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UNIVERSITE FELIX HOUPHOUET-BOIGNY

UFR: LANGUES LITTERATURES ET CIVILISATION

DEPARTEMENT D’ALLEMAND

LICENCE 1

VORLESUNG ZUM THEMA:

Deutsche Literaturgeschichte von den


Anfängen bis zur Aufklärung: eine
Einführung

LEHRER: PAUL N’GUESSAN-BECHIE

1
Einleitung
Gegenüber anderen Geschichten, z.B. der Geschichte der Politik, der
Religionen bzw. der Konfessionen hat das Interesse an der Literaturgeschichte
erst spät angefangen. Die Bezeichnungen oder die Benennungen der
Literaturepochen zeigen deutlich, dass die Literaturgeschichtsschreibung von
anderen Historiographien bzw. von nichtliterarischen Einteilungsschemata
abhängig ist. Die Ausgangspunkte für die Wahl der Epochennamen sind z.B.:
- Die allgemeine Kultur- und Mentalitätsgeschichte (Humanismus,
Aufklärung, Empfindsamkeit, Romantik)
- Die politische Geschichte (Vormärz, Weimarer Republik, Exil,
Nachkriegszeit, Wende)
- Die Konfessionsgeschichte (Reformation, Gegenreformation)
- Die Stilgeschichte von bestimmten Künsten (Barock, Realismus,
Naturalismus, Expressionismus)
- Chronologische Eingrenzungen (Jahrhundertwende, Literatur nach 1945,
nach 1990, etc.)
Es ist selten, dass die literarischen Bewegungen selbst den
Epochennamen prägen. Einige Beispiele sind: Sturm und Drang, Weimarer
Klassik, Wiener Moderne, etc.
Die Periodisierung der Literatur, d.h. die epochale Einteilung der
Literatur ist schwierig und nicht immer harmonisch. Diese Vorlesung ist der
deutschen Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Aufklärung gewidmet
und wird sich mit der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
(Humanismus, Barock, Aufklärung, etc.) beschäftigen.

I. Die deutsche Literatur des Mittelalters


Diese Literatur charakterisiert sich durch fünf typische Merkmale:
- Christianität, d.h. Verbindlichkeit des christlich geprägten Weltbildes
- Bilinguität, Nebeneinander von Literatur auf Latein und in der
Volkssprache
- Heilgeschichte: die Providenz, d.h. Gott steuert den Verlauf der
Geschichte, und die Wiedergeburt von Jesus Christus steht im
Mittelpunkt des Verlaufs der Geschichte.
- Allegorese: Christliche Interpretation der Welt und der Schrift
- Bibeldichtung und Hagiographie: Die Literatur bzw. die Dichtung dreht
sich um die Bibel und die Geschichte der Heiligen.
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Die Literatur des Mittelalters kann in vier Phasen geteilt werden: die
Phase der althochdeutschen Literatur im Frühmittelalter, die Phasen der
frühmittelhochdeutschen Literatur und der mittelhochdeutschen Literatur im
Hochmittelalter und die Phase der spätmittelhochdeutschen Literatur im
Spätmittelalter. Man gewinnt einen Überblick über die Teilepochen, aber auch
die Phasen, den Zeitraum, die Produzenten und Rezipienten sowie den Ort der
deutschen Literatur im Mittelalter, wie in der folgenden Tabelle dargestellt:

Teilepochen Phasen Zeitraum Produzenten/Rezipienten Ort

Frühmittelalter Althochdeutsche 770-900 Von Geistlichen für Kloster


Literatur Geistliche

Hochmittelalter Frühmittelhochdeutsche 1050-1170 Von Geistlichen für Laien Kloster


