. der Preis. Anbieter, die in der Vergangenheit keine
Mitbewerber ausgeprägte Präferenzstrategie gewählt haben,
sind jetzt darauf angewiesen, mit einer kon-
Das Konkurrenzverhalten, ihre Ziele, Strate- kurrenzfähigen Preispolitik im wachsenden
gien, Maßnahmen und Produkte beeinflussen Segment der Kleinwagen aktiv zu werden.
die eigene Preisfindung. Dazu kommen die Hersteller aus dem asiati-
• Käufer schen Raum, die eine immer tragendere Rolle
spielen. Ihre Vorteile liegen in den ausgereif-
Die Bereitschaft zum Kauf muss vorhanden
ten Fertigungsmethoden in europäischen
sein, der Preis muss dem Image entsprechen.
Fabriken und bei den billigen Arbeitskräften
• Staatliche Beschränkungen in den Heimatländern. Dieser relativ niedrige
• Produktlebenszyklus Kostenblock spiegelt sich in den attraktiven
Endverbraucherpreisen wider und wird gerade
In der Einführungs- und Wachstumsphase in rezessiven Zeiten für die DMW AG, deren
können aufgrund der höheren Attraktivität Autos nicht zu den Spitzenreitern zählen, was
normalerweise höhere Preise als in der Sätti- den Wiederverkaufswert angeht, zu einer
gungs- und Rückgangsphase erzielt werden. echten Herausforderung, auch wenn schwan-
kende Wechselkurse von Zeit zu Zeit ein
wenig Trost vermitteln.
528 Marketing
• innovatives Produkt, das sich nicht Später, bei Preissenkungen, werden auch die
vergleichen lässt Endverbraucher erreicht, die den hohen Preis
zum Start nicht akzeptierten. Die Strategie
• keine Mitbewerber in der ersten Phase
empfiehlt sich insbesondere für bisher noch
• keine oder nur wenige Produktkenntnisse nicht im Markt befindliche (Gebrauchs)-
der Verbraucher güter. Soll dieses Vorgehen erfolgreich sein,
• relativ preisunelastische Nachfrage (siehe so sind einige Voraussetzungen zu erfüllen:
9.1.5) Die Modelle der DMW AG sind auf einem
• ausreichendes Potenzial von Käufern guten technischen Stand und bei dem jeweili-
gen Markteintritt mit richtungsweisenden
• kein Image des Ausbeutens Innovationen ausgestattet worden. Aber die
• spätere Preisreduzierungen dürfen dem Mitbewerber haben bei diesen Zusatzleistun-
Image des Produktes nicht schaden. gen relativ schnell nachziehen können.
Die DMW AG führt „proaktive Preissenkun-
9.1.4.2 Die Penetrationsstrategie gen“ durch. Kommt ein neues Modell eines
Auch als „penetration-policy“ bezeichnet, ernst zu nehmenden Mitbewerbers auf den
zielt diese Strategie darauf ab, ein hohes Ab- Markt, so wird, kurz nachdem Preis und Aus-
satzvolumen mit einem niedrigen Preis zu stattung bekannt sind, das eigene Auto mit
erreichen. Das geschieht vor allem in Feldern, einer Sonderausstattung offensiv beworben.
bei denen es keine gravierenden Produktvor- Damit wird der Konkurrenz gleich „Wind aus
teile anderer Mitbewerber gibt, die Produkte den Segeln“ genommen, denn gerade im Au-
sind sich recht ähnlich. Wer diesen Weg ein- tomobilsektor ist der Start eines Modells oft
schlägt, sollte folgende Bedingungen erfüllen: entscheidend für seinen weiteren Werdegang.
• Die Nachfrage muss relativ unelastisch Bei dem „Funny“ soll eine reine Penetrations-
sein (siehe 9.1.5). strategie zum Tragen kommen, um schnell
hohe Marktanteile bei der Zielgruppe der
• Es darf kein Negativ-Image für Produkt jungen Leute mit individueller Lebensweise
und Unternehmen durch niedrigen Preis zu erzielen.
geben.
• Es darf kein noch preiswerterer Anbieter
auf dem Markt sein.
• Der Markt muss groß sein, um Absatz-
mengen und Stückkostendegression zu si-
chern.
• Andere Mitbewerberprodukte bieten keine
weiteren Vorteile.
