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S2 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie

Band 1 Behandlungsleitlinie Persönlichkeitsstörungen


Beteiligte Fachgesellschaften
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für
Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie
(DGPM), Deutsches Kollegium für Psychosomatische
Medizin (DKPM), Deutsche Gesellschaft für Psychologie
(DGP) Fachgruppe Klinische Psychologie und Psycho-
therapie, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugend-
psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)

S2 Praxisleitlinien in Psychiatrie
und Psychotherapie
Redaktion: W. Gaebel, P. Falkai

BAND 1
Behandlungsleitlinie
Persönlichkeitsstörungen
Expertenkomitee
Martin Bohus, Peter Buchheim, Stephan Doering, Sabine C. Herpertz,
Hans-Peter Kapfhammer, Michael Linden, Rüdiger Müller-Isberner,
Babette Renneberg, Franz Resch, Henning Saß, Bernt Schmitz,
Ulrich Schweiger, Wolfgang Tress
Weitere Mitarbeiter
Sabine Eucker, Viola Habermeyer, Max Rotter
Federführung
Sabine C. Herpertz (DGPPN)
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie
und Nervenheilkunde – DGPPN

AWMF Register Nr. 038/015

ISBN 978-3-7985-1853-7 Steinkopff Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio-
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pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts-
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www.steinkopff.com
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überprüft werden.
Redaktion: Dr. Annette Gasser Herstellung: Klemens Schwind
Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg
Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden
SPIN 12519941 85/7231-5 4 3 2 1 0 – Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort

Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli-


chen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wurden in den
Jahren 2004 bis 2007 S2-Leitlinien für die Diagnostik und Be-
handlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen entwi-
ckelt. Auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) wurde ein
Expertenkomitee gebildet, an dem sich neben der DGPPN fol-
gende Fachgesellschaften beteiligten: die Deutsche Gesellschaft
für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie
(DGPM), das Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medi-
zin (DKPM), die Fachgruppe Klinische Psychologie und Psy-
chotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP)
sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsy-
chiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP); alle diese
beteiligten Gesellschaften entsandten Delegierte in das Exper-
tengremium. Alle Leitlinien wurden über insgesamt sechs Kon-
sensuskonferenzen systematisch erarbeitet und schließlich kon-
sentiert.
Ziel dieser Leitlinien ist die Beschreibung des aktuellen
Stands in der Diagnostik und Behandlung von Patientinnen
und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen.
Die Leitlinien sind bestimmt für Ärzte und Psychologen, die
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen behandeln, und dienen
der Qualitätssicherung in der Medizin und Psychotherapie.
Die Leitlinien wollen folgende Fragen beantworten:
z Was sind notwendige diagnostische Maßnahmen?
z Was sind empirisch begründete, d. h. wirkungsvolle Maßnah-
men?
z Was kann aus klinischer Erfahrung nützlich sein?
Sowohl für die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im
Allgemeinen als auch spezifischer Persönlichkeitsstörungen im
Besonderen wurde großer Wert darauf gelegt, zunächst über die
Therapieschulen hinweg empirisch begründete oder – wo feh-
lend – im Konsensusprozess entwickelte therapeutische Inter-
ventionen darzustellen. Daran schließt sich die Erläuterung
schulenspezifischer Veränderungsstrategien an.
VI z Vorwort

Für die Bewertung der Wirksamkeit bei Patienten mit Persön-


lichkeitsstörungen zur Anwendung kommender psychotherapeu-
tischer und psychopharmakologischer Interventionen wurde die
Evidenzgradeinteilung für Klinische Studien in Anlehnung an
Chambless & Hollon (1998), Segal et al. (2001) und die Ärztliche
Zentralstelle für Qualitätssicherung (2003) verwandt. Wo diese
nicht vorhanden waren oder nicht eruiert werden konnten, wur-
den auf der klinischen Erfahrung der beteiligten Experten beru-
hende Empfehlungen im Konsensusprozess entwickelt und ent-
sprechend gekennzeichnet (Evidenzgrad IV).

Evidenz- Evidenzbasis Beurteilung


grad
Ia Metaanalyse(n) über mehrere randomisierte, (I) wirksam
kontrollierte Studien
Ib Mindestens zwei randomisierte, kontrollierte
Studien (RCT) aus unabhängigen Gruppen
II a Eine randomisierte, kontrollierte Studie (II) möglicherweise
(RCT) wirksam
II b Serie von gut angelegten quasi-experimen-
tellen Studien (Effectiveness-Studien,
prospektive Kohortenstudien, Fallkontroll-
studien, experimentelle Einzelfallstudien)
III Nicht-experimentelle oder deskriptive (III) und (IV) bislang
Studien (Ein-Gruppen-Prä-Post-Vergleiche, ohne ausreichende
Korrelationsstudien) Nachweise
IV Unsystematische Einzelfallstudien,
Kasuistiken, Experten, Konsensuskonferenzen,
klinische Erfahrung

Es ist zu betonen, dass auf dem Gebiet der Persönlichkeitsstö-


rungen empirisch abgesicherte Therapieempfehlungen für drei
Störungen vorliegen, und zwar die Borderline-, die antisoziale
und die ängstliche (vermeidende) Störung. Die Empfehlungen
zur Behandlung der anderen Störungen basieren wegen weit-
gehend fehlender Wirksamkeitsstudien überwiegend auf der
klinischen Erfahrung der beteiligten Experten oder anderer
veröffentlichter Expertenmeinungen.
Ausgangspunkt für die Leitlinien war eine intensive Literaturre-
cherche, wobei die Datenbanken PUBMED und MEDLINE ver-
wandt wurden und auch veröffentlichte systematische Über-
sichtsarbeiten und Metaanalysen u. a. von der Cochrane Library
berücksichtigt wurden.
Vorwort z VII

Folgende Experten der oben genannten Fachgesellschaften


(z. T. Mehrfachmitgliedschaften) waren beteiligt:
Martin Bohus, Peter Buchheim, Stephan Doering,
Sabine C. Herpertz, Hans-Peter Kapfhammer, Michael Linden,
Rüdiger Müller-Isberner, Babette Renneberg, Franz Resch,
Henning Saß, Bernt Schmitz, Ulrich Schweiger, Wolfgang Tress.

Weitere Mitarbeiter: Sabine Eucker, Viola Habermeyer,


Max Rotter.

Rostock, Oktober 2008 Sabine C. Herpertz


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.1 Einleitung, Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . 4
1.2 Epidemiologie und Prävalenz . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.1 Krankheitsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.2 Geschlechtsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.3 Mortalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3 Biopsychosoziales Ätiologie-Modell
und Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . .......... 7
1.4 Verlauf und Prognose . . . . . . . . . . . .......... 10

2 Diagnostik, Differentialdiagnostik
und Klassifikation der einzelnen
Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1 Allgemeines zu Persönlichkeitsstörungen . . . . . . 11
2.2 Definition von Persönlichkeitsstörungen
(ICD-10 Forschungskriterien) –
Allgemeine Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller
Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10
und DSM-IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.1 Schizotype Störung (ICD-10) oder
Schizotypische Persönlichkeitsstörung (DSM-IV) 13
2.3.2 Paranoide Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . 15
2.3.3 Schizoide Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . . 16
2.3.4 Dissoziale Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . 17
2.3.5 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung . . . . . 18
2.3.6 Histrionische Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . 20
2.3.7 Anankastische Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . 21
2.3.8 Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung 22
2.3.9 Abhängige Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . . . 23
2.3.10 Narzisstische Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . . . 24
2.4 Dimensionale Diagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.5 Diagnostische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
X z Inhaltsverzeichnis

2.6 Differentialdiagnostische Abgrenzung . . . . . . . . 29


2.7 Komorbidität (Co-occurence) . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.7.1 Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen
mit anderen Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . 36
2.7.2 Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen
mit Achse-I-Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.8 Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen
und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen
auf die allgemeinmedizinische Behandlung . . . . 36

3 Allgemeines zur Therapie


von Persönlichkeitsstörungen . . . . .. . . . . . . . . . 40
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien . . . . . . . . . . 40
3.1.1 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 40
3.1.2 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 56
3.1.3 Kombination von Psychotherapie
und Psychopharmakotherapie . . . . ........... 59
3.1.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . ........... 59
3.1.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . ........... 60

4 Behandlungsprinzipien
bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen .... 61
4.1 Behandlungsprinzipien
bei Schizotypischer Persönlichkeitsstörung . . . . 61
4.1.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.1.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.1.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.1.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.1.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.1.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 65
4.2 Behandlungsprinzipien
bei Paranoider Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . 66
4.2.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.2.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.2.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.2.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.2.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.2.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 69
4.3 Behandlungsprinzipien
bei Schizoider Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . 70
4.3.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.3.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.3.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.3.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.3.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 74
Inhaltsverzeichnis z XI

4.4 Behandlungsprinzipien
bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . 74
4.4.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.4.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
4.4.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.4.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.4.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.4.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 83
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler
bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung . . . . . . . 84
4.5.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.5.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
4.5.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
4.5.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.5.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.5.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 106
4.6 Behandlungsprinzipien
bei Histrionischer Persönlichkeitsstörung . . . . . 107
4.6.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.6.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
4.6.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.6.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.6.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.6.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . 112
4.7 Behandlungsprinzipien
bei Anankastischer Persönlichkeitsstörung . . . . . 112
4.7.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
4.7.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4.7.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
4.7.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.7.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.7.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 116
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher
(vermeidender) Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . 116
4.8.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.8.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4.8.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
4.8.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4.8.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4.8.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 127
4.9 Behandlungsprinzipien
bei Abhängiger Persönlichkeitsstörung . . . . . . . . 128
4.9.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
4.9.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
4.9.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
4.9.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
XII z Inhaltsverzeichnis

4.9.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... 131


4.9.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . ...... 131
4.10 Behandlungsprinzipien
bei Narzisstischer Persönlichkeitsstörung . . . . . . 131
4.10.1 Klinische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.10.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
4.10.3 Psychopharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.10.4 Behandlungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.10.5 Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
4.10.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 136

5 Sozialmedizinische und rechtliche Aspekte


von Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . ... 137
5.1 Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit . . . . . . . . . ... 137
5.2 Minderung der Erwerbsfähigkeit
und Grad der Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
5.3 Strafrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
5.3.1 Schuldfähigkeit bei Persönlichkeitsstörungen . . . 141
5.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . 145

6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte


von Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . 146
6.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
6.2 Stabilität der Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
6.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
6.4 Häufigkeit und Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . 151
6.5 Zusammenhänge von Persönlichkeitsstörungen
und Achse-I-Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
6.6 Entwicklungswege spezifischer
Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
6.7 Therapieangebote im Kindes- und Jugendalter . . 154
6.7.1 Reduktion dysfunktionaler elterlicher Einflüsse . . 154
6.7.2 Verbesserung von positiven Beziehungsaspekten . 154
6.7.3 Verbesserung der Selbstkontrolle
in Aufmerksamkeit und Affekt . . . . . . . . . . . . . . 155
6.7.4 Verbesserung der Selbstreflexion
und Mentalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
6.7.5 Stärkung von Selbstwert und Identität . . . . . . . . 155
6.7.6 Reduktion von Risikoverhalten . . . . . . . . . . . . . . 155
6.7.7 Evidenzbasierte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 156
6.7.8 Spezifische Interventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
6.8 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . 158

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
Zusammenfassung

Diagnostik
z Beim klinischen Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung wird die
Durchführung eines halbstrukturierten klinischen Interviews wie das In-
ternational Personality Disorder Examination (IPDE) oder das Struktu-
rierte Klinische Interview zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
(SKID-II) empfohlen. Dimensionale Persönlichkeitsfaktoren, die ergän-
zend zur kategorialen Diagnostik zu erheben sind, können auf der Grund-
lage von Selbstbeurteilungsinstrumenten reliabel und valide beschrieben
werden.
z Persönlichkeitsstörungsdiagnosen sind vor Abschluss der mittleren Ado-
leszenz, also etwa dem 14. Lebensjahr, nicht mit ausreichender Sicher-
heit zu stellen. Bei der adoleszenten Altersgruppe ist in besonderer Wei-
se darauf zu achten, dass dysfunktionale Persönlichkeitszüge stabil seit
der Kindheit oder frühen Jugend situationsübergreifend aufgetreten sind.
Die Diagnose einer Dissozialen (Antisozialen) Persönlichkeitsstörung
sollte nicht vor dem 18. Lebensjahr gestellt werden.
z Abgesehen von der Dissozialen (Antisozialen) Persönlichkeitsstörung sind
Geschlechtsunterschiede bei weiteren Persönlichkeitsstörungen nicht hin-
reichend gesichert. Ein unter Klinikern verbreiterter Geschlechtsbias for-
dert zu einer sorgfältigen Diagnostik auf.

Therapie

z Persönlichkeitsstörungen im Allgemeinen
z Psychotherapeutische Verfahren gelten derzeit als Methode der Wahl zur
Behandlung von Persönlichkeitsstörungen.
z Die Behandlungsplanung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen be-
rücksichtigt jenseits der spezifischen psychotherapeutischen Methode eine
Hierarchisierung der Behandlungsziele sowie eine detaillierte Problem-
analyse unter Berücksichtigung der Erhebung externer Bedingungen, ak-
zentuierter Wahrnehmungen und Interpretationen, akzentuierter Denk-,
Erlebens- und Beziehungsmuster, akzentuierter Handlungstendenzen, ma-
nifester Verhaltens- und Interaktionsmuster und schließlich die Analyse
spezifischer Reaktionen des sozialen Umfeldes.
2 z Zusammenfassung

z Es wird empfohlen, die Diagnose, eingebettet in ein psychoedukatives


Vorgehen und ein sinnstiftendes Erklärungsmodell, unter Bezugnahme
auf die biographische Entwicklung mit dem Patienten zu kommunizie-
ren.
z Zu Behandlungsbeginn ist die therapeutische Beziehung komplementär
zu gestalten, d. h. der Therapeut passt sich an biographisch geprägte Be-
ziehungserwartungen des Patienten an. Im weiteren Verlauf sind dys-
funktionale Erwartungen nach und nach zu irritieren und zu neuen Er-
fahrungen anzuregen. In einer dialektischen Dynamik zwischen akzep-
tierender Wertschätzung und Irritationen von Selbstbild und erwarteten
Interaktionsmustern liegt ein wesentlicher Schlüssel zu einer erfolgrei-
chen Behandlung.
z Alle pharmakologischen Behandlungsversuche, die auf die Coupierung
einer krisenhaften Zuspitzung, auf Komorbidität als auch auf die Be-
handlung von besonders dysfunktionalen Persönlichkeitsmerkmalen ab-
zielen können, erfolgen „off-label“ (d. h. ohne Zulassung für diese Indi-
kation). Sie sind stets mit Psychotherapie zu kombinieren. „Off-label“ er-
folgen Behandlungen nur dann nicht, wenn die komorbide Störung die
Hauptindikation darstellt.
z Für die Früherkennung und kompetente Diagnostizierung von maladap-
tiven Verhaltensweisen und dysfunktionalen Formen der Erlebnisver-
arbeitung ist es notwendig, Entwicklungsstörungen der Persönlichkeit
bereits im Kindes- und Jugendalter festzustellen, um gezielte therapeuti-
sche Interventionen rechtzeitig zu ermöglichen.

z Spezifische Persönlichkeitsstörungen
z Für die Dissoziale, die Borderline- und die Ängstliche (Vermeidende)
Persönlichkeitsstörung liegen manualisierte störungsspezifische Psycho-
therapiekonzepte vor. Diese maßgeschneiderten Therapien stellen sich
bei diesen Störungen als überlegen gegenüber unspezifischen Verfahren
dar.
z Für die Borderline-Persönlichkeitsstörung liegen derzeit vier störungs-
spezifische Verfahren mit empirisch belegten Hinweisen auf Wirksamkeit
vor: die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), die Mentalisierungs-
basierte Therapie (MBT), die Schematherapie bzw. Schema-fokussierte
Therapie (SFT) und die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP).
Medikamentös ist für selektive Wiederaufnahmehemmer von einer mög-
lichen Wirksamkeit auf Angst, Depression und Stimmungsschwankungen
sowie für atypische Neuroleptika und Stimmungsstabilisatoren auf feind-
selige Affekte, Ärger, Impulsivität, Aggressivität und Depressivität auszu-
gehen.
z Für die dissoziale Persönlichkeitsstörung liegt breite empirische Evidenz
vor, dass das Kernmerkmal, das kriminelle Verhalten, wirksam behan-
delt werden kann, wenn man den drei Prinzipien der Straftäterbehand-
lung Risikoprinzip, Ansprechbarkeitsprinzip und Bedürfnisprinzip folgt.
Empirisch belegte Wirksamkeit liegt z. B. für das am weitesten verbreite-
Therapie z 3

te kognitiv-behaviorale Programmpaket „Reasoning and Rehabilitation-


Program“ (R&R-Programm) sowie für das aus der Suchtbehandlung
kommende Rückfall-Vermeidungsmodell vor.
z Bei der Ängstlichen (Vermeidenden) Persönlichkeitsstörung sind Verbes-
serungen hinsichtlich der Selbstunsicherheit, Angst vor negativer Bewer-
tung, Vermeidung und Depressivität bei Anwendung einer störungsspe-
zifischen kognitiv-behavioralen Behandlung zu erwarten. Empirische Be-
lege für Wirksamkeit finden sich auch bei der interpersonalen Therapie
sowie bei der psychodynamischen Therapie. Pharmakologisch kann der
Nachweis der Wirksamkeit von Selektiven Wiederaufnahmehemmern, ir-
reversiblen und reversiblen Monoamino-Oxidase-Inhibitoren sowie von
dual wirksamen Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern bei
der Generalisierten Sozialen Phobie mit Einschränkung auf die Ängst-
liche (Vermeidende) Persönlichkeitsstörung übertragen werden.
1 Grundlagen

1.1 Einleitung, Begriffsbestimmung


Die Klassifikationssysteme DSM-IV und ICD-10 sprechen von einer Persön-
lichkeitsstörung, wenn bei einer Person bestimmte Verhaltens-, Gefühls-
und Denkmuster vorhanden sind, die merklich von den Erwartungen der
soziokulturellen Umgebung abweichen und sich in einem breiten Spektrum
sozialer und persönlicher Situationen bemerkbar machen. Dabei sind die
Persönlichkeitszüge überdauernd vorhanden, unflexibel und wenig ange-
passt und führen in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beein-
trächtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktions-
bereichen. Andere Konzeptionen von Persönlichkeitsstörungen umgehen
den auch heute noch zum Teil pejorativ erlebten Störungsbegriff und spre-
chen von dysfunktionalen Persönlichkeits- und Verhaltensstilen (Schmitz et
al. 2001).
Wiederholt im Leben unter verschiedenen Umständen auftretende mal-
adaptive zwischenmenschliche Verhaltensmuster, die das soziale Funktions-
niveau und die Lebensqualität der Person beeinträchtigen, sollten an eine
Persönlichkeitsstörung denken lassen und die entsprechende Diagnostik
veranlassen. Die sozialen Folgen können vielfältig sein, sich in mangelnder
Beziehungsfähigkeit und Isolation oder in konflikthaft und instabil verlau-
fenden Beziehungen ausdrücken oder aber die Balance zwischen Nähe und
Autonomie stören. Dabei kann die Person selbst dieses Muster problema-
tisch und veränderungswürdig erleben oder nicht. Die Bewertung von
Persönlichkeitsmerkmalen als maladaptiv unterliegt gesellschaftlichen und
kulturellen Einflüssen und Veränderungen; so können beispielsweise nar-
zisstische Persönlichkeitszüge in einem hoch-kompetitiven gesellschaft-
lichen Kontext von der sozialen Gruppe als wenig störend erlebt oder
histrionische Persönlichkeitszüge bei Künstlern geradezu als Ausdruck der
Kreativität aufgefasst werden.
Es handelt sich um eine heterogene Störungsgruppe, so dass mit der all-
gemeinen Diagnose einer Persönlichkeitsstörung die Symptomatik noch
nicht ausreichend beschrieben ist. Erforderlich ist eine genauere Fest-
legung, die anhand der spezifischen Subtypen von Persönlichkeitsstörun-
gen erfolgen muss, deren Merkmale in der ICD-10 und im DSM-IV jeweils
aufgelistet sind.
1.2 Epidemiologie und Prävalenz z 5

1.2 Epidemiologie und Prävalenz

Epidemiologische Studien zur Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen in


der Allgemeinbevölkerung zeigen Prävalenzen zwischen 6,7% (Lenzenweger
et al. 1999), 9% (Samuels et al. 2002) und 14,6% (Zimmermann & Coryell
1989) in den Vereinigten Staaten, 13% (Torgersen et al. 2001) in Norwegen
und 4,4% in einer neueren britischen Untersuchung (Coid et al. 2006). Die
einzige in Deutschland durchgeführte epidemiologische Studie weist auf
eine Prävalenz von 9,4% hin (Maier et al. 1992). Unter den psychiatrischen
Patienten liegt die Prävalenz allerdings deutlich höher bei 40–60% (Oldham
et al. 1992, Herpertz et al. 1994). Eine groß angelegte internationale Studie
der WHO (Loranger et al. 1994) erbrachte bei 39,5% der untersuchten psy-
chiatrischen Patienten die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit deut-
lich unterschiedlichen Häufigkeiten in den verschiedenen Subtypen. Die
ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (15,2%) wurde am häu-
figsten diagnostiziert, dem gegenüber wurden die schizoide Persönlich-
keitsstörung (1,8%) und die paranoide Persönlichkeitsstörung (2,4%) selten
gefunden.

1.2.1 Krankheitsbeginn

Wenn man davon ausgeht, dass die Persönlichkeit eines Menschen sich
über Kindheit und Adoleszenz bis ins junge Erwachsenenalter hinein ent-
wickelt, so erscheint die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor Ab-
schluss der mittleren Adoleszenz, d. h. etwa vor dem 14. Lebensjahr, nicht
mit ausreichender Sicherheit stellbar (siehe auch Kapitel 6). Dabei reichen
die Auffälligkeiten des Denkens, Fühlens und Verhaltens bei Menschen mit
Persönlichkeitsstörungen regelmäßig in Kindheit und Adoleszenz zurück.
Für die Diagnose nach ICD-10 wird der Nachweis gefordert, dass die ab-
weichenden inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster erstmals in Kind-
heit oder Jugend situationsübergreifend aufgetreten sein müssen und zu
deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen führen müssen. Das DSM-IV gibt
hierzu konkretere Informationen dahingehend, dass Persönlichkeitszüge
mindestens ein Jahr andauern müssen, bevor bei einer Person unter 18 Jah-
ren eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden kann. Die Diagnose
einer dissozialen (antisozialen) Persönlichkeitsstörung ist eine Ausnahme,
sie darf vor dem Alter von 18 Jahren nicht gestellt werden. In empirischen
Studien an Kindern und Adoleszenten in der Allgemeinbevölkerung werden
höhere Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen angegeben als bei Er-
wachsenen. In Feldstudien lassen sich Persönlichkeitsstörungen bei 15–20%
aller 11- bis 17-Jährigen nachweisen (Johnson et al. 2000 a). Ähnlich wie
bei den Erwachsenen liegen bei psychiatrisch behandelten Jugendlichen die
Häufigkeiten komorbider Persönlichkeitsstörungen bei 50–60% (Becker
6 z 1 Grundlagen

et al. 1999). Im Entwicklungsverlauf fallen die Prävalenzraten zwischen


14-Jährigen und jungen Erwachsenen deutlich ab (Johnson et al. 2000 a),
d. h. jungen Erwachsenen fällt die Anpassung an gesellschaftliche Normen
leichter als Jugendlichen. In kritischen Lebensphasen, wie Pubertät und
Adoleszenz, in denen es um das Erringen von Autonomie, um Selbstfin-
dung und den Entwurf eines Lebenszieles geht, zeigen manche junge Men-
schen Persönlichkeitsakzentuierungen, z. B. im Sinne einer narzisstischen
Durchgangsphase, die aber bei erfolgreicher Bewältigung des erforderli-
chen Entwicklungsschrittes wieder zurückgehen können (Saß 2000).

1.2.2 Geschlechtsverteilung

Das Wissen über das Geschlechterverhältnis bei Persönlichkeitsstörungen


insgesamt ist lückenhaft. Einerseits deuten epidemiologische Untersuchun-
gen auf eine ausgeglichene Verteilung zwischen den Geschlechtern hin
(Torgersen et al. 2000, Maier et al. 1992). Andererseits besteht empirische
Evidenz für ein signifikant häufigeres Vorkommen der Persönlichkeits-
störungen bei Männern (Samuels et al. 2002). Dieser Befund könnte aller-
dings dadurch erklärt werden, dass in der untersuchten Normalpopulation
eine mit 3% recht hohe Rate an antisozialen Persönlichkeitsstörungen ge-
funden wurde, von denen 80% Männer sind. Bei den einzelnen Persönlich-
keitsstörungssubtypen gibt es deutliche Unterschiede im Bezug auf die Ge-
schlechterverteilung. Die Studien zeigen übereinstimmend, dass 80% der
Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung männlich sind (Samuels
et al. 2002, Robbins et al. 1991, APA 1996). Bezüglich der Geschlechtsver-
teilung der Borderline-Persönlichkeitsstörung besteht weiterhin Klärungs-
bedarf. Bis zu 80% der Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im
klinischen Bereich sind weiblich (Paris 2003, Widiger & Weissmann 1991),
allerdings ist diese Persönlichkeitsstörung bei den zumeist männlichen Ge-
fängnisinsassen und Patienten in forensischen Kliniken die zweithäufigste
Persönlichkeitsstörungsdiagnose. So wird bei weiblichen Patientinnen vor-
zugsweise der Borderline-Typus der emotional-instabilen Persönlichkeits-
störung nach ICD-10 diagnostiziert, während bei männlichen Patienten
häufig die impulsive Unterform diagnostiziert wird. Auch bezüglich der
histrionischen und dependenten Persönlichkeitsstörung sind Geschlechts-
differenzen empirisch nicht hinreichend nachgewiesen (Samuels et al. 2002,
Reich 1987, Nestadt et al. 1990, Übersicht bei Herpertz et al. 2006). Bei der
narzisstischen Persönlichkeitsstörung gibt es widersprüchliche Daten. Es
gibt Hinweise für ein Überwiegen des männlichen Geschlechts (APA 1996),
demgegenüber aber auch empirische Evidenz für eine ausgeglichene Vertei-
lung (Torgersen et al. 2000). In Bezug auf die zwanghafte Persönlichkeits-
störung konnte eine epidemiologische Studie (Torgersen et al. 2000) eine
Häufung bei Männern feststellen. Als komorbide Persönlichkeitsstörungs-
diagnose war die zwanghafte Persönlichkeitsstörung jedoch in einer Unter-
suchung an Borderline-Patienten bei beiden Geschlechtern gleich häufig
(Johnson et al. 2003). Insgesamt muss festgehalten werden, dass bezüglich
1.3 Biopsychosoziales Ätiologie-Modell und Risikofaktoren z 7

der Geschlechtsdifferenzierung bei Persönlichkeitsstörungen noch großer


Forschungsbedarf besteht, im klinischen Alltag allerdings ein Geschlechts-
bias bei Diagnostikern verbreitet ist, der durch die Verwendung von klini-
schen Interviews reduziert werden kann.

1.2.3 Mortalität

Abhängig vom Typ der Persönlichkeitsstörung kann das Suizidrisiko bei


Personen mit einer Persönlichkeitsstörung erhöht sein. Die Borderline-
Persönlichkeitsstörung weist zusammen mit der narzisstischen und dis-
sozialen Persönlichkeitsstörung das höchste Suizidrisiko auf. So finden
sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung je nach Studie unterschied-
liche Suizidraten von 4–10% (z. B. Stone et al. 1987, Paris et al. 1989, Zana-
rini et al. 2005), wobei neuere Studien geringere Suizidraten als ältere be-
obachteten (Stone et al. 1987). Die Studie von Stone und Kollegen (1987)
erbrachte bei Patienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung mit 14%
die höchste Suizidrate. Überdies steigt die Suizidrate von Menschen mit
Persönlichkeitsstörungen, wenn komorbid andere psychische Störungen,
wie z. B. affektive Erkrankungen oder Suchterkrankungen vorliegen. Dies
bedingt eine Verdreifachung des Suizidrisikos gegenüber den persönlich-
keitsgestörten Patienten ohne komorbide Diagnosen (Bohus et al. 1999).
Weitere Risikofaktoren, die die Suizidwahrscheinlichkeit erhöhen, sind Im-
pulsivität, männliches Geschlecht, suizidales Verhalten in der Vorgeschichte
und Selbstverletzungen (Kaplan & Sadock 2000).

1.3 Biopsychosoziales Ätiologie-Modell und Risikofaktoren


Entstehung und Ursache von Persönlichkeitsstörungen können aus den un-
terschiedlichsten Richtungen analysiert und beschrieben werden. Gemäß
den psychiatrischen Diagnosesystemen wird ein deskriptiver Diagnose-
ansatz präferiert, der kategorial zwischen einzelnen spezifischen Persön-
lichkeitsstörungen unterscheidet. Aus Sicht der Persönlichkeitspsychologie
stellen Persönlichkeitsstörungen extreme Ausprägungen basaler Persönlich-
keitsdimensionen dar, unterscheiden sich aber nicht qualitativ von norma-
len Persönlichkeiten. Die psychoanalytische Konzeptbildung fasst Persön-
lichkeitsstörungen als strukturelle Störungen mit sowohl einer Identitäts-
problematik als auch Beziehungsschwierigkeiten auf, deren typologische
Stabilität durch die Dominanz bestimmter dynamischer Objektbeziehungs-
themen geprägt wird. In der interpersonellen Sichtweise wird dem zwi-
schenmenschlich-interaktiven Anteil der Persönlichkeitsentwicklung die
zentrale Beachtung geschenkt, wie auch in kognitiv-behavioralen Modellen
Persönlichkeitsstörungen als zwischenmenschliche Interaktionsstörung ver-
standen werden (Fiedler 2001). Vertreter der biosozialen Lerntheorie favori-
8 z 1 Grundlagen

sieren eine multifaktorielle Genese von Persönlichkeitsstörungen, indem


ein Zusammenspiel biologischer, intrapsychischer und umgebungsspezifi-
scher Faktoren als wesentlich postuliert wird (Millon 1969).
Die Studienlage zu psychosozialen Faktoren in der Genese von Persön-
lichkeitsstörungen ist noch unübersichtlich. Zahlreiche Studien verweisen
auf einen bedeutsamen Zusammenhang von traumatischen biographischen
Erfahrungen und der Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung. Es besteht
empirische Evidenz für einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad
einer Persönlichkeitsstörung und dem Ausmaß der traumatischen Erfah-
rungen. In einer Studie an Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung
korrelierte der Schweregrad des kindlichen sexuellen Missbrauchs signifi-
kant mit dem Schweregrad der Affektdysregulation, Impulsivität, instabilen
zwischenmenschlichen Beziehungen und psychosozialer Desintegration
(Zanarini et al. 2002). In klinischen Populationen weisen Patienten mit
Borderline- und schizotypischer Persönlichkeitsstörung häufigere und ge-
walttätigere traumatische Erlebnisse auf. Bei Patienten mit Borderline-
Persönlichkeitsstörung konnten im Vergleich zu Patienten mit anderen
Persönlichkeitsstörungen die höchsten Raten von sexuellem Missbrauch in
Kindheit und im Erwachsenenalter sowie ein früher Beginn der ersten
Traumatisierung nachgewiesen werden (Yen et al. 2002). Es gibt Hinweise
auf spezifische Auswirkungen unterschiedlicher traumatischer Erfahrungen:
In einer Studie an ambulanten Patienten mit allen Persönlichkeitsstörungs-
diagnosen korrelierte sexueller und körperlicher Missbrauch signifikant
mit der antisozialen und paranoiden Persönlichkeitsstörung. Erfahrungen
emotionaler Vernachlässigung, v. a. bei Männern, verwiesen auf ein
erhöhtes Risiko, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zu entwickeln (Bie-
rer et al. 2003).
In der Persönlichkeitsstörungsforschung mehren sich in den letzten Jah-
ren Befunde über neurobiologische und neurophysiologische Dysfunktio-
nen, die zum einen auf genetische Faktoren zurückgeführt werden können,
zum anderen aber auch biologische Folgen traumatischer Beziehungserfah-
rungen darstellen können. Es existiert bisher nur eine einzige Zwillingsstu-
die, welche Konkordanzraten von monozygoten und dizygoten Zwillingen
vergleicht (Torgersen et al. 2000). Sie schätzt die Erblichkeit für die Ge-
samtheit der Persönlichkeitsstörungen mit 0,60 sehr hoch ein, wobei die
Verlässlichkeit der Ergebnisse durch die fehlende Berücksichtigung von
komorbiden Störungen eingeschränkt sein dürfte. Darüber hinaus weisen
Familien- und Zwillingsstudien darauf hin, dass sowohl übergeordnete
Persönlichkeitsfaktoren wie z. B. Extraversion bzw. Introversion sowie Neu-
rotizismus oder Schadensvermeidung erblich determiniert sind (Costa &
McCrae 1990, Cloninger et al. 1994), aber auch klinisch relevante Persön-
lichkeitseigenschaften wie affektive Labilität und soziale Vermeidung schei-
nen einen Teil der genetischen Varianz zu erklären (Jang et al. 2002).
Darüber hinaus konnten in den letzten Jahren bei Persönlichkeitsstörun-
gen Hinweise auf biologische Grundlagen gefunden werden. Zahlreiche
Bildgebungsuntersuchungen weisen bei impulsiven Menschen mit Border-
line- oder antisozialer Persönlichkeitsstörung auf eine präfrontale Dysfunk-
1.3 Biopsychosoziales Ätiologie-Modell und Risikofaktoren z 9

tion hin (Dickman & Meyer 1988, Deckel et al. 1996, White et al. 1994, de
la Fuente et al. 1997, Goyer et al. 1994, Soloff et al. 2000). Beim Abrufen
autobiographischer Erinnerungen bei der Borderline-Persönlichkeits-
störung finden sich Hinweise auf orbitofrontale (Driessen et al. 2004) und
cinguläre Funktionsstörungen (Schmahl et al. 2004). Weiterhin konnte in
Bildgebungsstudien mittels funktioneller Kernspintomographie (fMRT) eine
erhöhte Aktivierung im Bereich der Amygdala beim Betrachten negativer
Bildmotive, aber auch bei Gesichtern insgesamt gefunden werden (Herpertz
et al. 2001, Donegan et al. 2003). Eine aktuelle Studie legt nahe, dass es
sich nicht um eine isolierte Hyperreagibilität der Amygdala, vielmehr um
eine Diskonnektion zwischen Amygdala und präfrontalem, vor allem orbi-
tofrontalem Cortex handelt (New et al. 2007). Strukturelle Bildgebungs-
untersuchungen berichten über Volumenverkleinerungen im Hippocampus,
inkonsistent auch in der Amygdala (Driessen et al. 2000, New et al. 2007,
Tebartz van Elst et al. 2007) sowie über strukturelle Veränderungen der
weißen und grauen Substanz im orbitofrontalen und cingulären Cortex (Te-
bartz van Elst et al. 2003). Als ein weiterer gut abgesicherter Befund ist ei-
ne reduzierte Schmerzsensitivität bei Patienten mit Borderline-Persönlich-
keitsstörung anzusehen. Die Reduktion der Schmerzwahrnehmung ist da-
bei eng mit dem Stresslevel sowie dem Ausmaß an dissoziativer Sympto-
matik korreliert. Auf neuronaler Ebene finden sich entsprechende Aktivi-
tätsänderungen im anterioren cingulären Kortex sowie in der Amygdala
(Schmahl 2006). Dementsprechend wird bei der Borderline-Persönlichkeits-
störung aktuell eine Störung des fronto-limbischen Regelkreises diskutiert.
Weitere Grundlagenforschung auf diesem Gebiet zielte auf die Auswir-
kungen der unterschiedlichen Transmitterfunktionen auf Persönlichkeits-
eigenschaften. Demnach haben emotional reagible Menschen eine hohe
noradrenerge Aktivität, während starker Rückzug mit einer geringeren Ak-
tivität dieses Transmitters einhergeht (Steinberg et al. 1995). Bei impulsiven
persönlichkeitsgestörten Patienten mit auto- oder fremdaggressiven Verhal-
tensweisen konnte in mehreren klinischen Studien eine verminderte seroto-
nerge Aktivität gefunden werden (Simeon et al. 1992, Herpertz et al. 1997,
Virkkunen & Linnoila 1993). Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine
Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, wobei die
exakte Ausprägung dieser Störung noch unklar ist.
Neben den vorgenannten ätiologischen Aspekten gibt es noch andere
Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, eine Persönlichkeits-
störung zu entwickeln: Hierzu zählen u. a. eine positive Familienanamnese
im Hinblick auf Angststörungen, Depression und Suizidalität sowie prä-
und/oder perinatale Komplikationen (Bandelow et al. 2005), wie in einer
Studie an Borderline-Patienten gefunden werden konnte.
10 z 1 Grundlagen