Literatur

Mittelhochdeutsche 1170-1220 Von Laien für Laien Hof


Literatur: „Staufische
Klassik

Spätmittelalter Spätmittelhochdeutsche 1220-1450 Von Laien für Laien Stadt


Literatur

1. Die althochdeutsche Literatur (770-900)


In dieser Phase liegen die Anfänge der deutschen Literatur. Die Literatur
dieser Phase bearbeitet lateinische und religiöse Texte in der Volkssprache. Der
Literaturbetrieb findet nur in den Klöstern statt. Die wichtigsten Klöster in der
frühmittelalterlichen Zeit im deutschen Sprachraum waren in Fulda, Mainz, St.
Emmeram in Regensburg, St. Peter in Salzburg, St. Gallen und Reichenau. In
einem Kloster sind fünf verschiedene Räume, in denen sich der Literaturbetrieb
abspielt:
- Die Klosterschule, in der die Schüler Latein in Wort und Schrift erlernen.
Drei redende Künste sind dabei erlernt: Grammatik (Lehre vom richtigen
Reden und Schreiben), Rhetorik (Lehre vom guten Reden und Schreiben)
und Dialektik bzw. Logik (Schulung des begrifflichen Denkens).
- Das Skriptorium (Schreibstube), in dem Bücher geschrieben und
handschriftlich kopiert werden.
- Die Bibliothek, in der die Bücher aufbewahrt werden.

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- Die Kirche, in der aus Büchern religiöse Texte gelesen und gesungen
werden.
- Das Refektorium (Speisesaal), in dem während der Mahlzeiten
Tischlesungen stattfinden.
Die althochdeutsche Literatur ist strukturiert in Prosa und Verse. Die
Prosatexte, die im Dienst der lateinischen geistlichen Literatur standen, waren
hauptsächlich Glossen und Glossare (Wortübersetzung neben oder über dem
Text), Interlinearversionen, Übersetzung religiöser Gebrauchstexte (Gebete wie
das Vaterunser und das Credo) und Bibelübersetzung. Die erste deutsche
Bibelübersetzung (Der alte Tartian) entstand im Frühmittelalter um das Jahr
830. Diese Bibelübersetzung bot eine Evangelienharmonie, d.h. eine
einheitliche Erzählung aus dem Matthäus-, Markus-, Lukas-, und
Johannesevangelium.
Was die Verse der althochdeutschen Literatur betrifft, waren sie
heroische Dichtungen (Heldendichtungen, Zaubersprüche), religiöse
Dichtungen (Bibeldichtung, Heiligenlieder) und politische Dichtungen
(Fürstenpreise). Das Hildebrandslied ist das einzige Zeugnis der
althochdeutschen Heldendichtung. Neben dem Hildebrandslied ist das
Georglied ein Beispiel des Heiligenlieds und das Ludwigslied ein Dokument der
politischen Dichtung.

2. Die Frühmittelhochdeutsche Literatur (1050-1170)


Die deutsche Literaturgeschichte hat 150 Jahre (900-1050)
Unterbrechung gekannt. Die frühmittelhochdeutsche Literatur begann 1050 und
endete 1170. Eine Verbindung zwischen der althochdeutschen und
frühmittelhochdeutschen Literatur ist, dass beide hauptsächlich in Klöstern
stattgefunden und religiöse Themen behandelt haben. Wie in der vorherigen
Phase wurde die frühmittelhochdeutsche Literatur auch von Geistlichen
verfasst, aber nicht die Geistlichen waren die Adressaten dieser Literatur,
sondern die Laien, darunter säkulare Fürsten und Nonnen (Schwestern). Die
Frauen waren nicht nur Rezipientinnen d.h. Leserinnen, sondern auch
Autorinnen, z. B. Frau Ava, Hrotsvith von Gandersheim. Sie gilt als die erste
deutsche Autorin.
Auch die frühmittelalterliche Literatur lässt sich in Prosatexte und
Versdichtungen aufteilen. Unter den Prosatexten befinden sich religiöse
Gebrauchstexte wie Gebete, Predigten und allegorische Deutungen

