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Cloud & Infrastruktur SAP & Cloud

Bild: Shutterstock / Funtap


SAP-Migration

Verschiedene Wege führen


mit SAP in die Cloud
Ab 2027 endet der Support für SAP R/3 und SAP ECC. Eine Lösung ist die Migration in die Cloud.

E nde 2027 ist Stichtag: Dann endet die Stan-


dard-Wartung von ERP Business Suite 7 und
SAP ECC durch SAP. Optional können Firmen 52 %
Mittlerweile verlagern viele Firmen nicht mehr
nur einfach zu standardisierende Bereiche wie
Personal, Einkauf von Nicht-Produktionsmate­
gegen einen Aufschlag den Support in Form der Unternehmen befanden rial oder Dienstleistungen in die Cloud, sondern
der erweiterten Wartung noch bis 2030 aus- sich Ende 2019 erst in auch komplexere Themen wie die Abbildung
dehnen. Nichtsdestotrotz bedeutet das für der Business-Case- der Lieferkette (Supply Chain) oder den Ein-
Erstellung für die SAP-
sehr viele Unternehmen, dass sie sich eine kauf von Produktionsmaterialien. SAP versteht
Transformation
neue ERP-Lösung suchen oder auf S/4HANA Cloud weniger als Infrastruktur zum Betrieb des
migrieren müssen. Hier stellt sich dann die Frage: ERP-Systems, sondern vor allem als Software as a
Quelle: Lünendonk & Hossenfelder
On-Premise oder Cloud? Service (SaaS) mit permanenter Innovation und
Der Trend bei SAP selbst geht klar in Richtung Cloud, ge- schneller, flexibler Anpassung an neue Anforderungen.
nauer gesagt: Cloud first, nicht Cloud only. „Für uns hat die SAP will seine Kunden bei der Digitalisierung unterstützen.
Cloud mittlerweile höchste Priorität. Wir entwickeln unsere „Es geht darum, die Businessprozesse End-to-End zu verbes-
Produkte vor allem in Hinblick auf einen Cloud-first-Ansatz, sern und zu automatisieren, die Prozesse, Technologien und
bieten aber weiterhin On-Premise-Lösungen an. Wir folgen Daten zu verbinden sowie die interne Komplexität zu reduzie-
damit dem Markttrend und gehen auf die Bedürfnisse un­ ren. Ein weiteres Ziel ist es, mit Hilfe der Cloud-Migration
serer Kunden ein, die inzwischen einen Großteil ihrer An- neue Geschäftsmodelle zu unterstützen“, sagt Lamade.
wendungen in der Cloud betreiben wollen. Die Cloud-Affi-
nität in Deutschland ist höher als erwartet“, erklärt Michael Breites Cloud-Portfolio
Lamade, Vice President, Global Head of S/4HANA Solution Das Portfolio von SAP in der Cloud ist inzwischen so umfang-
Management. reich, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Außer

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SAP & Cloud Cloud & Infrastruktur

den Lösungen wie SAP S/4HANA als zen­ „Für uns hat die Cloud mittlerweile höchste
trales ERP, SAP Ariba als Einkaufsplattform, Priorität. Wir entwickeln unsere Produkte vor
SAP C/4HANA für die Customer Experience allem in Hinblick auf einen Cloud-first-Ansatz,
und SAP SuccessFactors für das Personalma- bieten aber weiterhin On-Premise-Lösungen an.“
nagement gibt es auch Spezial-Clouds wie Michael Lamade
etwa die SAP Analytics Cloud, SAP HANA Vice President SAP Business Suite on SAP HANA und
Cloud oder die SAP Data Warehouse Cloud. Global Solution Manager SAP S/4HANA bei SAP

