Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 22

Woran wir

ein Trauma
erkennen
können

Martin
Straube

DIE TRAUMAANAMNESE
Inhaltsverzeichnis
Traumaanamnese/Diagnostik .................................................................................................................. 2
Inhalte der Anamnese .......................................................................................................................... 3
Intrusive und konstriktive Symptome ................................................................................................... 3
Spezifische Traumasymptome (PTBS): .................................................................................................. 5
Intrusionen ...................................................................................................................................... 5
Vermeidung ..................................................................................................................................... 5
Arousal............................................................................................................................................. 6
Amnesie oder: fragmentierte Erinnerungen ..................................................................................... 6
Dissoziative Störungen ..................................................................................................................... 7
Die Empathie ....................................................................................................................................... 9
Die emotionale oder biologische Empathie ...................................................................................... 9
Die kognitive Empathie, empathic concern oder emotionale Empathie .......................................... 10
Soziale Empathie, empathic perspective taking oder die Fähigkeit zur Theory of Mind ................... 11
Beschreibung des Klienten ................................................................................................................. 11
Anhang: Fragebögen .............................................................................................................................. 17
The Posttraumatic Cognitions Inventory (PTCI) ............................................................................... 17
Der IES-R-Fragebogen (Impact of Event Skala - revidiert) für........................................................... 19
Fragebogen zum komplexes PTBS nach Martin Sack ....................................................................... 21

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 1


Traumaanamnese/Diagnostik
Eine Anamnese ist in der Regel der Beginn einer gemeinsamen Arbeit. Neben dem Erfassen von
Beschwerden und deren Entstehung ist ein Arbeitsbeginn auch immer der Beginn einer
Beziehungsaufnahme. Entsprechend einfühlsam soll die Anamnese sein. Manche Therapeuten machen
dies mit einem Fragebogen, den der Klient ausfüllt, es gibt auch computergestützte Fragebögen, wo
dann der Computer die Diagnose erstellt. Das sind „kalte“ Verfahren, die sicherlich nicht der
Beziehungsaufnahme dienen. Dennoch sind manche Fragebögen gut, es macht aber Sinn, sie im Kopf zu
haben um die dortigen Anregungen zu Fragen im Gespräch einfließen zu lassen.

Zu dem Erstgespräch gehört aber auch ein angemessenes Setting. Gut wäre ein ruhiger Raum, bequeme
Sitzmöbel, kein Chaos, und eine angenehme Atmosphäre. Z.B. welche Bilder hängen an den Wänden? Zu
viele Bilder, besonders interessante Bilder können sehr stark ablenken, keine Bilder machen eine zu
kühle Stimmung. Freundliche Farben, die sich nicht aufdrängen, möglichst abstrakte Werke, die keine
Trigger auslösen können. Man kann ein Glas Wasser anbieten, vielleicht steht eine schöne Blume auf
dem Tisch. Ich fange auch nie damit an, sofort nach den Beschwerden zu fragen, oft frage ich, ob der
Betreffende etwas Schönes auf dem Weg erlebt hat, ich frage gerne, ob er aufgeregt ist und beruhige
ihn, dass er ganz entspannt sein kann, er aber auch jederzeit das Gespräch unterbrechen kann, wenn es
ihn trotzdem zu sehr belastet. Niemand sagt, dass die Anamnese beim ersten Gespräch abgeschlossen
werden muss!

Besonders die so wichtige biographische Anamnese sollte mit aller Vorsicht vorgenommen werden, denn
das Auffinden von traumatischen Ereignissen kann unmittelbar traumaverstärkend wirken, so dass dies
sicherlich nicht am Anfang steht. Allenfalls kann wichtig sein, welche Art eines Traumas vorliegt
(Entwicklungstrauma, Gewalterfahrung, Unfall, Missbrauch, Vernachlässigung, Krieg, Flucht, Folter,
Beziehungsstörung usw.), das Alter, wann das traumatische Geschehen stattgefunden hat, ob es sich um
ein einmaliges Ereignis gehandelt hat, ob es ein serielles Trauma war. Mein Standartsatz ist hier immer:
„Sie müssen mir keine Einzelheiten erzählen, ich werde nicht wieder nach dem Trauma fragen, aber
wenn Sie erzählen wollen, haben Sie jederzeit mein Ohr!“

Daher geht es in den ersten Gesprächen in der Regel nicht darum, dass der Klient das Trauma schildert –
unsere Neugier davon zu erfahren müssen wir ganz deutlich im Zaum halten! Es geht daher viel mehr um
die derzeitige Belastung, die den Klienten quält!

Ich versuche in jedem Gespräch neben all dem Tragischen, was zur Sprache kommt, auch positives im
Raum entstehen zu lassen. Viele Menschen haben durch das Trauma Erfahrungen gemacht, die sie ohne
das Trauma nie gemacht hätten. Sie haben Menschen kennengelernt, die sie sonst nie kennengelernt
hätten, darunter hilfreiche, nette Menschen, haben dadurch vielleicht Bücher gelesen, die ihnen
geholfen haben. Darauf lenke ich stark das Interesse. Denn die seelische Waage hängt schief, das Trauma
hat die Waagschale der negativen Erfahrungen stark nach unten bewegt und jede Gelegenheit das
Gewicht der anderen Schale zu erhöhen, sollte nicht versäumt werden.

Die innere Haltung bei der Anamnese ist wichtig: Nie in Mitleid zerfließen! Dennoch volle Empathie,
echtes Interesse aufbringen, aber nie mit leiden: wir sind die Anwälte der guten Seite, wir glauben dass
es möglich ist, den verzauberten Königssohn/die verzauberte Königstochter, der/die unter dem Bärenfell
gefangen ist, zu erreichen

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 2


D.h., es geht mehr um ein Screening der derzeitigen Situation den Klienten, der leidvollen Situation, aber
auch der positiven Seite, der Ressourcen. Dabei geht es nicht um Abhaken auf Listen. Es geht mehr
darum, dass der- oder diejenige, die das Erstgespräch führt, die Symptome kennt, damit sie
wahrgenommen werden. Viele Väter erzählen, dass immer, wenn ihre Frau schwanger war, sie so viele
schwangere Frauen in der Stadt gesehen haben, wie vorher und nachher nicht. Sie sind eingestimmt auf
ein Phänomen, weswegen es ihnen auffällt. Wir müssen eingestimmt sein auf die Phänomene des
Traumas, dass wir sie bemerken, wenn sie – oft ohne, dass der Klient es bemerkt – von ihm geschildert
wird. Zur Not fragen wir nach. Je geübter wir sind, hat der Klient den Eindruck, es sei ein lockeres
Gespräch gewesen, aber er hat uns das volle Bild geliefert. Wenn wir es im Anschluss zusammenfassen,
wird er erstaunt und erleichtert sein, in kompetenten Händen zu sein – und weil das Gespräch nicht allzu
belastend war, wird er gerne wiederkommen.

Inhalte der Anamnese


Das Anamnesegespräch sollte folgende Bereiche erfassen:

• Die spezifische Traumafolgesymptomatik:


o Posttraumatische Belastungsstörung
o Komplexe posttraumatische Belastungsstörung
o Dissoziative Störung
• Komorbide Krankheitsbilder:
o Angststörung
o Depressive Störung
o Somatoforme Störungen
o Abhängigkeitserkrankungen
• Andere relevante Problembereiche:
o Suizidalität
o Selbstverletzendes Verhalten
• Störung der Affekt- und Selbstregulation:
o Fähigkeit mit belastenden Affekten umzugehen
o Kontrolle von Ärger und Wut
o Konfliktfähigkeit
o Beziehungsfähigkeit
• Ressourcen:
o Äußere Ressourcen (Materielle Dinge, Arbeit, Wohlstand, Gesundheit)
o Soziale Ressourcen (Familie, Partner, Freunde, wichtige Menschen, Vereine, Gruppen,
die kleinen Eindrücke alltäglicher Begegnungen)
o Persönliche Ressourcen (Eigenschaften, Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen,
Interessen, Hobbys, Sport, Ziele, Überzeugungen, Werte, eigene Ideen, Spiritualität,
Rhythmen, Rituale, Erinnerungen, Hoffnungen, Kunst, Kultur, Haustiere, Aussehen)