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(Kommentare) der Bibel. Zu den Versdichtungen zählen Bibeldichtung,
Glaubensdichtung, Mariendichtung, Heiligendichtung sowie Morallehre.
Einige frühmittelhochdeutsche Prosatexte:
- William von Ebersberg: Expositio in Cantica canticorum (1069)
- Älterer Physiologus (um 1070)
- Neuerer (Wiener) Physiologus (um 1120)
- St. Trudperter Hohelied (um 1140)

Einige frühmittelhochdeutsche Versdichtungen:


- Ezzolied (1060)
- Annolied (um 1080)
- Altdeutscher Exodus (Anfang 12. Jahrhundert)
- Frau Ava: Johannes (der Täufer), Leben Jesu, Antichrist, Jüngstes Gericht
(1127)
- Armer Hartmann: Rede vom Glauben (1140/60)
- Heinrich: Litanei (nach 1150)
- Kaiserchronik (Mitte 12. Jahrhundert)
- Priester Arnold: Juliane (um 1150)

3. Mittelhochdeutsche Literatur (1170-1220)


An den Höfen der Prinzen verlief die mittelhochdeutsche Literatur um
1170. Diese Literatur verwendete nicht ausschließlich die lateinische Sprache,
sondern auch die Volkssprache in Deutschland, d.h. das Mittelhochdeutsch. Die
französische Hofliteratur bildete das Vorbild der höfischen Lyrik und des
höfischen Romans durch Übersetzungen und Adaptationen. Die
mittelhochdeutsche Literatur, d.h. die Lyrik und Epik wurde hauptsächlich in
Vers (Strophen und Reimpaare) verfasst. Die folgende Tabelle gibt einen
Überblick über die Gattungen der höfischen Dichtung mit Beispielen sowie das
Erscheinungsjahr und Formtypen der Strophen um 1200:

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Gattungen Beispiele Jahr Formtypen
Epik
Heldenepik Chanson de geste Pfaffe Konrad: Reimpaare

Rolandslied um 1170
Deutsche Nibelungenlied um 1200 Langzeilenstrophe
Heldenepik
Spielmannepik Salmann und Morolf Langzeilenstrophe
König Rother um 1160/70 Reimpaare
Roman Antikenroman Heinrich von Veldeke: nach 1150 Reimpaare
Eneasroman
Artusroman Hartmann von Aue: Erec um 1185 Reimpaare
Liebesroman Gottfried von Straßburg: um 1210 Reimpaare
Tristan
Legendenroman Heinrich von Veldeke: um 1170 Reimpaare
Servatius
Novelle Hartmann von Aue: Der um 1190 Reimpaare
arme Heinrich
Lyrik
Minnesang Früher Minnesang Der von Kürenberg: Langzeilenstrophe
(Liebeslyrik) Falkenlied
Hoher Minnesang Fiedrich von Hausen: Ich Stollenstrophe
denke underwîlen
Sangspruchdichtung Frühphase: Spervogel Langzeilenstrophe
Didaktische Lyrik
Hochphase: Walther von der Stollenstrophe
Politische Lyrik Vogelweide
Religiöse Lyrik Walther von der Stollenstrophe
Vogelweide: Marienleich

4. Spätmittelhochdeutsche Literatur (1220-1450)


In dieser Epoche war das Zentrum der Literatur nicht mehr die Klöster
und Fürstenhöfe, sondern die Städte. Die Erfindung des Buchdrucks durch
Johannes Gutenberg markiert das Ende der spätmittelalterlichen Literatur, die
um 1220 begonnen hatte. Ein Charakteristikum dieser Literatur ist, dass man die
Vorbilder nicht mehr in Frankreich gesucht hatte, sondern in der deutschen
Literatur der früheren Zeit. Charakteristisch für diese Literatur ist auch, dass die
Literatur nicht mehr allein in Versen, sondern auch in Prosa verfasst ist. Das
Drama, das in der früheren deutschen Literatur nicht existierte, trat in die
spätmittelalterliche Literatur ein. Damit ist die Literatur dieser Epoche
strukturiert in Epik, Lyrik und Drama.
Die Epik der spätmittelalterlichen Literatur war in Vers und Prosa
verfasst. Die Romantypen der mittelhochdeutschen Literatur wie Artusroman1,
Antikenroman, Liebesroman und Legendenroman wurden weiter geführt. Eine