Bild: SAP
Neben der eigenen SAP-Cloud können Kun- www.sap.de
den ihre SAP-Lösung auch in den Clouds der
Hyperscaler Microsoft, Amazon, Google oder
Alibaba sowie bei kleineren lokalen Cloud-
Providern betreiben. Die Implementierung erfolgt überwie- Geschäftsmodelle. So können Kunden mit der zentralen Kom-
gend über die zertifizierten SAP-Partner aus dem umfangrei- ponente Business Process Intelligence kontinuierlich analy-
chen Ökosystem. Um die Migration in die Cloud zu vereinfa- sieren, wie Prozesse funktionieren, sie mit Branchenstandards
chen und zu beschleunigen, bietet SAP rund 1500 vorkonfigu- vergleichen, den Automatisierungsgrad erhöhen und einfach
rierte Pakete mit Standard-Prozessen, Best-Practice-Content an neue Voraussetzungen und Geschäftsanforderungen an-
sowie Lösungen zur Integration mit anderen Systemen. passen. Um sich hier weiter zu verstärken, hat SAP kürzlich
Ende Januar hat die Software-Schmiede mit „RISE with auch das Berliner Start-up Signavio übernommen.
SAP“ ein kommerzielles Paket vorgestellt, bestehend aus
Cloud-Lösungen und Services, das Kunden bei ihrer digita- Gemischte Resonanz
len Transformation unterstützen soll. Voraussetzung ist der Eine wichtige Rolle bei RISE with SAP spielen Beratungspart-
Umstieg oder die Neueinführung von S/4HANA. Um die ner wie Accenture, Deloitte, PwC oder auch die All for One
Komplexität von Verträgen zu reduzieren, bündelt SAP unter Group. Thorsten Wilcke, Head of Cloud ERP bei der All for One
dem Slogan „One Subscription, One Price, One Contract“ Group, kommentiert die unlängst vorgestellte strategische Ini­
Software, Services und Tools, um den Weg in die Cloud und tiative von SAP so: „Mit RISE with SAP erhält die Cloud-first-
zu effizienteren Prozessen zu vereinfachen – für Bestands- Strategie von SAP deutlich Rückenwind. Das hilft uns als SAP-
kunden und für Neukunden aus allen Branchen und in jeder Partner genauso wie unseren 2500 Stammkunden, die wir mit
Größe. RISE with SAP besteht aus den folgenden Komponen- dem gesamten SAP-Portfolio auf ihrem Weg in die digitale Zu-
ten: S/4HANA Cloud, Business Process Intelligence, SAP kunft aus der Cloud begleiten wollen. Für unsere Neukunden
Business Network, SAP Business Technology Platform (BTP), mit Präferenz für die Public Cloud dürfte bei RISE with SAP vor
Cloud-Infrastruktur-Services sowie Tools für die Migration. allem der Suite-in-the-Box-Ansatz im Vordergrund stehen.
Stand Ende 2020 setzen über 130 Pilotkunden die Lösung ein. End-to-End-Prozesse lassen sich so für diese Unternehmen be-
Der Anspruch von RISE with SAP geht weit über eine rein sonders durchgängig, schnell und effizient einrichten.“
technische Migration hinaus. Der Konzern will damit „Busi- Während die Partner die Cloud-Strategie von SAP überwie-
ness Transformation as a Service“ anbieten mit Fokus auf der gend begrüßen, sind die Anwender skeptischer. Bei den Tech-
Optimierung von Geschäftsprozessen und dem Aufbau neuer nologietagen der Deutschsprachigen SAP-Anwendergrup- ▶

Checkliste und Fragen für die Cloud-Migration


Die Migration einer SAP-Lösung in die Cloud ist nicht trivial. Un- ●●  elches SAP- und/oder Hyperscaler-Lizenzmodell ist für uns
W
ternehmen sollten diesen Schritt daher genau planen. Hier eine das richtige?
Checkliste mit den wichtigsten Fragen für die Vorbereitung:
●●  ie hoch sind die möglichen Kosten für den Betrieb der SAP-
W
●●  ie genau passen SAP S/4HANA oder eine andere Cloud-Lö-
W Systeme in der Cloud?
sung von SAP zu unserer Geschäftsstrategie?
●●  bernehmen wir den Betrieb der SAP-Systeme in der Cloud
Ü
●●  elche Ziele (unternehmensweit, abteilungsspezifisch) ver-
W selbst oder übernimmt das ein Dienstleister?
folgen wir? Welche Geschäftsprozesse wollen wir optimieren?
●●  ird unser Betriebssystem in der Cloud weiterhin unterstützt,
W
●● Welche SAP-Funktionalitäten werden wir benötigen? oder müssen wir es wechseln oder upgraden? Inwieweit müs-
sen wir unsere Daten vorbereiten?
●● Wann ist der geeignete Zeitpunkt für eine Migration?
●● Welche Tools unterstützen eine schnelle Cloud-Migration?
●●  ie sieht der technische und fachliche Migrationspfad aus?
W
Wollen wir eine reine Migration der bestehenden Systemland- ●● I st unsere Netzwerk-Bandbreite hoch genug für eine schnelle
schaft in die Cloud? Oder geht es um ein Re-Design der Pro- Verbindung zu den Cloud-Instanzen?
zesse in Richtung standardisierter Prozesse?
●●  elche Kriterien sind uns bei der Auswahl des Anbieters oder
W
●● Setzen wir auf eine Multi-Vendor-Cloud-Strategie? SAP-Partners wichtig? Was für Anforderungen muss er erfüllen?