Intrusive und konstriktive Symptome


Bei der Erhebung der Symptome unterscheiden wir „intrusive“ und „konstriktive“ Symptome
(„Konstriktion“: zusammenschnüren: Es sind z.B. Fähigkeiten, die durch das „Zusammengeschnürtsein“
der Seele, nicht mehr vorhanden sind). Während die ersteren rasch offenbar werden, da sie

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 3


Erscheinungen sind, die hinzugetreten sind und oft sehr belastend
sind („Plus-Symptome“), sind die konstriktiven Symptome
verborgener, da Fähigkeiten verloren gegangen sind („Minus-
Symptome“). Die Intrusiven Symptome wird der Klient
möglicherweise von sich aus beschreiben. Die konstriktiven
Symptome müssen wir erlauschen. Sie fallen in Gesprächen auf,
wenn man dafür ein Sensorium entwickelt. Man bemerkt
Konzentrationsstörungen im Gespräch, auch Erinnerungslücken,
fehlende Gefühle, Lustlosigkeiten, eine Haltung wie: „das bringt ja
alles doch nichts“, Müdigkeit, Stupor. Nach Erschöpfung kann man
fragen, auch nach Depersonalisationen, funktionellen Störungen
der inneren Organe. Oft formulieren es Patienten: „Meine Frau
glaubt an Sie“, ich wäre nie von alleine gekommen, aber die
Familie sagt, dass ich etwas tun muss“. Dann ist es bereits in der
Anamnese ein Teil der Psychoedukation, dass man erläutert, dass
es nicht nur ihr/ihm so geht, dass das ein Teil des traumatischen
Prozesses ist, dass es sich um ein Fluchtsymptom handelt. Da
verwende ich dann gerne die nebenstehende Zeichnung, die dem
Patienten zeigen soll, dass das auch schon ein erster Schritt in die
richtige Richtung ist: Im gesunden und entspannten Zustand
haben wir die meisten freien Handlungsoptionen, Im Stress nur
noch Flucht (Depression, „es bringt ja doch nichts, alle
konstriktiven Symptome) oder Kampf (Aggression, Wut,
Hyperaktivität, Aufgeregtsein, Hysterie etc.). Im Trauma sind wir
erstarrt und können weder Kämpfen, noch fliehen. Wenn er/sie
z.B. im Fluchtmodus ist, ist sie/er nicht mehr erstarrt! Das ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung.
Das „Konzept des guten Grundes“, dass alle Symptome auch Versuche der Selbstheilung sind, und
sinnvoll sind, dass wir sie wertschätzen und als wichtige Schritte begrüßen, sollte der Klient möglichst
schon vom ersten Gespräch mit nachhause nehmen!

Hier ein kleiner Überblick:

Intrusive Symptome Konstriktive Symptome


Gedanken • Sich aufdrängende Erinnerungen • Erinnerungslücken
• Zwanghafte Gedanken an das • Konzentrationsstörungen
Trauma
Affekt • Angst • Gefühllosigkeit
• Unsicherheit • Lustlosigkeit
• Ohnmacht • Fehlende Zukunftsperspektive
• Hilflosigkeit
Körpererleben • Körpererinnerungen • Entfremdungserleben
• Schmerzen • Depersonalisation
• Funktionsverlust
Ausdrucksverhalten • Unkontrollierbare • Stupor
Stressreaktionen • Lähmung
• Abreaktionen • Kraftlosigkeit
• Starke Müdigkeit

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 4


Spezifische Traumasymptome (PTBS):
Intrusionen
Als Intrusion wird das Wiedererinnern und Wiedererleben von psychotraumatischen Ereignissen
in der Psychotraumatologie verstanden. Intrusionen umfassen Bilder, Flashbacks und Albträume.
Sie können auch als ins Bewusstsein einschießende, aufdringliche Gedanken und Vorstellungen
auftreten (englisch intrusive thoughts). Intrusionen werden zumeist durch einen Schlüsselreiz
ausgelöst („Trigger“). Die betroffene Person kann das traumatische Ereignis so in vielen
Einzelheiten wiedererleben.
Betroffene Menschen berichte, dass sie immer wieder an das Trauma denken müssen, dass sie
dabei immer wieder die selben belastenden Gefühle haben, dass unangekündigt diese
belastenden Bilder vor Augen stehen, dass sie nachts als Albträume wiederkehren, manchmal
können Trigger beschrieben werden, die die Gefühle oder Erinnerungen, bzw. die Bilder mit den
belastenden Gefühlen auslösen. Das Auftreten solcher Intrusionen wird immer als Stress erlebt.
Trigger sind häufig:
o Visuelle Eindrücke (z.B. nach einem Überfall im Wald, kann der Anblick eines Waldes ein
Trigger sein).
o Geräusche (z.B. Sirene bei Menschen, die Luftangriffe erlebt haben)
o Gerüche (z.B. die Alkoholfahne nach Gewalterlebnissen durch einen Betrunkenen)
o Taktile Eindrücke (z.B. Annäherungen des Lebenspartners bei Menschen, die als Kind
missbraucht worden sind)
o Gefühle (z.B. bestimmte fröhliche Gefühle, wie man sie auf einer Autofahrt hatte, als der
Unfall passierte)
Nach Intrusionen kann man gut direkt fragen: ob der/die Betreffende Albträume hat, ob sie/ihn
die Bilder verfolgen, ob sie ungerufen kommen, ob es wache Erinnerungen sind, oder nur Fetzen
davon, was sie auslöst (das ist auch wichtig, um in weiteren Gesprächen solche Trigger zu
vermeiden!).

Vermeidung
Um Situationen aus dem Wege zu gehen, die Intrusionen auslösen können, werden sie
vermieden. Menschen, die z.B. einen Autounfall erlebt haben, trauen sich nicht mehr ans Steuer
oder meiden überhaupt das Autofahren. Es kann sich auch mit der Zeit ausdehnen, dass der
Straß als solcher vermieden wird.
Von einer Konditionierung zweiten Grades sprechen wir, wenn sich die Vermeidung immer
mehr ausbreitet. So kommt es vor, dass eine Frau, die eine Vergewaltigung erlebt hat, die sie als
„schmutziges Erlebnis“ empfunden hat, auch allen „normalen Schmutz“ im Haushalt vermeidet.
Auch hiernach kann man gut fragen. Was sind die No-go Bereiche des Lebens seit dem Trauma?
Was ist seither nicht mehr möglich. Das kann erschüttern, wenn es dem Klienten/Patienten in
dem Moment bewusst wird. Aber oft ist es eine Erleichterung zu erfahren, dass es ein normaler
Weg ist, dass die Symptome Intrusion, Vermeidung, Arousal und Fragmentierung die Symptome
sind, die das Trauma charakterisieren. Die Dinge bekommen dadurch einen Namen, die Klienten
erfahren, dass es nicht ihre persönliche Schwäche ist, deren sie sich schämen, sondern, dass das
Ereignis das bei jedem Menschen auslöst: nicht der Betroffene Mensch ist das Problem, sondern

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 5


das, was erlebt hat, ist das Problem. Denn Scham ist ein großes Problem. Und die zu nehmen,
kann während der Anamnese gelingen.

Arousal
Arousal ist das englische Wort für „Erregung“, eine starke Aktivierung des zentralen
Nervensystems, wie man es aus Stresssituationen kennt, nur dass dieser Erregungszustand nach
einem Trauma jahrelang anhalten kann und von den Betroffenen nicht immer mit dem Trauma
in Verbindung gebracht wird. Der Organismus ist dabei in ständiger Alarmbereitschaft.
Typische Arousal-Symptome sind:
o Innere Unruhe,
o Erhöhte Schreckhaftigkeit
o Schlafstörungen
o Reizbarkeit und Wutausbrüche
o Überwachheit („Hypervigilanz“). Bei manchen Menschen mit einer deutlichen
Verstärkung der Sinneswahrnehmung
o Psychomotorische Unruhe
Viele dieser Symptome beobachten wir im Gespräch, wir müssen nicht nach ihnen fragen. Sie in der
Zusammenfassung als Symptome des Traumas wertschätzend zu benennen (der gute Grund: es ist
Kampfmodus, schon weiter entfernt vom Trauma, als der Fluchtmodus), schafft Vertrauen und hilft der
Beziehung.