• Langfristig sollte eine ausreichende Fi-
nanzdecke vorhanden sein, die wegen des
hohen Kapazitätsbedarfs hohe Investi-
tionssummen notwendig macht, bei nied-
rigen Gewinnen und Deckungsbeiträgen
pro Stück. Abb. 30: Abschöpfungsstrategie
9. Entgeltpolitik 531
9.1.5 Preiselastizität der Kommt das Elektroauto, ist bislang eine ex-
Nachfrage treme Abschöpfungspolitik angedacht. Zum
gegenwärtigen Zeitpunkt sind sich die Ingeni-
Die Preiselastizität der Nachfrage sagt aus, eure sicher, dass kein anderer Hersteller die-
wie die Reaktion der Nachfrage auf eine ses Mobil derart weit entwickelt hat. Eine
Preisänderung verläuft. Sie gibt an, um wie breit angelegte Marktforschungsstudie hat
viel sich eine nachgefragte Menge ändert, zudem ergeben, dass es eine große Anzahl
wenn sich der Preis ändert. von potenziellen Käufern gibt, die der Um-
Anders ausgedrückt: Die Preiselastizität der welt zuliebe bereit wären, einen relativ hohen
Nachfrage gibt die Reaktionen der Käufer auf Preis für dieses Vehikel zu akzeptieren. Wei-
Preisänderungen im Hinblick auf die Menge terer Vorteil wäre, dass sich die Entwick-
wieder. lungskosten zügiger amortisierten.
Bei preisabhängigen Produkten geht die Hoher Preis in der Einführungsphase, der
Nachfrage bei einer Preiserhöhung stark zu- im Laufe des Produktlebenszyklus sukzes-
rück, bei einer Senkung steigt die Nachfrage sive gesenkt wird
stark. Handelt es sich um Produkte, bei denen Vorteile:
der Preis eine untergeordnete Rolle spielt,
verändert sich die Nachfrage nur leicht nach • schnelle Amortisation von F&E
unten; bei einer Preisanhebung bleibt der • Realisierung schneller Gewinne/ De-
Absatz nahezu konstant. ckungsbeiträge
Generell kann gesagt werden: • geringe Kapazitäten
Je höher der Preis, desto größer die Elastizi- • hohes Image durch Symbolcharakter des
tät; je niedriger der Preis, desto kleiner die Preises
Elastizität. (Man kann sich die Umsatzentwick-
• keine spätere Preiserhöhung notwendig
lung am besten an Produkten der Lebenshal-
tung klar machen. Fällt der Brotpreis, werden • Abschöpfen der Preis- und Kaufbereit-
die Menschen trotzdem kaum mehr Brot als schaft
vorher verzehren, der Umsatz wird also nicht • geringeres Floprisiko, weil kleine Men-
oder kaum steigen. Fällt dagegen der Sektpreis, gen
so könnte es sein, dass sich sehr viel mehr Kon-
sumenten für dieses Getränk entscheiden.)
Aufgaben
19. Als der Preis für einen Porsche erheblich
angezogen hatte, blieb dennoch davon
die verkaufte Menge unberührt. Als die
Sektsteuer heraufgesetzt wurde, ließen
sich keine Absatzreaktionen feststellen.
Können Sie das erklären?
20. a) Als BMW in den USA den Preis
seiner Limousinen senkte, fiel auch
der Absatz. Wie ist die Reaktion der
Kunden zu begründen?
b) Als im Jahr 2006 der Benzinpreis
von einem Höchstpreis wieder fiel,
Bisher nahmen wir an, dass bei sinkendem haben Konsumenten dennoch kaum
Preis die Nachfragemenge wächst. In diesem mehr getankt. Begründung?
Fall hat die Nachfragekurve einen von links
oben nach rechts unten fallenden Verlauf. Wir
sprechen von normal elastischer Nachfrage.
Normal elastisch ist die Nachfrage deshalb,
weil wir annehmen, dass die meisten Güter
bei sinkendem Preis mehr und bei steigendem
Preis weniger nachgefragt werden.
Für einige Güter gilt, dass bei steigendem
Preis die Nachfrage zunimmt und umgekehrt
bei sinkendem Preis auch die Nachfrage sinkt.
Wir sprechen dann von einer anomal elasti-
schen Nachfrage. Die Nachfragekurve steigt
von unten links nach oben rechts.