1
Ein Romantyp, in dem ein legendärer König namens Artus und seine Ritter eine zentrale Rolle spielen. Ein
Roman des Mittelalters, in dem ein König und Ritter eine bedeutende Rolle spielen, wird „Artusroman“
genannt.

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neue Romanform war der Schwankroman (komischer Roman). Zwei Beispiele
des Schwankromans sind: „Der Pfaffe Amis“ (um 1240) von Der Stricker und
„Der Ring“ (ca. 1410) von Heinrich Wittenwiler. Neben diesen Beispielen, die
in Vers geschrieben worden sind, sind viele andere Beispiele von Werken der
oben genannten Romantypen.
Neben den Versromanen findet man eine Reihe von Prosaromanen, wie
zum Beispiel „Elsässisches Trojabuch“ (vor 1386), „Trojabuch“ (1390/92) von
Hans Mair, „Alexander“ (Mitte 15. Jahrhundert) von Johannes Hartlieb,
„Melusene“ (1456) von Thüring von Ringoltingen und „Fortunatus“ (1509).
Dieser Roman, dessen Autor unbekannt ist, gilt als der erste deutsche
selbstständige Prosaroman.
Die spätmittelhochdeutsche Lyrik ist eine Weiterführung des Minnesangs
und der Sangspruchdichtung. Es geht bei diesen lyrischen Gattungen
hauptsächlich um Lieder. Bekannte Liederdichter dieser Epoche sind u.a. Ulrich
von Liechtenstein, Konrad von Würzburg, Oswald von Wolkenstein, Heinrich
Laufenberg.
Das spätmittelhochdeutsche Drama bestand aus einem geistlichen
(klerikalen) und weltlich (säkularen) Drama. Das geistliche Drama behandelte
biblische und hagiographische Stoffe, während das weltliche Drama
karnevaleske Züge hatte. Man muss betonen, dass Karnevale bzw.
Fastnachtspiele an die Liturgie gebunden sind. Einige spätmittelhochdeutsche
Dramen sind „Großes Benediktbeurer Passionsspiel (um 1230) als geistliches
Drama und „St. Pauler Neidhartspiel“ (um 1350) sowie Fastnachtspiele von
Hans Rosenplüt und Hans Folz als weltliche Dramen.

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II. Die deutsche Literatur der Frühen Neuzeit (Humanismus,
Reformation, Barock, Aufklärung)
Die Frühe Neuzeit wurde in der Literaturgeschichte unterschiedlich
interpretiert. Manche Literaturhistoriker zählten am Anfang nur den
Humanismus bzw. Renaissance und Reformationszeit zur Frühen Neuzeit.
Später wurde Barock dieser Epoche zugeordnet. Erst neuere Forschungsansätze
rechnen die Aufklärung zur Frühen Neuzeit, die geschichtlich den Zeitraum von
der Erfindung des Buchdrucks bis zur Französischen Revolution umfasst.