Amnesie oder: fragmentierte Erinnerungen


Eine Amnesie (Erinnerungsstörung) ist eine Teilabwehr, insofern auch ein Schutz für den
betroffenen Menschen, nur dass bei Teilamnesien oft eine Belastung dadurch entsteht, dass die
Fragmente nicht kontextualisiert werden können. Eine Vollamnesie bedeutet auch nicht, dass die
übrigen Symptome (Intrusion, Vermeidung, Arousal) nicht vorhanden wären, nur dass sie von
dem Betroffenen Menschen nicht mit einem Trauma in Verbindung gebracht werden können.
Das traumatische Erlebnis kann nicht als ein zusammenhängendes Geschehen erinnert werden,
die Erinnerungen bestehen z.B. aus
Bildern, Gefühlen, taktilen Eindrücken,
Gerüchen, Geräuschen, die nicht als
zusammenhängende „Geschichte“ erlebt
werden. Es kann auch sein, dass das
traumatische Ereignis überhaupt nicht
erinnerbar ist, was bei den
unterschiedlichen Traumaarten
unterschiedlich häufig vorkommt (Siehe
Abbildung).
Unsere Erinnerungen sind oft nicht
„logisch“. Z.B. kommt es vor, dass wir eine
Telefonnummer nicht mehr erinnern können, der Daumen am Handy sie aber noch weiß. Der
Körper vergisst nie, ein bewusstes Erinnern ist immer eine sekundäre mentale Leistung. Die
Körpererinnerungen nennen wir „implizites Gedächtnis“, während die bewussten Erinnerungen
ein „narratives Gedächtnis“ sind. Teil- und Vollamnesie bezieht sich dabei immer auf das

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 6


narrative Gedächtnis. Bei der Teilamnesie (fragmentiertes Gedächtnis) werden nur einzelne
Elemente des impliziten Gedächtnisses an das bewusste Erleben weitergeleitet und darum
stehen Einzelheiten unverbunden nebeneinander.
Die Amnesie ist dem betroffenen Menschen oft peinlich, aber er betrachtet es auch voller Sorge,
weil alle an Demenz denken. Wir müssen danach fragen, müssen aber auch dann den Zahn
ziehen, dass es nichts mit Demenz zu tun hat, sondern mit dem Prozess, den er angehen will
(denn sonst wäre er nicht gekommen!). Aber das muss nicht im ersten Gespräch stattfinden. Drei
Dinge reichen für ein Gespräch: Intrusion, Vermeidung, Arousal. Diese aufzudecken, sie
verständlich zu machen, zu erläutern, sie als „Helfer“ auf dem Weg, der vor einem liegt, zu
bezeichnen, macht Mut, schafft vertrauen und bildet ein Beziehungsfundament. Oft wird die
Amnesie erst bei einer genaueren biographischen Anamnese (bei mir oft viel später)
angesprochen.

Dies sind die Symptome des PTBS. Von einem PTBS sprechen wir, wenn nach einem halben Jahr die
Symptome der Anpassungsstörung (Depressive Stimmung, Überforderungen durch den Alltag, Störung
des Sozialverhaltens, Stimmungsschwankungen) sich zum akuten Belastungsreaktion
(Außergewöhnliche physische oder psychische Belastung, Generalisierte Angststörung, Sozialer Rückzug,
Aufmerksamkeitsmangel, Desorientiertheit, Ärger oder verbale Aggression, Verzweiflung und
Hoffnungslosigkeit, Hyperaktivität/Unruhe, Außergewöhnliche und unkontrollierbare Trauer) gesteigert
haben und nicht abgeklungen sind, sondern sich verstärkt haben.

Dissoziative Störungen
• Ein weiteres Symptom kann die dissoziative Störung sein.
Der Begriff Dissoziation in der Psychiatrie bezeichnet das teilweise bis vollständige
Auseinanderfallen von normalerweise zusammenhängenden Funktionen der Wahrnehmung,
des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität und der Motorik, also eine Fragmentierung
des Bewusstseins und anderer höherer psychischer Funktionen. Das Problem der
Namensgebung ist, dass Dissoziation auch für gesunde Reaktionen gilt (z.B. abtauchen in ein
Buch, eine Geschichte, Traum...). Das Wort "Dissoziation" wird heute meist verwendet für die
dissoziative Störung). Dissoziative Störungen sind umso häufiger, je schwerer das Trauma
gewesen ist (bzw. erlebt wurde) und je früher im Leben es aufgetreten ist.
Mögliche Symptome sind:
o Gedächtnislücken im Alltag (es fehlen Minuten bis Stunden) und es kann nicht
erinnert werden, was in dieser Zeit gewesen ist,
o Neben sich stehen, den eigenen Körper als fremd erleben (Depersonalisation)
o Das Geschehen um einen herum wird wie durch Nebel oder aus großer Distanz
erlebt, als sei alles nicht wirklich oder zumindest sehr fremd (Derealisation).
o Das Gefühl, als würden sich widerstrebende Gefühle, Wünsche oder Neigungen in
einem streiten, was zu tun sei oder wer man ist, ohne dass man eingreifen kann
(Identitätsunsicherheit)
o Multiple Persönlichkeit (Identitätswechsel).
Äußerungen von Menschen mit dissoziativen Störungen können beispielsweise sein:
o „Ich steige dann aus“
o „Ich stehe neben mir“
o Es ist, als würde ich mir selber zusehen“
o Ich glaube, ich bin gar nicht richtig in mir“

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 7


o In mir ist alles von mir abgetrennt“
o Ich spüre mich gar nicht mehr“
o „Ich bin überhaupt nicht da“ usw.
Mögliche Fragen könnten sein:
o „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Sie sich an einem Ort wiedergefunden
haben und nichtrekonstruieren konnten, wie Sie dort hingekommen sind?“
o „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Sie Dinge in ihrem Besitz gefunden haben
und nicht wissen, wie Sie sie erworben haben?“
o „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Sie wie neben sich gestanden sind und sich
ansahen, als ob Sie ein Fremder Mensch seien?“
o „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Sie damit konfrontiert worden sind,
nahestehende Menschen nicht erkannt zu haben?“
o Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Ihr Körper oder ein Teil desselben nicht zu
Ihnen gehört?“
o „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Sie in vergleichbaren Situationen so
unterschiedlich gehandelt haben, als wären es zwei verschiedene Personen
gewesen?“
o „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Sie Stimmen in ihrem Kopf gehört haben,
die Sie zu einem bestimmten Handeln angewiesen haben oder Ihr Handeln
kommentieren?“

Bei allen Symptomen ist es wichtig zu erfragen, ob sie erst nach dem Trauma aufgetreten sind.
Besonders bei den Komorbiditäten (Angststörung, depressive Störung, somatoforme Störungen oder
Suchtverhalten) kann dies oft der Fall sein. Dann sind sie nicht Folge des Traumas, sondern haben das
traumatische Erlebnis verstärkt. Das selbe trifft Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten zu. Auch
die „Störungen der Affekt- und Selbstregulation“ (Unfähigkeit mit belastenden Affekten umzugehen,
fehlende Kontrolle von Ärger und Wut, Konfliktunfähigkeit und Beziehungsunfähigkeit) können
vorbestehende Charaktereigenschaften sein, die sich nur im Rahmen des Stresses verstärkt haben und
den Umgang mit dem Trauma erschwert haben.

Für das komplexe PTBS empfehle ich, sich den Fragebogen zu verinnerlichen und behutsam, verteilt auf
mehrere Sitzungen nach den einzelnen Symptomen zu fragen.