Abb. 33: Die Abhängigkeit von Preis und
Menge Abb. 34: Die abgesetzte Menge bei un-
Quelle: Tiedtke/Witthoff: Industriebetriebs- terschiedlichen Preisen
lehre, S. 301
9. Entgeltpolitik 533
Als Mittel der indirekten Preispolitik kann die Die DMW AG setzt als Mittel zur Absatzför-
Konditionenpolitik ganz flexibel eingesetzt derung eine aktive Konditionenpolitik ein, die
werden, gerade wenn große Mengen verhan- allerdings gerade in Zeiten des Abschwungs
delt werden. Nachfolgend die wichtigsten auch von den Mitbewerbern wahrgenommen
Bestandteile: wird. Um Kapazitäten zumindest auszulasten
und die Kosten für die Lagerhaltung zu be-
9.2.1 Rabattpolitik grenzen, unterbieten sich die Händler in Ab-
stimmung mit den Herstellern mit Preisen und
• Funktionsrabatte Rabatten sowie Finanzierungsmodellen. Der
• Mengenrabatte Käufer wird durch niedrige Anzahlungen über
eine lange Laufzeit mit niedrigen Raten ge-
• Zeitrabatte lockt. Auch die Leasingkonditionen gestalten
• Aktionsrabatte sich dann entsprechend dem Verhältnis von
Angebot und Nachfrage recht günstig. Große
• Treuerabatte
Taxi- und Fuhrunternehmen (das gilt nicht für
die DMW AG, weil das Unternehmen keine
9.2.2 Absatzkreditpolitik adäquaten Modelle anbietet) erhalten Men-
• Kreditform gen- und Treuerabatte. Bevorzugt behandelt
werden von der DMW AG zwei national
• Kreditlaufzeit agierende Mietwagenfirmen, die erstmalig im
• Kreditabwicklung letzten Jahr zu Sonderkonditionen Großauf-
träge für den „Sporty“ platziert haben.
• Kreditnehmer
9.2.3 Zahlungsbedingungen
• Zahlungsfristen Aufgabe
• Zahlungsweise 21. a) Die Elastizität (e) wird ermittelt,
indem die relative (prozentuale) Än-
• Zahlungssicherungen derung der Nachfrage durch die rela-
• Inzahlungnahme tive (prozentuale) Änderung des
Preises geteilt wird. Was für Elastizi-
9.2.4 Lieferbedingungen tätsverhältnisse liegen vor, wenn
• e größer als 1 ist
• Ort der Lieferübernahme
• e kleiner als 1 ist und
• Verpackungs-, Fracht- und Versiche-
rungskosten • e gegen 0 strebt?
• Mindestmengen b) Welchen Zeitraum würden Sie bei der
Elastizitätsbetrachtung als noch ak-
• Umtausch- und Rückgabemöglichkeiten zeptabel ansehen, wenn es darum
• Konventionalstrafen geht, sich auf den Markt einzustellen?
534 Marketing
Abb. 35: Wie die Preise und Konditionen bestimmt werden, und wovon sie abhängig sind
10. Distributionspolitik
Ist die Entgeltpolitik eher kurzfristiger Natur, Beispiel:
so müssen die distributionspolitischen Kon-
Ausnahmsweise werden Sie an dieser Stelle
zepte langfristig angepackt werden, da mit der nicht erfahren, wie die DMW AG ihre distri-
Wahl der Vertriebssysteme weit reichende butionspolitischen Probleme gelöst hat. Auf
Konsequenzen vollzogen werden.
der linken Seite haben sie den theoretischen
Die Distributionspolitik behandelt alle Ent- Teil gelesen – stellen Sie sich nun der folgen-
scheidungen, die im Zusammenhang mit dem den Aufgabe.
Weg eines Produktes zum Endverkäufer ste-
hen. Sie umfasst sowohl die Wahl der Absatz- Aufgabe
wege, Absatzformen und Vertriebssysteme als 22. Bereiten sie in Gruppen von 3–5 Perso-
auch die physische Distribution/Logistik. nen einen umfassenden Vorschlag vor,
wie die DMW AG ihre Distributionspoli-
tik in Bezug auf Vertriebssysteme, Ab-
10.1 Absatzwege satzwege und Absatzformen gestalten soll!
Schauen Sie sich auch an, wie in Deutsch-
Grundsätzlich kann der Hersteller seine Pro- land die Automobilindustrie verfährt!
dukte direkt oder indirekt absetzen. Von ent- Würden Sie etwas anders gestalten? Soll
scheidender Bedeutung bei der Wahl sind die DMW AG genauso handeln oder be-
vier Komponenten: wusst einen anderen Weg einschlagen?
10. Distributionspolitik 535
10.4 Physische
Distribution/Logistik
11. Kommunikationspolitik
Das Produkt ist marktreif, die Distributions-
wege sind gewählt, und es ist erhältlich. Jetzt
gilt es, den Verbraucher darüber zu informie-
ren und das Produkt „in einem guten Licht zu
präsentieren“. Dafür stehen verschiedene
Möglichkeiten zur Auswahl: Werbung, Ver-
kaufsförderung (VKF), Publicrelations
(PR), Sponsoring, Webauftritt oder die
Kombination von Möglichkeiten. Wie auch
immer, hierbei handelt es sich um den Kom-
munikationsmix.
