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Im vorliegenden Band, seiner Antrittsvorlesung ben der Verfasser und, wie schon erwähnt, Kom- ihrem eigenen kleinen

der Verfasser und, wie schon erwähnt, Kom- ihrem eigenen kleinen Wohnhausumbau in Kopen- art gestaltet wurde, weil keiner der beiden Bän-
zur Gastprofessur am Collège de France 2011/ mentare Uta Winterhagers. hagen beginnen. Als Vorbilder werden u.a. Alvar de eigene Schwerpunkt setzt, Der Inhalt hätte
12, rekapituliert Clément noch einmal seine Welt- Grob gegliedert ist die Zusammenstellung in Aalto, Arne Jacobsen, Pierre Chareau, Sverre Fehn, sich gut auch in nur einem einzigen Band unter-
Gärten, Landschaft sicht. Er selbst bezeichnet sich gern als Gärt- Kölner Perspektiven Architekturen, Städtebau-Projekte und öffent- Jörn Utzon und nicht zuletzt Le Corbusier ge- bringen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt
ner, denn in der Tätigkeit des Gärtners liegt der liche Räume. Eingeleitet werden die Vorhaben nannt – Architekten, die sich besonders auch mit scheinen die sechzehn Projekte auch unnötig
und das Genie der Schlüssel zum Gelingen eines Gartens, einer
Städtebau. Architektur. Öffent-
durch Fragen an Albert Speer und Gespräche ihren Wohnhausentwürfen in das Gedächtnis ausführlich dokumentiert, weitere Erkenntnisse
licher Raum
Natur Landschaft oder eines weltumspannenden Öko- mit den Verantwortlichen der Stadt, kundigen Ar- geschrieben haben, denn gerade hier zeigt sich gewinnt der Leser dadurch nicht. Gleichwohl
systems. Anders als im Hochbau, der bei einer chitekten wie Kunibert Wachten, Arno Brandl- der menschliche Maßstab, der bei städtebauli- erhält die Monografie somit eine Prägnanz, die
Vom ökologischen Denken Bauabnahme fertiggestellt ist, weiß der Land- huber oder Andreas Denk – und immer auch mit chen und Großprojekten so oft verlorengeht und einen wundern lässt, warum man vorher noch
schaftsarchitekt, dass mit der offiziellen Über- dem „Haus der Architektur“ (hdak), das seit der großen Form geopfert wird. nichts von Entasis gehört hat. Frank F. Drewes
Landschaftsarchitekt, Botaniker, Hochschul- gabe erst das Werden des Gartens beginnt, als Vom kürzlich erschiene- zehn Jahren in einem Kubus am Hauptbahnhof Der Kontext, das spezifische Raumprogramm
lehrer und Theoretiker – Gilles Clément, geboren lebendiges System wird er zudem niemals fertig: nen Architekturfüh - wirkt und von Chrisl Drey geleitet wird: „Jeden und die individuelle Persönlichkeit der Bau-
1943, ist durch ungewöhnliche Grünanlagen „Der Garten ist im Gärtner. Er existiert durchs rer war an dieser Stelle Freitag 19 Uhr – eine Stunde Baukultur“. Insge- herren müssen nach Auffassung von Entasis zu
bekannt, etwa im Kontext des Pariser Musée du Gärtnern.“ schon berichtet wor- samt viel Material, Lesestoff und statt kriti- sehr unterschiedlichen Architekturen führen, entasis 1996–2015
Quai Branly, dem Haus für außereuropäische Berufspragmatisch besteht die hohe Kunst des den (Bauwelt 24.15): in- schem Hinterfragen sehr viel Zweckoptimismus. was ihre Arbeit einer Kategorisierung entzieht. Vol. 1 und Vol. 2
Kunst und Kultur von Jean Nouvel. Michael Mön- Gärtnerns darin, dem Genie der Natur zu ver- formativ, übersichtlich Peter Rumpf Gleichwohl ist allen Projekten die Liebe zum Mit Vorworten von Christian Cold und Gert Wingardh. 380
Seiten mit zahlreichen Abbidlungen, Text Englisch, 58 Euro
ninger griff 2006 in der ZEIT zur leicht despektier- trauen und so wenig wie möglich einzugreifen. gestaltet und handlich Detail und eine sensible Materialität zu eigen.