Nach dem Erstgespräch gebe ich gerne eine Hausaufgabe: die „Temperaturkurve“: „bei was wird es
Ihnen warm?“. Denn erfahrungsgemäß sind es oft nicht die Ressourcen, die wir kennen, von denen wir
wissen, die unser Kopf „wichtig“ findet, die weiterhelfen, sondern es sind die identitätsstiftenden
Erlebnisse und Tätigkeiten. Und Identität mit einem Erlebnis oder einer Tätigkeit erfährt der Kopf in der
Regel als letzter, wehrt sie sogar ab. Identität erfahren wir durch ein tief empfundenes, meist leises und
untergründiges Wärmegefühl in unserem Leib. Dann nämlich, wenn wir für etwas rote Ohren
bekommen, wenn uns etwas „be-geistert“, wenn die Seele von unserem Geist geküsst wird.
Komischerweise erfährt das der Geist nicht so schnell, die Seele schneller, aber am schnellster der Leib,
auf den wir diesbezüglich am wenigsten achten. Und dort ist es unser Herz, das es spürt, ganz konkret in
unserer Brust. Und die Erkenntnis, dass der Kopf ein miserabler Chef, wohl aber ein guter Ratgeber ist,
stelle ich ihn in die zweite Reihe. Mir sollen die Betroffenen erzählen, was sie lieben: Ihr
Lieblingsmärchen, ihr Lieblingsbuch, ihr Lieblingsbild, ihr Lieblingsgedicht, ihre Lieblingsmusik, ihre
Lieblingstätigkeit, ihre besten Momente am Tag (eben nicht, weil, man wichtig war, sondern, weil einem
dabei warm wurde). Das sind Ressourcen, die in die Zukunft führen, die, mit denen sich zu verbinden

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 8


lohnt. Die fallen in einem Gespräch nicht ein. Die kommen frühestens im Verlauf einer Woche. Und
darüber erfährt man mehr über den Menschen, als über seine tollen Erfolge, seine Urlaube, sein Konto
und sein Auto oder sogar seine Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe im Bücherschrank.

Im Anhang finden sich drei Fragebögen:

1. Kinderfragebogen
2. IES-R- Fragebogen (Erwachsene
3. Fragebogen zum komplexen PTBS

Um aus der Diagnose eine traumapädagogische Handlungsoption abzuleiten, gehört aber mehr. Das wird
an einem anderen Beispiel deutlich: Zwei Menschen haben den selben Infekt mit dem selben Virus. Der
eine kommt mittags gesund nachhause, aber liegt am selben Abend mit hohem Fieber im Bett, fiebert
wenige Tage und ist nach dem Infekt eher gestärkt, als geschwächt. Der andere Mensch mit dem selben
Infekt fühlt langsam, wie sich etwas anbahnt und fragt sich einige Tage, ob er möglicherweise krank wird,
dann fragt er sich ein bis zwei Wochen, ob er wirklich krank sei, denn das Fieber ist nur leicht erhöht, die
Nase läuft nicht richtig, beim Husten kommt kaum etwas heraus – und wenn es abklingt, braucht er zwei
bis drei Wochen, bis er sich nicht mehr fragen muss, ob er wieder gesund ist, denn er bleibt erschöpft.
Die Diagnose ist in beiden Fällen die selbe, aber das Krankheitsbild ist jeweils ein völlig anderes und
fordert jeweils eine andere Hilfe. So ist es bei Traumatisierten auch. Da gleicht kein Verlauf dem
Anderen, die Diagnose PTBS reicht nicht, wenn man sachgemäß traumapädagogisch handeln will. Die
Diagnose ist der Blick von außen, das Krankheitsbild ist mehr der Blick von Innen. Die Diagnose zu stellen
ist eine mehr wissenschaftliche Arbeit, das Krankheitsbild zu erfassen, ist mehr der „Blick von Innen“. Es
erfordert Empathie!

Die Empathie
Das Wort „Empathie“ kommt aus dem Griechischen. „path“ ist der Wortstamm, das sowohl Leiden oder
Fühlen bedeuten kann. Empátheia würde „intensive Gefühlsregung“ oder „Leidenschaft“ bedeuten und
im Neugriechischen hat es sich gewandelt in „Feindseligkeit“ oder „Gehässigkeit“. Dass wir dieses Wort
für „Mitgefühl“ verwenden, ist aus dem griechischen Wortgebrauch nicht ableitbar. Das beträfe mehr
das Wort „Sympathie“ (sym = mit; path = leiden/fühlen). Aber Sympathie bedeutet bei uns eher eine
positive emotionale Verbindung zu Jemanden oder zu einer Sache oder Idee.

„Empathie“ in dem Sinne von „Mitgefühl“ ist erst seit 1848 gebräuchlich, als Rudolf Hermann Lotze es
geprägt hat.

Nach Lawrence Shaw,[11] Elizabeth Segal[12] sowie Tharrenos Braitsis[13] und Co-Autoren werden drei
Formen unterschieden: 1.) Emotionale Empathie, 2. )kognitive Empathie und 3.) die soziale Empathie.

Die emotionale oder biologische Empathie


Diese Form des Mitgefühls ist tief mit unserer allgemeinen, also nicht individuellen Konstitution
verbunden, nur das Ausmaß ist unterschiedlich. Es ist eine Form der Empathie, die wir bereits im
Tierreich finden. Ein Tier einer Herde bekommt einen Schrecken und alle aus dem Rudel springen auf. Es
ist eine Art von „Ansteckung“, das zu fühlen, was der Andere auch fühlt. Ähnlich geht es uns, wenn wir
im Film eine Szene sehen, in der einem Menschen Schmerzen zugefügt wird, dann müssen wir oft
wegsehen, weil wir dann einen ähnlichen Schmerz erleben. Dieses im wahren Wortsinn „mitfühlen“
erleben wir stark Gruppen: Stimmungen „stecken an“. Die Begleitung eines depressiven

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 9


Familienmitgliedes macht den Rest der Familie oft auch depressiver, aber auch das Auftreten eines
frohgemuten Menschen in einer Gruppe hebt meist die Stimmung des Restes der Gruppe. Das finden wir
oft auch schon in Neugeborenzimmern, wenn ein Kind weint, dass die anderen ebenfalls zu weinen
beginnen. Auch wenn Jemand sich ständig wegen seines Juckreizes kratzen muss, merken wir oft erst,
wo es uns überall juckt!

Diese Form der Empathie, die meist ganz von alleine auftaucht, ist ungeeignet in der Traumapädagogik,
denn sie birgt die Gefahr der sekundären Traumatisierung. In Kriegs- und Katastrophenregionen sieht
man viel Leid. Wenn wir alles das „mitfühlen“, werden wir selber zum sekundären Opfer der Opfer,
deren Leid wir verspüren. Man kann diese biologische Empathie nicht einfach abschalten. Man kann nur
andere Formen der Empathie ausbilden, um diese erste Form leiser werden zu lassen.

Da wir es auch bei Tieren beobachten und es eine Grundausstattung unserer Konstitution ist, finde ich
den Begriff der biologischen Empathie als angemessener, die in der Literatur gebräuchliche Bezeichnung
aber ist „emotionale Empathie“ oder „emotional empathy“, Namen, die mir für zweite Form der
Empathie angemessener erscheint:

Die kognitive Empathie, empathic concern oder emotionale Empathie


Dies ist die Form von Empathie, die wir im Alltagssprachgebrauch als „Empathie“ verstehen. Es ist im
Gegensatz zu der vorbeschriebenen Form nicht eine synchrone Form des Empfindens, sondern eher eine
komplementäre Empfindung: wenn es einem Menschen schlecht geht, wollen wir ihm helfen, wir wollen
etwas gegen sein Leid unternehmen. Wir beobachten es, wenn Jemand im freundlichen Ton einen
anderen, der weint, trösten will, oder wenn man einem Menschen, der gestürzt ist, wieder aufhelfen
will. Wenn das Erste ein echtes „Mit-Gefühl“ ist, ist dies ein „Gegen-Gefühl“, aber als Empathie nur dann,
wenn es um die Linderung von Not geht, natürlich nicht, wenn wir Jemanden, dem es gut geht, schaden
wollen. Viele pädagogische Grundmethoden sind solche komplementären Handlungen: je unruhiger ein
Kind ist, umso ruhiger müssen wir mit ihm sprechen, um nicht die Unruhe zu verstärken, je verzweifelter
das Gegenüber ist, müssen wir ihm gegenüber Zuversicht ausstrahlen usw. Gleichsinnig zu reagieren,
also beispielsweise auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren, eskaliert nur und befriedet nicht die
Situation. Mahatma Gandhi mit seinem gewaltlosen Widerstand ist hier eines der größten Beispiele.
Trost, Jemanden in den Arm nehmen, der einen Verlust beweint, dem Bettler Geld geben, sind solche
Handlungen, die wir auch bei höheren Säugetieren, wie Affen, Elefanten oder Delphinen beobachten
können. Diese Fähigkeit soll bei Arten beobachtbar sein, die sich im Spiegel wiedererkennen, eine erste
Form von Werkzeuggebrauch beherrschen und gerne in Gruppen leben.