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Interview

„Coudbasierte SAP-Systeme sind nicht mehr


wegzudenken.“
Constantin Hellweg und Jörg Blom sind Direktoren im Bereich passt, anstatt das übergeord-
Enterprise Performance SAP beim Beratungsunternehmen De- nete Ziel der Standardisie-
loitte. Im Interview mit com! professional erklären sie, welche rung und Harmonisierung der
Vorteile SAP-Systeme in der Cloud bringen und wie Firmen die Daten- und Prozessstrukturen
Cloud-Migration am besten meistern.   zu verfolgen.
Als Resultat werden die

Bild: Deloitte
com! professional: Herr Hellweg, Herr Blom, warum sollten Fir- Aufwände für Wartung, Re-
men ihr SAP-System in die Cloud migrieren? lease-Wechsel und Änderun-
gen immer größer. Damit wird Constantin Hellweg
Constantin Hellweg: Lange wurden cloudbasierte SAP-Systeme es für viele Unternehmen im-
oder Systemlandschaften von vielen mit Skepsis betrachtet. Mitt- mer schwieriger, sich markt- Direktor im Bereich Enter-
lerweile sind diese Systeme aus den Unternehmenslandschaften seitigen Änderungen schnell prise Performance SAP und
nicht mehr wegzudenken. Sie befähigen Firmen, ihre Marktprä- anzupassen und etwa ein Market Offering Lead für
senz mit immer schnelleren Schritten auszubauen und so mit ak- transparentes, übergeordne- SAP Cloud Transformations
tuellen Marktentwicklungen Schritt zu halten. Cloud-Applikatio- tes Reporting zu ermöglichen. bei Deloitte
nen sind heute zentrale Elemente für die Unterstützung der Ge- Hinzu kommt, dass viele Un- www.deloitte.de
schäftsprozesse geworden. ternehmen aufgrund des War-
Viele Unternehmen setzen dabei auf SAP-Lösungen – SAP tungsendes für SAP ECC 6.0
S/4HANA als zentrales ERP, SAP Ariba als Einkaufsplattform, SAP zum 31. Dezember 2027 einen Release-Wechsel von SAP ECC 6.0
C/4HANA für die Customer Experience und SAP SuccessFactors für zu SAP S/4HANA planen.
das Personalmanagement. Alle Lösungen haben eines gemein-
sam: Mit Ausnahme von einzelnen S/4HANA-Varianten sind alle com! professional: Wie können sich Firmen grundsätzlich für die
Lösungen cloudbasierte Applikationen, die über ihre Modularität Migration von SAP in die Cloud vorbereiten?
eine agile Plattform für zukünftige Marktanforderungen bieten.
Hellweg: Viele Unternehmen bereiten den Wechsel in die SAP-
com! professional: Welche weiteren Vorteile bringt SAP in der Cloud mit einem sogenannten Phase-0-Projekt vor. Im Rahmen
Cloud? eines solchen Vorprojekts wird zusammen mit Beratungsunter-
nehmen die richtige Strategie unter anderen für einen Wechsel
Jörg Blom: SAP-Cloud-Umgebungen haben den Vorteil einer fast in die Cloud vorbereitet. Bei diesem Vorgehen wird auch die ak-
unbegrenzten Skalierbarkeit. In der Vergangenheit war die Hard- tuelle Cloud-Strategie der Unternehmen, falls vorhanden, be-
ware-Investition und deren Betrieb neben den Investitionen in rücksichtigt und entsprechend ausgebaut.
Software und Implementierung ein Die zentralen Fragestellungen für
wesentlicher Kostentreiber. SAP- „In der Vergangenheit war die einen Wechsel in die Cloud sind:
Cloud-Lösungen verfügen über eine Hardware-Investition und deren Möchte ich eine reine Migration der
bedarfsorientierte Skalierung. Die
Betrieb neben den Investitionen in bestehenden Systemlandschaft in
als Service gemietete Plattform die Cloud durchführen, möglicher-
kann entsprechend den Anforde-
Software und Implementierung ein weise verbunden mit einem Re-
rungen skaliert werden, ohne das wesentlicher Kostentreiber. SAP- lease-Wechsel? Oder geht es um ein
„eigene Blech“ ausbauen und die Cloud-Lösungen verfügen über eine Re-Design meiner Prozesse hin zu
Verfügbarkeit in eigenen oder aus- bedarfsorientierte Skalierung.“ standardisierten und harmonisier-
gelagerten Rechenzentren sicher- ten Prozessen? Welches SAP- und
stellen zu müssen. gegebenenfalls Hyperscaler-Lizenzmodell ist das richtige? Wie
möchte ich zukünftig den Betrieb und die Wartung organisieren?
com! professional: Wie ist die Ausgangssituation in den Firmen?
Wie sieht deren SAP-Landschaft im Regelfall aus? com! professional: Wie sollten Firmen bei der Migration von SAP
in die Cloud vorgehen? Welche Ansätze gibt es?
Hellweg: In der Regel sind SAP-Landschaften von Firmen sehr
heterogen. Sie bestehen meist aus mehreren einzelnen SAP-Sys- Blom: Viele Firmen müssen mit dem Wechsel nach S/4HANA ihre
temen mit sehr vielen Eigenentwicklungen und über die Jahre Infrastruktur an die In-Memory Technologie anpassen. Dies ist ein
gewachsenen komplexen Prozess- und Datenstrukturen. Oft wur- guter Zeitpunkt für den Wechsel von ihrer heutigen SAP-Infra-
de dabei lediglich die technische System- und Datenplattform an struktur in die Cloud. Dieser Wechsel kann in einem Schritt erfol-
die spezifischen Prozessanforderungen der Fachbereiche ange- gen, zum Beispiel durch den Aufbau des neuen S/4HANA-Systems