Hatje Cantz, Ostfildern 2015
lichen Beschreibung: ‚eine Art Rokoko-Dschun- Hier folgt Clément dem Credo seines Lands- im Format. Die „Kölner Sechzehn werden mit einem außergewöhnlich
ISBN 978-3-7757-4027-2
gel‘ – mit ordnungsliebender Rasen- und Rabat- manns Bernard Lassus, der in der „Strategie des Perspektiven“ nun sind großzügigen Layout präsentiert. Eine Fotocol-
tenästhetik kommt der Kritiker bei Clément also minimalen Eingriffs“ nach eingehend kulturhis- eher das Gegenteil: lage aus Bauherrenporträt und dem Gebäude
nicht weiter. torischer Analyse eines landschaftlichen Befun- Nicht Gebautes wird selbst, begleitet von
Worum es Clément des den Garanten einer Umwelt voll sinnlichen vorgestellt, sondern Kernpunkten der Auf-
geht, war bereits da- Reichtums sieht. Clément besänftigt das in sei- ausschließlich Planungen, die Gebäude bzw. traggeberwünsche,
mals nicht unbekannt, nem Tatendrang dergestalt eingeschränkte Grundstücke dafür finden sich über den gesam- entasis 1996–2015 bilden mit einem knap-
hatte er doch schon Künstler-Ego des Landschaftsarchitekten, indem ten Stadtraum bis hin zu seinen Rändern. Und pen Text den Auftakt
Vol. 1 und Vol. 2
2004 sein „Manifest der er ihm die Sorge und Behandlung mannigfacher die Publikation passt mit ihrem Gewicht und den zu jedem Projekt. Die
dritten Landschaft“ Grenzen überträgt. Der glückliche Gärtner ist al- Abmessungen in keine Westentasche, mit 33 cm Fotos und ausgewähl-
formuliert. Im Französi- so ein „Grenzenkünstler“, der nicht mit Gewalt Höhe noch nicht einmal in jedes Regal. Bleibt tes, asketisches Plan-
schen schwingt im Be- in das lebendige Ensemble eingreift, viel mehr noch zu erwähnen, dass auch hier wie schon material spre chen
griff der tiers paysage sich der abschließenden Geste architektoni- beim erwähnten Architekturführer Uta Winterha- weitgehend für sich.
ein kritischer Gestus schen Gestaltens enthält und mit partiellen Ele- ger federführend beteiligt war. Das dänische Architekturbüro Entasis wurde Entasis betonen so, dass auch Architek tur für
mit, in der Französi- menten natürliche Beziehungen unterstreicht Köln hat viel vor! Oder wie es Franz-Josef Höing, 1996 von Christian und Signe Cold nach dem sich selbst sprechen muss.
