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Wärme
Bewertung

Synthetische Treibstoffe
Wasserstoff

Batterien

Handbuch
Energiespeicher
Impressum
«SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher»

Herausgeber
Swiss Competence Center for Energy Research – Heat and Electricity Storage

Konzept
Thomas J. Schmidt, Jörg Roth

Wissenschaftliche Redaktion
Thomas J. Schmidt, Jörg Roth

Redaktion
Urs Steiger, steiger texte konzepte beratung, Luzern
Bernd Müller, Wissenschaft Kommunizieren, Meckenheim, Deutschland

Grafik
Tina Braun, Michael Hübner, www.huebnerbraun.ch, Zürich/Basel

Layout
Peter Lutz, www.lutzdocu.ch, Uster

Druck
Paul Scherrer Institut, Villigen

Erhältlich bei
Swiss Competence Center for Energy Research
Heat and Electricity Storage (SCCER HaE-Storage)
c/o Paul Scherrer Institut
5232 Villigen PSI, Schweiz

Telefon: +41 56 310 2381


E-Mail: [email protected]
Internet: www.sccer-hae.ch

Kopieren mit vollständiger Quellenangabe ist erwünscht


mit Belegexemplar an SCCER HaE-Storage.

DOI: 10.3929/ethz-b-000441253
© SCCER HaE-Storage, 2020, 11

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SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Inhalt

Kernbotschaften des SCCER 5

1 Neue Speichertechnologien –
ein Muss für die Energiewende 6
1.1 Speicher im heutigen Energiesystem und für eine sichere Energiezukunft 8
1.2 Hohe Erwartungen an Speichertechnologien 14

2 Speicherung über kurze Zeiträume 23


2.1 Batterien 24
2.1.1 Lithium-Ionen-Batterien 26
2.1.2 Natrium-Ionen-Batterien 30

2.2 Wärmespeicherung 34
2.2.1 Hochleistungs-Niedertemperatur-Wärmespeicher 34
2.2.2 Hochtemperatur-Wärmespeicher 38

2.3 Adiabate Druckluftspeicherung 44

3 Speicherung über mittlere und 
­saisonale Zeiträume 51
3.1 Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur 51
3.1.1 Saisonale Speicher fühlbarer Wärme 52
3.1.2 Eisspeicher zum Heizen und Kühlen 58
3.1.3 Saisonale Wärmespeicher mit flüssigen Sorptionsmitteln 62

3.2 Strom zu H2 66
3.2.1 Neue Materialien für Wasserstoffspeicher 66
3.2.2 Alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion 70
3.2.3 Wasserstoffproduktion mit Redoxflow-Batterie 74

3.3 Wertschöpfung aus CO2 80


3.3.1 CO2-Elektrolyse 80
3.3.2 Methanol aus CO2 84
3.3.3 Wasserstoffspeicher mit Ameisensäure 88
3.3.4 Synthetisches Methan 92

4 Literaturverzeichnis 97

3


4
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Kernbotschaften des SCCER

1. Für die Realisierung der Energiestrategie 2050 sind 7. Batterien, Druckluftspeicher, Pumpspeicher, Wärme-
Speichertechnologien für Elektrizität, Wärme und Mobi- speicher sowie Power-to-X-Systeme sind in der Lage,
lität notwendig, die die zunehmenden Schwankungen in den zunehmenden Sommerstrom aufzunehmen und
der Energieversorgung ausgleichen und die es erlauben, die Energie mittelfristig oder saisonal verschoben wie-
Energie kurz- und mittelfristig sowie saisonal zwischen- der zur Verfügung zu stellen.
zuspeichern.

8. 50 Prozent des schweizerischen Energieverbrauchs


2. Aus heutiger Sicht ist die Energiestrategie 2050 tech- fliessen heute in die Erzeugung von Wärme. Wärme-
nisch umsetzbar. Die erforderlichen Speichertechno- speicher spielen daher eine signifikante Rolle für das
logien sind vorhanden – heute schon auf dem Markt Gelingen der Energiestrategie, da sie saisonale Ver-
verfügbar, marktfähig oder nachgewiesenermassen schiebungen erlauben. Mit dem Einsatz optimierter Ma-
realisierbar. terialien lassen sich Wärmespeicher kleiner gestalten,
so dass der für die Schweiz kritische Raum- und Flä-
chenbedarf reduziert wird.
3. Investitionen in Speicherinfrastrukturen sind volkswirt-
schaftlich nachhaltig. Sie ersetzen die enormen wieder-
kehrenden Ausgaben in Höhe von jährlich 12 Mrd. Fran- 9. Die SCCER-Forschungs- und Entwicklungsarbeiten er-
ken für importierte Energieträger wie Öl, Gas und Uran möglichen, die Energieeffizienz einzelner Speichersys-
zugunsten von Anlagen zur Nutzung lokal verfügbarer teme zu optimieren und den Einsatz kritischer Materia-
erneuerbarer Energie. lien wie von Edelmetallen (in katalytischen Systemen)
oder Kobalt (bei Li-Ionenbatterien) zu reduzieren.

4. Der Einsatz von Energiespeichern erhöht die Energie-


effizienz des Gesamtenergiesystems, verbessert des- 10. Indem Power-to-X-Systeme die Energiewirtschaft mit
sen Umweltverträglichkeit, ermöglicht die Integration der chemischen Industrie verknüpfen, stellen sie es-
erneuerbarer Energien und reduziert die lokalen und senzielle Technologien dar, um die erneuerbare Was-
globalen Risiken. serstoff-, Methan- und Methanolwirtschaft zu ermög-
lichen. Damit ebnen sie den Weg zu einer Gesellschaft,
die ohne fossile Energieträger auskommt.
5. Saisonale Energiespeicher sind für eine klimaneutrale
Gesellschaft notwendig, damit die fossilen Treibstoffe
im Verkehrsbereich und die fossilen Brennstoffe für die 11. Das SCCER HaE hat ein hocheffizientes Druckluftspei-
Wärmerzeugung im Winter ersetzt werden können. chersystem entwickelt, das sich in der Schweiz realisie-
ren lässt und sich für die Mittelfristspeicherung eignet.

6. Netzgebühren, die Besteuerung von gespeichertem


Strom sowie die Subvention der fossilen Energieträger
durch wenig realistische CO2-Preise behindern die Wett-
bewerbsfähigkeit verfügbarer Speichertechnologien.

5
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende 

1 Neue Speichertechnologien –
ein Muss für die Energiewende

1.1 Speicher im heutigen Energiesystem und für eine


sichere Energiezukunft
1.2 Hohe Erwartungen an Speichertechnologien

6
(Kernkraft 4%)
Energie in der Schweiz heute
Elektrizität
Gesamtverbrauch Erdöl
25%
211 TWh
49%
14%
Gas
12%
Rest
(Kehricht, Biomasse)

Strom und Wärme

18%
27%

Verwendung
Erzeugung
16%

Strom 25% Supermarkt


Mobilität 37%
fossile Treib- und
Import (100%) Brennstoffe 64%

Energiewelt morgen (2050)

Wasser Import Energie

Wind
Geotherm
Kehricht PV
Biomasse
Druckluftspeicher
Verwendung
Erzeugung

Supermarkt
Einsatz für
Wärme und Mobilität
synthetische Treib-
und Brennstoffe

H2

Brennstoffzelle 30% Batterie 70%


Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

1.1 Speicher im heutigen Energiesystem und für eine


sichere Energiezukunft
Heute steht Energie in der Schweiz praktisch reitstellung schwanken. Erwacht morgens die
jederzeit auf Wunsch zur Verfügung. Auf Knopf- Schweiz, steigt allerorts umgehend der Wärme-
druck starten Notebooks, laufen Kaffeemaschi- bedarf. Dank dem Boiler, dem Wärmespeicher
nen, geht die Heizung in Betrieb oder zündet der im Keller, strömt aber ausreichend warmes
Automotor. Licht schaltet sich automatisch ein, Wasser aus der Dusche. Der Boiler seinerseits
sobald wir uns bewegen. Prägnanter als im alten wurde tags zuvor mit dem eigenen Solarstrom
Spruch «Strom kommt bei mir aus der Steckdo- oder nachts mit Hilfe von Strom aus dem Netz,
se» kommt diese Selbstverständlichkeit kaum mittels Biogas, Erdgas oder seltener mit Öl auf-
zum Ausdruck. Mit subtiler Ironie vermittelt er geladen.
aber auch, dass die Sache nicht so einfach ist.
Ob Strom, Holz, Biogas oder fossile Brennstoffe Im Winter werden rund 40 Prozent der Wärme
wie Öl oder Erdgas – für alle Energieträger be- in Gebäuden mit einer Ölheizung erzeugt und so
darf es einer kürzeren oder längeren Lieferkette, sorgt ein Öltank im Keller für den Energienach-
ja eines ganzen Energiesystems, bis uns der ge- schub über das ganze Jahr. Zusammen mit den
wünschte Nutzen wie Kraft, Wärme oder Licht grossen Tanklagern, wo Brennstoffe für Notla-
zur Verfügung steht. gen vorrätig sind, stellen diese Öltanks zurzeit
die grössten Energiespeicher der Schweiz dar.
Neben Öl hat Erdgas bei der Wärmeerzeugung
Im Winter werden heute rund im Winter eine grosse Bedeutung in der Schweiz.
40 Prozent der Wärme in Gebäuden Auch Erdgas wird für Notlagen gelagert – in Ka-
mit einer Ölheizung erzeugt. vernen im französischen Jura –, und das Gas-
netz stellt mit seinem Inhalt an sich eine Form
von Speicher dar.
Energie muss herangeschafft werden – aus
dem nahen Wald, aus Ölquellen im Nahen Osten, Ebenso umfangreich wie die Brennstoffvorräte
Erdgasvorkommen in Russland oder Uranminen sind die Speicher, in denen Treibstoffe wie Ben-
in Niger, Namibia oder Russland. Strom wird in zin, Diesel und Kerosin gelagert sind – in Tank-
Wasserkraftwerken in den Alpen oder an den lagern, bei den Tankstellen oder in den unter-
grossen Flüssen erzeugt, in Kernkraftwerken schiedlich vollen Tanks der rund sechs Millionen
im Mittelland und in Frankreich, in Windparks in Schweizer Motorfahrzeuge.
Spanien und an der Nordsee oder mit Solaranla-
gen auf Nachbars Dach. Eine umfangreiche Ver- Besonders anspruchsvoll ist der Ausgleich zwi-
sorgungsinfrastruktur ermöglicht, die Energie schen Energiebereitstellung und -nachfrage im
dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird. Tan- Stromnetz. Dessen Spannung und Frequenz
ker durchkreuzen die Weltmeere und schippern müssen jederzeit erhalten bleiben, der Ausgleich
den Rhein hinauf. Pipelines und Stromleitungen in Sekundenbruchteilen erfolgen – etwa, wenn
durchziehen die Kontinente und unser Land. Ein mittags die Kochherde angeschaltet werden und
dichtes Netz von Tankstellen stellt zudem sicher, der Stromverbrauch innert Kürze um ein Mehr-
dass den Autos der Treibstoff nicht ausgeht. faches steigt. Unterschiedliche Kraftwerksty-
pen helfen, Stromproduktion und -nachfrage im
Gleichgewicht zu halten: Kernkraft- und Fluss-
Energiespeicher – Teil eines jeden Energiesys- kraftwerke liefern kontinuierlich sogenannte
tems, auch heute schon Bandenergie. Mit Wasser aus Speicherseen be-
triebene Wasserkraftwerke lassen sich schnell
Doch gilt es nicht nur Distanzen zu überwinden. zu-, aber auch abschalten und können so Spit-
Ebenso anspruchsvoll ist es, die Förderung und zenbedarf abdecken. Sie ermöglichen auch den
Bereitstellung von Energie zeitlich mit der Nach- jahreszeitlichen Ausgleich. Die Schneeschmelze
frage abzustimmen. Dies muss saisonal, im und der Sommerregen füllen die Speicherseen
Wochen- und Tagesgang, ja in Bruchteilen von mit Wasser, das im Winter für die Produktion zur
Sekunden stattfinden, da Nachfrage und Be- Verfügung steht. Tagsüber und insbesondere im

8
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Sommer speisen Photovoltaikanlagen viel Strom


ins Netz – oft mehr als Bedarf dafür besteht. Der Ersatz der fossilen Energie-
Batterien bieten in diesem Fall die Möglichkeit, träger und der Kernkraft stellt eine
den Strom vom Tag für die Nacht zu speichern. ausserordentliche Herausforderung
Nicht zuletzt liefern auch Windrotoren ihren Bei- dar – nicht nur mengenmässig,
trag zur Energieproduktion. Dieser ist allerdings sondern auch hinsichtlich der
stark von der Witterung abhängig. Das Potenzial zeitlichen Verfügbarkeit.
der Windenergie für die Stromproduktion in der
Schweiz ist deutlich geringer als etwa an den
Atlantik- und Nordseeküsten, weil der Wind hier-
zulande mit geringeren Geschwindigkeiten und Verschärfend kommt hinzu, dass der Energie-
nicht in derselben Konstanz weht und die Strom- bedarf im Winter generell höher ist als im Som-
erzeugung entsprechend fluktuiert. mer, und zwar unabhängig von der Energieform.
Aufgrund des hohen Wärmebedarfs im Winter
sind die jahreszeitlichen Schwankungen bei
Die Schweiz braucht mehr und neue Speicher den Brennstoffen Öl und Erdgas am grössten.
Weniger ausgeprägt ist der winterliche Mehrver-
Mit der Energiestrategie 2050 strebt die Schweiz brauch dagegen beim Strom. Mit dem kontinu-
die Energiewende an: Sie will schrittweise aus ierlichen Zubau von Wärmepumpen dürfte sich
der Kernenergie aussteigen und gleichzeitig dieser Umstand jedoch ändern. Hinzu kommt,
bis Mitte des Jahrhunderts «klimaneutral» wer- dass die Stromproduktion im Winter bereits heu-
den. Diese energiepolitischen Ziele haben es te geringer ist als im Sommer. Der Ausbau der
in sich: Es gilt die Kernenergie und die fossilen Sonnenenergie, die im Sommer naturgemäss
Energieträger bei der Energieversorgung zu in deutlich grösserem Umfang zur Verfügung
ersetzen – sowohl durch eine Reduktion des steht, kann also nur dann als Schlüssel zur Ener-
Energiebedarfs als auch durch Formen erneuer- giewende beitragen, wenn sie mit saisonalen
barer Energie. Heute deckt die Kernenergie noch Energiespeichern gekoppelt ist.
rund vier Prozent des Gesamtenergiebedarfs
der Schweiz, was 17 Prozent des Strombedarfs Mit dem Ausbau der Solar- und Windenergie
entspricht. Die fossilen Energieträger – Erdgas, wächst die Abhängigkeit der Energieversorgung
Heizöl, Benzin und Diesel – machen zwei Drittel von der Witterung ebenso wie vom Tages- und
aus. Jahresverlauf und damit der Bedarf, die Diffe-
renz zwischen Energiebereitstellung und -ver-
brauch mit Hilfe von Energiespeichern aller Art
Zunehmende Abhängigkeit von Witterung und überbrücken zu können. Im Gegenzug sinkt die
Jahreszeiten Abhängigkeit von importierten Energieträgern.

Insbesondere der Ersatz der fossilen Energieträ-


ger und der Kernkraft stellt eine ausserordent-
liche Herausforderung dar – nicht nur mengen-
mässig, sondern auch hinsichtlich der zeitlichen
Verfügbarkeit. Die Bereitstellung von Solar- und
Mit dem Ausbau der Solar- und
Windenergie bleibt kurzfristig stets von den Wit-
terungsbedingungen abhängig, saisonal von
Windenergie wächst die Abhängig-
den Jahreszeiten. Auch bei einem Grossaus- keit der Energieversorgung von der
bau steht deshalb Solar- und Windenergie nicht Witterung ebenso wie vom Tages-
kontinuierlich zur Verfügung wie dies bei der und Jahresverlauf. Im Gegenzug
Bandenergie der Kernkraftwerke oder den leicht sinkt die Abhängigkeit von impor-
lagerfähigen flüssigen Brenn- und Treibstoffen tierten Energieträgern.
der Fall ist.

9
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

Mehr Speicherkapazität für dezentralisiertes Strom in Batterien, für Wasserstoff und synthe-
Energiesystem tische Treibstoffe

Die Energiewende verändert auch die Struktur Batterien sind eine der gängigsten Formen, um
der Energieversorgung: Eine begrenzte Anzahl Strom direkt, aber auch eher kurzfristig zu spei-
grosser Kraftwerke deckt heute den Hauptteil chern. Die Forschung und Entwicklung an ihnen
des Strombedarfs. Künftig wird – verteilt über läuft auf Hochtouren.
das ganze Land – eine kaum übersehbare Zahl
an Wind- und vor allem Photovoltaikanlagen Im grösseren Stil sind es Pumpspeicherkraft-
Strom ins Netz einspeisen. werke, die günstigen Strom nutzen, um Wasser
den Berg hochzupumpen und es bei Bedarf wie-
der für die Stromproduktion zu nutzen.
Es braucht zusätzliche Speicher-
Noch im Entwicklungsstadium sind grosse
lösungen aller Art und überall – in
Druck luftspeicher (vgl. 2.3, S. 44). Dabei wird
den Gebäuden selbst, im Quartier,
Luft aus der Atmosphäre mit einem Kompressor
auf regionaler und nationaler Ebe- in eine Kaverne gepresst. Wird die unter Hoch-
ne. druck stehende Luft zu einem späteren Zeit-
punkt in einer Turbine expandiert, lässt sich dar-
aus erneut Strom gewinnen.
Nur für einen Teil davon besteht – sofort oder
verzögert – auch ein entsprechender Bedarf Elektrochemische Verfahren eignen sich, um
vor Ort. Bei einem Einfamilienhaus übersteigt Strom in besser speicherbare chemische Ener-
die Energieernte der Photovoltaikanlage auf gie umzuwandeln, die entweder als solche ge-
dem eigenen Dach tagsüber den Eigenbedarf. nutzt oder erneut verstromt werden kann. So
Eine hauseigene Batterie kann einen Teil die- lässt sich mit Hilfe von Strom Wasserstoff
ses Stroms aufnehmen und für den kurzfristi- (H2) gewinnen (vgl. 3.2.2, S. 70), der in einer
gen Ausgleich sorgen. Ist die Batterie geladen, Brennstoffzelle zur Stromproduktion eingesetzt
fliesst Strom ins öffentliche Netz, wo vor allem wird. Unter Zugabe von Kohlendioxid (CO2) kann
im Sommer der verfügbare Strom den akuten Wasserstoff in einem weiteren Schritt in syn-
Bedarf übersteigt. Auch auf den grossflächigen thetisches Methangas (vgl. 3.3.4, S. 92) oder
Dächern eines Gewerbegebiets kann im Hoch- andere synthetische Treibstoffe umgeformt
sommer weit mehr Energie geerntet werden als werden. Derartige «Power-to-X-Systeme» (P2X)
dort verbraucht und im Stromnetz nachgefragt sind mit Verlusten verbunden, die als Abwärme
wird. Damit diese wertvolle Energie nicht ver- anfallen und meist nicht genutzt werden kön-
loren geht, sondern verfügbar ist, wenn der Be- nen. Steht jedoch Strom aus erneuerbaren Ener-
darf dafür zu einem späteren Zeitpunkt besteht, gien in grossen Mengen und kostengünstig zur
braucht es zusätzliche Speicherlösungen aller Verfügung – wie dies im Sommer tagsüber oft
Art und überall – in den Gebäuden selbst, im der Fall ist – oder lässt sich die Abwärme bei-
Quartier, auf regionaler und nationaler Ebene. spielsweise in Industrieprozessen in geeigneter
Weise nutzen, erweisen sich P2X-Systeme als
zukunftsfähige Alternativen.

Steht Strom aus erneuerbaren Fahrzeuge mit Batteriespeichern oder Tanks für
Energien in grossen Mengen und erneuerbare Treibstoffe
kostengünstig zur Verfügung,
erweisen sich P2X-Systeme als Im Mobilitätsbereich erfordert die Energiewen-
zukunftsfähige Alternativen. de, dass Autos, Lastwagen und Busse künftig
CO2-neutral verkehren – also in erster Linie mit

10
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Strom aus erneuerbaren Energien oder mit er- fossiler Energieträger wie Öl und Erdgas. Auch
neuerbaren Treibstoffen. Derzeit werden in die- wenn der Wärmebedarf durch Energiesparmass-
sem Sektor 60 Prozent des Schweizer Energie- nahmen und den Klimawandel sinken wird, ein
bedarfs, jedes Jahr rund 80 Terawattstunden ersatzloser Verzicht auf den Einsatz chemischer
(TWh), aus fossilen Quellen benötigt1 und müs- Energieträger zur Deckung des Wärmebedarfs
sen ganzjährig klimaneutral ersetzt werden. im Winter wird auch künftig nicht möglich sein.
Wie beim Verkehrssektor stellt sich hier die He-
Batterien (vgl. 2.1.1, S. 26 und 2.1.2, S. 30), rausforderung, die fossilen Energieträger durch
Tanks für Wasserstoff oder synthetisches Me- Alternativen wie Biomasse, synthetische Ener-
than ersetzen dabei die bisherigen Benzin- und gieträger, erneuerbare Elektrizität und saisonale
Dieseltanks als Energiespeicher. Ob Batterie Wärmespeicher zu ersetzen.
oder Tank – beide sichern nicht nur die Energie-
versorgung der jeweiligen Fahrzeuge, sondern
könnten darüber hinaus eine wichtige Funktion
im gesamten Energieversorgungssystem ein-
Derzeit werden im Mobilitäts-
nehmen. Sind die strombetriebenen Fahrzeuge bereich 60 Prozent des Schweizer
ans Stromnetz angeschlossen, könnten ihre Energiebedarfs aus fossilen Quellen
Batterien zum Ausgleich des Stromnetzes bei- benötigt und müssen ganzjährig
tragen: Tagsüber speichern sie überschüssigen klimaneutral ersetzt werden.
Solar- und Windstrom und entlasten damit das
Netz; nach Sonnenuntergang speisen sie ihn zu-
rück. In der Summe würden sich die potenziell Vielerorts sind bereits heute Wärmepumpen
Millionen von Elektrofahrzeugen in Schweizer im Einsatz, die Umgebungswärme auf effizien-
Garagen – entsprechendes Nutzerverhalten vor- te Weise nutzbar machen. Sie geben dabei ein
ausgesetzt – zu einem enormen Stromspeicher Mehrfaches der Energie in Form von Wärme ab,
summieren. die sie in Form von elektrischer Energie aufneh-
men. Werden die Wärmepumpen mit Wärme-
Andere Fahrzeuge können mit gut speicherbaren speichern kombiniert, lässt sich eine zeitliche
synthetischen Treibstoffen wie Wasserstoff Entkoppelung erzielen. Dazu lädt eine Wärme-
oder Methan fahren. Soll der Verkehrssektor – pumpe einen Wärmespeicher, wenn die Solar-
wie mit der Energie- und Klimapolitik angestrebt anlage auf dem eigenen Dach am Mittag am
– klimaneutral und damit fossilfrei werden, ist es meisten Strom erzeugt oder erneuerbarer Strom
unumgänglich, die hierfür ganzjährig benötigte am kostengünstigsten aus dem Netz zu bezie-
Energie in den Sommermonaten in Form von hen ist.
Strom zu produzieren – zusätzlich zur heute
benötigten elektrischen Energie. Immerhin sinkt
der Energiebedarf der Fahrzeuge, aufgrund des Die Erzeugung von Wärme ist in
höheren Wirkungsgrades von Elektrofahrzeugen
der Schweiz der wichtigste Einsatz-
– und abhängig von der eingesetzten Technolo-
bereich von Energie. Rund die
gie – auf rund zwei Drittel der heute im Strassen-
verkehr eingesetzten fossilen Treibstoffe.
Hälfte der Endenergie wird dafür
aufgewendet.

Wasser und Erdreich für die Wärmespeicherung


Verschiedene Speichersysteme erlauben Wär-
Die Erzeugung von Wärme ist in der Schweiz der me – im Erdreich oder in (Wasser-) Tanks – sai-
wichtigste Einsatzbereich von Energie. Rund die sonal zu speichern (vgl. 3.1, S. 51). Eine be-
Hälfte der Endenergie wird dafür aufgewendet, sondere Form davon sind Eisspeicher (vgl. 3.1.2,
in privaten Haushalten – für Heizung und Warm- S. 58), bei denen die Wärme bis zum Gefrier-
wasser – sogar 80 Prozent, zumeist in Form punkt entnommen wird. Gefriert das Wasser

11
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

Tabelle 1: Übersicht Markt-


zeitliche
und Kurzbewertung Bewertung Kapitel Performance verfüg-
Verwendung
verschiedener Speicher- barkeit
technologien:

Wirtschaftlichkeit
*** sehr gut geeignet/

(Minuten–Stunden)

Energieeffizienz
(Wochen–Monate)
gut verfügbar

(Stunden–Tage)
mittelfristig
kurzfristig

langfristig

Sicherheit
** geeignet/erhältlich

Umwelt
* mit Einschränkun- Speicherart
gen/Nischenprodukt

Elektrizität
Lithium-Ionen Batterie 2.1.1 *** ** – *** ** *** ** ***
Natrium-Ionen Batterie 2.1.2 *** ** – *
( )
** ** *** *
Redox-flow Batterien 3.2.3 * *** * *
( )
*** * *** *
Pumpspeicherwerke *** *** * ** ** ** ** ***
Adiabatische Druckluftspeicher 2.3 ** *** * ** *** ** *** *
Chemische Energieträger
Wasserstoff
Drucktank *** *** * * *** ** *** ***
Salzkaverne – – *** ** *** ** *** *
Metallhydride 3.2.1 – *** ** *** ** *** **
Synthetisches Methangas 3.3.4
Drucktank * *** ** ** *** ** *** ***
Untergrundlager – * *** *** *** ** *** *
Gasverteilsystem *** *** ** ** *** ** *** ***
Wasserstoff / Wiederverstromung
Brennstoffzelle: Wärme/Strom * ** *** * ** ** ** ***
Wasserstoff: andere Anwendungen
Lastwagen * *** *** * ** * ** **
Industrierohstoff *** *** *** ** *** ** *** **
Methan / Wiederverstromung
Wärmekraftkopplung: Wärme / Elektrizität *** *** *** *** * * *** ***
Gaskraftwerk: Strom(/Wärme) *** *** *** ** ** ** *** ***
Methan und andere Anwendungen
Warmwasser *** *** *** *** * ** *** ***
Fahrzeuge *** *** *** *** * * *** ***
Wärmespeicher
Sensible Wärmespeicher 3.1.1 *** ** *** *** *** *** ***
Kurzzeit Wasserspeicher ** *** *** ** *** *** *** ***
Langzeit Wasserspeicher *** *** *** *** ** *** ***
Erdreich * ** *** *** *** ** *** **
Latentwärmespeicher
Eis 3.1.2 ** *** *** *** *** *** *** ***
2.2.1
Latentspeicher höhere Temperaturen *** ** * ** *** *** *** **
2.2.2
Thermochemische Wärmespeicher
Sorption (wie NaOH) 3.1.3 * ** *** * *** *** *** *
Chemische Reaktionen * ** *** * *** *** *** *

12
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

wird so viel Wärme frei wie beim Abkühlen von


Wasser von 80 °C auf 0 °C. Ein Eisspeicher mit Neue und leistungsfähige Speicher-
einem Volumen von zehn Kubikmetern beinhal- systeme sind eine Notwendigkeit,
tet beispielsweise die gleiche Energiemenge wie um die Energiewende zu realisieren.
110 Liter Heizöl. Abhängig von der Materialwahl
des Wärmespeichers können die Übergangs-
temperaturen von flüssig zu fest (0 °C bei Eis)
auch gewählt werden, beispielsweise 60 °C für
Brauchwarmwasser oder bei 30 °C zum Heizen
der Gebäude. Herausforderungen für Wärme-
speicher sind das benötigte Volumen und die
Wärmedämmung. Eine gute Dämmung muss si-
cherstellen, dass zwischen der Speicherung im
Sommer und der Nutzung im Winter möglichst
wenig Wärme verloren geht. Ein anderer Wärme-
speichertyp, die sogenannten Sorptionsspeicher
(vgl. 3.1.3, S. 62), auch als «chemische Wär-
mepumpen» bezeichnet, kennen dieses Prob-
lem nicht. Sie enthalten Materialien, die sehr
viel Wasser aufnehmen können und bei diesem
Vorgang Wärme freisetzen. Wird das Sorptions-
material im Sommer «getrocknet», kann dieser
Prozess genutzt werden, um im Winter Wärme
zu gewinnen.

Reduzierte Auslandabhängigkeit und volkswirt-


schaftliche Vorteile

Neue und leistungsfähige Speichersysteme sind


eine Notwendigkeit, um die Energiewende zu
realisieren – um das Energiesystem kurz- und
mittelfristig auszugleichen, insbesondere um
die im Sommer in grossem Ausmass zur Verfü-
gung stehende Solarenergie effizient zu nutzen
und so im Transportsektor und bei der Raum-
wärmeversorgung ohne fossile Energieträger
auskommen zu können. Gleichzeitig bringt der
Ausbau der Energiespeicher wesentliche Vor-
teile mit sich: Die Energiespeicher schaffen die
Voraussetzung, die lokal und regional vorhande-
nen Energieressourcen nachhaltig zu nutzen. Sie
ersetzen nach und nach den Import von Energie-
trägern wie Uran, Öl und Erdgas und reduzieren
auf diese Weise die Auslandabhängigkeit. In Die Energiespeicher ersetzen nach
finanzieller Hinsicht findet eine Verlagerung und nach den Import von Energie-
von Betriebs- zu Investitionskosten statt, indem trägern wie Uran, Öl und Erdgas
werthaltige Investitionen in langlebige Speicher- und reduzieren auf diese Weise die
anlagen die Ausgaben für den Kauf von Energie- Auslandabhängigkeit.
trägern wie Uran, Öl und Erdgas ersetzen.

13
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

1.2 Hohe Erwartungen an Speichertechnologien

Energieumwandlung mit höheren Verlusten in


Speichertechnologien sollen effi- Form von Abwärme verbunden.
zient sein, möglichst günstig, aber
auch umweltverträglich und sicher. Die Effizienz der Speicher ist im Gesamtsys-
tem von Bereitstellung-Speicherung-Nutzung
zu betrachten. Es ist also danach zu fragen, ob
Neue Technologien haben berechtigterweise ein bestimmter Speichertyp dazu beiträgt, die
stets hohe Anforderungen zu erfüllen. Dies gilt Effizienz des Gesamtsystems zu verbessern.
auch für Speichertechnologien – sie sollen effi- Ein Ausschnitt aus dem System «Auto» mag
zient sein, möglichst günstig, aber auch umwelt- dies veranschaulichen: Lithium-Ionen-Batterien
verträglich und sicher. Diese Kriterien lassen von Elektrofahrzeugen verzeichnen beim La-
sich nur begrenzt absolut, hinsichtlich der ein- den und Entladen zwar Stromverluste von rund
zelnen Technologien betrachten, tragen diese 10 Prozent. Das Elektrofahrzeug selbst erreicht
doch stets einen Beitrag zur Leistungsfähigkeit dagegen einen Wirkungsrad von gesamthaft 70
des Gesamtsystems bei. Entsprechend ist eine bis 80 Prozent. Demgegenüber steht der Benzin-
vergleichende Betrachtung sinnvoll. Die Produk- tank eines Autos, woraus nur minimale Mengen
tion synthetischer Brennstoffe beispielsweise Benzin als Verlust verdunsten. Mit dem Verbren-
bleibt auch mit verbesserten Verfahren mit Wär- nungsmotor erreicht das Benzinauto allerdings
meverlusten verbunden. Wird dazu aber günsti- einen Gesamtwirkungsrad von maximal 30 Pro-
ger Solar- oder Windstrom eingesetzt, fällt die zent. Auch die Abwärmeverluste bei der Produk-
Gesamtbilanz positiv aus. tion von Wasserstoff oder synthetischen Gasen
und Brennstoffen relativieren sich, wenn die
Prozesse in geeigneter Weise kombiniert wer-
Effizient? – Je nachdem! den. So lässt sich etwa die Abwärme in einem
anderen industriellen Prozess nutzen und auf
Jede Energieumwandlung, und damit auch der diese Weise die Gesamteffizienz erheblich ver-
Einsatz von Speichertechnologien, ist mit Ver- bessern.
lusten verbunden, die sich in einer reduzierten
Effizienz der einzelnen Technologie wieder- Speicher, selbst wenn sie einen niedrigen Wir-
spiegeln. kungsgrad aufweisen, ermöglichen Energie zu
nutzen, die sonst verloren wäre, jedoch in der
Kurzzeitspeicher weisen in der Regel eine höhe- Gesamtperspektive dringend benötigt wird.
re Effizienz auf als Langzeitspeicher. Bei Wärme- Pumpspeicherkraftwerke etwa, die Wasser den
speichern spielt unter anderem das Ausmass Berg hinauf pumpen, um dieses wieder zu ver-
der Oberfläche eine grosse Rolle für die Wärme- stromen, erreichen einen Wirkungsgrad von
verluste über die Zeit. Grössere Speicher weisen 80 Prozent. Derzeit nutzen sie dazu günstigen
im Verhältnis zum Volumen eine kleinere Ober- Strom, für den es nur eine geringe Nachfrage
fläche auf und verlieren dadurch weniger Wärme gibt. Gleiches gilt für alle Speichertechnologien,
und sind entsprechend effizienter. Chemische die Solar-, Wind- und Wasserstrom nutzen, der
Speicher wie Wasserstoff oder synthetische zum jeweiligen Zeitpunkt vom Stromsektor nicht
Gase und Brennstoffe verzeichnen über lange nachgefragt wird. Sie schöpfen dabei nicht nur
Zeiträume keine Verluste, sind jedoch bei der die technischen Möglichkeiten aus, sondern
profitieren auch von den jeweils tiefen Strom-
preisen.

Die Effizienz der Speicher ist im


Gesamtsystem von Bereitstellung- Sicherheit künftiger Speichertechnologien
Speicherung-Nutzung zu betrach-
ten. Energiespeicher bündeln viel Energie auf klei-
nem Raum. Zwangsläufig und unabhängig von

14
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

der Technologie besteht damit eine Gefahr,


dass diese Energie unkontrolliert entweicht. Je Speicher, selbst wenn sie einen
grösser die Energiedichte eines Energieträgers niedrigen Wirkungsgrad aufweisen,
ist, umso grösser ist der potenzielle Schaden. ermöglichen Energie zu nutzen, die
Wasserstoff, Benzin, Diesel werden gerade we- sonst verloren wäre.
gen ihrer hohen Energiedichte geschätzt. Das
damit verbundene Risiko tritt bei Benzin und Die-
sel ganz offensichtlich zu Tage: In der Schweiz Verhalten die Drücke über Notventile sofort re-
entzünden sich jährlich zwischen 2500 bis duzieren zu können.
3000 Autos2, in Deutschland 15 000.3 Die hoch-
entzündlichen Treibstoffe führen damit zu ent- Mit dem vermehrten Einsatz von Speichern ge-
sprechenden Schäden. Mit der Umstellung der winnen naturgemäss auch kleinere Risiken an
Wärmegewinnung und der Mobilität auf andere Bedeutung. Der dezentralisierte Einsatz hat zur
Energieträger wird dieses Risiko abnehmen. Folge, dass auch die Risiken dezentralisiert sind
Auf der anderen Seite entstehen natürlich auch – zwar überall, aber kleiner. Dies trifft vor allem
neue Risiken, die es zu beachten gilt. Bei allen für die Batterien zu, die heute inzwischen all-
Forschungs- und Entwicklungsprojekten kommt gegenwärtig im Einsatz sind und die Gefahr der
Sicherheitsaspekten deshalb stets eine hohe Überhitzung und der Selbstentzündung in sich
Priorität zu. bergen. Solche sind die Folge von Produktions-
fehlern, Beschädigungen oder Fehlmanipulatio-
Bei den neuen Speichertechnologien kommen nen wie unsachgemässes Laden. Die verschie-
grösstenteils Technologien in verbesserter und denen Batterietypen unterschieden sich dabei in
optimierter Weise zum Einsatz, mit deren Um- ihrer Gutmütigkeit. Unter anderem mit Verbes-
gang – vor allem bei den elektrochemischen serungen beim Aufbau der Batterien oder mit
Verfahren – in der Industrie zum Teil jahrzehnte- neuartigen Elektrolyten leisten die technische
lange Erfahrungen bestehen und entsprechen- Entwicklung und tiefgehende Analysen4 wesent-
de Sicherheitsmanagementkonzepte wie die liche Beiträge, um die Sicherheit der Batteriesys-
Selbstabschaltung von Elektrolyseuren zum teme an sich zu erhöhen.
Einsatz kommen. Bei einigen der Technologien,
etwa den Wärmespeichern, handelt es sich ge- Allerdings gilt es wiederum eine Gesamtbetrach-
nerell um eher «gutmütige» Technologien mit tung der jeweiligen Systeme anzustellen. Statis-
einem geringen Gefahrenpotenzial. tiken zu brennenden Autos deuten etwa darauf
hin, dass ein Autobrand mit Elektroautos auch
Mögliche Risiken, beispielsweise beim Betrieb mit heutiger Batterietechnik 20 bis 50 Mal selte-
eines Druckluftspeichers, werden durch eine ner vorkommt als bei Benzin oder Dieselautos.
umfassende anlagenspezifische Risikoanalyse
beurteilt, durch geeignete Massnahmen mini-
miert und messtechnisch überwacht. Für den Künftig günstiger
Ereignisfall sind Vorgehen definiert, deren Um-
setzung die Auswirkungen der Risiken eben- Nebst den Kosten für den Bau eines Energie-
falls minimieren. Insbesondere das Risiko eines speichers, den Investitionskosten, sind auch die
explosionsartigen Entweichens der Druckluft Betriebskosten zu berücksichtigen. Dazu gehö-
wird durch die Wahl des Standortes (Gesteins-
qualität), die unterirdische Anlagenauslegung
(Abstand der Druckkammern zueinander und
zur Oberfläche) und bauliche Massnahmen mi- Als generelle Regel sind die Kosten
nimiert. Die Verformung der Druckkammern, die von Kurzfristspeichern pro Energie-
Drücke und weitere Grössen werden permanent einheit günstiger als von Langfrist-
überwacht, um bei einem allfälligen atypischen speichern.