1.4 Verlauf und Prognose


Persönlichkeitsstörungen zeichnen sich per definitionem durch einen rela-
tiv stabilen zeitlichen Verlauf aus. Dennoch ist der Ausprägungsgrad von
Verhaltensauffälligkeiten eng mit situativen Lebensumständen verbunden.
Hierdurch bedingte Veränderungen äußern sich in recht umschriebenen
Reaktionen in den Bereichen Kognition, Affektivität, Beziehungsgestaltung
und Impulskontrolle. Es besteht eine negative Korrelation zwischen Alter
und Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen, d. h. die Prävalenz von Per-
sönlichkeitsstörungen sinkt mit zunehmendem Alter (Johnson et al. 2000,
Robins et al. 1991). Verlaufsstudien der letzten Jahre zeigen eine geringe
Stabilität.
Die 2-Jahres-Stabilität von Persönlichkeitsstörungsdiagnosen wurde bei
40–60% angegeben (Links et al. 1993, Shea et al. 2002). Neueste Ergebnisse
aus einer amerikanischen Langzeitstudie weisen auf eine noch geringere
Stabilität um ca. 40% hin; für die zwanghafte Persönlichkeitsstörung wurde
sogar eine 2-Jahres-Stabilität von nur 20% genannt. Einzelne Kriterien von
Persönlichkeitsstörungen korrelieren zwar hoch über verschiedene Zeit-
punkte, nehmen aber im Verlauf ab (Shea et al. 2002).
Vermutlich sind die Dimensionen des Temperaments wie Neurotizismus
bzw. Schadensvermeidung oder Beharrlichkeit zeitlich stabiler als die
Symptome von Persönlichkeitsstörungen. Zusammenfassend lässt sich fest-
stellen, dass die Stabilität der Persönlichkeitsstörungsdiagnosen sehr viel
geringer ist als es die Definition in den Klassifikationssystemen nahe legt.
Während der Grad der Dysfunktionalität über die Zeit wechselt und von
der Häufigkeit aversiver Lebensereignisse im Verlauf abhängt (Pagano et al.
2004), bleibt die Merkmalskonstellation relativ stabil.
In einer Verlaufsstudie zur Prognose der Borderline-Persönlichkeitsstö-
rung erfüllten 1/3 der Patienten nach 2 Jahren nicht mehr die Kriterien der
Störung, nach 4 Jahren waren es bereits die Hälfte und nach 6 Jahren nahe-
zu 75% (Zanarini et al. 2004). Auch bei den Cluster-C-Persönlichkeits-
störungen deuten Studienergebnisse auf eine nur mittlere bis geringe Stabi-
lität der Störung hin. Symptome wie paranoide Vorstellungen und unge-
wöhnliche Erfahrungen bei der schizotypen Störung, affektive Instabilität,
Wut, Impulsivität und instabile Beziehungen bei der Borderline-Persönlich-
keitsstörung, der Gedanke sozial unzulänglich zu sein, Angst zurückgewie-
sen und nicht gemocht zu werden bei der ängstlichen (vermeidenden)
Persönlichkeitsstörung und Rigidität bei der anankastischen Persönlich-
keitsstörung sind auch nach 2 Jahren noch bei mehr als 50% der Betroffe-
nen vorhanden (McGlashan et al. 2005). Weniger günstig scheint die Prog-
nose von dissozialer und schizotypischer Persönlichkeitsstörung zu sein.
Insgesamt lässt die aktuelle Persönlichkeitsstörungsforschung eine deutlich
bessere Prognose vermuten als allgemein angenommen. Therapiestudien
müssen in der Zukunft zeigen, ob und welche Behandlungsansätze zur Sta-
bilisierung beitragen können.
2 Diagnostik, Differentialdiagnostik
und Klassifikation der einzelnen
Persönlichkeitsstörungen

2.1 Allgemeines zu Persönlichkeitsstörungen


Eine Persönlichkeitsstörung liegt dann vor, wenn ein Mensch auffällige Ver-
haltensweisen und Einstellungen aufweist, die ihn durch ihren Ausprä-
gungsgrad und/oder ihr Zusammenspiel erheblich in seiner Zufriedenheit
und im Erreichen seiner persönlichen Ziele einschränken oder aber, wenn
er sich aufgrund dieser Eigenschaften so verhält, dass er häufig mit ande-
ren Menschen oder mit der Gesellschaft in Konflikt gerät. In der Sympto-
matik können neben Selbstwertproblemen auch eine gestörte Affektregula-
tion, eine mangelnde Impulskontrolle oder auffälliges interpersonelles Ver-
halten führen.
Zur Diagnosestellung müssen zunächst alle allgemeinen Kriterien für ei-
ne Persönlichkeitsstörung erfüllt sein. Es reicht nicht, zunächst pauschal
über alle Persönlichkeitseigenschaften hinweg das Vorhandensein der sog.
G-Kriterien zu prüfen (Bronisch et al. 1995); vielmehr sollten diese bezüg-
lich jedes einzelnen Items kontrolliert werden und vor allem geklärt wer-
den, ob das jeweilige Kriterium situationsübergreifend vorhanden ist und
zu deutlichem Leiden bzw. Funktionsbeeinträchtigungen führt. Die G-Kri-
terien nur pauschal zu prüfen und dann ohne erneute Prüfung der Auswir-
kungen auf das Funktionsniveau die individuellen Gefühls-, Denk- und
Verhaltensmuster einem spezifischen Persönlichkeitsstörungstyp zuzuord-
nen birgt die Gefahr, dass sich die allgemeinen Indikatoren einer Persön-
lichkeitsstörung nicht hinreichend aus der spezifischen Persönlichkeitsstö-
rung ableiten lassen (Mestel et al. 2008).

2.2 Definition von Persönlichkeitsstörungen


(ICD-10 Forschungskriterien) – Allgemeine Kriterien
I) Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungs- und Ver-
haltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt deutlich von kulturell
erwarteten und akzeptierten Vorgaben („Normen“) ab. Diese Abwei-
chung äußert sich in mehr als einem der folgenden Bereiche:
z Kognition (d. h. Wahrnehmung und Interpretation von Dingen, Men-
schen und Ereignissen; Einstellungen und Vorstellungen von sich
und anderen)
12 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

z Affektivität (Variationsbreite, Intensität und Angemessenheit der


emotionalen Ansprechbarkeit und Reaktion)
z Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung
z Die Art des Umgangs mit anderen und die Handhabung zwischen-
menschlicher Beziehungen
II) Die Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende Ver-
halten in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel, un-
angepasst oder auch auf andere Weise unzweckmäßig ist (nicht be-
grenzt auf einen speziellen „triggernden Stimulus“ oder eine be-
stimmte Situation).
III) Persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die soziale Um-
welt oder beides sind deutlich dem unter II) beschriebenen Verhalten
zuzuschreiben.
IV) Nachweis, dass die Abweichung stabil, von langer Dauer ist und im
späten Kindesalter oder der Adoleszenz begonnen hat.
V) Die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die Folge einer
anderen psychischen Störung des Erwachsenenalters erklärt werden,
es können aber episodische oder chronische Zustandsbilder der Kapi-
tel F00 bis F07 neben dieser Störung existieren oder sie überlagern.
VI) Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche Funktions-
störung des Gehirns müssen als mögliche Ursache für die Abweichung
ausgeschlossen werden (falls eine solche Verursachung nachweisbar
ist, soll die Kategorie F07 verwendet werden).

Das DSM-IV ordnet die spezifischen Persönlichkeitsstörungen drei über-


geordneten Clustern zu:
z Cluster A beinhaltet die paranoide, die schizoide und die schizotypische
Persönlichkeitsstörung, die sich durch sonderbares, exzentrisches Ver-
halten auszeichnet. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung aus Clus-
ter A sind misstrauisch und wirken affektarm bis gefühlskalt. Bei ver-
meintlichen Kränkungen und Bedrohung kann die Stimmung rasch in
Wut umschlagen. Sie leben isoliert und haben kaum zwischenmensch-
liche Kontakte.
z Cluster B umfasst die antisoziale, die Borderline-, die histrionische und
die narzisstische Persönlichkeitsstörung, die emotionales, dramatisches
oder launisches Verhalten zeigt. Weitere charakteristische Merkmale sind
Impulsivität, starke Wut und Unfähigkeit, diese zu kontrollieren. Das
Verhalten in Beziehungen ist geprägt von einer Tendenz zur Idealisie-
rung und Entwertung sowie Schwierigkeiten im Umgang mit Nähe und
Distanz. Selbstschädigende und suizidale Verhaltensweisen sind typisch,
bei der narzisstischen und der antisozialen Persönlichkeitsstörung auch
Fremdaggressivität. Gemeinsam liegt allen Persönlichkeitsstörungen die-
ses Clusters ein wenig ausgeprägtes Selbstwertgefühl zugrunde, so dass
bei berechtigter und unberechtigter Kritik Gefühle wie Wut, Scham oder
Demütigung aufkommen.
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 13

z Cluster C subsumiert die vermeidend-selbstunsichere, die dependente


und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung, also die Menschen, die sich
als ängstlich und furchtsam beschreiben lassen. Zentrale Gefühle bei die-
sen Menschen sind neben einer Anspannung und Besorgnis Gefühle von
Hilflosigkeit und Abhängigkeit. Sie sind leicht verletzbar durch Kritik
oder Ablehnung und leiden unter massiven Trennungsängsten. Bei über-
mäßiger Gewissenhaftigkeit sind sie wenig flexibel und tendieren zu
passiver Aggressivität.

Im Folgenden werden die Kriterien für alle Persönlichkeitsstörungen nach


ICD-10 und DSM-IV genannt:

2.3 Symptomatik und Diagnosestellung


aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV

2.3.1 Schizotype Störung (ICD-10)


oder Schizotypische Persönlichkeitsstörung (DSM-IV)

z ICD-10 (F21)
A. Die Betroffenen haben über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren
mindestens vier der folgenden Merkmale entweder ununterbrochen
oder wiederholt gezeigt:

B. Die Betroffenen haben niemals die Kriterien für eine Schizophrenie


(F20) erfüllt.
1. unangepasster und eingeengter Affekt, so dass die Betroffenen kalt
und unnahbar erscheinen,
2. seltsames, exzentrisches oder eigentümliches Verhalten und Erschei-
nung,
3. wenige soziale Bezüge und Tendenz zu sozialem Rückzug,
4. sonderbare Ansichten oder magisches Denken, das das Verhalten be-
einflusst und nicht mit subkulturellen Normen übereinstimmt,
5. Misstrauen und paranoide Vorstellungen,
6. Grübeln ohne inneren Widerstand, oft mit dysmorphophoben, sexu-
ellen oder aggressiven Inhalten,
7. ungewöhnliche Wahrnehmungen, einschließlich Körpergefühlsstörun-
gen, Illusionen, Depersonalisations- oder Derealisationserleben,
8. vages, umständliches metaphorisches, gekünsteltes und oft stereo-
types Denken, das sich in einer seltsamen Sprache oder auf andere
Weise äußert, ohne deutliche Zerfahrenheit,
14 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

9. gelegentliche, vorübergehende quasi-psychotische Episoden mit in-


tensiven Illusionen, akustischen oder anderen Halluzinationen und
wahnähnlichen Inhalten; diese Episoden treten im Allgemeinen
ohne äußere Veranlassung auf.

z DSM-IV (301.22) Schizotypische Persönlichkeitsstörung


A. Ein tiefgreifendes Muster sozialer und zwischenmenschlicher Defizite,
das durch akutes Unbehagen in und mangelnde Fähigkeit zu engen Be-
ziehungen gekennzeichnet ist. Weiterhin treten Verzerrungen der Wahr-
nehmung oder des Denkens und eigentümliches Verhalten auf. Die Stö-
rung beginnt im frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschie-
denen Situationen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen er-
füllt sein:

B. Tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie, einer Affekti-


ven Störung mit Psychotischen Merkmalen, einer anderen Psychoti-
schen Störung oder einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung auf.
1. Beziehungsideen (jedoch kein Beziehungswahn),
2. seltsame Überzeugungen oder magische Denkinhalte, die das Verhal-
ten beeinflussen und nicht mit den Normen der jeweiligen subkul-
turellen Gruppe übereinstimmen (z. B. Aberglaube, Glaube an Hell-
seherei, Telepathie oder an den „sechsten Sinn“; bei Kindern und
Heranwachsenden bizarre Phantasien und Beschäftigungen),
3. ungewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen einschließlich körperbe-
zogener Illusionen,
4. seltsame Denk- und Sprechweise (z. B. vage, umständlich, metapho-
risch, übergenau, stereotyp),
5. Argwohn und paranoide Vorstellungen,
6. inadäquater und eingeschränkter Affekt,
7. Verhalten oder äußere Erscheinung sind seltsam, exzentrisch oder
merkwürdig,
8. Mangel an engen Freunden oder Vertrauten außer Verwandten ersten
Grades,
9. ausgeprägte soziale Angst, die nicht mit zunehmender Vertrautheit
abnimmt und die eher mit paranoiden Befürchtungen als mit negati-
ver Selbstbeurteilung zusammenhängt.
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 15

2.3.2 Paranoide Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.0)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. übertriebene Empfindlichkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzun-
gen,
2. Neigung, dauerhaft Groll zu hegen, d. h. Beleidigungen, Verletzungen
oder Missachtungen werden nicht vergeben,
3. Misstrauen und eine anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen,
indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich
oder verächtlich missdeutet werden,
4. streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen
auf eigenen Rechten,
5. häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue
des Ehe- oder Sexualpartners
6. ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker
Überheblichkeit,
7. häufige Beschäftigung mit unbegründeten Gedanken an „Verschwö-
rungen“ als Erklärungen für Ereignisse in der näheren Umgebung
des Patienten oder der Welt im Allgemeinen.

z DSM-IV (301.00)
A. Tiefgreifendes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen, so dass
deren Motive als böswillig ausgelegt werden. Der Beginn liegt im
frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen.
Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

B. Tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie, einer Affekti-


ven Störung mit Psychotischen Merkmalen oder einer anderen Psycho-
tischen Störung auf und geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung
eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück.
1. verdächtigt andere ohne hinreichenden Grund, ihn/sie auszunutzen,
zu schädigen oder zu täuschen,
2. ist stark eingenommen von ungerechtfertigten Zweifeln an der Loya-
lität und Vertrauenswürdigkeit von Freunden oder Partnern,
3. vertraut sich nur zögernd anderen Menschen an, aus ungerechtfer-
tigter Angst, die Informationen könnten in böswilliger Weise gegen
ihn/sie verwandt werden,
4. liest in harmlose Bemerkungen oder Vorkommnisse eine versteckte,
abwertende oder bedrohliche Bedeutung hinein,
16 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

5. ist lange nachtragend, d. h. verzeiht Kränkungen, Verletzungen oder


Herabsetzungen nicht,
6. nimmt Angriffe auf die eigene Person oder das Ansehen wahr, die
anderen nicht so vorkommen und reagiert schnell zornig oder star-
tet rasch einen Gegenangriff,
7. verdächtigt wiederholt ohne jede Berechtigung den Ehe- oder Sexual-
partner der Untreue.

2.3.3 Schizoide Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.1)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. wenn überhaupt, dann bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude,
2. emotionale Kühle, Distanziertheit oder abgeflachte Affektivität,
3. reduzierte Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle für andere oder Ärger
auszudrücken,
4. erscheint gleichgültig gegenüber Lob oder Kritik von anderen,
5. wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem anderen Men-
schen (unter Berücksichtigung des Alters),
6. fast immer Bevorzugung von Aktivitäten, die alleine durchzuführen
sind,
7. übermäßige Inanspruchnahme durch Fantasien und Introvertiertheit,
8. hat keine oder wünscht keine engen Freunde oder vertrauensvollen
Beziehungen (oder höchstens eine),
9. deutlich mangelhaftes Gespür für geltende soziale Normen und Kon-
ventionen; wenn sie nicht befolgt werden, geschieht das unabsicht-
lich.

z DSM-IV (301.20)
A. Ein tiefgreifendes Muster, das durch Distanziertheit in sozialen Bezie-
hungen und eine eingeschränkte Bandbreite des Gefühlsausdruckes im
zwischenmenschlichen Bereich gekennzeichnet ist. Die Störung beginnt
im frühen Erwachsenenalter und tritt in den verschiedensten Situatio-
nen auf. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

B. Tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie, einer Affek-


tiven Störung mit psychotischen Merkmalen, einer anderen psychoti-
schen Störung oder einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung auf und
geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung eines medizinischen
Krankheitsfaktors zurück.
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 17

1. hat weder den Wunsch nach engen Beziehungen noch Freude daran,
einschließlich der Tatsache, Teil einer Familie zu sein,
2. wählt fast immer einzelgängerische Unternehmungen,
3. hat, wenn überhaupt, wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit
einem anderen Menschen,
4. wenn überhaupt, dann bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude,
5. hat keine engen Freunde oder Vertraute, außer Verwandten ersten
Grades,
6. erscheint gleichgültig gegenüber Lob und Kritik von Seiten anderer,
7. zeigt emotionale Kälte, Distanziertheit oder eingeschränkte Affektivi-
tät.

2.3.4 Dissoziale Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.2)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer,
2. deutliche und andauernde verantwortungslose Haltung und Missach-
tung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen,
3. Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehungen, obwohl
keine Schwierigkeit besteht, sie einzugehen,
4. sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressi-
ves, einschließlich gewalttätiges Verhalten,
5. fehlendes Schuldbewusstsein oder Unfähigkeit, aus negativer Erfah-
rung, insbesondere Bestrafung, zu lernen,
6. deutliche Neigung, andere zu beschuldigen oder plausible Rationali-
sierungen anzubieten für das Verhalten, durch welches die Betreffen-
den in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten sind.

z DSM-IV (301.7) Antisoziale Persönlichkeitsstörung


A. Es besteht ein tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung
der Rechte anderer, das seit dem 15. Lebensjahr auftritt. Mindestens
drei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

B. Die Person ist mindestens 18 Jahre alt.

C. Eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des 15.
Lebensjahres erkennbar.
18 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

D. Das antisoziale Verhalten tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer


Schizophrenie oder einer manischen Episode auf.
1. Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftli-
chen Normen anzupassen, was sich in wiederholtem Begehen von
Handlungen äußert, die einen Grund für eine Festnahme darstellen,
2. Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Deck-
namen oder dem Betrügen anderer zum persönlichen Vorteil oder Ver-
gnügen äußert,
3. Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen,
4. Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien
oder Überfällen äußert,
5. rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicher-
heit anderer,
6. durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich im wiederholten Ver-
sagen zeigt, eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen
Verpflichtungen nachzukommen,
7. fehlende Reue, die sich in Gleichgültigkeit oder Rationalisierung äu-
ßert, wenn die Person andere Menschen gekränkt, misshandelt oder
bestohlen hat.

2.3.5 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.3)
ICD-10 (F60.30) Impulsiver Typus

A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen


erfüllt sein.

B. Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen (darunter 2.):
1. deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Kon-
sequenzen zu handeln,
2. deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor
allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt
werden,
3. Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur
Kontrolle explosiven Verhaltens,
4. Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht un-
mittelbar belohnt werden,
5. unbeständige und launische Stimmung.
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 19

ICD-10 (F60.31) Borderline-Typus


A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.
B. Mindestens drei der oben unter F60.30 B erwähnten Kriterien müssen
vorliegen und zusätzlich mindestens zwei der folgenden Eigenschaften
und Verhaltensweisen:
1. Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und „inne-
ren Präferenzen“ (einschließlich sexueller),
2. Neigung, sich in intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen,
oft mit der Folge von emotionalen Krisen,
3. übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden,
4. wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung,
5. anhaltende Gefühle von Leere.

z DSM-IV (301.83) Borderline-Persönlichkeitsstörung


Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Bezie-
hungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivi-
tät. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und manifestiert sich in
den verschiedenen Lebensbereichen. Mindestens fünf der folgenden Krite-
rien müssen erfüllt sein:
1. verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden
zu vermeiden. Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverlet-
zenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind.
2. Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehun-
gen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung
und Entwertung gekennzeichnet ist.
3. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbst-
bildes oder der Selbstwahrnehmung.
4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen
(Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren,
„Fressanfälle“). Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverlet-
zenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind.
5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -dro-
hungen oder Selbstverletzungsverhalten.
6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stim-
mung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst,
wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten
mehr als einige Tage andauern).
7. Chronische Gefühle von Leere.
8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrol-
lieren (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte kör-
perliche Auseinandersetzungen).
9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen
oder schwere dissoziative Symptome.
20 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

2.3.6 Histrionische Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.4)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. dramatische Selbstdarstellung, theatralisches Auftreten oder übertrie-
bener Ausdruck von Gefühlen,
2. Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere oder durch Er-
eignisse (Umstände),
3. oberflächliche, labile Affekte,
4. ständige Suche nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in de-
nen die Betreffenden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen,
5. unangemessen verführerisch in Erscheinung und Verhalten,
6. übermäßige Beschäftigung damit, äußerlich attraktiv zu erscheinen.

z DSM-IV (301.50)
Ein tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder Strebens nach
Aufmerksamkeit. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die
Störung zeigt sich in verschiedenen Situationen. Mindestens fünf der fol-
genden Kriterien müssen erfüllt sein:
1. fühlt sich unwohl in Situationen, in denen er/sie nicht im Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit steht,
2. die Interaktion mit anderen ist oft durch ein unangemessen sexuell
verführerisches oder provokantes Verhalten charakterisiert,
3. zeigt rasch wechselnden und oberflächlichen Gesichtsausdruck,
4. setzt durchweg seine körperliche Erscheinung ein, um die Aufmerksam-
keit auf sich zu lenken,
5. hat einen übertriebenen impressionistischen, wenig detaillierten Sprach-
stil,
6. zeigt Selbstdramatisierung, Theatralik und übertriebenen Gefühlsaus-
druck,
7. ist suggestibel, d. h. leicht beeinflussbar durch andere Personen oder
Umstände,
8. fasst Beziehungen enger auf, als sie tatsächlich sind.
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 21

2.3.7 Anankastische Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.5)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. Gefühle von starkem Zweifel und übermäßiger Vorsicht,
2. ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisa-
tion oder Plänen,
3. Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert,
4. übermäßige Gewissenhaftigkeit und Skrupelhaftigkeit,
5. unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung oder
bis zum Verzicht auf Vergnügen und zwischenmenschliche Beziehun-
gen,
6. übertriebene Pedanterie und Befolgung sozialer Konventionen,
7. Rigidität und Eigensinn,
8. unbegründetes Bestehen darauf, dass andere sich exakt den eigenen
Gewohnheiten unterordnen oder unbegründete Abneigung dagegen, an-
dere etwas machen zu lassen.

z DSM-IV (301.4) Zwanghafte Persönlichkeitsstörung


Ein tiefgreifendes Muster von starker Beschäftigung mit Ordnung, Perfek-
tion und psychischer sowie zwischenmenschlicher Kontrolle auf Kosten
von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz. Die Störung beginnt im
frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen. Min-
destens vier der folgenden Kriterien müssen zutreffen:
1. beschäftigt sich übermäßig mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Orga-
nisation oder Plänen, so dass der wesentliche Gesichtspunkt der Akti-
vität dabei verloren geht,
2. zeigt einen Perfektionismus, der die Aufgabenerfüllung behindert (z. B.
kann ein Vorhaben nicht beendet werden, da die eigenen überstrengen
Normen nicht erfüllt werden),
3. verschreibt sich übermäßig der Arbeit und Produktivität unter Aus-
schluss von Freizeitaktivitäten und Freundschaften (nicht auf offensicht-
liche finanzielle Notwendigkeit zurückzuführen),
4. ist übermäßig gewissenhaft, skrupellos und rigide in Fragen von Moral,
Ethik und Werten (nicht auf kulturelle und religiöse Orientierung zu-
rückzuführen),
5. ist nicht in der Lage, verschlissene oder wertlose Dinge wegzuwerfen,
selbst wenn sie nicht einmal Gefühlswert besitzen,
6. delegiert nur widerwillig Aufgaben an andere oder arbeitet nur ungern
mit anderen zusammen, wenn diese nicht genau die eigene Arbeitsweise
übernehmen,
22 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

7. ist geizig sich selbst und anderen gegenüber; Geld muss im Hinblick
auf befürchtete künftige Katastrophen gehortet werden,
8. zeigt Rigidität und Halsstarrigkeit.

2.3.8 Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.6)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgt-
heit,
2. Überzeugung, selbst sozial unbeholfen, unattraktiv oder minderwer-
tig im Vergleich mit anderen zu sein,
3. übertriebene Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt
zu werden,
4. persönliche Kontakte nur, wenn Sicherheit besteht, gemocht zu wer-
den,
5. eingeschränkter Lebensstil wegen der Bedürfnisse nach körperlicher
Sicherheit,
6. Vermeidung beruflicher oder sozialer Aktivitäten, die intensiven zwi-
schenmenschlichen Kontakt bedingen, aus Furcht vor Kritik, Missbil-
ligung oder Ablehnung.

z DSM-IV (301.82) Vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung


Ein tiefgreifendes Muster von sozialer Gehemmtheit, Insuffizienzgefühlen
und Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung. Der Beginn liegt
im frühen Erwachsenenalter und die Störung manifestiert sich in verschie-
denen Situationen. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt
sein:
1. vermeidet aus Angst vor Kritik, Missbilligung oder Zurückweisung be-
rufliche Aktivitäten, die engere zwischenmenschliche Kontakte mit sich
bringen,
2. lässt sich nur widerwillig mit Menschen ein, sofern er/sie sich nicht si-
cher ist, dass er/sie gemocht wird,
3. zeigt Zurückhaltung in intimeren Beziehungen, aus Angst beschämt
oder lächerlich gemacht zu werden,
4. ist stark davon eingenommen, in sozialen Situationen kritisiert oder
abgelehnt zu werden,
5. ist aufgrund von Gefühlen der eigenen Unzulänglichkeit in neuen zwi-
schenmenschlichen Situationen gehemmt,
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 23

6. hält sich für gesellschaftlich unbeholfen, persönlich unattraktiv oder


anderen gegenüber unterlegen,
7. nimmt außergewöhnlich ungern persönliche Risiken auf sich oder ir-
gendwelche neuen Unternehmungen in Angriff, weil dies sich als be-
schämend erweisen könnte.

2.3.9 Abhängige Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.7)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen


müssen vorliegen:
1. Ermunterung oder Erlaubnis an andere, die meisten wichtigen Ent-
scheidungen für das eigene Leben zu treffen,
2. Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu
denen eine Abhängigkeit besteht und unverhältnismäßige Nachgie-
bigkeit gegenüber deren Wünschen,
3. mangelnde Bereitschaft zur Äußerung selbst angemessener Ansprü-
che gegenüber Personen, von denen man abhängt,
4. unbehagliches Gefühl oder Hilflosigkeit, wenn die Betroffenen allei-
ne sind, aus übertriebener Angst, nicht für sich alleine sorgen zu
können,
5. häufiges Beschäftigtsein mit der Furcht, verlassen zu werden und auf
sich selber angewiesen zu sein,
6. eingeschränkte Fähigkeit, Alltagsentscheidungen zu treffen, ohne
zahlreiche Ratschläge und Bestätigungen von anderen.

z DSM-IV (301.6) Dependente Persönlichkeitsstörung


Ein tiefgreifendes und überstarkes Bedürfnis, versorgt zu werden, das zu
unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und Trennungsängsten
führt. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die Störung zeigt
sich in verschiedenen Situationen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien
müssen erfüllt sein:
1. hat Schwierigkeiten, alltägliche Entscheidungen zu treffen, ohne ausgie-
big den Rat und die Bestätigung anderer einzuholen,
2. benötigt andere, damit diese die Verantwortung für seine/ihre wichtigs-
ten Lebensbereiche übernehmen,
3. hat Schwierigkeiten, anderen Menschen gegenüber eine andere Mei-
nung zu vertreten, aus Angst, Unterstützung und Zustimmung zu ver-
lieren. Beachte: hier bleiben realistische Ängste vor Bestrafung unbe-
rücksichtigt.
24 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4. hat Schwierigkeiten, Unternehmungen selbst zu beginnen oder Dinge


unabhängig durchzuführen (eher aufgrund von mangelndem Vertrauen
in die eigene Urteilskraft oder die eigenen Fähigkeiten als aus mangeln-
der Motivation oder Tatkraft),
5. tut alles Erdenkliche, um die Versorgung und Zuwendung anderer zu er-
halten bis hin zur freiwilligen Übernahme unangenehmer Tätigkeiten,
6. fühlt sich alleine unwohl oder hilflos aus übertriebener Angst, nicht
für sich selbst sorgen zu können,
7. sucht dringend eine andere Beziehung als Quelle der Fürsorge und Un-
terstützung, wenn eine enge Beziehung endet,
8. ist in unrealistischer Weise von Ängsten eingenommen, verlassen zu
werden und für sich selbst sorgen zu müssen.

2.3.10 Narzisstische Persönlichkeitsstörung

z ICD-10 (F60.8)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen
erfüllt sein.

B. Mindestens fünf der folgenden Merkmale müssen vorliegen:


1. Größengefühl in Bezug auf die eigene Bedeutung (z. B. die Betroffe-
nen übertreiben ihre Leistungen und Talente, erwarten ohne entspre-
chende Leistungen als bedeutend angesehen zu werden),
2. Beschäftigung mit Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht,
Scharfsinn, Schönheit oder idealer Liebe,
3. Überzeugung, „besonders“ und einmalig zu sein und nur von ande-
ren besonderen Menschen oder solchen mit hohem Status (oder von
entsprechenden Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen
zusammen sein zu können,
4. Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung,
5. Anspruchshaltung; unbegründete Erwartung besonders günstiger Be-
handlung oder automatische Erfüllung der Erwartungen,
6. Ausnutzung von zwischenmenschlichen Beziehungen, Vorteilsnahme
gegenüber anderen, um eigene Ziele zu erreichen,
7. Mangel an Empathie, Ablehnung, Gefühle und Bedürfnisse anderer
anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren,
8. häufiger Neid auf andere oder Überzeugung, andere seien neidisch
auf die Betroffenen,
9. arrogante, hochmütige Verhaltensweisen und Attitüden.
2.3 Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV z 25

z DSM-IV (301.81)
Ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten),
Bedürfnis nach Bewunderung und Mangel an Empathie. Der Beginn liegt
im frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen.
Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
1. hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt z. B. die
eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistun-
gen als überlegen anerkannt zu werden),
2. ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolges, Macht,
Glanz, Schönheit oder idealer Liebe,
3. glaubt von sich „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von ande-
ren besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) ver-
standen zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können,
4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung,
5. legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d. h. übertriebene Erwartungen
an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Einge-
hen auf die eigenen Erwartungen,
6. ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d. h. zieht Nut-
zen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen,
7. zeigt einen Mangel an Empathie; ist nicht willens, die Gefühle und
Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren,
8. ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf
ihn/sie,
9. zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.

Terminologische und konzeptionelle Unterschiede in den beiden Diagnose-


systemen erschweren die Routinediagnostik und führen zu mangelnder
Vergleichbarkeit von Studien. Das DSM-IV benennt die schizotypische
Persönlichkeitsstörung, während die ICD-10 diese als schizotype Störung
den Schizophrenien zuordnet. In den ICD-10 Forschungskriterien wird die
narzisstische Persönlichkeitsstörung nur im Anhang beschrieben, wohin-
gegen sie im DSM-IV eine eigene Kategorie bildet. Die paranoide Persön-
lichkeitsstörung der ICD-10 enthält einige Kriterien der narzisstischen
Persönlichkeitsstörung mit Ausnahme der Größenideen. Die Borderline-
Persönlichkeitsstörung existiert im DSM-IV nur als eine Kategorie, wohin-
gegen das ICD-10 unterteilt in einen Borderline-Typus und einen impulsi-
ven Typus. Gerade männliche, sehr impulsive Patienten mit Borderline-
Persönlichkeitsstörung mit Tendenz zu körperlichen Auseinandersetzungen,
die aber nicht alle Kriterien der antisozialen Persönlichkeitsstörung erfül-
len, lassen sich durch diese Kategorie der ICD-10 gut beschreiben.
Die Zuordnung zu den spezifischen Störungen erfolgt über eine ausführ-
liche Anamneseerhebung mit präzisem Herausarbeiten immer wiederkeh-
render Verhaltensmuster und einer aktiven Überprüfung des Vorliegens der
diagnostischen Kriterien. Darüber hinaus sollte die gesamte psychiatrische
Vorgeschichte und die Biographie des Patienten erhoben werden, um so
die Störungsmuster im Kontext der individuellen Entwicklung und Lebens-
26 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

geschichte einschätzen zu können. Wichtig erscheint weiterhin die Verhal-


tensbeobachtung im Gespräch und besonders im stationären Bereich, z. B.
aufmerksamkeitssuchendes und verführerisch-kokettierendes Verhalten bei
der histrionischen Persönlichkeitsstörung. Wenn der Patient zustimmt und
dies angemessen ist, sollte eine Fremdanamnese (Familie oder nahe Be-
zugspersonen) erhoben werden. Da sich Patienten mit Persönlichkeits-
störungen aber oft in pathologischen Beziehungskonstellationen befinden,
müssen auch bei der Fremdanamnese Einflüsse durch akzentuierte Persön-
lichkeitszüge erwogen werden. Darüber hinaus verweigern die Patienten
u. U. das Einholen von Angaben Dritter bzw. lassen sich die Angehörigen
nicht zur Kooperation bewegen. Grundsätzlich sollten Gespräche mit den
Angehörigen im Beisein des Patienten erfolgen. In einigen Fällen können
Paar- oder Familiengespräche, in denen die Interaktion zwischen Patient
und der Bezugsperson deutlich wird, auch diagnostisch hilfreich sein.
Es gibt einige Faktoren, die die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung
behindern können. Die Symptome einer Persönlichkeitsstörung sind anders
als z. B. ein Wahn oder Halluzinationen, möglicherweise nicht offensichtlich
und im Gespräch nicht unmittelbar zu erfassen. Vor allem vor einer Thera-
pie – sind viele Persönlichkeitsauffälligkeiten nicht selten ich-synton. Der
Betroffene sieht also seine spezifischen Denk-, Gefühls- und Verhaltens-
muster zunächst nicht als problematisch an und geht folglich davon aus,
dass sich seine Umwelt ändern müsse. Hier kann mittels psychoedukativer
Interventionen bei dem Patienten die Einsicht in wenig konstruktive Ver-
haltens- und Denkweisen entwickelt werden. Bei Komorbidität mit einer
Achse-I-Störung kann es im Einzelfall (insbesondere wenn fremdanamnes-
tische Daten fehlen) sinnvoll sein, zunächst nur eine Verdachtsdiagnose ei-
ner Persönlichkeitsstörung zu stellen, da bei etwa einem Fünftel der Patien-
ten nach Abklingen der Achse-I-Störung auch die Kriterien der Persönlich-
keitsstörung nicht mehr erfüllt sind. Insbesondere eine affektive Störung
kann die Selbsteinschätzung von Persönlichkeitsmerkmalen beeinflussen,
sodass hier nach Abklingen der Achse-I-Störung die Achse-II-Diagnose
überprüft werden sollte. Therapeutische Konsequenzen aus der Diagnose
sollten allerdings im Regelfall nicht zurückgestellt werden.