Auch diese Form der Empathie ist in der Traumapädagogik nur bedingt hilfreich. Natürlich bleibt es
sinnvoll, Jemanden, der Durst leidet, etwas zu Trinken zu geben, Jemanden, der ertrinkt aus dem Wasser
zu befreien. Aber die Geschichte der Entwicklungshilfe zeigt, dass Wasserlieferungen in wasserarme
Gebiete die Not nur vordergründig lindert, anders, als einen Brunnen zu bauen oder besser: der
Bevölkerung beizubringen, wie man Brunnen selber bauen kann. Bis das erreicht ist, soll man natürlich
Wasser bereithalten. Baut man aber keine Brunnen, macht man hilfsbedürftige Menschen nur abhängig
und waren sie zuvor bereits Opfer der Dürre, werden sie nun zu Opfern unserer humanitären Hilfe.
Gerade bei traumatisierten Menschen ist das fatal, wenn wir sie durch unsere Hilfe zu Opfern machen
und damit traumaverstärkend wirken!

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 10


Diese komplementäre Empfindung, die dieser Form der Empathie zugrunde liegt, halte ich für eine Form,
die unserem Gefühlsleben entspricht, das immer in Gegensätzen arbeitet: entweder Schwarz oder Weiss,
entweder sympathisch oder antipathisch, Aggression oder Libido usw. Diese Diversität liegt dem
Zugrunde, was wir Empfindungsorganisation nennen, die immer in Gegensätze geht, anders als die
Lebensorganisation, die alles ganz und harmonisch machen will und nicht in Gegensätzen empfinden
lässt. Diese Form eine „kognitive Empathie“ zu nennen, scheint mir daher etwas an der Sache vorbei.
Kognition lässt mehr an ein geistiges Vermögen denken, was mir mehr für die dritte Form der Empathie
zu passen schein:

Soziale Empathie, empathic perspective taking oder die Fähigkeit zur Theory of
Mind
Damit ist die Fähigkeit beschrieben, gewissermaßen in die Haut des Anderen zu schlüpfen und sich zu
fragen: „was würde mir jetzt guttun, wenn es mir so ginge, wie ihm?“ Nur dann würden wir merken, dass
es z.B. einem Hilfsbedürftigen unangenehm ist, von Anderen abhängig zu sein, dass es gut tun würde,
selber zur Linderung der Not beitragen zu können, dass der Stolz guttun kann, den Jemand empfindet,
wenn er sich selber hat helfen können und dass wir innerlich immer kleiner werden würden, wenn wir
weiter auf Hilfe angewiesen sein müssten. Es ist ein feines Gespür für die Grenzen, die darüber
entscheiden, ab wann ich übergriffig werde oder ab wann mein Abstand zu groß geworden ist. Natürlich
arbeitet diese Form der Empathie mit den vorherigen zusammen. Ohne so fühlen zu können, wie der
Andere („biologische Empathie“) kann ich mich in den Anderen nicht hineinfühlen, aber ich bleibe dabei
„bei mir“, so sehr ich mich auch dem Anderen zuwende, ich verschmelze nicht mit dem Anderen, ich
setze mich nicht neben den Weinenden, um mitzuweinen, aber kann den Schmerz mitfühlen, ohne dass
er mich lähmt. Auch die emotionale Empathie, die komplementär handeln will, nehme ich in mir war,
aber kann abwägen, ob es angemessen, zielführend und notwendig ist oder Abhängigkeit schafft. Diese
Form der Empathie ist reflektiv und sie steht nur Menschen zur Verfügung. U diese Form der Empathie
geht es in der Traumapädagogik.

Es gibt ein paar Methoden, die einem dabei helfen können.

Beschreibung des Klienten


Zunächst müssen wir den anderen Menschen wahrnehmen lernen. Es geht dabei um ein genaues
Beobachten:

1. Die äußere Erscheinung: Ist er groß oder klein, dick oder dünn, wie sind die Proportionen, auch
die Proportionen des Gesichtes (das Gesicht hat drei Abschnitte: Stirn, Nase, Mund/Kinn;
welcher Teil ist größer, als die anderen, welche ist kleiner?), wie sind die Haare: fett, strohig,
lockig, gerade usw., welche Augenfarbe hat er, liegen die Augen tief, treten sie hervor, sind sie
vom Lid halb bedeckt oder offen ist der Blick unruhig, starr oder geschmeidig?
2. Die Bewegung: Ist sie sicher oder unsicher, grob, vorsichtig, sicher, unsicher, schnell, langsam,
brüchig, schlürfend, zielgerichtet, kraftvoll oder zögerlich, müde oder sprunghaft? Ist der
betreffende Mensch mehr ein Feinmotoriker oder ein Grobmotoriker, hat er einen starken
Bewegungsdrang oder ist er bewegungsfaul? Wie ist dabei seine Körperhaltung: mit gesenktem
Kopf, vorgezogenen Schultern, gebeugt, gerade, aufrecht mit gewölbter Brust, bewegen sich die
Arme im Kreuzmuster beim Laufen, oder muss er die Hände immer in den Taschen vergraben,
zappelt an ihm alles oder ist alles stoisch-ruhig?
3. Wie ist das Sozialverhalten? Hier bieten sich die „big five“ aus der Motivationspsychologie an:

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 11


a. Ist der Andere lebhaft, gesellig, optimistisch und überzeugend oder gehemmt, ohne
Ausstrahlung, pessimistisch und verschlossen? (Extra- oder introvertiert)?
b. Ist die andere Person freundlich und hält sie sich an soziale Normen oder eher
unfreundlich und wehrt er Regeln ab (Verträglichkeit)?
c. Ist er verlässlich, ordentlich und fleißig oder unzuverlässig, chaotisch und faul?
(Gewissenhaftigkeit)?
d. Ist die andere Person ausgeglichen, robust und stressresistent oder unausgeglichen, labil
und verletzlich (emotionale Stabilität/Neurotizismus)?
e. Ist die andere Person flexibel, phantasievoll und mental wach, innovativ oder unflexibel,
phantasielos und mental verträumt, konservativ (Offenheit für neue Erfahrung,
Kreativität)?

Ferner kann man zusammentragen, ob Jemand gute Freunde, viele Freunde und Bekannte hat,
wie die Familiäre Situation ist (getrennte Eltern, Einzelkind, Sandwichkind, Ältester oder Jüngster
in der Geschwisterreihe, ob er Anführer oder Mitläufer in der Peergroup ist oder lieber alleine
für sich ist und Mühe hat, sich andere Menschen zu adaptieren.

Das Elternhaus kann eine Rolle spielen, wobei es hier besonders schwer sein wird, sich eines
Urteils zu erwehren, besonders wenn es um Beziehungsstörungen geht (unsichere ambivalente,
unsicher vermeidende oder desorganisierte Beziehung, ob es sich um Helikoptereltern handelt
oder die Familie intakt, wertschätzend, vertrauensfähig und stabil ist usw.

Hierher gehören auch die Grundmelodien der Seele:

• Angst,
• Unruhe,
• Traurigkeit und
• Aggression.

Diese Wahrnehmung, die möglichst aufgeschrieben wird, soll völlig urteilslos sein, sondern soll wie eine
Bildbeschreibung im Kunstunterricht, einfach nur beschreibend sein, aber so detailreich, als möglich.

Man kann natürlich diese Wahrnehmungen beliebig ergänzen. Die Vorgeschichte kann einbezogen
werden, das Dominanzprofil, die Frage (in der Schule), welche Fächer ihm leicht von der Hand gehen und
welche schwerer, zu welchen Mitschülern sucht es Kontakt, zu welchen meidet es Kontakt usw.

Erst dann kann in einem zweiten Schritt die Frage entstehen, wie sich ein solcher Mensch fühlen mag:

• Wie muss es sich anfühlen, wenn man so läuft, wenn man so eine Haltung hat, wenn man so
spricht, wenn man dies oder jenes erlebt hat?
• Welche Not mag dahinter stehen?
• Kann ich das in Begriffe bringen?
• Kann ich verstehen, warum dieser Mensch dieses Verhalten zeigt?