Die Kommunikationspolitik befasst sich mit
der Übermittlung von Informationen an Kun-
den, Verbraucher und die Umwelt, um Mei-
nungen, Einstellungen, Erwartungen und Abb. 42: Kommunikationspolitik
Verhaltensweisen zu steuern.
Ergänzendes
Autos sind faszinierende Produkte, haben
11.1 Werbung weltweit das 20. Jahrhundert geprägt und stel-
len in der heutigen Zeit zugleich Fluch und
Werbung ist der Einsatz besonderer Werbe- Segen dar: Einerseits sorgen sie für die Mobili-
mittel mit dem Ziel, das Interesse von Perso- tät des Einzelnen und Wohlstand für die Gesell-
nen bzw. Gruppen für bestimmte Produkte schaft, andererseits tragen sie erheblich zur
und Dienstleistungen zu wecken und dabei Umweltverschmutzung bei. Nach dem zweiten
positive Reaktionen auszulösen und zum Weltkrieg hat Deutschland ganz besonders von
Kauf der Güter zu veranlassen. seiner starken Automobilindustrie profitiert.
Autos „Made in Germany“ sind nach wie vor
ein Gütesiegel für hohe Qualität, etwa jeder
siebte Arbeitsplatz ist in irgendeiner Weise
von dieser Branche abhängig.
540 Marketing
Werbung soll vor allem informieren (über Das Image eines Unternehmens und seiner
ein Produkt, über Preisänderungen, verbesser- Fabrikate hat einen entscheidenden Anteil am
te Leistungen, neues Design etc.), überzeugen Absatzerfolg. Nur so ist das Engagement etwa
(nämlich von den Vorteilen und dem hohen der Motoren- und Reifenhersteller in der
Nutzen) und erinnern (dann, wenn das Pro- teuren Formel 1 zu erklären. Vorteile gegen-
dukt i.a. bekannt ist, aber der Verbraucher hin über den Mitbewerbern erzielt in dieser Bran-
und wieder „einen Anstoß braucht“). che nur der, der kommunikativ aktiv ist. Im
Bei den Umworbenen soll letztendlich der Allgemeinen erinnert man sich an Werbespots
Kaufentschluss ausgelöst werden, was auch in der Autoanbieter nicht nur am besten, sondern
der sog. AIDA-Formel zum Ausdruck kommt. sie werden auch am positivsten eingestuft. So
Zunächst erlangt der potenzielle Käufer konnten die befragten Personen in einer re-
Kenntnis von dem Produkt („attention“), viel- präsentativ angelegten Studie durchschnittlich
leicht interessiert er sich dafür („interest“), er acht Automarken nennen. In der Regel kom-
verspürt den Wunsch, es zu erwerben („desi- men den Konsumenten nur zwei bis vier
re“) und führt den Kauf durch („action“). Marken pro Branche in den Sinn.
Absatzwerbung wird vorwiegend als Einzel- Gemäß der hohen Bedeutung und Akzeptanz
werbung betrieben. Werben mehrere Unter- und des harten Wettbewerbs ist auch die
nehmen für gleichartige Produkte, handelt es DMW AG gezwungen, sehr hohe Etats so-
sich um Gemeinschaftswerbung. Als dritte wohl für Werbung, PR, Sponsoring, einen
Möglichkeit sei die Verbundwerbung ge- professionellen, aktuellen Webauftritt, Mes-
nannt, bei der mindestens zwei Unternehmen sen, Dialogmarketingaktivitäten VKF bereit-
mit unterschiedlichen Produkten gemeinsam zustellen.
auftreten.
11.1.1.1 Ziele
Werbeziele sind Teilziele der Unternehmens-
und Marketingziele und müssen darauf abge-
stimmt sein.
11.1.1.2 Etat
Damit die Werbung einen größtmöglichen
Erfolg hat, sollten die knappen Werbegelder,
der sog. Etat oder das sog. Budget, so be-
messen sein, dass die realistischen Werbeziele
auch erreicht werden. Abb. 43: Was die Werbung bezweckt
11. Kommunikationspolitik 541
• Das Produkt:
Wie groß und homogen ist die Zielgrup-
pe? Wird die Leistung lokal, regional, na-
tional oder international angeboten? Mit
welchen Werbemitteln lässt sich das Pro-
dukt am besten darstellen?