15
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

ren beispielsweise Stromkosten für den Betrieb näre Li-Ionen-Batterien werden als obere Grenze
einer Wärmepumpe, aber auch Kosten, die durch aktuell Speicherkosten von rund 1400 CHF/kWh
Energieverluste entstehen. Insgesamt weitet Speicherkapazität veranschlagt beziehungs-
sich ein ausserordentlich breites Kostenspekt- weise 420 CHF/kW installierte Leistung. Für
rum, das nach einer groben Schätzung von rund Speichersysteme, die auf der Power-to-gas-to-
einem Tausendstel Franken pro Kilowattstunde power-Technologie beruhen, liegen die Kosten
und Jahr für Tankanlagen für Heizöl, Benzin und bei 1000 bis 5500 CHF/kW, sofern Methan ver-
Diesel bis zu mehreren Franken bei Speicher- wendet wird; wesentlich günstiger fällt die Rech-
seen reicht. Verantwortlich für die niedrigen nung aus, wenn Wasserstoff (500 CHF/kW) zum
Speicherkosten für Brenn- und Treibstoffe ist Einsatz kommt.5
die relativ einfache Technologie (Low-Tech), die
bei Tankanlagen zur Anwendung kommt. Dazu Die aktuellen Betriebskosten von Energiespei-
kommt, dass fossile Treib- und Brennstoffe nicht chern werden – mit Ausnahme der Pumpspei-
zu den Vollkosten gehandelt, sondern subventio- cherkraftwerke – durch die geltenden Geset-
niert werden, solange die Umweltschäden durch zesbestimmungen verzerrt, weil Speicher als
Treibhausgase nicht im notwendigen Masse Endverbraucher betrachtet und entsprechende
auf den Treib- und Brennstoff umgelegt sind. Nutzungsentgelte und Mehrwertsteuern fäl-
Im Vergleich zu den reinen Speicherkosten der lig werden. Auch der Nutzen der Speicher zur
fossilen Brenn- und Treibstoffe sind alle anderen Netzstabilisierung wird nicht entsprechend ho-
Speichertechnologien teurer. Dies gilt speziell noriert. Bei den Speicherkraftwerken steht eine
für jene, die komplexe Steuerungssysteme oder Wende in Aussicht, steht doch zur Diskussion,
kostspielige Materialien einsetzen. die Bereitstellung der Speicherkapazität in ir-
gendeiner Form abzugelten.6 Zudem werden die
Als generelle Regel sind die Kosten von Kurz- Umweltkosten der fossilen Referenztechnolo-
fristspeichern, sofern sie oft befüllt und geleert gie, primär die Kosten der CO2-Emissionen, nicht
werden, pro Energieeinheit günstiger als von richtig abgebildet.
Langfristspeichern. Bei den Wärmespeichern
zeigt sich, dass grössere Speicher pro Energie- Sowohl die technologische Entwicklung als
einheit günstiger sind als kleinere, da die Um- auch die Marktentwicklung führen erfahrungs-
fassung eines grossen Speichervolumens im gemäss dazu, dass die Kosten für die Energie-
Verhältnis weniger aufwendig ist. speicherung sinken werden. Dies gilt zumindest
für Speicher, die auf High-Tech-Technologien
beruhen. Bei stationären Li-Ionen-Batterien wird
Die aktuellen Betriebskosten von mit einer Halbierung der Kosten bis 2030 ge-
Energiespeichern werden durch die rechnet.7 Die Kosten für Low-Tech-Speicher wie
geltenden Gesetzesbestimmungen Tankanlagen, aber auch für Speicher für sensible
verzerrt. Wärme sind nicht technologieabhängig, sondern
werden von Land- oder Baukosten bestimmt.

Die Investitionskosten grosser Pumpspeicher- Noch nicht absehbar ist, welche Geschäftsmo-
werke (mehr als 100 MW) beispielsweise liegen delle sich durchsetzen werden, beziehungswei-
bei 1000 bis 4500 Franken pro Kilowatt (CHF/ se wer wann für die Kosten aufkommen wird. Im
kW) installierte Leistung. Wesentlich günstiger Moment sind es im Gebäudebereich vorzugs-
sind die Kosten für Druckluftspeicher; sie wer- weise Private, die zur Optimierung ihrer Energie-
den mit 220 bis 1100 CHF/kW installierte Leis- kosten Batterien oder Wärmespeicher installie-
tung veranschlagt beziehungsweise mit 200 bis ren. Für grössere Wärmespeicher oder auch für
300 CHF/kWh Speicherkapazität. Der günstigs- Druckluftspeicher sind andere Investitionsmo-
te Fall bezieht sich dabei auf den in Biasca rea- delle erforderlich – beispielsweise Dienstleister,
lisierten Speicher, zu dessen Entwicklung das die die Anlagen erstellen und die gespeicherte
SCCER wesentlich beigetragen hat. Für statio- Energie vermarkten. Auch ist zu erwarten, dass

16
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Energie im Winter zu höheren Preisen als im


Sommer gehandelt wird, unabhängig davon, ob Die technologische Entwicklung
das Schweizer Energiesystem eigene Speicher wie auch die Marktentwicklung
besitzt oder nicht. Ob der Preisunterschied bei führen erfahrungsgemäss dazu,
den Verbraucherinnen und Verbrauchern an- dass die Kosten für die Energie-
kommt oder über das Jahr gemittelt wird, bleibt
speicherung sinken werden.
abzusehen.

lung bestimmter Abbaugebiete ist. Bei Kobalt


Fortschritte in der Umwelt- und Sozialverträg- beispielsweise stammen 60 Prozent der glo-
lichkeit balen Produktion aus Kleinstminen im Kongo.
Bei Lithium finden sich die grössten bekannten
Wie jede Technologie haben auch Energiespei- Vorkommen in den Salzseen der Atacama-Wüs-
cher Auswirkungen auf die Umwelt. Relevante te in der Grenzregion von Chile, Argentinien und
Aspekte sind unter anderem die verwendeten Bolivien. Der Abbau erfolgt unter fragwürdigen
Materialien, der Flächen- oder Raumbedarf be- Umweltbedingungen (u.a. absinkender Grund-
ziehungsweise die landschaftlichen Auswirkun- wasserspiegel, Luftbelastungen). Entsprechend
gen oder die Treibhausgasemission. Die Um- gewinnen Strategien an Bedeutung, die den Be-
weltverträglichkeit einzelner Speichersysteme darf an Neumaterialien verringern. Bei Lithium
hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab, ins- wird aktuell erst ein verschwindend kleiner An-
besondere auch von der jeweiligen Anwendung, teil des eingesetzten Materials rezykliert, was
von der Effizienz oder der Lebensdauer der je- unter anderem mit dem erst geringen Material-
weiligen Anlage.8 strom zusammenhängt. Mit wachsendem Be-
darf wird es notwendig, diesen Materialkreislauf
zu schliessen. Forschung und technische Ent-
Einsatz kritischer Materialien vermindern oder wicklung suchen andererseits nach Lösungen,
vermeiden den Bedarf an kritischen Materialien zu reduzie-
ren oder ganz auf sie zu verzichten. Neuartige
Bei verschiedenen Speichertechnologien kom- Katalysatoren, die im Rahmen des SCCER für die
men mit Lithium, Kobalt, Gold oder Iridium sel- CO2-Elektrolyse entwickelt wurden, kommen bei-
tene, nur begrenzt verfügbare Materialien zum spielsweise mit weniger oder ganz ohne Iridium
Einsatz oder Stoffe, deren Gewinnung und Auf- aus (vgl. 3.3.1, S. 80).
bereitung potenziell mit Umweltbelastungen
verknüpft sind. Mancherorts herrschen – aus
sozialer Perspektive – prekäre Arbeitsbedingun- Wärmespeicher mit grossem Raum- und Flä-
gen in den Abbauregionen oder es bestehen auf- chenbedarf
grund weniger Fundorte geopolitische Risiken.
Zum Einsatz kommen sie, weil sie grössere Spei- Wärmespeicher, aber auch der Druckluftspei-
cherkapazitäten ermöglichen, leistungsfähigere cher, nehmen Raum in Anspruch, der irgendwo
Katalysatoren sind, für bessere Leitfähigkeit sor- – meist unterirdisch, manchmal aber auch ober-
gen oder für eine raschere Bereitstellung der ge- irdisch oder im Gebäude selbst – zur Verfügung
speicherten Energie. Mit dem wachsenden Be-
darf entsprechender Materialien nehmen auch
die potenziellen Belastungen zu, oder es stellt
sich die Frage der Knappheit. Die Deklarierung
Neuartige Katalysatoren, die im
und Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstan- Rahmen des SCCER für die CO2-
dards würden die Voraussetzungen schaffen, die Elektrolyse entwickelt wurden,
Umwelt- und Sozialbedingungen beim Abbau zu kommen mit weniger oder ganz
verbessern. Dies gestaltet sich allerdings umso ohne Iridium aus.
schwieriger, je ausgeprägter die Monopolstel-

17
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

Abbildung 1: Treib- Treibhausgasemissionen aus der Herstellung der Batterien


hausgasemissionen pro kWh Speicherkapazität
verursacht durch die Her-
stellung verschiedener
Lithium-Ionen-Batterien Heimspeicher (LFP)
pro kWh Speicherkapazi-
tät.
LFP: Eisenphosphat;
E-auto (NCA)
LTO: Lithium-Titan-Oxid;
NCA: Nickel-Cobalt-
Aluminium.
E-Bike (LTO)
Quelle: basierend auf Schmidt et al.
(2019)9, modifiziert nach Cox et al.
(2020)10.

0 50 100 150 200 250 300

Elektrodenmaterial Stromableiter
Batteriemanagement Energieverbrauch
Elektrolyt, Separator, Gehäuse

gestellt werden muss. Wird Raum oberirdisch welche Materialien genutzt werden, wie Strom
beansprucht, sind damit landschaftliche Auswir- und Wärme für die Herstellung erzeugt werden
kungen verbunden wie beim Warmwasserspei- und wie energieeffizient die Herstellung abläuft
cher im Talkessel von Schwyz. Der Raumbedarf ( Abb. 1 9,10).
der Wärmespeicher ist direkt abhängig von der
Wärmekapazität des verwendeten Mediums. Diese Emissionen sind im Zusammenhang mit
Entwicklungen im Rahmen des SCCER zeigen, der Anwendung der Batterien zu betrachten. Bei
dass sich Möglichkeiten bieten, mit Hilfe be- stationären Anwendungen der Batterien hängt
stimmter Materialen das Speicherpotenzial so- deren relative Umweltbilanz stark vom Nut-
wohl von Hoch- als auch von Niedertemperatur- zungsverhalten ab und von der CO2-Intensität
speichern zu erhöhen und auf diese Weise das des gespeicherten Stroms. In der Schweiz ergibt
Volumen zu reduzieren (vgl. 2.2.1, S. 34 und sich aus der stationären Zwischenspeicherung
2.2.2, S. 38). Auch eine geschickte Steuerung in etwa eine Verdopplung der CO2-Belastung
des Lade- und Entladevorgangs kann dazu bei- des Stroms.11 Wird Strom kurz- bis mittelfristig
tragen, den Raumbedarf sensibler Wärmespei- – bis maximal wenige Stunden – gespeichert,
cher merklich zu reduzieren. schneiden Batterien hinsichtlich CO2-Bilanz im
Vergleich zu anderen Speichertechnologien am
besten ab. Für die Mittel- und Langzeitspeiche-
Die Reduktion der Treibhausgase ist rung liegen die Vorteile bei anderen Optionen
ein zentrales Ziel der Energiewende. – Druckluft- und Pumpspeicher sowie Power-X-
Systeme vor allem dann, wenn grossen Energie-
mengen gespeichert werden müssen.12
Batterien mit guter CO2-Bilanz
Es bieten sich einige Möglichkeiten, die CO2-
Die Reduktion der Treibhausgase ist ein zentra- Emissionen von Li-Ionen-Batterien künftig wei-
les Ziel der Energiewende. Damit stellt sich ter zu reduzieren: Die Produktion der Batterien
auch die Frage nach den CO2-Emissionen, die könnte mit Hilfe erneuerbarer Energie erfolgen,
mit der Produktion, dem Betrieb und der Ent- und nicht wie heute in Asien mit Strom vorwie-
sorgung von Energiespeichern verbunden sind. gend aus Kohlekraftwerken. Auch dank Recyc-
Die Herstellung gängiger Lithium-Ionen-Batte- ling liesse sich die Bilanz deutlich verbessern.
rien verursacht heute beispielsweise Treibhaus- Schliesslich können Batterien aus Elektroautos
gasemissionen von rund 100 kg pro kWh Spei- am Ende ihrer Lebensdauer in einem sogenann-
cherkapazität. Wie viel genau hängt davon ab, ten «second life» als stationäre Stromspeicher

18
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

6 Speicherbedarf Abbildung 2: Speicher-
in GW bedarf (in GW) in Abhän-
gigkeit der installierten
Kapazität in Wind- und
4 Photovoltaikanlagen
(über alle Szenarien, ohne
Netzerweiterung).13

Installierte Leistung
0 von Wind und Sonne
5 10 15 20 in GW

Power-to-X
Pumpspeicher
(CH4/Methanol, H2 ...)

Batterien

zum Einsatz kommen. Es ist davon auszugehen,


dass die spezifische Speicherdichte, also die Wird Strom bis maximal wenige
Zahl der Kilowattstunden, die pro Kilogramm Stunden gespeichert, schneiden
Batterie gespeichert werden kann, noch deutlich Batterien hinsichtlich CO2-Bilanz im
zunehmen wird. All diese Massnahmen sollten Vergleich zu anderen Speichertech-
in einigen Jahren gängiger Praxis entsprechen nologien am besten ab.
und dazu beitragen, die Umweltbilanz von Batte-
rien weiter zu verbessern.
dies noch nicht generell der Fall, da dieses Feld
bislang von den fossilen Energieträgern besetzt
Rasch wachsender Speicherbedarf wurde.

Jedes Speichersystem hat seine spezifischen Batterien und Power-to-X-Speicher spielen die
Vor- und Nachteile und das Energiesystem stellt entscheidende Rolle, um den zunehmenden An-
unterschiedliche Anforderungen an die Speiche- teil an Solar- und Windenergie auszugleichen
rung. Es gilt kurzzeitige Schwankungen im Se- und das Energiesystem zu stabilisieren. So sind
kundenbereich auszuregeln, Stundenreserven zu Pumpspeicherwerke darauf ausgelegt, mittlere
bewirtschaften oder – mit zunehmendem Um- bis hohe Netzspannungsebenen auszugleichen.
bau des Energiesystems – saisonalen Ausgleich Windturbinen und die Solar-Photovoltaik hin-
zu schaffen. Der Sekunden- und Stundenbereich gegen arbeiten auf mittleren bis niedrigen Span-
ist bereits heute marktrelevant. Bei der saisona- nungsebenen, auf denen sich Batterien für den
len Verschiebung ist dies allenfalls ansatzweise Ausgleich von Angebot und Nachfrage anbieten.
bei den Speicherseen der Fall und dabei dreht Entsprechend ist von einer deutlichen Zunahme
es sich primär um den Stromsektor. Wärme
wird – von Pilotprojekten abgesehen – nur in
Privathaushalten oder in Wärmeverbünden über
mehrere Stunden bis einige Tage gespeichert. Batterien und Power-to-X-Speicher
Die gute Nachricht ist: Die Speicherlösungen für spielen die entscheidende Rolle, um
diesen Bedarf – Sekunden bis Tage – sind tech- den zunehmenden Anteil an Solar-
nisch verfügbar und als Batterien, Pump- oder und Windenergie auszugleichen
Warmwasserspeicher so weit ausgereift, dass und das Energiesystem zu stabili-
sie den Endnutzerinnen und -nutzern übergeben sieren.
werden können. Für die saisonalen Speicher ist

19
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

Leistungen des SCCER für die Energiestrategie


Angesichts des wachsenden An- 2050
gebots an kostengünstigem Solar-
strom im Sommer könnten künftig Das erklärte Ziel des SCCER, einen gut gefüllten
bis zu 900 GWh Strom im Sommer Werkzeugkasten hinsichtlich der Herausforde-
in Form von Wasserstoff und Erd- rung bereitzustellen, die die Energiestrategie
2050 im Bereich der Speichertechnik mit sich
gas gespeichert werden.
bringt, konnte erfüllt werden. Aus heutiger Sicht
ist die Energiestrategie 2050 damit technisch
umsetzbar.
des Bedarfs an Batteriespeicherkapazitäten
aus zugehen (Abb. 2 13), die letztlich jene der Mit seinen Forschungen und Entwicklungen
Pumpspeicherwerke deutlich übersteigen dürfte. der letzten sieben Jahre leistete das SCCER
Angesichts des wachsenden Angebots an kos- essenzielle Beiträge, um die technische Leis-
tengünstigem Solarstrom im Sommer bieten tungsfähigkeit verschiedener Energiespeicher
sich aber Power-to-X-Pfade auch als saisonale hinsichtlich Effizienz, Speicherdichte oder Ener-
Speicheroption an. Angetrieben durch die saiso- giebereitstellung zu verbessern und die Bedeu-
nale Differenz in den Stromgestehungskosten tung für die Gesellschaft zu untersuchen. Dabei
könnten gemäss den im SCCER untersuchten wurde in Pilotanlagen die Realisierbarkeit nach-
Szenarien künftig bis zu 900 GWh Strom im gewiesen und die Marktfähigkeit untersucht. Zu
Sommer in Form von Wasserstoff und Erdgas Beginn wurden viele Ansätze auf allen Ebenen
gespeichert werden, die in den Übergangszeiten verfolgt. Die vielversprechendsten Technologien
und im Winter im Verkehrssektor oder für statio- wurden zur nächsten Stufe weiterentwickelt,
näre Anwendungen zur Verfügung stehen. Laut andere hingegen verworfen, weil sie aus heuti-
den untersuchten Szenarien würden künftig ger Sicht noch zu grundlegend sind, um für die
etwa 13 Prozent des im Sommer aus variablen Energie strategie 2050 relevant zu sein. In die-
erneuerbaren Quellen gewonnen Stroms für die sem Prozess sind Lösungen für die zwei gros-
saisonale Speicherung zur Verfügung stehen.14 sen Herausforderungen weiter – aber auch neu
– entwickelt worden:
Mit dem vermehrten Einsatz unterschiedlicher 1. Kurz- und mittelfristige Speicherung von
(Speicher-)Technologien wird das Energiesys- Elektrizität und Wärme: Die kobaltarme Li-
tem insgesamt robuster und die Sicherheits- Ionen-Batterie ist ebenso zu erwähnen (vgl.
risiken werden generell reduziert. Das aktuelle 2.1.1, S. 26) wie die adiabate Druckluft-
Energiesystem ist einseitig auf fossile Energie- speicherung, die gleichzeitig ein Anwen-
quellen abgestützt – mit entsprechenden Folgen dungsfeld für die Hochtemperaturwärme-
für die (Versorgungs-) Sicherheit. Kriegerische speicherung darstellt (vgl. 2.3, S. 44 und
Spannungen in der Strasse von Hormuz machen 2.2.2, S. 38).
sich heute in der ganzen Welt bemerkbar – nicht 2. Der saisonale Ausgleich mittels Wärme-
zuletzt an der nächsten Tankstelle. speichern und chemischen Energieträgern:
Unterschiedliche Wärmespeicherkonzepte
wurden untersucht und zu funktionsfähi-
gen Systemen weiterentwickelt (vgl. 3.1,
S. 51). Im Feld der chemischen Energie-
Mit dem vermehrten Einsatz unter- träger wurde die Wasserstofferzeugung und
schiedlicher (Speicher-)Techno- -speicherung, der Einsatz von CO2 als Roh-
logien wird das Energiesystem stoff für erneuerbares Methanol und Methan
insgesamt robuster und die Sicher- sowie der Ameisensäure-Kreislauf betrach-
heitsrisiken werden generell redu- tet. Neben den klassisch katalytischen An-
ziert. sätzen wurde die elektrochemische Erzeu-
gung von Kohlenwasserstoffen aus CO2 und

20
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Wasser, ausgehend von den theoretischen wickeln sich Geschäftsmodelle und Investitions-
Grundlagen, bis zur 200-cm²-co-Elektroly- entscheide, die notwendig sind, um die in den
sezelle entwickelt. Damit kann sowohl der SCCER entwickelten Technologien weiter voran-
Transportsektor als auch die Industrie mit zubringen und vom Labor in das Energiesystem
erneuerbarer Energie versorgt werden (vgl. der Energiestrategie 2050 zu bringen.
3.3.4, S. 92).
Die beiden folgenden Kapitel leuchten detailliert
Diese Themen sind von grosser Bedeutung, da aus, mit welchen Speichersystemen sich das
es darum geht, jene 64 Prozent des Energiebe- SCCER beschäftigt hat, und diskutiert die sich
darfs mit erneuerbarer Energie zu versorgen, der bietenden technologischen und wirtschaftlichen
heute mit importierten fossilen Quellen gedeckt Chancen und Hindernisse.
wird. Gleichzeitig sind die übrigen 20 Prozent
des heutigen Stromsektors ebenfalls ganzjährig
mit erneuerbarer Energie zu decken. Nun sind politische Entscheide im
Sinne einer kohärenten Energie-
Bei den Forschungsarbeiten des SCCER bildeten
politik zu treffen, um die regulato-
sowohl natur- und ingenieurwissenschaftliche
rischen Hindernisse abzubauen, die
Fragestellungen als auch sozioökonomische
Aspekte das Zentrum der Arbeiten. Das SCCER
den Einsatz von Energiespeichern
hat Werkzeuge geschaffen, um kritische Fragen zurzeit noch behindern oder
hinsichtlich der systemischen Fragen und der verunmöglichen.
Umweltverträglichkeit beantworten zu können.
In verschiedenen Szenarien wurde ermittelt, wie
die Speichersysteme im Energiesystem zeitlich
und räumlich entwickelt werden sollten, um den
Energiebedarf jederzeit nachhaltig zu befriedi-
gen. Welche Rolle Power-to-X übernehmen kann,
wurde in einem Weissbuch15 zusammen mit drei
anderen SCCER gesondert untersucht. Auf dem
Gebiet der Ökobilanzierung hat die vergleichen-
de Analyse der Li-Ionen-Batterie und der Na-Io-
nen-Batterie gezeigt, dass die Na-Systeme zwar
mit umweltfreundlicheren Komponenten aus-
kommen, in der Gesamtbilanz aber nicht besser
abschneiden als die Li-Systeme, da sie doppelt
so viele Ressourcen benötigen.

Wie mit diesem Kapitel dargestellt, ist eine brei-


te Palette an unterschiedlichen Speichertech-
nologien nötig, um das ganze Feld optimal ab-
zudecken – sowohl räumlich, zeitlich als auch
anwendungsbezogen. Das SCCER hat nach-
gewiesen, dass die Speichertechnologien grund-
sätzlich verfügbar und einsetzbar sind, dies nicht
zuletzt auch mit zahlreichen Demonstratoren.
Nun sind vor allem politische Entscheide im Sin-
ne einer kohärenten Energiepolitik zu treffen, um
die regulatorischen Hindernisse abzubauen, die
den Einsatz von Energiespeichern zurzeit noch
behindern oder verunmöglichen. Dadurch ent-

21
Neue Speichertechnologien – ein Muss für die Energiewende  

22
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

2 Speicherung über kurze Zeiträume

2.1 Batterien
2.1.1 Lithium-Ionen-Batterien

2.1.2 Natrium-Ionen-Batterien

2.2 Wärmespeicherung
2.2.1 Hochleistungs-Niedertemperatur-Wärmespeicher

2.2.2 Hochtemperatur-Wärmespeicher

2.3 Adiabate Druckluftspeicherung

23
2.1 Batterien

Speicherung über kurze Zeiträume   —  Batterien  

2.1 Batterien

Lithium-Ionen-Batterien Natrium-Ionen-Batterien
Vorteile Vorteile
➢ ausgereift und in Massenproduktion ➢ hohe Ströme
➢ sehr hohe Speicherdichte ➢ Rohstoffe ausreichend vorhanden
➢ langlebig ➢ Produktionsinfrastruktur von Lithium-Ionen-
➢ kontinuierliche Leistungssteigerung dank welt- Batterien nutzbar
weiter Forschung und Entwicklung
Nachteile
Nachteile ➢ geringere Energiedichte
➢ enthält geopolitisch kritische Materialien wie ➢ noch viel Forschung und Entwicklung zu
Lithium Elektrodenmaterialien nötig
➢ enthält den kritischen Rohstoff Kobalt
➢ hoher Preis bezogen auf die Speicherkapazität Reife der Technologie
für grossformatige Zellen ➢ Technologie-Reifegrad (TRL): 3–4
➢ Zellhersteller fast nur noch in Asien
Meilensteine des SCCER
Steckbriefe

Reife der Technologie ➢ Untersuchung neuer Elektrodenmaterialien


Technologie-Reifegrad (TRL):
➢ 9 für aktuelle Produkte Weiterer Forschungsbedarf
➢ 4 für neuartige Zellen, etwa mit Feststoffelek- ➢ weitere Erforschung neuer Materialien
trolyt

Meilensteine des SCCER


➢ neue Kathodenmaterialien mit geringerem
Kobaltanteil
➢ neue Elektrolyte für reaktive Kathoden
➢ Zelle mit optimierten «dicken» Elektroden mit
hoher Energiedichte

Weiterer Forschungsbedarf
➢ vollständiger Verzicht auf kritische Materialien
➢ höhere Lebensdauer mit neuen Konzepten
➢ kostengünstigere Materialien für bestehende
Technologien
➢ weitere Erhöhung der Sicherheit und Zuver- Kosten
lässigkeit in CHF/kWh
➢ verbesserte Leistung bei niedrigen Tempera- 10-1
turen

10-2

Kurzfristige Speicherung

Power-to-X 10-3
Pumpspeicher
(CH4/Methanol, H2 ...)
CO2-Äquivalent
Druckluftspeicherung Batterien in g/kWh

200 400 600 800

24
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Das Prinzip von Lithium-Ionen- und Natrium-Ionen-Akkus

! Aluminium

Kobalt
Kathode

Elektrolyt Na+

Li+

Entladen
Laden Natrium

Lithium

Li+ Ionen Na+

Graphit Bioabfälle
Na

Li Anode

Kupfer Aluminium

Elektromobilität

Speichervolumen
Batteriespeicher

25
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Batterien   —  Lithium-Ionen-Batterien 

2.1.1 Lithium-Ionen-Batterien

Bedeutung für die Energiestrategie Herstellungskosten der Batterien, wird es für Haus-
2050 besitzerinnen und -besitzer noch interessanter, ihren
Lithium-Ionen-Batterien sind – etwa für portable Solarstrom zu speichern und so den Eigenanteil am
Elektronikgeräte – bereits heute nicht mehr aus Stromverbrauch deutlich zu steigern. Sie können auf
dem Alltag wegzudenken. Sie versorgen trag- diese Weise mithelfen, die Stromnetze zu entlasten.
bare Elektronikgeräte wie Laptops, Smartphones
und Tablets mit Energie und treiben Elektroautos
an – Li-Ionen-Batterien machen Strom transpor-
tabel. Ohne sie würde die Welt anders aussehen.
Dies hat auch das Nobelpreis-Komitee erkannt
und die Entwicklung von Li-Ionen-Batterien 2019
mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt. Li-Ionen-
Batterien gehören zu den Schlüsseltechnologien,
die eine Gesellschaft ohne fossilen Kohlenstoff
ermöglichen. Ihre Bedeutung widerspiegelt sich in
den Wachstumszahlen: Die weltweite Nachfrage
nach Batterien wächst voraussichtlich von etwa
300 Gigawattstunden im Jahr 2020 auf knapp
3000 Gigawattstunden im Jahr 2030 um das Zehn-
fache, hauptsächlich für die Elektrifizierung des
Autoverkehrs. Batterien eignen sich auch, um das
Angebot an und die Nachfrage nach elektrischer
Energie von Minuten bis zu mehreren Tagen aus-
zugleichen. Damit spielen sie eine entscheidende
Rolle bei der Integration der stark schwankenden
erneuerbarer Energiequellen wie Sonne und Wind in
das Stromnetz.
Doch weisen auch Li-Ionen-Batterien ihre Schat-
tenseiten auf. Ihre Herstellung erfordert eine Vielzahl
unterschiedlicher Materialien. Lithium wird heute
überwiegend in Australien und Chile gewonnen. Im-
mer wieder befürchten Expertinnen und Experten, das
begehrte Metall könnte Opfer politischer Streitigkeiten
und damit knapp werden. Die Batterieelektroden
enthalten zudem Kobalt, ein für die europäische Wirt-
schaft als kritisch eingestufter Rohstoff, wird es doch
in manchen Ländern unter fragwürdigen Umwelt- und
Arbeitsbedingungen abgebaut. Die Forschung hat
sich deshalb in den letzten Jahren darauf konzent-
riert, Batterien zu entwickeln, die mit weniger – oder Ansprechpartner
besser ohne – diese kritischen Materialien auskom- ➢ Corsin Battaglia, Materials for Energy Conversion, Empa,
men. Gleichzeitig erhoffen sich die Forschenden eine [email protected]
höhere Energiedichte, die beispielsweise eine höhere ➢ Sigita Trabesinger, Electrochemistry Laboratory, PSI,
Reichweite von Elektroautos erlaubt, eine lange [email protected]
Lebensdauer sowie grösstmögliche Sicherheit. ➢ Axel Fuerst, Smart Industrial Systems, BFH,
Auch die Produktionskosten spielen mit rund [email protected]
einem Viertel der Gesamtkosten eine relevante ➢ Maksym Kovalenko, Functional Inorganic Materials Group, ETHZ,
Rolle. Denn von ihnen hängt es ab, ob Elektroautos [email protected]
eines Tages so günstig in der Anschaffung sind wie ➢ Katharina Fromm, Departement für Chemie, Uni Fribourg
Autos, die mit Benzin oder Diesel fahren. Sinken die [email protected]

26
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Lithium-Ionen-Batterien – das Funktionsprinzip


Kommerzielle Lithium-Ionen-Batterien bestehen Lebensdauer (Zyklen-Stabilität) zu verbessern,
gegenwärtig aus einer negativen Elektrode aus muss hier angesetzt werden.
Graphit, einem Elektrolyten und einer positiven
Elektrode aus einem Metalloxyd (basierend Bleibt noch die Rolle des Elektrolyten. Dabei
auf Nickel, Mangan und Kobalt) sowie Kontak- handelt es sich um eine organische lithiumsalz-
ten aus Kupfer am negativen Pol und Alumi- haltige Flüssigkeit, in der sich die Lithium-Ionen
nium am positiven Pol. Im geladenen Zustand möglichst leicht bewegen sollen. Der Elektrolyt
ist das Lithium im Graphit eingelagert. Bei der ist einer elektrischen Spannung ausgesetzt, in
Entladung gibt das Lithium ein Elektron ab und der er sich nicht zersetzten darf. Die Zellspan-
bewegt sich als positiv geladenes Ion zur posi- nung einer geladenen Li-Ionen-Batterie liegt
tiven Elektrode, wo es sich ins Kristallgitter des bei deutlich über 3 Volt, je nach Typ. Wäre der
Metalloxids einlagert. Wird die Batterie gela- Elektrolyt wasserhaltig, käme es unter diesen
den, findet der umgekehrte Prozess statt. Das Bedingungen in Folge der hohen elektrischen
Lithium-Ion bewegt sich zur Graphit-Elektrode Spannung, die innerhalb der Zelle entsteht, zu
und nimmt dort ein Elektron auf. Wasserstoff- und Sauerstoffentwicklung. Die
heute verwendeten Elektrolyte sind in der Regel
Diese drei Komponenten der Li-Ionen-Batte- nicht komplett inert, sondern reagieren an den
rie, die positive und negative Elektrode und der Elektrodenoberflächen. Dies kann zu Ablage-
Elektrolyt, verändern sich durch die Nutzung der rungen oder auch zu Gasentwicklung führen.
Batterie und müssen hinsichtlich ihrer Alterung Aus diesem Grund muss der Elektrolyt an die
verstanden werden, um Fortschritte erzielen zu Zellspannung des Batteriesystems (bestimmt
können. durch die positive und die negative Elektrode)
angepasst werden.
An der negativen Elektrode (Graphit) ist be-
sonders der Ladevorgang zu betrachten. Der Die Batterien sollen künftig über
Einlagerung des Lithium-Ions muss genügend
eine höhere Energiedichte verfügen,
Zeit gegeben werden, damit das Ion in die
Graphitpartikel eindringen kann. Ansonsten wird
viele Tausend Lade-/Entladezyklen
die Graphitelektrode mit metallischem Lithium ohne Kapazitätsverlust überstehen
oberflächlich beschichtet und es kann zu einem und auf Materialien verzichten, die
Wachstum von Lithium-Dendriten kommen, die begrenzt sind und die Umwelt be-
im Extremfall zu einem inneren Kurzschluss lasten.
führen, sobald sie die positive Elektrode errei-
chen. Hier spielen die Diffusionsgeschwindig-
keit des Lithiums sowie die Geometrie und An- Forschung im SCCER
ordnung der Graphitpartikel eine Rolle. Je dicker
die Elektrode, desto mehr Energie kann die Zelle Die SCCER-Forscherteams haben wertvolle
aufnehmen, aber desto weniger schnell kann Erkenntnisse gewonnen, die zur Entwicklung
geladen und entladen werden (die Leistung ist der nächste Generation von Li-Ionen-Batterien
limitiert). beitragen. Sie sollen künftig über eine höhere
Energiedichte verfügen, viele Tausend Lade-/
Die Detailvorgänge an der positiven Elektrode Entladezyklen ohne Kapazitätsverlust überste-
(Kathode) sind sehr komplex, es findet oft eine hen und auf Materialien verzichten, die begrenzt
Veränderung der Kristallstruktur beim Laden sind und die Umwelt belasten. Dabei sollen die
und Entladen statt, was auch mit mechanischen Produktionskosten noch einmal deutlich unter
Spannungen innerhalb der Kathodenpartikel ein- jene von heute in Massenproduktion verfüg-
hergeht und zu Leistungsabfall durch langfristi- baren kleinen Consumerzellen sinken. Erstaun-
ge Zerstörung der Struktur führen kann. Um die licherweise sind heute grossformatige Zellen