schen Revolution war und aufwertet: ein Sockel, eine Trennlinie, ein Hö- Leiter des Kölner Dezernats für Stadtentwick- gewonnen Wettbewerb für das neue Eingangs- Die Monografie in schwerem blauem Leinen-
der tiers état (der drit- henunterschied, vegetative Randzonen. lung, Planen, Bauen und Verkehr, im Vorwort gebäude des Kopenhagener Zoos ebendort ge- einband ist auf zwei Bände aufgeteilt, mit jeweils
te Stand) als einzig tag- Nun ist der Garten immer auch Metapher für schreibt: Köln wird in den kommenden 20 Jahren gründet. Entasis, ein Wort aus dem Griechischen, 192 Seiten. Vol. 1 enthält acht Projekte, die zwi-
fähiger Teil der Gesellschaft ausgemacht: der einen angestrebt ausgewogenen Idealzustand, sein Gesicht deutlich verändern, durch über- bezeichnet die Schwellung des Schaftes einer schen 1996 bis 2007 entstanden sind, Vol. 2 zeigt
„alles und noch mehr“ ist, vorher „nichts“ war und das Paradies, ein Traum mithin politischer Dimen- proportionales Wachstum – möglicherweise mehr Säule, also eine weiche Form, die als kleines De- weitere acht Projekte aus den Jahren 2007 bis
erwartet, „etwas“ zu werden, so ein Pamphlet sion. Auf ein globales Modell übertragen: Kein als 20 Prozent. Dafür gibt ein Masterplan von tail für eine ausgewogene Proportion sorgt. Die 2015. Beiden Bände ist ein Prolog vorangestellt
des Abbé Sieyès. Die dritte Landschaft zeichnet ökonomisches System kann mehr die Endlichkeit 2008 aus dem Frankfurter Büro Albert Speer Hinwendung zum Detail und zum kleinen Maßstab und eine Einführung, beide Bände zeigen auf
somit enorme Latenz aus, sie ist im Prototyp unserer Ressourcen und unseres Territoriums (AS&P) die Richtung vor. Alte Hafenflächen, die ist einer der Kerninhalte von Entasis, die die dem Cover den Titel entasis 1996 – 2015. Es er-
ein vergessenes Terrain, eine Brachfläche mit ein- verleugnen. Hier setzt Clément zu einem „Garten ihre Rolle verloren haben – wie der Mülheimer zwanzig Jahre umfassende Monografie auch mit schließt sich nicht, warum die Monografie der-
setzender Sukzessionsvegetation hoher Di- vom morgen“ an, ermächtigt den Citoyen, in sei- oder der Deutzer Hafen –, die rechte Rheinseite,
versität. Ihr selbstregulierendes System hatte nem (Konsum-) Verhalten das Unnütze, Nichtan- in Köln die „schäl Sick“, der Grüngürtel, die Park-
Clément bereits ab 1997 im universalistischen gemessene von Notwendigem (auch Luxus!) stadt Süd, die Messe, aber auch die Dom-Umge-
Denkmodell eines „Planetarischen Gartens“ ver- scheiden zu lernen und alles als prinzipiell flüch- bung, um nur einige, wahrlich großflächige Pro-
dichtet. tig, fragil und recycelbar zu erkennen. Jede jekte zu nennen, stehen in den nächsten Jahren
Stadt, jede Architektur wäre in der Lage, zu zer- an und werden in dieser Dokumentation vor-
fallen und erneut errichtet zu werden. Unser
stabiles, gern beschworenes System des kollek-
tiven Gedächtnisses im Artefakt würde einer
gestellt. Dazu dienen Pläne, Fotos, Isometrien,
Simulationen und vor allem ausführliche Be-
schreibungen, Interviews mit Beteiligten, Anga-
ARCHITEKTUR ZUM
ANFASSEN
Philosophie der permanenten Evolution und einer
Kultur des Immateriellen weichen, die Zeit nicht
mehr durch ihre effiziente Nutzung oder einen Kölner Perspektiven
Zeitgewinn definiert. Zugegeben: schöne Zu- Städtebau, Architektur, Öffentlicher Raum
Gärten, Landschaft und das Genie der Natur kunftsmusik! Aber ähnlich einem Samenkorn, das Herausgegeben von Dezernat Stadtentwicklung, Planen, Sichern Sie sich die
Von Gilles Clément. Übersetzung aus dem Französischen ein vollständiges Leben in Dormanz bereithält Baunen und Verkehr der Stadt Köln und dem Haus
von Brita Reimers, 59 Seiten, 10 Euro und so die Zeit auflöst, mag ja auch für Cléments der Architektur Köln. Texte von Uta Winterhager u.a. Bauwelt als App
160 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 29,95 Euro
Fröhliche Wissenschaft Band 59, Matthes & Seitz, gedankliche Saat der fruchtbare Moment gar
Berlin 2015 Jovis Verlag, Berlin 2016
nicht mehr so fern liegen. QR-Code scannen oder unter: www.bauwelt.de/itunes
ISBN 978-3-95757-025-3 ISBN 978-3-86859-403-4
Bettina Maria Brosowsky

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