• Die Mediengewohnheiten der Zielgrup-
pen
• Die Gestaltung, das Image und die
Erscheinungsweise der Werbemittel
• Die Werbebotschaft
• Die Kosten: Was kostet die Maßnahme
absolut und im Verhältnis zu anderen
Werbemitteln unter Berücksichtigung der
Abb. 44: Der Ablauf einer Werbekam-
Ziele?
pagne
11.1.1.5 Die kreative Umsetzung
Werbeträger Werbemittel
Jetzt kann die Umsetzung erfolgen. Dazu
- Fernsehen - TV-Spot
erarbeiten Fachleute aus der eigenen Werbe- - Kino - Kinospots, Dia
abteilung oder aus beauftragten, externen - Rundfunk - Radiospots
Werbeagenturen die Vorschläge, die sich - Zeitungen, Zeit- - Inserate, Anzeigen
nach Produkt, Zielgruppe, Argumentation, schriften, Bücher, - Werbegeschenke,
Kalender Abzeichen
Werbemittel und Werbeträger richten und - Gebäude, Verkehrs- - Plakat
sich in Stil, Form, Formulierung und Ton mittel, Messen, Ban- - Prospekte
unterscheiden. ken, Ausstellungen
- Sportler, Verwender
Dieses „wie“ sollte qualitativ so ausfallen, - Litfaßsäulen, Wände
dass sich der potenzielle Käufer dieses Ange- - Tragetaschen
bot wünscht, es originell und aktuell findet, es Abb. 45: Werbemittel und Werbeträger
sich übersichtlich und verständlich darstellt
und es ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit
aufweist.
Zum Start der Einführungskampagne produ-
ziert die DMW AG entsprechende Werbemit-
11.1.1.6 Die zeitliche Verteilung
tel. Dabei wird der Schwerpunkt auf Fernseh-
Hier unterscheidet man zwischen Mikro- und und Kinowerbung gelegt, deren Ausstrahlung
Makroplanung. zwar absolut teuer ist, aber ein breites Publi-
Zu den Möglichkeiten der Makroterminpla- kum erreicht und mit optischen und visuellen
nung: Eindrücken eine hohe qualitative Wirkung
erzielt. Anzeigen in Publikumszeitschriften
• Prozyklische Werbung bedeutet, dass werden ebenfalls „geschaltet“. Zur Abrun-
die Werbung desto intensiver ist, je stär- dung werden in den ersten acht Wochen eine
ker der Umsatz/Absatz verläuft. Vielzahl von Plakatwänden gebucht und
Der Nachteil besteht darin, dass der sin- Rundfunkspots ausgestrahlt. Das sind Werbe-
kende Umsatz bei geringerer Werbung träger bzw. Medien, die für eine schnelle und
noch stärker fällt. flächendeckende Bekanntheit sorgen.
11. Kommunikationspolitik 543
ler zum Käufer („push-Effekt“) forcieren. Abb. 47: Was Verkaufsförderung um-
Bei der erstgenannten Handels-VKF werden fasst
in erster Linie folgende Ziele verfolgt: Auf-
und Ausbau der Distribution, attraktive Plat-
Die o.g. Beispiele bieten sich besonders für
zierung (Regal- und Zweitplatzierung), La-
Waren des täglichen Bedarfs an – bei Autos
gerdruck ausüben, hohe Attraktivität des
sind sie wenig passend. Die DMW AG führt
Artikels demonstrieren.
Verkaufsförderungsaktionen im weitesten
Die Konsumenten-VKF soll vor allem Pro- Sinne durch: So wird der „Funny“ auf der
bierkäufe steigern, Wiederholungskäufe er- Internationalen Automobil-Ausstellung in
leichtern und die Kauffrequenz und –bereit- Frankfurt, dem Genfer Autosalon und der
schaft erhöhen. Pariser Autoshow in einem repräsentativen
Rahmen dem Publikum vorgestellt.
11.3 Publicrelations In Zusammenarbeit mit den DMW-Händlern
wurde ein VKF-Paket vor Ort „geschnürt“:
Die bisherigen Kunden werden angeschrieben
Publicrelations ist das bewusste und legitime (Direktmarketing) und erhalten eine Einla-
Bemühen um Verständnis sowie um Ausbau dung zu einem „Fun-Tag“ mit dem „Funny“
und Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit. in der jeweiligen Verkaufsfiliale. Aber auch
PR richtet sich nach außen an die Öffentlich- persönlich vereinbarte Probefahrten und das
keit, Kunden und Verbraucher sowie Mei- Drumherum spielen eine wichtige Rolle, um
nungsbildner (Politiker, Journalisten etc.) und das neue Modell dem potenziellen Kunden-
nach innen, z.B. an die eigene Belegschaft. kreis vorzustellen und näher zu bringen.