27
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Batterien   —  Lithium-Ionen-Batterien 

bezogen auf die Speicherkapazität noch immer rialien. Nach 200 Zyklen erreichen die Batterien
40 Prozent teurer als kleine Consumerzellen, immerhin noch 91 Prozent ihrer Ursprungskapa-
wie sie in Notebooks und Mobiltelefonen im Ein- zität.16 Für ein Serienprodukt ist dies noch viel
satz sind. zu wenig, doch rechnen Forscher in aller Welt
damit, dass kobaltarme – eines Tages vielleicht
auch kobaltfreie – Li-Ionen-Batterien schon in
wenigen Jahren auf den Markt kommen werden.
Forscher in aller Welt rechnen
damit, dass kobaltarme – eines Ein weiterer Schwerpunkt der SCCER-Arbeiten
Tages vielleicht auch kobalt- lag auf der Entwicklung dicker positiver und
freie – Li-Ionen-Batterien schon negativer Elektroden mit hoher Energiedichte.
in wenigen Jahren auf den Markt Solche Batterien erreichen heute nach 300 Zyk-
kommen werden. len noch eine Kapazität von 74 Prozent. D
amit
eignen sich diese Elektroden bisher nur für
Anwendungen mit sehr wenigen Zyklen. Das
Den Forscherinnen und Forschern des SCCER Forscherteam entwickelt aber bereits einen
ist es gelungen, neue Kathodenmaterialien mit Elektrolyten mit einer höheren Leitfähigkeit der
optimierter Partikelgrösse zu entwickeln, die Lithium-Ionen, der schnellere und hoffentlich
nur noch ein Drittel der kritischen Rohstoffe auch eine höhere Zahl von Zyklen dieser dicken
enthalten. Pro Charge kann das Entwicklungs- Elektroden ermöglichen soll.
team bereits mehrere 100 Gramm des besseren
Kathodenmaterials herstellen. Für eine Massen- Die dicken Elektroden sind Bestandteil einer
produktion ist dies natürlich noch zu wenig. Die Demonstratorzelle, die auf einer innerhalb des
Arbeiten machen allerdings Hoffnung, dass eine SCCER aufgebauten Pilotanlage gefertigt wird.
Steigerung hin zur Grossserienfertigung in den Sie soll – im Einklang mit internationalen Road-
nächsten Jahren möglich ist. maps für Batterietechnologie – 275 Wattstun-
den pro Kilogramm erreichen. Das Team hat
Im Rahmen des SCCER ist es zudem gelun- zusammen mit Industriepartnern dazu neue und
gen, eine neuartige Generation von Kathoden- dickere graphitische Anoden entwickelt, die im
materialien mit viel grösseren Kristallgrössen Vergleich zu den aktuell üblichen Anoden auf
– sogenannten einkristallinen Materialien – zu Graphitbasis über eine doppelt so grosse Spei-
synthetisieren, die eine wesentlich bessere cherkapazität verfügen. Die Ergebnisse des
Langzeit-Zyklenstabilität versprechen. SCCER bilden die Basis für ein grosses EU-Pro-
jekt im Rahmen von «Horizon 2020», an dem elf
Gleichzeitig laufen die Bemühungen weiter, europäische Partner aus sieben Ländern betei-
kobaltfreie Materialien zu synthetisieren. Ein ligt sind, darunter die europäische Giga-Fabrik
geringerer Kobaltgehalt in den Kathodenmate- Northvolt. Die Europäische Kommission fördert
rialien erlaubt es, in den Materialien vorhande- das Projekt SeNSE mit über zehn Millionen Euro.
nes Lithium besser zu nutzen. Dadurch steigt Es ist im Februar 2020 gestartet und wird von
die Energiedichte der Batterie, während die der Empa koordiniert.17 Aus dem SCCER-Pro-
Gesamtkosten sinken – allerdings mit einem gramm entwickelte sich zudem die Teilnahme
Nachteil: Kathodenmaterialien mit wenig Kobalt an einem weiteren EU-Forschungsprojekt («HID-
zeichnen sich aus durch eine sehr hohe Ober- DEN»).
flächenreaktivität; sie zersetzen den Elektroly-
ten rascher und die Batterie kann schon nach Technische Perspektive
wenigen Lade-/Entladezyklen immer weniger
Energie speichern. Um dies zu verhindern, haben Die im Rahmen des SCCER entwickelte
die SCCER-Forschenden neuartige Elektrolyte Li-Ionen-Batterietechnologie wird in wenigen
entwickelt, die stabiler sind gegenüber diesen Jahren marktreif sein. Andere Batteriekonzep-
kobaltarmen, aber reaktionsfreudigeren Mate- te wie Festkörper-Batterien oder Batterien mit

28
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Lithium-Metall-Anoden benötigen noch einige nals in die schweizerische und europäische Bat-
zusätzliche Jahre an Forschung. Das gilt auch terieindustrie.
für die Stabilitätsoptimierung des Elektrolyten,
etwa durch Zusatz ionischer Flüssigkeiten. Ein Wie begehrt dieses Know-how ist, zeigen zahl-
Schwerpunkt künftiger Arbeiten liegt auf der reiche nationale und internationale Forschungs-
Skalierung der Prozesse – von Chargen mit we- kooperationen mit Industriepartnern. Sie unter-
nigen Gramm auf mehrere zehn bis hundert Kilo- mauern die wichtige Position der Schweiz in der
gramm. Zudem müssen die neuen Batterietypen gross angelegten Batterieforschungsinitiative
in ausgedehnten Tests beweisen, dass sie eine der EU und stärken die Position der Schweiz über
vergleichbare Lebensdauer und Sicherheit errei- die gesamte Wertschöpfungskette der Batterie-
chen wie heutige Serienprodukte. herstellung. Insgesamt kann die Schweiz damit
eine langfristige Führungsrolle in bestehenden
Wirtschaftliche Perspektive Märkten wie der Elektromobilität oder der statio-
nären Energiespeicherung einnehmen, ebenso
Li-Ionen-Batterien wurden ursprünglich für den in künftigen neu entstehenden Anwendungen
Markt der portablen Elektronik wie Notebooks wie Robotik, Luft- und Raumfahrt, Medizintech-
und Smartphones entwickelt. Batterien erobern nik oder Internet der Dinge.
jedoch immer neue Märkte: Sie elektrifizieren
die Mobilität und erhöhen die Flexibilität im
Energiesektor. Forschungskooperationen mit
Industriepartnern: Sie untermauern
Bis 2025 wird der Batteriemarkt in Europa ein
die wichtige Position der Schweiz
Volumen von 250 Milliarden Euro erreichen. Die
weltweite Nachfrage nach Batterien wird sich
in der gross angelegten Batterie-
voraussichtlich verzehnfachen – von 300 Giga- forschungsinitiative der EU.
wattstunden im Jahr 2020 auf knapp 3000 Giga-
wattstunden im Jahr 2030. Die stark steigende
Nachfrage wird derzeit überwiegend von Her-
stellern von Batteriezellen in Asien befriedigt.
Die europäische Wirtschaft ist damit in hohem
Masse von asiatischen Herstellern abhängig.
In Europa und in der Schweiz findet sich jedoch
eine starke Industrie mit Material- und Ausrüs-
tungslieferanten, die durch namhafte Investi-
tionen zum Aufbau einer europäischen Zellfer-
tigung motiviert werden sollte. Mit dem Ziel, die
Zusammenarbeit innerhalb dieser Industrie und
der Forschungslandschaft in der Schweiz zu för-
dern, wurde der «Interessenverband der Schwei-
zer Batterieindustrie BATTMAN» gegründet.

Im Rahmen des SCCER haben sich mehrere


neue akademische Arbeitsgruppen für die Batte-
rieforschung gegründet, bestehende haben den
Fokus in Richtung «Batterien» verschoben. Dies
trägt bei zur Ausbildung einer neuen Generation
von Batteriefachleuten in der Wissenschaft und
im Ingenieurwesen in der Schweiz. Gleichzeitig
verstärkt dies den Transfer geschulten Perso-

29
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Batterien   —  Natrium-Ionen-Batterien 

2.1.2 Natrium-Ionen-Batterien

Bedeutung für die Energiestrategie


2050
Natrium-Ionen-Batterien leisten derzeit noch keinen
Beitrag zum Umbau des Energiesystems. Aller-
dings gibt es Anwendungsbereiche, in die diese
Technologie stossen könnte, wenn sie ausgereift
ist. Na-Ionen-Batterien haben einen Vorteil gegen-
über der etablierten Lithium-Ionen-Technologie
in Anwendungsbereichen, die sehr hohe Ströme
benötigen. Die Li-Ionen-Technologie basiert auf
etlichen seltenen und teuren Rohstoffen. Kommt es
bei diesen zu Engpässen, bieten Na-Ionen-Batterien
eine kostengünstigere und umweltfreundlichere
Alternative.
Dank der guten Verfügbarkeit der Rohstoffe
und der ökologischen Vorteile schien es vor zehn
Jahren so, als könnten Na-Ionen-Batterien die
Li-Ionen-Technologie in etlichen Anwendungen
verdrängen oder zumindest ergänzen. Dazu ist
es bisher nicht gekommen. Der Grund dafür liegt
an den elektrochemischen Eigenschaften des
Natrium-Ions. Es ist grösser und schwerer als das
Lithium-Ion, was zu einer geringeren Energiedichte
führt. Das heisst: Eine Batterie mit einem bestimm-
ten Volumen beziehungsweise einem bestimmten
Gewicht speichert weniger elektrische Energie. Mit
einer Na-Ionen-Batterie wären Smartphones dicker
und schwerer oder wären bei gleichem Volumen
weniger lang einsatzfähig, beim Elektroauto würde
die Reichweite leiden oder der Kofferraum müsste
schrumpfen. Aus thermodynamischen Gründen
liegt die elektrische Spannung einer Na-Ionen-Batte-
riezelle etwa 0,3 Volt unter der einer vergleichbaren
Li-Ionen-Batteriezelle. Um eine technisch sinnvolle
Spannung von einigen Hundert Volt zu erzielen,
wäre eine grössere Anzahl Zellen notwendig.
Die Vorteile der Na-Ionen-Batterien liegen in
der höheren Beweglichkeit des Natrium-Ions in der
elektrolytischen Flüssigkeit und in der schnelleren
Reaktion an den Oberflächen der Elektroden. Bei
optimaler Auslegung könnten solche Akkus höhere
Ströme aufnehmen oder abgeben. Elektroautos
liessen sich schneller betanken. Auch als Speicher
für Strom aus erneuerbaren Energien ist dies eine
nützliche Eigenschaft. Schalten in einem Wohn-
block plötzlich alle ihre Wärmepumpen oder Kü-
chengeräte ein, müssen schlagartig hohe Ströme
fliessen. Ansprechpartnerin
➢ Sigita Trabesinger, Labor für Elektrochemie, PSI,
[email protected]

30
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Natrium-Ionen-Batterien – das Funktionsprinzip


In ihrem Aufbau unterscheiden sich Na-Ionen- grossen Natrium-Ionen speichert. Als beson-
Batterien nicht grundsätzlich von Li-Ionen-Batte- ders geeignet erweist sich Kohlenstoff, aller-
rien. Das Funktionsprinzip ist identisch mit dem dings nicht in seiner geordneten Form Graphit,
in «2.1.1 Lithium-Ionen-Batterien» beschriebe- sondern ungeordnet, wie er in Kohle vorkommt.
nen Vorgängen und grundsätzlichen Anforde- Entsprechende Materialien werden meist aus
rungen. Die Herausforderung besteht darin, die wertvollen Industrieprodukten wie Saccharose
Materialien so auszuwählen, dass sie auf die aus der Zuckerrübe oder der Bekleidungsfaser
spezifischen Eigenschaften des Natriums so op- Polyacrylnitril hergestellt. Aus Sicht der Nach-
timiert sind wie die heutigen Li-Ionen-Systeme. haltigkeit ist dies nicht ideal. Die Forschenden
Beispielsweise kommt im Falle der Li-Ionen-Bat- fanden eine Alternative: Bioabfälle. Sie senken
terie Graphit in der Anode zum Einsatz. Im Zu- die Kosten und tragen zu einer nachhaltigen
sammenspiel mit Natrium-Ionen ist Graphit kein Kreislaufwirtschaft bei. Anoden für Na-Ionen-
guter Anodenwerkstoff. Gleiches gilt für den Batterien auf Basis von Bioabfällen erreichen
Elektrolyt oder die Kathode. An dieser Stelle be- eine spezifische Ladung von 280 Milliampere-
ginnt die Aufgabe für die Forschung. stunden pro Gramm bei einer C-Rate von 3.
Eine solche C-Rate bedeutet beispielsweise: Ein
Eine Fertigung in grossen Stückzahlen könnte je- kleiner Akku der handelsüblichen Grösse AAA
doch auf den gleichen Maschinen erfolgen, neue mit 1000 Milliamperestunden würde mit einem
Fabriken wären nicht nötig. Na-Ionen-Batterien Strom von 3000 mA entladen. Das ist ein sehr
weisen also Vorteile auf, weshalb die Forschung hoher Wert. Er macht Hoffnung auf leistungs-
weiter am Ball bleibt. Auch die Wissenschaft- fähige Akkus, die schnell grosse Mengen elek-
erinnen und Wissenschafter des SCCER glauben trischer Energie, etwa aus Photovoltaik- oder
mehr denn je daran, dass sich die Erforschung Windkraftanlagen, speichern und wieder abge-
dieser Technologie lohnt. ben können, wenn in Haushalten oder Industrie-
anlagen viele elektrische Geräte eingeschaltet
Forschung im SCCER werden. Dieser Ladungswert gelang für mehr
als 100 Lade-Entlade-Zyklen. Für einen indust-
Entscheidend für die Energiedichte einer Bat- riellen Einsatz reicht dies zwar noch nicht aus,
terie sind die Materialien. Jede Batterie und je- bei weiterer Optimierung besteht aber noch ein
der Akku haben zwei Elektroden: eine negative Steigerungspotenzial.
Elektrode (Anode) und eine positive (Kathode).
Sie bestehen aus unterschiedlichen Materialien, Neben Kohlenstoff prüften die SCCER-For-
die beide optimiert werden müssen, denn das schenden auch völlig neue Alternativen, unter
schwächste Glied begrenzt später die Energie- anderem Metalllegierungen auf Basis von Zinn.
dichte. Die Forschenden des SCCER gingen da- Durch Anpassung des Elektrolyts und der Legie-
bei schrittweise vor. Zunächst kalkulierten sie rung gelang es, eine stabile Anode herzustellen,
die theoretische Energiedichte bekannter Mate- die in Tests auch bei häufigem Laden-Entladen
rialien und wählten die vielversprechendsten für stabil war. Allerdings würde eine Na-Ionen-Bat-
die weitere Optimierung aus. In einem nächsten terie dadurch so teuer, dass der erhoffte Kosten-
Schritt stellten sie Proben dieser Materialien für vorteil gegenüber Li-Ionen-Batterien dahin wäre.
Anode und Kathode her und prüften sie auf ihre Das Team hat diesen Ansatz deshalb nicht wei-
Tauglichkeit. Während sich manche Pfade als terverfolgt.18
Sackgasse erwiesen, erbrachten andere ermuti-
gende Resultate. Hier einige der Ergebnisse im Materialien für die Kathode: Hier nahmen sich
Überblick: die Forschenden vor, die bewährten Schicht-
oxide so zu modifizieren, dass sie ohne Kobalt
Materialien für die Anode: Hier bestand die Auf- auskommen. Dieser Rohstoff ist teuer und
gabe darin, ein Material zu finden, das die relativ problematisch. Zudem gibt es ethische Beden-

31
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Batterien   —  Natrium-Ionen-Batterien 

ken im Zusammenhang mit dem Kobalt-Berg- wöhnlich hoher Kapazität und ausgezeichneter
bau. Resultat der Entwicklungsbemühungen ist Zyklenstabilität.
kobaltfreies Na0.67Mn0.6Fe0.25Al0.15O2 (NaMFA),
das kostengünstig und ungiftig ist und gute Technische Perspektive
elektrochemische Eigenschaften aufweist.19
Dennoch kamen die Forschenden zum Schluss, Die Hoffnungen auf leistungsfähige, kosten-
dass eine Na-Ionen-Batterie auf Basis dieses günstige, langlebige und ökologisch unbedenk-
liche Na-Ionen-Batterien sind realistisch. Die
Technologie hat – trotz der geringeren Energie-
Die Hoffnungen auf leistungsfähi- dichte – das Potenzial, die Lithium-Ionen-Tech-
ge, kostengünstige, langlebige und nologie zu ergänzen und teilweise zu ersetzen.
ökologisch unbedenklich Na-Ionen- Allerdings zeigen die Forschungen im Rahmen
Batterien sind realistisch. des SCCER, dass der Weg dorthin weiter ist als
gedacht. Die in Na-Ionen-Batterien gespeicherte
Energie wird teurer und weniger umweltscho-
Materials mit Li-Ionen-Batterien hinsichtlich nend sein als einst erhofft. Vor allem existieren
spezifischer Energie, Kosten und herstellungs- noch keine Materialien für die Kathode, die alle
bedingten Treibhausgasemissionen nicht kon- Anforderungen an Energiedichte und höhere
kurrenzfähig wäre.20 Die Arbeitsgruppe ent- Zellenspannung erfüllen – und die bekannten
schied daher, noch einmal neu zu starten und Elektrolyte sind nicht stabil genug.
nach radikal neuen Materialien zu suchen, um
Na-Ionen-Batterien auf ein höheres Leistungs- Wegen des grossen Potenzials der Technologie
niveau zu bringen. Neuartige kobaltfreie Schicht- sind weitere Anstrengungen zur Materialent-
und polyanionische Materialien, die bisher nur wicklung nötig und sinnvoll. Besonders metalli-
aus theoretischen Berechnungen bekannt wa- sche Anoden bieten grosse Möglichkeiten, sind
ren, sollen nun dazu führen, Na-Ionen-Batterien aber noch weitgehend unerforscht. Das gilt auch
zu realisieren, die mit Li-Ionen-Batterien konkur- für feste Elektrolyte, die eine höhere Sicherheit
renzfähig sind. bieten könnten als Li-Ionen-Batterien.

Parallel dazu untersuchte die Arbeitsgruppe Va- Ausgehend von einer ähnlichen Entwicklung wie
rianten mit umweltfreundlichen wasserbasier- bei Li-Ionen-Zellen scheint bis 2045 eine Stei-
ten Elektrolyten mit hoher Salzkonzentration. gerung der Energiedichte um den Faktor vier
Solche Konzepte sind interessant für Anwen- realistisch. Bei hoher Priorität der Forschungs-
dungen, bei denen die Sicherheit an erster Stelle aktivitäten kann die Entwicklung auch schneller
steht und die Energiedichte nicht entscheidend verlaufen, denn die Ähnlichkeit im Aufbau zwi-
ist. Sie erweitern das Stabilitätsfenster des schen Li-Ionen- und Na-Ionen-Batterie erlauben
Elektrolyts von 1,23 Volt auf mehr als 2 Volt und es, auf die weltweiten Erfahrungen der raschen
gewährleisten dadurch eine höhere spezifische Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Technolo-
Energie als herkömmliche wasserbasierte Bat- gie zurückzugreifen.
teriezellen.21 In Kombination mit ausgewählten
Elektrodenmaterialien erzielte das Entwick- Wirtschaftliche Perspektive
lungsteam sehr gute Ergebnisse mit ausserge-
Na-Ionen-Batterien sind eine Nischentechno-
logie. Es gibt weltweit nur wenige Start-up-Un-
ternehmen, die sich damit beschäftigen. Ihre
Wegen des grossen Potenzials der Produkte stehen zwar kurz vor der Serienreife,
Technologie sind weitere Anstren- deren Energiedichte ist jedoch nicht konkurrenz-
gungen zur Materialentwicklung fähig mit jener von Li-Ionen-Batterien. Die ausge-
nötig und sinnvoll. zeichnete Zyklenstabilität eröffnet jedoch viele
Geschäftsmöglichkeiten für Anwendungen, bei

32
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

denen die Kosten pro Kilowattstunde pro Zyk-


lus wichtiger sind als die Energiedichte. Zudem
ist die Leistung, die schon heute aus Na-Ionen-
Zellen entnommen werden kann, sehr hoch. Sie
stellen somit bereits eine bessere Alternative zu
elektrochemischen Superkondensatoren dar.22
Tatsächlich kombinieren Na-Ionen-Batterien die
hohe Leistung eines Superkondensators und ins-
besondere dessen exzellente Zyklenfestigkeit
mit einer etwa fünffach höheren Energiedichte.
Sie bieten entsprechend ein wirtschaftliches Po-
tenzial, das derzeit noch wenig erschlossen ist.

Sind diese technischen Herausforderungen


gemeistert, könnte die industrielle Umset-
zung schnell erfolgen, weil die Herstellung von
Na-Ionen- und Li-Ionen-Batterien sehr ähnlich
ist. Produktionskapazitäten werden vermutlich
zunächst dort aufgebaut werden, wo heute be-
reits Li-Ionen-Batterien gefertigt werden, also Will sich die Schweiz einen Teil des
vorwiegend in Asien. Aber auch in Europa ste- Marktes der Na-Ionen-Batterien
hen die Chancen gut – dies zeigen die hohen sichern, ist es notwendig, neben
Investitionen, die derzeit für Gigafactories ge- dem Prozess-Know-how auch die
tätigt werden. Sie produzieren Akkus für die Batterietechnologie zu beherrschen.
Elektromobilität, die sich aber auch als Speicher
im Stromnetz eignen. Es ist eher unwahrschein-
lich, dass solche übergrossen Batteriefabriken in
der Schweiz entstehen. Dennoch eröffnen sich
Chancen für die Schweizer Wirtschaft, erfordern
doch die Produktionsanlagen umfangreiches
Know-how, etwa in der Automatisierung und der
Qualitätssicherung. Auch asiatische Unterneh-
men fertigen Batterien häufig auf Anlagen, die
aus Hochlohnländern in Europa stammen.

Will sich die Schweiz einen Teil dieses Marktes


sichern, ist es notwendig, neben dem Prozess-
Know-how auch die Batterietechnologie zu be-
herrschen. Chancen bestehen für die chemische
Industrie, die Vorprodukte für Elektroden und
Zellen fertigt, sowie für kleine und mittelständi-
sche Unternehmen, die Präzisionsteile, Produk-
tionsmaschinen sowie die Prozessautomatisie-
rung beisteuern.

33
2.2 Wärmespeicherung

Speicherung über kurze Zeiträume   —  Wärmespeicherung   —  Hochleistungs-Niedertemperatur-Wärmespeicher  

2.2.1 Hochleistungs-Niedertemperatur-Wärmespeicher

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ hohe Speicherdichte 2050
➢ schnelles Be- und Entladen Die Energiewende gelingt nur über die Defossi-
➢ höherer Effizienz- und Ausnutzungsgrad von lisierung der Wärmegewinnung, denn diese ver-
erneuerbaren Energiequellen (Solarthermie/ schlingt die Hälfte der Endenergie in der Schweiz.23
Photovoltaik) Die Schweiz berücksichtigt dies in ihrer Energie-
➢ hohes CO2-Minderungspotenzial strategie 2050. Setzt sich das Wachstum fort,
➢ kostengünstige Speicherung von Energie in werden bis 2035 in der Schweiz 450 000 Wärme-
Form von Wärme pumpen mit Wärmespeichern und Photovoltaik
installiert.24 Kompakte Latentwärmespeicher mit
Nachteile hoher Leistung könnten dabei zur Standard-Spei-
➢ Optimierungsbedarf einiger Konzepte cherlösung werden. Dezentrale Speicher im Ge-
➢ Akzeptanz der Notwendigkeit thermischer bäude steigern den Eigenverbrauch von PV-Anla-
Energiespeicher in heutigen und zukünftigen gen und entlasten das Stromnetz während starker
Energiesystemen (Gebäudepark und industriel- Sonneneinstrahlung.
le Prozesse) Für das Gelingen der Energiewende ist es daher
wichtig, thermische Energie aus erneuerbaren Ener-
Reife der Technologie gien zu gewinnen. Thermischen Energiespeichern
Technologie-Reifegrad (TRL): kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu, weil
➢ 9 für kommerziell verfügbare Latentspeicher diese die Erzeugung und den Verbrauch entkop-
mit eingetauchtem Wärmeübertrager peln. Bestes Beispiel ist die saisonale Wärmespei-
➢ 5–7 für makroverkapselte Latentspeicher und cherung, die das Kapitel 3.1 des Weissbuchs25 be-
Phasenwechsel-Dispersion handelt: Wärme wird in den Sommermonaten über
Steckbrief

➢ 3 für Direktkontakt-Konzepte Solarkollektoren im Speicher gesammelt und in der


Heizperiode im Winter langsam wieder abgegeben.
Meilensteine des SCCER Es gibt aber auch viele Anwendungen, bei welchen
➢ Optimierung von Latentspeicher mit einge- Wärme in kürzeren Zeitperioden zwischengespei-
tauchtem Wärmeübertrager chert werden soll. Zum Beispiel die Bereitstellung
➢ Gründung eines Start-ups für makroverkapselte von Brauchwarmwasser im Gebäude, die Wärme-
Latentspeicher rückgewinnung bei Blockheizkraftwerken oder in
➢ Entwicklung neuer Speicherkonzepte industriellen Prozessen, bei welchen Abwärme
entsteht, die durch Speicherung wiederverwendet
Weiterer Forschungsbedarf werden kann. Würde man in allen diesen industriel-
➢ fortgeschrittene Technologien zur Marktreife len Prozessen die Abwärme auffangen, könnte die
bringen, eventuell mit weiteren Start-ups Schweiz schon drei Prozent des Endenergiebedarfs
➢ Bau von Pilotanlagen im Feld mit realem einsparen.
Geschäftsmodell
➢ Weiterentwicklung weniger reifer Konzepte

Ansprechpartner
➢ Jörg Worlitschek, Institut für Maschinen- und Energietechnik,
Hochschule Luzern – Technik & Architektur,
[email protected]

34
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Konzept 1 Konzept 2 Konzept 3 Konzept 4


Wärmeübertrager in Speicher- Wärmespeicherung in Kapseln Tröpfchen des Speichermaterials Wärmetragerflüssigkeit direkt
material eingetaucht in Wasser getaucht in Wasser dispergiert durch das Speichermaterial
gepumpt, ohne Wärmeübertrager

Phasenwechselmaterial

Anwendungsbereiche:
Beispiele für Wärmequellen: Brauchwarmwasser, Heizung
thermische Solaranlage, Klimatisierung
Photovoltaikanlage und Wärmepumpe Industrie

Energiedichte
1800 in MJ/m3
1600 AlSi

1400

Charakteristiken von Wärmespeichermaterialien 1200

(Kurzzeit, Industrie) 1000

Saisonale Speicherung Metalllegierungen 800


(Wasser/Eis)
600
Salzschmelzen
und Kiese Paraffine/Ester 400

200 Temperatur
Kieselsteine in °C
0 500 1000 1500

Hochleistungs-Niedertemperatur-Wärmespeicher –
das Funktionsprinzip
In vielen Fällen wäre es attraktiv, mehr Wärme Latentwärmespeicher nutzen den Phasenüber-
kompakter speichern zu können. Man stelle sich gang eines Mediums, zum Beispiel von Eis zu
vor, der heutige Warmwasserspeicher (1 m3) flüssigem Wasser, um Wärme aufzuladen. Ver-
wäre nur noch eine kleine «Thermobatterie» und festigt sich das Speichermedium, gibt es Wärme
könnte dennoch wesentlich mehr Energie zwi- zum Heizen ab. Materialien, die in solchen Spei-
schenspeichern! Dies ist das Ziel der Latentwär- chern zum Einsatz kommen, werden als Phasen-
mespeicherforschung. wechselmaterialien bezeichnet.

35
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Wärmespeicherung   —  Hochleistungs-Niedertemperatur-Wärmespeicher  

Die grosse Herausforderung dabei ist, die Wär- industrielle Kühlprozesse (z.B. Pharmaprozes-
me schnell zu speichern und dann bei Bedarf se) und den Transport von temperatursensiblen
mit hoher Leistung wieder abzugeben. Die Ge- Produkten wie Lebensmitteln im Temperaturbe-
währleistung einer ausreichend hohen Leistung reich zwischen −35 °C und −20 °C eignet – eine
ist wichtig, um beispielsweise sicherzustellen, kompakte Alternative zu Wasser-Glykol-Spei-
dass das Wasser heiss und nicht nur lauwarm chern.26
aus dem Duschkopf sprüht. Speicher mit hoher
Leistung brauchen intelligente und kostengüns- Konzept 2 – «Speicher in Kapseln»:
tige Konzepte, die es ermöglichen, einen hohen Mit Phasenwechselmaterial gefüllte Kapseln
Wärmeaustausch zu realisieren. werden in die Wasserspeicher bestehender
Heizungen gefüllt und vervierfachen damit die
Die Wärme, die beim Beladen dieser Speicher Speicherkapazität. In Kombination mit einer
für das Schmelzen des Speichermediums er- Wärmepumpe erhöht sich auf diese Weise der
forderlich ist, muss sehr schnell zugeführt wer- Eigenverbrauch von Photovoltaikstrom. Die
den können. Beim Entladen, sprich Verfestigen Hochschule Luzern hat diese neuartigen und
des Speichermaterials, gelangt die Wärme nicht vielversprechenden Latentwärmespeicher im
schnell genug heraus. Grund ist die geringe Rahmen des SCCER entwickelt. Die Arbeiten ha-
Wärmeleitfähigkeit der eingesetzten Phasen- ben bereits zu einem Spin-off (COWA) geführt.
wechselmaterialien. Sie lässt sich zwar nicht er-
höhen, doch gibt es technische Kniffe, wie sich Konzept 3 – «Phasenwechselmaterial in Disper-
die Wärme doch viel schneller in den Speicher sion»:
hinein- und wieder herausleiten lässt. Unter dem Bei diesem Technologieansatz werden Tröpf-
Dach des SCCER haben Forschende dazu wich- chen des Speichermaterials im Wasser fein ver-
tige Entwicklungsarbeit geleistet. teilt (dispergiert). Das gewählte Material verfügt
bei einer bestimmten Temperatur über eine sehr
Forschung im SCCER hohe Kühl- und Heizkapazität. Zudem lässt sich
die Flüssigkeit pumpen, was eine hohe und fle-
Im Rahmen des SCCER hat sich die Hochschule xible Leistungsabgabe ermöglicht.27
Luzern vorgenommen, erschwingliche und nach-
haltige Latentwärmespeicher zu entwickeln, die Konzept 4 – «Latentwärmespeicherung in Direkt-
sich schnell und flexibel mit hohen Leistungen kontaktspeicher»:
be- und entladen lassen. Vier Konzepte hat das Die Wärmetragerflüssigkeit wird bei diesem
Team verfolgt: Konzept direkt durch das Phasenwechselmate-
rial gepumpt, ohne dass ein zusätzlicher Wär-
Konzept 1 – «Speicher mit Wärmeübertrager»: meübertrager erforderlich ist. Das spart zum
Bei diesem Konzept ist der Wärmeübertrager einen die Kosten für den Wärmeübertrager, zum
in das Speichermaterial eingetaucht. Dieses anderen lassen sich so sehr kurze Be- und Ent-
Konzept ist am weitesten fortgeschritten und ladezeiten erreichen.28
kommerziell verfügbar. Das Forschungsteam
hat simulationsbasierte Entwurfswerkzeuge für Im Rahmen der SCCER-Aktivitäten hat die Hoch-
führende Hersteller solcher Speicher entwickelt. schule Luzern zudem neue Speichermaterialien
Ausserdem hat es gezeigt, dass sich zum entwickelt, die kostengünstiger sind, eine höhe-
schnellen Laden und Entladen von Latentwär- re Energiedichte haben und umweltfreundlicher
mespeichern auch Wärmeübertrager eignen, sind als die meisten konventionellen Phasen-
die in grossen Stückzahlen und kostengünstig wechselmaterialien.29 Darunter sind Materialien
erhältlich sind. Diese werden heute in anderen mit einem Phasenwechsel bei 35 °C für Fussbo-
Bereichen eingesetzt, zum Beispiel in Klima- denheizungen, bei 58 °C für Warmwasserberei-
anlagen von Lastwagen. Zusammen mit einem tung sowie bei −21 °C für Kühlprozesse.
Industriepartner haben die Forschenden einen
Latentwärmespeicher entwickelt, der sich für

36
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Technische Perspektive
Es besteht ein grosser Bedarf an
Die vier von der Hochschule Luzern untersuchten Technologien, die den Eigen-
Konzepte besitzen unterschiedliche Reifegrade. verbrauch von Solarstrom in
Latentwärmespeicher mit einem Wärmeüber- Privathaushalten erhöhen.
trager im Phasenwechselmaterial (Konzept 1)
sind bereits auf dem Markt erhältlich, haben
aber noch Optimierungspotenzial. Die Kapseln und Wärmepumpe bereits heute sinnvoll. Dabei
gefüllt mit Speichermaterial ( Konzept 2), die handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie
ein Spin-off der Hochschule Luzern nun kom- zur Dekarbonisierung der Wohngebäude. Ohne
merzialisiert, werden voraussichtlich in zwei Wärmespeicher bleibt aber der Knackpunkt
bis drei Jahren auf den Markt kommen. Für das auch hier die zeitliche Verschiebung zwischen
Konzept 3 gibt es bereits Patente mit Firmen, der Stromerzeugung der Photovoltaikanlage mit
die den Einsatz konkret planen. Das sehr attrak- einer Spitze um die Mittagszeit und dem Wär-
tive Konzept der Direktkontaktspeicher benötigt mebedarf des Gebäudes beziehungsweise dem
dagegen bis zur Kommerzialisierung noch fünf Strombezug der Wärmepumpe, die vor allem in
bis zehn Jahre. den Abendstunden arbeitet.