Dazu kann es hilfreich sein, sich so zu bewegen, wie dieser Mensch, ähnliche Gefühle aufzubauen, sich in
einen solchen Körper hineinzufühlen, so gut es geht.

Erst dann kann in einem dritten Schritt die Frage entstehen, was der Andere benötigt, z.B. ein Kind:

Was braucht dieses Kind?

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 12


• Welche Aufmerksamkeit braucht es?
• Wie nah darf ich ihm kommen, wieviel Nähe benötigt es?
• Welche Ansprache braucht es?
• Welche Spiele tun ihm gut?
• Was triggert ihn und wie können wir diese Reize vermindern?
• Was tut ihm gut, wie können wir das verstärken?

Hierzu kann man die Fragen kanalisieren, indem man sich die Frage nach den vier Grundinteraktionen,
die zwischen Menschen existieren (Fallner):

• Stützen: Wo ist Unterstützung nötig, wo muss ich dem Anderen etwas abnehmen, wo ihm Halt
geben? Und welche stützenden Methoden habe ich? Braucht der Andere körperliche Stütze,
seelische, mentale oder ein soziales Coaching?
• Schützen: Von was fühlt er sich attackiert, vor was muss ich ihn bewahren, was sind seine
Trigger, was stresst ihn? In welche Fallen stolpert er immer herein, wie steht es um seine
Aufmerksamkeit, von wann ab wird ihm alles zu viel? Ist er mehr körperlich, seelisch, mental
oder sozial irritierbar und bedarf er einen Schonraum, um zu sich zu kommen?
• Konfrontieren/Intervenieren: Wo wird der Andere übergriffig, stört er die Anderen oder sich?
Benötigt er Grenzen oder schafft die Gemeinschaft, mit seinen Eskapaden selber umzugehen?
Wann muss ich eingreifen, um ihn vor Eskalation, Scham, Blamage oder vor Konflikten zu
bewahren?
• Fordern/Fördern: Was mag sein Wunsch, sein Ziel sein? Was könnte ihn interessieren, was sind
seine Potentiale, denen ich zur Ausbildung verhelfen kann? Hier geht es weniger darum, mir
etwas für ihn auszudenken, sondern mit ihm auf die Suche zu gehen, ihn so zu beobachten, dass
mir auffällt, was sein Interesse weckt oder wecken könnte, für was er sich erwärmt, was ihm
Freude und Ausgeglichenheit bringt; sind es mehr Dinge, die er wahrnimmt (Lesen, Tiere
beobachten) oder Dinge, die er tut (Sport, Basteln, Musizieren usw.). Daraus lassen sich dann
Angebote machen, die er ablehnen oder denen er zustimmen kann.

So kann man auch im Team vorgehen. Tradiert ist eine solche Methode als Kinderbesprechung in
Waldorfschulen und -Sonderschulen und sozialtherapeutischen Einrichtungen. Im Team entsteht eine
zusätzliche Situation: Z.B. in einer Schule nimmt der Klassenlehrer, der in der Regel die stabilste
Beziehung zu dem Kind hat, das Kind anders wahr, als der Fachlehrer eines Faches, das dem Kind schwer
fällt, im Sport verhält sich das Kind in der Regel anders, als im Mathematikunterricht oder noch anders,
als in der Pause oder im Hort. D.h., dass Jeder ein anderes Spektrum des Kindes erlebt und damit ein
einseitiges Bild von dem Kind hat. Der enge Blickwinkel auf das Kind wird „erlöst“ von den Möglichkeiten
der jeweils anderen Kollegen! Zuhause wird das Kind sich nochmal anders verhalten, wenn möglich kann
man die Eltern einbeziehen.

Die Besonderheit bei Kindern - das Entwicklungstrauma


Bei Kindern sind die Symptome mitunter nicht so leicht wahrzunehmen, wie bei Erwachsenen.
Strukturierte Verläufe und klare Symptome setzen ein bereits ausgereiftes und strukturiertes System des
Organismus voraus. Davon können wir, je jünger ein Kind ist, nicht ausgehen. Je jünger ein Kind ist, desto
weniger spielen sich die Erlebnisse als Bewusste Wahrnehmung ab, oft liegen sie vor der Zeit, an die man
sich erinnern kann, nicht selten werden Traumata bereits in der Schwangerschaft erfahren, wenn das
ungeborene Kind noch kleine Erlebnisse seelisch verarbeiten kann.

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 13


Viele Systeme im kindlichen Organismus sind noch in der Ausreifung begriffen. Traumatische Erlebnisse
können die weitere Ausreifung blockieren, stören oder verzögern. Das betrifft insbesondere die
Hirnreifung, die Reifung der Lunge und des Immunsystems.

Statistisch können wir es nicht belegen, aber die Erfahrung korreliert teilweise mit den Angaben Rudolf
Steiners, der davon ausging, dass Traumata in der Schwangerschaft oft mit Erkrankungen der
Atmungsorgane (er spricht von Asthma), Traumata in den ersten sieben Jahren oft zu Erkrankungen der
Verdauungsorgane (chronisch entzündliche Darmerkrankungen) und Traumata in der Zeit zwischen
Schulreife und Pubertät die Grundlage für einen rheumatischen Prozess darstellen. Das sind alles
Erkrankungen, die, wenn sie manifest leiblich auftreten, dies oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten tun,
oft geht es aber um funktionelle Störungen.
Atmung: Ein- und Ausatmung ist nicht nur im engen Sinne das Ein- und Ausatmen von Luft über die
Atemwege, um Sauerstoff aufzunehmen; wir atmen auch seelisch ein und aus. Bei Asthma ist die
Ausatmung gestört; seelisch heißt das z.B., dass es sich um Kinder handelt, die viel aufnehmen, aber nicht
in die Entspannung kommen – so könnte man das Stresssyndrom begreifen.

Verdauung: Mit der Verdauung verarbeiten wir die aufgenommenen Dinge, auch die Erlebnisse müssen
wir „erst einmal verdauen“.

Rheuma: Das Wahrgenommene, das verarbeitet wird, ist Grundlage dafür, wie wir uns ins Leben stellen
und in der Welt handeln. Beim Rheuma ist das Tätigwerden durch die Bewegungseinschränkung
behindert.

Die Aufnahme und Wahrnehmung („Atmung“) der Welt ist bei einem „asthmatischen Prozess“
eingeschränkt, die Verdauung und Verarbeitung des Aufgenommenen oder Wahrgenommenen ist
erschwert (Verdauungsstörung, chronisch entzündliche Darmerkrankungen) und es kommt nicht zum
Handeln („rheumatischer Prozess“).

Die leiblichen Ausprägungen als Asthma, als chronisch entzündliche Darmerkrankung oder als Rheuma
bedeutet einen Hinweis auf den Kreis der psychosomatischen Erkrankungen. Unter psychosomtischen
Erkrankungen verstehen wir in der Regel die „holy seven“. Darunter werden üblicherweise sieben
Erkrankungen verstanden, die als Psychosomatosen gelten. Das sind:
1. Ulcus ventriculi (Magengeschwür) und Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür)
2. Asthma bronchiale (Bronchialasthma)
3. Rheumatoide Arthritis (Chronische Polyarthritis)
4. Neurodermitis (Hauterkrankung)
5. Essentielle Hypertonie (Bluthochdruck)
6. Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
7. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen)
Asthma, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Rheuma gehören dazu. In der Regel handelt es
sich um Erkrankungen, deren leibliche Geste zunächst seelisch vorgegeben sind und es sind meist
Erkrankungen, die mit einer immunologischen Fehlsteuerung einher gehen. Und das Immunsystem, das
bei einem Kind noch in Ausreifung begriffen ist, kann im Rahmen der Erstarrung, die das
Hauptphänomen eines Traumas ist, an der Ausreifung gehindert werden. Die Lungenreifung in den
letzten Etappen der Schwangerschaft und die Reifung einer rhythmischen Atmung, die erst nach der
Geburt erfolgt, können ebenso durch ein Trauma gestört werden und so die eine Voraussetzung für
Asthma werden. Der Erwerb der Bewegungsfähigkeit, die Ausreifung der Gliedmaßen und die
Bewegungskoordination können ebenso leiden und für einen rheumatischen Prozess den Weg ebnen.