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pe (DSAG) gab es einige Vorbehalte gegen die Cloud, etwa


wegen des Datenschutzes oder einer befürchteten höheren
Komplexität bei der Kombination verschiedener (Cloud-)Lö-
sungen. Zudem sei die Migration kein reines IT-Projekt, son-
dern die neue Plattform müsse auch wirtschaftliche Vorteile
bieten, hieß es. Verschiedene Redner gaben zu bedenken, dass
nach einem Greenfield-Ansatz
der Reifegrad der lokal installierten Technologie aktuell (noch)
in der Cloud, aber auch
höher sei als in der Cloud und Firmen ihre SAP-Systeme durch
schrittweise. Erfolgt der Wech-
Eigenentwicklung und die Integration mit Fremdapplikatio-
sel nach S/4HANA in einzelnen
nen differenzierten. Dies müsste sich auch in der Cloud reali-
Schritten, ist eine Option, zu-
erst das heutige SAP-System in sieren lassen, so der Tenor der DSAG-Veranstaltung.
Bild: Deloitte

die Cloud zu migrieren.


Komplexe Landschaften
Jörg Blom Hellweg: Ist der Weg in die Die meisten SAP-Anwender starten natürlich nicht auf der
Cloud mit einem Release- grünen Wiese. Die SAP-Landschaften sind in vielen Firmen
Direktor im Bereich Enter- Wechsel auf SAP S/4HANA ver- sehr heterogen. Sie bestehen in der Regel aus mehreren SAP-
prise Transformation und bunden, stellt sich die zentra- Systemen und -Instanzen mit unterschiedlichen Release-Stän-
verantwortlich für SAP- le Frage, ob man eine reine den, sehr vielen Eigenentwicklungen und über die Jahre ge-
Technology & Platform Migration des bestehenden wachsenen komplexen Prozess- und Datenstrukturen. Ange-
bei Deloitte Systems in das neue SAP sichts dieser komplizierten Lage scheuten viele Unternehmen
www.deloitte.de S/4HANA in der Cloud umset- bislang die Umstellung ihres SAP-ERPs auf S/4HANA. Das
zen möchte oder eine kom- zeigte die Ende 2019 veröffentlichte Studie „Mit S/4HANA in
plette Neuimplementierung die digitale Zukunft“ von Lünendonk & Hossenfelder. Damals
mit anschließender Datenmigration anstrebt. Zwischen diesen befanden sich 52 Prozent der befragten Unternehmen erst in
beiden Extremen gibt es den Weg der selektiven Transformation, der Business-Case-Erstellung für die SAP-Transformation. Die
in der das Zielsystem in Teilen neu aufgesetzt wird und anschlie- Zahl der Umstellungen hat sich bis heute erhöht, die hohen
ßend eine Datenmigration erfolgt. Werte belegen aber das Zögern vieler Unternehmen ange-
Mit den Ansätzen der vollständigen Neuimplementierung oder
sichts der Herausforderungen der Migration – obwohl das
der selektiven Transformation lässt sich die Systemlandschaft in
Ende des SAP-Supports für SAP R/3 und SAP ECC naht.
der Regel von Altlasten bereinigen, Prozess- und Datenmodelle
„Mit dem fixen Ende der Wartung für die bisherigen ERP-
lassen sich standardisieren. Das wirkt zwar auf den ersten Blick
Produkte treibt SAP seine Kunden vertrieblich aktiv zum