Um diesen vielversprechenden Ansätzen zur Der Eigenverbrauch von Photovoltaikstrom in


Kommerzialisierung zu verhelfen, gilt es nun, Wohngebäuden liegt ohne thermischen Speicher
die richtigen Weichen zu stellen. Gemein- bei lediglich 30 Prozent – etwa 70 Prozent des
sam mit Start-ups sollten reife Technologien Stroms müssen aus dem Stromnetz bezogen
wie die Automobil-Wärmetauscher oder die werden. Könnten Hausbesitzer den grösseren
Speicher-Kapseln in Pilotprojekten auf ihre Teil ihres Strombedarfs aus der Photovoltaik-
Alltagstauglichkeit und ihre Wirtschaftlichkeit anlage selbst decken, würden sie zwischen 500
getestet werden. Dies sollte unter realistischen und 1000 Franken pro Jahr an Energiekosten
Einsatzbedingungen geschehen, etwa in einem sparen und das Stromnetz entlasten. Es besteht
Gebäude in Kombination mit erneuerbaren folglich ein grosser Bedarf an Technologien, die
Energiequellen (Solarthermie oder PV). Darüber den Eigenverbrauch von Solarstrom in Privat-
hinaus ist weitere Grundlagenforschung not- haushalten erhöhen.
wendig, um weniger ausgereifte Technologien
voranzubringen, vor allem das Konzept des Latentwärmespeicher ermöglichen es, tagsüber
Direktkontakt-Speichers und die Entwicklung überschüssigen Photovoltaikstrom als Wärme
von Phasenwechselmaterialien auf der Basis zu speichern und diese dann abzugeben, wenn
von biobasierten und nachhaltigen Rohstoffen. sie gebraucht wird, auch wenn die Sonne gera-
de nicht scheint. Die Speicherkapseln von Kon-
Für eine erfolgreiche Verbreitung dieser Techno- zept 2, die die Hochschule Luzern mit ihrem
logien kommt es nicht zuletzt darauf an, dass Spin-off entwickelt hat, erhöhen die Speicher-
die potenziellen Kundinnen und Kunden die kapazität eines Wärmepumpen-Pufferspeichers
wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile von um den Faktor vier. Das erhöht auch den Eigen-
Wärmespeichern zur Kenntnis nehmen. Dazu verbrauchsanteil des Solarstroms und senkt
sollte auch die Politik beitragen, etwa durch die die Stromrechnung für den Nutzenden deutlich.
Förderung solcher Technologien. Zusätzlich macht es die Bewohnerinnen und Be-
wohner bezüglich ihrer Energieversorgung unab-
Wirtschaftliche Perspektive hängiger, indem sie ihren eigenen Photovoltaik-
strom verwenden können.
Thermische Speichersysteme können bereits
heute wirtschaftlich sein, noch mehr in der
Zukunft. So ist der Einsatz von Latentwärme-
speichern in der Kombination von Photovoltaik

37
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Wärmespeicherung   —  Hochtemperatur-Wärmespeicher 

2.2.2 Hochtemperatur-Wärmespeicher

Vorteile formen schwierig gestaltet, weil sie stark auf fossi-


➢ zeitliche Entkopplung von Wärmeerzeugung len Brennstoffen basieren und nicht kontinuierliche
und -verbrauch Prozesse umfassen.
➢ als Speicher für elektrische Energie geeignet Hochtemperatur-Wärmespeicher entkoppeln
➢ Wärmespeicherung für Anwendungen mit die Erzeugung erneuerbarer (Hochtemperatur-)
hohen Temperaturen Wärme vom Verbrauch. Sie erlauben es in entspre-
➢ konstante Entladetemperatur chenden Industriebranchen, erneuerbare Energien
➢ Kombination aus Latentwärmespeicher und für die Wärmeerzeugung zu nutzen, den Energie-
sensiblem Wärmespeicher verbrauch zu reduzieren und die CO2-Emissionen
➢ Sektorkopplung zu senken. Durch die Entkopplung von Wärme-
erzeugung und Energieverbrauch tragen Hoch-
Nachteile temperatur-Wärmespeicher in der adiabatischen
➢ noch nicht wirtschaftlich, weil Wärmeerzeu- Druckluftspeicherung auch zur Stromspeicherung
gung aus fossilen Brennstoffen zu billig bei, entlasten das Stromnetz (elektrische Öfen, Wär-
mepumpen) und dämpfen generell die Schwankun-
Reife der Technologie gen im Stromnetz. Wärmespeicher sind insgesamt
➢ Technologie-Reifegrad (TRL): 5 ein wichtiges Element, um die Sektorkopplung von
Strom und Wärme zu verbessern.
Meilensteine des SCCER Laut Schweizer Energiestatistik 2018 benö-
➢ Metalllegierungen für Latentwärmespeicher für tigt die Industrie jährlich 19 Terawattstunden für
525 °C und 575 °C Prozesswärme bei unterschiedlichen Temperatur-
➢ Optimierung der Lebensdauer des Latent- niveaus. Dies sind 8 Prozent des gesamten schwei-
wärmespeichers zerischen Energieverbrauchs. Die Wärme wird zur
➢ Aufbau eines Laborversuchsstandes für sen- Hälfte aus fossilem Methan (Erdgas) gewonnen, zu
Steckbrief

sible und/oder latente Hochtemperatur-Wärme- 13 Prozent aus Heizöl und zu 6 Prozent aus Kohle.
speicher Den grössten Wärmebedarf hat die Chemieindust-
➢ Auslegung und Betrieb eines kombinierten rie mit 25 Prozent, gefolgt von der Zementindustrie
Wärmespeichers für Anwendung in adiabati- (18 %) und der Nahrungsmittelproduktion (14 %).
scher Druckluftspeicherung Die Metallverarbeitung schlägt mit 8 Prozent zu
➢ Simulation zur Optimierung des Betriebs von Buche.30 Um mehr erneuerbare Energien für die
Hochtemperatur-Wärmespeichern Wärmeerzeugung einsetzen zu können, müsste
die Wärmeproduktion vom -verbrauch entkoppelt
Weiterer Forschungsbedarf werden, was Wärmespeicher ermöglichen. Sie
➢ Optimierung des Wärmeaustauschs und der sind in der Lage, die Wärme aus Abkühlvorgängen
Lebensdauer gestaffelt auszukoppeln, zu speichern und später
➢ Skalierung und Tests in realen Anwendungen für das Vorheizen oder als Wärmequelle für eine
➢ Entwicklung serienreifer Wärmespeicher Wärmepumpe bereitzustellen.
Entsprechende Wärmepumpen sind für Tempe-
raturen von bis zu 165 °C und Leistungen von bis zu
Bedeutung für die Energiestrategie 660 Kilowatt bereits kommerziell erhältlich.31
2050 Wärmespeicher verbessern die Effizienz einer Pro-
Hochtemperatur-Wärmespeicher sind unerlässlich zesskette erheblich und reduzieren die CO2-Emis-
für die Effizienzsteigerung industrieller Prozesse sionen. Prozesswärmespeicher können auch einen
(z.B. Aluminiumverarbeitung), sind essenziell für die Beitrag leisten, um erneuerbare Stromquellen effi-
effiziente Speicherung von Strom durch adiabate zienter zu nutzen. Steht im Netz mehr elektrische
Druckluftspeicherung und können die Strompro- Energie zur Verfügung als verbraucht wird, nehmen
duktion traditioneller Wärmekraftkopplungs-Kraft- diese Speicher elektrisch erzeugte Wärme auf und
werke verbessern. Hochtemperatur-Wärmespeicher geben sie bei steigendem Bedarf wieder ab.32 Für
spielen daher eine wichtige Rolle für die Energie- industrielle Prozesse und für die thermisch-konven-
wende – vor allem auch in Anwendungsbereichen, tionelle Stromerzeugung sind Wärmespeicher für
in denen sich die Integration nachhaltiger Energie- Prozessflexibilisierung in Deutschland bereits heute

38
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Latent- Sensibel-
Wärmespeicher Wärmespeicher Kieselsteine

Hüllrohr
Al Cu Si Metalllegierung
Schutzschicht

Druckluftspeicher

Nahrungsmittel- Zementherstellung Energiedichte


in MJ/m3
produktion 1800

1600 AlSi

1400

Charakteristiken von Wärmespeichermaterialien 1200

(Kurzzeit, Industrie) 1000

saisonale Speicherung 800

(Wasser/Eis) Metalllegierungen
600
Salzschmelzen
Paraffine/Ester 400
und Kiese
200 Temperatur
Kieselsteine in °C
0 500 1000 1500

wirtschaftlich interessant. Dort sollen thermische entsprechende Wärmespeicher bereits heute in der
Kraftwerke flexibler in die Stromerzeugung ein- Schweiz entwickelt werden und damit eine profitab-
gebunden werden. Die Dampferzeugung der ther- le Nische darstellen könnten.
mischen Kraftwerke ist wenig dynamisch. Die Idee
ist, dass Wärmespeicher die Wärme bei konstanter
Dampfproduktion aufnehmen in Fällen, in denen die
Dampfturbine gedrosselt werden muss, weil kurz- Ansprechpartner
zeitig zuviel Strom im Netz ist. Bei gesteigertem ➢ Sophia Haussener, Laboratory of Renewable Energy Science
Strombedarf steht diese Wärme dann schnell für and Engineering, EPFL, [email protected]
die Stromproduktion zur Verfügung.33 ➢ Maurizio Barbato, Institute for Mechanical Engineering and
Insbesondere im Süden Europas, in Nordafrika Materials Technology, SUPSI, [email protected]
und im Nahen Osten sind Solarkonzentrator-Kraft- ➢ Alberto Ortona, Institute for Mechanical Engineering and
werke (CSP) ein Anwendungsfeld für Hochtempe- Materials Technology, SUPSI, [email protected]
ratur-Wärmespeicher.34 Diese Beispiele, vor allem ➢ Andreas Haselbacher, Energy Science Center, ETHZ,
aus Deutschland, sind insofern interessant, als [email protected]

39
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Wärmespeicherung   —  Hochtemperatur-Wärmespeicher 

Hochtemperatur-Wärmespeicher – das Funktionsprinzip


Wärmespeicher für Temperaturen um 200 °C und speicher gut ergänzen. Diese haben zwar die
höher (Hochtemperatur) für den industriellen genannten Nachteile, sind jedoch kostengüns-
Einsatz arbeiten heute oft mit Dampfspeicher- tiger. Eine interessante Anwendung für kombi-
kesseln, sogenannten Ruthsspeichern, seltener nierte Hochtemperatur-Wärmespeicher, die aus
auch mit Salzschmelzen.35 Beide weisen Nach- einem Latentwärmespeicher und einem sen-
teile auf: Ruthsspeicher arbeiten nur bis 200 °C siblen Wärmespeicher bestehen, bietet sich bei
bei maximal 17 bar Druck. Ihre Speicherdichte Druckluftspeichern. Wie in «2.3 Adiabate Druck-
ist relativ gering und zudem sinkt die Tempe- luftspeicherung» beschrieben, nimmt der Hoch-
ratur bei der Wärmeentnahme. Salzschmelzen temperatur-Wärmespeicher die Wärme, die beim
greifen nicht nur die Werkstoffe der Anlage an, Laden des Speichers durch das Verdichten der
sondern bergen auch die Gefahr in sich, dass Luft entsteht, bei bis zu 550 °C auf und gibt sie
sich das Salz zu stark abkühlt und verfestigt. Die beim Entladen wieder ab.
Wärmeleitfähigkeit ist gering, was die Lade- und
Entladeleistung beeinträchtigt. Zudem benötigt Forschung im SCCER
dieses Verfahren einen zusätzlichen Wärmetau-
scher. Für die Entwicklung eines Prozesswärmespei-
chers für hohe Temperaturen haben sich die
Die Forschung im Rahmen des SCCER verfolgte Fachhochschule der italienischen Schweiz
einen anderen Ansatz. Sie nutzt einen Wärme- (SUPSI), die EPFL und die ETHZ zusammenge-
speicher aus in Edelstahlröhren verkapselten schlossen.
Metalllegierungen, die eine für Wärmespeicher
hohe Energiespeicherdichte von 300 kWh/ Das Teilprojekt der EPFL beschäftigte sich mit
m³ (300 kWh entsprechen 30 Liter Heizöl) er- der Entwicklung von Materialien für stabil ver-
reichen. Sie ermöglichen kurze Lade- und Ent- kapselte Metalllegierungen zur Latentwärme-
ladezeiten und erlauben, die Schmelztemperatur speicherung und der Dimensionierung für ein
sehr spezifisch zu justieren. Dies ist vorteilhaft schnellladendes System. Jenes der ETHZ be-
bei Prozessen, die auf eine konstante Tempe- fasste sich mit der Modellierung des Speichers
ratur angewiesen sind, wie beim Backen in der und des Gesamtsystems. Die Forschenden an
Lebensmittelindustrie. der SUPSI simulierten die Strömung und unter-
suchten die Dimensionierung, Leistungsoptimie-
Der Wärmespeicher mit der im SCCER ent- rung und Konstruktion des Wärmespeichers.
wickelten Technologie würde zu Zeiten güns-
tiger Strompreise aufgeladen – also zum Bei- Die Forschenden interessierten sich unter ande-
spiel zur Mittagszeit, an Wochenenden oder an rem, ob und wie Latentwärmespeicher altern und
sonnigen und windigen Tagen –, wäre aber in wie die Legierung in der Schmelze mit der Ver-
der Lage, rund um die Uhr gleichmässig Wär- kapselung interagiert. Auch gingen sie der Frage
me abzugeben. Dies entlastet die Stromnetze nach, wie sich der Wärmeaustausch verbessern
und reduziert die Energiekosten. Ein derartiger lässt, etwa durch eine bestimmte Anordnung der
Phasenwechselspeicher mit einer Metalllegie- Zylinder, durch eine schwammartige Struktur als
rung würde zudem Salzschmelzen- oder Dampf- Ummantelung der typischerweise zylindrischen
Wärmespeicher oder durch Module, die keine
zylindrische Form haben. Weitere Untersuchun-
gen beschäftigten sich mit der Dimensionierung
Hochtemperatur-Wärmespeicher der beiden Wärmespeicher (latent und sensibel)
entkoppeln die Erzeugung erneuer- und wie diese miteinander verschaltet werden,
barer (Hochtemperatur-)Wärme um die Speicher möglichst gut auszunutzen und
vom Verbrauch. die Kosten zu senken. Die SCCER-Forschungen
beantworteten diese und weitere Fragen. Der

40
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

bei der Anwendung für die adiabatische Druck- Speichervariante, weil sie Vorteile der beiden
luftspeicherung realisierte Prototyp belegt die Speichertypen kombiniert: Sensible Speicher
Machbarkeit des Konzepts. zeichnen sich durch eine deutlich niedrigere
Energiedichte aus als latente, sind aber auch be-
Im Zentrum der Untersuchungen stand die deutend billiger. Werden die beiden Anteile ideal
Legierung in den Zylindern des Latentwärme- dimensioniert, kann ein kombinierter Speicher
speichers. Passend zur Dimensionierung des die Ausströmtemperatur zu geringeren Kosten
adiabatischen Druckluftspeichers haben die stabilisieren. Das Forscherteam hat dazu eine
Forschenden eine Legierung aus Aluminium, Methodik entwickelt, die die Dimensionierung
(Kupfer) und Silizium in Edelstahl verkapselt. Sie des kombinierten Speichers und die Material-
weist eine Schmelztemperatur von 575 °C auf auswahl vereinfacht.40
beziehungsweise 525 °C mit Kupfer. Das Team
hat die Alterung in mehrmonatigen Experimen- Die Kombination von sensiblen und
ten getestet und daraus ein numerisches Modell
latenten Wärmespeichern ist eine
abgeleitet, das Voraussagen erlaubt, ab wann
der Latentwärmespeicher mechanisch instabil
attraktive Speichervariante, weil sie
wird oder an Energiekapazität verliert. Zur Opti- Vorteile der beiden Speichertypen
mierung haben die Forschenden im Inneren der kombiniert.
Edelstahlhülle eine dünne keramische Schutz-
schicht aufgebracht, die als Diffusionsbarriere
wirkt und dadurch die Lebensdauer des Latent- Sensible Speicher lassen sich umso kompak-
wärmespeichers verlängert.36 Das Forschungs- ter gestalten, je steiler die Temperaturprofile
team konnte zudem zeigen, dass ein poröser in ihnen sind. Das Team hat deshalb mit Simu-
keramischer Schaum auf der Verkapselung die lationen drei Methoden untersucht, um die
Wärmetransporteigenschaften deutlich verbes- Temperaturprofile in sensiblen Speichern zu
sert und erlaubt, den Wärmespeicher kompak- kontrollieren. Die Kontrollmethoden verringern
ter zu gestalten.37 Detaillierte Modellierungen den Temperaturabfall während dem Entladevor-
des Wärmespeicherungs- und Entladungspro- gang und helfen dadurch, das Speichervolumen
zesses zeigten auch, dass die Wärmekonvek- besser zu nutzen. Bei Inkaufnahme geringer Ef-
tion in den auf Metalllegierungen basierenden fizienzeinbussen lässt sich auf diese Weise die
Latentwärmespeichern für eine schnelle Ladung Nutzung der Speicher für Luft und Salzschmel-
zentral ist.38 zen als Wärmetrager um 39 beziehungsweise
73 Prozent verbessern.41 Mit diesen Simulatio-
Der Latentwärmespeicher für den adiabatischen nen hat das Forschungsteam erstmals solche
Druckluftspeicher besteht aus 296 Edelstahl- Methoden systematisch miteinander verglichen.
zylindern mit einem Durchmesser von 3,5 und
einer Länge von 73 Zentimetern, die mit der Al- Technische Perspektive
Cu-Si-Legierung gefüllt sind. Den Latentwärme-
speicher hat das Forschungsteam mit einem Das Forschungsteam hat eine Pilotanlage mit
sensiblen Wärmespeicher kombiniert, der aus 170 kWhth latenter Speicherkapazität kombiniert
einer Schüttung von rund 2 Zentimeter grossen mit 5 MWhth sensibler Speicherkapazität gebaut.
Kieselsteinen aus Flussablagerungen besteht. Diese erreicht einen technischen Reifegrad zwi-
Diese sind sehr kostengünstig und halten Tem- schen «Versuchsaufbau in Einsatzumgebung»
peraturen von bis zu 550 °C aus. Experimente und «Prototyp in Einsatzumgebung» (Techno-
mit kleinen Laborspeichern und mit grossen logie-Reifegrad 5–6). Um auf dieser Basis aus
Speichern im Stollen der Druckluftspeicher- dem Latentspeicher ein marktfähiges Produkt
anlage haben die Resultate der Laborversuche zu entwickeln, sind eine Fertigungstechnologie
bestätigt (vgl. «2.3 Adiabate Druckluftspeiche- zu realisieren und die Stückkosten zu senken.
rung», S. 44).39 Die Kombination von sensiblen Die Entwicklungsarbeiten eines Unternehmens
und latenten Wärmespeichern ist eine attraktive

41
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Wärmespeicherung   —  Hochtemperatur-Wärmespeicher 

250 μm

Abbildung 3: Mit Stahl- würden dazu zwischen zwei und fünf Jahre in Wirtschaftliche Perspektive
rohren teilweise gefüll- Anspruch nehmen.
ter latenter thermischer Eine mögliche Anwendung für Hochtemperatur-
Speicher (Bild Mitte). Weitere Forschung zu schaumartigen Strukturen Wärmespeicher ist die Energiespeicherung mit
Bei voller Füllung befin- zur besseren Wärmeübertragung ( vgl. Abb. 3) adiabatischen Druckluftspeichern, für die die
den sich 296 mit einer sind ebenso wichtig wie Untersuchungen von untersuchte Wärmespeicherkombination ent-
Aluminium-Kupfer-Sili- Legierungen für einen grösseren Temperatur- wickelt wurde (vgl. «2.3 Adiabate Druckluft-
zium-Legierung gefüllte bereich sowie für lange und stark variierende speicherung», S. 44). Hochtemperatur-Wär-
Stahlrohre im Speicher. Betriebszeiten. Um die Leistungs-, Kosten- und mespeicher sind aber auch Schlüsselelemente
Links: Schnitt durch Nachhaltigkeitsvorteile derartiger effizienter bei der Prozessoptimierung in der Nahrungs-
eine Röhre ohne Dif- Kombi-Wärmespeicher in der praktischen An- mittel- oder Metallindustrie.
fusionsbarriere. Nach wendung zu demonstrieren, gilt es zudem, sol-
rund 100 Stunden bei che Systeme in reale Prozesse einzubauen und Eine Nische für den Einsatz von Hochtem-
hohen Temperaturen zu testen. peratur-Wärmespeichern ist die Speicherung
hat sich eine 250 μm von Windstrom in Norddeutschland. Ein gros-
dicke intermetallische ses Industrieunternehmen aus dem Motoren-
Zwischenschicht ge- und Maschinenbau entwickelt derzeit ein Sys-
bildet. Rechts: Schnitt tem, das mittels einer elektrisch betriebenen
durch eine Röhre mit Wärmepumpe einen sensiblen Wärmespeicher
Diffusionsbarriere; trotz füllt, vergleichbar mit jenem bei der adiabaten
hoher Temperaturen Druckluftspeicherung, der bei Bedarf aus der
hat sich keine inter- Wärme über einen Generator wieder Strom ge-
metallische Zwischen- neriert.
schicht gebildet.
Quellen: Sophia Haussener Wie erwähnt gibt es bei konventionellen ther-
(links und rechts), Viola Becat-
tini (Mitte).
mischen Kraftwerken, die wegen ihrer Trägheit
schlecht auf die schwankende Nachfrage reagie-
ren können, bereits heute einen wirtschaftlich
interessanten Einsatzbereich für Hochtempe-
ratur-Wärmespeicher. Sie helfen – bei konstan-
ter Dampfproduktion – die Turbine und damit

42
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

die Stromerzeugung zu drosseln oder zu stei-


gern. Grosse Unternehmen im Kraftwerksbau Eine mögliche Anwendung für
beschäftigen sich derzeit mit der Entwicklung Hochtemperatur-Wärmespeicher ist
solcher Speicher. Mit zunehmender Defossilisie- die Energiespeicherung mit adiaba-
rung verliert dieses Anwendungsfeld jedoch an tischen Druckluftspeichern.
Bedeutung. Im Gegenzug könnte bei Solarwär-
mekraftwerken, die heute mit Salzschmelzen als
Wärmespeicher arbeiten, der Bedarf an Hoch-
temperatur-Wärmespeichern wachsen.

Eine Kombination aus einem auf die entspre-


chende Nutztemperatur dimensionierten La-
tentwärmespeicher und einem sensiblen
Wärmespeicher in Verbindung mit einer Hoch-
temperatur-Wärmepumpe könnte in Industrien
mit hohem Wärmebedarf den Energieverbrauch
und damit die Betriebskosten senken; sie erfor-
derte allerdings höhere Investitionskosten. Eine
entsprechende Anlage – mit einer realistischen
Arbeitszahl von 3 – würde den Heizenergie-
bedarf auf einen Drittel reduzieren. Liesse sich
die Wärmeerzeugung vom -verbrauch entkop-
peln, würde sich eine Kostenersparnis in der
Höhe der Differenz der Energiepreise zwischen
dem Laden des Speichers und der Wärme-
nutzung ergeben. Einsparungen sind auch
möglich, wenn der Speicher Rohlinge oder Vor-
produkte vorwärmt.

Wie bei fast allen Speichertechnologien fehlt es


an der Bereitschaft, die Vollkosten der Energie-
und Prozesswirtschaft an die Endverbraucher
weiterzugeben, etwa Kosten für CO2-Emissio-
nen, Rückbau und Entsorgung. Würden diese in
Rechnung gestellt, würde es sich lohnen, die Be-
triebskosten für die Energieerzeugung zu sen-
ken und höhere Kapitalkosten für den Bau des
Speichers in Kauf zu nehmen.

Speicherpotenziale vorherzusagen erweist sich


als äusserst schwierig. Das globale Potenzial
für Druckluftspeicher mit Speicherhohlräumen
im Untergrund wird als beträchtlich einge-
schätzt.42 Werden die Druckluftspeicher mit
Wärmespeichern ausgerüstet, könnte der im
SCCER entwickelte kombinierte Wärmespeicher
eine attraktive kommerzielle Lösung darstellen.

43
2.3 Adiabate Druckluftspeicherung
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Adiabate Druckluftspeicherung  

2.3 Adiabate Druckluftspeicherung

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ umweltfreundlich, da geringer Ressourcen- 2050
und Landverbrauch Druckluftspeicher sind eine wichtige Ergänzung
➢ effizient zu Pumpspeichern, wenn es um das Speichern
➢ sicher grosser Mengen elektrischer Energie geht. Während
➢ langlebig Pumpspeicher wegen Umwelteingriffen in der Kritik
stehen, trifft dies auf Druckluftspeicher nicht zu.
Nachteile Um der Technologie zum Durchbruch zu verhel-
➢ hohe Investitionskosten fen, sollte eine Demonstrationsanlage mit etwa
10 Megawatt gebaut werden.
Reife der Technologie
Steckbrief

➢ Technologie-Reifegrad (TRL): 6

Meilensteine des SCCER


➢ Effizienzsteigerung von 50 % auf 75 %
➢ Betrieb einer Testanlage bei Biasca
➢ Kombination mehrerer Wärmespeicher
➢ Untersuchung geeigneter Standorte
➢ erste Abklärungen zur Rentabilität in künftigen
Strommärkten

Weiterer Forschungsbedarf
➢ weitere Untersuchungen der Rentabilität in
künftigen Strommärkten Ansprechpartner
➢ Verhalten beim Betrieb am Stromnetz ➢ Andreas Haselbacher, Energy Science Center, ETHZ,
➢ weitere Optimierung der Wärmespeicher [email protected]

Adiabatische Druckluftspeicher – das Funktionsprinzip


Ein Druckluftspeicher speichert Energie in Form sondern auch unabhängig von der Entladetiefe.
von komprimierter Luft, die in einem unterirdi- Pump- und Druckluftspeicher beruhen auf Tech-
schen Hohlraum aufbewahrt wird. Beim Expan- nologien, die seit rund hundert Jahren bekannt
dieren der komprimierten Luft in einer Turbine und bewährt sind.
kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder Ener-
gie erzeugt werden. Diese Speicherform ist mit Dennoch: Die Forschungs- und Pilotprojekte der
einem Pumpspeicher vergleichbar, der Energie letzten Jahrzehnte zeigen, dass noch einige De-
speichert, indem Wasser in die Höhe gepumpt tailprobleme zu lösen sind. Weltweit sind viele
und in einem See aufbewahrt wird. Beide Tech- Pumpspeicherkraftwerke, aber nur zwei Druck-
nologien haben bedeutende Vorteile gegenüber luftspeicher in Betrieb. Die beiden Druckluftspei-
Batterien: Es sind keine chemischen Umwand- cher wurden 1978 in Huntorf (Deutschland) und
lungen notwendig und damit auch keine selte- 1991 in McIntosh (USA) errichtet. Dieser Rück-
nen Rohstoffe oder aufwendige Herstellungs- stand liegt unter anderem an einem Nachteil, der
und Recyclingverfahren. Die Lebensdauer von in der Physik begründet ist: Wird Luft unter Druck
Pump- und Druckluftspeichern ist zudem nicht gesetzt, erwärmt sie sich. Würde Umgebungs-
nur bedeutend länger als jene von Batterien, luft direkt auf 100 bar – dem Hundert fachen des

44
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Das Prinzip der adiabatischen Druckluftspeicherung

Maschinenhalle Speicherhohlraum

Latent-sensibel-
Wärmespeicher

Turbine Motor/ Kompressor


Generator

Laden Entladen

Maschinenhalle Speicherhohlraum

Kosten
in CHF/kWh
10-1

Verbraucher Energiequellen
10-2

Vergleich mittelfristige Speicherung


10-3
Pumpspeicher Power-to-X
(CH4/Methanol, H2....)
CO2-Äquivalent
Druckluftspeicherung Batterien in g/kWh

200 400 600 800

Umgebungsluftdrucks – komprimiert, würde sie Die abgegebene Wärme fehlt während der Ex-
auf rund 1000 °C erhitzt. Der Umgang mit derart pansion, bei der sich die Luft abkühlt. Dies kann
heisser Luft stellt eine grosse Herausforderung zur Vereisung der Turbinen führen. In Huntorf
dar. In den Anlagen in Huntorf und McIntosh und McIntosh wird der Vereisung vorgebeugt, in-
wird die Druckluft in Kavernen gespeichert, dem die aus den Kavernen strömende Luft mit
die aus Salzablagerungen ausgesolt wurden. Erdgas vermischt und verbrannt wird. Galt dies
Diese Ablagerungen vertragen hohe Tempera- früher vielleicht noch als umweltfreundlich, ist
turen nicht. Das Problem der heissen Luft wird dies heute mit Rücksicht auf den Klimaschutz
in beiden Anlagen dadurch umgangen, dass die völlig indiskutabel. Aus Wind- und Sonnenener-
Luft in zwei Stufen komprimiert und nach je- gie erzeugten und gespeicherten Strom wieder
der Stufe Wärme an die Umgebung abgegeben ins Netz einzuspeisen, indem man Erdgas ver-
wird. Dieses Vorgehen hat aber seinen Preis: brennt, ist nicht sinnvoll.

45
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Adiabate Druckluftspeicherung  

Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: Teilprojekte zusammengeschlossen, deren Er-
Die Wärme, die beim Komprimieren der Luft ent- gebnisse in der Folge zusammengefasst sind:43
steht, gilt es der Luft zu entziehen und in einem • Verbundprojekt «Stromspeicherung über
Wärmespeicher zu lagern. Die gekühlte Luft adiabatische Luftkompression» des Na-
kann in einer Kaverne gespeichert werden. Beim tionalen Forschungsprogramms «Energie-
Entladen wird die aus der Kaverne strömende wende» (NFP 70) des Schweizerischen
kühle Luft im Wärmespeicher erhitzt und da- Nationalfonds, (Januar 2015 bis Dezember
nach in der Turbine expandiert. Weil die bei der 2018)44.
Kompression der Luft entstehende Wärme nicht • Schweizer Kompetenzzentrum für Energie-
verschwendet wird, ist die Verbrennung von Erd- forschung für Wärme- und Elektrizitäts-
gas oder anderen fossilen Energieträgern über- speicherung (SCCER HaE) der Innosuisse,
flüssig. Es entsteht somit ein Druckluftspeicher, Phase 1 (April 2014 bis Dezember 2016) und
der im Betrieb keine Treibhausgase freisetzt. Phase 2 (Januar 2017 bis Dezember 2020).
• Projekt «Grid-to-Grid», Bundesamt für Ener-
gie (Oktober 2017 bis Juni 2019)45.

Das Ziel ist erreicht worden, einen In diesen Projekten haben sich die Forschenden
adiabatischen Druckluftspeicher vor allem folgenden Fragen gewidmet:
zu entwickeln, der die bei der • Wo sind in der Schweiz geeignete Standorte
Kompression entstehende Wärme zum Bau von Druckluftspeichern?
zwischenspeichert und mit einer • Wie lässt sich die Wärme speichern, die bei
Effizienz von bis zu 75 Prozent an der Kompression entsteht, und welche Effi-
die Effizienz von Pumpspeicher- zienzsteigerung ist damit in der Praxis mög-
lich?
kraftwerken heranreicht.
• Wie wirtschaftlich und umweltverträglich ist
ein Druckluftspeicher?
• Wie verhalten sich verfügbare industrielle
Die Forschung, zum Teil unter dem Dach des Kompressoren und Turbinen während der
SCCER, setzt hier an. Das Ziel ist erreicht wor- Lade- und Entladephasen?
den, einen adiabatischen Druckluftspeicher
(englisch: Advanced Adiabatic Compressed Air Ein Druckluftspeicher, der einen nennenswerten
Energy Storage, AA-CAES) zu entwickeln, der Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes leis-
die bei der Kompression entstehende Wärme ten soll, muss eine ausreichende Grösse haben.
zwischenspeichert und mit einer Effizienz von Für die Untersuchungen wurde eine Anlage mit
bis zu 75 Prozent an die Effizienz von Pumpspei- einer Entladeleistung von 100 MW und einer Ka-
cherkraftwerken heranreicht. Zum Vergleich: Die pazität von 500 MWh angenommen. Der dazu
Effizienzen der Anlagen in Huntorf und McIntosh notwendige Speicherhohlraum müsste 177 000
liegen bei rund 50 Prozent. Kubikmeter umfassen, was einem Würfel mit ei-
ner Kantenlänge von rund 56 Metern entspricht.
Forschung im SCCER Der Druck in diesem Volumen müsste zwischen
70 und 100 bar variieren. Die Investitionskosten
Im Rahmen des SCCER haben sich Forschen- liessen sich reduzieren, falls bereits bestehen-
de der ETHZ, der Fachhochschule der italieni- de unterirdische Hohlräume genutzt werden
schen Schweiz (SUPSI), der EPFL und des Paul könnten. Allerdings hat sich die Hoffnung zer-
Scherrer Instituts zusammen mit den industriel- schlagen, dass dafür stillgelegte Kavernen der
len Partnern ALACAES, MAN Energy Solutions Schweizer Armee in Frage kommen. Die bisher
Schweiz AG, BKW, Amberg Engineering AG, untersuchten Kavernen sind allesamt deutlich
Swissgrid und AET intensiv mit adiabatischen zu klein und der Ausbau wäre annähernd so teu-
Druckluftspeichern befasst. Dazu wurden drei er wie ein kompletter Neubau.

46
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Die Experten des SCCER HaE schlagen deshalb der Druck 10 bar, wodurch die Temperatur nur
vor, unterirdische Hohlräume als Kavernen oder 320 °C beträgt. Damit können einfachere Kom-
Schächte in Hartgestein auszuheben. Das ent- pressoren benutzt werden und entsprechend
sprechende Know-how ist eine Schweizer Kern- geringer fallen die Investitionskosten aus. Die
kompetenz. Das Volumen von 177 000 Kubik- niedrigeren Temperaturen erlauben auch kürze-
metern entspräche beispielsweise einem Tunnel re Anfahrzeiten, so dass der Druckluftspeicher
mit einem Durchmesser von 9,5 Metern und schneller beladen und entladen werden kann.
einer Länge von 2,5 Kilometern, vergleichbar mit Der Speicher kann somit rascher Energie aus
dem neuen SBB-Tunnel durch den Bözberg. Ge- dem Netz aufnehmen und bereitstellen und in
eignet wären auch mehrere parallele Kavernen der Folge höhere Preise am Strommarkt erzie-
oder Schächte. So würden vier der bei Sedrun len.
für den Gotthard-Basistunnel ausgehobenen
Schächte ein ähnliches Volumen erreichen. Die Schlüsselkomponente eines adiabatischen
Noch fehlen detaillierte Informationen dazu, wie Druckluftspeichers bildet der Wärmespeicher.
Hartgestein auf den stark schwankenden Luft- Er nimmt die Wärmeenergie auf, die bei der Ver-
druck reagiert. dichtung der Luft während des Ladens entsteht,
und gibt sie während des Entladens wieder ab.
Für die Realisierung eines Druckluftspeichers Er ermöglicht dadurch eine Anlageneffizienz von
kommen, neben den vielfach bewährten Tech- 65 bis 75 Prozent. Der Wärmespeicher sollte fol-
nologien zum Aushub von Hohlräumen, auch gende Anforderungen erfüllen:
andere ausgereifte Komponenten zum Einsatz: • geringe Wärmeverluste und hohe Effizienz,
Elektromotoren, Kompressoren, Turbinen und • kleines Volumen mit hoher Energiedichte,
Generatoren sind in vielen industriellen Leis- • konstante Temperatur beim Entladen,
tungsklassen erhältlich und können Jahrzehnte • geringe Wartungskosten und lange Lebens-
mit geringem Wartungsaufwand betrieben wer- dauer,
den. Im Prinzip eignen sich auf dem Markt er- • niedrige Kosten.
hältliche Komponenten auch für den Einsatz in
einem Druckluftspeicher. Dennoch sind einige Die Forschungsgruppe hat eine Kombination
Aspekte speziell zu beachten: Soll der Speicher von zwei Wärmespeichern untersucht und mit
grosse Energiemengen speichern, ist ein maxi- Erfolg in der Pilotanlage in Biasca TI getestet.47
maler Druck von rund 100 bar notwendig. Mit Erstellt wurde die Anlage in einem ehemaligen
einem einzelnen Kompressor ist dies aufgrund Versorgungsstollen, der für den Bau des Gott-
der beschriebenen Gründe nicht möglich. Die hard-Basistunnels angelegt wurde (vgl. Abb. 4).
Verdichtung muss entsprechend in zwei Stufen Mit Hilfe von zwei Betonverschlüssen wurde im
erfolgen. Nach der ersten Verdichtung gelangt Stollen ein Hohlraum abgetrennt, der Druckluft
die Luft in einen kleineren Hohlraum, wo ihr die mit bis zu 33 bar aufnehmen konnte, und in dem
Wärme entzogen und in einem ersten Wärme- zwei Wärmespeicher untergebracht waren. Der
speicher gespeichert wird. Mittels eines zweiten sensible Wärmespeicher besteht aus einer Be-
Kompressors wird die Luft auf 100 bar verdich- tonwanne mit einem Volumen von rund 76 Ku-
tet und in den grossen Hohlraum von 177 000 bikmetern, die mit Kieselsteinen gefüllt ist.48 Der
Kubikmetern geleitet. Dort wird ihr abermals Latentwärmespeicher, gleich daneben, umfasst
Wärme entzogen, die in einem zweiten Wärme- ein Volumen von rund 3,3 Kubikmetern und ent-
speicher gespeichert wird.46 hält Stahlrohre, die mit einer Legierung aus Alu-
minium, Kupfer und Silizium gefüllt sind. Diese
Die Forschungsgruppe hat zwei Anlagenvarian- Legierung schmilzt bei einer Temperatur von
ten untersucht, die sich unter anderem durch rund 525 °C und nimmt dabei Wärme auf, die
den Druck nach der ersten Kompression unter- sie beim Erstarren wieder abgibt.49 Beim Laden
scheiden. Bei der ersten Variante wird die Luft fliesst die komprimierte Luft zuerst durch den
auf 33 bar verdichtet, die Temperatur steigt da- Latentwärmespeicher, dann durch den sensib-
bei auf 580 °C. Bei der zweiten Variante erreicht len Speicher und schliesslich in den Hohlraum.

47
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Adiabate Druckluftspeicherung  

Abbildung 4: Sensibel-
latenter thermischer
Speicher in der Pilot-
anlage bei Biasca.
Links: der mit Kiesel-
steinen gefüllte sensib-
le Speicher (3,1 m hoch,
9,9 m lang und 2,4 m
breit). Rechts: der laten-
te Speicher (etwa 1,5 m
hoch, lang und breit).
Quelle: Viola Becattini

Beim Entladen des Druckluftspeichers läuft es Ladens und Entladens so von einem Speicher
genau umgekehrt: Aus dem Hohlraum strömt zum nächsten zu leiten, dass die Wärmeenergie
die Druckluft zuerst durch den sensiblen Spei- pro Volumen grösser ist als in einem einzelnen
cher, danach durch den Latentwärmespeicher. grossen Speicher. So lassen sich das Volumen
Weil die Temperatur beim Erstarren der Metall- und in der Folge die Kosten der Wärmespeiche-
schmelze im Latentwärmespeicher konstant rung reduzieren. Schliesslich kann bei einem
bleibt, sorgt dieser für eine Stabilisierung der Mehrtankspeicher die Luft während des Entla-
Temperatur der ausströmenden Luft. Auf diese dens mit Hilfe der Röhren und Ventile so durch
Weise können die Turbinen, die wiederum Strom die Tanks geleitet werden, dass die Leistung der
produzieren, effizienter arbeiten. Turbinen konstant bleibt und die Druckluftspei-
cheranlage eine konstante elektrische Leistung
Mittels Simulationen hat die Forschungsgruppe ins Stromnetz einspeist. Dies ist insofern wich-
auch eine Variante des sensiblen Wärmespei- tig, als eine schwankende Einspeiseleistung
chers untersucht, bei der der Speicherbehälter die Stabilität des Stromnetzes beeinträchtigen
in mehrere kleinere, durch Röhren und Ventile kann.
verbundene Behälter unterteilt ist. Solche so-
genannten Mehrtankspeicher können für Druck- Für die Umweltverträglichkeit von Druckluft-
luftspeicher aus drei Gründen vorteilhaft sein: speichern spielen zwei Aspekte eine Rolle: Die
Zum einen ist es einfacher, anstelle eines gros- Umweltauswirkungen und der Materialeinsatz
sen Wärmespeichers mehrere kleinere Wärme- beim Bau einerseits und die mit der Ineffizienz
speicher in den Hohlräumen unterzubringen, verbundenen CO2-Emissionen im Betrieb ande-
wenn deren Durchmesser aus Kostengründen rerseits. Im Vergleich zu Pumpspeichern haben
beschränkt sein sollte. Zudem erlauben es Druckluftspeicher den grossen Vorteil, dass die
die Röhren und Ventile, die Luft während des Landschaft oberirdisch nicht verändert werden
muss. Zudem ist der Materialeinsatz geringer,
weil keine Staumauer erforderlich ist. Der Aus-
hub des Speicherhohlraums und die Entsorgung
Im Vergleich zu Pumpspeichern ha- des ausgehobenen Gesteins fallen kaum ins Ge-
ben Druckluftspeicher den grossen wicht. Die Metalle, die für Kompressor, Turbine,
Vorteil, dass die Landschaft oberir- Generator und Latentwärmespeicher verwendet
disch nicht verändert werden muss. werden, können nach dem Abbau der Anlage re-
zykliert werden.