11. Kommunikationspolitik 545
So können Unternehmen, Marken, Produkt- Zwei Monate vor der Auslieferung werden
gruppen oder Produkte im Ansehen gesteigert die Redakteure aller bedeutenden Autozeit-
werden. Als PR-Mittel bieten sich an: Pros- schriften zu einer „Fun-Party“ eingeladen.
pekte, Anzeigen, Artikel, Geschäftsberichte, Die Journalisten der großen Tageszeitungen
Vorträge, Messen, Ausstellungen, Pressekon- führen das gleiche Programm eine Woche vor
ferenzen. der Einführung durch. Die Verkaufszeit ist
Jede PR-Aktion sollte folgende Vorausset- hier durch die tägliche Erscheinungsweise
zungen erfüllen: und das einfachere Druckverfahren kürzer.
Auf diesen Partys lernen die Presseleute zu-
• aktuell sein nächst das umweltschonende Herstellungsver-
• einen Neuigkeitswert mit hohem Infor- fahren und das Recyclingkonzept in der Fab-
mationsgehalt klar und deutlich aufwei- rikationsstätte Halle kennen und werden dann
sen in einem, in lockerer Atmosphäre geführten,
Pressegespräch von dem Vorstandsmitglied
• verwertbar und auf das jeweilige Medium Dr. Schümann, dem Technikchef Ingenieur
abgestimmt sein. Karl-Heinz Rudolph und dem Designer Carlo
Ventura über den „Funny“ informiert. Danach
11.4 Sponsoring fährt die Gesellschaft zum nahe gelegenen
Flugplatz, um von dort in drei gecharterten
Flugzeugen nach Südfinnland zu fliegen, wo
Unter Sponsoring wird eine Art Schirmherr- sich die Journalisten selbst von den Vorzügen
schaft bzw. Patenschaft verstanden. des neuen DMW-Autos bei einer Rallye über-
Um seine eigenen Marketing- und Kommuni- zeugen können. Nach fünf Stunden Spaß und
kationsziele voranzutreiben, werden Perso- einem opulenten Buffet geht es zurück in die
nen, Organisationen oder Veranstaltungen im Heimat – die positive Grundeinstellung ist
sportlichen, kulturellen oder sozialen Bereich erreicht, und die DMW AG hofft, dass sich
„gesponsert“. der „Funny“ in seiner Klasse zum „Auto des
Jahres“, gewählt von den Journalisten, durch-
Das bedeutet, dass Geld, Sachzuwendungen,
setzen wird, was als zusätzliches Verkaufsar-
Know-how oder Dienstleistungen bereitge-
gument gewertet werden darf.
stellt werden und dies entsprechend kommu-
nikativ dargestellt wird. Die DMW AG verfügt über einen eigenen
kleinen Verkäuferstab in den eigenen Nieder-
lassungen, hat aber auch eine Reihe von regi-
11.5 Persönlicher Verkauf onalen Repräsentanten, die einen engen Kon-
takt mit den Händlern pflegen. Ausgestattet
Mündliche, schriftliche oder telefonische mit einer vorzüglichen Ausbildung und Schu-
Präsentation mit potenziellen Käufern, um lung, die sich durch Fachkenntnis und Ver-
einen Verkaufsabschluss zu erzielen. handlungsgeschick äußert, nehmen diese
Repräsentanten die Belange ihres Arbeitge-
Daneben hat das Verkaufspersonal i.d.R. bers wahr, sind Kontaktpersonen zu den
diese Aufgaben: Händlern, versorgen sie optimal mit Ver-
• Informationen einholen über Kunden und kaufsunterlagen wie Handbücher, Prospekte,
ihren Bedarf technische Zeichnungen, Preislisten, For-
schungs- und Laborberichte, Gutachten sowie
Argumentationshilfen und bieten auch Fort-
bildungsseminare für Vorgesetzte, Verkaufs-
personal und Mechaniker an.
546 Marketing
Stichwortverzeichnis
A Agreement Corner 245
AIDA-Formel 540
ABC-Analyse 321 ff. Akkordlohn 414 f.
Ablauf 94 Akquisition 501
Ablaufdiagramme 109, 111 Aktien 176, 232 f.
Ablauforganisation 94, 108 ff., 114, 285 f. - Mindestnennbetrag 178, 236
Ablaufplan, aufgabenbezogener 110 Aktienarten 177
Abmessungsnormen 57 Aktienbuch 233 f.
Abnahmeprüfung 487 Aktienemissionen 181
Absatz 65, 496 Aktiengesellschaft (AG) 69 ff., 149, 173, 176 ff.,
- direkter 535 f. 181 f., 221 f., 231 f., 247, 251
- indirekter 536 f. - Anteile 233 f.
Absatzformen 538 - Aufsichtsrat 232, 234 f.