komplexer und aufwendiger, hat aber den Vorteil, dass sich späte-
Kauf des Nachfolgeprodukts S/4HANA. Es bleibt ihnen kaum
re Weiterentwicklungen oder die Nutzung von intelligenten Appli-
eine andere Wahl, als der SAP-Strategie zu folgen. Es ist sehr
kationen wie Machine Learning oder Predictive Analytics einfa-
unwahrscheinlich, dass sich SAP-Anwender für einen ande-
cher in die bestehende Landschaft einbetten lassen. Der Grund:
Sie setzen auf standardisierten Prozess- und Datenmodellen auf ren ERP-Anbieter entscheiden, weil die Kosten für einen
und reduzieren somit den notwendigen Entwicklungsaufwand. kompletten Technologiewechsel wohl sogar vielerorts noch
höher sein werden als bei der S/4HANA-Umstellung“, sagt
com! professional: Was sind die größten Herausforderungen bei Mario Zillmann, Partner bei Lünendonk & Hossenfelder.
einem Wechsel von SAP in die Cloud? Welche Fallstricke gibt es? Beim Betriebsmodell von S4/HANA stellt er einen klaren
Trend in Richtung Cloud beziehungsweise Hybrid-Cloud
Hellweg: Der Wechsel in die Cloud erfordert Spezialkenntnisse, fest, auch bei Themen wie Supply Chain und Marketing. Die
die heute nicht notwendigerweise in den eigenen IT-Abteilungen Bereitstellung erfolgt laut Zillmann meist über die Hypersca-
vorhanden sind. Voraussetzung ist eine Cloud-Strategie, die nicht ler Amazon, Google und Microsoft, weniger über die eigene
nur den ersten Schritt in die Cloud umfasst, sondern das gesamte SAP-Cloud. „Letztere könnte aber vor allem für mittelständi-
Zielbild für die zukünftige Cloud-Architektur. Welche Cloud-Form sche Unternehmen noch attraktiver werden, weil sich durch
wird gewählt? Wie sichere ich meine Systemlandschaft ab, wie bet- die Nutzung von bereits vorkonfigurierten Prozessen der Um-
te ich mobile Applikationen in mein Sicherheitskonzept ein, wo stellungsaufwand reduzieren lässt“, so Mario Zillmann.
werden meine Daten gespeichert? Geht mit dem Wechsel von SAP
in die Cloud ein Release-Wechsel zu SAP S/4HANA einher, kommt Das bringt SAP in der Cloud
dazu noch die zentrale Frage nach dem Lizenzmodell. Soll das zu- Warum aber sollten Firmen ihr SAP-System in die Cloud mi-
künftige SAP-System als SaaS-Modell aufgesetzt werden? Kom- grieren? Hier sind zunächst die üblichen Vorteile der Cloud
men die Varianten SAP S/4HANA in der Public und Private Cloud in
zu nennen. Für Unternehmen entfallen Investitionen in die
Betracht? Neben den technischen Unterschieden kann eine steu-
für SAP notwendige leistungsfähige Hardware, die damit
erliche Betrachtung notwendig sein, da sich das gewählte Lizenz-
verbundenen Wartungs- und Energiekosten sowie die Li-
modell unterschiedlich auf die Bilanzierung der SAP-Implementie-
zenzkosten für lokal installierte Software. Bezahlt wird für ge-
rung/Migration in die Cloud auswirkt.
nau jene Dienste, die tatsächlich benötigt werden. Neue Nut-
zer lassen sich bei Bedarf einfach und flexibel hinzufügen ▶