2.4 Dimensionale Diagnosen


Die kategoriale Einordnung menschlichen Denkens, Fühlens und Verhaltens
in spezifische Persönlichkeitsstörungsunterformen, wie sie in den psychi-
atrischen Klassifikationssystemen vorgenommen wird, entspricht dem
Krankheitsmodell der Medizin und ist damit leicht handhabbar. Eine kate-
goriale Klassifikation ist aber auch mit Problemen behaftet. Studien zufolge
können bei ca. 20% der Betroffenen bis zu drei Persönlichkeitsstörungs-
diagnosen gestellt werden (Torgersen et al. 2001). Außerdem wurden die
Schwellenwerte, ab wann eine Persönlichkeitsstörung vorliegt, willkürlich
2.5 Diagnostische Instrumente z 27

festgelegt. Diese Schwächen werden von einem dimensionalen Modell von


Persönlichkeitszügen vermieden. Hierbei wird von der Annahme ausgegan-
gen, dass die menschliche Persönlichkeit sich aus verschiedenen stabilen
Persönlichkeitseigenschaften, so genannten „traits“, zusammensetzt und sich
ein Mensch in seinen individuellen Eigenschaften auf unterschiedlichen
Positionen eines multiaxialen Systems befindet. So kann die Persönlichkeit
eines Menschen in Form von 5 stabilen Persönlichkeitseigenschaften abge-
bildet werden, die in unterschiedlichen Ausprägungen bei jedem Individu-
um vorkommen: Neurotizismus (emotionale Labilität), Extraversion (Gesel-
ligkeit, Aktivität), Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissen-
haftigkeit (Costa & McCrae 1990). Ein anderes verbreitetes Persönlichkeits-
modell unterscheidet 4 Temperamentsfaktoren (Schadensvermeidung, Neu-
gierverhalten, Belohnungsabhängigkeit, Beharrungsvermögen) und 3 Cha-
rakterfaktoren Selbstlenkungsfähigkeit, Kooperativität und Selbsttranszen-
denz (Cloninger et al. 1994). Die Persönlichkeitsdimensionen bilden aller-
dings die Symptome der Persönlichkeitsstörungen nicht ausreichend ab. So
korrelieren die DSM-IV Symptome von Persönlichkeitsstörungen höher mit
der Funktionsbeeinträchtigung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen
als Fünf- oder Dreifaktormodelle der Persönlichkeit (Skodol et al. 2005).
Zukünftige Klassifikationsmodelle zielen auf eine Integration dimensio-
naler Ordnungsprinzipien in die kategoriale Diagnostik. Schon heute soll-
ten ergänzend zur kategorialen Diagnostik dimensionale Persönlichkeitsbe-
schreibungen zur Anwendung kommen.

2.5 Diagnostische Instrumente


Ausschließlich klinisch erhobene Persönlichkeitsstörungsdiagnosen zeigen
eine geringe Reliabilität, eine besonders hohe Differenz zwischen Experten-
und Praktikerurteil und einen nicht unerheblichen Geschlechtsbias. Zur Er-
fassung kategorialer Diagnosen stehen als Ergänzung zum ausführlichen
klinischen diagnostischen Interview verschiedene Instrumente zur Verfü-
gung, die jeweils auf unterschiedliche Informationsquellen zurückgreifen.
Aufgrund der Ich-Syntonität bzw. -Syntonizität und der Komplexität der
Persönlichkeitsstörungen ist der Einsatz von Selbstbeurteilungsfragebögen
wegen insbesondere falsch positiver, aber auch falsch negativer Diagnosen
problematisch. Daher sollten Selbstbeurteilungsbögen nur im Sinne eines
diagnostischen Hilfsmittels verwandt werden. Hier steht ein entsprechendes
Instrument des Strukturierten Klinischen Interviews zur Diagnostik von
Persönlichkeitsstörungen (SKID-II) und des International Personality Dis-
order Examination (IPDE), Letzteres nur als ICD-10-Version zur Verfügung.
Fernerhin ist die Deutsche Version des Fragebogens zur Erfassung von
DSM-IV Persönlichkeitsstörungen (ADP-IV) empfehlenswert, weil hier zu-
sätzlich zu den einzelnen Items der zugehörigen DSM-IV Kategorie das
Maß an Leiden und Funktionsbeeinträchtigung (ebenfalls itembezogen) ab-
28 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

gefragt wird und darüber hinaus eine dimensionale Diagnostik möglich ist;
diese Vorgehensweise scheint das Risiko von falsch-positiven Diagnosen zu
reduzieren (Doering et al. 2007, Schotte et al. 1998, der Fragebogen kann
unter http://zmkweb.uni-muenster.de/einrichtungen/proth/dienstleistungen/
psycho/diag/index.html kostenfrei herunter geladen werden). Beim klini-
schen Verdacht auf Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung kann eine aus-
reichend reliable Diagnose nur unter Einsatz eines strukturierten Inter-
views erzielt werden und ist deshalb als „state of the art“ anzusehen und
zu empfehlen. Dennoch ist ihr tatsächlicher Einsatz im klinischen Alltag
begrenzt, bedeutet er auch eine Einschränkung des Freiraumes der klini-
schen Exploration und einen nicht unerheblichen Zeitaufwand von durch-
schnittlich ca. 60 min, in Einzelfällen aber bis zu 3 Stunden. Die beiden
am häufigsten verwandten Interviewverfahren mit vorgegebenen, auf ein-
zelne Items bezogenen Fragen sind das International Personality Disorder
Examination (IPDE) und das Strukturierte Klinische Interview zur Diag-
nostik von Persönlichkeitsstörungen (SKID-II); Letzteres liegt nur als
DSM-IV Version vor. Mit diesen Instrumenten lassen sich mit Kappa-Wer-
ten zwischen 0,48 und 0,98 valide Persönlichkeitsstörungsdiagnosen stellen
(Maffei et al. 1997). Dennoch bleiben auch beim Einsatz solcher Interviews
Unschärfen in Abhängigkeit von der Beurteilerquelle (Pat. vs. Angehöri-
ger). In Forschungsfragen am häufigsten eingesetzt wird das IPDE, das aus
einem ICD-10 und einem DSM-IV Modul besteht und als das offizielle In-
strument der WHO für Persönlichkeitsstörungen gilt (Loranger et al. 1997).
Störungsspezifische Checklisten, die im Gegensatz zu den zeitaufwändigen
strukturierten Interviews rascher durchzuführen sind, können eingesetzt
werden, erfordern jedoch umfangreiche klinische Erfahrung (IDCL-P Inter-
nationale Diagnosen Checkliste für Persönlichkeitsstörungen; Bronisch et
al. 1995).
Dimensionale Persönlichkeitsfaktoren können auf der Grundlage von
Selbstbeurteilungsinstrumenten reliabel und valide erhoben werden. Hier
bietet sich zum Beispiel der Dimensional Assessment of Personality Pathol-
ogy-Basic Questionnaire (DAPP) oder die revidierte Fassung des NEO Per-
sonality Inventory (NEO-PI-R), beides in deutschen Versionen vorliegend
und validiert, an. Mittels des NEO-PI-R können die einzelnen Bestandteile
des 5-Faktoren-Persönlichkeitsmodells: Neurotizismus, Extraversion, Ver-
träglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen einschließ-
lich ihrer Subdimensionen abgefragt werden.
Der auch in deutscher Sprache vorliegende DAPP-BQ (Dimensional As-
sessment of Personality Pathology-Basic Questionnaire) ist ein internatio-
nal etablierter, reliabler (Livesley et al. 1998) und valider (van Kampen
2002) Selbstbeurteilungsfragebogen zur dimensionalen Erfassung patholo-
gischer Persönlichkeitsausprägungen. Im Gegensatz zur kategorialen Diag-
nostik von Persönlichkeitsstörungen liegt dem DAPP-BQ das Konzept eines
graduellen Übergangs von Normalität zu pathologischen Persönlichkeits-
ausprägungen zugrunde. Die Erfassung der Persönlichkeit basiert auf 290
Items, die auf 18 Persönlichkeitsdimensionen erfasst werden. Diese 18
Persönlichkeitsdimensionen lassen sich zu 4 übergeordneten, als robust be-
2.6 Differentialdiagnostische Abgrenzung z 29

legten Faktoren zusammenfassen (,Emotionale Dysregulation‘, ,Dissoziales


Verhalten‘, ,Gehemmtheit‘ und ,Zwanghaftigkeit‘) (Livesley et al. 1998, Pu-
krop et al. 2001, van Kampen 2002, Bagge 2003).
Mit dem Persönlichkeits-Stil- und Störungs-Inventar (PSSI) kann die re-
lative Ausprägung von Persönlichkeitsstilen quantifiziert werden, die als
nicht-pathologische Entsprechungen der in DSM-IV und ICD-10 beschrie-
benen Persönlichkeitsstörungen gelten.
Mit dem Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme (IIP), das in
deutscher Übersetzung vorliegt und validiert ist, können typische interper-
sonelle Problembereiche von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen erfasst
werden. Dieses Instrument kann nicht nur zur Querschnittsdiagnostik son-
dern auch zur Messung von Veränderung unter Therapie eingesetzt wer-
den.
Die aus psychodynamischer Sicht wichtige Strukturdiagnostik kann mit
der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-2, Arbeits-
kreis OPD 2006) erfolgen. Dieses interview-basierte Fremdbeurteilungs-
instrument, das im Rahmen eines modifizierten psychodynamischen Inter-
views zur Anwendung kommt, umfasst fünf Achsen:
1. Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen,
2. Beziehung,
3. Konflikt,
4. Struktur und
5. Psychische und psychosomatische Störungen nach ICD-10 bzw. DSM-
IV.

Es liegt eine Vielzahl von Studien zur Reliabilität und Validität des Instru-
mentes vor, die im Manual der OPD-2 zusammengefasst sind. Die Struktur-
achse der OPD erfasst das Strukturniveau auf vier Dimensionen:
1. Selbst- und Objektwahrnehmung,
2. Steuerungsfähigkeit,
3. Emotionale Kommunikation und
4. Bindung.

Die Skala umfasst vier Strukturniveaus (gut integriert, mäßig integriert, ge-
ring integriert und desintegriert) mit jeweils einer Zwischenstufe.

2.6 Differentialdiagnostische Abgrenzung


Die differentialdiagnostischen Erwägungen und komorbiden Erkrankungen
differieren erheblich bei den verschiedenen Persönlichkeitsstörungssub-
typen. Wie schon in den allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstö-
rung nach ICD-10 gefordert, müssen psychische Störungen und Funktions-
störungen des Gehirns, welche die Symptome besser erklären können, aus-
geschlossen werden. Häufig ergibt sich die Unterscheidung wesentlich aus
dem Zeitverlauf.
30 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Im Folgenden werden nacheinander die einzelnen Persönlichkeitsstörun-


gen unter differentialdiagnostischen Aspekten besprochen.
z Die Paranoide Persönlichkeitsstörung ist zunächst von der Wahnhaften
Störung mit Verfolgungswahn abzugrenzen, bei der die Wahninhalte
wenig einfühlbar und unkorrigierbar sind. Menschen mit Paranoider
Persönlichkeitsstörung sind zwar auch misstrauisch, argwöhnisch und
unterstellen anderen, etwas gegen sie im Schilde zu führen. Das Miss-
trauen erfüllt aber nicht die Kriterien eines Wahns. Eine weitere Dif-
ferentialdiagnose besteht in der Abgrenzung zum Eifersuchtswahn bei
chronischer Alkoholabhängigkeit. Aufgrund der weitreichenden Überlap-
pung der Kriterien ist die differentialdiagnostische Abgrenzung zu bzw.
das komorbide Vorliegen der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit-
unter schwierig. Bei der Narzisstischen Persönlichkeit führt ein Gefühl
von Großartigkeit und das Bewusstsein, etwas Besonderes zu sein, das
er nach außen selbstbewusst vertritt, während der Paranoide misstrau-
isch ist und seine Umgebung als feindselig wahrnimmt.
z Bei der Schizoiden Persönlichkeitsstörung besteht die schwierigste Dif-
ferentialdiagnose in der Abgrenzung zu leichten Formen der Asperger-
Störung. Es finden sich allerdings bei Personen mit Autismus repetitive
Verhaltensmuster sowie eine Einengung der Aktivitäten und Interessen.
Residualsymptome bei Schizophrenie, die auch differentialdiagnostisch
abgegrenzt werden müssen, können mit Kontaktscheue und Anhedonie
imponieren, hier kommt aber zusätzlich noch der Charakter des Unein-
fühlbaren, Sonderbaren hinzu. Wesentliche Abgrenzungen im Bereich
der Persönlichkeitsstörungen müssen zur Ängstlichen (vermeidenden)
und Schizotypischen Persönlichkeitsstörung erfolgen. Gemeinsam sind
diesen drei Persönlichkeitsstörungen ein sozialer Rückzug und Schwie-
rigkeiten in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Bei Menschen mit
Schizoider Persönlichkeitsstörung liegt dies in einem mangelnden Inte-
resse an persönlichen Kontakten begründet, während bei der Selbstunsi-
cheren Persönlichkeitsstörung die Angst vor Kritik, Zurückweisung und
Beschämung der Grund für den sozialen Rückzug ist. Auch Menschen
mit einer Schizotypischen Persönlichkeitsstörung leben isoliert, Unter-
schiede liegen bei diesen Menschen jedoch in Verzerrungen des Denkens
und der Wahrnehmung sowie in ihren skurrilen exzentrischen Verhal-
tensweisen.
z In der ICD-10 wird die Schizotype Störung in der F20-Kategorie auf-
geführt und somit als schizophrene Spektrumserkrankung eingeordnet.
Demzufolge ist die Abgrenzung zur Schizophrenie die wichtigste Diffe-
rentialdiagnose. Bei Personen mit Schizotypischer Persönlichkeitsstö-
rung finden sich üblicherweise keine Halluzinationen und Wahnphäno-
mene, wohl aber Beziehungsideen, ungewöhnliche Wahrnehmungserfah-
rungen, skurrile Vorstellungen und unter Belastung auftretende kurze
vorübergehende psychotische Episoden. Betroffene halten an ihren bizar-
ren sonderbaren Denkinhalten nicht – wie der Wahnhafte – mit unkorri-
gierbarer Überzeugung fest. Am schwierigsten ist die Differentialdiagno-
se zur Schizophrenia simplex oder zum residualen Typus der Schizo-
2.6 Differentialdiagnostische Abgrenzung z 31

phrenie in Hinblick auf soziale Isoliertheit und sonderlingshaftes, skurri-


les Verhalten. Generell müssen die allgemeinen Kriterien für eine
Persönlichkeitsstörung erfüllt sein, d. h. dass die auffälligen Verhaltens-,
Gefühls- und Denkmuster schon in Kindheit oder Adoleszenz aufgetre-
ten sein müssen, wohingegen bei der Schizophrenie oft erst im frühen
Erwachsenenalter ein Leistungsknick oder andere Auffälligkeiten zu Tage
treten.
z In erster Linie gilt es bei der Dissozialen Persönlichkeitsstörung zu klä-
ren, ob die antisozialen Verhaltensmuster einer Person nur in Zuständen
der Alkohol- oder Drogenintoxikation vorkommen. Falls dies der Fall ist,
sollte die Diagnose Dissoziale Persönlichkeitsstörung nicht gestellt wer-
den. Überschneidungen auf dem Gebiet der Persönlichkeitsstörungen
gibt es mit der Borderline-, der Histrionischen und der Narzisstischen
Persönlichkeitsstörung, wobei bei der Letzteren keine ausgeprägte Ag-
gressivität bzw. impulsives oder delinquentes Verhalten vorliegt. Patien-
ten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung sind auch impulsiv, zeigen
aber im Gegensatz zur Dissozialen eine Neigung zu Schuldgefühlen.
z Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung können kurze Episoden
von psychotischem Erleben und paranoidem Denken haben. Dieser Zeit-
verlauf und das Fehlen von formalen Denkstörungen sind für die diffe-
renzialdiagnostische Abgrenzung zur Schizophrenie hilfreich; liegen Sin-
nestäuschungen vor, so erfüllen sie gewöhnlich das Kriterium von Pseu-
dohalluzinationen, d. h. der Trugcharakter der Wahrnehmung wird er-
kannt. Eine diagnostische Überlappung mit der Posttraumatischen Be-
lastungsstörung kann in den Symptomen Reizbarkeit und Wutausbrüche
liegen. Im Regelfall ist hier auch der unterschiedliche Zeitverlauf diag-
nostisch wegweisend, d. h. bei der Posttraumatischen Belastungsstörung
ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der
Symptome mit einem Ereignis außergewöhnlicher Bedrohung erforder-
lich. Wenn die Kriterien beider Störungen erfüllt sind, sollen auch beide
diagnostiziert werden. Die Posttraumatische Belastungsstörung ist bei
Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung zweimal so häufig wie
in der Allgemeinbevölkerung komorbide vorhanden (Golier et al. 2003).
Bei der Posttraumatischen Belastungsstörung ist ein enger zeitlicher Zu-
sammenhang zwischen dem Auftreten der Symptome mit einem Ereignis
außergewöhnlicher Bedrohung erforderlich. Die diagnostische Abgren-
zung zur andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelas-
tung kann, vor allem wenn extreme Traumata in Kindheit und Adoles-
zenz aufgetreten sind, im Einzelfall sehr problematisch sein, insbesonde-
re weil dieses Störungskonzept noch nicht hinreichend erforscht und
konzeptionalisiert ist. Überlappungen im Persönlichkeitsstörungsbereich
gibt es mit der Histrionischen und der Dependenten Persönlichkeitsstö-
rung. Etwa 30 bis 40% der Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstö-
rung erfüllen auch die Kriterien der Ängstlichen (vermeidenden) Per-
sönlichkeitsstörung (z. B. Zanarini 2004). Bei Männern beläuft sich die
innere Komorbidität eher auf Narzisstische und Dissoziale Persönlich-
keitszüge.
32 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

z Bei Patienten mit Histrionischer Persönlichkeitsstörung finden sich vor


allem Überschneidungen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die
Stimmungsschwankungen bei histrionischen Patienten sind eher ober-
flächlich fluktuierend, während Patienten mit Borderline-Persönlich-
keitsstörung über intensive, lang anhaltende Gefühlsqualitäten berichten.
Sehr wichtig ist die Abgrenzung von pseudohysterischen Verhaltenswei-
sen bei beginnenden Schizophrenen Störungen und dem möglicherweise
hysteriform anmutenden Verhalten bei der agitierten Depression, v. a.
bei älteren Menschen.
z Bei der Frage des Vorliegens einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung
ist zunächst zu prüfen, ob die Gefühle von Großartigkeit und die Ten-
denz zur Selbstüberschätzung im Rahmen einer manischen Verstim-
mung oder durch Drogenkonsum zu erklären sind. Menschen mit Nar-
zisstischer Persönlichkeitsstörung sind in Situationen des Scheiterns
oder bei Kränkungen gefährdet, eine Verstimmung zu entwickeln, die ei-
ner Major Depression entspricht. In diesem Fall sind beide Diagnosen
zu stellen. Im Bereich der anderen Persönlichkeitsstörungen gibt es vor
allem Überschneidungen mit der Borderline-, der Histrionischen und
Antisozialen Persönlichkeitsstörung, d. h. mit allen Unterformen des
Clusters B nach DSM-IV. Beim narzisstisch akzentuierten Menschen
herrscht ein Gefühl von Großartigkeit vor, das bei den anderen Persön-
lichkeitsstörungen nicht vorhanden ist. Patienten mit Borderline-Persön-
lichkeitsstörung erleben sich im Gegenteil als Versager und wertlos. Per-
sonen mit Narzisstischer Persönlichkeitsstörung fehlen auch die ausge-
prägte Identitätsstörung sowie die Angst vor dem Verlassenwerden. Anti-
soziale Persönlichkeitsstörungen haben mit der Narzisstischen die man-
gelnde Empathie und das ausbeuterische Verhalten in Beziehungen ge-
mein, allerdings sind narzisstische Menschen weniger aggressiv und im-
pulsiv.
z Bei der Ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung und der ge-
neralisierten sozialen Phobie handelt es sich um überlappende Konzepte,
wobei bei der Persönlichkeitsstörung ein höheres Ausmaß psychosozialer
Beeinträchtigung besteht (Renneberg & Ströhle 2006). Einschlägige em-
pirische Untersuchungen untermauern die These, dass beide Störungen
sich hauptsächlich in der Ausprägung der psychischen Auffälligkeiten
unterscheiden, aber insgesamt auf einem Kontinuum der sozialen Ängst-
lichkeit angesiedelt sind (Herbert et al. 1992, Widiger 1992, van Velzen
et al. 2000, Rettew 2000). Aufgrund einiger Überlappungen in den Krite-
rien ist die Abgrenzung zur Abhängigen Persönlichkeitsstörung nicht
immer einfach. Gelegentlich müssen bei einer Person beide Persönlich-
keitsstörungen diagnostiziert werden. Bei beiden Störungen klagen
Patienten über ein Gefühl von Minderwertigkeit, Überempfindlichkeit
gegenüber Kritik und dem Wunsch nach Bestätigung. Allerdings steht
bei dependenten Menschen ein überstarkes Bedürfnis nach Umsorgtwer-
den im Vordergrund, während der Selbstunsichere Situationen vermei-
det, in denen er kritisiert werden könnte und sich zurückgesetzt fühlen
würde.
2.6 Differentialdiagnostische Abgrenzung z 33

z Bei Patienten mit Abhängiger Persönlichkeitsstörung ist insbesondere


die Abgrenzung zur Major Depression und bipolaren affektiven Störun-
gen wichtig (Loranger et al. 1996). Ausgeprägtes Insuffizienzerleben so-
wie anklammernde Verhaltensweisen in Beziehungen können als Symp-
tome einer depressiven Verstimmung vorhanden sein, zeichnen aber
auch Menschen mit Abhängiger Persönlichkeitsstörung aus. Insgesamt
ist bei Vorliegen einer relevanten depressiven Verstimmung die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung nicht definitiv zu stellen, hierfür muss eine
affektive Ausgeglichenheit erreicht sein, womit sich dann auch abhängig
anmutende Persönlichkeitszüge wieder zurückbilden können. Weiterhin
muss die Abgrenzung von einigen anderen Persönlichkeitsstörungen er-
folgen, da abhängige Verhaltensweisen in zwischenmenschlichen Bezie-
hungen auch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung, bei der Histrio-
nischen und bei der Ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstö-
rung vorkommen können. Bei Personen mit Borderline-Persönlichkeits-
störung besteht der Motivationshintergrund in ausgeprägter Angst vor
Verlassenwerden, während histrionisch akzentuierte Menschen aus der
Befürchtung, die Anerkennung anderer zu verlieren, die Beziehung of-
fensiv, selbstbezogen und auf dramatisierende Art und Weise einfordern.
Dependente Menschen erscheinen dem gegenüber devot und bescheiden.
Der ängstliche (vermeidende) Mensch berichtet auch über Insuffizienz-
gefühle und Bedürfnisse nach Schutz und Zuneigung, kann sich jedoch
nicht vertrauensvoll auf einen anderen Menschen einlassen, sondern ver-
meidet den Kontakt. In einer Untersuchung an Patienten mit Depressio-
nen und Angststörungen wurde häufig eine Kombination von dependen-
ten und selbstunsicheren Persönlichkeitszügen gefunden (Mavissakalian
& Hamman 1988).
z Anankastische Persönlichkeitsstörung und Zwangsstörung können ko-
morbide vorkommen, müssen aber diagnostisch unterschieden und ggf.
differentialdiagnostisch abgegrenzt werden. Es liegt keine konsistente
Datenlage zur Frage vor, ob beide Störungen signifikant gehäuft mit-
einander vorkommen. Es finden sich bei etwa 20% der Patienten mit
Anankastischer Persönlichkeitsstörung Zwangshandlungen oder Zwangs-
gedanken, umgekehrt sind Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken
keinesfalls regelhaft mit einer rigiden Persönlichkeitsstruktur assoziiert.
Das im deutschen Sprachraum auch heute noch weite Verbreitung fin-
dende, aber nicht in die internationale Klassfikationssysteme aufgenom-
mene Konzept des Typus melancholicus (Tellenbach 1961) zeigt eben-
falls Überschneidungen mit der anankastischen Persönlichkeitsstörung.
Er findet sich in bis zur Hälfte der Patienten mit rezidivierenden Störun-
gen vom melancholischen Typ und zeichnet sich durch Gewissenhaftig-
keit, Pflichtbewusstsein und ein Bedürfnis nach harmonischen geord-
neten zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Darüber hinaus ist es
mitunter schwierig, zwanghafte Persönlichkeitszüge von narzisstischen
abzugrenzen, da bei beiden eine Neigung zur Perfektion besteht, aller-
dings bei der narzisstisch akzentuierten Persönlichkeit aus der Überzeu-
gung heraus, es mit Abstand am besten zu machen. Dem gegenüber
34 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

kann der Zwanghafte aufgrund seines ausgeprägten Kontrollbedürfnisses


Arbeiten nicht delegieren. Der zwanghafte Mensch ist selbstkritisch, da
er eigene Leistungen rigide und überstreng beurteilt, während die Fähig-
keit, sich selbst in Frage zu stellen, bei narzisstisch akzentuierten
Persönlichkeiten eher wenig ausgeprägt ist. Zudem zeichnet sich Letzte-
rer abweichend von der zwanghaften Persönlichkeit durch Selbstüber-
schätzung aus.

2.7 Komorbidität (Co-occurrence)


Psychische Störungen können als isolierte, einzelne Störungen auftreten.
Sie werden aber auch zusammen mit anderen psychischen Störungen oder
körperlichen Erkrankungen beobachtet (Komorbidität oder Co-occurrence).
Traditionelle europäische Klassifikationssysteme haben häufig versucht, die
Erkrankung und Symptomatologie einer Person in einer einzigen, mög-
lichst ätiologisch begründeten Hauptdiagnose zusammenzufassen. In
Deutschland besteht häufig Zurückhaltung, Symptome auf mehrere diag-
nostische Entitäten und Achsen zu verteilen. Weiterhin ergibt sich Skepsis
gegenüber dem Konzept der Komorbidität aus der Tatsache, dass eine Re-
mission von Achse-I-Störungen bei einem Teil der Patienten auch zu einem
erheblichen Rückgang der Symptome einer Persönlichkeitsstörung führt
(Hirschfeld 1999).
Moderne Klassifikationssysteme wie DSM-IV oder ICD-10 folgen dem
Komorbiditäts-Prinzip, d. h. alle Störungen, deren Ein- bzw. Ausschlusskri-
terien erfüllt sind, sollen auch diagnostiziert werden. Komorbidität ist kei-
ne seltene Ausnahme. Beispielsweise wurden in der National Comorbidity
Survey (NCS) bei 52% der Teilnehmer keine, bei 21% eine, bei 13% zwei,
und bei 14% der Teilnehmer drei oder mehr psychische Störungen auf der
Achse I diagnostiziert (Kessler et al. 1994).
In der National Register of Oslo Study litten 13,4% aller Probanden an
mindestens einer Persönlichkeitsstörung. Davon hatten 71% nur eine
Persönlichkeitsstörung, 18,6% hatten zwei Persönlichkeitsstörungen, 5,2%
hatten drei, und 5,2% erfüllten die Kriterien von vier bis sieben Persönlich-
keitsstörungen (Torgersen et al. 2001).
Bei Männern und Frauen, die wegen einer psychischen Erkrankung be-
handelt werden, ist die Ausprägung von Komorbidität noch höher. In der
Rhode Island Methods to Improve Diagnostic Assessment and Services
(MIDAS)-Studie hatten 60,4% der Patienten, bei denen eine spezifische
Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden konnte, mehr als eine Persön-
lichkeitsstörung (Zimmerman et al. 2005).
Komorbidität hat große Bedeutung für die Diagnostik, Behandlung und
Prognose von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Komorbidität steht
in enger Beziehung zu Hilfesuchverhalten. Viele Patienten mit Persönlich-
keitsstörungen suchen erst aufgrund von komorbide hinzutretenden De-
2.7 Komorbidität (Co-occurrence) z 35

pressiven Störungen, Angststörungen oder Substanzabhängigkeit professio-


nelle Hilfe auf. Lebensqualität, Krankheitsschwere, Therapieergebnis, Nei-
gung zu Chronifizierung und Rückfall bei Achse-I- und -II-Störungen ste-
hen in deutlicher Beziehung zu der Zahl komorbider Störungen (z. B.
Newton-Hows et al. 2006, Cramer et al. 2006). Auch für die individuelle
Therapieplanung bei Persönlichkeitsstörungen erscheint aus heutiger Sicht
eine systematische und vollständige Erfassung von Komorbiditäten unver-
zichtbar.
Das Phänomen der Komorbidität wirkt sich in erheblichem Ausmaß auf
die wissenschaftliche Fundierung von Behandlung aus. Grundsätzlich gilt
die Evidenzbasierung von Therapieverfahren nur für die jeweils in den ent-
sprechenden kontrollierten Studien definierten Populationen. Sowohl in
pharmakotherapeutischen wie in Psychotherapie-Studien wurden in der
Vergangenheit komorbide Patienten häufig ausgeschlossen. Streng genom-
men lassen sich die Schlussfolgerungen aus solchen Studien nicht auf ko-
morbide Patienten übertragen. Die Datenbasis für Behandlungsentschei-
dungen bei Patienten mit psychischen Störungen und ausgeprägter Komor-
bidität ist dadurch eingeschränkt.
Die Schwierigkeit, eine Evidenzbasierung der Behandlung für komorbide
Patienten zu finden, besteht in der großen Zahl der möglichen Permutatio-
nen in der Kombination psychischer Störungen. Die einzige Studie, welche
dieses Problem wissenschaftlich reflektiert, ist die NCS-Replikationsstudie.
In ihr wurden „nur“ 19 Diagnosen erhoben (gegenüber den mehr als 300
möglichen Diagnosen im DSM-IV). Bereits aus diesen 19 Diagnosen erge-
ben sich 524.288 mögliche Variationen, von denen in der Studie tatsächlich
433 beobachtet wurden (Kessler et al. 2005). Es besteht noch kein Konsen-
sus über einen Ausweg aus dieser wissenschaftlich und klinisch unbefriedi-
genden Situation.
Diagnostik von verschiedenen komorbiden Störungen sollte im Sinne
von ICD und DSM zunächst beschreibend, ohne Bewertung möglicher ätio-
logischer Wechselwirkung und auch ohne Hierarchisierung der Störungen
erfolgen. In der Behandlungsplanung ist es dann allerdings erforderlich, im
Einzelfall Hypothesen zur Natur der Wechselbeziehungen zwischen den
einzelnen Störungen aufzustellen. Beispielsweise kann eine Persönlichkeits-
störung als Risikofaktor oder Chronifizierungsfaktor für eine depressive
Störung angesehen werden. Umgekehrt kann angenommen werden, dass
die Belastung durch eine chronische affektive Störung zu einer Persönlich-
keitsveränderung führen kann. Weiterhin können gemeinsame biologische
Risikofaktoren sowie gemeinsame zugrunde liegende Lernprozesse postu-
liert werden und zum Gegenstand der Behandlungsplanung gemacht wer-
den. In der Behandlung von komorbiden Patienten ist es weiterhin erfor-
derlich, eine Hierarchisierung in der Reihenfolge der Behandlung der ein-
zelnen Symptome und Störungen vorzunehmen.
36 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

2.7.1 Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen


mit anderen Persönlichkeitsstörungen

Wenn die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gestellt wurde, erhöht sich


die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Diagnose in der Allgemeinbevölke-
rung um etwa 50% (Torgersen et al. 2001). In klinischen Populationen
kommt es etwa zu einer Verdoppelung des Risikos.
Die Muster der Komorbidität zwischen den Persönlichkeitsstörungen
wurden bisher nur in wenigen Studien untersucht (Zimmerman et al. 2005,
Stuart et al. 1998, Herpertz et al. 1994). Die Ergebnisse der MIDAS-Studie,
in der die Komorbiditätsmuster bei 859 Patienten untersucht wurden, fin-
den sich in Tabelle 2.1 (Zimmerman et al. 2005).

2.7.2 Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen


mit Achse-I-Störungen

Es besteht eine positive Assoziation zwischen allen Formen von Persönlich-


keitsstörungen auf der einen Seite und Abhängigkeitserkrankungen, De-
pressiven Störungen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Somatoformen
Störungen, Essstörungen, Schlafstörungen und sexuellen Störungen auf der
anderen Seite. Etwa 30 bis 50% aller ambulanten Patienten mit einer psy-
chischen Erkrankung weisen neben einer Achse-I-Störung auch eine Achse-
II-Störung auf (Zimmerman et al. 2005, Melartin et al. 2002). In stationär
behandelten Patientengruppen oder bei chronischen psychischen Störungen
steigt die Wahrscheinlichkeit auf bis zu 65% (Russell et al. 2003). Die über-
zufällige Assoziation häufiger Achse-I-Störungen mit Persönlichkeitsstörun-
gen bei den 859 Patienten der MIDAS wird in Tabelle 2.2 schematisch dar-
gestellt (Zimmerman et al. 2005).

2.8 Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen


und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörung
auf die allgemeinmedizinische Behandlung
Menschen mit psychischen Störungen haben nicht nur ein erhöhtes Risiko
durch Suizid zu sterben, sondern auch ein erhöhtes Risiko, an chronischen
körperlichen Erkrankungen zu leiden und vorzeitig durch eine medizini-
sche Erkrankung zu sterben (Osby et al. 2001). Im Vordergrund der Morbi-
dität und Mortalität stehen dabei das metabolische Syndrom und seine
Folgeerkrankungen. Am besten untersucht ist der Zusammenhang zwischen
Depression und kardiovaskulären Erkrankungen. Zur Beziehung von Per-
sönlichkeitsstörungen und kardiovaskulären Erkrankungen liegt nur eine
populationsbasierte Studie vor. In dieser Studie war das Risiko bei Patien-
ten mit einer Persönlichkeitsstörung (im Vergleich zu Personen ohne Per-
Tabelle 2.1. Odds-Ratios der Komorbidität zwischen verschiedenen Persönlichkeitsstörungen bei 859 Patienten der MIDAS-Studie (Zimmerman et al. 2005)

Para- Schizoide Schizo- Anti- Border- Histrio- Narziss- Ängstliche Ab- Zwang-
noide type soziale line nische tische (vermeidende) hängige hafte

z Paranoide 37,3 12,3 8,7 4,0 5,2

z Schizoide 12,3

z Schizotype 15,2

z Antisoziale 9,5 8,1 14,0 0,2

z Borderline 7,1 2,5 7,3

z Histrionische 13,2 0,3

z Narzisstische 0,3 3,7

z Ängstliche
(vermeidende)

z Abhängige

z Zwanghafte

z signifikant hohe Odds-Ratios; z signifikant erniedrigte Odds-Ratios


2.8 Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörung
z
37
38 z 2 Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Tabelle 2.2. Assoziation von häufigen Achse-I-Störungen mit Persönlichkeitsstörungen (Daten


aus MIDAS-Studie; Zimmerman et al. 2005)
Major Generalisierte Panik- PTSD Alkoholab-
Depression Angststörung störung hängigkeit
z Paranoide +
z Schizoide +
z Schizotype +
z Antisoziale + +
z Borderline + + + +
z Histrionische
z Narzisstische +
z Ängstliche + + + +
(vermeidende)
z Abhängige + +
z Zwanghafte + +
z Cluster A +
z Cluster B + +
z Cluster C + + + +

sönlichkeitsstörung) für eine koronare Herzkrankheit um den Faktor 1,5


und für einen Schlaganfall um den Faktor 2,1 erhöht. Das erhöhte Risiko
bestand auch nach Korrektur für Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen und
Alkoholmissbrauch. Eine signifikante Erhöhung des Risikos einer korona-
ren Herzerkrankung fand sich insbesondere bei der Paranoiden, der Schi-
zotypen, der Schizoiden, der Borderline-, und der Ängstlichen (vermeiden-
den) Persönlichkeitsstörung. Eine signifikante Erhöhung des Schlaganfall-
risikos fand sich bei der Paranoiden, der Schizoiden, der Borderline-, der
Ängstlichen (vermeidenden) und der Anankastischen Persönlichkeitsstö-
rung. Für beide kardiovaskulären Erkrankungen war die Risikoerhöhung
bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung mit einer Odds Ratio von 9,7
bzw. 13,8 besonders hoch (Moran et al. 2007).
Psychische Störungen sind häufig mit einem erhöhten Konsum von Ni-
kotin und Alkohol oder auch illegalen Substanzen verbunden. Abstinenz-
versuche scheitern häufiger beim Vorliegen von psychischer Symptombelas-
tung. Diese Lebensstilfaktoren erklären aber nur einen Teil der erhöhten
Morbidität und Mortalität bei psychischen Störungen. Mögliche weitere
Mechanismen sind die mit psychischen Störungen verbundenen Verän-
derungen des sympathischen Nervensystems, des Stresshormonsystems,
des Immunsystems sowie des Volumens des viszeralen Fettgewebes und an-
derer von Glukokortikoiden beeinflussten Körperkompartimenten (Kahl et
al. 2005 a, b). Eine wesentliche Rolle als vermittelnde Mechanismen spielen
vermutlich die mit Persönlichkeitsstörungen assoziierten depressiven Er-
krankungen und ihre psychobiologischen Begleiterscheinungen. Psychische
2.8 Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörung z 39

Tabelle 2.3. Folgende Problembereiche der Interaktion von Patienten mit Persönlichkeits-
störungen und Ärzten können beschrieben werden
Persönlichkeits- Potentielle spezifische Probleme
störung in der medizinischen Versorgung
z Paranoide Ausgeprägtes Misstrauen in der Arzt-Patient-Beziehung, Meidung
von Arztkontakten und Behandlungsmaßnahmen, Misstrauen gegen-
über pharmakologischer und psychotherapeutischer Behandlung
z Schizoide Übermäßige Zurückhaltung in der Arzt-Patient-Beziehung, Vermeidung
emotionsbesetzter Themen
z Schizotype Präferenz für esoterische, alternative oder andere nicht-evidenzbasierte
Behandlungsverfahren, magische Behandlungserwartungen
z Dissoziale Manipulation in der Arzt-Patient-Beziehung unter anderem zur
Beschaffung von nicht-indizierten Betäubungsmitteln, erhöhtes Risiko
von Unfällen und Gewalttaten
z Emotional Medizinische Folgen von impulsiven Verhaltensweisen (Unfälle,
Instabile Substanzmissbrauch, Übergewicht, Untergewicht) und Selbstver-
letzungen, Abbrüche in der Arzt-Patient-Beziehung
z Histrionische Dramatisierung körperlicher Beschwerden
z Narzisstische Beeinträchtigung der Arzt-Patient-Beziehung durch Anspruchsdenken
z Ängstliche Vermeidung kontroverser oder tabuisierter Themen in der Arzt-Patient-
(vermeidende) Beziehung, Heimlichkeit, dissoziative oder somatoforme Symptomatik
z Abhängige Vermeidung kontroverser oder tabuisierter Themen in der Arzt-Patient-
Beziehung, passives Ertragen häuslicher Gewalt
z Anankastische Störung der Arzt-Patient-Beziehung durch Perfektionismus, Schwierig-
keiten in der Akzeptanz der Patientenrolle, Schwierigkeiten in der
Akzeptanz von Nebenwirkungen von Pharmakotherapie

Erkrankungen führen zu Veränderungen des Krankheitsverhaltens. Dabei


bestehen einerseits intensivierte Arztkontakte und vermehrte diagnostische
und chirurgische Prozeduren. Andererseits haben Menschen mit psy-
chischen Erkrankungen vermehrt Schwierigkeiten, ärztliche Empfehlungen
zur Medikation und zur Lebensgestaltung im Bereich Ernährung, körperli-
che Aktivität und Stressreduktion umzusetzen. Auch wenn dieser Zusam-
menhang empirisch noch wenig untersucht ist, so legen klinische Erfah-
rungen nahe, dass Persönlichkeitsstörungen die therapeutische Beziehung
zu Ärzten beeinträchtigen können, mit oft erheblichen Folgen für die Qua-
lität von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen (vgl. Tabelle
2.3).
3 Allgemeines zur Therapie
von Persönlichkeitsstörungen

3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien

3.1.1 Psychotherapie

Psychotherapeutische Verfahren gelten derzeit als Methode der Wahl zur


Behandlung von Persönlichkeitsstörungen, die durch schwerwiegende dys-
funktionale Verhaltens- und Erlebensweisen charakterisiert sind (Übersicht:
Oldham et al. 2005). Im Nachgang zur Entwicklung von störungsspezifi-
schen Verfahren zur Behandlung von Achse-I-Störungen, sind in den letz-
ten Jahren auch für einige Persönlichkeitsstörungen störungsspezifische,
manualgesteuerte Therapien entwickelt worden. Die Überlegenheit dieser
maßgeschneiderten Konzepte im Vergleich zu unspezifischen Verfahren
konnte mittlerweile empirisch gesichert werden. Dies trifft insbesondere
für die Borderline-Störung, die antisoziale Persönlichkeitsstörung, sowie
die ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung zu. Therapeuten, die
mit diesen Patienten arbeiten, sollten sich daher einer störungsspezifischen
Zusatzausbildung unterziehen.
Die im Folgenden skizzierten allgemeinen Leitlinien wurden aus den em-
pirisch evaluierten störungsspezifischen Leitlinien extrahiert und können
generell zur Therapieplanung bei der Behandlung von Patienten mit Per-
sönlichkeitsstörungen herangezogen werden.

