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Rheinisches Ärzteblatt Praxis

Nosokomiale Infektionen:
Patientensicherheit und Haftungsprophylaxe
Erleiden Patienten durch eine im darunter immerhin rund 165.000 postope- Krankenhäuser und weitere Behandlungs-
Krankenhaus erworbene Infektion rative Wundinfektionen. einrichtungen jeweils erforderlichen Maß-
gesundheitliche Schäden, erheben sie nahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfas-
oder Kostenträger nicht selten Das novellierte sung und Bekämpfung von nosokomialen
Schadenersatzansprüche. Ob solche Infektionsschutzgesetz Infektionen und Krankheitserregern mit
Ansprüche durchsetzbar sind oder nicht, Resistenzen durch Rechtsverordnung zu
bestimmt sich regelmäßig danach, Um übertragbaren Krankheiten beim regeln. Für Nordrhein-Westfalen ist dies
wer im Haftungsstreit die Beweislast zu Menschen vorzubeugen, Infektionen früh- geschehen mit der Verordnung über die
tragen hat. zeitig zu erkennen und ihre Weiterverbrei- Hygiene und Infektionsprävention in medizi-
tung zu verhindern, trifft § 23 des mit Wir- nischen Einrichtungen (HygMedVO) vom
von Ulrich Smentkowski, kung zum 28. Juli 2011 novellierten Gesetzes 13. März 2012 (GV.NRW 2012, S. 139–154).
Hans-Friedrich Kienzle, Frauke Mattner zur Verhütung und Bekämpfung von Infektions-
und Alfred Janssen krankheiten beim Menschen (Infektionsschutz- Rechtliche Aspekte
gesetz – IfSG) grundlegende Bestimmungen
zur Prävention, Diagnostik und Therapie Die Umsetzung der gesetzlichen Anfor-

F ragen der Krankenhaushygiene sowie


durch Hygienemängel begünstigte,
möglicherweise vermeidbare Infek-
tionen und deren Folgen geraten seit eini-
gen Jahren immer stärker in den Fokus der
nosokomialer Infektionen. Die Erstellung
von Empfehlungen zur Prävention nosoko-
mialer Infektionen sowie zu betrieblich-or-
ganisatorischen und baulich-funktionellen
Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäu-
derungen, insbesondere der einschlägigen
KRINKO-Empfehlung „Personelle und or-
ganisatorische Voraussetzungen zur Prä-
vention nosokomialer Infektionen“ (Bun-
desgesundheitsblatt 2009, 52: 951-962), dient
öffentlichen und fachlichen Wahrnehmung. sern und anderen medizinischen Einrich- aber nicht nur der bestmöglichen Verhü-
In dem Beitrag „Hygienemängel in deut- tungen obliegt nach § 23 Abs. 1 IfSG der beim tung und Bekämpfung nosokomialer In-
schen Kliniken – Krieg um die Keime“ von RKI eingerichteten Kommission für Kran- fektionen. Ihre Befolgung oder Nichtbefol-
Nicola Kuhrt (Spiegel online vom 4. Mai 2012 – kenhaushygiene und Infektionsprävention gung hat auch erhebliche haftungsrecht-
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/ (KRINKO). Nach § 23 Abs. 2 IfSG wird in liche Bedeutung, die in diesem Beitrag be-
hygiene-im-krankenhaus-qualitaetssicherung- Kürze außerdem eine Kommission Antiin- sonders hervorgehoben werden soll.
versinkt-im-lobbyismus-a-831239.html) wird fektiva, Resistenz und Therapie zur Erar- Erleiden Patienten durch eine im Kran-
zum Beispiel berichtet, dass die Zahl post- beitung und Veröffentlichung von Antiin- kenhaus erworbene Infektion gesundheit-
operativ auftretender Wundinfektionen in fektivaempfehlungen eingerichtet werden. liche Schäden, erheben sie nicht selten
Deutschland – nach einer eher konservati- § 23 Abs. 3 Satz 1 IfSG verpflichtet die Schadenersatzansprüche, die im Übrigen
ven Schätzung des Robert Koch-Instituts Leiter der unter Ziffer 1. genannten Kran- aus übergegangenem Recht oft auch von
(RKI) – bei jährlich 225.000 Fällen liegt. Als kenhäuser und der zu Ziffer 2. bis 9. auf- Seiten der Sozialversicherungsträger ver-
„Epidemiologisches Bulletin Nr. 26“ veröf- geführten sonstigen Behandlungseinrich- folgt werden. Ob solche Ansprüche durch-
fentlichte das RKI am 2. Juli 2012 den Bei- tungen, unter anderem von Arztpraxen, setzbar sind oder nicht, bestimmt sich regel-
trag „Deutsche Daten im Rahmen der ersten sicherzustellen, dass die nach dem Stand mäßig danach, wer im Haftungsstreit die
europäischen Prävalenzerhebung zum Vor- der medizinischen Wissenschaft erforder- Beweislast zu tragen hat. Das ist im All-
kommen nosokomialer Infektionen und zur lichen Maßnahmen getroffen werden, um gemeinen der Geschädigte, sofern nicht
Antibiotikaanwendung“. Die Analyse der nosokomiale Infektionen zu verhüten und zu seinen Gunsten Beweiserleichterungen
als noch vorläufig bezeichneten Daten er- die Weiterverbreitung von Krankheitserre- greifen, die bis zur Umkehr der Beweislast
gab in Bezug auf die Gesamtmenge der an gern, insbesondere solcher mit Resistenzen, reichen können.
der Erhebung teilnehmenden 134 Kranken- zu vermeiden. Als verbindliche Grundlage Mit der Frage, unter welchen Voraus-
häuser eine Prävalenz der Patienten mit und Standard für die erforderlichen Prä- setzungen Beweiserleichterungen für den
nosokomial erworbenen Infektionen von ventionsmaßnahmen gelten die vom RKI Nachweis eines Behandlungs- oder Orga-
3,93 Prozent. Postoperative Wundinfektio- in der Zeitschrift „Bundesgesundheitsblatt – nisationsfehlers und seiner Ursächlichkeit
nen zählten mit einem Anteil von 24,7 Pro- Gesundheitsforschung – Gesundheitschutz“ für den eingetretenen Gesundheitsscha-
zent vor Harnwegsinfektionen (22,4 Pro- zu veröffentlichenden KRINKO-Empfeh- den in Betracht kommen, befasst sich ein
zent) und Infektionen der unteren Atemwe- lungen, die auch im Internet unter http:// aktueller Beitrag von Schultze-Zeu/Riehn
ge (21,5 Prozent) zu den häufigsten Infek- www.rki.de/DE/Content/Infekt/Kranken- mit dem Titel „Die haftungsrechtliche
tionen. Hochgerechnet auf derzeit jährlich haushygiene/Kommission/kommission_node. Bedeutung des novellierten § 23 Infektions-
rund 17 Millionen Krankenhausfälle ergäbe html nachzulesen sind. schutzgesetz unter besonderer Berücksich-
sich aufgrund dieser Daten eine Gesamtzahl § 23 Abs.8 IfSG verpflichtete die Landes- tigung der KRINKO-Empfehlung zur
von 668.000 nosokomialen Infektionen, regierungen, bis zum 31. März 2012 die für Prävention nosokomialer Infektionen in