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Cloud & Infrastruktur SAP & Cloud

oder wieder entfernen. Auch der Administrationsaufwand für Genaue Planung notwendig
den Betrieb der IT-Lösung entfällt, da der Cloud-Anbieter Natürlich ist die Migration von SAP R/3 auf SAP S/4HANA in
selbst etwa die Updates für die Software bereitstellt. der Cloud alles andere als trivial. Denn hier handelt es sich
Zudem verbessert die Cloud in den meisten Fällen (Daten-) um mehr als einen Release-Wechsel. Die neue SAP-Genera-
Sicherheit und Compliance. Bei Cloud-Providern gehören IT- tion ist mit weitreichenden Veränderungen in den Bereichen
Sicherheit und Compliance zum Kerngeschäft. Sie investieren Infrastruktur, Technologie und auch Prozessen verbunden.
sehr viel Geld in die Absicherung ihrer Cloud-Umgebungen, Bei der Verlagerung in die Cloud stellen zudem Themen wie
setzen aktuelle Sicherheitstechnologie ein und beschäftigen Datentransfer, Schnittstellen zu Systemen von Kunden, Mi­
ein größeres Team an Spezialisten, die ausschließlich Securi- gration von Betriebssystemen oder auch von unternehmens-
ty-Maßnahmen umsetzen, überprüfen und anpassen. Ein wei- spezifischen Prozessen oder Codes eine große Herausforde-
terer Vorteil sind flexible Cloud-Modelle: Die Optionen rei- rung dar. Das erfordert eine genaue Planung. „Viele Firmen
chen von der gehosteten Private Cloud über ein SaaS-Miet- sind aber relativ schlecht vorbereitet. Das geht schon beim
modell inklusive Software-Lizenzen bis hin zum kombinierten Netzwerk los und der verfügbaren Bandbreite für die Verbin-
Cloud- und On-Premise-Betrieb im eigenen Rechenzentrum. dung zum Cloud-Rechenzentrum, in dem die SAP-Systeme
„Durch die Migration von SAP in die Cloud können Firmen laufen. Häufig sind die Leitungen zu niedrig dimensioniert
zudem den Code aufräumen und die Customizing-Exzesse und bilden gerade am Anfang des Projekts den Flaschenhals.
mit verschiedenen individualisierten Versionen abschaffen. Zeiträume für die Bereitstellung von Leitungen von bis zu
Sie haben die Chance, ihre Prozesse zu standardisieren und drei Monaten sind nicht die Ausnahme, sondern eher die
zu optimieren“, erklärt Mario Zillmann von Lünendonk & Regel“, sagt Andrej Janekovic, Experte für Cloud-Lösungen
Hossenfelder. „Diese Standardisierung bringt auch einen und Senior Account Manager bei Arvato Systems. Er berät
Zeitgewinn beim Rollout von Anwendungen und der Aktua- Firmen bei der Migration ihrer SAP-Systeme in die Cloud.
lisierung von Funktionen. Neue Produkte und Services lassen Vor der eigentlichen Planung sollten Firmen laut Janekovic
sich binnen Wochen statt Monaten oder in Monaten statt Jah- folgende wichtige Fragen klären: Welche Geschäftsprozesse
ren in hoher Qualität auf den Markt bringen.“ wollen wir optimieren? Welche Funktionalitäten werden ge-
Ein Beispiel: Mit einem cloudbasierten SAP-System lässt wünscht? Welche Ziele (unternehmensweit, abteilungsspezi-
sich etwa schnell testen, inwieweit sich eine neue mobile An- fisch) werden verfolgt? Wann ist der beste Zeitpunkt für eine
wendung auf den Umsatz auswirkt. Mit einer On-Pre­mise- Migration? Welche Anforderungen werden an den Anbieter
Version wären dafür mehrwöchige Testphasen nötig. Alles in gestellt? Zudem empfiehlt er, versteckte Kostentreiber zu mi-
allem sind Unternehmen mit einem Cloud-System flexibler, nimieren, vor allem für den internen Vorbereitungsaufwand.
können schnell auf neue geschäftliche Anforderungen reagie- „Diese Kosten sind abhängig von der Größe und Komplexi-
ren und bei Bedarf auch die Ressourcen beliebig skalieren.   tät des Unternehmens, insbesondere vom Aufwand für die An-