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 14


Was weder durch Steiners Hinweise abgedeckt ist und was auch nicht zu den Psychosomatosen zählt, ist
die Einschränkung der Hirnreifung. Besonders bei chronischem Stress der Mutter in der Schwangerschaft
und durch Traumata der Mutter in der Zeit, bewirken die Stresshormone, die die über die Nabelschnur
das kindliche Blut überschwemmen wirken als Blockade der
Hirnreifung. Das nebenstehende Bild zeigt links ein
Computertomogrammbild eines gesunden Neugeborenen und
rechts das Bild eines Kindes mit einem schweren vorgeburtlichen
Trauma. Die grauen Flächen zeigen die Hirnsubstanz, die
schwarzen Flächen zeigen die flüssigkeitsgefüllten Hohlräume
(Ventrikel) bzw. die äußeren Falten des Gehirns (Einzahl: Sulcus,
Abbildung 1: https://www.omicsonline.org/mexico/reactive-attachment- Mehrzahl: Sulci), die Fjordartig in das Gehirn von außen
disorder-peer-reviewed-pdf-ppt-articles/
eindringen und auch flüssigkeitsgefüllt sind (die Flüssigkeit ist der
Liquor cerebrospinalis, die Hirnflüssigkeit). In dem rechten Bild sehen wir eine Verminderung der
Hirnsubstanz von ca. 10-15%. Dass damit das Erleben der Welt, die Verarbeitung der Erlebnisse und das
angemessene Reagieren/Handeln erschwert ist, versteht sich von selbst.

Später, wenn Erlebnisse bewusster erfasst und erinnerbarer sind, treten die Symptome mehr im
Seelischen auf, je kleiner das Kind war zum Zeitpunkt des Traumas, desto körperlicher werden die
Symptome sein, z.T. uncharakteristisch (häufige Infekte, Kopf- und Bauchweh, Bettnässen,
Nahrungsunverträglichkeiten, Wachstumsstörungen), im Schulalter treten Einschränkungen der
Lernfähigkeit, der Aufmerksamkeit, der Konzentration, der Frustrationstoleranz, der und der
emotionalen Stabilität in den Vordergrund. Vieles wird dann als ADHS interpretiert, als Lese-
Rechtschreib-Störung, Dyskalkulie oder Schulunlust interpretiert. Die Symptome des PTBS (Arousal,
Intrusion, Vermeidung und Amnesie) können verwaschener und versteckter sein. Z.B. kann auch eine
Nahrungsunverträglichkeit eine „Vermeidung“ auf körperlicher Ebene sein, viele der seelischen
Probleme können als Arousal, Schlafstörungen mit Albträumen als Intrusion und manche der
Lernstörungen als amnestisches Syndrom verstanden werden. Diese Unschärfe des Bildes und die
Ablenkung vom traumatischen Prozess durch andere Namen (ADHS, LRS, Dyskalkulie,
Nahrungsmittelunverträglichkeit, Schulunlust usw.) machen das Erkennen eines Prozesses mitunter
schwer.

Dabei sind die kindlichen Traumata insofern in mancher Hinsicht gravierender, da wir viele körperlichen
Erkrankungen im späteren Alter damit in Verbindung sehen können: bis zu 200% mehr Herzinfarkte,
170% mehr Depressionen, 140% mehr Übergewicht und Diabetes Typ 2, häufigere Tumore und
Autoimmunerkrankungen z.T. 5-6 Jahrzehnte später. Die Anforderung diesen sich verleiblichenden
Prozess aufzuhalten, sind selbsterklärend.

Trotz der Schwierigkeit einer klaren Diagnose, ergibt sich ein Bild: Asthma bedeutet, die Luft nicht mehr
unbefangen ein- und auszuatmen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen bedeuten, dass man die
Nahrung nicht mehr unbefangen zu sich nehmen kann, ein Rheuma heißt, dass man nicht mehr sich so in
der Welt bewegen kann, wie man es möchte, die seelischen Symptome bedeuten, dass der Zugriff auf
die Welt der Wahrnehmungen, der Informationen und der sozialen Kontakte verschleiert ist. Hinter
allem steht, dass sich zwischen den Menschen und der Welt ein unsichtbarer Vorhang gelegt hat, eine
Grenze zwischen Welt und Ich gezogen ist und eine Entfremdung entsteht. Das Kohärenzgefühl, wie
Aaron Antonovsky das Grundgefühl eines gesunden Menschen nennt (es bedeutet in etwa: „die Welt
und ich, wir sind ein gutes Team“) ist gestört! Die Grundmotivation des Menschen, der Lebens- und
Erlebnishunger, der Tatendrang, in der Welt etwas zu bewirken, ein Leben mit größtmöglicher

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 15


Identitätsstiftung zu führen, ist vermindert, das Feuer der Motivation ist auf kleine Flamme gestellt oder
gar erloschen. Kinder haben eine viel größere Motivation, mit der sie ins Leben treten. Mit Motivation ist
hier nicht die Vorstellung gemeint, was mir mal machen könnten. Ein Kind im Mutterleib löst die Geburt
aus, es „will“ auf die Welt, auch wenn es schon hundertmal hingefallen ist, will es laufen lernen, es will
sich entwickeln, es hat einen natürlichen Entdeckungsdrang und Lebens- und Nachahmungswillen, der
durch ein Trauma eine Lähmung erfährt.

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 16


Anhang: Fragebögen
The Posttraumatic Cognitions Inventory (PTCI)
Wie ich seit dem schrecklichen Ereignis denke und fühle
Wir möchten gerne wissen, welche Gedanken und Gefühle Du seit dem schrecklichen Ereignis
hast. Unten findest Du eine Liste mit Aussagen. Bitte lies jede Aussage sorgfältig durch und sage
uns, wie sehr Du mit jeder der Aussagen ÜBEREINSTIMMST oder NICHT ÜBEREINSTIMMST,
indem du ein Kästchen ankreuzt. Menschen reagieren ganz verschieden auf erschreckende
Ereignisse. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten bei diesen Aussagen.
Stimmt Stimmt Stimmt Stimmt
überhaupt eher nicht etwas genau
nicht
1. Jeder könnte mich verletzen. □1 □2 □3 □4
2. Jeder lässt mich im Stich. □1 □2 □3 □4
3. Ich bin ein Feigling. □1 □2 □3 □4
4. Seit dem Ereignis habe ich mich zum Schlechteren verändert. □1 □2 □3 □4
5. Ich vertraue niemandem mehr. □1 □2 □3 □4
6. Seit dem Ereignis stimmt mit mir ernsthaft etwas nicht. □1 □2 □3 □4
7. Ich bin zu nichts gut. □1 □2 □3 □4
8. Wenn ich mit meinen Ängsten nicht fertig werde, bin ich ein
Versager.
□1 □2 □3 □4
9. Kleinigkeiten bringen mich aus der Fassung. □1 □2 □3 □4
10. Ich komme mit Schwierigkeiten nicht zurecht. □1 □2 □3 □4
11. Ich kann nicht verhindern, dass mir schlechte Dinge passieren. □1 □2 □3 □4
12. Ich muss mich die ganze Zeit vor Gefahren in Acht nehmen. □1 □2 □3 □4
13. Ich werde nie über das Ereignis hinweg kommen. □1 □2 □3 □4
14. Ich bin jetzt immer traurig, obwohl ich früher ein fröhlicher
Mensch war.
□1 □2 □3 □4
15. Immer passieren schlimme Dinge. □1 □2 □3 □4
16. Ich werde niemals wieder normale Gefühle haben können. □1 □2 □3 □4
17. Ich habe Angst davor so ärgerlich zu werden, dass ich etwas
kaputt mache oder jemanden verletze. □1 □2 □3 □4
18. Das Leben ist nicht gerecht. □1 □2 □3 □4
19. Mein Leben ist durch das Ereignis zerstört worden. □1 □2 □3 □4
20. Ich fühle mich seit dem Ereignis wie ein anderer Mensch. □1 □2 □3 □4
21. Seit dem Ereignis habe ich das Gefühl verrückt zu werden. □1 □2 □3 □4
22. Mir kann nichts Gutes mehr passieren. □1 □2 □3 □4
23. Ich muss meine Gedanken an das Ereignis kontrollieren, sonst
wird etwas Schreckliches passieren.
□1 □2 □3 □4
24. Das Ereignis hat mich für immer verändert. □1 □2 □3 □4
25. Ich muss ganz vorsichtig sein, weil etwas Schlimmes passieren
könnte.
□1 □2 □3 □4
(© CPTCI Meiser-Stedman et al., 2009; dt. Version Traumaambulanz Ulm, 2011)