Absatzkreditpolitik 533 - einfache Gründung 232
Absatzkurve 465 - Eintragung ins Handelsregister 233
Absatzmittler 497 f., 536 - Geschäftsführung 244
Absatzplan 291, 432 - Gesetz für kleine 234
Absatzpotential 503 - Gründung 232 f.
Absatzprogrammplanung 433 - Grundkapital 232 f.
Absatzrisiko 436 - Haftung 244
Absatzvermittler 538 - Hauptversammlung 234 ff.
Absatzwege 320, 534 ff. - Kontrollrechte 244
Abschöpfungspolitik 531 - Pflicht zur Rechnungslegung 236
Abschöpfungsstrategie 529 f. - Rechte der Hauptversammlung 236
Abschreibungen 13, 52, 54 f., 143, 148, 156, - Vermögen 244
161 ff., 166 - Vorstand 232, 234 f.
- degressive 164 f. Aktiengesetz (AktG) 71, 178, 181, 232, 234,
- kalkulatorische 143 240 f.
- lineare 161, 165, 211 Aktienrecht, Deregulierung 234
- proportionale 164 Aktionär
- zeitabhängige (lineare) 164 - Pflichten 233
Abschreibungsarten 164 - Rechte 233
Abschreibungsgegenwerte 162, 172 Aktionsrabatte 533
Abschreibungsgesellschaft 244 f. Aktiva 128 f.
Absetzung für Abnutzung (AfA) 161 f., 211 - Unterbewertung 158
- Tabelle 211 Aktivseite 128
- Zeit 212 Akzept 187
Abstimmungskollegialität 70 f. Akzeptkredit 187 f.
Abteilungsgliederung 98, 100 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 255 f.,
Abwasserabgaben 120 309
Advertising 93 Altersaufbau 366
Änderungskündigung 424 Andler-Formel 296, 461
- außerordentliche 424 Anfechtung 254
- ordentliche 424 Anforderungsarten 368, 412
ärztliche Untersuchung 382 Anforderungsgerechtigkeit 411
Agio 182, 194 Anforderungsprofil 375, 377, 392
- bei Ausgabe eigener Anteile 150 Anfrage 254, 303
- bei Wandelschuldverschreibungen 150 Angebot 253, 303 ff.
552 Stichwortverzeichnis
Bezugsrecht 179 f., 234 Computer Aided Design (CAD) 32, 59 f., 61, 477
Bezugsverhältnis 179 Computer Aided Engineering (CAE) 61, 477
Biersteuer 118 Computer Aided Manufacturing (CAM) 32, 61,
Bilanz 128 f., 148 477
- Fremdkapitalpositionen auf der Passivseite 183 Computer Aided Planning (CAP) 59, 61, 477
- Mittelherkunft und -verwendung 128 Computer Aided Quality (CAQ) 32, 60 f., 477
Bilanzgewinnbeteiligung 417 Computer Integrated Manufacturing (CIM) 47,
Bilanzverlängerung 131 61, 505 f.
Bildungsmarkt 400 Computerized relative layout planning (CRAFT)
Bildungswesen, betriebliches 401 f. 457
Binnenhandel 535 - Entscheidungsablauf des 458
Blocklager 328 - Verfahren 458
Börse 234 Controller 26 f.
Börsenkurs 194 Controlling 94, 100 f., 345, 359
Börsenumsatzsteuer 118 - dezentralisiertes 104
Bonitätsprüfung 170 - operatives 102 f.
Brainstorming 503 - strategisches 102
Brainwriting 503 - zentralisiertes 104
Branntweinsteuer 121 Controllingarten 104
Break-even-Analyse 547 Controllingaufgaben 103 ff.
Break-even-point 503, 521 Controllingfunktion 104
Breitengliederung 101 Controllingsystem 104
Briefhypothek 206 f. Controllingtechniken 104
Bringschuld 263 f. Controllingtypen 104
Brutto-Arbeitsentgelt 420 Controllingziel 104
Bruttobedarf 293 f. Corporate Advertising (CA) 92
Bruttoertragsbeteiligung 417 Corporate Behavior (CB) 92
Bruttopersonalbestand 366 Corporate Communications (CC) 92 f.
Brutto-Primärbedarf 293 Corporate Design (CD) 92
Brutto-Sekundärbedarf 293 Corporate Identity (CI) 65, 91, 93
Brutto-Tertiärbedarf 293 - Strategie 92
Buchhypothek 206 f. - Teilinstrumente 93
Budget 540 Corporate Sales Promotion (CSP) 92
Budgetplanung 324 Cost and Freight (CFR) 265, 308
Bürgschaft 190, 200 f., 209 Cost, Insurance, Freight (CIF) 265, 308
- selbstschuldnerische 201 f., 209
Bürgschaftsvertrag 200, 209 D
Bundesagentur für Arbeit 372
Bundessteuern 118 Dachmarke 518
Bundes- und Länderanleihen 195 Darlehensvertrag 252, 312
Daten 56
C Datenfernübertragung (DFÜ) 312
Datenflusspläne 109 f.