Ansätze für die SAP-Migration in die Cloud


Bei der Migration von SAP R/3 auf SAP S/4HANA in die Cloud laufzeiten. So ist die Bereinigung der Datenbanken mit sehr ho-
gibt es zwei Ansätze: Greenfield und Brownfield – und eine hem Aufwand verbunden, vor allem, wenn die Unternehmens-
Mischform. In der Praxis kommt die Greenfield-Methode wegen daten vorher nicht regelmäßig geprüft oder aktualisiert wurden.
anstehender Release-Wechsel häufiger zum Einsatz. Zudem müssen alle Prozesse neu evaluiert werden.
Greenfield-Methode: Bei dieser Methode starten Unterneh- Brownfield-Methode: Hierbei handelt es sich nicht um eine
men sozusagen auf der „grünen Wiese“, da hier das SAP-System Neuimplementierung, sondern um eine Systemkonvertierung.
neu implementiert wird. Das System wird parallel zum operati- Unternehmen übertragen damit alle Daten und Prozesse auf
ven Betrieb aufgesetzt, um die laufenden Geschäftsprozesse SAP S/4HANA und passen diese schrittweise an. Dieser Ansatz
nicht zu beeinträchtigen. Der Greenfield-Ansatz eignet sich vor eignet sich daher vor allem für bestehende SAP-Systeme mit
allem für Firmen, die sehr komplexe SAP-Systeme nutzen, die wenig Altlasten, sprich die Systeme müssen kaum geändert
über Jahre gewachsen sind und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Daher kann der Wechsel auf die neue ERP-Lösung
wurden. schnell erfolgen. Allerdings kann es sein, dass Firmen mit dieser
Durch die Neuimplementierung können Firmen die Altlasten Methode das Potenzial der moderneren S/4HANA-Version nicht
ihres bisherigen R/3-Systems abwerfen, erfolgte Erweiterungen voll ausschöpfen. Achtung: Entscheidet sich ein Unternehmen
unter die Lupe nehmen sowie Prozesse und Daten bereinigen. für die standardisierte SAP-Version S/4HANA Cloud ES (Essen-
S/4HANA bringt dafür bereits einige Zusatzentwicklungen mit. tials Edition), ist die Brownfield-Methode nicht möglich.
Firmen übernehmen damit in SAP S/4HANA nur Funktionen und Selektive Migration: Außerdem gibt es noch den Mittelweg
Prozesse mit echtem Mehrwert sowie verschlankte Datenban- der selektiven Migration, bei der man sich je nach Funktion für
ken. Da die ERP-Software damit stärker standardisiert wird, ist einen Migrationsansatz entscheidet. Firmen setzen dann das
sie flexibler bei der Integration von Innovationen. Zielsystem in Teilen neu auf, optimieren einen Teil der Prozesse,
Die Vorbereitung auf die Migration im Greenfield-Ansatz ist al- übertragen die Daten und passen Tabellen, Programme und
lerdings sehr aufwendig und bedeutet meist längere Projekt- Schnittstellen im migrierten System in der Cloud an.

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passung der Schnittstellen an das neue Release


„Das wichtigste Auswahlkriterium für den
oder von der Vorbereitung und ‚Entschla-
Partner ist die Erfahrung mit bisherigen SAP-
ckung‘ der Altdaten für die Verlagerung in die Migrationen. Referenzprojekte anderer Kunden
Cloud. Hier sollten Firmen auch den Zeitpunkt geben Hinweise darauf, ob und wie erfolgreich
der Migration und das Risiko einer verspäteten ein Projekt verlaufen ist.“