48
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Hinsichtlich der CO2-Emissionen sind Druck-


luftspeicher und Pumpspeicher vergleichbar. Druckluftspeicher sind aus Sicht
Entscheidend ist allerdings, welche Effizienz des Klimaschutzes vor allem dann
ein Druckluftspeicher erreicht. Die Simulationen sinnvoll, wenn sie vorwiegend fluk-
und Tests zeigen, dass eine Effizienz von bis zu tuierenden Strom aus erneuerba-
75 Prozent realistisch ist – ein Viertel der zum ren Energiequellen wie Wind- und
Verdichten eingesetzten elektrischen Energie Sonnenenergieanlagen speichern.
geht also verloren. Zum Vergleich: Pumpspei-
cher erzielen Effizienzwerte bis 85 Prozent, Li-Io-
nen-Batterien 90 Prozent. Hinsicht lich der CO2-
Emissionen ist die Effizienz dann von Bedeutung, entwickelte Konzept zur kombinierten Wärme-
wenn zum Beladen nicht CO2-freier Strom ein- speicherung hat sich bewährt. Der Realisierung
gesetzt wird. Im Schweizer Strommix entste- eines Druckluftspeichers stehen somit keine
hen heute pro Kilowattstunde rund 100 Gramm grundlegenden Hindernisse im Weg. Einzig zur
CO2.50 Speichert man damit eine Kilowattstun- Dichtigkeit von Hohlräumen bei hohen Drücken
de in einem Druckluftspeicher mit 75 Prozent sind noch Untersuchungen im Gange.
Effizienz, erhöht sich der Emissions wert auf-
grund des Energieverlustes auf 100/0,75, also Wirtschaftliche und regulato-
135 Gramm, obwohl der Speicher an sich im rische Perspektive
Betrieb kein CO2 ausstösst. Druckluftspeicher
sind aus Sicht des Klimaschutzes also vor allem Mit der Wirtschaftlichkeit haben alle Speicher
dann sinnvoll, wenn sie vorwiegend fluktuieren- für elektrische Energie zu kämpfen – vom
den Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Pumpspeicher über Batterien bis zu Wasser-
Wind- und Sonnenenergieanlagen speichern. stoff. Zu den Kosten für die Stromerzeugung
kommen jene für die Speicherung hinzu, was
Insgesamt schneiden Druckluftspeicher bei der eine Technologie unrentabel machen kann. Bei
Ökobilanz also ähnlich gut ab wie Pumpspei- idealem Teillastverhalten der Turbomaschinen
cher. Weil Druckluftspeicher mit Umgebungsluft im Sekundärregelmarkt wäre ein Druckluftspei-
und nicht mit Wasser arbeiten, sind sie von Rest- cher mit einer Leistung von 100 MW und einer
wasserbestimmungen und allfälligen Änderun- Kapazität von 500 MWh bereits 2018 profitabel
gen des Wasserkreislaufs durch den Klimawan- gewesen. Das liegt an den vergleichsweise mo-
del nicht betroffen. Leckt der Speicherhohlraum, deraten Kapitalkosten, die für den untersuch-
tritt einfach nur Luft aus. Und im Gegensatz zu ten Druckluft speicher auf etwa 110 Millionen
Pumpspeichern sind bei Druckluftspeichern Franken geschätzt wurden – rund die Hälfte für
keine Landschaftseingriffe erforderlich, da der die Bauarbeiten und ein Drittel für die Turbo-
Speicher unter der Erde liegt. Dies dürfte erheb- maschinen. Der für die Effizienz der Anlage ent-
lich zur Akzeptanz dieser Technologie in der Be- scheidende Wärmespeicher schlägt mit sechs
völkerung beitragen. Prozent zu Buche. Werden die Kapitalkosten
über die auf 60 Jahre geschätzte Lebensdauer
Technologische Perspektive eines Druckluftspeichers berechnet, belaufen
sie sich somit nur auf die Hälfte eines vergleich-
Die technischen Komponenten zum Bau von adi- baren Batteriespeichers. Die Lebensdauer von
abatischen Druckluftspeichern sind ausgereift Batterien beträgt schätzungsweise nur 10 bis
und meist schon seit Jahrzehnten im Einsatz. 15 Jahre. Sie müssten über 60 Jahre folglich
Die Verfahren zum Bau oder zur Vergrösserung mehrmals neu beschafft werden, was die Kapi-
von bereits bestehenden Speicherhohlräumen talkosten entsprechend erhöht. Die Forschen-
sind ebenfalls ausgereift. Gerade in der Schweiz den taxieren die jährlichen Betriebskosten von
verfügen viele Unternehmen über jahrzehnte- Druckluftspeichern auf etwa zweieinhalb Pro-
lange Erfahrungen im Bau von Tunneln, Kaver- zent der Kapitalkosten, also auf etwa 2,2 Millio-
nen und Schächten. Das im Rahmen des SCCER nen Franken.

49
Speicherung über kurze Zeiträume   —  Adiabate Druckluftspeicherung  

Unter dem Strich ergibt die Kalkulation, dass


sich ein Druckluftspeicher unter idealen Be-
dingungen am Schweizer Sekundärregelmarkt
rechnen würde. Auf diesem Markt bieten Ener-
gieversorgungsunternehmen elektrische Leis-
tung an, um nach einer Störung – etwa einem
Ausfall eines Kraftwerks – das Gleichgewicht
zwischen Stromproduktion und -verbrauch wie-
derherzustellen. Günstig für die Wirtschaftlich-
keit wäre es, wenn Druckluftspeicher nicht als
Energieverbraucher gelten würden und folglich
keine Netznutzungsentgelte bezahlen müssten.
Dieses Hemmnis des Schweizer Energiemark-
tes ist unverständlich, weil Druckluftspeicher
zur Stabilisierung des Netzes beitragen, was
entsprechend honoriert werden sollte. Pump-
speicher sind zurzeit als einzige Speichertech-
nologie von Netznutzugsentgelten befreit. Diese
Diskriminierung einzelner Speichertechnologien
wird in der Schweiz kontrovers diskutiert. Wel-
che Sichtweise sich durchsetzen wird, ist noch
nicht abzusehen.51

Unter dem Strich ergibt die Kal-


kulation, dass sich ein Druckluft-
speicher unter idealen Bedingungen
am Schweizer Sekundärregelmarkt
rechnen würde.

Sollten Druckluftspeicher gleich behandelt wer-


den wie Pumpspeicher, dürften die Investitions-
kosten kein Hindernis für Energieversorger dar-
stellen, da Pumpspeicher mindestens soviel
kosten. Obwohl weitere Untersuchungen not-
wendig sind, wird es also zu einem grossen Teil
von der Politik und den von ihr gestalteten regu-
latorischen Bedingungen abhängen, ob Druck-
luftspeicher einen Beitrag zur Energiestrategie
2050 leisten dürfen. Unklar ist ebenso, welche
Gesetze und Verordnungen bezüglich der unter-
irdischen Speicherung von Luft bei hohen Drü-
cken und Bau der betreffenden Anlagen zur An-
wendung kommen könnten.52

50
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

3 Speicherung über mittlere und 
­saisonale Zeiträume

3.1 Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur
3.1.1 Saisonale Speicher fühlbarer Wärme

3.1.2 Eisspeicher zum Heizen und Kühlen

3.1.3 Saisonale Wärmespeicher mit flüssigen Sorptionsmitteln

3.2 Strom zu H2
3.2.1 Neue Materialien für Wasserstoffspeicher

3.2.2 Alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion

3.2.3 Wasserstoffproduktion mit Redoxflow-Batterie

3.3 Wertschöpfung aus CO2


3.3.1 CO2-Elektrolyse

3.3.2 Methanol aus CO2

3.3.3 Wasserstoffspeicher mit Ameisensäure

3.3.4 Synthetisches Methan

3.1 Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur
51
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Saisonale Speicher fühlbarer Wärme 

3.1.1 Saisonale Speicher fühlbarer Wärme

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ neue Konzepte, die sich auch für die Nach- 2050
rüstung von Bestandsbauten eignen Ist von erneuerbaren Energien und deren Beitrag
➢ einfache Betriebsführung und Kombination mit zur Energiewende und zur Bewältigung des Klima-
Solarkollektoren wandels die Rede, geht es meist um elektrischen
➢ Speichertemperatur auf Nutztemperatur Strom. In der Schweiz wird jedoch rund die Hälfte
➢ in Kombination mit Wärmepumpe Entlastung der Endenergie für die Erzeugung von Wärme
für das Stromnetz aufgewendet, in privaten Haushalten sind es sogar
➢ höhere Speicherdichte durch Kombination mit 80 Prozent. Allein für die Raumbeheizung wird rund
Latentwärmespeicher ein Drittel des gesamten Jahresenergiebedarfs
➢ lange Lebensdauer, über 50 Jahre benötigt. Gelingt es, diesen Wärmebedarf aus er-
➢ sicher neuerbaren Quellen, die im Sommer zu Verfügung
stehen, mit Hilfe von saisonalen Speichern in den
Nachteile Winter zu verschieben, würden erhebliche Mengen
➢ grosses Volumen, Reduktion notwendig an CO2 und Brennstoff eingespart werden.53
➢ ohne ausreichende Isolierung Wärmeverluste
bis zu 50 Prozent
➢ höhere Investitionskosten im Vergleich zu
Gasthermen oder speicherlosen Systemen, vor
allem bei Speichern mit tragender Hülle
Steckbrief

➢ wirtschaftlich bisher nur bei grossem Speicher-


volumen

Reife der Technologie


Technologie-Reifegrad (TRL):
➢ 6 bis 7 für Speicher in ungenutzten Keller- und
anderen künstlichen Hohlräumen wie unge-
nutzte Tunnel oder Bunker.
➢ 9 für Speicher im Haus oder im Erdreich
ausserhalb des Gebäudes

Meilensteine des SCCER


➢ neuartige Konzepte für sensible Wärmespei-
cher zur Nachrüstung in Bestandsgebäuden
➢ Entwicklung und Bewertung neuer Isolations-
materialien
➢ Betrieb eines Demonstrators mit wassergefüll-
tem Keller

Weiterer Forschungsbedarf Ansprechpartner


➢ Langzeiterfahrungen mit dem Demonstrator ➢ Jörg Worlitschek, Institut für Maschinen- und Energietechnik,
mit wassergefülltem Keller Hochschule Luzern – Technik & Architektur,
➢ Verbesserung der Wirtschaftlichkeit [email protected]

52
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

bestehender Raum ins Haus integriert neben dem Gebäude


(z.B. Keller)
weitere
Anwendungsgebiete

Speichermedium:
Wasser

Wärmedämmung

Tank

Energiedichte
1800 in MJ/m3
1600

1400
Charakteristiken von Wärmespeichermaterialien
1200 (saisonal)
1000
Eis
800 Wasser
600
Salzschmelzen
400 und Kiese

200 Temperatur
in °C Natronlauge
0 500 1000 1500

53
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Saisonale Speicher fühlbarer Wärme 

Sensible Wärmespeicher – das Funktionsprinzip


Speicher fühlbarer Wärme sind bereits heute • Speicher fühlbarer Wärme (sensible Spei-
verbreitet, häufig als Erdspeicher im Untergrund cher) speichern die Wärme im Sommer in
oder als Wasser-Wärmespeicher innerhalb von einem Medium wie Wasser, Beton oder im
Gebäuden. Wo dies nicht möglich ist, bieten Erdreich. Über einen Wärmetauscher geben
kompakte Wasserspeicher, die die Partner des sie die Wärme in der Heizperiode wieder ab.
SCCER untersuchten, eine wichtige Alternative.
Sie lassen sich in bestehende Gebäude einbau- Letztere Speicher sind das einfachste und heute
en und helfen – zusammen mit Solarkollektoren weit verbreitete Konzept. «Fühlbar» heisst das
oder mit der Kombination von PV-Anlagen und Prinzip, weil die Zufuhr oder die Entnahme von
Wärmepumpen – beim Heizen grosse Mengen Wärme die Temperatur im Speicher sofort er-
fossiler Energie einzusparen. Wie bei der Strom- höht oder senkt, was wie bei einer heissen Tasse
erzeugung, steht Wärme aus erneuerbaren Quel- Tee fühlbar ist.
len häufig nicht dann zur Verfügung, wenn sie
gebraucht wird. Mehr noch: Während Strom das In einem Speicher dieser Art wird im Sommer
ganze Jahr gebraucht wird, benötigen Haushalte Wärme aus Sonnenkollektoren oder von Wärme-
Wärme fast nur im Winter – wenn sie mangels pumpen durch das Speichermedium geleitet,
Sonneneinstrahlung kaum vorhanden ist. Soll das sich dadurch erwärmt. Im Winter wird die
ein Speicher Wärme im Winter abgeben, muss Wärme wieder entnommen und speist die Fuss-
er mit dieser im Sommer zuvor gefüllt werden. bodenheizung oder erhitzt das Brauchwasser
Zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch der für die Badewanne.
Wärme klafft also eine zeitliche Lücke von meh-
reren Monaten. Sensible Speicher haben den Nachteil, dass die
Temperatur des Speichers mit der im Speicher
enthaltenen Energiemenge zusammenhängt.
Wie bei der Stromerzeugung, steht Das hat zwei Auswirkungen: Um alle Anwendun-
Wärme aus erneuerbaren Quellen gen mit der nötigen Temperatur zu versorgen,
häufig nicht dann zur Verfügung, wie beispielsweise die Trinkwassererwärmung,
wenn sie gebraucht wird. muss es gewährleistet sein, dass die Speicher-
temperatur die minimal erforderliche Nutztem-
peratur nicht unterschreitet. Dies erfordert eine
Saisonale Wärmespeicher werden seit Jahr- ausgeprägte Temperaturschichtung im Speicher
zehnten entwickelt und sind zum Teil auch beziehungsweise eine optimierte Regelung zum
schon im Einsatz. Alle drei verfügbaren Konzep- Be- und Entladen des Speichers. Zudem verliert
te haben die Partner des SCCER erforscht: ein solcher Speicher ständig Wärme an seine
• Latentwärmespeicher nutzen den Phasen- Umgebung. Damit bis zum Winter nicht zu viel
übergang eines Mediums, zum Beispiel Wärme verloren geht, bedürfen sensible Spei-
von Eis zu flüssigem Wasser, um Wärme cher einer guten Isolation. Aus diesem Grund
im Sommer aufzuladen. Wird das Speicher- werden heute vorwiegend grosse saisonale
medium wieder fest, gibt es Wärme zum Speicher gebaut, die ganze Stadtquartiere ver-
Heizen ab. Die Materialien, die in solchen sorgen können, teilweise auch als Puffer für die
Speichern zum Einsatz kommen, werden als Fernwärmeversorgung. In der Schweiz existie-
Phasenwechselmaterialien bezeichnet. ren bereits kommerzielle Lösungen für Speicher
• Thermochemische Speicher: Bei chemi- fühlbarer Wärme, die sich zum Einbau in Niedrig-
schen Reaktionen oder der Absorption von energiehäusern eignen.
Wasser in einem festen oder flüssigen Stoff
wird Wärme frei; über Desorption wird der Damit die Chancen sensibler Speicher für einzel-
Speicher im Sommer mit Solarwärme gela- ne Wohngebäude steigen, müssen die Energie-
den. verluste und vor allem die Kosten kleiner Spei-

54
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

cher sinken. Die Forschung der SCCER-Partner


hat zum Ziel, sensible Speicher so zu optimie- Für einen wirtschaftlichen Betrieb
ren, dass sie sich in kompakter Ausführung muss der Energieverlust möglichst
auch in einzelnen Wohneinheiten wirtschaftlich gering sein.
betreiben lassen.

Forschung im SCCER und für eine Lebensdauer von 50 Jahren ausge-


legt. Gespeist wird der Speicher mit Wärme aus
Die Partner des SCCER konzentrierten sich in ih- einer Wärmepumpe oder aus Solarkollektoren.
rer Forschung zu sensiblen Wärmespeichern auf In einem Folgeprojekt untersuchen die Partner
Lösungen, die in oder in der Nähe von Gebäuden nun, wie sich Temperatur und Druck im Tank
errichtet werden können, idealerweise auch steigern lassen, um eine höhere Energiedichte
nachträglich für Bestandsbauten. Die einfachs- und eine höhere Wirtschaftlichkeit zu erreichen.
te und günstigste Lösung ist ein Wassertank.
Er lässt sich auf drei verschiedene Weisen plat- Die Forschungsgruppe an der HSLU hat auch
zieren: in einem ungenutzten Raum im Keller, in das Optimierungspotenzial der beiden anderen
Neubauten integriert über mehrere Stockwerke Platzierungsvarianten für sensible Speicher
oder ausserhalb des Gebäudes im Erdreich. Die untersucht. Laut Simulationen lässt sich das
erste und die dritte Variante haben den Vorteil, Tankvolumen der zweiten Variante – integriert
dass sie sich häufig mit moderatem Aufwand in einem Neubau – um bis zu 30 Prozent redu-
in bestehende Bauten einbauen lassen. Für alle zieren, allein durch eine optimierte Steuerung
drei Konzepte gilt: Für einen wirtschaftlichen Be- des Lade- und Entladevorgangs. Wird der Tank
trieb muss der Energieverlust möglichst gering im Inneren des Gebäudes untergebracht, ist es
sein. Im Gebäude integrierte Speicher sollten am wirtschaftlichsten, den Tank möglichst klein
zudem möglichst kompakt sein, damit sie wenig zu bauen und stattdessen die Fläche der Solar-
wertvollen Wohnraum beanspruchen. kollektoren zu vergrössern. Der Verlust wert-
vollen Wohnraums wird dadurch minimiert, was
Für die erste Variante haben die Hochschule vor allem in teuren Ballungsräumen zu Buche
Luzern (HSLU) und ein Wirtschaftspartner im schlägt. Ein privater Unternehmer hat ein Kon-
Rahmen eines Innosuisse-Projekts bestehende zept mit einem rund 100 Kubikmeter grossen
Isolationskonzepte analysiert54 und ein neues Speicher entwickelt, der ins Treppenhaus von
entwickelt. Unterirdische Räume wie ein un- Neubauten integriert werden kann. Der Vorteil:
genutzter Keller oder der Raum, in dem früher Wärmeverluste im Winter sind tolerierbar, weil
ein Öltank stand, werden so isoliert und abge- sich dadurch das Gebäude von innen erwärmt.
dichtet, dass sie mit Wasser gefüllt werden kön-
nen. Gleichzeitig ermöglicht dieses Isolations- Das Vergraben eines vakuumisolierten Tanks
system eine gute Wärmeisolierung. Es besteht neben dem Gebäude – Variante 3 – ist vor allem
aus einer Kombination von Platten aus extrudier- für bestehende Gebäude eine kostengünstige
tem Polystyrol-Hartschaum und Polyurethan- Option, trotz der Kosten für den Erdaushub und
Hartschaum – Materialien, die normalerweise der höheren Wärmeverluste.
zur Dämmung von Gebäuden verwendet wer-
den. Auf ihnen liegt eine Art Teichfolie, die ver- Technische Perspektive
hindert, dass Wasser in die Isolation eindringt
und die Isolationswirkung mindert. Das an der Während Speicher für den Einbau in Innenräu-
Entwicklung beteiligte Unternehmen betreibt men sowie ausserhalb des Gebäudes im Erd-
zusammen mit der HSLU bereits einen «Demon- reich bereits kommerziell erhältlich sind, ist dies
strator», einen 100 Kubikmeter grossen Tank für Speicher, die in ungenutzten Kellerräumen er-
in einem Kellerraum. Das eingesetzte Material richtet werden, noch nicht der Fall. Derzeit testen
ist für eine maximale Wassersäule von sechs die Forschenden in der Demonstrationsanlage
Metern, eine Temperatur bis 65 Grad Celsius bei ihrem Wirtschaftspartner die Langzeitstabili-

55
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Saisonale Speicher fühlbarer Wärme 

tät der neuen Isolierung. In einem Folgeprojekt Wirtschaftliche Perspektive


wollen die Projektpartner eine kostengünstige
Isolierung entwickeln, die eine Temperatur bis Die Studien der SCCER-Partner zeigen: Saiso-
90 °C und einen Druck bis 1,2 bar aushält. Dies nale sensible Wärmespeicher können wirt-
würde die Wirtschaftlichkeit deutlich steigern schaftlich sein, selbst wenn dazu teurere Isola-
– sowohl in Wohngebäuden als auch in Anwen- tionsmaterialien wie Vakuumisolation oder
dungen in der Industrie. Polyurethan-Hartschaum zum Einsatz kommen.
Diese sorgen für geringste Wärmeverluste über
Für Speicher, die im Gebäude errichtet werden Monate und erlauben es, Speicher kompakter zu
und wertvollen Wohnraum kosten, könnten sich bauen und Wohnraum zu sparen. Bestimmend
hybride Systeme eignen, die einen Wassertank für die Kosten des Speichers sind das Behälter-
mit sogenannten Phasenwechselmaterialien material und die Dämmung, gefolgt vom Wärme-
kombinieren. Dieses Konzept erhöht die Ener- tauscher.
giedichte und der Tank würde kleiner ausfallen.
Der Schwerpunkt in diesem Forschungsprojekt
lag auf Wohngebäuden mit einer Wärmeerzeu-
Für einen effizienten Betrieb ist gung, die zu hundert Prozent auf Sonnenenergie
es notwendig, die Temperatur- basiert. Das ökonomische Optimum dürfte bei
schichtung im Tank möglichst einem tiefen Autarkieniveau liegen. Dies gilt es
wenig zu stören: oben heiss zur aber noch vertieft zu untersuchen. Sicher ist:
Erwärmung von Brauchwasser für Die Wirtschaftlichkeit bei grösseren Speichern
die Dusche, unten kühler für die nimmt beim Einsatz bei grösseren Wohnquartie-
Fussbodenheizung. ren zu, wie das auch bei früheren Konzepten für
sensible Wärmespeicher der Fall ist. Eine realis-
tische Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines
Eine Herausforderung bei allen Konzepten sind sensiblen Wärmespeichers sollte auch den Nut-
Verwirbelungen, die beim Ein- und Ausströmen zen der Sektorkopplung einkalkulieren. Statt im
des Wassers im Tank entstehen. Für einen effi- Sommer bei niedrigen Strompreisen Solarstrom
zienten Betrieb ist es notwendig, die Tempe- «wegzuwerfen», kann dieser eine Wärmepumpe
raturschichtung im Tank möglichst wenig zu antreiben. Die elektrische Energie wird so zu
stören: oben heiss zur Erwärmung von Brauch- Wärmeenergie umgewandelt und lässt sich um
wasser für die Dusche, unten kühler für die Fuss- Grössenordnungen kostengünstiger speichern
bodenheizung. Die HSLU hat diesen Vorgang so als beispielsweise in Batterien. Wärmespeicher
optimiert, dass sich der Tank bis zu 30 Prozent tragen auf diese Weise dazu bei, eine mögliche
kleiner bauen lässt. Winterstromlücke zu schliessen.

Auch für Speicher im Erdreich gibt es alternative


Konzepte. In einem Innosuisse-Projekt unter-
sucht die HSLU gemeinsam mit einem Partner,
ob das Erdreich selbst als Speicher in Frage
kommt. Zwar ist dies Stand der Technik, doch
wurden bisher zum Wärmeaustausch immer
Bohrlöcher senkrecht in die Erde gebohrt. Das
ist nicht in allen Fällen möglich, zum Beispiel
wenn darüber ein Gebäude liegt oder wegen
eines hohen Grundwasserspiegels tiefe Bohrun-
gen nicht erlaubt sind. Die Projektpartner nutzen
stattdessen die Horizontalbohrtechnik, um Röh-
ren parallel unter der Erdoberfläche zu verlegen,
ohne das Erdreich darüber bewegen zu müssen.

56
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

57
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Eisspeicher zum Heizen und Kühlen 

3.1.2 Eisspeicher zum Heizen und Kühlen

Vorteile ➢ Systemeinbindung und Demonstration von


➢ Energiespeicherung in flüssigem Wasser bei Eisspeichern zum Heizen und Kühlen
erlaubtem Einfrieren
➢ Speicherung mit geringen Wärmeverlusten Bedeutung für die Energiestrategie
➢ hohe Speicherdichte bis 125 Kilowattstunden 2050
pro Kubikmeter Saisonalen Wärmespeichern kommt eine Schlüs-
➢ umgekehrte Wärmeverluste: ungedämmter selrolle bei der Energiewende und beim Klima-
Speicher kann Wärme aus der Umgebung auf- schutz zu. In Kombination mit Solarwärme und
nehmen Wärmepumpen könnten Eisspeicher dort Anwen-
➢ CO2-Einsparung dungen finden, wo die Nutzung anderer Wärme-
➢ auch zur Kühlung geeignet quellen wie das Erdreich oder Aussenluft nicht
➢ bereits Erfahrungen mit kommerziellen Anlagen möglich ist, etwa bei beengten Platzverhältnissen in
➢ hohe Lebensdauer bis zu 50 Jahre Städten und Wohnsiedlungen. Eisspeicher können
➢ einfache Konstruktion und Entsorgung sowohl zum Heizen als Wärmequelle für Wärme-
➢ sehr sicher: Speichermedium z.B. unbehandel- pumpen als auch zum Kühlen als Wärmesenke für
tes Trinkwasser Free cooling eingesetzt werden. Sie können damit
➢ in Kombination mit Wärmepumpe und Nieder- einen wichtigen Beitrag leisten, wenn in Folge des
temperatur-Wärmequellen (Solarthermie, Klimawandels der Bedarf an Kühlung und Klimati-
Abwärme etc.) auch einsetzbar, wenn Erdson- sierung zunimmt.
den- oder Aussenluft-Wärmepumpen nicht
eingesetzt werden sollen.

Nachteile
Steckbrief

➢ Wirtschaftlichkeit aktuell oft schwierig zu er-


reichen
➢ hohe Wärmespeicherkosten
➢ individuelle Planung nötig
➢ vielversprechende neue Konzepte noch in der
Forschungsphase

Reife der Technologie


Technologie-Reifegrad (TRL):
➢ 9 für kommerziell verfügbare De-Icing Anlagen
➢ 4 für Ice-Slurry-Technologie mit Wasserunter-
kühlung im WP-Verdampfer

Meilensteine des SCCER


➢ günstige Eisspeicher-Wärmetauscher mit Ent-
eisungsfunktion entworfen und zur Marktreife
gebracht
➢ umfassende Analyse der Einsatzmöglichkeiten
von Solar-Eis-Heizungen in Wohngebäuden

Weiterer Forschungsbedarf
➢ Entwicklung und Optimierung der Ice-Slurry-
Technologie mit Wasserunterkühlung
➢ Forschung und Entwicklung von enteisbaren Ansprechpartner
Wärmetauschern mit CO2 als Kältemittel ➢ Daniel Philippen, Dani Carbonell, Paul Gantenbein, Institut für
➢ Verbesserung der Wirtschaftlichkeit für kom- Solartechnik, OST Ostschweizer Fachhochschule,
pakte Speicher [email protected]

58
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

PV-Module

Wärmepumpe

Umgebungswärme

Dusche
Konverter

Energiespeicher Fussbodenheizung

Wärmeverluste ins Erdreich


Wärmegewinne aus dem Erdreich Energiedichte
1800 in MJ/m3
1600

Charakteristiken von Wärmespeichermaterialien 1400

(saisonal) 1200

1000
Eis
Wasser 800

Salzschmelzen 600

und Kiese 400

200 Temperatur
Natronlauge in °C
0 500 1000 1500

Eisspeicher – das Funktionsprinzip


Laien schütteln erstmal den Kopf: Wie lässt die Wärme aus der Umgebungsluft oder aus
sich mit Eis Wärme speichern? Tatsächlich sind dem Erdreich. Verfügt das Gebäude über einen
Eisspeicher eine ernstzunehmende Option, um grossen Wassertank, einen sensiblen Speicher
Wärme in Gebäuden oder Wohnquartieren über (vgl.  «3.1.1  Saisonale Speicher fühlbarer Wär-
lange Zeit vorzuhalten. me», S. 52), der im Sommer mit Solarwärme
aufgeladen wird, kann die Wärmepumpe im Win-
Wie dies geht, ist schnell erklärt: Eine Wärme- ter die Wärme aus diesem Tank entnehmen – bis
pumpe, die in vielen Gebäuden heute einge- das Wasser den Gefrierpunkt von 0 °C erreicht
baut ist, kann der Umgebung Wärme entziehen und erstarrt. Durch diesen Phasenwechsel wird
und damit die Räume heizen. Meist kommt der sensible Wärmespeicher zum Latentwär-

59
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Eisspeicher zum Heizen und Kühlen 

me- beziehungsweise Eisspeicher, der den Pha- mepumpe muss immer mehr Strom für immer
senübergang von flüssig zu fest ausnutzt. Die weniger Wärme aufwenden. Das macht den
Wärmepumpe arbeitet so lange weiter, bis das Prozess ineffizient. Die Forschenden der Ost-
Wasser fast vollständig gefroren ist. Die Spei- schweizer Fachhochschule (OST) haben einen
chertemperatur verharrt dabei konstant bei 0 °C. Ausweg gefunden. Wird die Eisschicht zu dick,
schickt ihre Demonstrationsanlage kurzzeitig
Das Erstarren zu Eis setzt grosse Energie- heisses Wasser aus den Solarkollektoren durch
mengen frei: 335 Kilojoule beziehungsweise den Wärmetauscher. Durch dieses «De-Icing»
93 Wattstunden pro Kilogramm Wasser. Das löst sich die Eisschicht und schwimmt wegen
entspricht der Energiemenge, die die Wärme- ihres geringeren spezifischen Gewichts wie eine
pumpe entnehmen kann, wenn sie dieselbe Eisscholle an die Wasseroberfläche. Dieser Pro-
Menge Wasser von 80 °C auf 0 °C abkühlt. Oder zess wird so oft wiederholt, bis der Tank über
noch konkreter: Ein Eisspeicher mit einem Volu- dem Wärmetauscher mit Eisplatten gefüllt und
men von zehn Kubikmetern liefert die gleiche somit die gesamte Latentwärme entnommen
Energiemenge wie 110 Liter Heizöl. ist. Im nächsten Sommer schmilzt das Eis durch
die Zufuhr von Solarwärme. Der Wärmespeicher
lädt sich wieder auf – bis der Kreislauf im Winter
Eisspeicher bieten eine gute Mög- wieder beginnt.
lichkeit, um Wärme kompakt bis zu
Monaten zu speichern. Das Konzept des De-Icing hat sich erfolgreich
bewährt in einem Eisspeicher, der einen Wohn-
und Gewerbepark in Rapperswil-Jona SG ver-
Im Sommer schmilzt das Eis dank der Wärme- sorgt.55 Der Behälter besteht aus Beton und ist
zufuhr aus Solarkollektoren – in manchen Kon- 210 Kubikmeter gross, Sonnenkollektoren mit
zepten auch mit Wärme aus dem Erdreich oder einer Fläche von 120 Quadratmetern speisen
Abwärme aus dem Gebäude. Dabei fliesst die ihn mit Wärme. Auch in einem privat genutzten
gleiche Energiemenge wieder zurück in den Einfamilienhaus im Raum St. Gallen wurde das
Speicher – bis zum nächsten Winter. Die Jahres- Konzept realisiert.
arbeitszahl, die Besitzerinnen und Besitzer einer
Wärmepumpe kennen, liegt bei diesem Prozess Technische Perspektive
bei einem sehr guten Wert von 5. Mit einer Kilo-
wattstunde Strom zum Betrieb der Wärme- Das De-Icing-Konzept hat seine Machbarkeit in
pumpe lassen sich also rund fünf Kilowattstun- Tests bewiesen und sorgt für eine höhere Wirt-
den Wärme aus dem Speicher ziehen. schaftlichkeit von Eisspeichern auch für Wohn-
gebäude. Dies wird allerdings für eine weite
Ein Eisspeicher bietet sich als gute Möglichkeit Verbreitung im Wettbewerb mit anderen Spei-
an, um Wärme kompakt bis zu Monaten zu spei- cherkonzepten nicht ausreichen. Neue Ansätze
chern. Dennoch sind in der Schweiz derzeit erst sind notwendig. So verfolgt die OST auch die so
etwa 40 solcher Speicher in Betrieb. Forschende genannte Ice-Slurry-Technologie.56 Bei diesem
unter dem Dach des SCCER haben die Techno- Konzept gefriert das Wasser zwar, bleibt aber
logie nun so weiterentwickelt, dass Eisspeicher aufgrund der kleinen Eiskristalle in einem fliess-
für einen grösseren Kundenkreis interessant fähigen Zustand. Das hat den Vorteil, dass es
werden dürften. hin und her gepumpt werden kann. Weil es direkt
nach der Wärmepumpe erzeugt werden kann,
Forschung im SCCER macht es zudem den grossen Wärmetauscher
im Eisspeicher überflüssig (vgl. Abb. 5).
Beim Abkühlen des Wassers am Gefrierpunkt
bildet sich am Wärmetauscher eine Eisschicht, Der Verdampfer der Wärmepumpe versetzt das
die erst dünn ist und dann stetig wächst. Das Wasser in einen unterkühlten Zustand – es ge-
Eis wirkt dabei wie eine Isolierschicht – die Wär- friert nicht, obwohl es auf ein paar Grad unter

60
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

0 °C gekühlt wird. Wird die Unterkühlung nach Abbildung 5: Behälter


Verlassen der Wärmepumpe aufgehoben, bildet aus Glas mit Wasser
sich ein «flüssiges» Eis-Wasser-Gemisch – der und obenauf schwim-
Ice-Slurry (Eisbrei). menden Eiskristallen.
Über einen Schlauch
Eine weitere Optimierungsidee besteht darin, (gebogen; oben links)
im Wärmetauscher Kohlendioxid (CO2) anstelle fliesst unterkühltes
eines Wasser-Glykol-Gemisches als Kältemittel Wasser in den Behälter,
zu verwenden. Die erzielte höhere Effizienz wird das zu Eisbrei (Ice
allerdings durch einen komplexeren Aufbau er- slurry) wird, sobald es
kauft, besonders weil das CO2 unter einem ho- auf die schwimmenden
hen Druck von 50 bar arbeiten muss. Hier gilt es, Eiskristalle trifft.
in den nächsten Jahren ein Optimum zwischen Quelle: Daniel Philippen
Energieeffizienz und Konstruktionsaufwand zu
finden.
und die Kosten zu senken, zum Beispiel durch
Ausserdem wollen sich die Forschenden der OST Wegfall des Eisspeicher-Wärmetauschers bei
verstärkt dem Thema Kühlung widmen.57 Eis- erfolgreicher Entwicklung der Ice-Slurry-Tech-
speicher werden seit Jahrzehnten in der Indus- nologie. Die Arbeiten der OST geben Anlass zur
trie benutzt, um Lastspitzen beim Strombedarf Hoffnung, dass dies in den nächsten Jahren ge-
von Kälteanlagen zu kappen. Für die Klimatisie- lingen wird. Allerdings gilt für Eisspeicher das
rung von Wohngebäuden sind solche Anlagen gleiche wie für andere Konzepte zur Wärmespei-
aber zu unwirtschaftlich. Weitere Forschung und cherung: Nur wenn fossile Energien realistisch
Tests sollen zeigen, wie es gelingt, Eisspeicher bepreist werden, also CO2-Emissionen teurer
in kombinierte Heiz- und Kühlsysteme für Ge- werden, und Energie je nach Jahreszeit unter-
bäude zu integrieren, damit sie im Kombibetrieb schiedlich teuer ist, können alternative Speicher
im Sommer kühlen und im Winter heizen könn- wie Eisspeicher eine weite Verbreitung finden
ten – und dies mit optimierter Wirtschaftlichkeit. und auf diese Weise den Strombedarf im Winter
verkleinern.
Wirtschaftliche Perspektive
Eisspeicher zur Wärmeversorgung in Kombi- Nur wenn fossile Energien realis-
nation mit Wärmepumpe und Solarwärme (So- tisch bepreist werden, können alter-
lar-Eis-Heizungen) sind derzeit unter normalen native Speicher eine weite Verbrei-
Umständen und im Wettbewerb zu den heute tung finden und auf diese Weise den
verbreiteten, meist fossilen Heiztechnologien Strombedarf im Winter verkleinern.
nicht wirtschaftlich. Der Bau des Behälters und
der Wärmetauscher bestimmen im Wesent-
lichen die Investitionskosten des Eisspeichers.
Wirtschaftlich interessant sind Eisspeicher aber
heute bereits an Standorten, an denen Erdson-
den oder Aussenluft-Einheiten als Wärmequel-
len für Wärmepumpen nicht erlaubt oder er-
wünscht sind. Da Eisspeicher bei Temperaturen
um den Gefrierpunkt betrieben werden, eignen
sie sich direkt zur Kühlung von Gebäuden oder
Kühlhäusern.