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 17


Auswertung des CPTCI

- Summe bilden: 1 (Stimmt überhaupt nicht), 2 (Stimmt eher nicht), 3 (Stimmt etwas), 4 (Stimmt genau)

- Klinisch relevanter Cut-Off bezüglich PTBS: 46-48 Punkte (Gesamtskala)

Referenzen
de Haan, A., Petermann, F., Meiser-Stedman, R., & Goldbeck, L. (2016). Psychometric Properties of the
German Version of the Child Post-Traumatic Cognitions Inventory (CPTCI-GER). Child Psychiatry &
Human Development, 47, 151–158. doi: 10.1007/s10578-015-0552-0

McKinnon, A., Smith, P., Bryant, R., Salmon, K., Yule, W., Dalgleish, T., Dixon, C., Nixon, R. D. V., & Meiser-
Stedman, R. (2016). An Update on the Clinical Utility of the Children's Post-Traumatic Cognitions
Inventory. Journal of Traumatic Stress, 29(3), 253-258. doi: 10.1002/jts.22096

Meiser-Stedman, R., Smith, P., Bryant, R., Salmon, K., Yule, W., Dalgleish, T., & Nixon, R. D. V. (2009).
Development and Validation of the Child Post-Traumatic Cognitions Inventory (CPTCI). Journal of
Child Psychology and Psychiatry, 50(4), 432-440. doi: 10.1111/j.1469-7610.2008.01995.x

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 18


Der IES-R-Fragebogen (Impact of Event Skala - revidiert) für Erwachsene nach
Maercker und Schützwohl (1998)
Denken Sie bitte an den Vorfall: _____________________ (bitte eintragen).
Geben Sie im Folgenden an, wie Sie in der vergangenen Woche zu diesem Ereignis gestanden haben,
indem Sie für jede der folgenden Reaktionen, wie häufig diese bei Ihnen aufgetreten ist.
Überhaupt selten manch- oft
nicht mal
1. Immer, wenn ich an das Ereignis erinnert wurde, kehrten die □ □ □ □
Gefühle wieder.
2. Ich hatte Schwierigkeiten nachts durchzuschlafen □ □ □ □
3. Andere Dinge erinnerten mich immer wieder daran □ □ □ □
4. Ich fühle mich reizbar und ärgerlich □ □ □ □
5. Ich versuchte, mich nicht aufzuregen, wenn ich daran dachte □ □ □ □
oder daran erinnert wurde
6. Auch ohne es zu beabsichtigen, musste ich daran denken □ □ □ □
7. Es kam mir so vor, als ob es gar nicht geschehen wäre oder □ □ □ □
irgendwie unwirklich war
8. Ich versuchte Erinnerungen daran aus dem Weg zu gehen. □ □ □ □
9. Bilder, die mit dem Ereignis zu tun haben, kamen mir □ □ □ □
plötzlich in den Sinn.
10. Ich war leicht reizbar und schreckhaft □ □ □ □
11. Ich versuchte, nicht daran zu denken. □ □ □ □
12. Ich merkte zwar, dass meine Gefühle durch das Ereignis noch □ □ □ □
sehr aufgewühlt waren, aber ich beschäftigte mich nicht mit
ihnen.
13. Die Gefühle, die das Ereignis in mir auslöste, waren ein □ □ □ □
bißchen abgestumpft.
14. Ich stellte fest, dass ich handelte oder fühlte, als ob ich in die □ □ □ □
Zeit (des Ereignisses) zurückversetzt sei.
15. Ich konnte nicht einschlafen □ □ □ □
16. Es kam vor, dass die Gefühle, die mit dem Ereignis □ □ □ □
zusammenhingen, plötzlich für kurze Zeit viel heftiger
wurden.
17. Ich versuchte das Ereignis aus meiner Erinnerung zu streichen □ □ □ □
18. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, □ □ □ □
19. Die Erinnerungen daran lösten bei mir körperliche □ □ □ □
Reaktionen aus wie Schwitzen, Atemnot, Schwindel oder
Herzklopfen.
20. Ich träumte davon. □ □ □ □
21. Ich empfand mich selber als sehr vorsichtig, aufmerksam und □ □ □ □
hellhörig
22. Ich versuchte, nicht darüber zu sprechen. □ □ □ □

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 19


Testauswertung IES-R

Die Itemwerte werden traditionellerweise wie folgt bewertet:

Überhaupt nicht =0
Selten =1
Manchmal =3
Oft =5

Subskalen:
Skala Item-Nr.
Intrusion 1
3
6
9
14
16
20
Vermeidung 5
7
8
11
12
13
17
22
Hyperarousal 2
4
10
15
18
19
21

Die Sjubskalenwerte entstehen durch die Addition entsprechender Itemwerte

Ein Verdacht auf PTBS nach Maercker und Schützwohl (1998) ergibt sich durch folgende Formel:
X = (-0,02 x Intrusion) + (0,07 x Vermeidung) + (o,15 x Übererregung) – 4,36
Wenn X > 0 -> Verdachtsdiagnose auf PTBS

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 20


Fragebogen zum komplexes PTBS nach Martin Sack

1 Störung der Regulation von Affekten und Impulsen


a. Stimmungsschwankungen mit Unfähigkeit, sich selbst zu Ja □ Nein □
beruhigen
b. Verminderte Steuerungsfähigkeit von aggressiven Ja □ Nein □
Impulsen
c. Autodestruktive Handlungen und Selbstverletzen Ja □ Nein □
d. Suizidalität Ja □ Nein □
e. Störungen der Sexualität Ja □ Nein □
f. Exzessives Risikoverhalten Ja □ Nein □
Mindestens a) und mindestens ein Kriterium b-f
2 Störungen der Wahrnehmung oder des Bewusstseins
a. Amnesien Ja □ Nein □
b. Dissoziative Episoden und Depersonalisation Ja □ Nein □
Ein Kriterium a) – b) erfüllt
3 Störung der Selbstwahrnehmung
a. Unzureichende Selbstfürsorge Ja □ Nein □
b. Gefühl, dauerhaft zerstört zu sein Ja □ Nein □
c. Schuldgefühle Ja □ Nein □
d. Scham Ja □ Nein □
e. Gefühl, isoliert und abgeschnitten von der Welt zu sein Ja □ Nein □
f. Bagatellisieren von gefährlichen Situationen Ja □ Nein □
Zwei Kriterien a) bis f) erfüllt
4 Störungen in der Beziehung zu anderen Menschen
a. Unfähigkeit zu vertrauen Ja □ Nein □
b. Reviktimisierungen1 Ja □ Nein □
c. Viktimisierung anderer Menschen2 Ja □ Nein □
Ein Kriterium a) bis c)
5 Somatisierungen
a. Somatoforme Symptome Ja □ Nein □
b. Hypochondrische Ängste Ja □ Nein □
Ein Kriterium von a) – b) erfüllt
6 Veränderungen von Lebenseinstellungen
a. Fehlende Zukunftsperspektive Ja □ Nein □
b. Verlust von persönlichen Grundüberzeugungen und Ja □ Nein □
Werten
Ein Kriterium von a) – b) erfüllt
Verwendete Literatur:
Martin Sack: Schonende Traumatherapie, Schattauer2010
Martin von Wachter und Askan Hendrischke: Das Ressourcenhandbuch, Klett-Cotta 2017
Arne Hofmann: EMDR, Thieme 2014
https://www.psychologie.uzh.ch/dam/jcr:211930d4-83bd-405a-9dc2-66b7dfbacc66/IES-
R_Fragebogen_Auswertung.pdf
http://www.childrenandwar.org/measures/cptci/

1
Reviktimisierung: Wer z.B. als Kind Opfer von Missbrauch war, wird erfahrungsgemäß später überdurchschnittlich
oft wieder zum Opfer sexueller Gewalt: Victim = Opfer, Re = wieder
2
Viktimisierung anderer Menschen: Ehemalige Opfer werden oft zu Tätern, d.h., sie machen andere zu Opfern.

Die Traumaanamnese ©Martin Straube 21

Das könnte Ihnen auch gefallen