3.1.1.1 Organisation der Behandlungsplanung

Die Planung der Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen


erfordert die Einbeziehung mehrerer Komponenten:

z Störungstypische Verhaltens- und Erlebensmuster


z Individuelle Ausprägung dieser Muster
z Komorbide Achse-I-Störungen
z Komorbide somatische Störungen
z Soziale Variablen
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 41

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, ob die Patienten zum Behandlungs-


zeitpunkt suizidal oder in krisenhaften Situationen sind, ob die therapeuti-
sche Beziehung tragfähig entwickelt ist, ob die Patienten über ausreichende
Kontrolle über ihr Verhalten verfügen, ob die emotionale Reagibilität aus-
reichend steuerbar ist, ob neurobiologische Störungen die emotionale Lern-
fähigkeit beeinflussen (z. B. schwere komorbide Anorexie oder Drogenent-
zug) und schließlich, ob Umgebungsvariablen (z. B. Partner) den Therapie-
erfolg maßgeblich beeinflussen.
Die Behandlungsplanung, also die Frage, welches Problem zu welchem
Zeitpunkt und mit welchen Mitteln bearbeitet wird, sollte sich an klaren
Regeln orientieren:

Suizidalität,
Fremdgefährdung

Gefährdung der Therapie

Störungen der
Verhaltenskontrolle

Störungen des
emotionalen Erlebens

Probleme der
Lebensgestaltung

Abb. 3.1. Dynamische Hierarchisierung der Behandlungsziele (nach Bohus et al. 1999)

Der abgebildete Algorithmus organisiert die Wahl des therapeutischen


Behandlungsfokus. Die Entscheidungen orientieren sich dabei jeweils an
der Symptomatik, wie sie gegenwärtig vom Patienten präsentiert wird:
An oberster Stelle, und damit, falls manifest, immer als primärer Fokus zu
bearbeiten, steht die akute Suizidalität (ggf. auch Fremdgefährdung). In zwei-
ter Position dieser dynamischen Hierarchisierung stehen Verhaltensmuster
oder Variablen, welche die Aufrechterhaltung der Therapie oder deren Fort-
schritt unmittelbar gefährden. Dabei sind sowohl problematische Verhaltens-
muster des Patienten als auch des Therapeuten oder Probleme innerhalb des
therapeutischen Settings zu berücksichtigen. An dritter Stelle stehen Phäno-
mene, die aus Störungen der Verhaltenskontrolle resultieren. Dabei sind ins-
besondere Verhaltensweisen zu berücksichtigen, die den Patienten daran hin-
dern, überhaupt therapeutische Lernprozesse zu machen oder Problemverhal-
ten, das schwere Krisen aufrecht erhält oder fördert. Als Beispiele seien ge-
42 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

nannt: aggressive Durchbrüche und kriminelles Verhalten, Drogen- und Sub-


stanzmissbrauch, schwere dissoziative Symptomatik, schwere Anorexie
(BMI < 14), Major Depression, akute psychotische Symptomatik oder etwa ex-
zessive Selbstverletzungen bei der Borderline-Störung. Etwas nachrangig wer-
den Verhaltensmuster hierarchisiert, die als dysfunktional erkannt werden,
jedoch nur geringen Einfluss auf neuropsychologische Verarbeitungsprozesse
und damit therapeutisches Lernen haben. Damit sind in aller Regel Verhal-
tensmuster gemeint, welche sich kurzfristig als wirksam in der Symptomre-
duktion erweisen, auf längere Sicht jedoch zum eigenständigen Problem wer-
den oder situationsadäquate Problemlösung erschweren. Als Beispiele seien
hier etwa weniger schwere Selbstverletzungen oder bulimisches Verhalten
bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen, rascher Partnerwechsel bei histrio-
nischen, sozialer Rückzug bei ängstlichen (vermeidenden), oder Störungen
der Planungskompetenz bei antisozialen Persönlichkeitsstörungen zu nennen.
An vierter Stelle stehen Störungen des emotionalen Erlebens. In diesem Sta-
dium ist der Patient zwar in der Lage, seine Handlungen zu kontrollieren, lei-
det jedoch an intensiven negativen Emotionen oder an Verhaltensmustern, die
eingesetzt werden, um negative Emotionen zu vermeiden oder rasch wirk-
same positive Emotionen zu erlangen. Die Regulation der Affekte selbst ist
also gestört, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder ausgeprägtes
Meidungsverhalten gilt als prototypisch für dieses Stadium. An fünfter Stelle
stehen Probleme der Selbstverwirklichung und Alltagsbewältigung (Ausbil-
dung, Arbeitsplatz, Partnerschaft etc.). Schließlich bleiben noch Probleme
wie „Sinngebung“ und Lebensplanung, oder religiöse Orientierung, die nicht
mehr Krankheitswert aufweisen. Im klinischen Alltag wird man diese Prob-
lemzonen nicht immer klar trennen, bisweilen ergibt sich die Notwendigkeit,
nachgeordnete Probleme in der Behandlung vorzuziehen, insbesondere dann,
wenn diese die höher geordneten Problemzonen bedingen. Wenn z. B. ein
Partnerschaftsproblem suizidale Gedanken triggert, so macht es natürlich
Sinn, dieses Problemfeld in den Fokus zu nehmen.

3.1.1.2 Problemanalyse

Ist der Behandlungsfokus definiert, so sollte als nächster Schritt eine detail-
lierte Problemanalyse erfolgen. Auch wenn verschiedene psychotherapeu-
tische Schulen unterschiedliche Methodik bevorzugen, so sollten bei der
Problemanalyse generell folgende psychische und soziale Aspekte beleuchtet
werden:

z Externe Bedingungen
z Akzentuierte Wahrnehmung und Interpretationen des Patienten
z Akzentuierte Denk-, Erlebens- und Beziehungsmuster des Patienten
z Akzentuierte Handlungstendenzen und Verhaltensrepertoire
z Manifeste Verhaltens- und Interaktionsmuster
z Spezifische Reaktionen des sozialen Umfeldes
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 43

z Externe Bedingungen
Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sind dadurch charakterisiert, dass
sie über ein eingeschränktes Repertoire verfügen, auf sich ändernde soziale
Bedingungen flexibel zu reagieren (Millon 2001). Sie sind daher entspre-
chend abhängig von „passenden“ externen Bedingungen. Menschen mit
Persönlichkeitsstörungen sind dennoch häufig sehr gut in der Lage, sich
unter spezifischen, konstanten Umgebungsbedingungen psychisch weitge-
hend unauffällig zu verhalten. Erst Veränderungen in der Umgebung stellen
Anforderungen, die den Betroffenen überfordern. Oft sind psychische Kri-
sen daher auf eine aktuelle Veränderung der Lebensumstände zurückzuf-
ühren. Eine psychotherapeutische Problemanalyse sollte deshalb sehr sorg-
fältig die gegenwärtigen sozialen Bedingungen des Patienten erfassen und
insbesondere auf aktuelle Veränderungen achten. Dies impliziert etwa ob-
jektive Probleme am Arbeitsplatz, Veränderungen in der beruflichen Anfor-
derung, finanzielle Probleme, partnerschaftliche Probleme, Erkrankungen
von nahen Angehörigen, politische Verfolgung, Asylprobleme usw.
Kognitiv-behaviorale Therapeuten benutzen entweder detaillierte Verhal-
tens- und Bedingungsanalysen, um sich ein Bild über die externen Bedin-
gungen der Patienten zu machen oder holen (zumindest im stationären
Setting) zu einem relativ frühen Zeitpunkt Informationen von Angehörigen
oder nahen Bezugspersonen ein (Beck et al. 2003).
Psychodynamische Therapeuten verschaffen sich ein entsprechendes Bild
im psychodynamischen Erstinterview und mit der biografischen Anamnese,
ggf. unter Einbeziehung einer Außenanamnese (Gabbard 2001).

z Akzentuierte Wahrnehmungen und Interpretationen des Patienten


Patienten mit Persönlichkeitsstörungen neigen dazu, Informationen ent-
sprechend ihrer besonderen „Raster“ zu filtern und bisweilen hochselektiv
oder verzerrt wahrzunehmen. Hinzu kommen akzentuierte oder dysfunk-
tionale Bewertungen und Interpretationen von Informationen. Die meisten
Persönlichkeitsstörungen zeichnen sich durch prototypische Fehlinterpreta-
tionen aus. So werden Verhaltensweisen der Umgebung etwa als zu bedroh-
lich, zu sexualisiert oder als sehr beschämend wahrgenommen, was
schließlich zu spezifischem Erleben und Verhalten führt. Da auch die dys-
funktionalen Interpretationen für die Betroffenen als „evident“ wahrge-
nommen werden, d. h., subjektiv einen hohen Realitätsgehalt haben, werden
diese nicht als problematisch thematisiert. Vielmehr müssen sie durch Be-
obachtung des Therapeuten, Reflexion der therapeutischen Beziehung oder
Beobachtungen im stationären Setting bzw. im Gruppenverhalten oft indi-
rekt erschlossen werden.
Kognitiv-behaviorale Therapeuten arbeiten mit Fragebögen, die z. B. an
Hand von Fallvignietten prototypische Interpretationsmuster ihrer Patien-
ten erfassen, benutzen Verhaltens- und Bedingungsanalysen und berück-
sichtigen Auffälligkeiten, die sich in der therapeutischen Beziehungsgestal-
tung oder dem Setting abbilden. Grundsätzlich jedoch betonen kognitiv-
44 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

behaviorale Schulen, dass die Störungen der Interpretation zum Teil sehr
situationsspezifisch sind und sich daher nicht unbedingt in der therapeuti-
schen Beziehung widerspiegeln. Im stationären Setting eröffnet sich die
Möglichkeit, wesentlich vielschichtigere Informationsquellen heranzuziehen
(Umgang mit Mitpatienten, Umgang mit Einschränkungen und Regeln,
Umgang mit hierarchisch höher oder niedriger Gestellten).
Psychodynamische Therapeuten nutzen primär die dyadische therapeuti-
sche Beziehung, um in der Einzeltherapie in der Interaktion mit dem Pa-
tienten dessen akzentuierte Wahrnehmungen und Interpretationen zu be-
obachten. Auffällige interpretative Muster werden auch im Hier-und-Jetzt
der Beziehung zum Therapeuten als Reinszenierung und Übertragung wie-
derholt, was zu Verzerrungen in der Wahrnehmung vom Therapeuten und
der Interaktion mit diesem führt und diagnostisch verwertet werden kann.
Im stationären Setting bilden sich, nach psychodynamischer Sicht, komple-
xe Übertragungen auf die verschiedenen Behandler, das Pflegepersonal und
Mitpatienten aus. Diese können wiederum beobachtet werden und zur Klä-
rung sowie diagnostischem Verstehen der akzentuierten Wahrnehmungen
und Interpretationen des Patienten genutzt werden.

z Akzentuierte Denk-, Erlebens- und Beziehungsmuster des Patienten


Die Analyse von Besonderheiten im Denken, Erleben und Kommunizieren
bei persönlichkeitsgestörten Patienten steht im Zentrum der Problemana-
lyse. Dies ist als mehrstufiger Prozess zu verstehen. Hypothesen, die zu
Beginn der Therapie gestellt werden, sollten einer fortwährenden korrekti-
ven Anpassung unterzogen werden, da sich im weiteren Verlauf der Infor-
mationsgrad verbessert und die individuellen Ausprägungen und Charakte-
ristika des jeweiligen Patienten immer sichtbarer werden. Sicherlich ist es
zu Beginn der Therapie hilfreich, über prototypisches, kategoriales Wissen
zu verfügen (so ist es z. B. sehr wahrscheinlich, dass ein Patient mit anan-
kastischer Persönlichkeitsstörung unter Stress gerät, wenn er sich zwischen
gleichrangigen Alternativen zu entscheiden hat, sich aber wohler fühlt,
wenn die Entscheidungs-Strukturen von außen vorgegeben sind. Ebenso
wahrscheinlich ist es, dass histrionische Patienten aversiv auf Kontinuität
und Routine reagieren, dabei sehr rasch auf Außenreize reagieren, oder pa-
ranoide Persönlichkeiten bereit sind, für ihre vermeintlichen Rechte zu
prozessieren und dabei selbst hohe Verluste in Kauf nehmen . . .). Der The-
rapeut sollte jedoch nicht der Gefahr des Generalisierens verfallen, und of-
fen sein für die jeweiligen individuellen Ausprägungen und Besonderheiten
seiner Patienten.
Verschiedene therapeutische Schulen präferieren unterschiedliche Aspek-
te und Schwerpunkte in der Analyse der akzentuierten Denk-, Erlebens-
und Beziehungsmuster: Kognitive Schulen richten das Augenmerk primär
auf dysfunktionale Bewertungen und automatisierte Gedanken, Schema-ori-
entierte Therapeuten sehen maladaptive kognitiv-emotionale Netzwerke im
Zentrum und psychodynamische Schulen fokussieren auf die Beziehungs-
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 45

und Interaktionsmuster als zentrales Problemfeld. Details sind in Kapitel


3.1.1.4 aufgeführt.

z Akzentuierte Handlungstendenzen und Verhaltensrepertoire


Menschen mit Persönlichkeitsstörungen verfügen über eine eingeschränkte
Varianz in ihren Reaktionsmöglichkeiten, auf externe und interne Informa-
tionen zu reagieren. Dies trifft nicht nur für kognitiv-emotionale Prozesse
zu, sondern auch für Handlungsentwürfe, d. h. Möglichkeiten zu kommuni-
zieren oder anderweitig zu handeln. Sehr häufig liegen Probleme darin be-
gründet, dass das Spektrum möglicher Handlungen zu gering ist, dass der
Patient also schlicht nicht „weiß“, wie er eine problematische Situation adä-
quat lösen könnte. Die Schwierigkeiten in der Antizipation möglicher so-
zialer Folgen der jeweiligen Handlungen sowie in der Kontrolle der Hand-
lungsentwürfe im Sinne mangelnder Impulskontrolle schränken Handlungs-
tendenzen und Verhaltensrepertoire zusätzlich ein. Dieses eingeschränkte
Repertoire kann in starken dysfunktionalen Erlebensmustern begründet
sein (starke Schamgefühle, verbunden mit der Kognition „es steht mir auf
der Stirn geschrieben, dass ich ein Versager bin“, können z. B. Fluchtgedan-
ken während einer öffentlichen Rede aktivieren).
Viele Verhaltenstendenzen liegen aber auch in dem Versuch begründet,
drohende unangenehme Emotionen zu vermeiden (so wird ein Patient mit
ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeit eben mit aller Kraft zu verhindern
suchen, in eine Scham induzierende Situation zu geraten). Und schließlich
können eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten auch schlicht mangelhafte
soziale Lernprozesse zu Grunde liegen.

z Manifeste Verhaltens- und Interaktionsmuster


Nach außen sichtbares, also im sozialen Kontext umgesetztes, Verhalten ist
abhängig von einer Vielzahl von determinierenden Variablen. Neben dis-
ponierenden biologischen Faktoren wirken unter anderem Handlungs-
entwürfe, Kontrollfähigkeit, antizipierte Konsequenzen und frühere Lern-
und Beziehungserfahrungen zusammen. Es ist daher sicherlich zu kurz ge-
griffen, jedem manifesten interpersonellen Verhalten des Patienten bewuss-
te oder unbewusste Intentionen zu unterstellen. Einschränkungen der Im-
pulskontrolle, konditionierte Reaktionsmuster, sozial verstärkte Verhaltens-
muster und dysfunktionale Beziehungsgestaltung unterliegen meist nicht,
oder nur teilweise, der willentlichen Kontrolle durch den Patienten. Ande-
rerseits entfalten diese dysfunktionalen Verhaltensmuster natürlich ihre
Wirkung im sozialen Kontext und wirken entsprechend auf das Individuum
zurück. Um dies am Beispiel der Borderline-Störung zu verdeutlichen:
Selbstverletzendes Verhalten wird in aller Regel eingesetzt, um intensive
unangenehme Emotionen oder Spannungszustände zu mildern. Erfolgt im
Anschluss an oberflächliche Schnittverletzungen aber starke emotionale
Zuwendung durch Partner oder Therapeuten, so hat dies natürlich Auswir-
kung auf zukünftiges Verhalten, auch wenn dies nicht von der Patientin be-
46 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

absichtigt wurde. Eine vorschnelle Reaktion des Therapeuten („Kann es


sein, dass Sie sich mit den Selbstverletzungen Aufmerksamkeit sichern wol-
len?“) wird jedoch häufig als bösartige Unterstellung interpretiert werden.
Für alle therapeutischen Schulen stellt die Beobachtung manifesten Verhal-
tens natürlich die beste Quelle für die hypothetische Erschließung intrapsy-
chischer Prozesse dar.

z Spezifische Reaktionen des sozialen Umfeldes


Die meisten prototypischen Erlebens- und Verhaltensmuster von Menschen
mit akzentuierten Persönlichkeiten entwickeln sich bereits während der
Adoleszenz und bleiben im weiteren Verlauf des Lebens relativ stabil. Daher
nimmt es nicht Wunder, dass die betroffenen Personen sich soziale Umge-
bungen suchen, die ihren Erwartungen entsprechen. Gelingt dies, und das
ist in aller Regel der Fall, so ist der Leidensdruck meist gering und es be-
steht kein Behandlungsbedarf (so erklärt sich die erhebliche Diskrepanz
zwischen den hohen Prävalenzraten von Persönlichkeitsstörungen in der
Allgemeinbevölkerung und den behandelten Persönlichkeitsstörungen). Im
Umkehrschluss darf man annehmen, dass die soziale Umgebung an die
Verhaltensmuster des Betroffenen „gewöhnt“ ist, diese stabilisiert und, aus
lerntheoretischer Sicht gesehen, verstärkt. So können einerseits, wie oben
beschrieben, Veränderungen im sozialen Umfeld oft Krisen auslösen, ande-
rerseits kann aber auch Kontinuität im sozialen Umfeld Lernprozesse und
Veränderungen des Patienten behindern. Daher sollte der Therapeut spezi-
fische Reaktionsmuster der Umgebung in die Problemanalyse mit einbezie-
hen. Dies betrifft nicht nur die Partnerschaften, sondern auch Freunde,
Kollegen und Vorgesetzte.

3.1.1.3 Kommunikation der Diagnose und Psychoedukation

Die Frage, ob einem persönlichkeitsgestörten Patienten dessen Diagnose


mitgeteilt werden sollte, wurde lange Jahre kontrovers diskutiert und ist
auch heute nicht für alle spezifischen Störungsbilder abschließend zu be-
antworten. Die Argumente gegen eine offene Kommunikation der Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung beziehen sich auf die stigmatisierende Sprache
und Defizitorientierung der kategorialen Diagnostik von Persönlichkeitsstö-
rungen, auf ungünstige Auswirkungen der Kommunikation der Diagnose
auf die Übertragung und Gegenübertragung oder auf die Ich-Syntonie der
Persönlichkeitsstörungen. Die Argumente für eine offene Kommunikation
verweisen ebenso auf die Ich-Syntonie, heben die zunehmenden Informati-
onsbedürfnisse von Patienten und Angehörigen und das Recht des Patien-
ten auf Aufklärung und Informierung hervor und beziehen sich auf klären-
de, emotional entlastende und hoffnungsvermittelnde Aspekte, die sich
durch die Definition einer psychischen Störung und deren wirksame Be-
handlungsmöglichkeiten ergeben.
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 47

In der Praxis hat sich durchgesetzt, dass Psychoedukation, und damit


auch die Aufklärung über die Diagnose, eine wesentliche Komponente ge-
rade von manualisierten, störungsspezifischen Therapieprogrammen dar-
stellt. Die günstigen Ergebnisse spezifischer psychoedukativer Programme
für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und/oder deren Angehörige
(vgl. Falge-Kern et al. 2007, Hoffman & Fruzzetti 2005, Ruiz-Sancho et al.
2001, Schmitz et al. 2006) bestätigen zumindest für ausgewählte Persönlich-
keitsstörungen, dass die Vorteile einer offenen Kommunikation der Diag-
nose die Nachteile überwiegen. Die meisten Patienten reagieren entlastet
auf eine fachgerecht vorgetragene Diagnose. Die Aufklärung über die Diag-
nose sollte allerdings nicht als isolierte Intervention erfolgen, sondern im
Zeitpunkt flexibel in ein psychoedukatives Vorgehen integriert sein, das
mit einer wertschätzenden Sprache und Sichtweise der Persönlichkeit sowie
einem sinnstiftenden und plausiblen Erklärungs- und Behandlungsmodell
wesentlich zur Entstigmatisierung und Entmystifizierung der Diagnose und
zur Förderung von Behandlungsmotivation beitragen kann.
Hilfreiche Anregungen liegen etwa mit dem psychoedukativen Pro-
gramm von Schmitz und Mitarbeitern (2001) vor, welches sich in Anleh-
nung an Oldham und Morris (1992) an einer dimensionalen Sichtweise ori-
entiert, die von einem Kontinuum vom Persönlichkeitsstil zur Persönlich-
keitsstörung ausgeht. Persönlichkeitsstile wie etwa der gewissenhafte oder
der selbstbewusste Persönlichkeitsstil werden hier in wertschätzender Weise
als universelle Umgangsformen und unverzichtbare Qualitäten des zwi-
schenmenschlichen Zusammenlebens betrachtet, die in unterschiedlichen
Anteilen in jedem Menschen vorhanden sind. Persönlichkeitsstörungen wie
die zwanghafte oder die narzisstische Persönlichkeitsstörung werden dann
als deren Extremvarianten vermittelt. Diese dimensionale Sichtweise er-
möglicht im Besonderen, jeden Persönlichkeitsstil sowohl unter dem Ge-
sichtspunkt seiner Stärken und Ressourcen als auch seiner Schwächen und
Probleme zu betrachten, wenn der Persönlichkeitsstil extrem und unflexibel
wird bzw. als Persönlichkeitsstörung zu Leiden und Beeinträchtigungen
führt. Darüber hinaus lassen sich therapeutische Zielsetzungen im Sinne
einer Abschwächung und Flexibilisierung der Persönlichkeit ableiten, ohne
Anspruch auf deren grundlegende Veränderung.
Vor dem Hintergrund einer gleichermaßen ressourcen- und problemori-
entierten Sichtweise der Persönlichkeit sollte sich die weitergehende Auf-
klärung über die Diagnose und das Erklärungsmodell nicht an den Stereo-
typen (DSM-IV-Kriterien), sondern an den individuellen Denk-, Erlebens-
und Verhaltensweisen des Patienten orientieren und der Patient sollte er-
kennen lernen, in welchen Situationen diese zum Problem werden, woher
sie kommen, wofür sie gut sind bzw. waren, welche Folgen sie haben, und
wie sie zu verändern sind. Die Zusammenhänge zwischen den aktuellen in-
terpersonellen Bedürfnissen, Einstellungen, Gefühlen und Verhaltensweisen
und der eigenen Lern- und Entwicklungsgeschichte sind den Betroffenen
meistens nicht bewusst. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, dem Patien-
ten zu ermöglichen, diese Zusammenhänge wahrzunehmen und ihm ein
plausibles Erklärungsmodell für seine Probleme zu bieten, um das eigene
48 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

Verhalten als subjektiv sinnhafte oder nachvollziehbare Anpassungs- und


Bewältigungsstrategie in frühen Kontexten zu verstehen. Dies löst zwar
noch nicht die Schwierigkeiten, entlastet aber, indem es sie verständlich
und nachvollziehbar macht, gibt dem Verhalten des Patienten Sinn und Be-
deutung und stellt eine Brücke zur Erfahrungswelt und den Beweggründen
des Patienten dar. Ziel ist ebenso, dass der Patient die eigene Mitverantwor-
tung an den gegenwärtigen Problemen wahrnimmt und akzeptiert, dass die
Probleme nur durch eigene Anstrengungen und Veränderungen vermindert
werden können. Psychoedukative Interventionen sollten angesichts der tief-
verwurzelten Problemstellungen beim Patienten realistische Hoffnungen,
Zielsetzungen und Pläne für eine Veränderung initiieren und ein plausibles
Behandlungsmodell anbieten, welches bewältigbare Schritte auf dem Weg
hin zur Veränderung aufzeigt.
Kognitiv-behaviorale Therapeuten, die per se sehr früh zusammen mit
dem Patienten an der Generierung eines gemeinsamen, verbalisierbaren
Störungs- und Behandlungsmodells arbeiten, werden sicherlich früh dazu
tendieren, in diesem Kontext auch die Diagnose mitzuteilen. Auch in psy-
chodynamischen Therapiekonzepten findet die gemeinsame Erarbeitung ei-
nes Störungs- und Behandlungsmodells von Patient und Therapeut mehr
und mehr Eingang. In den ersten diagnostischen Sitzungen wird jedoch
üblicherweise auf psychoedukative Elemente verzichtet, um die Entfaltung
der Übertragungsbeziehung nicht zu beeinträchtigen.

3.1.1.4 Therapievereinbarung

Die Klärung der Rahmenbedingungen ist eine wesentliche Voraussetzung


jeder psychotherapeutischen Arbeit. Bei der Behandlung von Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen sind jedoch einige Besonderheiten zu berücksich-
tigen:
Neben den generellen Rahmenbedingungen, welche die Modalitäten der
Finanzierung, Dauer und Frequenz der Behandlung festlegen, sollte insbe-
sondere bei schweren Persönlichkeitsstörungen, bei welchen mit suizidalen
Krisen zu rechnen ist, im Vorfeld geklärt sein, unter welchen Bedingungen
stationäre Aufenthalte als sinnvoll erachtet werden. Nur im Ausnahmefall
sollte die stationäre Einweisung ohne eine Rücksprache mit dem Therapeu-
ten erfolgen. Gerade bei chronisch suizidalen Patienten sollte ein „Krisen-
management“ im Sinne eines Eskalationsplanes erstellt werden, der geeig-
nete Maßnahmen (inkl. Telefonnummern von Notfallambulanzen) in Ab-
hängigkeit der jeweiligen Steuerungsfähigkeit auflistet. Je nach Schweregrad
der Störung hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass der Therapeut dem Pa-
tienten mitteilt, wo, und unter welchen Bedingungen er selbst im Notfall
auch telefonisch zu erreichen ist. Schließlich sollten im Rahmen der Thera-
pievereinbarung noch Absprachen getroffen werden über die Verwendung
von elektronischen Medien (Audio- und Video-Aufzeichnungen) sowohl
zum Selbstmanagement als auch im Rahmen der Supervision. Der Patient
hat sicherlich ein Recht darauf zu erfahren, wie und von wem sich der
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 49

Therapeut supervidieren lässt und welche Materialien dabei zum Einsatz


kommen. In der Praxis haben sich sog. „Therapieverträge“ als sinnvoll er-
wiesen, mittels derer die Inhalte der Vereinbarungen schriftlich festgehalten
und beiderseits unterzeichnet werden.

3.1.1.5 Therapeutische Beziehung

Da sich, wie beschrieben, dysfunktionale Denk-, Erlebens- und Verhaltens-


muster des persönlichkeitsgestörten Patienten insbesondere im zwischen-
menschlichen Bereich manifestieren, kommt der Beziehungsgestaltung im
therapeutischen Prozess eine dreifache Funktion zu: Zum ersten ist der
Aufbau der therapeutischen Beziehung geprägt durch akzentuierte Erwar-
tungen des Patienten an seine Mitmenschen. Da davon auszugehen ist, dass
sich diese Erwartungen auch in der Interaktion mit dem Therapeuten ab-
bilden, erfordert der Beziehungsaufbau vom Therapeuten Modifikationen
seines eigenen Beziehungsverhaltens, welches über „Empathie“ deutlich hi-
nausgeht. Zum zweiten können und sollen gerade die normativen Abwei-
chungen in der Beziehungsgestaltung vom Therapeuten registriert werden
und zur Diagnostik herangezogen werden. Und schließlich sollte die thera-
peutische Beziehung, nach einer stabilen Aufbauphase, als Lern- und Expe-
rimentierfeld genützt werden, um so dem Patienten eine Erweiterung sei-
nes Erlebens- und Verhaltensrepertoires zu ermöglichen.

z Beziehungsaufbau
Alle therapeutischen Schulen betonen die Bedeutung der Vertrauen herstel-
lenden, von Expertise und Zuversicht geprägten Grundhaltung des Thera-
peuten. Im Rahmen der Behandlung von Patienten mit Persönlichkeits-
störungen kommt der therapeutischen Beziehung jedoch eine besondere
Funktion zu. Zum einen sind die Erwartungen oder Befürchtungen eines
persönlichkeitsgestörten Patienten bezüglich seines Gegenübers häufig von
negativen Beziehungserfahrungen geprägt und weichen damit von durch-
schnittlichen Beziehungserwartungen ab. Im Gegensatz zu den meisten an-
deren psychischen Störungen erleben die betroffenen Patienten jedoch ihre
akzentuierten Denk-, Erlebens- und Verhaltensmuster charakteristischer-
weise in weiten Bereichen als ich-synton und „evident“, also als in sich
stimmig und logisch und nicht als unsinnig oder behandlungsbedürftig.
Sie erwarten daher – wie jeder Patient – vom Therapeuten, dass dieser ihre
Wahrnehmung bestätigt und sich „schemakonform“ verhält. Mit dem Fach-
begriff „komplementäre Beziehungsgestaltung“ skizziert die Psychothera-
pieforschung daher therapeutisches Verhalten, welches sich bewusst an die
entsprechenden Erwartungen des Patienten anpasst. So wird z. B. der The-
rapeut auch die nicht formulierten Wünsche eines dependenten Patienten
nach Übernahme von Verantwortung durch ihn früh erkennen und die Sit-
zungen klar strukturieren. Er sollte Stärke und Führungsqualität zeigen
und kann dabei durchaus alltagspraktische Ratschläge zur Problembewälti-
50 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

gung geben. Bei einem paranoiden Patienten hingegen wird der Therapeut
möglichst wenig in dessen Alltagsgestaltung „eingreifen“ sondern zunächst
versuchen, dessen Vertrauen zu gewinnen, auch wenn er sich zeitweise
über offensichtliche Fehlinterpretationen wundert. Es bedarf also eines ho-
hen Maßes an Flexibilität seitens des Therapeuten, gerade in der Anfangs-
phase der Erwartungshaltung des jeweiligen Patienten zu entsprechen.
Wichtig jedoch ist, dass der Therapeut nicht „schauspielert“, sondern sein
eigenes, authentisches Repertoire an Beziehungsresonanz ausschöpft. Ge-
lingt dies nicht, so ist mit Therapieabbrüchen in einem frühen Stadium
der Behandlung zu rechnen.

z Beziehungsdiagnostik
Wie bereits ausgeführt, wird der Therapeut zu Beginn der Therapie ver-
suchen, den expliziten und impliziten Beziehungserwartungen des Patien-
ten in gewissen Grenzen zu entsprechen, um dadurch das Vertrauen des
Patienten zu gewinnen und die Basis für anstehende Veränderungsprozesse
zu schaffen. Zeitgleich wird er inadäquate – d. h. insbesondere nicht kom-
petenz- und/oder beziehungsfördernde – Wünsche oder Interaktionsange-
bote des Patienten wahrnehmen und reflektieren. Er wird also in einer
Doppelfunktion einerseits als Beziehungspartner auftreten und, anderer-
seits, auf einer meta-kognitiv-emotionalen Ebene, Besonderheiten im Be-
ziehungsaufbau registrieren. Diese „Normabweichungen“ in der therapeuti-
schen Beziehungsgestaltung sind wertvolle diagnostische Hinweise. Psycho-
dynamische Schulen sehen in diesem Prozess von Übertragung und Ge-
genübertragung die primäre Quelle an diagnostischer Information. Kogni-
tiv-behaviorale Therapeuten stützen sich in stärkerem Ausmaß als psycho-
dynamische Therapeuten zusätzlich auf Fragebögen und Informationen
Dritter.

z Beziehungsarbeit
Da sich die interpersonellen Erwartungshaltungen und Reaktionsmuster
des Patienten in aller Regel in der Interaktion mit dem Therapeuten mani-
festieren, birgt diese therapeutische Beziehung auch die Möglichkeit, neue
Erfahrungen und Lernprozesse im zwischenmenschlichen Bereich zu ma-
chen, und dies quasi unter „kontrollierten Bedingungen“. Der Therapeut
ist also gehalten, nach einer Phase des Beziehungsaufbaus zu beginnen,
dysfunktionale Erwartungen zu irritieren und den Patienten zu neuen Er-
fahrungen und Verhaltensexperimenten anzuregen. Dieser Prozess erfor-
dert ein hohes Maß an Geschicklichkeit, da gerade durch Irritationen der
Erwartungshaltungen aversive Emotionen gegenüber dem Therapeuten ak-
tiviert werden, die dann im Gegenzug durch aktive Beziehungsaufnahme
durch diesen ausbalanciert werden müssen. Diese Beziehungsaufnahme ba-
siert auf der zeitgleichen Vermittlung von akzeptierender Wertschätzung
bzw. Befriedigung hierarchisch hoher Ziele des Patienten (soziale Akzep-
tanz, Nähe und Geborgenheit etc.) bei Korrektur nachgeordneter dysfunk-
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 51

tionaler Strategien. Eine weitere therapeutische Strategie besteht darin, die


„subjektive Evidenz“ der jeweiligen Annahmen des Patienten, eventuell in
Bezugsetzung zu dessen eigener biographischer Erfahrung, zu validieren,
ohne dabei den kritischen Reflex auf die soziale Wirklichkeit zu vernach-
lässigen. In dieser dialektischen Dynamik zwischen Beziehungsaufbau
durch Akzeptanz und Beziehungsgefährdung durch Irritation liegt der
Schlüssel zum Gelingen der therapeutischen Arbeit. Verschiedene Schulen
bieten auch hier unterschiedliche Methoden an: Während kognitiv-behavio-
ral orientierte Therapeuten bewusst die Position des „Coaches“ einnehmen,
der auf Seiten des Patienten, gemeinsam mit ihm, seine „Störung“ betrach-
tet und ihm mit Rat und Tat hilft, neue Erfahrungen, insbesondere außer-
halb der therapeutischen Beziehung, zu wagen, achtet der psychodynamisch
orientierte Therapeut primär darauf, welche Interaktionsmuster sich inner-
halb der „therapeutischen Dyade“ entwickeln und interveniert in Form von
Klärungen, Konfrontationen und Deutungen, indem er dem Patienten hilft,
die sich gerade entwickelnden Prozesse auf meta-kognitiver Ebene zu be-
trachten und emotional wahrzunehmen und mit biographisch relevanten
Bezugssystemen in Verbindung zu setzen. Wir nehmen an, dass in der the-
rapeutischen Praxis die Übergänge zwischen diesen beiden Positionen flie-
ßend sind. Ein guter Therapeut sollte beide Möglichkeiten beherrschen
und gezielt einsetzen können. Es bleibt zu beachten, dass Irritationen des
Selbstbildes oder der Interaktion immer die Gefahr der Beziehungsstörung
mit sich tragen. Zudem sollte der Therapeut flexibel genug sein, um die In-
tensität dieses Prozesses der „haltenden Irritation“ an die individuellen
Möglichkeiten des Patienten und sich eventuell ändernde soziale Bedingun-
gen anzupassen. So wird er z. B. einem dependenten Patienten, der wäh-
rend der Therapie den Arbeitsplatz verliert, auch in einem fortgeschritte-
nen Therapiestadium zunächst die gewünschte Unterstützung wieder ge-
währen, um dann in einem zweiten Schritt die bereits neu erlernten Res-
sourcen zu aktivieren.