1. Humanismus und Reformation


Diese Epoche (ca. Mitte 15. Jahrhundert bis Ende 16. Jahrhundert) ist von
markanten Ereignissen geprägt. Es geht um die Erfindungen, Entdeckungen,
Eroberungen etc.: Druckbeginn der lateinischen Gutenberg-Bibel (1452),
nachdem Johannes Gutenberg vor ein paar Jahren den Buchdruck erfunden hat,
Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus (1492), Eroberung
Konstantinopels durch die Türken und Exodus griechischer Gelehrter nach
Italien (1453), Beginn der Reformation durch Martin Luther (1517),
Entdeckung von Nikolaus Kopernikus über die Kreisbewegungen der
Himmelskörper (1543) etc. Durch diese Ereignisse gewann der Mensch ein
gewisses Selbstbewusstsein und seitdem wurde die Gottesidee in Frage gestellt,
da der Mensch glaubte, er konnte selber einiges schaffen. Was den Buchdruck
betrifft, ist er ein wichtiges Ereignis in der Entwicklung der Literatur. Er teilte
die Literaturgeschichte in zwei Hälften: die Literatur vor und nach Gutenberg,
dem Erfinder des Buchdrucks. Mit dem Buchdruck konnte die Literatur ein
breiteres Publikum.
Wie der Begriff des Humanismus es suggeriert, war diese Epoche eine
Rückbesinnung auf die Lebenskonzepte, Denksysteme, Argumentationsformen
und Wissensbestände der Antike. Im Bereich der Dichtung wurde der biblische
bzw. religiöse Einfluss immer weniger bemerkbar, und man näherte sich den
antiken Dichtern an.
In Deutschland war der Humanismus so gut wie nicht an den Dichtungen
der Antike orientiert: nur ein antiker Autor namens Lukian (2. Jahrhundert nach
Christus) wurde im deutschen Humanismus rezipiert. Viele Dichter der
italienischen Renaissance wie Boccaccio, Petrarca, Enea Silvio etc. wurden von
deutschen Humanisten gelesen und übersetzt. Neben der italienischen
Renaissance wollten die deutschen Humanisten deutsche Dichter des

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Mittelalters nachahmen. Conrad Celtis z. B. hat die Werke der ersten
namentlich bekannten deutschen Dichterin Hrotsvith von Gandersheim
wiederentdeckt und bekannt gemacht.
Vor allem der bekannteste deutsche Humanist Ulrich von Hutten wollte
nicht nur die deutsche Literatur zur Geltung bringen, sondern auch die deutsche
Sprache. Damit konnte der deutsche Humanismus ein breiteres deutsches
Publikum erreichen, was mit Latein als Sprache der Literatur nicht möglich war,
denn nur eine kleine Minderheit bzw. eine Elite in Deutschland konnte die
lateinische Sprache verstehen. Mit Deutsch konnten seine Themen wie Kampf
gegen die „Tyrannei“, den „Krieg“, den Kampf gegen „Rom und seine
Reichtümer und Machenschaften“ und den Kampf für die „Freiheit“ und den
„Frieden“ mehr Resonanz finden.
Aus der Thematik von Ulrich von Hutten sieht man eine gewisse
Verbindung von seinem Humanismus und der Reformation. Die Reformation
(1517-1648) ist eine christliche Reformbewegung, die in Deutschland von dem
Augustinermönch und Priester Martin Luther geführt wurde. Diese Bewegung
kritisierte den Papst, den Reichtum in der katholischen Kirche, das unanständige
Leben der Priester, den Ablass. Die Literatur der Reformation besteht
hauptsächlich aus den Schriften von Martin Luther, vor allem seinen 95 Thesen,
die zur Geburt dieser Bewegung führten. Die größte Leistung von Luther ist
seine Bibelübersetzung (ab 1521) ins Deutsche, eigentlich in eine „sächsische
Kanzleisprache“. Diese Übersetzung gilt als der Beginn der
(früh)neuhochdeutschen Sprache. Martin Luther ist zu verdanken, dass seine
Bibelübersetzung die deutsche Sprache literaturfähig gemacht hat. Neben seinen
95 Thesen und der Bibelübersetzung hat Luther andere Texte verfasst,
z.B.:„Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1920), „An den Christlichen
Adel deutscher Nation“ (1520), „Wider die räuberischen und mörderischen
Rotten der Bauern“ (1520). Neben und nach Luther haben Georg Wickram mit
seinen Schriften („Galmy“ 1539, „Gabriotto und Reinhardt“ 1551,
„Rollwagenbüchlein“ 1555, „Von guoten und boesen Nachbaurn“ 1556 „Der
Goldtfaden“ 1561) und Hans Sachs („Die Wittenbergisch Nachtigall“ 1523,
„Vier Reformationsdialoge“ 1524, und „Hecastus“ 1549) die Reformationszeit
mitgeprägt.
Die Dichtungen dieser Dichter und vieler Gelegenheitsdichter dieser
Epoche sind in literarische Gattungen eingeordnet, nämlich in den Meistersang,
das Bibeldrama, die Prosaromane, die Flugschriftenliteratur, etc.