Carriage and Insurance Paid to (CIP) 308 Debitor 170
Carriage Paid to (CPT) 308 Deckenkreisförderer 330 f.
Cash-Flow 143 ff., 218 Deckungsbeitrag 503
Cash-Flow-Berechnung 144 ff. Deckungsstock 195
Cash Management 98 Deckungsstockfähigkeit 195
CA-Verfahren 477 Delcrederefunktion 169 f.
Chaoslager 341 Delcrederegebühr 171
Charge 442 Delivered At Frontier (DAF) 308
Chargenfertigung 8 Delivered Duty Paid (DDP) 308
Chargen-Produktion 442 Delivered Duty Unpaid (DDU) 308
Client Quality Management 90 Delivered Ex Quai Duty Paid (DEQ) 308
556 Stichwortverzeichnis
Qualitätsprüfung (CAQ) 477 f. Rentabilität 22 f., 25, 28 f., 39 ff., 43 f., 349,
Qualitätssicherung 289, 477, 490 479 ff.
- Kosten 489 - auf das betriebsnotwendige Kapital 25
- Methoden 486 f. Rentabilitätsberechnung 24 f.
Qualitätsstrategie 490 Rentenschuld 205, 207
Qualitätszirkel 48 Rentenversicherung 420
Quotaverfahren 511 Reserven
- Auflösung stiller 172
R - stille 148, 150, 156, 167 f., 171
Ressortkollegialität 70
Rabatte 528 Restrukturierung (Restruction) 88 f.
Rabattpolitik 533 f. Reststoffverwertung 282
Rahmenvertrag 312 Return on Investment (ROI) 283
Random-Verfahren 511 Revitalisierung (Revitalizing) 88 f.
Rangfolgeverfahren, summarisches 412 Risikostreuung 517
Rangreihenverfahren, analytisches 413 Rohstoffe 53, 56, 279
Rationalisierung 342 Rohstoffgewinnungsbetriebe 6 f.
Rationalisierungseffekte 55, 171 Rohstoffproduktion 440
Rationalität 349 Rolle 395
Reaktivierung, beruflich 402 Rollenbahnen 330 f.
Realisationsaufgaben 99 Rückgangsphase 522 f.
Realisationsphase 401 Rücklagen 148 f., 156
Realkredite 183, 191 - andere 150, 158
- dinglich gesicherte 209 - für eigene Anteile 150, 158
Rechnung 316 - gesetzliche 150, 158
Rechnungsabgrenzungsposten 129 - offene 150
Rechnungskern 316 - satzungsmäßige 150, 158
Rechnungskopf 316 Rückstellungen 129, 143, 165 f., 172
Rechnungslegung, externe 98 - Pensions-und sonstige 130
Rechnungsprüfung 303, 315 f. Rüstkosten 460 ff.
Rechnungsschluss 316 Rüstkostenverlauf 461
Rechte 131, 262 Rüstzeit 469
Rechtsformen, eines Unternehmens 221 ff. Rutschen 330 f.
Rechtsgeschäfte 252
- einseitige 252 S
- mehrseitige 252
Rechtsgeschäftslehre 252 ff. Sachanlagen 16
Rechtsscheinhaftung 251 Sachaufgaben 99
Rechtsstreitigkeiten 355 Sachen 262
Rechtsverhältnisse 4 f. Sachfunktion 66
Rechtsvorschriften 385 Sachgüter 16, 127, 130 f.
Recycling 324 ff., 341 Sachkapital 127, 130 f., 148
Reederei 221 Sachkauf 265
Re-engineering 12, 87 f., 91, 352 f. Sachleistung 391
Regalförderzeuge (RFZ) 329 f. Sachleistungsbetriebe 6 ff.
Regallager 328 Sachmängelhaftung 271, 274
- konventionelle 327 f. Sachmangel 271
Rehabilitierung, berufliche 402 Sättigungsphase 522
Reifephase 522 Sale-lease-back 210
Reihenfertigung 443 ff. Sale-lease-back-Verfahren 167
Reinvestition 161 Scheinkaufmann 249, 251
Rendite 25 Schenkungsteuer 121
Rennwettsteuer 118, 121 Schickschuld 263 f., 307
Schlechterfüllung 271
572 Stichwortverzeichnis