Eisspeicher werden den Durchbruch nur schaf-


fen, wenn es gelingt, ihre Effizienz zu steigern

61
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume  —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Saisonale Wärmespeicher mit flüssigen Sorptionsmitteln 

3.1.3 Saisonale Wärmespeicher mit flüssigen 
Sorptionsmitteln

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ Speicherung über Monate ohne Wärmeverluste 2050
➢ hohe Speicherdichte und damit kompakter Saisonalen Wärmespeichern kommt eine Schlüs-
Speicher selrolle bei der Energiewende und beim Klima-
➢ flüssige Medien lassen sich leicht in Tanks schutz zu. Nur so lassen sich grosse Mengen
pumpen und lagern fossiler Energie zum Heizen einsparen und durch
➢ modular und einfach skalierbar – Speicher- erneuerbare Energien ersetzen. Welche Technolo-
kapazität kann durch zusätzliche Tanks beliebig gie sich durchsetzen wird, ist offen. Wahrscheinlich
erweitert werden werden Sorptionsspeicher in kleineren Wohneinhei-
➢ verbesserte Integration erneuerbarer Energien ten relevante Marktanteile gewinnen.
➢ Erhöhung des Eigenverbrauchs und Entlastung
für das Stromnetz durch saisonale Lastver-
schiebung

Nachteile
➢ vergleichsweise hoher Materialaufwand
➢ höhere Komplexität (gegenüber Wasserspei-
cher)
➢ weitere Optimierung notwendig
➢ offene Forschungsfragen
Steckbrief

➢ saisonale Wärmespeicherung ohne regula-


torische Rahmenbedingungen noch nicht
wirtschaftlich

Reife der Technologie


➢ Technologie-Reifegrad (TRL): 6–7

Meilensteine des SCCER


➢ neue verfahrenstechnische Konstruktion für
Flüssigsorptionsspeicher zur Verbesserung von
Speicherdichte und Lade-/Entladeleistung
➢ detailliertes Verständnis der De-/Absorptions-
vorgänge

Weiterer Forschungsbedarf
➢ weitere Optimierung der Prozessführung, vor
allem beim Entladevorgang
➢ Evaluation von Optionen für Gebäudeintegra- Ansprechpartner
tion ➢ Luca Baldini, Benjamin Fumey, Robert Weber,
➢ Demonstration unter realen Einsatzbedingun- Urban Energy Systems Laboratory, Empa,
gen [email protected]
➢ Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ➢ Paul Gantenbein, Xavier Daguenet,
➢ Einbindung der Industrie für gemeinsame Institut für Solartechnik, OST Ostschweizer Fachhochschule,
Weiterentwicklung und Optimierung [email protected]

62
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Sonnenkollektoren (Sommer)

Nutzwärme aus Nutzwärme ans Dusche


Kollektor (Sommer) Gebäude (Winter)

Natronlauge Natronlauge
(konzentriert) (verdünnt)

Sommer
Fussbodenheizung (Winter)

Winter Sommer
Natronlauge (konzentriert)
Sommer
Winter
Wasser
Winter

Wasser

Natronlauge
(verdünnt)
Niedertemparatur-Wärme Niedertemparatur-Wärme
aus Erdsonde (Winter) in Erdsonde (Sommer) Erdsonde

Energiedichte
1800 in MJ/m3
1600

1400
Charakteristiken von Wärmespeichermaterialien
1200
(saisonal)
1000
Eis
800
Wasser
600
Salzschmelzen
400
und Kiese
200 Temperatur
in °C
Natronlauge
0 500 1000 1500

Wärmespeicher mit flüssigen Sorptionsmitteln –


das Funktionsprinzip
Nebst sensiblen Wärme- und Latentspeichern Wärme aufnimmt und in die andere Richtung
gibt es eine weitere Klasse, die thermochemi- Wärme wieder abgibt. Da lediglich das che-
schen Speicher. Im Gegensatz zu den erstge- mische Potenzial gespeichert wird und nicht
nannten speichern sie die Wärme nicht direkt, die Wärme selbst, arbeiten thermochemische
sondern das chemische Potenzial. Basis bildet Speicher nahezu verlustfrei. Bei sensiblen Spei-
eine reversible Reaktion, die in die eine Richtung chern und Latentspeichern treten kontinuier-

63
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume  —  Wämespeicherung – saisonal Niedertemperatur  —  Saisonale Wärmespeicher mit flüssigen Sorptionsmitteln  

liche Wärmeverluste auf (vgl. 3.1.1, S. 52); da- sprechend nicht gedämmt werden. Theoretisch
mit verbunden sinkt die Speichertemperatur und behält ein Sorptionsspeicher seine Wärme ver-
der Ladezustand. Bei Latenspeichern führt dies lustfrei über Jahre. Die Speicherdichte liegt zu-
dazu, dass sich der Speicher sogar komplett dem höher als bei sensiblen Wasserspeichern.
entlädt, wenn die Speichertemperatur unter die Damit eignet er sich gut für die Überbrückung
Schmelztemperatur des Materials fällt und sich der saisonalen Diskrepanz von Wärmeerzeu-
das Material verfestigt. gung und -verbrauch. Am Markt hat sich diese
Technologie bisher noch nicht durchgesetzt, da
vor allem die verfahrenstechnischen Prozesse
Theoretisch behält ein Sorptions- noch nicht optimiert sind.
speicher seine Wärme verlustfrei
über Jahre. Die Speicherdichte Forschung im SCCER
liegt zudem höher als bei sensiblen
Ziel der Forschung der letzten Jahre war es, ei-
Wasserspeichern.
nen kompakten Sorptionsspeicher auf Basis von
Natronlauge zu entwickeln und in einer Demons-
Wegen diesen kontinuierlichen Verlusten bei trationsanlage zu testen, die sich mit einer Ent-
sensiblen Speichern und Latentspeichern kom- ladeleistung von 5 Kilowatt für ein Einfamilien-
men diese beiden Speichertypen für die Lang- haus eignet. Frühere Experimente am SCCER
zeitspeicherung nur dort zum Einsatz, wo grös- hatten gezeigt, dass der Betrieb eines Sorptions-
sere Quartiere mit Wärme versorgt und deshalb speichers noch einige Fragen aufwirft, die einer
grosse Speicher mit kleiner Oberfläche im Ver- Kommerzialisierung im Wege stehen. Die Empa
hältnis zum Volumen eingebaut werden können. und die Ostschweizer Fachhochschule (OST) ha-
Zudem findet die Energiespeicherung meist bei ben daher in den letzten Jahren unterschiedliche
niedrigen Temperaturen statt, so dass die Wär- Konzepte bestehender Speichertypen weiterent-
meverluste gering sind. In diesem Fall braucht wickelt beziehungsweise neu konzipiert. Zwei
es dann für die Wärmenutzung eine zusätzliche Ansätze wurden dabei intensiver untersucht:
Wärmepumpe. • Die Forschenden haben einen bestehen-
den Speicher mit einer Entladeleistung von
Sorptionsspeicher, eine spezielle Klasse von 1 Kilo watt so optimiert, dass der Austausch
thermochemischen Speichern, die in den letz- des Wassersdampfes mit der Lauge effekti-
ten Jahren verstärkt ins Interesse gerückt sind, ver abläuft und dadurch die Leistungsdichte
eignen sich dagegen auch für den Einsatz bei erhöht.
einzelnen Wohngebäuden oder Einfamilienhäu- • Das Team hat einen neuen Speicher mit
sern. Sorptionsspeicher bestehen aus einem einer besonders hohen Speicherdichte kon-
«Sorbent», einem granularen oder porösen Ma- zipiert und getestet. Es gelang, die anfäng-
terial wie Zeolith, Silikagel oder Metallhydrid lich geringe Entladeleistung schrittweise zu
oder auch aus Salzlösungen, die viel Wasser erhöhen. Ein Demonstrator mit 5 Kilowatt
enthalten beziehungsweise aufnehmen können. Entladeleistung geht 2020 in Betrieb.
Der Ladevorgang erfolgt, indem das Wasser, das
«Sorbat» in Form von Wasserdampf, mit solarer Die beiden Teams an der Empa und der OST ha-
Wärme der Lösung entzogen wird. Im Winter ben sich für ein flüssiges Sorbent (Natronlauge)
leitet man wieder Wasserdampf ins Sorptions- entschieden und damit gegen die bisher übli-
medium des Speichers. Bei der Anlagerung der chen festen Materialien wie Zeolith oder Silica-
Wassermoleküle an das Sorptionsmedium – der gel. Der grosse Vorteil eines solchen Konzepts
so genannten Sorption – wird Wärme frei. liegt darin, dass der Speicher mit dem Sorbent
nicht an einem Ort fest eingebaut werden muss.
Dieses Konzept der «chemischen Wärmepum- Am Prozess sind nur Flüssigkeiten beteiligt. Sie
pe» weist einen grossen Vorteil auf: Der gela- lassen sich in Tanks pumpen, die an Orten ste-
dene Speicher ist nicht warm und muss ent- hen können, wo sie möglichst wenig Platz weg-

64
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

nehmen. Leistung und Energiemenge lassen Auslegung des Absorbers/Desorbers. Die ge-
sich zudem unabhängig voneinander skalieren. wonnenen Erkenntnisse werden zudem genutzt,
Überdies ist Natronlauge eine gut verfügbare um die Speicheranlage mit einer Entladeleistung
und deshalb günstige Chemikalie.58 von 5 Kilowatt zu bauen. Sie ist ein wichtiger
Schritt in Richtung Anwendung in Gebäuden und
Beim ersten Projekt mit dem 1-Kilowatt-Demons- der Weiterentwicklung des Konzepts in Richtung
trator verwendete das Forscherteam an der OST Markt.
einen horizontalen Rohrbündel-Fallfilm-Wärme-
und Massenübertrager und eine wässrige Lauge
Anpassungen der regulatorischen
aus Natriumhydroxid (NaOH) als Sorbent; auch Bedingungen mittels CO2-Beprei-
andere Verbindungen können im Demonstrator sung könnten kompakten Sorp-
getestet werden. tionsspeichern den Markteintritt
ermöglichen.
Eine Herausforderung bietet die gründliche
Durchmischung von Wasser und Lauge. Von ihr
hängt ab, wie schnell sich der Speicher laden Technische Perspektive
und entladen lässt. Die Forschenden nutzen
dazu Röhren, an deren Aussenseite die Lauge Die im Rahmen des SCCER optimierten Sorp-
bei geringerem Prozessdruck nach unten läuft, tionsspeicher haben bewiesen, dass sich dieses
sich mit dem Wasserdampf durchmischt und Konzept für den Einsatz in kleineren Wohnein-
diesen absorbiert. Auf der Innenseite strömt heiten eignet. Aus technischer Sicht verbleibt al-
ein Wasser-Glykol-Gemisch, das die Wärme lerdings Optimierungsbedarf, vor allem in Bezug
aufnimmt oder abgibt. Das Team testete viele auf die Leistungsdichte: Der Wärmeaustausch
unterschiedliche Röhrenformen. Röhren mit be- und die Absorption sollten schneller erfolgen,
schichteter und fein strukturierter Oberfläche um die Leistung der Anlage zu steigern. Dazu
zeigten dabei eine bessere Benetzung mit der werden die Forschenden den Sorptionsprozess
Lauge.59 Beim Sorbent ist der Fall klar: Wässrige weiter untersuchen und die Reaktoren entspre-
Natronlauge erzielte bisher die besten Leistun- chend optimieren.
gen und ist sehr preiswert.
Wirtschaftliche Perspektive
Auch das zweite Konzept, das an der Empa unter-
sucht wurde, setzt auf Natronlauge als Sorbent, Unternehmen haben bereits Interesse am
verwendet aber einen anderen Typ des Absor- Konzept des flüssigen Sorptionsspeichers be-
bers/Desorbers. Dieser basiert auf einem ver- kundet. Allerdings bestehen noch Zweifel, ob
tikal montierten Spiralrohrwärmetauscher. Die solche Anlagen wirtschaftlich betrieben wer-
flüssige Lauge rinnt langsam an diesem herunter den können. Anpassungen der regulatorischen
und hat viel Zeit, Wasserdampf aufzunehmen. Bedingungen mittels CO2-Bepreisung könnten
Die dabei freigesetzte Wärme wird direkt an das kompakten Sorptionsspeichern den Markt-
Wasser abgegeben, das den Wärmetauscher eintritt ermöglichen. Ein entsprechender regu-
im Innern durchströmt. Um die Leistungsdichte latorischer Eingriff ist gerechtfertigt, weil diese
des Reaktors zu erhöhen, untersuchte das Team saisonalen Wärmespeicher im Sinne einer en-
der Empa in diesem Projekt vertieft die Wasser- geren Sektorkopplung auch das Stromnetz ent-
aufnahme und Wasserabgabe der Lauge. Sie lasten würden. Im Sommer, wenn Solarstrom
verwendeten verschiedene Analysemethoden im Überfluss zur Verfügung steht, könnte dieser
wie die Raman-Spektroskopie.60 Auch Analyse- mit Wärmepumpen Wärme erzeugen, die bis zur
möglichkeiten des Paul-Scherrer-Instituts, unter kalten Jahreszeit gespeichert wird. Im Winter,
anderem die Bildgebung mit Neutronen an der wenn der Heizbedarf am grössten, die Ausbeu-
SINQ-Spallationsquelle, kamen zum Einsatz. te in Solarzellen aber gering ist, würde weniger
Diese Studien sind noch nicht abgeschlossen, Strom durch elektrische Wärmepumpen ver-
führten aber bereits zu Optimierungen bei der braucht.

65
3.2 Strom zu H2
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Neue Materialien für Wasserstoffspeicher 

3.2.1 Neue Materialien für Wasserstoffspeicher

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ hohe Energiedichte bei geringem Druck 2050
➢ kann Druckspeicher ersetzen Wasserstoff lässt sich umweltfreundlich aus Strom
➢ Wasserstoff-Kompressor ohne bewegliche oder Biomasse herstellen und kann aufgrund der
Teile hohen Energiedichte jene Bereiche des Energie-
➢ grosses Potenzial, neue Materialien mit hoher systems de-fossilisieren, die heute auf fossile
Speicherdichte zu finden Energieträger angewiesen sind und sich, wie der
Fernverkehr oder die Luftfahrt, anders kaum klima-
Nachteile freundlich gestalten lassen.
➢ gravimetrische Wasserstoffdichte Wasserstoff ist der Energieträger der Zu-
➢ Kosten der Speichermaterialien kunft. Für die Wasserstoffwirtschaft sind Spei-
cher notwendig, die grosse Mengen Wasserstoff
Reife der Technologie auf kleinerem Raum sicher speichern können.
Technologie-Reifegrad (TRL): Wasserstoff-Speicher mit Metallhydriden sind
➢ 8 für Metallhydrid bereits ausgereift. Neue Materialien mit grösserer
➢ 3 für komplexe Hydride gravimetrischer Wasserstoffdichte wie komplexe
➢ 2 für neue Materialien wie Graphenoxid Hydride oder Kohlenstoff-Graphen in Verbindung
mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen bieten in der Anwen-
Meilensteine des SCCER dung viele Vorteile. Ab dem kommenden Jahrzehnt
➢ Reversibilität nanostrukturierter komplexer könnten sie die dominierende Speicherform für
Hydride auf Graphenträger Energie sein.
➢ hohe Speicherdichte in Graphenoxid mit Nano- Wasserstoff lässt sich mittels erneuerbarer
röhrchen Energie durch Elektrolyse von Wasser effizient
Steckbrief

➢ Gründung eines Start-ups für Wasserstoff- (mit einem Wirkungsrad von bis zu 80 %) und
Speicher und Metallhydrid-Kompressoren klimaneutral herstellen. Wasserstoff ist vielfältig
verwendbar, etwa um in einer Brennstoffzelle Strom
Weiterer Forschungsbedarf zu erzeugen, in einer katalytischen Verbrennung
➢ Stabilität und Reversibilität komplexer Hydride Wärme zu produzieren oder als Ausgangsstoff für
➢ neue Materialien mit grösserer Speicherdichte chemische Verbindungen wie Methan, Methanol
und/oder tieferen Kosten oder Ameisensäure. An Technologien zur Erzeu-
➢ Langzeiterfahrungen gung und Verwendung von Wasserstoff wird seit
Jahrzehnten mit Erfolg geforscht. In den kommen-
den Jahren können viele davon zur Energiewende
beitragen.

Ansprechpartner
➢ Andreas Züttel, Laboratory of Materials for Renewable Ener-
gy, EPFL Sion,
[email protected]

66
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Speichermethoden für Wasserstoff

Speicherung unter Speicherung Bindung in komplexen Bindung in Graphenoxid


Druck in Tanks in Metallhydriden Hydriden (Natriumborhydrid) Strukturen

Kosten in
CHF/kWh
10-1

10-2

Langfristige Speicherung
10 -3

Pumpspeicher

CO2-Äquivalent Power-to-X
in g/kWh (CH4/Methanol, H2 ...)
200 400 600 800

Wasserstoffspeicher mit neuen Materialien –


das Funktionsprinzip
Im Fokus steht die Frage, wie sich Wasser- von Benzin. Um Wasserstoff in handlichem Vo-
stoff kompakt und sicher speichern lässt. Mit lumen speichern zu können, muss das Gas unter
39,2 kWh/kg verfügt Wasserstoff über die höchs- hohem Druck in Tanks gelagert werden – bei bis
te Energiedichte aller Energieträger, vergleichs- zu 200 bar in Stahltanks für stationäre Anwen-
weise dreimal so hoch wie Benzin. Allerdings dungen oder bis 700 bar in Kohlefaser-Kompo-
beansprucht ein Kilogramm Wasserstoff bei sit-Tanks für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle und
Raumtemperatur und Atmosphärendruck ein Elektroantrieb. Diese Lösungen funktionieren
Volumen von 11 Kubikmetern – das 3000-fache und haben sich bewährt. Sie sind dennoch nicht

67
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Neue Materialien für Wasserstoffspeicher 

bil gebunden. Ein Wasserstoffspeicher soll


Wasserstoffspeicher mit Metall-
jedoch nicht nur möglichst viel Wasserstoff
hydriden sind ausgereift und bereits aufnehmen und festhalten, sondern ihn spä-
in der Markteinführung. ter – wenn er wieder gebraucht wird – auch
Speicher mit komplexen Hydri- leicht freigeben. Bei Borhydrid stellte dies
den bedürfen noch der weiteren lange Zeit ein Hindernis dar. Zudem kristalli-
Entwicklung. siert das Borhydrid beim Herauslösen des
Wasserstoffs und verhindert die erneute
Aufnahme von Wasserstoff im nächsten
ideal, denn hohe Drücke bedeuten hohen Ener- Ladezyklus. Die Forschenden haben her-
gieaufwand und erfordern technisch anspruchs- ausgefunden, dass sich diese unerwünsch-
volle Lösungen, um unerwünschtes Austreten ten Effekte vermeiden lassen, wenn das
zu verhindern. Natriumborhydrid mit einer ionischen Flüs-
sigkeit in Kontakt gebracht wird.61 Die Kristal-
Forscherinnen und Forscher untersuchen und lisation verhindern die Forschenden, indem
entwickeln deshalb alternative Methoden, um sie kleine Inseln des Natriumborhydrids auf
Wasserstoff mit hoher Dichte und sicher zu Graphen-Kohlenstoff aufbringen.62
speichern. Sie nutzen dazu die Möglichkeit, • Adsorption an GONT: Das Kürzel «GONT»
dass sich Wasserstoff in Feststoffen binden steht für Graphen-Oxid-Carbon-Nanotubes.
lässt, zum Beispiel in Metallhydriden auf Basis Dieses Graphen-Oxid kombiniert mit Car-
von Lanthan und Nickel oder auch Magnesium bon-Nanoröhrchen speichert fünf Prozent
und Aluminium. GRZ Technologies, ein Start-up Wasserstoff bei Raumtemperatur bei einem
der EPFL, baut damit Speicher mit einem Ener- Druck von 50 bar. Das entspricht dem Spei-
gieinhalt von über einer Megawattstunde. Das chervermögen eines Komposit-Tanks bei
Metallhydrid im Tank speichert zwei Prozent sei- 700 bar. Wichtiger noch: Dieser Speicher
nes Gewichts mit der doppelten Dichte von flüs- lässt sich auch wieder leicht entladen.
sigem Wasserstoff und damit bezogen auf Bat-
terien rund fünfmal soviel Energie pro Gewicht Die Forschenden haben zudem einen Kompres-
und 20 Mal soviel pro Volumen. Noch grössere sor für Wasserstoff entwickelt, der ohne be-
gravimetrische Speicherdichten lassen sich mit wegliche Teile auskommt. Dazu nutzen sie eine
komplexen Hydriden erzielen, die Wasserstoff Verbindung aus Lanthan, Cer, Nickel, Kobalt und
mit bis zu 20 Prozent ihres Gewichts aufnehmen Mangan. Dieser Stoff absorbiert Wasserstoff bei
können. einer Temperatur von 20 °C und einem Druck von
3 bar und gibt diesen bei 100 °C mit 25 bar oder
Forschung im SCCER bei 225 °C mit 200 bar wieder ab. Allein durch die
Temperaturerhöhung lässt sich also der Druck
Die Herausforderung beim Speichern von Was- des Wasserstoffs steigern. Diese Kompressor-
serstoff ist, das sehr grosse Volumen des Gases technologie wird von der GRZ Technologies SA,
bei Raumtemperatur auf ein kleines Volumen zu einem EPFL-Start-up, in Zusammenarbeit mit
verdichten. Dazu muss das Gas entweder unter Burckhardt Kompressoren und Messer Schweiz
hohen Druck gesetzt oder durch Abkühlen ver- bereits kommerzialisiert.63
flüssigt werden. Die Forschenden der EPFL ha-
ben eine dritte Option verfolgt: Sie erhöhen die Insgesamt wurden im Rahmen des SCCER gros-
Dichte der Gasmoleküle, indem sie sie mit einem se Fortschritte in der Reversibilität der komple-
anderen Material wechselwirken lassen. Dazu xen Hydride, der Entwicklung neuer flüssiger
haben sie zwei Wege beschritten: Hydride sowie der Wasserstoffspeicherung in
• Chemische Bindung in komplexen Hydri- Kohlenstoff-Nanostrukturen erzielt. Letztere
den: In Natriumborhydrid erreicht Wasser- er l au ben bei tiefem Druck (<50 bar) gleich viel
stoff einen Gewichtsanteil von 10,5 Prozent. Wasserstoff zu speichern wie in Komposit-
Allerdings ist der Wasserstoff darin sehr sta- Tanks bei 700 bar.

68
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Technische Perspektive chendes Start-up-Unternehmen gegründet. Das


Start-up verkauft Kompressoren, die Wasser-
Wasserstoffspeicher mit Metallhydriden sind stoff bei niedrigem Druck in einem Metallhydrid-
ausgereift und bereits in der Markteinführung. Tank speichern und bei Bedarf mit einem Druck
Speicher mit komplexen Hydriden, wie sie die von bis zu 200 bar abgeben. Eine grosse Varian-
Forschenden der EPFL untersuchten, bedürfen te entwickelt das Unternehmen zusammen mit
hingegen der weiteren Entwicklung. Hier gilt es, anderen Schweizer Unternehmen. Zudem hat
in den nächsten Jahren die Synthese dieser Hyd- es ein grosses Speichersystem – bestehend
ride zu optimieren, die reversible Aufnahme und aus einem Elektrolyseur, einem Metallhydrid-
Abgabe des Wasserstoffs auch in grösseren Speicher und einer Brennstoffzelle – entwickelt,
Speichern zu vereinfachen sowie unerwünschte das bereits vermarktet wird. Dabei lassen sich
Reaktionen zu verhindern. Die neu entdeckten alle Komponenten an den Energiebedarf und die
Wasserstoffspeicher aus Nanomaterialien wie Leistung der Anwendung anpassen. Wie viel-
GONT, bei denen die Forschung dabei ist, die versprechend diese Technologie ist, zeigt die
genauen Abläufe bei der Speicherung zu verste- gelungene Finanzierungsrunde mit namhaften
hen, könnten in naher Zukunft die Druckspeicher Investoren im Jahr 2020.
ablösen. Dabei muss es auch gelingen, Graphen-
oxid in grossen Mengen herzustellen.

Mit einem Demonstrator haben die Forschenden


der EPFL in Sion aufzeigen können, dass Was-
serstoff der Energieträger der Zukunft sein kann.
Der Demonstrator ist so ausgelegt, dass er den
durchschnittlichen Energiebedarf einer hierzu-
lande lebenden Person abdecken kann. Neben
einer Photovoltaikanlage umfasst der Demons-
trator zwei Batteriespeicher, einen Elektrolyseur,
einen Metallhydrid-Wasserstoffspeicher, einen
Metallhydrid-Kompressor und zwei Reaktoren,
die Methan und Methanol herstellen (vgl. «3.3.4
Synthetisches Methan», S. 92). Damit wird für
die Schweiz einzigartig an einem Ort der gesam-
te Weg von der Sonnenenergie bis zu syntheti-
schen Kohlenwasserstoffen in realem Massstab
demonstriert.64

Wirtschaftliche Perspektive
Wasserstoff lässt sich als Energieträger bereits
heute wirtschaftlich nutzen. Ein Kilogramm –
mit aktueller Technologie und mit erneuerbarer
Energie erzeugt – kostet 9 Franken. Ab voraus-
sichtlich 2035 wird der globale Energiemarkt
auf erneuerbarer Energie basieren, dominiert
von Wasserstoff und synthetischen Kohlenwas-
Ab voraussichtlich 2035 wird der
serstoffen, die wiederum aus Wasserstoff und globale Energiemarkt auf erneuer-
Kohlendioxid aus der Luft hergestellt werden. barer Energie basieren, dominiert
Weltweit setzen immer mehr Unternehmen auf von Wasserstoff und synthetischen
diese Technologien. In der Schweiz haben Mit- Kohlenwasserstoffen.
arbeitende der EPFL in Sion 2017 ein entspre-

69
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion 

3.2.2 Alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ bewährte, langlebige Technologie 2050
➢ verfügbar bis zu einigen Megawatt Wasserstoff ist einer der Energieträger der Zukunft.
Weltweit werden heute 96 Prozent des Gases
Nachteile mittels Dampfreformierung unter Umwandlung von
➢ geringe Flexibilität bei schwankendem Strom- Kohle oder Erdgas gewonnen. Wegen der Verwen-
angebot dung fossiler Rohstoffe leistet dieser «schmutzige»
➢ Wasserstofftechnologie ist noch nicht konkur- Wasserstoff heute keinen Beitrag für eine klima-
renzfähig zu anderen Speichertechnologien neutrale Energiewende. Soll der Wasserstoff seine
➢ neue Materialien für höhere Gasreinheit not- klimafreundlichen Vorzüge ausspielen, muss er in
wendig grossem Massstab klimaneutral aus erneuerbaren
Ressourcen gewonnen werden.
Reife der Technologie Alkalische Elektrolyseure erzeugen Wasserstoff
Technologie-Reifegrad (TRL): klimaneutral, sofern sie mit regenerativem Strom
➢ 9 für kommerziell verfügbare Systeme betrieben werden. Damit sind sie ein wichtiger Bau-
➢ 3 bis 4 für Systeme mit neuen Elektroden und stein für eine Wasserstoffwirtschaft. Er ist vielfältig
Membranen verwendbar, etwa um in einer Brennstoffzelle wie-
der Strom zu erzeugen oder als Ausgangsstoff für
Meilensteine des SCCER chemische Verbindungen wie Ammoniak, Methan,
➢ Entwicklung neuer Materialien für Elektroden Methanol, Ameisensäure oder andere Kohlenwas-
und Membranen serstoffe. Seine Herstellung kommt ohne Ausstoss
➢ Fortschritte bei Stromdichte, Gasreinheit, Last- von klimaschädlichem Kohlendioxid aus, voraus-
flexibilität und Kosten gesetzt sie erfolgt in einem Elektrolyseur, der mit
Steckbrief

Strom aus regenerativen Quellen wie Sonnen-,


Weiterer Forschungsbedarf Wind- oder Wasserkraft gespeist wird.
➢ Entwicklung neuer Materialien für Elektroden Die Rolle des Wasserstoffs in einem künftigen
und Membranen Energiesystem besteht darin:
• Bereiche wie den Schwer-, Langstrecken- und
Luftverkehr oder die chemische Industrie, die
mit Elektrizität alleine nicht betrieben werden
können, von fossilen Rohstoffen unabhängig
machen;
• bei der Energieversorgung den saisonalen
Ausgleich ermöglichen, indem die im Som-
mer generierte Energie für die Wintermonate
gespeichert wird, um sie im Strom- oder Trans-
portsektor einzusetzen.

Ansprechpartner
➢ Kevin Sivula, Laboratory for Molecular Engineering of
Optoelectronic Nanomaterials LIMNO, EPFL,
[email protected]

70
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Industrie
Wasserstoff-Transport
CH4

CO2
H2
H2

H2
Strom öffentliches Wasserstoff-
Gasnetz Tankstellen
Wasserstoffgewinnung
durch Elektrolyse

Stromquelle
Wasserstoff H2 - + O2 Sauerstoff
H2

CO2

Anode Kathode !

Iridiumoxid

0H-
Kosten in
Wasser CHF/kWh
10-1

10-2

Langfristige Speicherung

10-3
Pumpspeicher

Power-to-X CO2-Äquivalent
(CH4/Methanol, H2 ...) in g/kWh
200 400 600 800

Alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion –


das Funktionsprinzip
Erstmals Wasser gespalten hatten die Nieder- durch Konzentration von Sonnenlicht erzeugen
länder Adriaan Paets van Troostwijk und Johann wollte. Um das Jahr 1900 begannen Unter-
Rudolf Deiman um das Jahr 1789. Um 1800 nehmen, die entsprechenden Apparaturen, die
wies der deutsche Chemiker Johann Wilhelm Elektrolyseure, in grösseren Stückzahlen herzu-
Ritter nach, dass es sich bei den Produkten um stellen.
Wasserstoff und Sauerstoff handelte. Im Jahr
1879 versuchte der Franzose Augustin Muchot Heute ist die Technologie weltweit im Einsatz.
die Elektrolyse mit Strom zu betreiben, den er Sie ist robust, arbeitet auch bei hohen Drücken

71
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion 

und ist kostengünstig. Am weitesten verbrei- Situationen, bei denen der Zugang zu grossen
tet ist die alkalische Wasserelektrolyse, bei der Produktionsanlagen auf der Basis fossiler Be-
zwei Elektroden in einen flüssigen Elektrolyten triebsstoffe nicht möglich oder nicht wirtschaft-
aus Kali- oder Natronlauge eingetaucht sind. Die lich ist. Die Hauptgründe des geringen Anteils der
Elektroden sind durch eine dünne Membran ge- Wasserstoffelektrolyse liegen – wie besprochen
trennt, die Hydroxid-Ionen (OH–) durchlässt, aber – in der geringen Stromdichte und im geringen
die Gase Wasserstoff und Sauerstoff, die an den Reinheitsgrad. Die Forschungsaktivitäten am
Elektroden entstehen, voneinander trennt. SCCER konzentrierten sich daher in erster Linie
auf die Entwicklung kostengünstiger Elektroden
Die Tatsache, dass Wasserstoff heute noch mit verbesserten Reaktions-(OER-)Eigenschaf-
vorwiegend aus fossilen Rohstoffen gewon- ten und auf die Verbesserung von Separatoren
nen wird, hat auch technische Gründe. Die ein- für alkalische Elektrolyseure.
fachste und am weitesten verbreitete Variante
der alkalischen Wasserelektrolyse hat doch Ein Mass für die OER-Eigenschaft ist die elekt-
auch einige wesentliche Einschränkungen: Die rische Spannung, bei der die Elektrolyse statt-
Reinheit des Wasserstoffs erreicht bei diesem findet. Die Differenz zwischen der tatsächlichen
Verfahren lediglich 99,5 bis 99,9 Prozent, weil und der theoretischen Spannung – Spannungs-
immer eine gewisse Menge Sauerstoff die differenz oder Überpotenzial – schränkt die
Membranbarriere (Separator) durchdringt. Dies Effizienz alkalischer Elektrolyseure ein und soll
erfordert nachträglichen Reinigungsaufwand möglichst klein sein. Forschende an der EPFL
und trübt die Gesamtbilanz. Ferner ist der Span- untersuchten etliche Materialien auf ihr Über-
nungsverlust an den heute für die Sauerstoffent- potenzial, darunter Phosphate, Borate und Oxi-
wicklungsreaktion (Oxygen Evolution Reaction, de, die alle ein ausreichend geringes Überpoten-
OER) verwendeten Katalysatoren erheblich. Zu- zial und eine zufriedenstellende OER-Leistung
sammen mit dem Elektrolyten bewirkt dies eine zeigten.65 Neueste Experimente beschäftigen
geringere Stromdichte. Alkalische Elektrolyseu- sich mit kostengünstigen Materialien wie nickel-
re sind deswegen ziemlich gross und zudem haltigem Stahl, der über noch bessere Eigen-
träge. schaften verfügt.66

Mit dem Ausbau der Wind- und Sonnenenergie Metallische Elektroden, zusammengesetzt aus
wird die Stromerzeugung künftig noch stärker einer Legierung von Eisen, Nickel und/oder Ko-
schwanken und damit werden Stromspitzen balt sind wieder als vielversprechende und kos-
zunehmen. Diese sind als kostengünstige Ener- tengünstige Anoden für die alkalische OER Re-
gieüberkapazitäten willkommen, um sie zu spei- aktion im Gespräch. Diese Elektroden besitzen
chern oder in andere Bereiche wie die Mobilität einen einfachen Aufbau, bilden im Einsatz eine
zu verschieben. katalytisch hoch aktive Oxy-Hydroxid Oberfläche
aus und haben ein sehr geringes Überpotential
Ein Elektrolyseur, der im künftigen Energiesys- für die Sauerstoffentwicklung. Forschende an
tem seine Transformationsrolle erfüllen soll, der EPFL haben kürzlich den Zusammenhang
muss diesen Schwankungen rasch folgen und zwischen der ursprünglichen Legierungszusam-
lokale Stromüberkapazitäten nutzen können – mensetzung der Sauerstoffentwicklung und der
er muss also dynamisch betrieben werden kön- sich entwickelnden katalytischen Oberfläche be-
nen. schrieben. Dazu wurden metallische Anoden mit
definiertem Eisen, Nickel und Cobalt-Verhältnis
Forschung im SCCER mittels Lichtbogenschmelzen hergestellt. Durch
diese Untersuchungen konnte die ideale Zusam-
Der Anteil der Wasserelektrolyse an der welt- mensetzung gefunden werden, die eine gute
weiten Wasserstoffproduktion beträgt derzeit Stabilität bei geringer Überspannung aufweist.
nur vier Prozent. Die Wasserstoffelektrolyse ist Dieses Ergebnis wird die Optimierung von kom-
zudem meist auf kleine Anlagen beschränkt, für merziellen Elektroden voranbringen.67

72
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Eine andere Möglichkeit, Überpotenziale zu mit 50 Jahren Erfahrung hat seinen Sitz in der
reduzieren, bietet sich mit der Elektrolyse bei Schweiz; er verfügt über eine der weltweit gröss-
hohen Temperaturen oder Drücken. Auch für ten Produktionskapazitäten für Elektrolyseure.69
diese Anwendungsmöglichkeiten hat das For-
scherteam interessante Materialien gefunden.68 Energie durch die Produktion von Wasserstoff
mittels alkalischer Elektrolyse zu speichern ist
Technische Perspektive derzeit mit Pumpspeicherkraftwerken nicht kon-
kurrenzfähig. Der Grund dafür liegt vor allem
Alkalische Elektrolyseure sind technisch weitge- beim tiefen Wirkungsgrad des Gesamtsystems
hend ausgereift. Für eine breite Anwendung zum von unter 40 Prozent bei der Rückverstromung
CO2-neutralen Speichern elektrischer Energie des Wasserstoffs in einer Brennstoffzelle. Sin-
mit Wasserstoff müssen jedoch Effizienz, Dyna- ken die Investitions- und Wartungskosten weiter,
mik und die Reinheit des gewonnenen Gases ge- könnte die alkalische Elektrolyse als Ersatz für
steigert und die Gesamtkosten gesenkt werden. fossile Brennstoffe zur Wasserstoffproduktion
jedoch mithalten. Unter den heute herrschenden
Weitere Aufmerksamkeit gilt der Entwicklung der Marktbedingungen ist dies nur mit Subventio-
Separatoren. Bestanden sie in den ersten kom- nen möglich, in Deutschland mit 0,06 Euro pro
merziellen Elektrolyseuren aus Asbest, wird heu- Kilowattstunde, in den USA mit und 0,02 Dollar
te poröses Polymer wie PVC, PTFE oder PEEK pro Kilowattstunde.70
eingesetzt. Der Trend geht hin zu Materialver-
bindungen aus porösen Polymeren und anorga-
nischen Stoffen. Das Ziel weiterer Forschung ist Die potenziellen Märkte für den
es, den Spannungsabfall und den Gasübergang Einsatz der alkalischen Elektrolyse
durch den Separator zu verringern. Nichtporöse, sind vorhanden und wachsen stark.
OH–-leitende Membranen sollen die Probleme
des Gasübergangs lösen und die Elektroden-
korrosion verringern, wenn der Elektrolyseur mit Die potenziellen Märkte für den Einsatz der
reinem Wasser gespeist wird. alkalischen Elektrolyse sind vorhanden und
wachsen stark. Kleine Elektrolyseure, die weni-
Folgende Ziele verfolgt die Wissenschaft in den ger als einen Normkubikmeter Wasserstoff pro
nächsten Jahren durch den Einsatz neuer oder Stunde erzeugen, könnten zum Befüllen von
verbesserter Materialien für Elektroden bzw. Gas flaschen dienen, mittlere Anlagen Wasser-
Membran: stoff für die Industrie erzeugen. Grosse Anlagen
• Effizienzsteigerung mittels höherer Strom- mit mehr als zehn Normkubikmetern pro Stunde
dichten und geringerer Spannungsverluste; eignen sich für die Ammoniakproduktion und
• Kostensenkung dank günstigerer Materia- den Mobilitätssektor (Stichwort: Wasserstoff-
lien, längerer Lebensdauer der Komponen- lastwagen). Bei kleinen Systemen hängen die
ten, unter anderem dank verringerter Korro- Kosten von der Anschaffung des Elektrolyseurs
sion; ab, bei grossen in erster Linie von den Kosten
• Verbesserung der Lastflexibilität mit mini- des verwendeten Stroms. Die Investitionskosten
malem Übergang von Wasserstoff bezie- betragen zwischen 800 und 1500 Euro pro Kilo-
hungsweise Sauerstoff auf die andere Seite; watt, die Wartungskosten betragen etwa zwei
• Erhöhung der Gasreinheit, vor allem bei Be- bis drei Prozent der Investitionskosten pro Jahr.
trieb unter hohem Druck. Ausserhalb von Zeiten mit Stromspitzenbedarf
– also etwa von April bis September, wenn die
Wirtschaftliche Perspektive Schweiz Strom exportiert – könnten grossen
Elektrolyseanlagen von günstigem Strom profi-
In der Schweiz hat die Wasserstofferzeugung tieren.
mit Elektrolyse eine lange Tradition. Einer der
führenden Hersteller alkalischer Elektrolyseure

