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04.12.

2020
BF01 Deutsch

Internetabhängigkeit: Süchtig nach Facebook von FRANZ NESTLER


Eine halbe Million Deutsche sind laut einer Studie abhängig von ihrer täglichen Dosis 1
Internet. Besonders Mädchen und junge Frauen sind gefährdet.
In Deutschland sind mehr als eine halbe Million Menschen internetsüchtig. Das geht aus einer
5 […] Studie der Universitäten Greifswald und Lübeck hervor. Die Drogenbeauftragte der
Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), stellte die Erhebung am Montag vor. Weitere
2,5 Millionen Menschen gelten als gefährdet 2. Das entspricht einer Quote von einem
beziehungsweise knapp fünf Prozent. Bei Jugendlichen ist die Internetabhängigkeit stärker
anzutreffen als bei Älteren. 16 Prozent von ihnen wird eine problematische Internetnutzung
10 unterstellt, vier Prozent sogar eine Sucht. Im Rahmen der Studie wurden 15.023 Personen in
ganz Deutschland telefonisch befragt.
Eine wissenschaftliche Definition von Internetsucht gibt es zwar nicht. Die Folgen seien aber
vergleichbar mit denen von Alkohol- und Drogensucht, sagte Studienleiter Hans-Jürgen
Rumpf von der Universität Lübeck. Nach der Definition in der Erhebung verbringen
15 Abhängige mehr als vier Stunden täglich im Internet, vernachlässigen reale soziale Kontakte 3
oder verlieren die Kontrolle über die Zeit, die sie im Internet verbringen.
Überraschenderweise sind in der Altersgruppe der 14- bis 16-Jährigen fünfzig Prozent mehr
Mädchen als Jungen betroffen. Fast jedes fünfte Mädchen in dieser Gruppe ist laut Studie
gefährdet. Das kann vor allem daran liegen, dass drei von vier der weiblichen Teilnehmer
20 sagten, ihre Hauptbeschäftigung im Internet sei das Surfen auf sozialen Netzwerken 4. Es wird
vermutet, dass Mädchen und junge Frauen besonders empfänglich sind für die Bestätigungen 5,
die sie in diesen Netzwerken finden.
Die männlichen Teilnehmer der Studie nutzten auch überwiegend soziale Netzwerke, aber
jeder Dritte von ihnen gab an, hauptsächlich online am Computer zu spielen. Besonders die
25 schweren Fälle von Internetabhängigkeit sind bei Onlinerollenspielenden zu finden, die am
Ende sogar ihre Körperhygiene vernachlässigen 6. Zu diesen Rollenspielen zählen zum
Beispiel World of Warcraft. Die Betroffenen leben häufig nur noch in einer virtuellen 7
Realität leben. Sie gehen teilweise nicht mehr zur Schule oder zur Arbeit.
Eine Behandlung ist nicht ohne weiteres möglich. Sehr viele Menschen seien heute auch
30 beruflich auf das Internet angewiesen, sagte Suchtforscher Rumpf. Ihnen müsse geholfen
werden, die Onlinenutzung zurückzufahren oder manche Seiten von sozialen Netzwerken zu
sperren. Bei Online-Computerspielsüchtigen sei Abstinenz 8 das beste Mittel.
Dyckmans möchte erreichen, dass die Suchtgefährdung in der Altersbewertung von
Computerspielen mit aufgenommen wird. Bisher gibt es nur eine Broschüre für Eltern
35 betroffener Kinder. Um sich über die Sucht zu informieren, möchte die Drogenbeauftragte
demnächst ein Portal starten - im Internet.
taz – Die Tageszeitung vom 27.9.11

1
die Dosis = eine bestimmte Menge (z.B. die Menge an Tabletten, die man nehmen muss, wenn man krank ist)
2
gefährdet = Sie sind noch nicht internetsüchtig, aber es besteht die Gefahr, dass sie internetsüchtig werden
3
reale soziale Kontakte = Treffen mit echten Menschen in der wirklichen Welt, nicht nur am Computer
5 4
soziales Netzwerk = z.B. Facebook oder Instagram
5
die Bestätigung = die Anerkennung für etwas
6
ihre Körperhygiene vernachlässigen = sich nicht mehr waschen
7
virtuell = am Computer
8
Abstinenz = auf etwas verzichten. Alkoholabstinenzler trinken z.B. keinen Alkohol

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