3.1.1.6 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien

z Externe Bedingungen. Auslösende Faktoren für die psychische Dekompen-


sation von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sind in aller Regel ex-
terne Belastungsfaktoren. Darunter fallen soziale Variablen (Trennung, Ver-
änderung im Berufsleben etc.), aber auch somatische Erkrankungen. Die
Analyse dieser Belastungsvariablen und deren Objektivierung sollte Vor-
rang haben.
In Abhängigkeit von der Problemanalyse stehen als Interventionsstrate-
gien „Problemlösen“, „Kompetenzerwerb“ oder „Akzeptanz-basierte“ Me-
52 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

thoden zur Verfügung. Der Einsatz von strukturierten Problemlösungs-


manualen hat sich als wichtiges Modul in zahlreichen multimodalen Be-
handlungsverfahren etabliert.

z Akzentuierte Wahrnehmung und Interpretationen des Patienten. Die Verän-


derung von einseitiger Wahrnehmung und überwertigen Interpretationen
des Patienten geschieht zweistufig: Zunächst gilt es, diese Automatismen zu
identifizieren, im zweiten Schritt können alternative Sichtweisen erprobt
werden. Da die (pathologischen) spezifischen Sichtweisen der Welt für den
Betroffenen zunächst ich-synton, d. h. evident erlebt werden, liegt es zu-
nächst im Aufgabenbereich des Therapeuten, diese aufzudecken und einer
kritischen Betrachtung zugänglich zu machen. Reflexionen über deren Ent-
stehungsgeschichte und biographische Relevanz sind meist hilfreich. Als
Informationsquelle eignet sich sowohl die therapeutische Beziehung als
auch die Beobachtung von Interaktionen in der therapeutischen Gruppe,
von Paaren oder Familien, oder im stationären Bereich. Methodisch folgt
man den Techniken der „kognitiven Umstrukturierung“, welche insbeson-
dere Wert legt auf die Ökonomie der automatisierten Gedanken „ . . . was
bringt Ihnen diese Sichtweise“, und auf die dezidierte Erarbeitung von kog-
nitiven Alternativen „ . . . gäbe es noch eine andere Erklärungsmöglichkeit
für dieses Ereignis?“ . . . „unter welchen Umständen wäre diese andere Sicht-
weise hilfreicher?“

z Akzentuierte Denk- und Erlebensmuster des Patienten. Die Bearbeitung


der dysfunktionalen Denk- und Erlebensmuster erfordert zunächst eine ge-
naue Analyse der jeweils individuellen Charakteristika und Ausformungen.
Verhaltensanalysen, Schemaanalysen, Plananalysen sowie offene und ver-
deckte Induktionsmethoden stehen dem Therapeuten zur Verfügung. Ins-
besondere sollte geklärt werden, ob diese Muster an definierbar auslösende
Variablen gekoppelt sind, ob sie durch kognitive Selbstinstruktionen akti-
viert oder durch Reaktionen der Umwelt stabilisiert werden. Je nach dem
wird der Therapeut expositionsbasierte Veränderungstechniken auswählen
oder Methoden der kognitiven Umstrukturierung oder versuchen, zusam-
men mit dem Patienten dessen Verstärkersysteme neu zu organisieren.

z Akzentuierte Handlungstendenzen und Verhaltensrepertoire. Geprägt durch


seine Lerngeschichte verfügt der Patient über ein individuelles Repertoire
an Möglichkeiten, auf bestimmte Anforderungen oder Situationen zu rea-
gieren. Häufig eingesetzte und kurzfristig wirksame Verhaltensmuster wir-
ken selbst-verstärkend und werden automatisch aktiviert. Um einen höhe-
ren Grad an Flexibilität zu erreichen, sollte der Patient lernen, diese auto-
matisierten Konzepte zu identifizieren und sein Repertoire zunächst mental
zu erweitern. Methodisch wird der Therapeut zunächst „Lernen am Mo-
dell“ anbieten sowie zu Verhaltensexperimenten „in sensu“ anregen.
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 53

z Manifeste Verhaltens- und Interaktionsmuster. Im Weiteren sollte der Pati-


ent die neu konzeptualisierten Handlungsmöglichkeiten „im realen Leben“
umsetzen. Therapeutische Rollenspiele bereiten auf diese Experimentalpha-
se vor. Die in-vivo-Verhaltensexperimente sollten möglichst nicht dem Zu-
fall überlassen sein, sondern geplant und protokolliert werden. Im Sinne
von antizipierten Verhaltensanalysen werden sowohl die emotionalen Reak-
tionen des Patienten als auch die zu erwartenden (ungewohnten) Reaktio-
nen der Umgebung diskutiert. Diese Phase ist für den Patienten häufig
sehr belastend, da er starke emotionale Hindernisse (Angst, Scham, etc.)
überwinden muss, um Neues zu lernen. Er bedarf daher der besonderen
Unterstützung durch den Therapeuten.

z Umsetzung der Veränderungen unter Alltagsbedingungen. Während der


erste, oben benannte Schritt zunächst noch unter „Experimentalbedingun-
gen“ umgesetzt wird (erweitertes Rollenspiel), sollte nicht übersehen wer-
den, den Patienten zu ermutigen, nach erfolgreicher Erprobung die neu er-
worbenen Verhaltensmuster auch in seiner realen Umgebung (Arbeitsplatz,
Partnerschaft, Familie oder Freizeitbereich) umzusetzen. Auch hier hat sich
der Einsatz von Verhaltensprotokollen bewährt.

z Spezifische Reaktionen des sozialen Umfeldes. Es ist davon auszugehen,


dass die soziale Umgebung des Patienten auf dessen Veränderungen zu-
nächst irritiert reagiert. Der Therapeut sollte den Patienten darauf vor-
bereiten und ihn ermuntern „durchzuhalten“. Im Einzelfall kann es hilf-
reich sein, die unmittelbare soziale Umgebung des Patienten in die Thera-
pie mit einzubinden, um ungewollt stabilisierende Verstärkersysteme zu
identifizieren und zu verändern.

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Psychodynamische Therapien setzen störungsorientierte Modifikationen
der psychoanalytischen und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
ein und verfolgen generell Veränderungsstrategien, die weniger auf unbe-
wusste Konflikte sondern mehr auf die Persönlichkeitsstruktur und typi-
sche maladaptive Verhaltensmuster bezogen sind. Dabei verfolgen sie Kon-
zepte, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufweisen. Grundsätzlich
geht es um die Identifikation und Bearbeitung von dysfunktionalen Bezie-
hungs-, Erlebens- und Verhaltensmustern im Hier-und-Jetzt der therapeuti-
schen Beziehung und um Prozesse der Übertragung und Gegenübertragung
zwischen Therapeut und Patient. Im psychodynamischen Fokus stehen ent-
weder mehr eingeschränkte Fähigkeiten zur Selbst- und Beziehungsregula-
tion oder durch Identitätsstörung abgespaltene, verzerrte Objektbeziehun-
gen und die damit verbundenen Affekte oder aber die Unfähigkeit, eigene
innere Prozesse und die anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen
(z. B. Mentalisierungsschwäche) sowie darüber zu reflektieren. Das Vorge-
hen ist in den psychodynamischen Therapien jedoch weniger strukturiert
als bei der kognitiv-behavioralen Therapie.
54 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

z Externe Bedingungen. Psychodynamische Therapieansätze beachten und


berücksichtigen auch externe Bedingungen, sind jedoch eher zurückhal-
tend im Einsatz direktiver Vorgehensweisen. Es wird jedoch auf in der The-
rapievereinbarung getroffene Absprachen Bezug genommen, wenn das Le-
ben des Patienten oder das Fortbestehen der Therapie gefährdet sind oder
wenn der Patient aufgrund seiner eingeschränkten Fähigkeiten der Selbst-
und Beziehungsregulation und praktischen Lebensbewältigung nicht in der
Lage ist, selbst Lösungsstrategien für aktuelle Probleme zu entwickeln. Um
den Patienten in dieser Entwicklung zu unterstützen, werden in bestimm-
ten Therapieansätzen Klärungen, Konfrontationen und Deutungen seines
konkreten Verhaltens, Erlebens und seiner inneren Abbilder vom Selbst
und wichtigen anderen („Repräsentanzen“) eingesetzt. In anderen Ansätzen
unterstützt der Therapeut den Patienten dadurch, dass er dessen fehlende
oder eingeschränkte Fähigkeiten quasi stellvertretend vorübergehend über-
nimmt.

z Akzentuierte Wahrnehmung, Interpretationen, Denk-, Erlebens- und Bezie-


hungsmuster des Patienten. Es wird davon ausgegangen, dass Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen zu einem großen Teil durch frühere negative Be-
ziehungserfahrungen geprägt sind, die zu Einschränkungen in der Selbst-
und Objektwahrnehmung, der Impulssteuerung, der Kommunikations- und
Bindungsfähigkeit führen und sich auf die zwischenmenschliche und ins-
besondere auch auf die therapeutische Beziehungsgestaltung auswirken.
Mit dem Fokus auf die interpersonelle Psychodynamik ist die aktuelle Be-
ziehung zum Therapeuten von zentraler Bedeutung, da sich hier dysfunk-
tionale, maladaptive Verhaltens- und Erlebnismuster des Patienten, Störun-
gen seiner Identität und Abwehrmechanismen manifestieren, die gleichsam
„online“ identifiziert und einer Bearbeitung unmittelbar zugänglich ge-
macht werden können.
Es wird darauf abgezielt, widersprüchliche, fragmentierte und nicht ver-
bundene innere Bilder vom Selbst und wichtigen anderen zu integrieren
bzw. das Verstehen eigener und fremder intrapsychischer Prozesse zu
fördern. Dabei kommen entweder klärende, konfrontierende und deutende
Techniken oder aber die zeitweise Übernahme eingeschränkter Funktionen
des Patienten durch den Therapeuten zum Einsatz. Das Ziel ist die Ent-
wicklung einer realistischen, differenzierten und gestalthaften Wahrneh-
mung des Selbst und anderer Menschen, was als eine entscheidende Vo-
raussetzung für eine gelingende Beziehungsgestaltung angesehen wird.

z Akzentuierte Handlungstendenzen und Verhaltensrepertoire. Aus psycho-


dynamischer Sicht wird davon ausgegangen, dass nicht in erster Linie das
Erarbeiten einer alternativen Verhaltensstrategie zur Persönlichkeitsverän-
derung führt, sondern dass die Fähigkeit zum Reflektieren und Neubewer-
ten der zugrunde liegenden Probleme des Verhaltens und Erlebens die Vo-
raussetzungen für nachhaltige Veränderung schafft. Es wird also nicht ge-
fragt: „Wie könnten Sie sich in dieser Situation anders verhalten?“ sondern
vielmehr: „Wie können wir verstehen, dass Sie sich in dieser Situation so
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 55

verhalten haben?“. Die eigentliche therapeutische Arbeit setzt dann an den


bereits diskutierten Denk-, Erlebens- und Beziehungsmustern und an den
korrigierenden kognitiven und emotionalen Erfahrungen mit neu erschlos-
senen Veränderungsmöglichkeiten an.

z Manifeste Verhaltens- und Interaktionsmuster. Im Mittelpunkt stehen die


Interaktionsmuster, wie sie in der Therapiesitzung in der Beziehung zum
Therapeuten, in der Interaktion und in der Übertragung sichtbar werden.
Dabei wird zunächst versucht, die Übertragungsmuster zu identifizieren,
um diese anschließend gemeinsam mit dem Patienten analysierend verste-
hen zu können. Zum Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit wird das ma-
nifeste Verhalten in allen psychodynamischen Ansätzen allerdings immer
dann, wenn es zu einer Bedrohung für das Leben des Patienten bzw. ande-
rer Menschen wird oder wenn es das Fortbestehen der Therapie gefährdet.
Einige Therapieansätze orientieren sich an einer hierarchischen Aufstellung
von risikoreichen Verhaltensweisen des Patienten, die in der Behandlung
vom Therapeuten direkt thematisiert werden sollen, um eine Gefährdung
des Patienten und der Therapie zu verhindern. Andere Ansätze arbeiten
mit weniger formalisierten Vorgaben, verzichten jedoch keineswegs auf eine
aktive Strukturierung und Grenzsetzung in bedrohlichen Situationen.

z Umsetzung der Veränderungen unter Alltagsbedingungen. Es wird mit dem


Patienten erkundet, wann, wo und wie er neue Verhaltensstrategien erprobt
und davon profitiert. Erfolgt die Umsetzung der Veränderungen im Alltags-
leben des Patienten jedoch nicht, so wird diese Vermeidung vom Therapeu-
ten thematisiert, damit der Patient sein Erleben und Handeln im äußeren
Umfeld durch den Austausch- und Verstehensprozess in der Therapie bes-
ser und nachhaltiger integrieren kann.

z Spezifische Reaktionen des sozialen Umfeldes. In psychodynamischen The-


rapiekonzepten hat das soziale Umfeld für den Therapieprozess und die
Umsetzung von den in der Behandlung entwickelten neuen Erlebens- und
Verhaltensmustern hohe Relevanz, wobei weniger direkt auf der Verhaltens-
ebene interveniert wird. Eine gute Kooperation mit anderen Personen und
Einrichtungen aus dem sozialen Umfeld des Patienten (Mitglieder der Fa-
milie, Partner, Familienhelfer, Sozialarbeiter, Bewährungshelfer und Fach-
ärzte) wird stets hergestellt und schon im Behandlungsvertrag mit dem Pa-
tienten vereinbart.

3.1.1.7 Super- und Intervision

Berücksichtigt man die Besonderheit und die Bedeutung der therapeuti-


schen Beziehung in der therapeutischen Arbeit mit persönlichkeitsge-
störten Patienten, so wird offensichtlich, dass Super- oder Intervision ein
integraler Bestandteil der Therapie sein sollte. Wie oben ausgeführt, steht
der Therapeut vor der Herausforderung, eine Balance zwischen Erfüllung
56 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

und Irritation der interaktionellen Erwartungen des Patienten an den The-


rapeuten zu finden. Je nach Belastungsfaktoren, die auf den Patienten ein-
wirken, sollte der Therapeut flexibel in seinen Beziehungsangeboten reagie-
ren können. Da wir davon ausgehen, dass selbst sehr gut ausgebildete The-
rapeuten dazu tendieren, auf Dauer den komplementären Beziehungsange-
boten der Patienten zu entsprechen bzw. ihre Gegenübertragungen nicht
vollständig reflektieren können und dadurch Gefahr laufen, den Verände-
rungsprozess zu verzögern, dient die kollegiale Super- oder Intervision als
korrektive Instanz.
Supervisoren aller Schulen greifen heute zunehmend auf die Möglichkei-
ten der Audio- und Videotechnik zu, da die Möglichkeit einer detaillierten
Verhaltensbeobachtung von Patient und Therapeut zur Therapiesteuerung
herangezogen werden kann.
Alle unter experimentellen Bedingungen erhobenen Evidenz-Nachweise
von psychotherapeutischen Verfahren zur Behandlung von Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen wurden unter supervidierten Bedingungen durch-
geführt. Es existiert daher, pointiert formuliert, kein Nachweis, dass Psy-
chotherapie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen ohne Supervision
wirksam ist. Die Kostenträger sollten daher die Finanzierung der Super-
vision in angemessenem Rahmen gewährleisten.

3.1.2 Psychopharmakotherapie
Überlegungen zu Evidenz-basierten psychopharmakologischen Interven-
tionen bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen stoßen in mehrfacher
Hinsicht auf schwierige Fragen, die bisher allenfalls orientierend beantwor-
tet werden können. Diese betreffen:
z das Behandlungsrationale medikamentöser Ansätze bei Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen
z die Bewertung der vorliegenden empirischen Literatur zur Pharmakothe-
rapie unter dieser Indikationsstellung für Leitlinien zu einer Behandlung
unter Routineversorgungsbedingungen
z das Problem einer häufig konfliktreichen Medikamenteneinnahme
z die Herausforderung einer Integration des psychopharmakologischen
Ansatzes in einen Gesamtbehandlungsplan mit der Abstimmung von
psychotherapeutischen Interventionen einerseits und pharmakologischen
Interventionen andererseits, die häufig durch mehrere Therapeuten
durchgeführt werden.

3.1.2.1 Behandlungsrationale für Medikamente bei Patienten


mit Persönlichkeitsstörungen

Die psychiatrische Forschung zeigt, dass auch bei Persönlichkeitsstörungen


grundlegende neurobiologische Auffälligkeiten z. B. Dysfunktionen in di-
versen Neurotransmittersystemen bestehen können, die innerhalb eines
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 57

multifaktoriellen Störungsmodells im Hinblick auf typische psychopatholo-


gische Syndrome diskutiert werden. Für den Einsatz von Psychopharmaka
lassen sich vor allem zwei Modelle anführen:
1. Psychopharmaka beeinflussen bestimmte dimensionale Merkmale bzw.
Symptom-Cluster bei einer Persönlichkeitsstörung. Diese Symptomclus-
ter repräsentieren distinkte psychopathologische Dimensionen z. B. kog-
nitiv-perzeptive Organisation, Dissoziation, Impulsivität/Aggressivität,
affektive Instabilität, Ängstlichkeit/Hemmung. Diese sind mit biologi-
schen Dispositionen korreliert, die wiederum besondere Relationen zu
einzelnen Neurotransmittersystemen erkennen lassen. Diese Symptom-
cluster liegen jenseits diagnostisch-kategorialer Abgrenzungen sowohl
bei unterschiedlichen Achse-I- als auch Achse-II-Störungen vor und kön-
nen medikamentös beeinflusst werden.
2. Psychopharmaka behandeln die mit einer Persönlichkeitsstörung asso-
ziierten komorbiden Achse-I-Störungen. Eine z. B. im Verlauf einer Per-
sönlichkeitsstörung auftretende depressive Störung sollte in der Regel
durch eine antidepressive Medikation therapiert werden. In diesem Mo-
dell herrscht die Überzeugung vor, dass nach Abklingen der psycho-
pathologischen Symptome der komorbiden Achse-I-Störung die Grund-
züge der Persönlichkeitsstörung wieder hervortreten, die wiederum an-
dere, z. B. psycho- oder soziotherapeutische Maßnahmen erfordern. Indi-
rekt stellt sich hiermit auch die klinisch relevante Frage, inwieweit eine
zugrunde liegende Persönlichkeitsstörung eine bestimmte Achse-I-Stö-
rung kompliziert, inwieweit sich hierdurch ferner die Ansprechbarkeit
auf unterschiedliche psychopharmakologische Strategien verändern kann.

3.1.2.2 Evidenzbasierung einer Psychopharmakotherapie


bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen

In einer pragmatischen Behandlungsperspektive sind es vor allem die im


Krankheitsverlauf häufigen Krisen mit psychopathologischen Zuspitzungen,
die bei Inanspruchnahme psychiatrischer oder notfallärztlicher Einrichtun-
gen einen Behandlungsversuch mit Medikamenten nahe legen. Patienten
mit rezidivierenden suizidalen Handlungen oder Selbstschädigungen, in
massiven Angstzuständen, bei passageren paranoiden Symptombildungen
oder schwerwiegenden Verstimmungen werden in der Routineversorgung
häufig psychopharmakologisch behandelt. Unter EbM-Gesichtspunkten
muss hierzu allerdings angemerkt werden, dass diese Notfallsituationen ty-
pische Ausschlusskriterien für die Durchführung von kontrollierten Studien
sind, dass also gerade für diese schwierigen Behandlungssituationen keine
empirisch gestützten Behandlungsempfehlungen verfügbar sind.
In einer Fortführung spezifischer psychopharmakologischer Ansätze
über akute Krisensituationen hinaus kann festgehalten werden, dass die
Anzahl randomisierter und kontrollierter Studien bei den unterschiedlichen
spezifischen Persönlichkeitsstörungen nach wie vor relativ gering ist, die
Outcome-Kriterien zumeist nur Symptom-bezogene Variablen, sehr viel
58 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

seltener aber Maße der globalen und spezifischen psychosozialen Anpas-


sung inkludieren. Insbesondere muss kritisch bedacht werden, dass
z die in einzelnen Studien eingeschlossenen Patienten sehr selten die An-
zahl von 50 übersteigen. Hieraus resultieren mögliche unterschiedliche
Evidenzgrade für einzelne Strategien, werden beispielsweise die Kriterien
der WFSBP (Herpertz et al. 2007) jenen nach Chambless u. Hollon
(1998), Segal et al. (2001) oder Ärztliche Zentralstelle für Qualitätssiche-
rung (2003) gegenübergestellt. Letztere Bewertungsansätze berücksichti-
gen nicht die Anzahl der in den Studien inkludierten Patienten und
kommen tendenziell zu günstigeren Einstufungen.
z eine z. T. bedeutsame Drop-out-Quote die Aussagen aus Studien weiter
einschränken.
z Direktvergleiche zwischen verschiedenen medikamentösen Strategien
höchst selten empirisch untersucht worden sind, eine differenzielle Be-
wertung also im Einzelfall nur unter klinischen Aspekten getroffen wer-
den kann.
z derzeit fast ausschließlich Studien für eine Behandlungsdauer von weni-
gen Wochen und Monaten vorliegen, also keine Evidenz-basierten Emp-
fehlungen für eine Langzeittherapie gegeben werden können.
z die üblichen Ein- und Ausschlusskriterien für psychopharmakologische
RCTs zu einer sehr eng definierten Studienpopulation führen, die nicht
identisch mit jener Inanspruchnahmepopulation unter psychiatrischen
Routineversorgungsbedingungen ist. Vor allem für Patienten mit suizida-
len oder parasuizidalen Krisen sowie mit klinisch relevanten psychi-
schen und somatischen Komorbiditäten sind Extrapolationen aus den
vorliegenden Studien nur sehr eingeschränkt möglich.

Eine empirische Datenbasis, die zumindest orientierende Richtlinien für


den Einsatz von psychopharmakologischen Substanzen erlaubt, existiert für
einzelne spezifische Persönlichkeitsstörungen aus den Clustern A, B und C:
z Aus dem Cluster A liegen Studienergebnisse für die schizotypische
Persönlichkeitsstörung vor, die nosologisch innerhalb eines Spektrums
schizophrener Psychosen diskutiert wird.
z Aus dem Cluster B liegen speziell für die Patientengruppe mit Border-
line-Persönlichkeitsstörungen mehrere offene, kontrollierte Studien und
auch RCTs zum Einsatz symptom-/syndrom-orientierter Psychopharma-
kaklassen vor.
z Patienten mit Persönlichkeitsstörungen aus dem Cluster C sind hinsicht-
lich überzeugender psychopharmakologischer Interventionen bisher nur
sehr unzureichend untersucht worden. Eine Ausnahme bildet der medi-
kamentöse Ansatz bei der ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeits-
störung. Das Behandlungsrationale stützt sich hier im Wesentlichen auf
Befunde zu empirischen Untersuchungen bei der generalisierten sozialen
Phobie.
3.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien z 59

3.1.3 Kombination von Psychotherapie und Psychopharmakotherapie

Eine Behandlung mit Psychopharmaka verweist selbst bei bescheiden ge-


wählten Therapiezielen immer auf den Kontext der Arzt-Patienten-Bezie-
hung. Diese ist supportiv zu gestalten und soll zu konstruktiven Lern-
schritten motivieren. Die impliziten Bedeutungen einer Medikation sind
für Patienten und Therapeuten in einer aktuellen therapeutischen Bezie-
hung von grundlegender Relevanz.
Bereits zu Beginn einer Behandlung, d. h. auch bei Einleitung einer spe-
zifischen Psychotherapie, sollte mit dem Patienten die Möglichkeit eines
psychopharmakologischen Ansatzes erörtert werden. Bei einer späteren
Entscheidung für Medikamente darf nicht vermittelt werden, dass hiermit
ein Rückzug aus einem gesprächs- und/oder handlungsorientierten Ansatz
intendiert sei. Es ist notwendig, ein Grundverständnis zu erarbeiten, dass
psychotherapeutische Maßnahmen oft nur greifen können, wenn schwer-
wiegende und beeinträchtigende Symptome in ihrer Intensität durch Medi-
kamente gebessert werden. Es muss mit dem Patienten klar besprochen
werden, welche Beschwerden als Zielsymptome für eine pharmakologische
Intervention identifiziert werden können, welches Medikament mit wel-
chem Therapieziel gegeben werden soll, welche Nebenwirkungen auftreten
können und innerhalb welcher realistischen Zeitspanne das Erreichen oder
aber Verfehlen eines definierten Therapieziels überprüft werden sollte. Oft
ist es wichtig, sich die besonderen psychodynamischen Voraussetzungen
zu verdeutlichen, unter denen ein individueller Patient mit einer bestimm-
ten Persönlichkeitsstörung den Modus der Medikamentenverschreibung er-
lebt, die pharmakologischen Haupt- und Nebenwirkungen verarbeitet und
mit Compliance oder Noncompliance reagiert.

3.1.4 Behandlungsdauer

Zur Behandlungsdauer liegt bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bis


heute keine empirische Evidenz vor. Ambulante Psychotherapiestudien be-
handeln meist für die Dauer von zwei bis drei Jahren mit relativ späten Ef-
fekten. Bei stationären Behandlungen werden schon nach 10 bis 12 Wochen
hohe Responseraten erreicht, die allerdings nur bei anschließender ambu-
lanter Psychotherapie stabilisiert werden können. Insgesamt legt die Daten-
lage nahe, dass psychotherapeutische Behandlungen bei Patienten mit Per-
sönlichkeitsstörungen länger dauern als beim Durchschnitt psychiatrischer
Behandlungen und die derzeitig gewährte Stundenzahl im Rahmen der
Richtlinien-Psychotherapie nicht ausreichend ist.
Psychopharmakologische Behandlungen orientieren sich meist nur an 6
bis 12 Wochen Behandlung, selten werden 6 Monate erreicht. Aus klini-
scher Expertise wird der Rat eines mindestens dreimonatigen Behand-
lungsversuchs gegeben, verbunden mit der Empfehlung des Absetzens bei
fehlendem Behandlungseffekt zwecks Vermeidung einer Polypharmazie.
60 z 3 Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

3.1.5 Verlaufskontrolle

Grundsätzlich sollte man davon ausgehen, dass Behandlungsverlauf und


-erfolg psychischer Störungen so weit als möglich operationalisiert erfasst
werden sollte. Auch für das Gebiet der Persönlichkeitsstörungen liegen
mittlerweile Erhebungsinstrumente vor, die sich in drei Kategorien gliedern
lassen:
1. Kategoriale Instrumente, die erfassen, ob die jeweiligen DSM-IV-Krite-
rien einer Persönlichkeitsstörung nach Behandlung persistieren oder
nicht. Obgleich diese Instrumente in gut publizierten Studien ange-
wandt werden, so ist klinische und auch wissenschaftliche Validität der
gewonnenen Erkenntnis jedoch sehr kritisch zu sehen.
2. Dimensionale spezifische Instrumente: Für einige Persönlichkeits-
störungen liegen mittlerweile Instrumente vor, die den jeweiligen Aus-
prägungs- und Schweregrad der Störung erfassen und ausreichend spe-
zifisch bzw. sensitiv für Veränderungen sind.
3. Dimensionale unspezifische Instrumente: Hierunter fallen zum einen
Fragebögen, welche z. B. dysfunktionale Kognitionen oder Störungen
der zwischenmenschlichen Beziehungen erfassen. Zum anderen können
auch störungsübergreifende Fragebögen wie der SCL-90 herangezogen
werden.

Unabhängig vom Einsatz operationalisierter Instrumente hat es sich in der


klinischen Praxis bewährt, zu Behandlungsbeginn klar definierte, realisti-
sche Behandlungsziele mit dem Patienten abzustimmen, diese in einen zeit-
lichen Kontext zu stellen, um damit die therapeutischen Prozesse einer ge-
meinsamen Überprüfung zu öffnen.
4 Behandlungsprinzipien
bei den einzelnen
Persönlichkeitsstörungen

4.1 Behandlungsprinzipien
bei Schizotypischer Persönlichkeitsstörung
4.1.1 Klinische Einführung
Menschen mit einer Schizotypischen Persönlichkeitsstörung (STPS) wirken
oft sonderlingshaft, seltsam, berichten über magisches Denken und zeigen
kognitive Auffälligkeiten. Diese Symptome, die einen fließenden Übergang
zu paranoiden Befürchtungen aufweisen, führen zu erheblichen Schwierig-
keiten im zwischenmenschlichen Kontakt. Individuen mit schizotypischen
Persönlichkeitszügen tendieren dazu, das Verhalten anderer und auch eige-
nes Verhalten argwöhnisch zu beobachten und negativ bzw. als gegen sich
selbst gerichtet zu bewerten. Ihre interpersonellen Probleme resultieren
weiterhin aus Defiziten in der sozialen, insbesondere Emotionswahrneh-
mung und aus einer hohen sozialen Ängstlichkeit.
Es gibt empirische Evidenz dafür, dass die DSM-IV-Kategorie der STPS
eine Erkrankung aus dem schizophrenen Spektrum ist. Dies führte zur
Klassifizierung eines symptomatologisch ähnlichen Störungskonzeptes,
nämlich der schizotypen Störung, im Bereich der psychotischen Störungen
in der ICD-10-Klassifikation: Neben dem erhöhten Risiko, an einer Schizo-
phrenie zu erkranken, zeigen sich z. B. neurophysiologische Auffälligkeiten
und Defizite in den exekutiven Funktionen des Arbeitsgedächtnisses sowie
in der Daueraufmerksamkeit.

4.1.2 Psychotherapie
4.1.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung
Mit Hilfe einer detaillierten Problemanalyse werden die gegenwärtigen so-
zialen Lebensumstände, aber auch konkrete Situationen analysiert und die
spezifischen, oft merkwürdig anmutenden Kognitionen und Denkmuster
identifiziert. Besonders herauszuarbeiten sind auch die daraus resultieren-
den Verhaltensweisen der Umgebung und überdauernde Beziehungsmuster
im zwischenmenschlichen Bereich.
In einer Studie an betroffenen Patienten mit STPS zeigten sich – wie bei
Patienten mit schizophrener Störung – erhebliche Defizite in den sozialen
62 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Fertigkeiten. In erster Linie war die Fähigkeit zur Emotionserkennung, ins-


besondere positiver Emotionen reduziert, verbunden mit mangelhaften so-
zialen Kompetenzen im Rollenspiel (Waldeck & Miller 2000). Daher er-
scheint es Erfolg versprechend, die Fähigkeit zur Emotionserkennung und
andere soziale Fertigkeiten bei diesen Patienten zu trainieren.
Es werden gemeinsam mit dem Patienten die Rahmenbedingungen
(Dauer, Stationsregeln, Wochenendbeurlaubungen, Videoaufzeichnung und
Supervision der Therapien, konkrete Therapieziele) der psychotherapeuti-
schen Behandlung besprochen.

4.1.2.2 Therapeutische Beziehung

Aufgrund der hohen Empfindsamkeit dieser Patienten und ihrer Tendenz


zum sozialen Rückzug in zwischenmenschlichen Überforderungssituatio-
nen ist es vor allem zu Beginn der Therapie wichtig, eine tragfähige thera-
peutische Beziehung aufzubauen. Hierbei hat sich eine vorsichtige, zuver-
lässige und v. a. transparente Haltung bewährt, die die Grenzen des Patien-
ten in Bezug auf das Aushalten von Nähe respektiert und ihn gleichzeitig
ermutigt, durch empathisch-vorurteilsfreies Zuhören über sein inneres Er-
leben zu berichten.

4.1.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Mit Hilfe von Techniken der kognitiven Umstrukturierung lernen die Pa-
tienten, typische dysfunktionale Annahmen zu hinterfragen und so über
eine verbesserte Realitätskontrolle einen objektiveren Standpunkt einzuneh-
men. Dies kann mit Hilfe von Selbstbeobachtungsbögen oder Gefühlspro-
tokollen erfolgen, bei denen die Patienten im Detail die auslösende Situa-
tion, Gefühle und zugehörige Gedanken, aber auch das daraus resultieren-
de Verhalten, verbunden mit den nachfolgenden Konsequenzen schriftlich
erarbeiten. Aufgrund ihrer Schwierigkeiten in der Diskrimination sozialer
Signale wird es im Weiteren um unterschiedliche Strategien der Überprü-
fung der Realität gehen. Interaktionen werden analysiert und die damit
verbundenen kognitiven Interpretationen an der Realität geprüft. Betroffe-
ne lernen auf diese Weise, sich durch kontinuierliches Hinterfragen und
Aufklären häufiger zwischenmenschlicher Missverständnisse im sozialen
Kontakt wohler zu fühlen und damit Gefühle von sozialer Isoliertheit und
Ängstlichkeit abzubauen. Darüber hinaus kann die soziale Wahrnehmung
mit Hilfe von spezifischen Übungsprogrammen zur fazialen Emotions-
erkennung trainiert werden (s. Frommann et al. 2003). Die während der
Therapie erlangten neuen Strategien müssen während der Ausgänge und
Wochenendbeurlaubungen – nach vorbereitenden Rollenspielen – unter
Alltagsbedingungen erprobt und eingeübt werden. Spezifischere zwischen-
4.1 Behandlungsprinzipien bei Schizotypischer Persönlichkeitsstörung z 63

menschliche Fertigkeiten können im Rahmen eines manualisierten sozialen


Kompetenztrainings eingeübt werden, in dem die Patienten mit Hilfe von
Rollenspielen wichtiges Beziehungsverhalten lernen und üben können.
Auch Strategien zum Umgang mit sozialer Unsicherheit oder Angst wie
z. B. Selbstberuhigung, Ablenkung sowie Expositionsverfahren zum Abbau
sozialer Ängste haben sich in der Therapie von Prodromalstadien schizo-
phrener Erkrankungen bewährt und dürften auch in der Therapie der schi-
zotypischen Persönlichkeitsstörung Erfolg versprechend sein. Die Erarbei-
tung eines detaillierten Krisenplans in Phasen erhöhter Stressbelastung ist
hilfreich, um alternative Bewältigungsstrategien zu erlernen. Computer-
gestütztes kognitives Training zur Verbesserung von Konzentration und
Merkfähigkeit kann die selbst wahrgenommenen Konzentrationsstörungen
verbessern. Die zuletzt genannten Strategien haben sich in der Prophylaxe
psychotischer Störungen in klinischen Beobachtungen als hilfreich erwie-
sen (Bechdolf et al. 2003).
Unter der Konzeptionalisierung der STPS als schizophrene Spektrum-
erkrankung werden hier Daten zur Wirksamkeit integrierter psychothera-
peutischer Programme in Prodromalstadien schizophrener Störungen he-
rangezogen. Bechdolf et al. (2003) entwickelten ein kognitiv-behaviorales
Frühinterventionsprogramm für psychoseferne Prodrome in Einzel- und
Gruppensitzungen mit psychoedukativen Ansätzen, Stressbewältigungstech-
niken, computergestütztem kognitiven Training sowie sozialem Kompetenz-
training. Auch wenn in offenen Studien eine Verbesserung präpsychoti-
scher Symptome zu beobachten war und ein sozialer Abstieg verhindert
werden konnte (Bechdolf et al. 2006), so konnten signifikante Vorteile ge-
genüber einer unterstützenden Beratung in einer randomisiert kontrollier-
ten Multicenter-Studie im Hinblick auf die soziale Anpassung der Patienten
nach einer 12-monatigen Therapie nicht gesichert werden (Bechdolf et al.
in press). Es existieren jedoch Wirknachweise zu Programmen zur Verbes-
serung der Emotionserkennung (training of affect recognition: TAR) in die
Psychotherapie schizotypischer Patienten. In einer Studie an 77 postakuten
schizophrenen Patienten gelang der Nachweis signifikanter Verbesserungen
der Emotionswahrnehmung nach Durchlaufen eines 12 Sitzungen umfas-
senden computergestützten Trainings (Wolwer et al. 2005).