73
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Wasserstoffproduktion mit Redoxflow-Batterie  

3.2.3 Wasserstoffproduktion mit Redoxflow-Batterie

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ Leistung und Energieinhalt unabhängig von- 2050
einander skalierbar Redoxflow-Batterien mit Wasserstoff-Produktion
➢ flüssiger Energiespeicher, lässt sich transpor- sind wahre Alleskönner und können sehr flexibel
tieren, betanken und unbegrenzt lagern zur Speicherung erneuerbaren Stroms und der Pro-
➢ grosser Leistungsbereich bis in den Megawatt- duktion von Wasserstoff eingesetzt werden. Diese
bereich Flexibilität, auch dank der beliebigen Skalierbar-
➢ flexibler Einsatz mit zusätzlicher Wasserstoff- keit, dürfte ihnen einen wichtigen Platz im Mix der
Produktion Energiespeicher in der Schweiz sichern. Dies gilt
insbesondere für mittlere Leistungen, wo zum einen
Nachteile dezentral gespeichert werden soll, Wasserstoff be-
➢ bisher nur bei grossen Speichervolumina nötigt wird, und wo Batterien zu klein und zu teuer
wirtschaftlich sind beziehungsweise Pump- und Druckluftspei-
➢ Verwendung von Edelmetallkatalysatoren cher zu gross. Ein Vorteil dieser Technologie liegt in
Steckbrief

der parallelen Bereitstellung von Wasserstoff und


Reife der Technologie Strom an Tankstellen für die Elektromobiliät.
Technologie-Reifegrad (TRL):
➢ 9 für die Redoxflow-Batterie
➢ 6 in Kombination mit Wasserstoff-Produktion

Meilensteine des SCCER


➢ Erweiterung des Konzepts mit Wasserstoff-
Produktion
➢ Betrieb eines Demonstrators an der Electro-
mobilis-Anlage in Martigny
➢ Entwicklung neuer Materialien für Katalysator
und Elektrolyt
Ansprechpartner
Weiterer Forschungsbedarf ➢ Hubert Girault, Laboratory of Physical and Analytical
➢ Entwicklung kostengünstigerer Katalysatoren Electrochemistry, EPFL Wallis, Sion
➢ Erfahrungen in der Betriebsführung [email protected]

74
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Brennstoffzellen-
System
Methan
Elektromotor
Ladesäule Wasserstoff-Tank Biogasanlage

CH4

Solar- und Windenergie


Elektromotor Wasserstoffquelle
und Getriebe H2

H2
Batterie CO2
Methanisierung

Batterie-Wechselrichter O2

Ionenaustauschende
Membran

Entladen Entladen
H2O
-

Graphit- +
Graphit-
Elektroden Elektroden
Oxidation Reduktion
Geladen Geladen

Elektrolysezelle

Wasserstoffgenerator

Pumpsystem Pumpsystem

Kosten in
CHF/kWh
10-1

10-2

Langfristige Speicherung
10-3
Pumpspeicher

Power-to-X CO2-Äquivalent
(CH4/Methanol, H2 ...) in g/kWh

200 400 600 800

75
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Wasserstoffproduktion mit Redoxflow-Batterie  

Redoxflow-Batterie mit Wasserstoff-Produktion –


das Funktionsprinzip
Bei einem Auto mit Verbrennungsmotor be- sie verstärkt erforscht und in Anwendungen ge-
stimmt die Motorleistung, wie schnell es fahren bracht.
kann. Von der Grösse des Tanks hängt ab, wie
weit man damit kommt. Will man 1000 Kilome- In den derzeit besten Systemen erreicht die
ter anstatt 500 fahren, braucht es einen doppelt Redoxflow-Batterie eine Energiedichte von ma-
so grossen Tank. Die Motorleistung ändert sich ximal 35 Wattstunden pro Liter, 14 Mal gerin-
dadurch nicht. Diese Entkopplung von Leistung ger als die Li-Ionen Batterie (500 Wattstunden
und Energieinhalt ist sehr praktisch; beides lässt pro Liter). Aus diesem Grund konnte sich diese
sich getrennt voneinander dimensionieren. Die- Technologie in mobilen Anwendungen nicht
se Eigenschaft trifft auch auf die Redoxflow-Bat- durchsetzen.
terie zu.
Im stationären Einsatz werden dagegen schon
Diese besteht aus mehreren Komponenten: einige Anlagen betrieben, wie die Redox flow-
• einer elektrochemischen Zelle mit zwei Elek- Batterie des Fraunhofer-Instituts für Chemi-
troden und einer Membran, die die Energie sche Technologie (ICT) in Pfinztal (DE) mit
aus dem Elektrolyten entnimmt. An der Elek- 20 Megawattstunden. Diese dient als Puf-
trodenoberfläche findet die Reduktion be- fer für eine Windkraftanlage mit zwei Mega-
ziehungsweise die Oxidation des jeweiligen watt. Insbesondere für Leistungen im unteren
Elektrolyten statt; Megawatt bereich ist die aufwendige Redoxflow-
• zwei Speichertanks, zwischen denen der Technologie interessant, denn sie ist dort kon-
Elektrolyt hin- und her gepumpt wird; kurrenzfähig zu teuren Batteriespeichern sowie
• peristaltische Pumpen, die den Elektrolyten zu Pump- und Druckluftspeichern, die sich nur
zur Zelle pumpen. für deutlich grössere Leistungen lohnen.

Die elektrische Leistung ist durch die Grösse In einem künftigen Energiesystem, in dem Was-
der Elektroden-Membraneinheit (Elektrochemi- serstoff einen zentralen Platz einnimmt, kann
sche Zelle) bestimmt. Durch die Anpassung des die Redoxflow-Technologie ebenfalls einen Bei-
Elektrolytvolumens ist die Kapazität der Batterie trag leisten.
beliebig skalierbar. Vollständig geladen ist die
Batterie, sobald der Elektrolyt auf der positiven In den letzten sieben Jahren hat die EPFL unter
Seite vollständig oxidiert und jener auf der nega- dem Dach des SCCER folgendes Konzept entwi-
tiven Seite zur gleichen Zeit vollständig reduziert ckelt: eine Redoxflow-Batterie mit einem zusätz-
ist. Wird die gespeicherte Energie genutzt, wen- lichen Kreislauf zur Herstellung von Wasserstoff
det die Flussrichtung ebenso wie die Abläufe und Sauerstoff.
in der Zelle. Der Lade/Entlade Zyklus ist nahe-
zu beliebig oft wiederholbar – die Lebensdauer Forschung im SCCER
eines solchen Systems wird mit mehreren Jahr-
zehnten angeben. Mit der Einrichtung des SCCER im Jahr 2013 ha-
ben Forschende der EPFL das Konzept der Zwei-
Dank dieser Möglichkeiten wird die Redoxflow- kreis-Redoxflow-Batterie vorgeschlagen und
Batterie immer wieder als kostengünstiger seither zu einem Demonstrator entwickelt. Dem
alternativer Energiespeicher für stationäre An- Demonstrator liegt folgende Idee zugrunde:
wendungen ins Spiel gebracht. Sie wurde in den • Auf der positiven Seite der elektrochemi-
späten 1970er-Jahren durch die NASA entwi- schen Zelle fliesst ein Elektrolyt mit Ceri-
ckelt und 1989 von einer australischen Universi- um(III)Ionen, die beim Laden zu Cerium(IV)
tät patentiert. In den letzten zehn Jahren wurde oxidiert werden. Bei Bedarf kann der gela-
dene Elektrolyt über ein Ventil in einen kata-

76
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

lytischen Reaktor umgeleitet werden, wo er diert hätte. Zudem sind die Cerium-Salze unter
mit einem Katalysator aus Ruthenium- oder sauren Bedingungen schlecht löslich. Das Gil-
Iridium-Oxiden wieder zu Cerium(III) redu- demeistersystem liess sich im Rahmen dieses
ziert wird. Der bei diesem Prozess entste- Projektes nicht modifizieren.
hende, gasförmige Sauerstoff wird in einem
Tank aufgefangen oder entweicht in die Damit der Prozess zur Wasserstofferzeugung
Luft. Die Erzeugung von Sauerstoff aus dem effizient abläuft, hat das Team die Katalysatoren
Cerium-Elektrolyten hat das Forschungs- optimiert. Sie bestehen auf der negativen Seite
team im Labormasstab demonstriert. aus Keramikkugeln, die mit Molybdän-Katalysa-
• Auf der negativen Seite der elektrochemi- tormaterialien beschichtet sind und eine grosse
schen Zelle wird ein Elektrolyt mit Vana- Kontaktoberfläche bilden. Die Kugeln befinden
dium(III)-Ionen zu Vanadium(II) reduziert. sich in einem Zylinder, in den von unten der
Auch dieser Elektrolyt kann in einen kata- flüssige Elektrolyt eingeführt wird. Der Wasser-
lytischen Reaktor umgeleitet werden. Dort stoff entweicht nach oben, wo er aufgefangen
wird das Vanadium(II) an einem Molybdän- wird. Um eine höherer Ausbeute zu erzielen, sind
Katalysator zu Vanadium(III) oxidiert. Dabei mehrere dieser Kammern übereinandergesta-
entwickelt sich Wasserstoff, der wiederum pelt und miteinander verbunden.
aufgefangen wird. Die Effizienz dieses Pro-
zesses liegt bei fast hundert Prozent. Der Demonstrator in Martigny ist in der Lage,
pro Minute jeweils bis zu einem Liter Elektrolyt
Die Wasserstoff-Produktion ist nicht zwingend vollständig in Wasserstoff beziehungsweise
und erfolgt flexibel nach Bedarf. Die Elektro- Sauerstoff umzuwandeln. Das entspricht einer
lyte können auch einfach in ihren Tanks im ers- Entladeleistung von 2,4 Kilowatt, so dass die
ten Kreislauf bleiben. Bei Stromnachfrage aus Elektrolyte nach 16,7 Stunden entladen sind.
dem Netz können sie in der Redoxflow-Zelle
verstromt werden. Wenn die Wasserstoffnach- Um den teuren Katalysator für die Sauerstoffent-
frage hoch ist, können die geladenen Elektro- wicklung auf der positiven Seite – das Iridium-
lyte aber auch gleich in den zweiten Kreislauf oxid – zu ersetzen, hat das Forscherteam meh-
fliessen. Dies ist sogar simultan zur Ladung der rere Alternativen untersucht:
Redoxflow-Batterie möglich. • ein Verfahren, um giftige Verbindungen wie
Hydrazin, Schwefeldioxid oder Schwefel-
Das Forschungsteam der EPFL hat das Konzept wasserstoff zu Stickstoff (Hydrazin) oder
mittlerweile zu einem Demonstrator entwickelt, Sulfat (Schwefeldioxid) zu oxidieren und
an dem die Wasserstoffproduktion auf der nega- unschädlich zu machen. Auf diese Weise
tiven Seite der Zelle untersucht wird. Er wird an liesse sich beispielsweise industrielles Ab-
der Electromobilis-Anlage in Martigny VS betrie- wasser behandeln.72
ben. Die Vanadium-Redoxflow-Batterie stammt • den Einsatz einer hybrid-Vanadium/Luft-
von Gildemeister Energy Solutions und leistet Elektrolysezelle, die aus dem wässrigen
10 Kilowatt bei einer Energiemenge von 40 Kilo-
wattstunden.71

Die Zelle dient zur Produktion von Vanadium(II).


Redoxflow-Batterien sind bereits
Die ursprüngliche Idee, auf der positiven Seite
mit dem Redox-Paar Vanadium(V)/(IV) Sauer-
heute im Einsatz, etwa als Puffer-
stoff zu produzieren, scheitert am geringen Re- speicher für Strom aus Windkraft-
doxpotenzial von 0,991 V. Dafür wären 1,23 V anlagen. Die Arbeiten im SCCER
notwendig. Ein auf Cerium basierender Elektro- bilden eine Brücke zur Wasser-
lyt, der über ein ausreichendes Redoxpotenzial stoffwirtschaft und erweitern die
verfügt, wurde nicht in grösserem Umfang ge- Anwendungsmöglichkeiten.
testet, da dieser die Elektroden der Zelle korro-

77
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Strom zu H2   —  Wasserstoffproduktion mit Redoxflow-Batterie  

Elektrolyten Sauerstoff produziert. Diese Wirtschaftliche Perspektive


Zelle erreicht derzeit einen Wirkungsgrad
von 42 bis 62 Prozent über 120 Stunden.73 Redoxflow-Batterien sind bereits heute im Ein-
satz, etwa als Pufferspeicher für Strom aus
Technische Perspektive Windkraftanlagen. Die Arbeiten im SCCER bil-
den eine Brücke zur Wasserstoffwirtschaft und
Die Zweikreis-Redoxflow-Batterie bietet einige erweitern die Anwendungsmöglichkeiten – etwa
Vorteile: Selbst wenn der Elektrolyt im Redox- für die Abwasserbehandlung – derartiger Bat-
flow-Kreis voll geladen ist, lässt sich mit im terien deutlich. Sie erlauben es, schwankende
Netz überschüssigem Strom noch Wasserstoff Energie aus erneuerbaren Quellen flexibler zu
erzeugen. Die Kombination von zwei unter- speichern.
schiedlichen chemischen Energieträgern macht
das Konzept sehr flexibel. Fungiert der Redox- Intensive Forschungsanstrengungen und zahl-
flow-Kreis als klassische Batterie, der Strom er- reiche Start-ups weltweit versprechen in den
zeugt, lässt sich der Wasserstoff als Treibstoff kommenden Jahren die Entwicklung eines luk-
in Fahrzeugen verwenden oder zu Kohlenwas- rativen Markts.
serstoffen wie Methan (vgl. 3.3.4, S. 92) oder
Ameisensäure (vgl. 3.3.3, S. 88) weiterver-
arbeiten.

Zwar hat das Forschungsteam die ursprüngliche


Idee der Cerium/Vanadium-Zelle nicht bis zum
Demonstrator entwickelt, da die Stabilität des
positiven Elektrolyten nicht ausreicht. Es war
aber im Rahmen des SCCER in der Lage einige
technologische Hürden der klassischen Elektro-
lyse zu umgehen – so entfallen beispielsweise
Gasreinigung, Verdichtung, aber auch der Ein-
satz von Edelmetallkatalysatoren weitgehend
als Kostenfaktoren.

Mit diesem Ansatz könnte der Kostennachteil


von Edelmetallkatalysatoren überwunden wer-
den. Viele chemische Prozesse benötigen einen
Katalysator aus Edelmetallen – beispielswei-
se Abgaskatalysatoren im Auto, die Platin ent-
halten, für das ein enorm hoher Preise bezahlt
wird. In der ursprünglich entworfenen Zweikreis-
Redoxflow-Batterie mit dem Cerium-Elektro-
lyten würde auf der positiven Seite der Zelle
Rutheniumoxid gebraucht oder im Vanadium-
Fall alternativ Molybdäncarbid.

Ziel des Teams ist aber stets, alternative, kos-


tengünstigere Stoffe zu finden. So auch hier:
Das Forschungsteam experimentiert derzeit mit
einem Elektrolyt auf Basis von Mangan,74 der
die Energiedichte erhöhen und damit das ganze
System sicherer machen soll.

78
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

79
3.3 Wertschöpfung aus CO2
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  CO2-Elektrolyse 

3.3.1 CO2-Elektrolyse

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ erzeugt unterschiedliche Kohlenwasserstoffe 2050
«auf Knopfdruck» Fossile Kohlenwasserstoffe sind ein wichtiger Roh-
➢ ersetzt fossile Brennstoffe durch klimaneutrale stoff, auch für die Schweiz. Sie werden in vielen Be-
synthetische Stoffe reichen verwendet – zum Heizen, im Verkehr oder
➢ eignet sich zur Speicherung elektrischer in der Industrie. Ihr Einsatz erzeugt CO2-Emissio-
Energie nen, die bis 2050 zu vermeiden sind. Synthetische
Kohlenwasserstoffe können die fossilen ersetzen.
Nachteile Sie sind klimaneutral und eignen sich zum Spei-
➢ Entwicklung noch in den Anfängen chern elektrischer Energie. Die CO2-Elektrolyse kann
➢ noch nicht wirtschaftlich dabei eine wichtige Rolle spielen, ohne den Umweg
über Wasserstoff.
Reife der Technologie Kohlenwasserstoffe wie Methan (Erdgas),
➢ Technologie-Reifegrad (TRL): 3–4 Methanol, Benzin, Diesel, Kerosin, Kohle und viele
weitere sind die Energiequelle der heutigen Zivili-
Meilensteine des SCCER sation. Sie stammen aus fossilen Quellen. Bei ihrer
➢ Entwicklung neuer Katalysatoren mit einem Verbrennung setzen sie innert kurzer Zeit grosse
geringeren oder ohne Edelmetallanteil Mengen CO2 frei, die vor Jahrmillionen gebunden
➢ patentierte technische Umsetzung wurden und sich nun in der Atmosphäre anrei-
chern. Die fossilen Kohlenwasserstoffe sind damit
Weiterer Forschungsbedarf eine Hauptursache des Treibhauseffekts. Eine
➢ Optimierung der Katalysatoren und der Ver- Energiewirtschaft, die ganz ohne Kohlenwasser-
fahrenstechnik stoffe auskommt, ist in den nächsten Jahrzehnten
Steckbrief

➢ Bau grösserer Demonstratoren unwahrscheinlich, eine chemische Industrie ohne


Kohlenwasserstoffe ganz unrealistisch. Viele
Forschende und Unternehmen arbeiten deshalb
an Verfahren, um diese Verbindungen synthetisch
herzustellen. Die Rohstoffe dazu sind im Über-
fluss vorhanden: Wasser und CO2 aus der Luft. Um
die beiden Ausgangsstoffe elektrochemisch und
klimaneutral zu verbinden, ist elektrischer Strom
aus erneuerbaren Quellen wie Photovoltaik, Wind-
oder Wasserkraft notwendig. Zwar wird bei der
Verbrennung ebenfalls CO2 freigesetzt, jedoch nur
so viel, wie bei der Herstellung verbraucht wurde.
Synthetische Kohlenwasserstoffe wie Methan oder
Methanol eignen sich auch, um elektrische Energie
zu speichern. Dazu betreibt man die Synthese
immer dann, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen
im Überfluss und günstig verfügbar ist, etwa an
sonnigen Tagen im Sommer. Wird der Strom knapp
– etwa im Winter –, lässt sich mit dem Methan
in Gasturbinen oder Gasmotoren wieder Strom
erzeugen.

Ansprechpartner
➢ Prof. Thomas J. Schmidt, Paul Scherrer Institut PSI,
[email protected]

80
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Atmosphäre
Industrie Biomasse

Erneuerbare
Industrie Kohlenstoffdioxid CO2 Wasser Energien

Kathode Anode Wasser

Ag Cu

Au Katalysator Katalysator
!
Iridiumoxid
CO
O2
H2
CH4 CxHyOz

Elektrolyt
Kosten in bipolares Membransystem
10-1 CHF/kWh

10-2

Langfristige Speicherung
10-3
Pumpspeicher

CO2-Äquivalent Power-to-X
in g/kWh (CH4/Methanol, H2 ...)

200 400 600 800

CO2-Elektrolyse – das Funktionsprinzip


Verschiedene Verfahren ermöglichen, höher- zuvor durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen
wertige Kohlenwasserstoffe aus Wasser und werden.
CO2 herzustellen. An einigen Methoden haben
Teams des SCCER und seiner Partner geforscht Ideal wäre es, sich diesen Zwischenschritt zu er-
(vgl. «3.3.2 Methanol aus CO2», «3.3.3 Wasser- sparen. Notwendig dazu wäre ein Verfahren, das
stoffspeicher mit Ameisensäure» und «3.3.4 in einem Schritt Wasserstoff aus Wasser macht
Synthetisches Methan»). Alle herkömmlichen und gleichzeitig CO2 zu CO (Kohlenmonoxid)
Verfahren basieren darauf, Wasserstoff mit CO2 umsetzt, das wiederum mit dem Wasserstoff zu
zu verbinden. Doch muss dazu der Wasserstoff verschiedenen Kohlenwasserstoffen reagiert.

81
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  CO2-Elektrolyse 

viele Spekulationen – beispielsweise warum


Damit die CO2-Elektrolyse wirt- ein Kupferoxid-Katalysator die Reaktion zu den
schaftlich wird, werden neue Endprodukten Ethylen oder Methanol erhöht.
Elektroden getestet mit einem Die Forschenden waren gespalten: Manche sa-
reduzierten Anteil an Iridium für hen den Grund in der Oxid-Oberfläche, andere in
deren Rauigkeit. Die Arbeiten am SCCER an der
den Betrieb in saurer Umgebung
Universität Bern und am PSI zeigten erstmals,
oder ganz ohne Edelmetalle für eine
dass ein Kupferoxid-Katalysator aufgrund seiner
alkalische Umgebung. Rauigkeit bevorzugt Ethylen produziert. Aufbau-
end auf diesen Erkenntnissen konzentriert sich
Die gleichzeitige Zerlegung von Wasser und CO2 die gegenwärtige Forschung auf verschiedene
nennt sich co-Elektrolyse. Als Produkte entste- katalytische Materialien mit unterschiedlicher
hen Methan und Sauerstoff. Die Forschungs- Zusammensetzung und Strukturen wie Aeroge-
teams des SCCER haben nachgewiesen, dass le, die extrem poröse mono- und bimetallische
diese CO2-Elektrolyse möglich ist, und haben Strukturen aufweisen.
das Verfahren im Labor erfolgreich betrieben.
Besonderen Charme hat dieses Konzept, weil Ein weiterer Fokus lag bei der technischen
sich das Endprodukt durch den Einsatz eines Umsetzung der elektrochemischen co-Elektro-
bestimmten Katalysators bestimmen lässt. Mit lyse. Dabei gilt es zwei Prozesse zu koppeln:
Gold produziert ein solcher co-Elektrolyseur die Reduktion des CO2 auf der Kathodenseite
Kohlenmonoxid, einen wichtigen Ausgangsstoff und die Oxidation des Wassers auf der Anoden-
für chemische Synthesen, mit Kupfer entsteht seite – getrennt von einer elektrisch isolieren-
Methan. Auch mittels Variation der Stromdichte den, ionenleitenden Schicht, dem Elektrolyten. In
lassen sich unterschiedliche Kohlenwasserstof- den letzten Jahren ist es am PSI gelungen, ein
fe erzeugen. Durch simples Drehen an einem völlig neues Zelldesign für die CO2-Elektrolyse
Steuerungsknopf könnte der Betreiber also die mit CO2 in der Gasphase zu entwickeln. Dabei
Produktzusammensetzung ändern – einstellen, lösten die Forschenden als erste das Problem,
ob mehr Wasserstoff, Methan oder Ameisen- dass die Zelle unerwünschterweise CO2 zur
säure produziert werden soll. Noch ist es lange Anodenseite pumpt. Die Lösung besteht aus
nicht so einfach; die Technologie befindet sich einem bipolaren Membransystem (Elektrolyt)
in einer frühen Entwicklungsphase. Weitere For- mit einem neu entwickelten Zelldesign.75 Die-
schung muss nun zeigen, ob sich das Konzept ses System unterdrückt nicht nur das Pumpen
zu einer serienreifen Anlage entwickeln lässt. von CO2 zur Anodenseite, sondern verbessert
den Gesamtwirkungsgrad erheblich. Das Kon-
Forschung im SCCER zept wurde patentiert. Die Gruppe arbeitet der-
zeit an weiteren Verbesserungen, etwa um die
Eine Schlüsselkomponente für diese Techno- Selektivität auf bestimmte Kohlenwasserstoffe
logie spielt der Katalysator. Er entscheidet, wel- zu erhöhen oder das Wassermanagement zu
ches Endprodukt entsteht und wie energieeffi- verfeinern.
zient der Prozess abläuft. Gesichertes Wissen
dazu gab es zu Beginn des Projekts kaum, dafür An einem grundlegend neuen Konzept forscht
die Gruppe an der EPFL. Sie untersucht ionische
Flüssigkeiten, die sich als Elektrolyt eignen. Die-
Basierend auf dem vom PSI ent- se unterstützen die elektrokatalytische Reaktion
wickelten und patentierten Zell- der CO2-Zerlegung. Bis ein derartiger Elektrolyt
design baut das Forschungsteam in einer technischen Zelle zum Einsatz kommt,
derzeit eine Testanlage für die CO2- dauert es allerdings noch länger.
Elektrolyse mit einer Leistung von
einem Kilowatt. Weitere Effizienzverluste bei der CO2-Elektrolyse
verursacht die Reaktion an der Anode – die

82
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Sauerstoffentwicklungsreaktion –, die Sauer- Technische Perspektive


stoff aus Wasser erzeugt. Um sie zu beschleuni-
gen, sind die eingesetzten Edelmetallkatalysato- Basierend auf dem vom PSI entwickelten und
ren meist iridiumdioxid-haltig. Dabei handelt es patentierten Zelldesign baut das Forschungs-
sich um den leistungsfähigsten Katalysator für team derzeit eine Testanlage für die CO2-Eletro-
diese Reaktion und den einzigen, der in saurer lyse mit einer Leistung von einem Kilowatt. Da-
Umgebung stabil ist. Iridium ist allerdings teu- mit ist es also gelungen, die neue Technologie
er und selten. Damit die CO2-Elektrolyse wirt- von Null bis zu einem Technologie-Reifegrad von
schaftlich wird, sind neue Elektroden gesucht 3 bis 4 zu entwickeln. Ziel ist es, einen grösseren
mit einem reduzierten Anteil an Iridium für den Demonstrator zu bauen, mit dem sich die grund-
Betrieb in saurer Umgebung oder ganz ohne sätzliche Machbarkeit einer grosstechnischen
Edelmetalle für eine alkalische Umgebung. Anlage nachweisen lässt. Das grosse Potenzial
dieser Technologie zeigt sich im hohen Interes-
Für den Betrieb in saurer Umgebung hat das se verschiedener Industrieunternehmen.
Team am PSI zusammen mit Forschenden
der ETH Zürich Nanopartikel aus Iridiumdioxid Das grosse Potenzial der CO2-
mit einem Durchmesser von durchschnitt-
Eletrolyse zeigt sich im ho-
lich 1,5 Nano meter und einem reduzierten
hen Interesse verschiedener
Iridiumanteil entwickelt. Die Reaktion läuft
bei Verwendung dieser Partikel sehr effektiv,
Industrieunternehmen.
weil die Oberfläche des Katalysators umso
grösser ist, je kleiner die Katalysatorpartikel
sind. Eine Alternative dazu bieten neuartige Wirtschaftliche Perspektive
Katalysatoren, sogenannte Pyrochlore, die
nicht nur Iridium, sondern auch Nichtedel- Das Interesse einiger Unternehmen an weiteren
metalle in die Struktur einbauen. Derartige Pilotprojekten lässt darauf schliessen, dass die
Pyrochlor-Katalysatoren verhalten sich bei der Wirtschaft Chancen für eine Kommerzialisie-
Sauerstoffentwicklungsreaktion auch mit einer rung für die CO2-Elektrolyse sieht. Nach heuti-
reduzierten Iridiummenge aktiv und stabil. Zur- gem Stand ist sie für die Produktion von Methan
zeit testet das Team die neu entwickelten Kata- nicht wirtschaftlich, weil fossiles Erdgas viel zu
lysatoren im Labormassstab. billig ist. Für andere Produkte der co-Elektrolyse
wie Kohlenmonoxid, Methanol oder Ameisen-
Mehr Katalysatoren zur Auswahl stehen für die säure ist die Wirtschaftlichkeit dagegen schon
co-Elektrolyseure an der Anode in alkalischer heute absehbar. Dort könnte die CO2-Elektrolyse
Umgebung. Vielversprechend ist eine bekannte das fehlende Bindeglied für die unterbrechungs-
Familie von Katalysatoren mit Metalloxiden in freie Stromversorgung (vgl. 3.3.3, S. 88) sein,
Perowskitstruktur. Auch mit diesen Materialien die mit Ameisensäure arbeitet. Letztere wird
hat das Team erstmals Nanopartikel hergestellt heute aus fossilen Rohstoffen gewonnen und
– mit Hilfe der Flammensprühsyntheseanlage die Technologie ist somit nicht klimaneutral. Die
der Empa, die Perowskit-Katalysator-Nano- CO2-Elektrolyse würde diesen Nachteil überwin-
pulver in grosser Menge und in kurzer Zeit den.
herstellen kann. Einige Perowskit-Nano-
katalysatoren zeigten bei der co-Elektrolyse eine
ausgezeichnete Leistung in Bezug auf Stabilität
und elektrochemische Aktivität – nicht nur in
Laborversuchen, sondern auch in praktischen
Anlagen. Bei einem Test in einem kommerziellen
Elektrolyseur arbeiteten die Perowskit-Nano-
katalysatoren zuverlässiger als ein herkömm-
licher Iridiumoxid- Katalysator.76

83
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Methanol aus CO2  

3.3.2 Methanol aus CO2

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ klimafreundliche Basischemikalie für viele An- 2050
wendungen Methanol (CH3OH) ist eine wichtige Basischemika-
➢ komplementär zur Wasserstoffwirtschaft lie, die heute hauptsächlich aus Kohle oder Erdgas
➢ geeignet zur Stromspeicherung hergestellt wird. Eine klimafreundliche Produktion
➢ bereits verfügbare Technologie ist notwendig, und die selektive Angliederung von
Wasserstoff an CO2 (Hydrierung) zur Methanol-
Nachteile herstellung ist dafür ein vielversprechender Ansatz.
➢ Katalysatoren müssen effizienter und länger- Diese Technologie könnte zudem genutzt werden,
fristig stabiler werden um erneuerbare Energie in flüssigen Brennstoffen
➢ wirtschaftlich noch nicht tragfähig zu speichern und dabei gleichzeitig die klimarele-
vanten CO2-Emissionen zu vermindern (Methanol-
Reife der Technologie wirtschaft). Weitere Forschung ist erforderlich, um
Technologie-Reifegrad (TRL): Methanol als wirtschaftliches Speichermedium für
➢ 2–9, je nach Teil des Projekts verschiedene Sektoren – von der Mobilität bis zum
Stromsektor – einsetzen zu können. Als wichtige
Meilensteine des SCCER Randbedingung, damit diese Technologie wirt-
➢ gutes Detailverständnis der Funktionsweise schaftlich rentabel wird, bedarf es einer höheren
des Katalysators erworben Besteuerung von CO2.
➢ Entwicklung von Katalysatoren mit verbesser- Die «Wasserstoffwirtschaft» ist in aller Munde.
ter Selektivität bei niedrigen Arbeitsdrücken Das leichte Wasserstoffgas wird als Schlüssel zu
einer klimaneutralen Energieversorgung betrachtet.
Weiterer Forschungsbedarf Es lässt sich aus Wasser und regenerativem Strom
Steckbrief

➢ weitere Optimierung des Katalysators erzeugen, auf verschiedene Weise speichern und in
➢ Entwicklung technischer Katalysatoren zahlreichen Anwendungen einsetzen, zum Beispiel
➢ Bau grösserer Demonstrationsanlagen zur Stromerzeugung in Brennstoffzellen, oder es
wird bei der Befeuerung von Gasturbinen beige-
mischt. Kapitel 3.2 (S. 66) berichtet vertieft über
Wasserstoff und die einschlägige Forschung im
Rahmen des SCCER.
Die Energiedichte von Wasserstoff ist im Ver-
hältnis zu seinem Volumen jedoch sehr gering.
Diese Einschränkung liesse sich beheben, würde
Wasserstoff mit CO2 oder CO in einen flüssigen
Brennstoff aus Kohlenwasserstoffen wie Methan
(Erdgas), Methanol, Benzin oder Kerosin umgewan-
delt. Die Hydrierung von CO2 erweist sich dabei als
besonders attraktiver Ansatz, weil mit der Verwen-
dung von CO2 ein Beitrag zur Verminderung des
Klimawandels geleistet würde. Die hergestellten
Stoffe lassen sich einfacher als Wasserstoff und
über einen langen Zeitraum speichern. Zudem ste-
hen für sie bewährte Infrastrukturen zur Verfügung,
etwa das Erdgasnetz oder Tankstellen.

Ansprechpartner
➢ Christophe Copéret, Labor für Anorganische Chemie, ETHZ,
[email protected]

84
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Atmosphäre

Industrie Biomasse

Anwendungen
CO2 Kohlenstoffdioxid

CO2-Reduktion CO2-Reduktion
mit Aminen mit Katalysatoren

H2 Amin 2H2 Methanol


CO2
2H2
CO2

Methanol Katalysator
H2O
H2

nachhaltiger
Wasserstoff
Methanol
Kosten in
CHF/kWh
10-1

10-2

Langfristige Speicherung
10-3
Pumpspeicher
CO2-Äquivalent
Power-to-X in g/kWh
(CH4/Methanol, H2 ...)
200 400 600 800

Methanol aus CO2 – das Funktionsprinzip


Das SCCER befasste sich mit einem Sonderfall Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff, mittels
dieser Strategie: mit Methanol. Mit einer Produk- Dampfreformierung oder Vergasung von Kohle
tion von 63 Millionen Tonnen pro Jahr (Stand gewonnen. Synthesegas wird aus Methan ge-
2013) – Tendenz steigend – ist Methanol eine wonnen und trägt damit zum Klimawandel bei,
der am häufigsten hergestellten organischen ausserdem wird zu seiner Herstellung viel Ener-
Grundchemikalien für viele Sekundärprodukte. gie benötigt. So entstehen bei diesem Verfahren
Für die Methanolproduktion wird heute in einem zwischen 0,7 und 1,1 Kilogramm CO2 pro Kilo-
ersten Schritt Synthesegas, eine Mischung aus gramm Methanol (Erwärmungsindex 0,7–1,1).