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Man muss betonen, dass nicht alle Humanisten an die Seite der
Reformation traten. Einige Humanisten wie Erasmus von Rotterdam kritisierten
sogar in seinen Pamphleten die Reformation und ihre Repräsentanten. Dieser
Reformationskritiker war doch mit Martin Luther in seiner Kritik an der
Institution der alten Kirche und deren Dogma einverstanden. Er war zum Teil
viel virulenter als Luther und die Lutheraner.

2. Der Barock
Der Begriff „Barock“ kommt ursprünglich aus dem Portugiesischen
(barocco) und bedeutet „unregelmäßig“ oder „bizarr“. Später (nämlich im 19.
Jahrhundert) wurde er ein Stilbegriff für ornamentale Kunst und Literatur. In
der heutigen Bedeutung bezeichnet man „Barock“ trotz aller Ungenauigkeiten
als eine Literaturepoche, die das ganze 17. Jahrhundert deckt. Zum Teil hat
„Barock“ Zusammenhänge mit dem Späthumanismus und der Reformation.
Einer der Hauptvertreter des Barock ist Martin Opitz (1597-1639). Mit
seinem Buch „Buch von der deutschen Poeterey“ (1624) hat er Regeln für die
Barockliteratur festgelegt und wurde zum Regeltheoretiker und -dichter seiner
Epoche. Er hat in diesem Buch eine Menge von Modellen der verschiedenen
Gattungen aus der griechischen und lateinischen Literatur wie zum Beispiel
Lyrik, Drama und Roman gezeigt.
Was die Lyrik betrifft, wurde das Sonett, die Lyrikgattung der
italienischen Renaissance-Dichter im Barock übernommen und zu einer
typischen Form der Lyrik des gesamten 17. Jahrhunderts erhoben. Sonette sind
von allen Dichtern des Barock überliefert. Martin Opitz, Andreas Gryphius,
Paul Fleming, Catharina von Greiffenberg, Hoffmann von Hoffmannswaldau
etc. haben Sonette geschrieben. Von allen Barocklyrikern gilt Gryphius als der
herausragende Dichter und wird als der Hauptvertreter der Barocklyrik
angesehen.
Im Bereich des Dramas sind verschiedene Traditionen des europäischen
Renaissance-Dramas auch im Drama des Barock sichtbar, wie z.B. das Drama
der italienischen Commedia dell’arte und das der englischen Wandertruppen
mit ihrer realistischen Darstellung. Das Barockdrama ist unterteilt in Trauerspiel
(Tragödie) und Komödie. Martin Opitz machte durch seine Übersetzungen die
griechischen Tragödien in Deutschland bekannt. Neben seinen lyrischen
Leistungen (Werke) hat sich Andreas Gryphius als der größte Dramatiker des