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Psychodynamische Therapieansätze heben die Notwendigkeit der Bearbei-
tung der Übertragungsbeziehung und die Konfrontation des Patienten mit
einem realen Gegenüber hervor. So können Missverständnisse geklärt wer-
den und der Patient kann im Schutz einer tragfähigen Beziehung die kor-
rektive Erfahrung machen, dass Nähe nicht immer bedrohlich sein muss
(Rhode-Dachser 1986). Empirische Daten zur Wirksamkeit liegen nicht vor.
64 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

z Psychoedukation
Bei der Psychoedukation ist besonderes Augenmerk auf die Identifikation
auslösender Faktoren wie z. B. Stress oder anderer psychosozialer Belastun-
gen zu legen, damit die Patienten die Zuspitzung ihrer aktuellen Schwierig-
keiten einordnen und verstehen können. Hier sollte auf die erhöhte Vulne-
rabilität und die Gefahr der psychotischen Dekompensation unter Stress-
belastung eingegangen werden und die Persönlichkeitsstörung als im Be-
reich des schizophrenen Spektrums liegende Erkrankung erläutert werden.
Im Falle der Entscheidung für eine Medikation können deren Wirkungs-
weise und Zielsymptome erklärt und über die Notwendigkeit der regelmä-
ßigen Einnahme aufgeklärt werden. Mit Hilfe von psychoedukativen Strate-
gien werden die Betroffenen zu Experten ihrer Störung und damit in die
Lage versetzt, ihren wichtigen Bezugspersonen die eigenen zwischen-
menschlichen Schwierigkeiten zu erklären und in Zukunft in Stressphasen
präventive Strategien anwenden zu können.
Eine randomisierte klinische Studie an Patienten mit STPS konnte für
die „integrierte Behandlung“, bei der Psychoedukation in der Gruppe ein
wesentliches Therapieelement darstellte, im Vergleich zur Standardbehand-
lung signifikant niedrigere Übergangsraten in eine psychotische Störung
nachweisen: Nach einem Jahr „integrierter Behandlung“ erfüllten nur 8,1%
von 37 Patienten die Kriterien einer psychotischen Störung, während unter
Standardtherapie 25% der Betroffenen eine Psychose entwickelt hatten. Im
zweiten Jahr der Untersuchung war der Unterschied mit 25% zu 48,3% im-
mer noch signifikant (Nordentoft et al. 2006). Dies stellt einen Evidenzgrad
II a für die Wirksamkeit von Psychoedukation auf die Verhinderung eines
Übergangs in eine psychotische Störung dar; zur Wirksamkeit auf Sympto-
me der schizotypischen Persönlichkeitsstörung oder des allgemeinen Funk-
tionsniveaus liegen keine Daten vor.

4.1.3 Psychopharmakotherapie

Es gibt nur sehr wenige pharmakologische Behandlungsstudien bei der


STPS. Eine placebo-kontrollierte Doppelblindstudie (Königsberg et al. 2003)
an 23 betroffenen Patienten (N=14 Risperidon, N=9 Placebo) zeigte unter
geringen Dosen Risperidon (0,5–2,5 mg/d) eine Verbesserung hinsichtlich
der Positiv- und Negativsymptomatik auf der PANSS, nicht aber hinsicht-
lich depressiver Symptomatik. Es finden sich weitere offene Studien mit
atypischen Neuroleptika, die Wirksamkeit anzeigen. Hier ist z. B. eine Un-
tersuchung an 11 Patienten zu nennen, die unter Gabe einer flexiblen Olan-
zapin-Dosis signifikante Verbesserungen der psychotischen und depressi-
ven Symptome sowie eine Erhöhung der generellen Funktionsfähigkeit zei-
gen konnte (Keshavan et al. 2004). Insgesamt liegen also mögliche Hinweise
auf die Wirksamkeit von atypischen Neuroleptika, insbesondere Risperi-
don vor (Evidenzgrad II a). Auch offene Studien mit niedrigen Dosen klas-
sischer Neuroleptika wie Haloperidol und Thioxanthene zeigten eine Ver-
4.1 Behandlungsprinzipien bei Schizotypischer Persönlichkeitsstörung z 65

besserung der Symptomatik (Evidenzgrad III). Im Gegensatz dazu gibt es


keine empirische Evidenz für die Behandlung schizotypischer Symptomatik
mit Antidepressiva.

4.1.4 Behandlungsdauer
Zur Frage der Behandlungsdauer liegen keine empirischen Daten vor. Aty-
pische und niedrig dosierte klassische Neuroleptika können sowohl in kri-
senhaften Zuspitzungen für eine begrenzte Zeit als auch als Langzeitthera-
pie eingenommen werden. Letzteres ist insbesondere Patienten mit hohem
Risiko des Übergangs in eine schizophrene Erkrankung anzuraten. Psycho-
therapeutische Behandlungsprogramme beziehen sich gewöhnlich auf eine
begrenzte Behandlungszeit und können bei Bedarf wiederholt und ausge-
baut werden.

4.1.5 Verlaufskontrolle

Für die Verlaufskontrolle kann die für die Erhebung schizophrener Sympto-
me sehr verbreitete und auch in deutscher Fassung vorliegende Positive
and Negative Symptom Scale (PANSS) auch bei der schizotypischen Per-
sönlichkeitsstörung Verwendung finden. Die Chapman Schizotypy Scales
mit ihren Subskalen Wahrnehmungsveränderung, Magische Ideen und An-
hedonie dagegen sind für die Verlaufskontrolle nicht evaluiert, sondern
wurden bisher u. a. auch im deutschen Sprachgebrauch (Meyer & Keller
2001) nur in der Diagnostik verwandt.

4.1.6 Zusammenfassung und Ausblick

Es existieren empirische Daten zur Wirksamkeit psychotherapeutischer Be-


handlungen bei der STPS lediglich für Teilaspekte der Störung. So konnte
mittels einer kontrollierten Studie gezeigt werden, dass das Risiko des
Übergangs in eine psychotische Erkrankung mittels einer psychoedukativ
orientierten Psychotherapie vermindert werden kann. Pharmakologisch ist
die Wirksamkeit von atypischen Neuroleptika, besonders Risperidon, ver-
gleichsweise am Besten gesichert mit Verbesserung von Symptomen und
allgemeinem Funktionsniveau. Es bedarf weiterer kontrollierter Studien zur
Wirksamkeit von Psychotherapie und Psychopharmakotherapie, auch über
einen längeren Behandlungszeitraum. Einschränkend ist darauf hinzuwei-
sen, dass in die Behandlungsempfehlungen, wie im Einzelnen dargestellt,
auch Studien in schizophrenen Prodromalstadien eingingen, ein konzeptio-
neller Ansatz, der insbesondere von amerikanischen Kollegen nicht unein-
geschränkt geteilt wird.
66 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.2 Behandlungsprinzipien
bei Paranoider Persönlichkeitsstörung

4.2.1 Klinische Einführung

Hauptmerkmale der Paranoiden Persönlichkeitsstörung (PPS) sind ein si-


tuationsübergreifendes Misstrauen und eine Neigung, neutrale oder gar
freundliche Handlungen anderer als feindselig oder verächtlich zu miss-
deuten. Individuen mit PPS zeichnen sich durch streitsüchtiges und be-
harrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten aus.
Betroffene sind höchst empfindsam gegenüber Zurückweisung und Zurück-
setzung und neigen zu ständigem Groll aufgrund der Weigerung, Beleidi-
gungen, Verletzungen oder Missachtungen zu verzeihen. PPS-Patienten ha-
ben wegen ihrer mangelnden Bereitschaft, anderen zu vertrauen und/oder
bei Konflikten Kompromisse einzugehen, Schwierigkeiten, befriedigende
zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Ei-
ne zunehmende soziale Ausgrenzung und Isolierung ist häufig die Folge
(vgl. Benjamin 1995).
Die Prävalenz der PPS beträgt 0,5–2,5% in der Bevölkerung, 10–30% bei
stationären und 2–10% bei ambulanten psychiatrischen Patienten. Bei PPS
kann es zu kurzen wahnhaften Episoden kommen, sie gehören jedoch nicht
zum Schizophreniespektrum (Akhtar 1990, Webb & Levinson 1993, Hay-
ward 2007).

4.2.2 Psychotherapie

4.2.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

Paranoide Persönlichkeiten begeben sich entsprechend ihrer mangelnden


Bereitschaft, Anderen zu vertrauen und der Tendenz, die Ursachen für ei-
genes Missempfinden bei Anderen zu sehen, nur selten aufgrund ihrer
Persönlichkeitsmerkmale in Behandlung. Zumeist führen andere psychische
Probleme (z. B. Substanzmissbrauch, somatoforme Störungen) oder Lebens-
konflikte in Behandlung.
Mit Hilfe einer detaillierten Problemanalyse werden die gegenwärtigen
sozialen Lebensumstände, aber auch konkrete Situationen analysiert und
die spezifischen, misstrauischen und überempfindlich anmutenden Kogni-
tionen und Denkmuster identifiziert.
Zu Beginn der Behandlung sollte die Übernahme eines „Behandlungs-
auftrages des Patienten“ stehen, z. B. die Beseitigung psychosozialer Kon-
flikte und Stressoren. Die Arbeit an konkreten widrigen Lebensumständen
und den mit ihnen zusammenhängenden persönlichen Missbefindlichkei-
ten setzt keine Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit auf Seiten des Pa-
tienten voraus. Die Suche nach Lösungen für zwischenmenschliche Prob-
4.2 Behandlungsprinzipien bei Paranoider Persönlichkeitsstörung z 67

leme beinhaltet keine direkte Kritik der vorhandenen paranoiden Einstel-


lungen und kann von den meisten Patienten als Therapieziel akzeptiert
werden.

4.2.2.2 Therapeutische Beziehung

Die Herstellung einer tragfähigen Arbeitsbeziehung ist bei PPS erschwert,


da die Patienten auch gegenüber Therapeuten mit Misstrauen und Abwehr
reagieren. Das Misstrauen des Patienten gegenüber dem Therapeuten ist of-
fen zu akzeptieren und im Laufe der Zeit durch transparentes und ver-
ständnisvolles Arbeiten an den vereinbarten Therapiezielen die eigene
Glaubwürdigkeit zu beweisen (Beck et al. 1999). Die günstige Ausgestaltung
der Therapiebeziehung wird auch in der Interpersonellen Therapie als vor-
rangiges Ziel therapeutischer Arbeit angesehen (Salzman 1960). Dies
braucht Zeit. Diese Patienten dürfen nicht gedrängt werden, über heikle
Gedanken und Gefühle zu sprechen, bevor eine ausreichende Vertrauens-
beziehung gewährleistet ist (Bohus et al. 2000). Insbesondere in der An-
fangsphase der Therapie sollte auf konfrontative Strategien verzichtet wer-
den, da sie von Patienten mit PPS als Angriff interpretiert werden.

4.2.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Die wichtigsten Ziele in der Behandlung von Patienten mit PPS sind
z die Klärung und Förderung der Einsicht in das eigene Emotions-, Wahr-
nehmungs- und Reaktionsstereotyp (Linden 2006)
z die Förderung von Bindungskompetenzen und Vertrauen in zwischen-
menschliche Beziehungen (Fiedler 2005), und in der Bedeutung nach-
geordnet
z die Unterstützung bei der Lösung von Alltagsproblemen und der Vermei-
dung eskalierender Schwierigkeiten.

Eine Einsicht in die eigenen Unzulänglichkeiten wird nicht vorausgesetzt,


sondern wird eher im Nebenschluss erarbeitet. Dabei wird durch eine
Selbsteinbringung des Therapeuten dem Patienten die Wahrnehmung der
Dissonanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung ermöglicht. Im Rah-
men einer sachlich bezogenen Konfliktlösung im Alltag geht es um eine
Erhöhung von Vertrauen und selbstkritischer Zurückhaltung des Patienten
in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Im Verlauf der Therapie berät und unterstützt der Therapeut den Patien-
ten darin, wie Krisen und Konflikte im Alltag auf eine befriedigendere Art
gelöst werden können (Fiedler 2003). Es muss die Eigeneffizienz und
Selbstsicherheit des Patienten im Umgang mit zwischenmenschlichen Kon-
fliktsituationen erhöht werden, so dass sich die Einschätzung der Bedro-
68 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

hung von außen zunehmend relativiert. Ist der Aufbau einer tragfähigen
vertrauensvollen therapeutischen Beziehung gelungen, können sekundär
paranoide Kognitionen und vor allem die Tendenz eines paranoiden emo-
tionalen „Empfindens“ selbst zum Gegenstand therapeutischer Analysen
werden. Der Patient muss lernen, seinem Misstrauen zu misstrauen und
seinen paranoiden Kognitionen nicht zu glauben. An deren Stelle muss ei-
ne Realitätsprüfung der Intentionen der Anderen treten. Ziel ist, dass der
Patient erkennt, dass die Welt insgesamt weniger feindselig ist als er es er-
lebt und dass es sowohl gute und gleichgültige als auch böse Menschen
gibt. Entscheidend ist, sich nicht von der eigenen Tendenz zu Misstrauens-
emotionen leiten zu lassen. Wichtig sind auch Expositionsübungen gegenü-
ber Angst vor Kritik und Erniedrigung und zum Abbau von Misstrauens-
affekten (Turkat & Maisto 1985).
Des Weiteren kann die gezielte Schulung der Fähigkeit zum Perspektiv-
wechsel in der Behandlung der PPS hilfreich sein. Sie kann im Rahmen
von Gruppentherapien eingeübt werden. Die Indikation zur Gruppenthera-
pie ist mit hoher Sorgfalt zu stellen und sollte aufgrund hoher Abbruch-
quoten erst im Anschluss oder zu einem fortgeschritteneren Verlauf einer
erfolgreichen Einzeltherapie angeregt werden.
Es liegen kaum empirische Befunde zur Wirksamkeit psychotherapeuti-
scher Behandlungen der PPS vor (vgl. Gabbard 2000). Fallausarbeitungen
von Turkat (1985, 1990, Turkat & Maisto 1985) und klinische Erfahrungen
von Beck et al. (1999) deuten darauf hin, dass die kognitiv-verhaltensthera-
peutischen Behandlungsformen durchaus Erfolg versprechend sind.

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Neben der Etablierung eines therapeutischen Arbeitsbündnisses wird der
Umgang mit den meist aggressiven und zerstörerischen Übertragungen des
Patienten in den Vordergrund gestellt. Ein konfrontatives Vorgehen mit
eventuell latent feindseligen, vorwurfsvollen oder kränkenden Äußerungen
sollte vermieden und von (verfrühten) Übertragungsdeutungen Abstand
genommen werden, da hierdurch die paranoide Haltung des Patienten be-
stätigt wird. Vielmehr sollten die Projektionen des Patienten zunächst an-
genommen werden („containing“) und eine eher akzeptierende und stüt-
zende Haltung eingenommen werden. Erst nach Etablierung einer tragfähi-
gen therapeutischen Beziehung ist dann eine Identifikation und behutsame
Bearbeitung der maladaptiven Beziehungsmuster in der Therapeut-Pa-
tient-Beziehung möglich (Wöller et al. 2002). Wenn – meist in späteren
Therapiephasen – Übertragungsdeutungen eingesetzt werden, sollten sich
diese nicht primär auf die Inhalte des therapeutischen Diskurses, sondern
auf spezifische Beziehungsgefühle wie Schuld, Scham und Ängste des Pa-
tienten beziehen (Freeman & Gunderson 1989).
4.2 Behandlungsprinzipien bei Paranoider Persönlichkeitsstörung z 69

4.2.3 Psychopharmakotherapie

Es gibt keine empirischen Belege für die Wirksamkeit einer Pharmakothe-


rapie bei PPS. Eine Pharmakotherapie bei PPS ist daher an evtl. Zusatz-
symptomen wie Depressivität oder Schlaf- und Stresssymptomen auszu-
richten und nach klinischem Urteil zu bewerten. Im Einzelfall kann dem-
entsprechend der Einsatz von Neuroleptika und bei großer Nähe zu affekti-
ven Störungen Lithium, Carbamazepin oder Antidepressiva erwogen wer-
den (Miller 2001).

4.2.4 Behandlungsdauer

Hierzu liegen keine empirischen Daten vor, allerdings ist von einer länge-
ren, gewöhnlich mehrjährigen Behandlungsdauer auszugehen. Fraktionierte
Behandlungsangebote oder feste Vereinbarung von weiteren Therapie-
gesprächen in größeren Zeitabständen können im Sinne einer Rückfallprä-
vention verhindern, dass die Patienten wieder auf die ihnen vertrauten
Persönlichkeitsmuster zurückgreifen und erneut in Isolation geraten.

4.2.5 Verlaufskontrolle

Störungsspezifische Instrumente zur Verlaufsbeobachtung liegen nicht vor.


Allerdings können entsprechende Instrumente aus der kategorialen und di-
mensionalen Diagnostik Anwendung finden.

4.2.6 Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die kognitiv-verhaltens-


therapeutischen Behandlungsformen durchaus Erfolg versprechend für die
Behandlung der PPS sind. Es gibt keine empirische Evidenz für die Wirk-
samkeit einer Pharmakotherapie bei einer paranoiden Symptomatik.
Weitere empirische Forschung ist dringend notwendig, um die aufgrund
von klinischer Erfahrung und Fallausarbeitungen entwickelten Behandlungs-
programme empirisch abzusichern.
70 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.3 Behandlungsprinzipien bei Schizoider Persönlichkeitsstörung


4.3.1 Klinische Einführung
Menschen mit einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung (SPS) wirken oft
kühl, distanziert, scheu und gelegentlich sogar sonderlich und fallen durch
Einschränkungen in ihrer emotionalen Ausdrucks- und Erlebnisfähigkeit
auf, die zu Schwierigkeiten und Vermeidungstendenzen in den zwischen-
menschlichen Kontakten führen. Das Desinteresse und das geringe Engage-
ment im Aufrechterhalten näherer Beziehungen geht mit unzureichender
Empathie für andere Menschen einher, was bei Bezugspersonen und Part-
nern Enttäuschungen und sogar Ärger und Wut auslösen kann und es
kommt nicht selten zu Beziehungskrisen oder Beziehungsabbrüchen. Bei
den Patienten bestehen häufig Entfremdungsschemata mit Gedanken wie:
„Beziehungen sind immer problematisch, es geht mir besser, wenn ich
mich anderen Menschen fernhalte und mich den damit verbundenen Emo-
tionen nicht aussetze.“
Menschen mit SPS begeben sich nur selten aus eigenem Antrieb in psy-
chotherapeutische oder psychiatrische Behandlung. Die Prävalenz in den
klinischen Populationen ambulanter und stationärer psychiatrischer Patien-
ten von 1,8% ist niedrig (Loranger et al. 1994). In der Allgemeinbevölke-
rung der USA liegt die Prävalenz der SPS zwischen 0,5 und 1,5% (Kalus et
al. 1993). Im Unterschied zur schizotypischen Persönlichkeitsstörung ließen
sich bei der SPS epidemiologisch keine Verbindungen zur Schizophrenie
nachweisen. Differentialdiagnostisch ist eine Abgrenzung gegenüber dem
residualen Typus der Schizophrenie sowie gegenüber der schizotypischen
und der ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung zu beachten.
Hier können nach Herpertz und Wenning (2003) als Unterscheidungskrite-
rien das Ausmaß von Kontaktschwäche, sozialer Isoliertheit und Einzelgän-
gertum herangezogen werden. Eine psychotherapeutische Behandlung wird
eher von Patienten mit weniger stark ausgeprägten schizoiden Merkmalen
aufgesucht, oder wenn es z. B. im Rahmen einer Beziehungskrise zu einer
Depression kommt. Als komorbide Erkrankung tritt am häufigsten eine
Major Depression auf.

4.3.2 Psychotherapie
4.3.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

Gemeinsam mit dem Patienten werden die Rahmenbedingungen der psy-


chotherapeutischen Behandlung besprochen und in einer mündlichen oder
schriftlichen Vereinbarung formuliert. Sie umfasst Informationen über die
Art, die voraussichtliche Dauer und die Modalitäten der Finanzierung der
geplanten Therapie und sollte Klarheit über die Ziele und die gemeinsamen
Verantwortlichkeiten für die Psychotherapie schaffen. Es ist ratsam, den
4.3 Behandlungsprinzipien bei Schizoider Persönlichkeitsstörung z 71

kontaktscheuen Patienten mit SPS in der frühen Phase der Beziehungsauf-


nahme nicht mit zu direktiven Festlegungen zu konfrontieren. In der Regel
findet die ambulante Behandlung im Einzelsetting statt, Gruppentherapie
kann im späteren Verlauf auch in Kombination mit der Einzeltherapie hilf-
reich sein, wobei diese Kombination dem eher selteneren indizierten statio-
nären Setting vorbehalten ist.

4.3.2.2 Therapeutische Beziehung

Vorrangiges Ziel ist das behutsame Herstellen einer vertrauensvollen trag-


fähigen Beziehung, die von einer transparenten Haltung geprägt ist und
die basale Angst vor einer Beziehungsaufnahme berücksichtigt. Gleichzeitig
sollte der Patient durch eine empathische Einstellung des Therapeuten und
vorurteilsfreies Zuhören ermutigt werden, offen über seine Probleme und
sein inneres Erleben zu sprechen. Durch eine hilfreiche therapeutische Alli-
anz kann sich der Patient mit dem Verhalten und den empathischen Antei-
len des Therapeuten identifizieren. In der therapeutischen Beziehung geht
es um die Förderung der Fähigkeit zur Wahrnehmung, zur Differenzierung
und zum Ausdrücken von Emotionen und sich diesen neuen emotionalen
Erfahrungen und Beziehungsangeboten zu öffnen und außerhalb der The-
rapiesitzungen zu erproben.

4.3.2.3 Veränderungsstrategien

Zur Festigung des Arbeitsbündnisses ist eine initiale Informations- und


Motivierungsphase indiziert, in der die Isolation des Patienten, seine einge-
schränkten sozialen Interaktionen und Fertigkeiten analysiert und bearbei-
tet werden (Herpertz & Wenning 2003). Ziel ist, den Wert zwischen-
menschlicher Beziehungen und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten
einer Anpassung an die Umwelt zu erschließen, um auf diese Weise auch
eine Verbesserung der Compliance zu erreichen. Bei sehr kontaktscheuen
und nur wenig introspektionsfähigen Patienten wird sich die Therapie so-
gar überwiegend auf diese psychoedukativen Angebote beschränken.
In einer detaillierten Problemanalyse werden die gegenwärtigen sozialen
Lebensumstände analysiert sowie die spezifischen Kognitionen und Erleb-
nismuster identifiziert. Sucht der Patient mit schizoider Persönlichkeits-
störung die Therapie primär wegen einer Depression auf, ist im weiteren
Verlauf der Behandlung zu klären, ob es ihm vorrangig nur um eine Ver-
minderung der depressiven Verstimmung geht oder ob er sich auch auf
eine Therapie seiner schizoiden Persönlichkeitszüge und Verhaltensweisen
einlassen kann.
Es hat sich als günstig erwiesen, aufmerksam und feinfühlig mit dem Pa-
tienten den therapeutischen Kontakt in kleinen Schritten aufzubauen, sich
aber nicht zu sehr und zu lang von seinen Distanzierungsbestrebungen
und der Angst vor Nähe im therapeutischen Vorgehen bremsen zu lassen.
72 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Als „Brücke“ wird empfohlen, an die Distanzierungs- und Selbstschutz-


bemühungen des Patienten anzuknüpfen, Tagesprotokolle und Tagebuch-
aufzeichnungen anfertigen zu lassen und zu besprechen sowie briefliche
Kontakte oder auch Kontakte über E-mail zu akzeptieren. Zunächst ist es
sinnvoll, eher eine sachlich orientierte und adaptative der individuellen
Problematik des Patienten angemessene Form der Kommunikation und Nä-
he-Distanz-Regulierung zu finden. Erst im weiteren Verlauf der Therapie
sollte eine stärkere Fokussierung und Förderung des Beziehungs- und Af-
fekterlebens und der Empfindung von Empathie für sich selbst und Andere
erfolgen. Gelegentlich wird sich das Therapieziel bei schizoiden Persönlich-
keiten auf eine Akzeptanz und bessere Gestaltung des Alleinseins beschrän-
ken müssen.

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
In verhaltenstherapeutischen Therapiemodellen werden die Schwierigkeiten
im Umgang mit gefühlvollen Beziehungen als Folge von Lerndefiziten inter-
pretiert, aufgrund einer fortdauernden Vermeidung von zwischenmensch-
lichen Konflikten. Konzeptuelle Ansätze in der Verhaltenstherapie fokussie-
ren vor allem einen auf die spezifischen Einstellungen, Schemata und Modi
des Patienten abgestimmten Zugang, der auf das Erstellen von Protokollen
über dysfunktionale Gedanken, Stärkung der sozialen Fähigkeiten und
Wahrnehmungsübungen ausgerichtet ist (Beck & Freeman 1999, Young et
al. 2005).
Behandlungstechnisch werden zu Beginn Protokolle über dysfunktionale
und oft automatisch ablaufende Gedanken und die damit verbundenen
Gefühle erstellt und durchgearbeitet. Die Funktionalität der Gedanken wird
in Situationsanalysen an konkreten Beispielen untersucht. Zur Veränderung
der dysfunktionalen Einstellungen werden ein Spektrum von Techniken wie
Disputation, Rollenspiele, Verhaltensexperimente oder Imaginationsübun-
gen eingesetzt. Die Stärkung sozialer Fähigkeiten erfolgt im Rahmen eines
sozialen Kompetenztrainings und von Gruppenangeboten, in denen Rollen-
spiel und in-vivo-Übungen eingesetzt werden. Weiterhin sind Wahrneh-
mungsübungen über die Atmung und Achtsamkeitsübungen hilfreich zur
Verbesserung der Sensorik und der Körperwahrnehmung. Ein gleichzeiti-
ges Therapieangebot im Einzel- und Gruppensetting kann eine sich gegen-
seitig unterstützende Wirkung entfalten.

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Aus psychodynamischer Sicht basiert die Entwicklung einer schizoiden
Persönlichkeit mit ihrer typischen Abwehr naher und intimer zwischen-
menschlicher Beziehungen auf einem Mangel an emotionalen Erfahrungen
in der frühen Mutter-Kind-Beziehung. Da aus selbstpsychologischer Sicht
(Kohut 1979) die Entwicklung des Selbst nur in der dyadischen Beziehung
und über den Austausch von Emotionen erfolgen kann, bekommt die the-
rapeutische Beziehung eine vorrangige Bedeutung für die Entwicklung
4.3 Behandlungsprinzipien bei Schizoider Persönlichkeitsstörung z 73

noch nicht zugänglicher, abgewehrter emotionaler Bedürfnisse. Nach Kern-


berg (1998) weisen schizoide Patienten die Charakteristika einer gestörten
Persönlichkeitsorganisation auf, die mit Identitätsdiffusion, Spaltung der
internalisierten Objektbeziehungen und Dominanz unreifer Abwehrmecha-
nismen einhergeht. Im Unterschied zur Borderline-Persönlichkeit spielt sich
die Problematik bei der schizoiden Persönlichkeit aufgrund ihrer Tendenz
zur Introversion allerdings mehr in der Fantasie und im Innenleben ab
(Kernberg 1998, Akhtar 1992, Stone 1994). In einer psychodynamischen
Therapie sind die Sicherheits-, Distanz- und Autonomiebedürfnisse des
Patienten zu berücksichtigen und es wird ein eher zurückhaltender Inter-
aktionstil mit vorsichtigem Einsetzen von Deutungen empfohlen. Hilfreich
ist das aufmerksame Beachten der eigenen Gegenübertragungsreaktionen,
über die sich hinter dem Gefühl einer Zurückweisung durch den Patienten
auch dessen emotionale Bedürftigkeit erspüren lässt. Nach respektvollem
und vorsichtigem Konfrontieren mit den verbalen und nonverbalen Inter-
aktionen im „Hier-und-Jetzt“ können die Rollenverteilungen in der thera-
peutischen Dyade interpretiert und das Reflektieren sowie die Integrations-
fähigkeit des Patienten gefördert werden.
Neben der Einzelpsychotherapie wurden gute Erfahrungen mit der inter-
aktionell-psychodynamischen Gruppentherapie (Fiedler 2000, Herpertz &
Saß 2002, Herpertz & Wenning 2003) gemacht, die es dem Patienten er-
möglicht, über die Reaktionen Anderer das eigene auch nonverbale und
affektive Verhalten zu reflektieren und neue Erfahrungen im Beziehungs-
erleben und im Ansprechen und Lösen von Konflikten zu machen. Wenn
im stationären Setting die Möglichkeit einer kombinierten Einzel- und
Gruppentherapie besteht, können verunsichernde oder misstrauisch erlebte
Situationen aus der Gruppentherapie in der mehr schützenden Zweiersitua-
tion der Einzeltherapie aufgefangen, verstanden und integriert werden.
Ein in Australien und Neuseeland durchgeführtes Quality Assurance Pro-
jekt (1990) durch die Befragung von 563 Psychiatern ergab bei Patienten mit
schizoider Persönlichkeitsstörung aussichtsreiche Ergebnisse einer psycho-
analytischen Langzeitbehandlung, u. a. auch in Abgrenzung zu Patienten
mit paranoider und schizotypischer Persönlichkeitsstörung, bei denen eher
Behandlungen in Form von Kriseninterventionen erfolgreich waren (Evi-
denzgrad IV).

4.3.3 Psychopharmakotherapie

Eine spezifische Medikation zur Behandlung der SPS ist bisher nicht be-
kannt. Eine Behandlung mit Psychopharmaka ist indiziert, wenn z. B.
gleichzeitig eine gravierende Angstsymptomatik oder depressive Sympto-
matik in Form einer Major Depression oder Dysthymie besteht.
74 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.3.4 Behandlungsdauer

Hierzu liegen keine empirischen Daten vor. Fraktionierte Behandlungsange-


bote oder feste Vereinbarung von weiteren Therapiegesprächen in größeren
Zeitabständen können im Sinne einer Rückfallprävention verhindern, dass
die Patienten wieder auf die ihnen vertrauten Persönlichkeitsmuster zu-
rückgreifen und erneut in Isolation geraten.

4.3.5 Verlaufskontrolle
Störungsspezifische Instrumente zur Verlaufsbeobachtung liegen nicht vor.
Allerdings können entsprechende Instrumente aus der kategorialen und di-
mensionalen Diagnostik Anwendung finden.

4.3.6 Zusammenfassung und Ausblick

Soweit bekannt ist, liegen bisher keine kontrollierten und randomisierten


Studien zur Psychotherapie oder Psychopharmakotherapie der SPS vor,
was wohl auch durch die relativ geringe Prävalenz von 1,8% in klinischen
Populationen begründet ist (Loranger et al. 1994). Erste Hinweise liegen
zur Wirksamkeit einer psychoanalytischen Langzeitbehandlung vor (Quali-
ty Assurance Project 1990), die allerdings in methodisch sorgfältig aufbe-
reiteten Studien zunächst bestätigt werden müssten.

4.4 Behandlungsprinzipien
bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung
4.4.1 Klinische Einführung

Beginnend mit Pinels’ Beschreibung der „manie sans delire“ in den Anfän-
gen des 19. Jahrhunderts ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit „ab-
normen Persönlichkeiten“ eng mit Aspekten gewaltsamen und kriminellen
Verhaltens verbunden. Aber auch 200 Jahre später ist die Frage nach der
Abgrenzung von kriminellem Verhalten und einer Störung der Persönlich-
keit in den verschiedenen aktuellen diagnostischen Referenzsystemen un-
terschiedlich und damit keineswegs abschließend konzeptionell gelöst.
Einigkeit besteht darüber, dass es innerhalb der Gruppe von Menschen
mit kriminellem Verhalten eine Kerngruppe gibt, die sich mit dem von
Cleckley (1976) 1941 erstmals vorgestellten Konzept „psychopathy“ gut be-
schreiben lässt. Das Konzept „psychopathy“ wurde mit der von Hare (1970,
1991) entwickelten „Psychopathy Checklist (PCL)“ bzw. ihrer Revision, der
PCL-R, reliabel und valide erfassbar. Faktorenanalysen mit der PCL-R erga-
4.4 Behandlungsprinzipien bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung z 75

ben, dass sich diese Kerngruppe von Menschen mit kriminellem Verhalten
(„psychopaths“) neben einem im Kleinkindalter beginnenden antisozialen
Lebensstil psychopathologisch durch einen hochmütig-manipulativen Bezie-
hungsstil, ein unzulängliches emotionales Erleben i. S. von „Gefühlskälte“
und einem impulsiv-verantwortungslosen Verhaltensstil charakterisieren
lässt (Cooke & Michie 2001). Merkmale des impulsiv-verantwortungslosen
Verhaltensstils, wenn auch unterschiedliche, finden sich sowohl in den di-
agnostischen Kriterien der dissozialen Persönlichkeitsstörung der ICD-10
als auch in denen der antisozialen Persönlichkeitsstörung des DSM-IV-TR,
Merkmale des unzulänglichen emotionalen Erlebens nur in den diagnosti-
schen Kriterien der ICD-10 und Merkmale des hochmütig-manipulativen
Beziehungsstils fehlen sowohl in der ICD-10 als auch dem DSM-IV-TR.
Weiterhin fordert das DSM-IV-TR wie die PCL-R, aber im Gegensatz zu
der ICD-10, das Vorliegen einer Störung des Sozialverhaltens vor dem 15.
Lebensjahr.
Macht diese kurze Beschreibung, die die Problematik nur anreißt, deut-
lich, dass man es nicht nur auf der Ebene von Einzelmerkmalen, sondern
auch auf der syndromalen Ebene je nach diagnostischem Referenzsystem
mit ganz unterschiedlichen Störungen zu tun hat, so haben doch alle Kon-
zeptionalisierungen ein Kernmerkmal gemeinsam, das kriminelle/antisozia-
le Verhalten.
Der durch kriminelles/antisoziales Verhalten verursachte Schaden ist in
der Regel der Anlass, aus dem – auf Veranlassung Dritter und häufig in
Zusammenhang mit Verurteilungen, Weisungen und Auflagen – überhaupt
eine Behandlung von Menschen mit einer dissozialen oder antisozialen
Persönlichkeitsstörung oder einer „psychopathy“ erfolgt. Diese Menschen
begeben sich in den seltensten Fällen von sich aus in eine Behandlung. So
verwundert es eigentlich auch nicht, dass für diese Menschen wirksame Be-
handlungsprogramme, in deren Fokus die Beeinflussung des antisozialen/
kriminellen Verhaltens steht, ausschließlich im institutionellen Kontext ent-
wickelt worden sind.
Seit den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts werden im Rah-
men der Behandlung von Straftätern sehr große Anstrengungen zur Ent-
wicklung von Behandlungsprogrammen, die auf die Reduktion der Wahr-
scheinlichkeit zukünftiger krimineller Handlungen abzielen, unternommen.
Im Bereich der Straftäterbehandlung lagen bereits 1996 mehr als 700 publi-
zierte Studien vor, in denen kontrollierte experimentelle Designs verwendet
wurden (Gendreau & Goggin 1996). In einer Vielzahl von Metaanalysen
von Untersuchungen an großen Straftäterpopulationen, vor allem aus Nord-
amerika, wurde seit Mitte der 1980er Jahre die Wirksamkeit therapeutischer
Interventionen auf Rückfälligkeit konsistent positiv belegt.
76 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Tabelle 4.1. Prinzipien der Straftäterbehandlung


1. Risikoprinzip: Intensivere Angebote sollen Hochrisikofällen vorbehalten bleiben
2. Ansprechbarkeitsprinzip: Auswahl der Methoden gemäß dem handlungsorientierten
Lernstil der Straftäter und Ausrichtung auf die spezifischen Behandlungsziele
3. Bedürfnisprinzip: Kriminalpräventive Interventionen müssen auf solche Klientenmerk-
male abzielen, die nach dem empirischen Kenntnisstand kriminogene Faktoren sind

4.4.2 Psychotherapie

Zusammenfassend gibt es eine breite empirische Evidenz, dass das Kern-


merkmal der Dissozialen/Antisozialen Persönlichkeitsstörung (APS), das
kriminelle Verhalten, wirksam behandelt werden kann, wenn man den drei
Prinzipien der Straftäterbehandlung
1. Risikoprinzip,
2. Ansprechbarkeitsprinzip und
3. Bedürfnisprinzip folgt.