85
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Methanol aus CO2  

katalytischen Prozesse in flüssiger Phase, die


Die Herstellung klimaneutralen hier diskutiert werden.
Methanols ist möglich und könnte
die Produktion von Methanol aus Zwar existieren zahlreiche Katalysatoren, die in
der Lage sind, CO2 in Methanol umzuwandeln.
Erdgas oder Kohle ersetzen.
Sie nutzen Wasserstoff jedoch nicht effizient
und bilden CO anstelle des angestrebten Metha-
nols.
Bereits heute werden diesem Prozess geringe
Mengen CO2 zugesetzt. Dieser Anteil soll auf Die angestrebten Verfahren fordern die Industrie
100 Prozent erhöht werden und das Synthese- heraus; bisher verwendete sie Erdgas als Roh-
gas vollständig ersetzen, so dass keine fossilen stoff und es gab für sie wenig Anreize, Alternati-
Rohstoffe mehr benötigt werden. Um dieses ven in Betracht zu ziehen. Das SCCER versuchte
Ziel einer nachhaltigen Methanolwirtschaft zu die für die Reaktion erforderlichen Katalysatoren
erreichen, ist ein vollständig neuer Prozess er- und Prozesse besser zu verstehen und zu opti-
forderlich, denn die Katalysatoren, die heute für mieren.
die Herstellung von Methanol aus CO verwendet
werden, sind für die Umwandlung von Gasgemi- Forschung im SCCER
schen mit hohen CO2-Anteilen nicht optimiert.
Ausgehend von der Idee, CO2 als Rohstoff ein-
In einer nachhaltigen Methanolwirtschaft ist CO2 zusetzen, untersuchten Forschungsteams an
Teil eines geschlossenen Energiekreislaufs und der EPFL und der ETHZ die Grundlagen der kata-
wird seine heutige Rolle als klimaschädigendes lytischen Vorgänge, die bei der homogenen und
End- und Abfallprodukt hinter sich lassen. Wür- heterogenen CO2-Reduktion ablaufen. Sie woll-
de Methanol auf diese Weise mit «grünem» ten damit Erkenntnisse auf molekularer Ebene
Wasserstoff, der mit erneuerbarer Energie her- gewinnen, um die CO2-Umwandlungsprozesse
gestellt wird, und mit CO2 aus der Luft gewon- für den industriellen Einsatz zu verbessern.
nen, liesse sich ein negativer Erwärmungsindex
von −1,1 bis −1,3 77 erzielen und damit die CO2- Das EPFL-Team untersuchte einen Prozess in
Menge in der Atmosphäre reduzieren. flüssiger Phase, bei dem CO2 gelöst wird und
mit einem Molekül reagiert – zum Beispiel ei-
Das entsprechende Verfahren basiert auf der nem Amin. Anschliessend findet unter Zugabe
Produktion von nachhaltigem Wasserstoff und von Wasserstoff schrittweise eine Umwand-
der effizienten Abtrennung von CO2 aus der Luft lung in Methanol statt, wobei das ursprüngliche
beziehungsweise dessen Verwendung aus CO2- Amin wieder gebildet wird.78 Die Bindung von
reichen Emissionen, etwa aus der Kraftwerks- CO2 und die Abspaltung von Methanol über ein
und der Zementindustrie. Für die Methanolher- Zwischenprodukt lässt sich auch mit Hilfe eines
stellung mit CO2 sind verschiedene Prozesse homogenen Katalysators durchführen.79 In bei-
bekannt, die sich in ihren Randbedingungen un- den Fällen besteht die Herausforderung darin,
terscheiden. Einer ist der elektrokatalytische An- das Methanol abzutrennen und den Katalysator
satz (vgl. 3.3.1, S. 80). Im Weiteren bieten sich und/oder das Amin wiederzuverwenden. Die
die heterogene Katalyse bei mittleren Drücken Forschungsgruppe richtet ihren Fokus auf die
und Temperaturen (25 bar, 230 °C) an sowie die industrielle Machbarkeit; sie stellte erfolgreich
die katalytisch aktive Verbindung in Form eines
Feststoffs her, der sich leicht von der Flüssigkeit
trennen lässt.
Methanol aus CO2 ist zur Langzeit-
speicherung von Strom aus erneu- Die Forschungsgruppe an der ETHZ untersuch-
erbaren Energien interessant. te die Hydrierung von CO2 zu Methanol mit Hil-
fe heterogener Katalysatoren auf Cu-Basis bei

86
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

mittleren Drücken und Temperaturen (25 bar, Wirtschaftliche Perspektive


230 °C). Gegenwärtig basieren die meisten
CO2-Hydrierungskatalysatoren zur industriellen Die Herstellung klimaneutralen Methanols ist
Methanolsynthese auf Cu – meist auf Cu/ZnO/ möglich und könnte die Produktion von Metha-
Al2O3. Trotz mehr als 50 Jahren Forschung ge- nol aus Erdgas oder Kohle ersetzen. Die CO2-
ben die Rollen der verschiedenen Komponenten Hydrierung kann dabei zusammen mit anderen
noch immer Rätsel auf. Insbesondere sind diese Konzepten wie der Herstellung von Methan aus
Katalysatoren unter CO2-reichen Reaktionsbe- Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Me-
dingungen wenig aktiv und wenig stabil. Darüber thanol aus CO2 wäre zur Langzeitspeicherung
hinaus entwickelt sich an ihnen unter CO2-rei- von Strom aus erneuerbaren Energien interes-
chen Bedingungen vorwiegend CO und nicht das sant: Es lässt sich einfacher als Wasserstoff
gewünschte Methanol. Alternative Katalysato-
ren auf Cu-Basis zeigten in den Untersuchungen
vielversprechende katalytische Aktivitäten, die Methanol lässt sich in Tanks über-
je nach Katalysatorzusammensetzung (Träger all hin transportieren und über
und Promotoren) stark variieren. lange Zeit aufbewahren. Zudem ist
es ein vielseitiger Rohstoff für die
Das Forschungsteam untersuchte in der Folge
den Ursprung der erhöhten Aktivität und Selek-
chemische Industrie.
tivität kupferbasierter Katalysatoren für die
CO2-Hydrierung. Detaillierte spektroskopische
Studien erlaubten, die Rolle der einzelnen Pro- speichern, über lange Zeit aufbewahren und in
motoren auf molekularer Ebene zu verstehen Tanks überall hin transportieren. Zudem ist Me-
und daraus Leitprinzipien zu erarbeiten.80 Als thanol ein vielseitiger Rohstoff für die chemi-
entscheidend für die selektive Umwandlung von sche Industrie. Der Bedarf dafür ist enorm: Mit
CO2 in Methanol erwies sich die Grenz fläche 63 Millionen Tonnen pro Jahr (Stand 2013) ist
zwischen Kupfer-Nanopartikeln und Träger so- Methanol eine der am häufigsten verarbeiteten
wie die Prozesse der Legierungsbildung und organischen Grundchemikalien.
-auflösung.81
Auf Island und in Deutschland gibt es bereits
Auf Basis dieser Erkenntnisse verbesserte das Pilotanlagen, in denen ein entsprechender in-
Team die Katalysatoren, die sich aus Kupfer- dustrieller Prozess läuft. Bei dem hier vorge-
nanopartikeln und massgeschneiderten Trägern stellten Projekt handelt es sich weitgehend um
zusammensetzen. Sie weisen eine im Vergleich Grundlagenforschung, die hilft, die Funktion von
zu den industriellen Katalysatoren Cu/ZnO/ Katalysatoren für die CO2-Hydrierung besser zu
Al2O3 bisher noch nie beobachtete Selektivität verstehen, und die die Effizienz solcher Anlagen
für Methanol unter milden Bedingungen auf. verbessert hat. Angesichts der niedrigen Preise
für CO2-Emissionen und der hohen Kosten für
Technische Perspektive Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse fehlt in
der Industrie jedoch weiterhin der wirtschaft-
Das Forschungsprogramm des SCCER hat dazu liche Anreiz für den Einsatz.
beigetragen, detaillierte Informationen über die
Leistung von Katalysatoren für die Methanolsyn-
these zu erhalten und die Selektivität dieses Pro-
zesses zu verbessern. Die Forschungsgruppe an
der ETHZ wurde dafür mit dem Air Liquide Re-
search Award ausgezeichnet. Derzeit entwickelt
das Team mit Hilfe der gefundenen grundlegen-
den Konzepte einen Katalysator für die indust-
rielle Produktion von Methanol.

87
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Wasserstoffspeicher mit Ameisensäure  

3.3.3 Wasserstoffspeicher mit Ameisensäure

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ Speicherung über Jahre ohne Verluste 2050
➢ hohe Energie- und Leistungsdichte ➛ kompak- Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft. Er
ter Speicher lässt sich auf unterschiedliche Weise speichern,
➢ flüssige Medien lassen sich leicht in Tanks beispielsweise in Form von Kohlenwasserstoffen.
pumpen und lagern Als vielversprechend erweist sich dabei Ameisen-
➢ kommerzielles Produkt als unterbrechungsfreie säure, die sich leicht betanken und lange lagern
Stromversorgung verfügbar lässt. Damit eignet sie sich gut für eine unter-
brechungsfreie Stromversorgung an entlegenen
Nachteile Orten.
➢ Desorption von Wasserstoff mit Wasserdampf Die Speicherung von Wasserstoff gilt als
und CO Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Das
➢ hohe Anlagekosten leichteste aller chemischen Elemente lässt sich
➢ Anlage ist noch sehr gross bezogen auf die durch Elektrolyse aus Wasser gewinnen. Wird
Leistung. dazu Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonnen-
➢ Nachhaltig produzierte Ameisensäure ist gross- oder Windenergie genutzt, ist Wasserstoff eine
technisch nicht verfügbar. klimaneutrale Energiequelle. Er lässt sich in Tanks
speichern und katalytisch – also flammenlos –
Reife der Technologie verbrennen, um Wärme oder in Brennstoffzellen
Technologie-Reifegrad (TRL): Strom zu erzeugen. Wasserstoff lässt sich aber
➢ 9 für unterbrechungsfreie Stromversorgung auch mit CO2 zu Erdgas oder anderen chemischen
Stoffen weiterverarbeiten und zum Beispiel in der
Meilensteine des SCCER Gasheizung verbrennen. Auch diese Verwendung
Steckbrief

➢ Entwicklung von Katalysatoren ohne seltene ist vollständig klimaneutral, sofern die Energie zur
und teure Rohstoffe und ohne Additive Herstellung des Brennstoffs aus regenerativem
➢ Bau eines kompletten Moduls für unter- Strom stammt. Die dafür erforderlichen Techno-
brechungsfreie Stromversorgung logien existieren bereits, weisen aber hinsichtlich
Effizienz und Wirtschaftlichkeit noch Optimierungs-
Weiterer Forschungsbedarf bedarf auf.
➢ Verkleinerung der Anlage Ein wichtiger Aspekt ist die Speicherung des
➢ nachhaltige Produktion von Ameisensäure aus Wasserstoffs. Üblicherweise wird das leichte
CO2 und Wasserstoff Gas unter hohem Druck in Tanks gepresst, was
technisch aufwendig ist und einigen Platz erfordert.
Als Alternative bietet sich an, den Wasserstoff mit
anderen Elementen chemisch zu verbinden – vor-
zugsweise zu einer Flüssigkeit, die sich auch ohne
Druck in Tanks aufbewahren lässt.

Ansprechpartner
➢ Paul Dyson, Laboratory of Organometallic and Medicinal
Chemistry, EPFL
[email protected]

88
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Wasserstoff Reaktor Erzeugung Speicherung Tank Ameisensäure


aus erneuerbaren Ameisensäure Ameisensäure
H2-Reformer
Energien
Brennstoffzelle
O
H2 H C

HYFORM-PEMFC
OH

CO2 Berghütte

CO2

Atmosphäre

USV-Anlagen
z.B. in Krankenhäusern

Industrie Mobilfunkanlagen
Kosten in
CHF/kWh
10-1

10-2

Langfristige Speicherung
10 -3

Pumpspeicher
CO2-Äquivalent Power-to-X
in g/kWh
(CH4/Methanol, H2 ...)
200 400 600 800

Wasserstoffspeicher mit Ameisensäure – das Funktionsprinzip


Schon in den späten 1970er Jahren haben For- stechenden Geruch auszeichnet, wird in man-
schende Ameisensäure für die Wasserstoff- chen Putzmitteln zum Entkalken und in ver-
speicherung in Betracht gezogen.82 Diese ein- schiedenen industriellen Prozessen verwendet.
fachste aller Carbon-Säuren besteht aus einem Jedes Jahr werden davon weltweit rund 720 000
Kohlenstoff-Atom, zwei Sauerstoff- und zwei Tonnen (Stand 2013) hergestellt, vorwiegend
Wasserstoff-Atomen (HCOOH). Ameisensäure aus Methanol oder als Nebenprodukt in ande-
oder Methylcarbonsäure, die sich durch einen ren chemischen Verfahren.83 Als klimaneutraler

89
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Wasserstoffspeicher mit Ameisensäure  

Energiespeicher ist Ameisensäure deshalb in- setzte.86 Forschergruppen weltweit berichteten


teressant, weil sie sich auch aus Kohlendioxid von Fortschritten bei Katalysatoren aus günsti-
aus der Luft sowie Wasserstoff synthetisieren gen Materialien, bei der Stabilität des Prozesses,
lässt. Ein mit Ameisensäure gefüllter Tank aus der Energieeffizienz und vielen weiteren Aspek-
Edelstahl oder Kunststoff bietet damit eine gute ten wie Additiven, die den Verfahrensschritt zur
Möglichkeit, Wasserstoff zu speichern. Wäh- Herstellung der Ameisensäure verbessern. Trotz
rend ein Liter reiner Wasserstoff, aufbewahrt allem: In die Nähe eines serienreifen Produkts
in einem Drucktank bei 200 bar, nur 16 Gramm führten diese Bemühungen nicht.
Wasserstoff enthält, beinhaltet ein Liter Amei-
sensäure mit vier Gewichtsprozent (53 Gramm) Forschung im SCCER
fast dreimal so viel. In einem relativ kleinen Be-
hälter lassen sich somit grosse Mengen Energie In den letzten Jahren haben die Forschenden
speichern – flüssig, bei normaler Umgebungs- der EPFL neue und langlebige Katalysatoren
temperatur, ohne Druck und ohne Verluste über entwickelt, die ohne teure seltene Rohstoffe und
Jahre hinweg.84 ohne Additive auskommen, um den Wasserstoff
aus Ameisensäure abzuspalten. Zusammen
Theoretisch ist Ameisensäure also ein idealer mit einem Industriepartner (mit Förderung im
Wasserstoffspeicher. Nach den ersten Experi- Rahmen des SCCER und vom Bundesamt für
menten wurden die Wissenschafterinnen und Energie), wurde ein System aufgebaut, das in der
Wissenschafter mit folgenden Herausforderun- Lage ist, Ameisensäure zu CO2 und Wasserstoff
gen konfrontiert: mit ausreichender Geschwindigkeit und Reinheit
• Die Ausbeute der chemischen Reaktion, die umzusetzen. Sie stellten das HYFORM-PEMFC
aus den beiden Gasen Kohlendioxid und genannte Gerät 2018 der Öffentlichkeit vor.87
Wasserstoff flüssige Ameisensäure macht,
ist gering. Erfolgreicher ist es, die Gase in Dieses kühlschrankgrosse Gerät enthält alles,
einem Lösemittel zu binden und anschlies- was es zur Stromerzeugung aus Ameisensäure
send mit Hilfe eines Katalysators umzuwan- braucht: einen Tank für die Ameisensäure, einen
deln. Lange Zeit war unklar, wie ein entspre- kompakten Reformer, der aus der Säure genug
chender Prozess gestaltet sein soll, noch Wasserstoff für die 800 Watt Brennstoffzelle
dazu in einer kompakten und automatisier- bereitstellt, die ihrerseits aus dem Wasserstoff
ten Apparatur. elektrischen Strom erzeugt – sauber, sicher und
• Wird Ameisensäure mit einem Katalysator energieeffizient. Die patentierte Apparatur wird
wieder in Kohlendioxid und Wasserstoff zer- inzwischen in Serie produziert 88 und dient als
legt, entsteht dabei immer auch etwas Koh- unterbrechungsfreie Stromversorgung für ab-
lenmonoxid (CO) und Wasser.85 CO behin- gelegene Standorte, wo herkömmliche Alterna-
dert aber die Funktion der Brennstoffzelle, tiven ungeeignet sind.
die den Wasserstoff in Strom umwandeln
soll. Zunächst fanden sich keine geeigneten Wirklich nachhaltig ist ein derartiger Wasser-
Katalysatoren, die dies verhindern. stoffspeicher aber nur, wenn auch die Ameisen-
• Als sich die Forschung zunehmend für säure klimaneutral hergestellt wird. Auch für
Ameisensäure als Wasserstoffspeicher in- diesen Schritt hat das Forschungsteam Kataly-
teressierte, nutzte sie für die Umwandlung satoren und Prozesse optimiert. Der Weg dahin
vorerst Katalysatoren mit seltenen und teu- ist allerdings noch deutlich weiter. Entsprechen-
ren Metallen wie Ruthenium – ein zu teurer de Anlagen könnten jedoch im Laufe dieses
Ansatz, um das Verfahren wirtschaftlich zu Jahrzehnts kommerziell verfügbar werden.
gestalten. Nötig wären dazu Katalysatoren
aus kostengünstigen Materialien. Ausser mit Ameisensäure beschäftigt sich das
Forschungsteam schon lange mit Methanol
So geriet Ameisensäure als Speicher für Wasser- als Speicher für Wasserstoff. Dieser Alkohol
stoff ins Abseits, bis 2008 eine Renaissance ein- ist ebenfalls flüssig und leicht zu speichern

90
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

und wurde bereits als Treibstoff für Fahrzeuge


mit Brennstoffzelle eingesetzt. Hier haben die
Interessant ist Ameisensäure für
Forschenden ebenfalls effektivere Katalysator- Langzeitspeicher an abgelegenen
materialien entwickelt (vgl. 3.3.4, S. 92). Orten.

Technische Perspektive
Wirtschaftliche Perspektive
Das HYFORM-PEMFC stellt einen Meilenstein
dar auf dem Weg zur Speicherung und Strom- Ob und wie schnell sich Wasserstofftechno-
erzeugung mit Wasserstoff – allerdings noch logien durchsetzen, hängt von vielen Faktoren
nicht das Ende dieses Weges. Die beteiligten ab. Neben noch zu bewältigenden technischen
Forschergruppen und Unternehmen arbeiten Verbesserungen stellt sich die Frage nach der
daran, die Apparatur für die chemische Umset- Wirtschaftlichkeit einer Wasserstoffwirtschaft.
zung der Ameisensäure weiter zu verkleinern.
Ein Fokus der Arbeiten wird künftig darauf lie- Soll der Anteil erneuerbarer Energien an der
gen, auch die Produktion der Ameisensäure aus Energieversorgung deutlich steigen, wird auch
rein erneuerbaren Quellen und mit kostengüns- der Bedarf an Speichern zunehmen. Wasser-
tigen Katalysatormaterialien zu verbessern und stoff ist hier eine vielversprechende, aber nicht
in eine kompakte und automatisierte Apparatur die einzige Möglichkeit, bieten sich doch auch
zu packen. Sie würde einen Elektrolyseur ent- andere Prozesse unter Verwendung von Was-
halten, der Wasserstoff mit Strom aus erneuer- serstoff an als Alternative zur Erzeugung und
baren Quellen erzeugt, sowie einen Reaktor, der Speicherung von Ameisensäure. Berechnungen
die Ameisensäure aus Wasserstoff und Kohlen- im SCCER zur Wirtschaftlichkeit sind jedoch er-
dioxid herstellt. mutigend. Der Wirtschaftspartner hat errechnet,
dass der Strom aus dem kommerziell verfügba-
Dass die Erzeugung der Ameisensäure mit der ren HYFORM-PEMFC rund 20 Prozent günstiger
oben erwähnten, bereits kommerziell verfügba- ist als aus einer Batterie eines Elektrofahrzeugs.
ren Apparatur direkt kombiniert wird, ist aller- Die Herstellung der Ameisensäure ist dabei
dings nur in Ausnahmen zweckmässig. Für noch nicht berücksichtigt.
das kurzzeitige Zwischenspeichern von Strom
ist der Weg über Ameisensäure zu aufwen- Für das Speichern elektrischer Energie mit einer
dig. Alternativen wie Batterien oder die direkte schnellen Folge von Lade- und Entladezyklen er-
Speicherung von reinem Wasserstoff sind dazu weist sich Ameisensäure im Vergleich zu einem
sinnvoller. Ameisensäure ist vor allem dort in- Batteriespeicher als unwirtschaftlich. Interes-
teressant, wo ein Energievorrat über lange Zeit sant ist Ameisensäure aber für Langzeitspei-
bereitgehalten werden muss – primär also bei cher an abgelegenen Orten. So besteht grosses
unterbrechungsfreien Stromversorgungen. Da- Interesse an dieser Technologie von Betreibern
bei ist es nicht nötig, die Ameisensäure vor Ort von Telekommunikationsnetzen. Im deutschen
zu erzeugen. Solche Systeme werden vielmehr Behördenfunk sind einige Basisstationen heute
mit Tanklastwagen versorgt, wie dies heute bei mit unterbrechungsfreien Stromversorgungen
Notstromaggregaten mit Diesel der Fall ist. Eine ausgerüstet, die mit Wasserstoff betriebenen
künftige Infrastruktur wird also die Erzeugung Brennstoffzellen arbeiten.89 Für derartige An-
von Ameisensäure mit grünem Strom in grösse- wendungen ist Ameisensäure aber die bessere
ren zentralen Anlagen vorsehen und eine mobile Alternative. Sie ist preisgünstiger als Wasser-
Versorgung abgelegener Verbraucherinnen und stoff, lässt sich leicht mit Lkw transportieren
Verbraucher. und beliebig lange lagern.

91
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Synthetisches Methan  

3.3.4 Synthetisches Methan

Vorteile Bedeutung für die Energiestrategie


➢ klimaschonend im Vergleich zu fossilem 2050
Erdgas, sofern mit Hilfe regenerativen Stroms Fossile Energieträger sind der Stoff, der moderne
erzeugt Industrien seit 200 Jahren am Laufen hält. Sie
➢ keine kritischen Materialien notwendig, z.B. für sind im Einsatz beim Heizen von Gebäuden und
Katalysatoren in Industrieprozessen, bei der Stromerzeugung
➢ Für erneuerbares Methan werden höhere Preise in thermischen Kraftwerken, in Gasmotoren zur
akzeptiert. Kraft-Wärme-Kopplung oder bei Fahrzeugmotoren.
Bei der Verbrennung entsteht viel CO2, so dass der
Nachteile ungezügelte Verbrauch fossiler Brennstoffe vor
➢ weitere Optimierung von Katalysatoren und dem Hintergrund des Klimawandels keine Zukunft
Prozessführung notwendig mehr hat.
➢ kostengünstige Quellen für erneuerbares CO2 Der Energiebedarf aller fossil betriebenen
begrenzt Energieverbraucher in der Schweiz lag 2018 bei
➢ erneuerbarer Wasserstoff aus Elektrolyse noch rund 146 Terawattstunden. Der Löwenanteil entfiel
teuer auf den Verkehr mit 82 TWh, Industrie und Dienst-
➢ erneuerbarer Strom für Elektrolyse unabding- leistung konsumierten 33 TWh, und die Haushalte
bar, um Klimavorteil gegenüber fossilem Erd- 31,5 TWh.90
gas zu erreichen Methan (Erdgas, CH4) hat einen grossen An-
teil an der Energieversorgung der Schweiz – am
Reife der Technologie Gesamtenergieverbrauch der Schweiz den gleichen
Technologie-Reifegrad (TRL): Anteil wie die Schweizer Wasserkraft. Verwendung
➢ 5–9 für konventionelle Methanisierung findet Methan in vielen Bereichen: zum Heizen, zur
Steckbrief

➢ 6–7 für Wirbelschicht-Methanisierung Stromerzeugung, in Fahrzeugmotoren oder in der


für Teilprozesse: Industrie.
➢ 9 für alkalische/PEM Elektrolyse Zukunftsmodelle gehen davon aus, dass etwa
➢ 3–5 für Hochtemperaturelektrolyse 30 Prozent der Fahrleistung im Strassenverkehr
(7,4 TWh) über Elektromobilität abgedeckt werden
Meilensteine des SCCER können.91 Gleichzeitig liesse sich der Energiebedarf
➢ neue Konzepte für die Methanisierung mit er- für Heizen und Warmwasser im Bereich Haushalt
höhter Effizienz sowie für Industrie und Dienstleistung (46 TWh) im
➢ Reinigung des Methans Idealfall vollständig elektrisch und mit saisonaler
➢ optimierte und automatische Steuerung ganzer Wärmespeicherung abdecken. Selbst unter diesen
Anlagen idealisierten Annahmen bleibt ein Energiebedarf
➢ Entwicklung neuer Materialien und Mess- von etwa 93 TWh für Anwendungen wie Schwer-
technik verkehr, Flugverkehr oder in der Industrie, die nach
wie vor auf Brennstoffe wie Methan, Öl oder Was-
Weiterer Forschungsbedarf serstoff angewiesen sind.
➢ Bau von Pilotanlagen mit 1 Megawatt Sofern der für die Methanproduktion erfor-
➢ Kopplung mit Hochtemperaturelektrolyse im derliche Strom aus erneuerbaren Energiequellen
Grossmassstab stammt, ist es mit synthetisch hergestelltem
Methan möglich, die geforderte Energiemenge der
jeweiligen Anwendung nahezu klimaneutral bereit-
zustellen. Über diesen Prozess dient synthetisches
Methan auch zum Speichern und der Verlagerung
von elektrischer Energie – sowohl über kurze
als auch über lange Perioden; letzteres etwa um
Photovoltaikstrom aus dem Sommer im Winter als
Heizenergie oder im Verkehr zu nutzen. Auf diese

92
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

Atmosphäre

Industrie Biomasse

Verbraucher

Erneuerbare Sauerstoff O2 CO2 Kohlenstoffdioxid Wasser


Energien

Methan

CH4

Katalysator

Abwärme
Strom

H2
Wasser Wasserstoff Festbett- Wirbelschicht-
Methanisierung Methanisierung
Elektrolyse Methanisierung

Kosten in
Weise macht synthetisches Methan die Schweiz CHF/kWh
unabhängiger von importiertem Erdgas.
10-1
Auf Methan kann die Schweiz mittelfristig nicht
verzichten. Doch statt es fossil aus der Erde zu ge-
winnen, lässt sich Methan auch künstlich erzeugen.
Die Rohstoffe dafür sind: Wasser, CO2 und Strom. 10-2
Wird CO2 aus Biomasse, Luft oder nur schwer zu
ersetzenden Industrieverfahren wie der Zement- Langfristige Speicherung
herstellung gewonnen und der Strom aus erneuer-
baren Energiequellen generiert, ist das produzierte 10-3
Pumpspeicher
Methan nahezu klimaneutral. Wird es verbrannt,
entsteht dabei gerade so viel CO2, wie zuvor für Power-to-X CO2-Äquivalent
in g/kWh
seine Erzeugung eingesetzt wurde. Im Falle der (CH4/Methanol, H2 ...)
Industrieverfahren würde die CO2-Emission dessen 200 400 600 800
Hauptprodukt – also beispielsweise dem Zement –
zugeschrieben, nicht der Methanverbrennung.

Ansprechpartner
➢ Markus Friedl, Institut für Energietechnik, OST Ostschweizer
Fachhochschule, [email protected]
➢ Andreas Züttel, Laboratory of Materials for Renwable Energy,
EPFL Sion, [email protected]
➢ Tilman Schildhauer, Bioenergy and Catalysis Laboratory,
PSI, [email protected]

93
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Synthetisches Methan  

Synthetisches Methan – das Funktionsprinzip


Die verschiedenen Verfahren, um synthetisches gung, Aktivität und Selektivität des Katalysators
Methan herzustellen, sind zum Teil schon seit und dessen nachlassende Aktivität über den
Jahrzehnten bekannt. Weil fossiles Methan (Erd- Lauf der Zeit untersucht. Die Analyse belegt ein
gas) so billig ist, konnten sie sich nicht durch- gutes Potenzial für die Methanisierung.92
setzen. Die Methanisierung in grossem Stil ist
zudem nur sinnvoll, wenn auch regenerativer Erhöhung der Effizienz:
Strom in ausreichender Menge zur Verfügung Abwärmenutzung: Strom-zu-Methan-Technolo-
steht. Das ist zunehmend der Fall, so dass gien erreichen bisher einen Wirkungsgrad von
synthetisches Methan eine grosse Stärke aus- knapp unter 60 Prozent.93 Mit einem neu ent-
spielen kann: Es bietet sich als idealer Speicher wickelten Wärmemanagement fliesst die im
für Strom an, den beispielsweise Photovoltaik- Methanisierungsprozess anfallende Abwärme
anlagen an Sommertagen in grossen Mengen in die Dampfversorgung, die die Hochtempera-
ernten. Statt ihn in Batterien zu speichern, kann turelektrolyse zur Herstellung des für die Metha-
damit Wasserstoff und in einem weiteren Schritt nisierung benötigten Wasserstoffs unterstützt.
Methan hergestellt werden. Dieses lässt sich
ins Erdgasnetz einspeisen und kann bei Be- Mehrstufige Einspeisung von Rohgasen in
darf in Blockheizkraftwerken und Gasturbinen den Reaktor: Die konventionelle katalytische
verstromt werden. Auch kann man damit Fahr- Methanisierung arbeitet mit Wasserdampf im
zeuge betanken oder heizen. Die Herstellung Reaktor. Durch die mehrstufige Einspeisung der
von Methan durch überschüssigen Strom aus Rohgase entfällt die Zufuhr des Wasserdampfs,
erneuerbaren Energiequellen trägt wesentlich was den Energiebedarf des Prozesses reduziert.
dazu bei, die Abhängigkeit von Gasimporten zu
reduzieren. Die mehrstufige Prozessgestaltung steigert zu-
sammen mit der Abwärmenutzung die Effizienz
des Gesamtprozesses um einen Fünftel auf
rund 75 Prozent. Das Verfahren verringert damit
Statt Methan fossil aus der Erde zu
die Kosten und die Umweltbelastung des produ-
gewinnen, lässt es sich auch künst- zierten Methans.
lich erzeugen. Die Rohstoffe dafür
sind: Wasser, CO2 und Strom. Verlängerte Lebensdauer der Verbrauchsmate-
rialien:
Die Nickelkatalysatoren, die zur Erzeugung des
Forschung im SCCER Methangases aus CO2 und Wasserstoff zum Ein-
satz kommen, verlieren kontinuierlich an Leis-
Die Forschenden der Ostschweizer Fachhoch- tungsfähigkeit, weil sich im Rohgas vorhandene
schule (OST), des Paul Scherrer Instituts und der Schwefelverunreinigungen an ihnen anlagern.
EPFL haben im Rahmen des SCCER zahlreiche Die OST hat in Zusammenarbeit mit der Züricher
Aspekte zur Herstellung synthetischen Methans Hochschule für Angewandte Wissenschaften
mit erneuerbarem Strom untersucht und verbes- (ZHAW) schwefelresistente Katalysatoren mit
sert, unter anderem: längerer Lebensdauer entwickelt.

Technische Machbarkeit der Methanisierung: Prozessverbesserung durch neue Technologien:


Im Klärwerk Werdhölzli in Zürich – dort fallen Bei der Methanisierung entsteht neben dem
aus der Klärschlammbehandlung neben Methan Hauptprodukt Methan auch Wasser. Um die Me-
auch grosse Mengen CO2 an, die im Moment thanausbeute zu erhöhen, ist es sinnvoll, dieses
kostenintensiv abgetrennt werden müssen Wasser aus dem Prozess zu entfernen. Die OST
– haben die Teams des PSI an einer mobilen hat zusammen mit der ZHAW ein Katalysator-
Methanisierungsanlage Aspekte wie Gasreini- system entwickelt, bei dem das Trägermaterial

94
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

des Katalysators das entstehende Wasser direkt nisse aus den Demonstrationsanlagen wissen-
aufnehmen kann. Bei diesem Verfahren sind schaftlich abzusichern.
zwei Katalysatorbetten im Einsatz: Während
das eine Methan produziert, wird das zweite mit Ein weiteres Forschungsthema ist die Kopplung
Abwärme getrocknet. Danach wird die Prozess- der Methanisierung mit der Hochtemperatur-
führung geändert und das erste Bett getrocknet. elektrolyse, mit der die Abwärme aus der Metha-
nisierung im Elektrolyseur genutzt wird. Die Elek-
Die Forschenden der OST haben die Demons- trolyse zur Herstellung des Wasserstoffs bleibt
trationsanlage in Rapperswil vollständig auto- der Knackpunkt für eine höhere Effizienz und ge-
matisiert und in einem industrienahen Umfeld ringere Kosten. In diesem Bereich sind weitere
eingesetzt: Anstrengungen notwendig, die im Rahmen des
• Entwicklung kleinerer und kostengünstiger SCCER bereits angegangen wurden und künf-
Gassensoren; tig weitergeführt werden. Schliesslich müssen
• Untersuchung der hydrodynamischen Grund- Unternehmen die Skalierung, Automatisierung
lagen der Wirbelschicht-Methanisierung am und Industrialisierung der SCCER-Technologien
PSI in einer neu errichteten Pilotanlage;94 übernehmen.
• Untersuchung der Grundlagen katalytischer
Vorgänge.95
Die Strom-zu-Methan-Technologie
Technische Perspektive verfügt über das Potenzial, fossiles
Erdgas in den kommenden Jahr-
Die Arbeiten im Rahmen des SCCER haben ge- zehnten zu ersetzen und damit
zeigt, dass die Strom-zu-Methan-Technologie einen erheblichen Beitrag im Kampf
über das Potenzial verfügt, fossiles Erdgas in gegen den Klimawandel zu leisten.
den kommenden Jahrzehnten zu ersetzen und
damit einen erheblichen Beitrag im Kampf gegen
den Klimawandel zu leisten. Wie die Demonstra- Wirtschaftliche Perspektive
toren an der OST, dem PSI und der EPFL in Sion
belegen, sind grundsätzlich alle notwendigen Die Technologie «Strom zu Methan» ist noch
Technologien bekannt. Sie müssen nun noch nicht marktreif. Derzeit ist synthetisch herge-
optimiert und zur Serienreife gebracht werden. stelltes Gas in der Schweiz nur an einer For-
Die Methanisierung ist im Demonstrator von schungsanlage in Rapperswil erhältlich, wo we-
Sion beispielsweise kombiniert mit einer Strom- nige Interessierte Fahrzeuge betanken können.
erzeugung aus Photovoltaik, Batterien, Erzeu- Die technischen Fortschritte zielen vor allem
gung und Speicherung von Wasserstoff sowie darauf ab, die Kosten zu verringern.
der Synthese von Methanol. Die Anlage ist auf
den Energieverbrauch einer durchschnittlichen Die Forschungsteams haben im Rahmen des
Familie der Schweiz ausgelegt. Der Demonst- SCCER die Kosten dieser Technologien unter-
rator zeigt insbesondere, wie die Komponenten sucht. Die Gestehungskosten für synthetisches
zusammenarbeiten.96 Methan betragen derzeit zwischen 170 und
250 Franken pro Megawattstunde, wobei der
Um Marktreife zu erreichen, empfehlen die höhere Brennwert des Gases berücksichtigt
SCCER-Forschenden für jede der Methanisie- wurde.97 An Standorten mit niedrigen Kosten
rungstechnologien den Bau von je einer Anlage für Rohgas/CO2 und erneuerbaren Strom so-
in der Grössenordnung von einem Megawatt. wie Nähe zum Gasnetz sind in der Schweiz
Auf diese Weise lassen sich die letzten Hürden Gasgestehungskosten von rund 14 Rappen pro
zur Serienfertigung bewältigen und die voll- Kilowattstunde möglich, was im Verkehrssektor
ständige Kommerzialisierung erreichen. Aus bereits heute wirtschaftlich ist. Grundsätzlich
den Anwendungen werden sich laufend neue liegen die Gestehungskosten für synthetisches
Forschungsfragen ergeben. So sind die Erkennt- Methan aber um einen Faktor zwei bis drei hö-

95
Speicherung über mittlere und saisonale Zeiträume   —  Wertschöpfung aus CO2   —  Synthetisches Methan  

her als für fossiles Erdgas. Privatkunden sind


in der Schweiz bereit, für Biogas zwischen 15
bis 20 Rp./kWh zu bezahlen und sind somit die
bevorzugte Kundschaft auch für synthetisches
Methan.

Um weitere Anwendungen zu erschliessen, be-


darf es weiterer Kostenreduktionen. Die sind
vor allem durch tiefere Kosten bei den Elektro-
lyseuren zur Herstellung des Wasserstoffs zu
erhoffen. Im Projekt STORE&GO haben SCCER-
Wissenschafterinnen und -Wissenschafter die
Gasgestehungskosten für die Strom-zu-Methan-
Technologie für die Jahre 2019, 2030 und 2050
berechnet. Sie gehen davon aus, dass sich der
Gestehungspreis für synthetisches Gas bis
2050 mehr als halbieren wird.98 Beim Methani-
sierungsprozess erwarten sie allerdings keine
grösseren Kostensenkungen mehr. Die grössten
Potenziale zur Kostensenkung sind
• tiefere Kosten von Rohgas/CO2,
• tiefere Kosten für erneuerbaren Strom ohne
Netznutzungsentgelte,
• höhere Effizienz und tiefere Kosten für die
Elektrolyse,
• Nähe zum Gasnetz.

Wie bei allen anderen Technologien zur Speiche-


rung von Strom – ausser Pumpwasserspeichern
– gilt gemäss heutiger Gesetzgebung auch bei
Strom-zu-Methan-Anlagen der gesamte auf-
genommene Strom als Endverbrauch, sodass
Netznutzungsentgelte fällig sind. Diese Voraus-
setzung behindert den Technologiedurchbruch.

Werden solche Anlagen netzdienlich eingesetzt,


also um Strom zu speichern und später wieder
zu erzeugen, sollten die Entgelte – soweit sie
nicht die Umwandlungsverluste betreffen – ent-
fallen. Würde synthetisches Methan zudem als
klimaneutraler Treibstoff für den Strassenver-
kehr anerkannt, würde dies der Wirtschaftlichkeit
zusätzlichen Schub verleihen. Die vermiedenen
CO2-Emissionen könnten die Automobilherstel-
ler ihren Flottenemissionen anrechnen.

96
SCCER Heat and Electricity Storage – Handbuch Energiespeicher

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Kontakt
Swiss Competence Center for Energy Research
Heat and Electricity Storage (SCCER HaE-Storage)
c/o Paul Scherrer Institut
5232 Villigen PSI, Switzerland
Phone: +41 56 310 5396
E-mail: [email protected]
Internet: www.sccer-hae.ch

Thomas J. Schmidt, Head

Phone: +41 56 310 5765


E-mail: [email protected]

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