20 Rheinisches Ärzteblatt 1/2013


Rheinisches Ärzteblatt Praxis

Krankenhäusern“ in der Zeitschrift „Versi- dessen Fortbildung oder bei der Freistel- gehalten ist, wenn jeweils die veröffent-
cherungsrecht“ (VersR 2012, 1208). Zutref- lung von anderen Aufgaben, Mängel bei der lichten Empfehlungen der Kommission für
fend wird in dem Aufsatz sinngemäß da- Aufstellung, Durchführung und Überwa- Krankenhaushygiene und Infektionspräven-
rauf hingewiesen, dass bei der Begutach- chung von Hygieneplänen oder auch dies- tion und der Kommission Antiinfektiva,
tung von Behandlungsfehlervorwürfen im bezügliche Dokumentationsmängel. Resistenz und Therapie beim Robert Koch-
Zusammenhang mit nosokomialen Infek- Eine Haftung bei Infektionen im Zusam- Institut beachtet worden sind. Es ist dann
tionen zu prüfen sein wird, ob die Be- menhang mit einer Operation oder stationä- Sache des Patienten, diese Vermutung zu
handlungseinrichtung die gesetzlichen ren Behandlung kommt nach der einschlä- widerlegen und konkrete Hygienemängel
Vorgaben und die KRINKO-Empfehlung gigen Rechtsprechung zwar nur in Betracht, sowie deren Ursächlichkeit für die eingetre-
im Einzelnen beachtet und dies umfas- wenn die nosokomiale Infektion durch die tene nosokomiale Infektion darzulegen und
send dokumentiert hat. gebotenen hygienischen Maßnahmen zu- zu beweisen; ein Beweis, der nur schwierig
Exogene (durch Erregerübertragungen verlässig hätte verhindert werden können zu führen sein dürfte. Den verantwortlichen
hervorgerufene) und endogene (durch (Martis/Winkhart, a. a. O. Rn. V 383). Steht Leitern der im IfSG genannten Behand-
patienteneigene Erreger hervorgerufene) hingegen fest, dass die Infektion ursächlich lungseinrichtungen wird deshalb im Inter-
nosokomiale Infektionen, die sich trotz aus einem Bereich stammen muss, der nach esse der Patientensicherheit, aber auch der
Einhaltung der gebotenen hygienischen den hierzu in der Rechtsprechung entwi- Haftungsprophylaxe nachdrücklich emp-
Vorkehrungen ereignen, gehören grund- ckelten Grundsätzen als hygienisch „voll fohlen, die gesetzlichen Anforderungen des
sätzlich zum entschädigungslos bleiben- beherrschbar“ gilt, hat die Behandlungsein- § 23 IfSG und die genannten Empfehlungen
den Krankheitsrisiko des Patienten, weil richtung zu beweisen, dass sich das Infek- lückenlos einzuhalten und ihre Umsetzung
absolute Keimfreiheit nicht erreicht wer- tionsrisiko trotz vorschriftsgemäßer Wah- sorgfältig zu dokumentieren.
den kann (Martis/Winkhart: Arzthaftungs- rung aller gebotenen Hygienemaßnahmen
recht – Fallgruppenkommentar, 3. Auflage, verwirklicht hat (vgl. Ulrich Smentkowski, Ulrich Smentkowski ist Leiter der
Rn. V 381). Jedoch bergen Verletzungen des Rheinisches Ärzteblatt 9/2007, S. 14). Geschäftsstelle der Gutachterkommission
Pflichtenkatalogs erhebliche Gefahren, für Die genaue Befolgung aller zu beachten- für ärztliche Behandlungsfehler bei der
Ärztekammer Nordrhein,
eine nosokomiale Infektion haftungsrecht- den Bestimmungen und die umfassende, Professor Dr. med. Hans-Friedrich Kienzle ist
lich eintreten zu müssen: Als Pflichtverlet- sorgfältige Dokumentation der einschlägi- deren Geschäftsführendes Mitglied.
zungen gewertet werden können dabei gen Maßnahmen kann sich folglich „haf- Professor Dr. med. Frauke Mattner ist
zum Beispiel betrieblich-organisatorische tungsimmunisierend“ auswirken, auch weil Chefärztin des Instituts für Hygiene der
Kliniken der Stadt Köln.
Mängel wie Defizite in der personellen § 23 Abs. 3 S.2 IfSG die gesetzliche Vermu- Dr. med. Alfred Janssen ist Referent im
Ausstattung mit ärztlichem und nichtärzt- tung enthält, dass der Stand der medizini- Ressort für Medizinische Grundsatzfragen
lichem Hygienepersonal, Versäumnisse bei schen Wissenschaft auf diesem Gebiet ein- der Ärztekammer Nordrhein.