Hier gilt wie in den allgemeinen Richtlinien zur Behandlung von Persön-
lichkeitsstörungen auch, dass dem Transfer von in der therapeutischen Si-
tuation erworbenen Fähigkeiten auf Alltagssituationen eine hervorragende
Bedeutung zukommt. Die Bedeutung der Generalisierung der Veränderun-
gen auf Alltagsbedingungen wird empirisch dadurch gestützt, dass Behand-
lungsprogramme unter ambulanten Bedingungen wirksamer sind als unter
stationären Bedingungen (Andrews et al. 1990).

4.4.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

In der Behandlung der APS hat die Problemanalyse dem Bedürfnisprinzip


zu folgen: Wirksame Interventionen zielen nicht auf irgendwelche Persön-
lichkeitsauffälligkeiten, sondern auf Merkmale, die nach dem empirischen
Kenntnisstand mit Kriminalität assoziiert sind.
Hier sind zunächst als aufrechterhaltende Bedingungen Kontakte mit an-
deren Antisozialen im Sinne spezifischer Reaktionen des sozialen Umfelds
zu nennen. Sie sind häufig vergesellschaftet mit Problemen im Arbeits-
bereich, finanziellen Sorgen, problematischen Wohnverhältnissen (z. B. so-
zialer Brennpunkt, Wohnungslosigkeit), Partnerschaftsproblemen und/oder
juristischen Problemen.
In den Denk-, Erlebens- und Beziehungsmustern sind antisoziale Ansich-
ten, Einstellungen und Gefühle und die Identifikation mit kriminellen, anti-
sozialen Rollenmodellen und Werten mit Kriminalität assoziiert. Diese Men-
schen sehen sich selbst im Allgemeinen als autonome, starke Einzelgänger.
Manche sehen sich von der Gesellschaft ausgenutzt und schlecht behandelt
und rechtfertigen das Schädigen anderer damit, dass sie ja selbst schikaniert
würden. Andere wiederum sehen sich als Raubtier in einer Welt, in der das
4.4 Behandlungsprinzipien bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung z 77

Motto gilt „Fressen oder gefressen werden“, „The winner takes it all“ und in
der es normal oder gar wünschenswert und notwendig ist, gegen soziale Re-
geln zu verstoßen. Ihrer Meinung nach sind andere Menschen entweder Aus-
beuter, die es verdienen aus Vergeltung ausgebeutet zu werden, oder sie sind
schwach und verletzlich und daher selber schuld, wenn sie Opfer werden, sie
verdienen es geradezu. Die Grundannahme und Grundeinstellung dieser
Menschen ist, dass Andere dazu da sind, um parasitär ausgenutzt zu werden.
Weitere Annahmen lauten, „Ich muss auf der Hut sein“ und „Ich muss angrei-
fen, sonst werde ich Opfer“. Die antisoziale Persönlichkeit glaubt auch, „An-
dere Menschen sind Dummköpfe“ oder „Andere Menschen sind Ausbeuter,
daher habe ich auch das Recht, sie auszubeuten“. Antisoziale glauben, be-
rechtigt zu sein, Regeln zu verletzen. Schließlich seien diese willkürlich, hät-
ten die Aufgabe, die „Habenden“ vor den „Habenichtsen“ zu schützen und
würden letztendlich nur von Dummköpfen eingehalten. Die konditionale An-
nahme dissozialer Menschen lautet: „Wenn ich andere nicht herumstoße, ma-
nipuliere, ausbeute oder angreife, bekomme ich nie das, was ich verdiene.“
Instrumentelle oder imperative Annahmen sind „Überwältige den anderen,
bevor er dich überwältigt“, „Du bist jetzt dran“, „Greife zu, du verdienst es“,
„Nimm dir, was du kannst“ (nach Beck et al. 1993).
Weitere kriminogene Faktoren liegen in dem für Probanden mit einer
APS typischen Wahrnehmungs- und Verhaltensstil. Der kognitive Stil ist
durch Impulsivität und fehlende Reflexionsfähigkeit geprägt. Der gesamte
Denkstil ist im Konkreten und Anschaulichen verhaftet, er ist handlungs-
und gegenwartsorientiert. Diese Menschen haben erhebliche Defizite im Er-
kennen von Problemsituationen, konsequenzorientiertem Denken, Entwi-
ckeln alternativer Lösungsstrategien und realistischer Zweck-Mittel-Abwä-
gungen. Ihre Urteilsbildungsprozesse sind abgekürzt und haben eher im-
pressionistischen Charakter, ihre Problemlösungsstrategien sind kurz-
schlüssig und folgen rigiden Denkmustern. Charakteristisch für den Wahr-
nehmungs- und Interpretationsstil dieser Menschen ist bei einem hohen
Maß an Egozentrik die Externalisierung von Verantwortung für Handlun-
gen mit unliebsamen Folgen. Aufgrund der hohen Impulsivität und fehlen-
den Reflexionsfähigkeit mangelt es ihnen an Selbstkontrolle und Selbst-
management. Häufig dominieren Affekte von Wut und Ärger die Emotiona-
lität, beispielsweise über die Ungerechtigkeit, dass andere Menschen etwas
besitzen, das eigentlich nur sie selber verdienen.
Das nach außen sichtbare, also im sozialen Kontext manifeste Verhalten ist
durch einen Mangel an zwischenmenschlichen und sozialen Fertigkeiten,
selbstschädigende Copingstrategien und häufigen Substanzmissbrauch ge-
kennzeichnet, die wiederum, empirisch belegt, kriminogene Faktoren sind.
Für die Durchführung der Problemanalyse bei diesen Probanden ist zu be-
achten, dass man sich keinesfalls nur auf die Angaben des Probanden verlassen
darf, sondern andere Quellen wie Verhaltensbeobachtung, fremdanamnesti-
sche Angaben relevanter Bezugspersonen und Akteninhalte hinzuziehen muss.
Ergänzende Hilfsmittel für die Erhebung kriminogener Faktoren im Rahmen
der Problemanalyse können strukturierte Instrumente zur Risikobeurteilung
sein, z. B. HCR-20 (Müller-Isberner et al. 1998), PCL-SV (Hare 1991).
78 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Die sich aus möglichen gesetzlichen oder richterlichen Vorgaben erge-


benden Besonderheiten in den Rahmenbedingungen der Behandlung sind
vor Aufnahme der Behandlung eindeutig und transparent, am besten in
Form von schriftlichen Behandlungsverträgen, abzuklären. Hierzu gehören:
1. mögliche Einschränkungen in der Schweigepflicht gegenüber kooperie-
renden Institutionen oder der Justiz,
2. Vorgehen beim Versäumen von Sitzungen,
3. Einbeziehung zusätzlicher Informationsquellen,
4. Aufsuchen des Probanden in seinem natürlichen Umfeld,
5. Vorgehen bei Krisen, insbesondere Fremdgefahr,
6. Bedingungen, unter denen einzelne Sitzungen nicht stattfinden (z. B. Pro-
band ist intoxikiert) und
7. Bedingungen, unter denen die Behandlung beendet wird.

Unter konstruktiver Nutzung dieser in der Regel gegenüber der allgemei-


nen Psychotherapie besonderen Rahmenbedingungen ist bei der APS in
der Behandlungsplanung, also bei der Frage, welches Problem zu welchem
Zeitpunkt und mit welchen Mitteln bearbeitet werden soll, ein anderer Al-
gorithmus als bei den übrigen Persönlichkeitsstörungen anzuwenden.
Falls manifest, ist lebensbedrohliches Verhalten immer als primärer Fo-
kus zu adressieren. Hierunter ist bei der APS vor allem fremdaggressives
Verhalten zu fassen, das sowohl das Leben als auch die körperliche und
persönliche Unversehrtheit Anderer gefährdet wie jegliche Form von kör-
perlicher und seelischer Gewalt, die Androhung von Gewalt in Wort und
Körperhaltung, die häufige gedankliche Beschäftigung damit, andere zu
töten, zu verletzen oder zu demütigen, der Besitz von Waffen und nicht zu-
letzt die rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicher-
heit Anderer wie z. B. ungeschützte Sexualkontakte oder rücksichtsloses
Verhalten im Straßenverkehr. An zweiter Stelle stehen Verhaltensmuster,
die den geregelten Fortgang einer Behandlung dadurch gefährden, dass der
Patient beharrlich gegen bestehende soziale Normen verstößt und somit
von einer sozialen Krise in die nächste gerät, wie z. B. Stehlen, Lügen, Be-
trügen, Verheimlichen, Konsum illegaler Drogen, Missbrauch legaler Drogen,
Berauscht zur Behandlung erscheinen, Nichteinhalten von finanziellen Ver-
pflichtungen oder der Kontakt mit einem kriminellen Umfeld. Erst an dritter
Stelle steht sowohl auf Seiten des Patienten, aber auch auf Seiten des Thera-
peuten therapiestörendes Verhalten wie Nicht-Zuhören, fehlende Mitarbeit,
geringe Compliance, respektloser Umgang oder Manipulation. Die weitere
Hierarchisierung der Behandlungsziele folgt dem allgemeinen Algorithmus
zur Behandlungsplanung bei Persönlichkeitsstörungen.

4.4.2.2 Therapeutische Beziehung

Eine wirksame Gestaltung der therapeutischen Beziehung lässt sich auf


Grundlage der bereits zitierten Metaanalyse von Andrews et al. (1990) wie
folgt beschreiben: Die Behandler haben eine kritisch-offene, engagierte,
4.4 Behandlungsprinzipien bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung z 79

aber klar abgegrenzte betreuende Beziehung zum Klienten und behalten


stets die Autorität über die Behandlung („firm, but fair“).

4.4.2.3 Veränderungsstrategien

Es gibt eine breite empirische Evidenz, dass die Behandlung des Kernmerk-
mals der APS, des kriminellen Verhaltens, wirksam ist, wenn sie auf hohe
Risiken (Risikoprinzip) und die kriminogenen Merkmale dieser Menschen
abzielt (Bedürfnisprinzip) und Methoden verwendet, die dem Ansprechbar-
keitsprinzip genügen. Veränderungsstrategien, die dem Ansprechbarkeits-
prinzip der Straftäterbehandlung folgen, sind Methoden, die dem handlungs-
orientierten Lernstil von Straftätern gerecht werden, im Einzelnen: Modell-
Lernen, Rollenspiele, abgestufte Erprobung, Verstärkung, konkrete Hilfestel-
lungen, Ressourcenbereitstellung und kognitive Umstrukturierung. Unter
therapieschulenspezifischen Gesichtspunkten sind Methoden, die dem An-
sprechbarkeitsprinzip folgen, den traditionell verhaltenstherapeutischen bzw.
kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden zuzuordnen.

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Traditionelle verhaltenstherapeutische Methoden folgen den Prinzipien des
operanten und des klassischen Konditionierens. Einzelne Methoden sind
unter anderem: Token-Economies, Therapieverträge, Aversionsmethoden
und Umkonditionierung. Während einzelnen traditionellen verhaltensthera-
peutischen Methoden insgesamt nur noch wenig Bedeutung zukommt, fin-
den lerntheoretische Prinzipien aus der traditionellen Verhaltenstherapie,
wie unmittelbare soziale Verstärkung für prosoziales Verhalten, überwie-
gender Verzicht auf sozial bestrafendes Verhalten, strukturiertes Vorgehen
etc., durchaus ihren Eingang in Empfehlungen für die Gestaltung einer effi-
zienten, die Veränderung in Richtung prosoziales Verhalten fördernden Be-
ziehung zwischen Behandler und Patienten bzw. der Probanden unterei-
nander (Andrews & Bonta 1994, Hare 1992).
Unter kognitiv-behaviouralen Behandlungsverfahren sind unter anderem
folgende Methoden zu subsumieren: Training sozialer Fertigkeiten, ver-
deckte Konditionierung, Empathietraining, Dilemmadiskussionen, interper-
sonales Problemlösetraining, Entscheidungsmatrix, kognitive Umstruktu-
rierung. In allen Verfahren zur kognitiven Umstrukturierung gemeinsame
Techniken sind: Didaktische Einführungen über die Bedeutung von dys-
funktionalen Denkmustern, Vorstellen von Beispielen für diese Denkmuster,
Identifikation der den dysfunktionalen Verhaltensweisen zugrundeliegen-
den Denkmuster, Selbstbeobachtung dieser Denkmuster mit Tagebüchern,
Überprüfen dieser Denkmuster an Hand empirischer bzw. rationaler Krite-
rien unter Zuhilfenahme von Techniken wie dem sokratischen Dialog,
Gruppendiskussionen, Hausaufgabenprotokollen mit gezielten Fragen und
das Einüben alternativer, funktionalerer Denkmuster. Von besonderer Be-
deutung sind Techniken zur Modifikation von Verleugnungs- und Bagatelli-
80 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

sierungsprozessen und deliktfördernden Einstellungen insbesondere bei Se-


xualstraftätern sowie die auf der Grundlage des Stressinokulationstrainings
entwickelten Methoden zur Emotionsregulation. Für kognitiv-behaviourale
Behandlungsverfahren ist der Evidenzgrad I a.
Die Zusammenfassung aller genannten Methoden mit den notwendigen
Materialien in einem übersichtlichen und gut anwendbaren Manual, d. h.
die Entwicklung eines multi-modalen kognitiv-behaviouralen Programm-
pakets, stellt das Desiderat der Straftäterbehandlung dar. Das am weitesten
verbreitete und einflussreichste multi-modale kognitiv-behaviourale Pro-
grammpaket ist das „Reasoning and Rehabilitation-Program“ (R&R-Pro-
gramm). Das Training kann auch von fachfremden Mitarbeitern appliziert
werden. Es besteht aus 35 durchstrukturierten Sitzungen à zwei Stunden,
die in einem Zeitraum von 4–5 Monaten durchgeführt werden. Es ist so-
wohl im stationären als auch im ambulanten Setting durchführbar. Ziel ist
die Vermittlung von kognitiven Fähigkeiten, die mit erfolgreichem sozialen
Verhalten assoziiert sind. Dies geschieht in den aufeinander aufbauenden
Programmmodulen: Selbstkontrolle, Metakognitionen, soziale Fertigkeiten,
interpersonale Problemlösefähigkeiten, kreatives Denken, kritisches Den-
ken, Übernahme der sozialen Perspektive, Entwicklung von Werten und
Emotionsregulation. Angewandte Methoden sind Gruppendiskussionen,
Rollenspiele, strukturierte Denkaufgaben, Spiele und audio-visuelle Präsen-
tationen. Der Prozess der Informationsvermittlung, d. h. eine interessante
und anregende Gestaltung der einzelnen Sitzungen, ist wichtiger als der In-
halt der Sitzungen.
Tong & Farrington (2006) unterzogen insgesamt 16 Studien zum
R&R-Training einer Metaanalyse. In 8 der 16 Studien erfolgte die Zuwei-
sung zur Experimental- bzw. Kontrollgruppe randomisiert, wobei das Stu-
diendesign keinen Einfluss auf die Höhe der Effektstärke hatte. Die mittlere
gewichtete Effektstärke (mean weighted OR) betrug 1,16 (Evidenzgrad I a,
Empfehlungsstärke I).
Das Rückfallvermeidungsmodell stammt aus der Suchtbehandlung. Me-
thodisch handelt es sich um einen psychoedukativen Ansatz, in dem die
Konzepte mit Hilfe von Erläuterungen, Beispielen, Parabeln, Metaphern,
Übungen oder strukturierten Gruppendiskussionen vermittelt werden.
Günstig ist der Einsatz von schriftlichen Arbeitsmaterialien und Hausauf-
gaben. In der Kriminaltherapie wird es in drei Zusammenhängen ange-
wandt:
1. weitgehend methoden- und inhaltsoffenes Paradigma für die Konzeptio-
nalisierung, Planung und Durchführung einer individuellen Behandlung,
in dem sämtliche therapeutische Maßnahmen einschließlich der Gestal-
tung des Entlastungsumfeldes in einer auch für den Patienten nachvoll-
ziehbaren Weise integriert werden;
2. eine strukturierte Methode zur selbstkontrollierten Vermeidung von Rück-
fällen;
3. externes Risikomanagement durch die Bereitstellung eines sozialen Emp-
fangsraums und von Nachsorgebedingungen, die sich aus dem individu-
ellen Rückfallvermeidungsplan des einzelnen Probanden ableiten.
4.4 Behandlungsprinzipien bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung z 81

Grundidee des Rückfallvermeidungsmodells ist, dass „Rückfälle nicht ein-


fach vom Himmel fallen“. Bei antisozialem Verhalten handelt es sich um er-
lerntes Verhalten, das durch interne und externe Faktoren im Sinne von
„angestoßen werden“ motiviert und im Sinne von „sich aufschaukeln“ ver-
stärkt wird. Intern motivierende Faktoren können bestimmte Gedanken,
Fantasien, Wahrnehmungen und Gefühle sein, extern motivierende Fak-
toren, beispielsweise die Verfügbarkeit von Alkohol, Drogen, Waffen oder
potentiellen Opfern. Man nimmt in diesem Modell an, dass jedem krimi-
nellen Verhalten eine multimodale Verhaltenskette, auch Deliktzyklus, De-
liktzirkel oder Deliktszenario genannt, vorangeht. Jedes Stadium der zum
Delikt führenden Verhaltenskette wird explizit erarbeitet, als Risikosituati-
on beschrieben und als Warnzeichen benannt. Für jede Risikosituation
werden Bewältigungsstrategien entwickelt und erlernt, die den Deliktzirkel
unterbrechen. Je früher der Deliktzirkel unterbrochen werden kann, desto
geringer ist das Rückfallrisiko.
Mit einer Evidenzstärke I a ist die Wirksamkeit des Rückfallvermei-
dungsmodells belegt. Dowden et al. (2003) unterzogen insgesamt 24 Studi-
en, in denen das Rückfallvermeidungsmodell zur Behandlung von Sexual-
straftätern, Gewalttätern, Eigentumsdelinquenten und Drogenkriminellen
angewandt wurde, einer Metaanalyse. Es wurden insgesamt 40 Vergleiche,
von denen 10 Vergleiche nach randomisierter Zuweisung erfolgt waren,
ausgewertet. Das Studiendesign hatte keinen signifikanten Einfluss auf die
Effektstärke. Die durchschnittliche Effektstärke über alle Studien hinweg
betrug 0,15 (Pearson r). Allerdings weist ebenso wie vergleichbare Ergeb-
nisse einer Metaanalyse von 66 Studien aus der Sexualstraftäterbehandlung
(Lösel & Schmucker 2005) der große Range von Effektstärken von –0,15 bis
0,45 darauf hin, dass nicht jedes Programm, das den Namen „Rückfallver-
meidungsmodell“ trägt, auch tatsächlich wirksam ist. Umfang, Elaborati-
onsgrad und „junges“ Alter des Programms haben einen signifikant positi-
ven Einfluss auf die Wirksamkeit. Hohe Effektstärken für einzelne Pro-
grammelemente weisen darauf hin, dass vor allem die Bausteine „Erarbei-
tung der Deliktkette“, „Einüben von Bewältigungsstrategien für den Fall ei-
nes Rückfalles“ und „Training von wichtigen Bezugspersonen“ wesentliche
Wirkfaktoren von Rückfallvermeidungsansätzen sind (Dowden et al. 2003).

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Für die kriminalpräventive Wirksamkeit psychodynamischer Behandlungs-
verfahren gibt es keinerlei empirische Evidenz, sie können in der Behand-
lung der APS generell nicht empfohlen werden. Dies wird auch von nam-
haften Vertretern dieser Therapieschule so gesehen: „Zunächst kontraindi-
ziert die Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstruktur praktisch jede
Form psychoanalytisch fundierter Psychotherapie“ (Kernberg 1988, S. 250).
82 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.4.3 Psychopharmakotherapie

Eine Pharmakotherapie der APS gibt es nicht. Im „off-label use“ können


Medikamente bei bestimmten Zielsymptomen/-syndromen aber hilfreich
sein.
Zielsymptome pharmakologischer Interventionen bei Antisozialen
können unkontrollierbare Wut, Impulsivität, unkontrolliert-überschießende
Gewalt, emotionale Labilität oder mürrisch-dysphorische Gestimmtheit
sein. Insgesamt ist die Studienlage spärlich. Positive Studien zur Beeinflus-
sung dieser Zielsymptome liegen bezüglich SSRIs (Coccaro 1997), Atypi-
scher Neuroleptika (Rocca et al. 2002) und Omega-3-Fettsäuren (Zanarini
& Frankenburg 2003) vor. Zwar wurden diese an Patienten mit Borderline-
Persönlichkeitsstörung gewonnen, jedoch sind es genau jene Charakteris-
tika, in denen sich beide Störungen überlappen. Insofern ist Übertragung
der Ergebnisse gerechtfertigt.
Bei Komorbidität sind die jeweiligen evidenzbasierten Behandlungsricht-
linien bezüglich möglicher Kombinationen von medikamentöser Behand-
lung und Psychotherapie der vorliegenden Achse-I-Störung zu beachten
(Habermeyer & Habermeyer 2006). Bei Antisozialen mit komorbider Schi-
zophrenie scheint Clozapin gewalttätiges Verhalten eher zu reduzieren als
andere Neuroleptika (Volavka 1999).
Über die Kombination von Pharmakotherapie und Psychotherapie liegen
keine Studien vor. Eine rein pharmakologische Behandlung ohne begleiten-
de Psychotherapie kann aber nicht empfohlen werden. Liegt eine antisozia-
le/dissoziale Persönlichkeitsstörung zusammen mit einer Psychose vor, ist
die erfolgreiche Behandlung der Psychose Grundvoraussetzung für die An-
wendung psychotherapeutischer Verfahren.

4.4.4 Behandlungsdauer

Zur Frage der Behandlungsdauer liegen keine empirischen Daten vor.

4.4.5 Verlaufskontrolle

Bei der Beurteilung von Verlauf und Erfolg der Behandlung ist es hilfreich,
zwischen distalen und proximalen Maßen zu unterscheiden. Distaler Er-
folgsmaßstab sind Häufigkeit und Schwere krimineller Verhaltensweisen,
die in der Regel an Hand von Straf- oder Polizeiregistern erhoben werden.
Da nicht alle kriminellen Verhaltensweisen zu einer strafrechtlichen Verfol-
gung führen, werden zur Erfassung von antisozialem Verhalten oft struktu-
rierte Interviews mit dem Probanden oder relevanten Bezugspersonen ein-
gesetzt. In der Behandlung einzelner Probanden empfiehlt es sich, regelmä-
ßig bei dem Probanden, seinem Bewährungshelfer und/oder anderen rele-
vanten Bezugspersonen zu erfragen, „ob der Proband in der letzten Zeit
4.4 Behandlungsprinzipien bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung z 83

Kontakt oder Ärger mit der Polizei hatte“ bzw. ein Verhalten gezeigt hat,
das dazu hätte führen können. Proximal lässt sich der Erfolg einer thera-
peutischen Intervention an der Verringerung der im jeweiligen Einzelfall
vorliegenden kriminogenen Merkmale ablesen. Publizierte standardisierte
Erhebungsinstrumente zur Erfassung kriminogener Faktoren liegen nach
unserem aktuellen Kenntnisstand im deutschsprachigen Raum derzeit nicht
vor, so dass man im Einzelfall im Wesentlichen auf eine sorgfältige Be-
obachtung, Beschreibung und Analyse des Verhaltens angewiesen ist, die
durch „geeignet erscheinende“ standardisierte Verfahren zur Ärger- und Ag-
gressionsdiagnostik (z. B. STAXI, FAF), Stressbewältigung (z. B. SVF-120),
zum Umgang mit interpersonalen Konfliktsituationen (z. B. KV-S) oder zur
neuropsychologischen Diagnostik allenfalls ergänzt werden kann.

4.4.6 Zusammenfassung und Ausblick


McGuire (2002) rezipiert in einer Übersichtsarbeit insgesamt 20 Metaanaly-
sen zur Straftäterbehandlung mit mehr als 2000 unabhängigen Outcome-
Maßen aus der Zeit zwischen 1985 und 2000. In den rezipierten Metaanaly-
sen lag die mittlere Effektstärke (Pearson R oder Phi-Koeffizient) kriminal-
therapeutischer Interventionen auf Rückfälligkeit zwischen 0,07 und 0,33.
Lösel (1995) kam unter Diskussion der Schwierigkeiten im Vergleich der
verschiedenen Metaanalysen zu der Schätzung, dass im Bereich der Straftä-
terbehandlung von einer mittleren Effektstärke von 0,10, dem so genann-
ten 10%-Effekt, auszugehen ist. In der Beurteilung dieser zunächst nicht
sonderlich hoch erscheinenden mittleren Effektstärke sind zwei Punkte zu
berücksichtigen. Zum einen haben etablierte medizinische Verfahren bei
weit verbreiteten internistischen Erkrankungen zum Teil vergleichbar nied-
rige mittlere Effektstärken (McGuire 2002). Zum anderen zeigen Kosten-
Nutzen-Analysen von Straftäterbehandlung mit Kosten-Nutzen-Verhältnis-
sen von 1 zu 1,13–7,14, dass Straftäterbehandlung unter monitären Ge-
sichtspunkten durchaus effektiv ist (Welsh & Farrington 2000), wobei der
durch Straftäterbehandlung verhinderte immaterielle Schaden – 10% weni-
ger Opfer – nicht durch Geld aufzurechnen ist.
Bezüglich differentieller Effekte in der Straftäterbehandlung brachte die
Studie von Andrews et al. (1990) einen entscheidenden Durchbruch. Hier
wurden die einbezogenen Studien nach Variablen klassifiziert, die auf den
Hauptprinzipien von Risiko, Bedürfnis und Ansprechbarkeit beruhen: Auf
der Basis dieser Prinzipien untersuchten Andrews et al. (1990) mit Hilfe
der Metaanalyse über 150 Studien. Davon waren 30 Studien ausschließlich
auf Maßnahmen des Regelvollzuges beschränkt, die übrigen 120 Studien
wurden je nachdem, ob sie die genannten Kriterien erfüllten, in angemes-
sene, unspezifische und unangemessene Behandlungsverfahren unterteilt.
Angemessene Interventionen erreichten Effektstärken von 0,30, d. h., dass
sich im Vergleich zu Kontrollgruppen eine ca. 40% geringere Rückfallkri-
minalität erzielen lässt. Strategien, die ausschließlich auf Sanktion abzielen,
klientenzentrierte Fallarbeit oder traditionelle Psychotherapie erwiesen sich
84 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

mit negativen Effektraten (–0,08 bzw. –0,07) als unwirksam, tendenziell so-
gar die Rückfälligkeit steigernd. Die Ergebnisse von Andrews et al. (1990)
wurden aktuell in einer Metaanalyse von insgesamt 225 Studien durch An-
drews & Dowden (2006) bestätigt, wobei die mittlere Effektstärke mit 0,26
etwas geringer ausfiel. Danach besteht eine breite empirische Evidenz, dass
die Behandlung des Kernmerkmals der Antisozialen/Dissozialen Persön-
lichkeitsstörung – des antisozialen Verhaltens wirksam ist, wenn sie auf die
beschriebenen Merkmale und Probleme abzielt (Evidenzgrad I a).
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Ergeben sich im Rahmen der Problem-
analyse eindeutige Hinweise auf das Vorliegen von „Psychopathy“ (Hare
1970, 1991), weist der bisherige empirische Kenntnisstand darauf hin, dass
es zurzeit für diese Menschen überhaupt keine wirksamen Behandlungsver-
fahren gibt. D’Silva, Duggan & MacCarthy (2004) kommen in einer Über-
sichtsarbeit, in der die vorliegenden Therapiestudien zur Behandlung von
„Psychopaths“ analysiert werden, zu dem Schluss, dass die Frage, ob diese
Gruppe überhaupt durch Behandlung erreicht werden kann oder sich gar
durch Behandlung verschlechtert, derzeit empirisch nicht beantwortbar ist.
Die vorliegenden, z. T. auch randomisierten Studien, kommen zu wider-
sprüchlichen Ergebnissen bzw. weisen methodische Schwächen auf. Konsis-
tent zeigt sich jedoch über alle Studien, dass die Subgruppe der „Psycho-
paths“ die höchsten Rückfall-, Zwischenfall- und Drop-out-Raten aufweist.
Wichtigste Zukunftsaufgabe ist die breite Implementierung der bewähr-
ten Verfahren in der Praxis.

4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler


bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung
4.5.1 Klinische Einführung
Die Emotional instabile bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ma-
nifestiert sich als eine schwerwiegende Störung der Affektregulation, be-
gleitet von tiefgreifenden Störungen des Selbstbildes und des zwischen-
menschlichen Verhaltens (Skodol et al. 2002 a). Meist entwickelt sich die
Problematik in der frühen Adoleszenz, geht allerdings bei einem Teil bis
ins Grundschulalter zurück (Zanarini et al. 2000). Ausgeprägte Stimmungs-
schwankungen und schwere Selbstzweifel sind begleitet von dysfunktiona-
len Mustern auf der Verhaltensebene wie beispielsweise Selbstverletzungen,
Suizidversuchen, Drogenproblemen und Essstörungen. Die meisten klini-
schen Auffälligkeiten lassen sich entweder als Folge einer gestörten Affekt-
regulation verstehen oder als (dysfunktionaler) Versuch, diese zu bewälti-
gen (Rosenthal et al. 2008). So werden etwa Selbstverletzungen oder auch
Essanfälle oder Alkoholabusus häufig zur Milderung von intensiven Erre-
gungszuständen eingesetzt. Langfristig können sich diese dysfunktionalen
Kompensationsmechanismen als komorbide Störungen manifestieren, wel-
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 85

che die Entwicklung der Symptomatik negativ beeinflussen und die Thera-
pie häufig erschweren.
Die Punktprävalenz der Borderline-Störung, also die Häufigkeit der
Störung zu einem definierten Zeitpunkt in der Allgemeinbevölkerung, wird
mit Zahlen zwischen 0,8% und 2% angegeben (Lieb et al. 2004). Eine Un-
tersuchung von Maier et al. (1992) (noch auf DSM-III-R-Basis) berichtet ei-
ne Prävalenzrate von 1,2%, die neueste populationsbasierte Studie aus
Großbritannien (Coid 2006) findet Prävalenzraten um 0,7% im Interview
und 1,4% im Selbstrating. Das Geschlechterverhältnis ist ausgeglichen. Der
überwiegende Anteil von Patienten, die psychotherapeutische Behandlung
suchen, ist weiblich (ca. 70%). Da männliche Borderline-Patienten eher zur
Fremdaggression als zu Selbstverletzungen tendieren, dürfte der überwie-
gende Anteil der männlichen Borderline-Patienten eher mit forensischen
Abteilungen oder der Justiz in Berührung kommen.
Das starke Inanspruchnahmeverhalten von Borderline-Patienten fordert
die Versorgungsstrukturen in besonderem Maße. Die jährlichen Behand-
lungskosten belaufen sich in Deutschland auf ca. 3,5 Milliarden Euro, das
entspricht ca. 25% der Gesamtkosten, die für die stationäre Behandlung
von psychischen Störungen ausgegeben werden (Bohus 2007). 90% dieser
Kosten entstehen durch stationäre Behandlungen. Die durchschnittliche
Liegezeit beträgt derzeit in Deutschland etwa 70 Tage im Jahr.
Neuere Studien aus den USA konnten zeigen, dass der Langzeitverlauf
der BPS deutlich besser erscheint als bislang vermutet. So konnten Zanarini
und Mitarbeiter (2003 a, 2006) in einer groß angelegten Katamnese-Studie
über inzwischen 10 Jahre zeigen, dass bereits nach 2 Jahren nur noch 65%
der Untersuchten die DSM-IV-Kriterien erfüllten. Nach vier Jahren sank
diese Quote auf 32%, nach sechs Jahren auf 25% und nach 10 Jahren auf
12%. Die „Rückfallraten“ (d. h. das erneute Erfüllen der DSM-IV-Diagnose-
kriterien) erwiesen sich mit ca. 6% als ausgesprochen gering. Eine zweite
Langzeitverlaufsstudie (CLPS-Studie, Grilo et al. 2004) bestätigte weit-
gehend diese Ergebnisse: hier erfüllten nach 2 Jahren noch 64% die diag-
nostischen Kriterien.
Diese Daten sollten sicherlich vorsichtig interpretiert werden: Einerseits
ist das DSM-IV ein kategoriales diagnostisches Instrument und als solches
nur sehr eingeschränkt für Verlaufsmessungen geeignet und andererseits
kann das Nichterfüllen der Diagnosekriterien nicht mit Symptomfreiheit
oder Heilung gleichgesetzt werden. Dementsprechend weisen die Auswertun-
gen des eher qualitativ angelegten diagnostischen Interviews für Border-
line-Störungen (DIB-R) auf persistierende Störungen der Affektregulation
hin. Auch die soziale Integration zeigt sich in allen Studien im Langzeitver-
lauf als äußerst mangelhaft. Dennoch sollten diese Daten zumindest vorsich-
tig optimistisch stimmen und stellen das traditionelle Konzept einer Störung
von hoher Stabilität in Frage. Allerdings ist derzeit ungeklärt, inwiefern die
Befunde dieser beiden Studien auch auf Europa oder den deutschsprachigen
Raum übertragbar sind. Von klinischer Bedeutung sind zudem die Risikoa-
nalysen von M. Zanarini et al. (2003), die insbesondere komorbiden Alkohol-
und Drogenmissbrauch, noch vor komorbider PTBS, als Risikofaktor für
86 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Chronifizierung ausweisen. Weitere klinische Prädiktoren für einen eher


schlechten Verlauf sind ein sexueller Missbrauch in der Kindheit sowie eine
besonders schwer ausgeprägte Symptomatik (Zanarini et al. 2006, Gunderson
et al. 2006). Die Suizidrate der BPS liegt bei 5–10% (Lieb et al. 2004). Als Ri-
sikofaktoren für vollendete Suizide werden impulsive Handlungsmuster,
höheres Lebensalter, Depressionen, komorbide antisoziale Persönlichkeits-
störung sowie frühkindlicher Missbrauch benannt. Auch Selbstverletzungen
gelten als Risikofaktor für vollendete Suizide.

z Ätiologie
Die meisten Wissenschaftler favorisieren heute ein ätiologisches Modell,
das Wechselwirkungen zwischen genetischen und psychosozialen Variablen
sowie dysfunktionalen Verhaltens- und Interaktionsmustern annimmt.
Die einzige Zwillingsstudie, welche Konkordanzraten von monozygoten
mit bizygoten Zwillingen vergleicht, von denen ein Zwilling manifest eine
nach DSM-IV diagnostizierte Persönlichkeitsstörung aufweist, wurde 2000
veröffentlicht (Torgerson et al. 2000). Sie berichtet eine hohe Einflussnahme
von genetischen Faktoren auf die Entstehung der Borderline-Störung. An
biographisch relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren lassen sich se-
xuelle Gewalterfahrung (ca. 65%), körperliche Gewalterfahrungen (ca. 60%)
und schwere Vernachlässigung (ca. 40%) identifizieren (Zanarini et al.
1997). Bei der sexuellen Gewalt handelt es sich zum Teil um sehr frühe,
langwierige Traumatisierungen und es scheint sich anzudeuten, dass Bor-
derline-Patienten diese Erfahrungen eher im Binnenraum der Familie ma-
chen (Zanarini et al. 1997). Dennoch erscheint es wichtig darauf hinzuwei-
sen, dass sexuelle Traumatisierung weder eine notwendige noch hinrei-
chende Voraussetzung für die Entwicklung einer BPS darstellt. Die unter
Klinikern stark verbreitete Annahme, dass es sich bei der BPS um ein
chronisches Posttraumatisches Belastungssyndrom handelt, findet auf wis-
senschaftlicher Ebene keine Evidenz. Das pathogenetische Modell würde si-
cherlich zu kurz greifen, wenn die destabilisierende Wirkung dysfunktiona-
ler Verhaltensmuster nicht berücksichtigt würde: Auf der phänomenologi-
schen Ebene sticht das selbstschädigende Verhalten (Schneiden, Schlagen,
Brennen, Verätzen u. a.) ins Auge. Bei ca. 85% der Borderline-Patienten ist
dieses Symptom zu eruieren. Etwa 80% der Betroffenen schneiden sich in
dissoziativen, analgetischen Zuständen meist mit der Absicht, aversive An-
spannung zu reduzieren (Kleindienst et al. 2007).