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Barock behauptet. Auch Daniel Caspar von Lohenstein und Christian Weise
sind als Barockdramatiker nennenswert.
In der Prosa bzw. im Roman des deutschen Barock forderte Opitz eine
Orientierung an der europäischen Renaissanceliteratur. Aus diesem Grund
übersetzte er Renaissancewerke ins Deutsch. Der Barockroman hat drei
Hauptformen: es gibt den höfisch-historischen Roman, den Schäferroman (nur
in übersetzter Form) und den Schelmenroman und den Picaroroman. Im
Schelmenroman kommt der Held aus den Unterschichten der Gesellschaft und
der Picaro ist ein Ich-erzählender Junge, dessen Modell aus Spanien kommt.
Beide Romanformen (der Schelmenroman und der Picaroroman) gelten
gegenüber den anderen als niedere Formen des Romans. Jacob Christoph von
Grimmelshausen, dessen Roman „Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch“
(1668/1669) das Vorbild des Picaro imitiert, gilt als ein Repräsentant des
niederen Romans in seiner Zeit (Barock). Neben Grimmelshausen sind andere
Dichter des Barockromans bekannt: Philipp von Zesen, August Bohse, Johann
Beer, Andreas Heinrich Buchholtz.
Schon im 17. Jahrhundert waren Ideen der Aufklärung mit René
Descartes hörbar, der einmal formuliert hat: Cogito ergo sum – Ich denke, also
bin ich“.

3. Aufklärung (1720-1785)
Die Frage der Erkenntnisquelle wurde in dieser Epoche in der
Philosophie zwischen Rationalisten und Empiristen debattiert. Für die Vertreter
des Rationalismus ist die Vernunft die einzige Quelle der Erkenntnis. Der
holländisch-jüdische Philosoph Baruch de Spinoza vertrat die Meinung, dass
nur die mathematisch-vernünftige Denkweise die Wahrheit möglich machen
kann. Die Repräsentanten des Empirismus (David Hume und Francis Bacon)
sehen in der Sinneserfahrung die Quelle jeder Erkenntnis.
Die Aufklärung gilt als die Epoche des Rationalismus und der deutsche
Philosoph Immanuel Kant hat eine Definition der Aufklärung vorgeschlagen,
die heute noch gültig ist: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich
seines Verstandes (seiner Vernunft) ohne Leitung eines andern zu bedienen.
(….). Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
Die Frage der Vernunft und des Verstandes blieb nicht allein in der
Philosophie. Auch in der Literatur fand der Verstand Anwendung mit Johann

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Christoph Gottsched (1700-1766), Professor für Philosophie und Dichtkunst in
Leipzig. Ausgehend von der antiken Literatur leitet Gottsched ein
poetologisches Ordnungssystem ein, wonach Literatur mit festen Regeln
produziert werden kann. Literarische Produktionen befolgen wissenschaftlich
exakte Gesetze und Regeln, die erlernbar sind.
Die Regelpoetik von Gottsched, die dem Rationalismus und Normativität
entspringt, ist in seinem Buch „Versuch einer critischen Dichtkunst vor die
Deutschen“ (1730) dargestellt worden. Gottsched wurde kritisiert, denn andere
Dichtungstheoretiker waren der Meinung, dass der Dichter nicht nach
vorgegebenen Regeln dichten soll, sondern seine eigenen Regeln schaffen soll.
Seine ersten Kritiker sind zwei Schweizer: Johann Jakob Bodmer (1698-1783)
und Johann Jakob Breitinger (1701-1776). Beide legten den Akzent auf die
Fantasie und das Gefühl des Dichters und nicht auf Dichtregeln. Später hat der
deutsche Dichter und Dichtungstheoretiker Gotthold Ephraim Lessing (1729-
1781) Gottsched kritisiert, was die Einhaltung der drei Einheiten, die Beachtung
der Ständeklausel, die Vorbildlichkeit des französischen Klassizismus betrifft.
Lessing gilt als die markanteste Figur der Aufklärung in Deutschland. Er
ist der Begründer des bürgerlichen Trauerspiels, steht auf der Schwelle von der
alteuropäischen zur modernen Kultur. Seine Theaterstücke werden heute noch
auf den deutschen Bühnen aufgeführt. Lessing ist auch der Vermittler
bürgerlicher Tugenden wie (religiöse) Toleranz und Humanismus und bekämpft
die Willkür der Fürsten und das falsche Ehrverständnis in seinen Dramen.
Das Drama ist die Mustergattung in der Aufklärung. Gottsched und
Lessing haben sich einen Namen mit ihren Dramentheorien gemacht. Bei
Gottsched waren die französischen Klassizisten Corneille, Racine, Voltaire etc.
Vorbilder einer neuen deutschen Dramatik. Lessing suchte mit seinem
bürgerlichen Trauerspiel und seinem rührenden Lustspiel sein Vorbild in
England bei Shakespeare. Lessing hat viele Dramenstücke geschrieben: „Miss
Sara Sampson“ (1755), „Minna von Barnhelm“ (1767), „Emilia Galotti“ (1772),
„Nathan der Weise“ (1779). Neben Lessing sind Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832) und Friedrich Schiller (1759-1805) zwei große Dramatiker der
Aufklärung. Beide haben viele Dramenstücke geschrieben.
Die Lyrik der Aufklärung ist zum Teil eine Verbindung von moderner
Naturwissenschaft und christlichem Glauben, die als Physikotheologie
bezeichnet wird. Alle Naturphänomene sowie die Ordnung der Natur werden
geschildert und zum Lob des Schöpfers interpretiert. Da die Erziehung des
Menschen eine große Bedeutung in der Aufklärung hat, hat man in der