Delegierte der Ärztekammer Nordrhein zum 116. Deutschen Ärztetag


vom 28. bis 31. Mai 2013 in Hannover (gewählt in der Kammerversammlung am 10. November 2012)

■ Fraktion „Marburger Bund“ ■ Fraktion „VoxMed“ ■ Fraktion „Freie Selbstverwaltung“

Delegierte Delegierte Delegierte


Prof. Dr. med. Reinhard Griebenow, Köln Bernd Zimmer, Wuppertal Prof. Dr. med. Bernd Bertram, Aachen
Dr. med. Christiane Groß, M.A., Wuppertal Birgit Löber-Kraemer, Bonn Uwe Brock, Mülheim
PD Dr. med. Hansjörg Heep, Essen Dr. med. Rainer Holzborn, Duisburg Dr. med. Thomas Fischbach, Solingen
Dr. med. Friedrich-Wilhelm Hülskamp, Essen Dr. med. Oliver Funken, Rheinbach Dr. med. Michael Hammer, Düsseldorf
Prof. Dr. med. Gisbert Knichwitz, Köln Dr. med. Christiane Friedländer, Neuss Angelika Haus, Köln
Dr. med. Christian Henner Köhne, Würselen Dr. med. Heiner Heister, Aachen Dr. med. Lothar Rütz, Köln
Michael Krakau, Köln Dr. med. Carsten König, M. san., Düsseldorf Fritz Stagge, Essen
Michael Lachmund, Remscheid Ersatzdelegierte Ersatzdelegierte
Dr. med. Dieter Mitrenga, Köln Dr. med. Arndt Berson, Kempen Dr. med. Patricia Aden, Essen
Dr. med. Anja Mitrenga-Theusinger, Leverkusen
Dr. med. Hans Uwe Feldmann, Essen Eeva-Kristiina Akkanen-vom Stein,
Dr. med. Manfred Pollok, Köln
Dr. med. Guido Marx, Köln Wermelskirchen
Dr. med. Wilhelm Rehorn, Düsseldorf
Dr. med. Jürgen Krömer, Düsseldorf Dr. med. Ernst Lennartz, Heinsberg
Ersatzdelegierte Dr. med. Helmut Gudat, Duisburg
Dr. med. Robert Stalmann, Moers Dr. med. Ansgar Stelzer, Stolberg ■ Fraktion „Freie Ärzteschaft“
Dr. med. Jens Bolten, Düsseldorf Dr. med. Timo Spanholtz, Köln
Dr. med. Erich Theo Merholz, Solingen Dr. med. Dr. med. dent. Delegierte
Dr. med. Sven Christian Dreyer, Düsseldorf Lars Benjamin Fritz, MBA, Willich Martin Grauduszus, Erkrath
Rudolf Henke, Eschweiler Dr. med. Peter Loula, Düsseldorf
Dr. med. Catherina Stauch, Düsseldorf

Bei Ausfall einer/eines Delegierten tritt an deren/dessen Stelle die/der Ersatzdelegierte Ersatzdelegierte
Wieland Dietrich, Essen
der jeweiligen Fraktion in der Reihenfolge der Nominierung Christa Bartels, Kreuzau
Gerd Schloemer, Düren

Rheinisches Ärzteblatt 1/2013 21

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