Bild: Arvato Systems


Migration in Betracht ziehen“, erläutert Andrej
Andrej Janekovic
Janekovic. Angesichts des hohen Aufwands rät
Senior Account Manager bei Arvato Systems
er den Firmen, für die Planung und Umsetzung www.arvato-systems.de
der Migration ein eigenes Projektmanage-
ment-Team aufzustellen. Es sollte aus Mitar-
beitern der IT- und Fachabteilungen sowie der
Geschäftsleitung bestehen. Das Team definiert die Ziele, An- wie die Anforderungen an das künftige SAP-System aussehen
forderungen und notwendigen Funktionalitäten und wählt die und inwieweit sich diese Anforderungen mit den SAP-Stan-
zu optimierenden Prozesse und den passenden Provider oder dard-Prozessen decken. Welche Prozesse werden benötigt,
Partner aus. „Das wichtigste Auswahlkriterium ist hier die Er- um so nah wie möglich am Standard zu bleiben? „Sind Lücken
fahrung mit bisherigen SAP-Migrationen. Referenzprojekte vorhanden, bewerten wir diese und prüfen, ob wir diese durch
anderer Kunden geben Hinweise darauf, ob und wie erfolg- In-App-Erweiterungen bereits aus der Cloud schließen kön-
reich ein Projekt verlaufen ist. Idealerweise binden Firmen den nen. Je nachdem werden bei dieser Neuimplementierung
Partner bereits in der Analysephase ins Projekt mit ein, damit häufig die bisherigen Prozesse ersetzt, um genügend Raum
er die Systeme kennenlernt und die Ziele versteht“, rät Andrej für Innovationen zu schaffen“, so Thorsten Wilcke. „Teilwei-
Janekovic. se entwickeln wir die benötigten Funktionen direkt in der
Cloud auch selbst oder warten auf entsprechende Release-
Best Practices mit SAP Activate Updates von SAP, die für kontinuierliche Verbesserungen
Es gibt selbstverständlich viele Tools und Services, mit denen meist vierteljährlich erfolgen.“ Als Zusatzlösungen in der
SAP und seine Partner Firmen beim Umzug ihres SAP-Sys- Cloud bietet die All for One Group etwa Anwendungen für
tems in die Cloud unterstützen. Dazu zählen Lösungen für die die Archivierung von Dokumenten oder für die Konfiguration
Analyse der Bestandssysteme, Tools für die Datenmigration von Varianten in der Fertigung.
oder Software für die Transformation von Prozessen. SAP- Laut Thorsten Wilcke dauert die Implementierung einer
Partner verfügen zudem über großes Know-how für SAP-Sys- neuen SAP-Lösung in der Cloud je nach Komplexität und
teme in der Cloud mit in der Praxis erprobten End-to-End- Branche meist zwischen zwei und sechs Monaten, inklusive
Szenarien. Die All for One Group etwa hat inzwischen bereits Tests der End-to-End-Prozesse, Dokumentation, End-User-
einige Hundert mittelständische Kunden in allen Unterneh- Schulungen und Aufbau des Produktivsystems – geht also
mensbereichen auf ihrem Weg in die Cloud begleitet. viel schneller als eine komplexe On-Premise-Installation. Be-
„Bei uns steht am Anfang immer ein Readiness-Check mit schleunigt wird die Migration beispielsweise durch Software
der Analyse des bestehenden Systems und den künftigen An- für die Template-basierte Migration von Daten oder diverse
forderungen an die SAP-Lösung. Häufig geht es hier um Ver- Integrationstechnologien von SAP mit Schnittstellen für die
änderungsthemen. Firmen wollen beispielsweise mehr Trans- Verbindung von Anwendungen mit den Cloud-Instanzen.
parenz, Probleme bei der Integration von anderen IT-Syste-
men oder Datenquellen künftig vermeiden, zugekaufte Un- Fazit & Ausblick
ternehmen oder Niederlassungen besser einbeziehen oder Mit dem Ende der Standard-Wartung für die bisherige ERP
Unternehmensteile aus dem Firmenverbund herauslösen“, Business Suite 7 sowie seiner Cloud-first-Strategie setzt SAP
erklärt Thorsten Wilcke von der All for One Group. „Auf- seine Kunden unter Zugzwang und drängt sie zugleich in
grund dieser Anforderungen schlagen wir dann passende Richtung Cloud, selbst wenn die Lösungen auch On-Premise
Lösungen und Bereitstellungsmodelle vor, sei es Business By- verfügbar bleiben. Im Gegenzug unterstützt SAP gemeinsam
Design, S/4HANA in der Cloud, SAP C/4 HANA, SAP Suc- mit seinen Partnern Firmen mit Best Practices, Tools und Ser-
cessFactors oder künftig auch RISE with SAP. Auch hybride vices bei der Migration und der Optimierung von Geschäfts-
Modelle mit On-Premise-Komponenten sind dabei möglich.“ prozessen. Dennoch ist die neue SAP-Generation SAP
Bei der Umsetzung orientiert sich All for One an der SAP- S/4HANA mit weitreichenden Veränderungen in den Berei-
Activate-Methode, die auf den SAP-Best-Practice-Szenarien, chen Infrastruktur, Technologie und auch Prozessen verbun-
standardisierten Prozessen, vorgefertigten Lösungen für Da- den. Unternehmen müssen daher die Migration in die Cloud
tenmigration und Testintegration sowie Guided Configuration genau planen, um von den Vorteilen zu profitieren – Flexi-
basiert. Bei Letzterer werden die Projektteams schrittweise bilität, Skalierbarkeit,
durch nötige Konfigurationen geführt. Insgesamt durchlaufen standardisierten und op-
Firmen im Rahmen des SAP-Activate-Leitfadens sechs Pha- timierten Prozessen oder
sen: Discover, Prepare, Explore, Realize, Deploy und Run. dem schnelleren Markt- Jürgen Mauerer/kpf
Ein zentraler Punkt der SAP-Activate-Methode sind die Fit- start von neuen Produk- [email protected]

to-Standard-Workshops. Hier erklärt die All for One Group, ten und Services. ◾

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