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Dichtung die Gedankenlyrik hervorgebracht. Dazu gehören die didaktischen
Oden und die Lehrgedichte. Inspiriert vom Volkslied, schrieben Johann
Gottfried Herder (1744-1803) und Johann Wolfgang Goethe viele Gedichte.
Wichtige Lyriker der Aufklärung sind neben Herder und Goethe Barthold
Hinrich Brockes, Albrecht von Haller, Friedrich Gottlieb Klopstock.
In der Aufklärung hat die Epik eine belehrende und unterhaltende
Absicht, um dem philosophisch-pädagogischen Zeitgeist zu entsprechen. Dabei
spielte die Fabel eine bedeutende Rolle. Neben der Fabel gewinnt der Roman
auch an Bedeutung. Unter dem Einfluss von englischen aber auch französischen
Vorbildern entstanden in Deutschland der Erziehungs- und Bildungsroman
einerseits und Brief- und Familienroman andererseits. Neben dem belehrenden
und unterhaltenden Charakter des Aufklärungsromans findet man auch eine
kritisierende Tendenz. Mit seinen meist bürgerlichen Figuren und Helden wird
im Roman der Aufklärung scharfe Kritik an der absolutistischen feudalistischen
Gesellschaft geübt. Einige wichtige Epiker der deutschen Aufklärung sind
Goethe, Lessing, Johann Gottfried Schnabel, Johann Heinrich Voß, Christian
Fürchtegott Gellert, Christian Martin Wieland.

Schluss
Von den Anfängen bis zur Aufklärung war die deutsche
Literaturproduktion nicht reichlich genug im Vergleich zu Ländern wie
Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien etc. Die Quellen vieler
Literaturprodukte in Deutschland kamen von diesen Ländern. Auch in der
Aufklärung, in der sich eine beträchtliche bürgerliche Gesellschaft gebildet hat
und ein beeindruckender Literaturbetrieb war, konnten die deutschen Dichter
den fremden Einflüssen auf die Literatur nicht entgehen. Mit dieser Sachlage
kann man sagen, dass Deutschland in der Literatur bis zur Aufklärung
gegenüber den genannten europäischen Ländern verspätet war. Erst im 19.
Jahrhundert konnte Deutschland diese Verspätung aufholen. Ab diesem
Jahrhundert kannte Deutschland namhafte Dichter und einen weitgehenden
Literaturbetrieb mit einer großen Menge Literaturepochen.

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