z Symptomatik
Im Zentrum der Borderline-Problematik sehen die meisten wissenschaftlich
orientierten Arbeitsgruppen heute eine Störung des gesamten Spektrums
der Affektregulation (Ebner-Priemer et al. 2007). Dies betrifft sowohl die
Stress- und Emotionsregulation als auch Stimmungsmodulation und Im-
pulskontrolle. Die Reizschwellen für interne oder externe Stimuli sind nied-
rig, das Erregungsniveau hoch. Nur verzögert erreicht der Patient wieder
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 87

das emotionale Ausgangsniveau. Die unterschiedlichen Gefühle werden von


den Betroffenen oft nicht differenziert wahrgenommen, sondern, wie oben
bereits beschrieben, als äußerst quälende, diffuse Spannungszustände er-
lebt. Die oben beschriebenen selbstschädigenden Verhaltensmuster können
die aversiven Spannungszustände kurzfristig reduzieren, was im Sinne der
Lerntheorie als negative Verstärkung bezeichnet werden kann. In den letz-
ten Jahren sind einige Arbeiten veröffentlicht worden, die diese zunächst
rein klinischen Beobachtungen empirisch untermauern (Übersicht: Rosen-
thal et al. 2007). Inzwischen liegt eine Reihe von neurobiologischen Befun-
den vor, die nahe legen, dass die Affektregulationsstörung mit einer prä-
fronto-limbischen Funktionsstörung assoziiert ist (vgl. Abschn. 1.3).
Auch die auffälligen Verhaltensmuster im zwischenmenschlichen Bereich
können mit Störungen der Emotionsregulation erklärt werden: Hier domi-
nieren insbesondere Schwierigkeiten in der Regulation von Nähe und Dis-
tanz. Beherrscht von einer intensiven Angst vor dem Alleinsein und einer
schlecht ausgeprägten intrapsychischen Verankerung wichtiger Bezugsper-
sonen, verwechseln sie einerseits häufig Abwesenheit mit manifester Verlas-
senheit. Sie versuchen daher, wichtige Bezugspersonen permanent an sich
zu binden. Andererseits bewirkt die Wahrnehmung von Nähe und Gebor-
genheit oft ein hohes Maß an Angst, Schuld oder Scham. Die Folge: lang-
wierige, schwierige Beziehungen mit häufigen Trennungen und Wieder-
annäherungen. Für Außenstehende wirken diese interaktionellen Manöver
häufig unerklärlich und „manipulativ“ und werden nicht selten von Thera-
peuten mit einem ungünstigen Wechsel zwischen übermäßiger Sorge und
schroffer Ablehnung beantwortet.
Ein weiteres Symptom gestörter Affektregulation sind die ausgeprägten
dissoziativen Phänomene. Unter hoher Anspannung kommt es zu Störun-
gen der senso-motorischen Integration, was subjektiv als Verzerrung des
Raum-Zeit-Gefühls, als ausgeprägtes Gefühl von Fremdheit und vor allem
als Verlust der Kontrolle über die Realität erlebt wird. Hinzu kommen häu-
fig Flashbacks, d. h. szenisches Wiedererleben traumatisierender Ereignisse,
die zwar kognitiv der Vergangenheit zugeordnet werden, emotional jedoch
als real erlebt werden.
Auch Alpträume sowie ausgeprägte Ein- und Durchschlafstörungen be-
lasten das Allgemeinbefinden und destabilisieren emotional. Alkohol- und
Drogenmissbrauch, Essstörungen, Vernachlässigung von körperlicher Be-
wegung sowie nachlässige Behandlung eventueller somatischer Erkrankun-
gen verursachen schließlich auch soziale Probleme wie inadäquate Ausbil-
dung und Arbeitslosigkeit.

z Diagnostik
Instrumente zur Quantifizierung der Symptomatik, d. h. zur Schweregrad-
bestimmung, sind erst in jüngster Zeit erschienen: M. Zanarini publizierte
eine DSM-basierte Fremdrating-Skala (ZAN-SCALE) (Zanarini et al. 2003 b).
Arntz und Mitarbeiter entwickelten den „Borderline Personality Disorder
Severity Index“ (BPDSI, Arntz et al. 2003) und veröffentlichten erste prä-
88 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

post-Messungen. Bohus und Mitarbeiter entwickelten die Borderline Symp-


tom Liste (BSL, Bohus et al. 2001) als 90-Item-Selbstrating-Instrument. Die
psychometrischen Kennwerte sind sehr gut, dies betrifft auch die Verän-
derungssensitivität. Das Instrument liegt mittlerweile auch als 25-Item-Kurz-
fassung vor.
In der Primärversorgung kann zunächst das Leitsymptom der intensiven
aversiven Anspannung erfragt werden. Wird dieses bejaht und zudem an-
gegeben, dass Maßnahmen wie Selbstverletzungen, Erbrechen, intensive
körperliche Anstrengung oder Alkoholabusus zur kurzfristigen Entlastung
eingesetzt werden, empfiehlt es sich, die Items des IPDE zur kurzen klini-
schen Diagnostik heranzuziehen.
Die klinische Diagnostik in der Praxis sollte sich an folgendem Entschei-
dungsalgorithmus orientieren:

z Klinische Diagnostik der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Klinische Hinweise
z Einschießende intensive aversive Anspannung, starke Affektschwankun-
gen, Selbstverletzungen, chronische Suizidalität auch außerhalb depres-
siver Episoden
Operationalisierte Diagnostik
z IPDE (International Personality Disorder Examination, Borderline-
Modul)
z SKID II (Strukturiertes Klinisches Interview für Achse II-Störungen,
nach DSM-IV)
Schweregradeinschätzung
z BSL (Borderline-Symptom-Liste – Selbstrating)
z ZAN-Skala (Zanarini-Scale – Fremdrating, deutsche Version
derzeit nicht validiert)
Komorbidität
z SKID I (Strukturiertes Klinisches Interview für Achse I-Störungen,
nach DSM-IV)

4.5.2 Psychotherapie

Das Bestreben, störungsspezifische psychotherapeutische Behandlungskon-


zepte für psychische Störungen zu entwickeln, hat sich auch im Bereich
der BPS durchgesetzt. Derzeit liegen 4 manualisierte Verfahren mit empi-
risch belegten Hinweisen auf Wirksamkeit vor:
Die von M. Linehan entwickelte „Dialektisch Behaviorale Therapie“
(DBT), die von A. Bateman und P. Fonagy konzipierte Mentalisierungs-ba-
sierte Therapie (MBT), die von J. Young entwickelte Schematherapie und
die von O. Kernberg entwickelte Übertragungs-fokussierte Psychotherapie
(TFP). Die Cochrane Collaboration veröffentlichte 2006 eine Metaanalyse
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 89

zur Wirksamkeit von psychotherapeutischen Verfahren in der Behandlung


der BPD (Binks et al. 2005) und kommt zu dem Schluss, dass „einige der
wichtigsten Borderline-typischen Probleme durch Gesprächs- oder Verhal-
tenstherapie verbessert werden können“, die Datenlage sei jedoch noch zu
schwach, um gesicherte Aussagen treffen zu können. Mittlerweile wurden
zwei weitere kontrolliert-randomisierte Studien veröffentlicht, die die Wirk-
samkeit von störungsspezifischer Psychotherapie untermauern.
Bei zahlreichen spezifischen Unterschieden (s. Abschn. 4.4.2.2), verfügen
die vier Behandlungskonzepte doch über einige grundlegende Übereinstim-
mungen, die im Folgenden kurz skizziert werden.

4.5.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

Obgleich die Dauer der jeweiligen Therapieformen, meist auf Grund der
Forschungsdesigns, unterschiedlich ist (3 Monate bis 3 Jahre), hat es sich
generell durchgesetzt, bereits zu Beginn der Therapie zeitlich klare Limita-
tionen zu vereinbaren und diese auch einzuhalten. Wissenschaftlich abge-
sicherte Daten zur Bedeutung von Frequenz, Intensität und Dauer von Psy-
chotherapie der Borderline-Störung liegen derzeit nicht vor. Allen Thera-
pieformen gemeinsam sind klare Regeln und Vereinbarungen bezüglich
des Umgangs mit Suizidalität, Kriseninterventionen und Störungen der
therapeutischen Rahmenbedingungen. Diese werden zu Beginn der Thera-
pie in sog. „Therapie-Verträgen“ vereinbart. Alle etablierten therapeuti-
schen Verfahren erarbeiten mit ihren Patienten genaue „Krisenpläne“, und
bieten meist auch kurzfristige telefonische Unterstützung an, um ungeplan-
te Klinikeinweisungen zu begrenzen.
Sei es explizit vereinbart oder implizit im therapeutischen Codex ver-
ankert, verfügen alle störungsspezifischen Verfahren zur Behandlung der
BPS über eine Hierarchisierung der Behandlungsfoci. Suizidales Verhalten
oder drängende Suizidideen werden stets vorrangig behandelt, Verhaltens-
muster oder -ideen, welche die Aufrechterhaltung der Therapie gefährden
oder den Therapeuten oder Mitpatienten stark belasten, gelten ebenfalls als
vorrangig. Das Prinzip der „dynamischen Hierarchisierung“ hat sich heute
generell durchgesetzt: Die Wahl der Behandlungsfoci orientiert sich an den
jeweiligen momentanen Gegebenheiten, die der Patient mitbringt. Diese
werden im Rahmen vorgegebener Heurismen organisiert und strukturiert.
Damit unterscheiden sich die Strategien zur Behandlung komplexer Stö-
rungsbilder wie der BPS von Therapiekonzepten zur Behandlung mono-
symptomatischer Störungsbilder (wie z. B. Zwangs- oder Angststörungen),
deren Ablauf zeitlich klar definiert ist.

4.5.2.2 Therapeutische Beziehung

Die Arbeit mit BPS-Patienten fordert und belastet die therapeutische Bezie-
hung in besonderem Maße. Gerade weil die Patienten häufig aus einem un-
90 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

berechenbaren, gewaltsamen und demütigenden familiärem Umfeld kom-


men, haben sie das nachvollziehbare Interesse, ihrerseits die Beziehungen
zu steuern und zu kontrollieren. Gleichzeitig fühlen sich viele Borderline-
Patienten geradezu existentiell abhängig von ihren Therapeuten. Man sollte
sich als Therapeut diese intensive Dimension vergegenwärtigen. Bereits ge-
ringe Fluktuationen im Terminplan, Änderungen im Therapieraum oder
Unzuverlässigkeiten können erhebliche Ängste oder Aggressionen auslösen.
Man sollte sich also bemühen, die Strukturen konstant zu halten. Abwesen-
heiten sollten rechtzeitig kommuniziert und Urlaubsvertretungen organi-
siert werden. Die meisten Borderline-Patienten suchen und brauchen im
Therapeuten ein authentisches Gegenüber, dessen emotionale Reaktionen
transparent und nachvollziehbar sind. Machtgefälle sollten tunlichst ver-
mieden werden und adäquates Verhalten nicht pathologisiert, sondern als
normativ verstärkt werden.
Auch wenn nicht alle Schulen lerntheoretische Termini verwenden, so ist
doch implizit deutlich, dass die therapeutische Beziehung auch als „Modell
für normative Beziehungsgestaltung“ herangezogen wird, d. h. dysfunktio-
nales Verhalten wie „Schweigen“, „Feindseligkeit“, „Unpünktlichkeit“ etc.
sollte rasch angesprochen und korrigiert, vertrauensvolle Kooperation ver-
stärkt werden. „Der Therapeut ist dafür verantwortlich, dass der Patient
ihn adäquat behandelt“. Andererseits besteht gerade bei der Borderline-
Therapie die Gefahr, dass der Therapeut sich emotional mit der Problema-
tik des Patienten verstrickt, ungewollt seine professionellen Grenzen über-
schreitet oder zu stark mitleidet. Auch fortgeschrittene Therapeuten benö-
tigen den Rückhalt einer Supervisionsgruppe, um sich in diesen Fällen Rat
zu holen. Dies betrifft insbesondere die Ängste und Probleme bei der Be-
endigung der Therapie. In aller Regel empfiehlt es sich, Therapien nicht
abrupt zu beenden, sondern nach längerer Planung langsam auslaufen zu
lassen bzw. in längeren Abständen sog. „Booster-Termine“ zu setzen.

4.5.2.3 Veränderungsstrategien

z Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT, Evidenzgrad I b)


Die Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) wurde in den achtziger Jahren
von M. Linehan (University of Washington, Seattle, USA) als störungsspezi-
fische ambulante Therapie für chronisch suizidale Patientinnen mit BPS
entwickelt und gilt derzeit als das am besten wissenschaftlich abgesicherte
Verfahren (Linehan et al. 1993, Bohus 2002).
Methodisch integriert die DBT ein weites Spektrum aus dem Bereich der
Verhaltenstherapie, der kognitiven Therapie, der Gestalttherapie, der Hyp-
notherapie und dem ZEN. Strukturell handelt es sich um ein Modulkon-
zept, welches eine Kombination zwischen Einzeltherapie, Gruppentherapie
und Supervision vorschlägt. Neben diesen integralen Bestandteilen emp-
fiehlt es sich, mit stationären Einrichtungen im Sinne der „Integrierten
Versorgung“ zu kooperieren. Die ambulante Einzeltherapie erstreckt sich
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 91

auf einen Zeitraum von 1 bis 2 Jahren mit 1–2 Behandlungsstunden pro
Woche. Im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten sollte der Einzelthe-
rapeut zur Lösung akuter, eventuell lebensbedrohlicher Krisen telefonisch
erreichbar sein. Zeitgleich zur Einzeltherapie besucht der Patient wöchent-
lich einmal für zwei bis drei Stunden eine Fertigkeitentrainingsgruppe.
Diese Gruppe orientiert sich an einem Manual und arbeitet über einen
Zeitraum von 6 Monaten. Es hat sich als hilfreich erwiesen, gegebenenfalls
einen zweiten Turnus anzuschließen. Die Kommunikation zwischen Einzel-
und Gruppentherapeuten erfolgt im Rahmen der Supervisionsgruppe, die
ebenfalls wöchentlich stattfinden sollte. Der Einzeltherapeut ist gehalten,
die in der Fertigkeitengruppe erlernten Fähigkeiten fortwährend in seine
Therapieplanung zu integrieren, um so die Generalisierung des Erlernten
zu gewährleisten.
Der motivationale Aspekt erscheint vor dem Hintergrund der bereits er-
wähnten häufigen Therapieabbrüche von besonderer Bedeutung. Überein-
stimmend zeigen alle bislang publizierten Studien zur Wirksamkeit der
DBT eine hochsignifikant verbesserte Therapiecompliance im Vergleich mit
unspezifischen Behandlungen (Lieb et al. 2004).
Die Therapie im ambulanten Setting untergliedert sich in die Vorberei-
tungsphase und zwei Behandlungsphasen mit unterschiedlichen Behand-
lungszielen: Die Vorbereitungsphase dient der Diagnostik und Informati-
onsvermittlung über das Krankheitsbild, die Grundzüge der DBT sowie der
Zielanalyse und Motivationsklärung. Anschließend folgt die erste Therapie-
phase, in der diejenigen Problembereiche bearbeitet werden, die in direk-
tem Zusammenhang mit Schwierigkeiten der Verhaltenskontrolle stehen
(z. B. Suizidalität, schwere Selbstverletzungen, Probleme der Impulskontrol-
le, Hochrisikoverhalten, Therapiecompliance etc.). Die durchschnittliche
Dauer der Behandlung in der ersten Phase beläuft sich je nach Schwere-
grad der Störung auf ca. ein Jahr, die Behandlungserfolge in dieser ersten
Phase belaufen sich auf Remissionsraten von etwa 60%.
In der zweiten Therapiephase geht es um die Bearbeitung dysfunktiona-
len emotionalen Erlebens. Man orientiert sich in dieser Phase an den emo-
tionalen Schlüsselproblemen der jeweiligen Patientin. Dabei handelt es sich
häufig um die emotionalen und kognitiven Folgen traumatischer Erfahrun-
gen (Schuld, Scham, Angst und Wut). Die Reihenfolge der Therapiephasen
sollte unbedingt berücksichtigt werden. Untersuchungen zu den therapeuti-
schen Effekten der zweiten Therapiephase sind noch nicht abgeschlossen.
Die Frage nach der Behandlungsebene resultiert aus individuell erstellten
Situations- und Bedingungsanalysen, die klären, inwiefern das jeweils do-
minierende, priorisierte Verhaltensmuster durch labilisierende Umstände
(Schlafstörungen, Essstörungen, soziale Probleme etc.) bedingt ist, ob spe-
zifische, eindeutig identifizierbare Stimuli eine wesentliche Rolle spielen
(Gewalterfahrung, Kontakte mit ehemaligen Tätern etc.), ob dysfunktionale
Schemata oder Pläne im Vordergrund stehen („ich habe kein Recht, Wut
und Ärger zu äußern, wenn ich verlassen werde, löse ich mich auf “. . .), oder
ob mangelhafte Problemlösekompetenz ausschlaggebend ist. Schließlich
wird geprüft, inwiefern die jeweiligen Verhaltensmuster durch interne oder
92 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

externe Konsequenzen aufrechterhalten werden. Diese Analyse wiederum


eröffnet die Wahl der jeweiligen Behandlungsmethodik: Labilisierende Be-
dingungen erfordern in aller Regel konkretes Problemlösen; identifizierbare
Stimuli sollten, wenn möglich, beseitigt werden oder mittels Exposition de-
sensibilisiert werden. Dysfunktionale Schemata erfordern eine sorgfältige
Analyse auf der Ebene der angewandten und geplanten Strategien sowie ei-
ne sorgsame Korrektur auf der Verhaltensebene. Mangelhafte Problemlöse-
kompetenz kann durch Vermittlung oder Aktivierung von Fertigkeiten ver-
bessert werden und schließlich erfordern aufrechterhaltende Konsequenzen
eine aktive Veränderung auf der Ebene der Verstärker (Kontingenzmanage-
ment).
Ein zentrales Element des multimodalen Therapieprogrammes der DBT
stellt das spezifisch an die Bedürfnisse von Borderline-Patienten angepasste
Fertigkeitentraining („Skills-Training“) dar (Stiglmayr et al. 2002). Linehan
definiert diese Fertigkeiten als kognitive, emotionale und handlungsbezoge-
ne Reaktionen, die sowohl kurz- als auch langfristig zu einem Maximum
an positiven und einem Minimum an negativen Ergebnissen führen. Das
Fertigkeitentraining ist als kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppenthe-
rapie zu verstehen und vorrangig als psychoedukatives Sozialtraining kon-
zipiert. Die zu erlernenden Verhaltensfertigkeiten gliedern sich bei Linehan
in die 4 Module Stresstoleranz, Emotionsmodulation, Achtsamkeit und zwi-
schenmenschliche Kompetenz.
Die Wirksamkeit der DBT konnte von vier unabhängigen Arbeitsgrup-
pen in acht randomisierten kontrollierten Therapiestudien gezeigt werden
(Übersicht in Bohus & Schmahl 2006). Zudem liegt eine kontrollierte, nicht
randomisierte Studie aus Deutschland vor, welche den Wirksamkeitsnach-
weis eines 3-monatigen stationären DBT-Behandlungskonzepts erbringt
(Bohus et al. 2004 a).

z Schematherapie/schemafokussierte Therapie (SFT, Evidenzgrad II a)


Die Schematherapie oder schemafokussierte Therapie wurde von Young,
Klosko & Weishaar (2003) entwickelt. Das therapeutische Vorgehen ist in An-
lehnung an kognitive Therapieelemente, emotionsfokussierte und psycho-
dynamische Vorstellungen entstanden (Kellog & Young 2004). Zu Grunde
liegt dem Ansatz ein Modell, in dem von der Annahme ausgegangen wird,
dass Schemata, die auf Grund ungünstiger Kindheitserlebnisse früh ent-
standen sind, die zentrale Ursache für die Entwicklung von Persönlichkeits-
störungen darstellen. Diese Schemata befinden sich auf einer tiefen, dem
Bewusstsein schwer zugänglichen Ebene der Kognition. Die Schemata gel-
ten bedingungslos; sie sind umfassend und stark mit negativen emotiona-
len Empfindungen gekoppelt. Sie werden als dauerhafte, sich selbst erhal-
tende Persönlichkeitszüge verstanden, die maßgeblich das alltägliche Erle-
ben, Verhalten und die Beziehungen zu anderen Menschen beeinflussen. Es
wird angenommen, dass Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung
zwischen fünf Schemamodi wechseln. „Als Schemamodus werden jene –
adaptiven wie maladaptiven – Schemata oder Schemaoperationen bezeich-
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 93

net, die bei einem Menschen in einem konkreten Augenblick aktiv sind“.
Ziel der Schematherapie ist, dass der Patient den „Modus des gesunden Er-
wachsenen“ entwickelt, der durch emotionale Stabilität, zielgerichtetes Ver-
halten, zwischenmenschliche Beziehungen und Wohlbefinden gekennzeich-
net ist.
Das konkrete therapeutische Vorgehen beinhaltet neben der Identifizie-
rung der frühen maladaptiven Schemata auch deren Veränderung. Verschie-
dene Veränderungsmechanismen werden dazu eingesetzt: Begrenzte elterli-
che Fürsorge, erlebensbasierte Strategien, kognitive Restrukturierung und
Edukation sowie das Aufbrechen fehlangepasster Verhaltensmuster. Die
Therapie verläuft in drei Phasen:
1. Bindung und emotionale Regulation
2. Veränderung der Schemamodi und
3. Autonomieentwicklung.

Wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Schematherapie ist die differen-


zierte Gestaltung der therapeutischen Beziehung analog einer „fördernden
Elternbeziehung“. Die emotionsfokussierte Arbeit beinhaltet imaginative
Techniken, die Arbeit mit Dialogen und Briefen. Ähnlich wie in anderen
Therapieansätzen geben Therapeuten eine Telefonnummer für Krisensitua-
tionen, es gibt Telefonsitzungen oder Emailkontakt auch außerhalb der Sit-
zungen.
In einer 3-jährigen randomisierten Studie mit 86 Borderline-Patienten
zum Wirksamkeitsvergleich der SFT vs. TFP unter ambulanten Bedingun-
gen wurde hinsichtlich Remission, Funktionsniveau und Lebensqualität eine
Überlegenheit der SFT festgestellt (Giesen-Bloo et al. 2006). Allerdings wur-
den lediglich Intent-to-treat-Analysen durchgeführt, so dass bei einer
höheren Abbruchquote für die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie
die Gruppenunterschiede auf die höhere drop-out-Rate zurückgehen könn-
ten.

z Mentalisierungs-basierte Therapie (MBT, Evidenzgrad II a)


Die Mentalisierungs-basierte Therapie wurde zu Forschungszwecken kon-
zeptualisiert und in einem teilstationären Setting evaluiert (Bateman und
Fonagy 1999, 2001). Diese tagesklinische Behandlung erfolgte mit einer
Einzel- und drei Gruppentherapiesitzungen pro Woche sowie mit ergän-
zenden Therapieangeboten, die über 18 Monate hinweg stattfanden. Eine
Version für ambulante MBT befindet sich ebenfalls in Anwendung, wobei
pro Woche eine Einzeltherapiesitzung (im Sitzen) mit einer 90-minütigen
Gruppentherapie kombiniert wird (Bateman und Fonagy 2004 a, 2006). Die
MBT-Methode basiert auf der Psychoanalyse und der Bindungstheorie und
sieht den Kern der Borderline-Pathologie in einer verminderten Mentalisie-
rung: die Fähigkeit, eigenes Erleben in einen verstehenden Zusammenhang
zu stellen, ist ebenso gestört wie die Fähigkeit, innere Prozesse anderer
Menschen zu erkennen und zu verstehen. Infolgedessen zielt die MBT auf
eine Verbesserung der Mentalisierungsfähigkeit, die die Voraussetzung für
94 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

eine bessere Affekt- und Impulskontrolle sowie ein verbessertes Bezie-


hungsleben darstellt. In der Behandlung mit MBT wird das Erleben des Pa-
tienten im Hier-und-Jetzt sowie seine Wahrnehmung des Erlebens anderer
in den Mittelpunkt gestellt. Auftauchende Emotionen werden unmittelbar
auf ihre Entstehung hin untersucht und in einen Verstehenszusammenhang
gestellt. In der therapeutischen Beziehung und insbesondere auch in den
Beziehungen innerhalb der Gruppe werden das Verhalten und das Erleben
des Gegenübers analysiert und in einen verstehenden und erklärenden Be-
ziehungskontext gesetzt. Übertragung und Gegenübertragung werden nicht
als Reinszenierung früherer Erfahrungen verstanden und gedeutet, viel-
mehr wird ihre Bedeutung im aktuellen Beziehungszusammenhang ana-
lysiert. Auch wird die Deutung von unbewussten Fantasien und Konflikten
sowie die Verwendung von Metaphern und Symbolen unter der Annahme
vermieden, dass diese Interventionen eine Mentalisierungsfähigkeit voraus-
setzen würden, die bei Borderline-Patienten noch nicht vorhanden sei.
Der Wirksamkeitsnachweis für MBT erstreckt sich auf eine teilstationäre
Behandlung (Bateman und Fonagy 1999a, 2001) mit bislang einer kontrol-
lierten randomisierten publizierten Studie gegen TAU. Bei äußerst geringen
Abbruchquoten finden sich signifikante Verbesserungen der Psychopatholo-
gie erst nach 1,5 Jahren Behandlung. Deutliche Effekte hingegen zeigen
sich nach drei Jahren Behandlung, wobei die Therapie während dieses Zeit-
rahmens als kontinuierliche Gruppentherapie fortgesetzt wurde.

z Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP, Evidenzgrad II a)


Die von Otto F. Kernberg (Kernberg et al. 1989; 1993) entwickelte Psycho-
dynamische Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung mit der
Methode der Übertragungs-fokussierten Psychotherapie (TFP) ist als Ma-
nual konzipiert (Clarkin et al. 1999, 2006) und liegt in deutscher Version
vor (Clarkin et al. 2001). Diese auf Objektbeziehungen und Übertragung
fokussierte Therapie kann als eine störungsspezifisch modifizierte Form
der psychoanalytischen und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
angewendet werden. Als ambulante Einzelpsychotherapie wird TFP unter
Supervision mit zwei Wochenstunden für die Dauer von mindestens einem
Jahr im Sitzen durchgeführt, Modifikationen für die Anwendung von TFP
im stationären Setting befinden sich in klinischer Erprobung.
In der Vorbereitungsphase erfolgen die klinische Diagnostik und die In-
formationen über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Therapeut
und Patient für die Therapie, die in einem individuellen mündlichen Be-
handlungsvertrag festgelegt werden. Im Manual sind die unterschiedlichen
behandlungstechnischen Anweisungen und Therapieziele für die frühe
mittlere und fortgeschrittene Therapiephase formuliert. Es enthält auch
differenzierte Hierarchisierungen von Problemen der in der Therapiesit-
zung vorrangig zu bearbeitenden Inhalte und Risiken, wobei Gefährdungen
der Fortsetzung der Behandlung und Sicherstellung des therapeutischen
Rahmens an erster Stelle stehen. In der Anfangsphase der Behandlung kon-
zentrieren sich die Therapieziele auf bessere Kontrolle über das maladap-
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 95

tive Verhalten mit der typischen Borderline-Symptomatik und auf die ge-
störte Affekt- und Impulsregulation. Die primären Therapieziele sind aus-
gerichtet auf die Reduzierung von Depressivität und Angst, Suizidalität,
selbstschädigendem und impulsivem Verhalten und die Gefahren eines The-
rapieabbruchs.
In den anschließenden Therapiephasen konzentrieren sich die langfristi-
gen strategischen Therapieziele auf die bei der Borderline-Persönlichkeit
bestehenden schweren Störungen der Identität („Identitätsdiffusion“) und
der Objektbeziehungen, d. h. dem Fehlen integrierter, gestalthafter innerer
Abbilder des Selbst und wichtiger anderer Personen (Selbst- und Objekt-
Repräsentanzen). Aus Sicht der Objektbeziehungstheorie erleben die Be-
troffenen sich selbst und ihre Beziehungspartner in Teilaspekten, die durch
Identitätsdiffusion und Abwehrvorgänge (Spaltung, projektive Identifikati-
on, Idealisierung, Entwertung, Verleugnung) verzerrt sind. In der TFP wer-
den die Wahrnehmungsverzerrungen im Hier-und-Jetzt der therapeuti-
schen Übertragungsbeziehung in Form von typischen internalisierten do-
minanten Objektbeziehungsdyaden identifiziert und bearbeitet. Durch in-
tensives Klären, wiederholtes Aufzeigen von Widersprüchen und metapho-
rische Deutungen gewinnt der Patient in der Interaktion mit dem Thera-
peuten im Verlauf der Behandlung an Reflektionsvermögen und an Fähig-
keiten zur Integration des Selbstkonzeptes und des Konzeptes von Anderen
sowie zur Integration abgespaltener Affekte.
Clarkin et al. (2007) verglichen in einer randomisierten und kontrollier-
ten Studie an 90 Borderline-Patienten TFP mit der Dialektisch-behavioralen
Therapie (DBT) nach Linehan und supportiver Therapie nach Rockland
(SPT). Alle drei Therapieformen zeigten Verbesserungen in vielen Berei-
chen (Depression, Angst, allgemeines Funktionieren, soziale Anpassung),
TFP und DBT bewirkten signifikante Verbesserung der Suizidalität, TFP
und SPT erreichten Verbesserungen in Teilbereichen von Wut und Impulsi-
vität und nur durch TFP kam es zu einer Verminderung von Reizbarkeit
sowie von verbalen und indirekten Angriffen. Weiterhin wurden nur unter
TFP signifikante positive Veränderungen im Bereich des „reflective func-
tioning“ und des Bindungsstils von einer unsicheren zur sicheren Bindung
erreicht (Levy et al. 2006). Ein direkter statistischer Vergleich der Therapie-
arme erfolgte nicht.
96 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.5.3 Psychopharmakotherapie

4.5.3.1 Art, Indikation und Wirksamkeit

z Psychopharmakologische Behandlung in Krisensituationen


Krisenhafte Zuspitzungen bestimmen vor allem den Frühverlauf während
der ersten Krankheitsjahre der BPS. Die Verabreichung von Medikamenten
in Krisensituationen sollte dem Patienten gegenüber gut begründet werden,
sie sollte auf eine rasche Wiederherstellung eines ausreichenden Funk-
tionsniveaus zielen und zeitlich zunächst limitiert sein. Es kommen so in
erster Linie sedierende, niedrig dosierte atypische Neuroleptika (z. B. 25–50
mg Quetiapin) oder Antidepressiva (z. B. 15–30 mg Mirtazapin) zum Ein-
satz, um vor allem aversive Spannungszustände, emotionalen Aufruhr und
feindselige Erregung wieder besser kontrollieren zu können. Eine offene
Studie ergab Anhalt für die mögliche Wirksamkeit von Clonidin im akuten
Erregungszustand (Phillipsen et al. 2004).
Es ist allgemein zu beachten, dass kompetente psychotherapeutische Kri-
senintervention in den allermeisten Fällen innert weniger Tage zur Restabi-
lisierung des Patienen führt. Unter EbM-Gesichtspunkten ist bedeutsam,
dass für ein rationales psychopharmakologisches Vorgehen keine Daten aus
kontrollierten Studien vorliegen, sondern dass nach wie vor klinische Er-
fahrungen der Notfallpsychiatrie Orientierung vermitteln.

z Psychopharmakologische Behandlung komorbider Störungen


Die psychopharmakologische Behandlung von komorbiden psychiatrischen
Störungen erfolgt einererseits nach den etablierten Richtlinien für die je-
weilige Erkrankung, hat andererseits aber die speziellen Verarbeitungsmög-
lichkeiten, die der Persönlichkeitsstörung eines Patienten inhärent sind, in
besonderer Weise zu berücksichtigen.

z Psychopharmakologische Behandlung von Borderline-typischen Syndromen


Hinsichtlich störungsorientierter Symptombildungen bei Patienten mit BPS
existieren offene, kontrollierte Studien und RCTs. Von ganz wenigen Aus-
nahmen abgesehen handelt es sich hierbei um Studien zur Kurzzeitbe-
handlung von wenigen Wochen und Monaten. In einer allgemeinen Beur-
teilung der vorliegenden Studiendaten sind einige Anmerkungen voran-
zustellen:
z Die große symptomatologische Fluktuation schon im natürlichen Krank-
heitsverlauf macht es oft schwer, einen protokollierten Effekt als „Erfolg“
oder als „Misserfolg“ einer angesetzten Medikation zu beurteilen. Dies
ist besonders im Hinblick auf die durchschnittlich allenfalls moderaten
Effektstärken von Medikamenten bei BPS-Patienten im Auge zu behalten.
z In Studien aufgenommene Patientenstichproben werden nach struktu-
rierten Diagnosekriterien diagnostiziert. Der Algorithmus des Diagnosti-
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 97

zierens bedingt aber eine hohe Heterogenität in der hierüber erfassten


klinischen Phänomenologie. Es ist nicht immer klar, auf welche Patien-
tengruppierungen die publizierten Untersuchungsergebnisse sich bezie-
hen.
z Es existieren so gut wie keine Daten zu einer medikamentösen Langzeit-
behandlung. Dies ist umso bedauerlicher, als einige medikamentöse Stra-
tegien wie z. B. mit Stimmungsstabilisatoren langfristig anzulegen wären.
z Selten werden in den Studien nähere Angaben zum therapeutischen Ge-
samtrahmen gemacht. Gerade eine medikamentöse Behandlung verlangt
aber eine sorgfältig etablierte Arbeitsbeziehung zwischen Borderline-Pa-
tient und Psychopharmakologen. Im Hinblick auf den für Studien stets
geforderten „informed consent“ und eine sicherzustellende hohe Compli-
ance muss befürchtet werden, dass die bei Studienpopulationen gefunde-
nen Ergebnisse nicht ohne weiteres auf Patientengruppierungen unter
naturalistischen Versorgungsbedingungen extrapoliert werden dürfen.
Mäßige bis bedeutsame Drop-out-Quoten bei den Studien unterstreichen
dieses Problem.
z Weitere Probleme in der Interpretation der vorliegenden empirischen
Studienergebnisse ergeben sich aus den bereits unter Abschn. 3.1.2 dar-
gestellten allgemeinen Aspekten.

Medikamentöse Strategien lassen sich syndromorientiert formulieren. Sie


beziehen sich auf therapeutische Erfahrungen, die mit einzelnen pharma-
kologischen Substanzklassen gewonnen worden sind (eine Übersicht über
die RCT findet sich in Tabelle 4.2).

z Emotionale Dysregulation, verstärkte Stimmungslabilität, insgesamt er-


höhte Assoziation mit depressiven Störungen legen einen Einsatz von
antidepressiven Medikamenten nahe. Selektive Serotoninwiederaufnah-
mehemmer (SSRI) zählen zu den vergleichsweise noch am intensivsten
unter dieser Indikationsstellung untersuchten Antidepressiva. Trotzdem
ist die empirische Datenbasis noch nicht als ausreichend zu beurteilen.
Es existieren auch vereinzelte Untersuchungen zu Selektiven Serotonin-
Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI, Venlafaxin), Trizyklische
Antidepressiva (TZA) und irreversiblen Monoaminooxidasehemmer
(MAO-I, Tranylcypromin).
Die Evidenzgrade für die in RCT untersuchten SSRIs (Fluoxetin, Fluvo-
xamin) sind mit I b in der Reduktion depressiver und auch ängstlicher
Symptome bei klinisch relevanter Depression anzugeben. Hierbei sind
die mehrheitlich kleinen Patientenanzahlen in den Studien zu berück-
sichtigen. Hinsichtlich bedeutsamer Ärgeraffekte, Impulsivität und Ag-
gressivität sind die Ergebnisse inkonsistent. Fluoxetin zeigt in einer Do-
sierung bis 60 mg möglicherweise eine bedeutsame Effektstärke. Bei Pa-
tienten ohne klinisch relevante Depression oder Ärgersymptome zeigen
SSRIs eher eine nur sehr begrenzte Wirksamkeit bei der störungstypi-
schen Affekt- und Stimmungslabilität.
Tabelle 4.2. Therapiestudien (ausschließlich RCTs) mit Antidepressiva bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung 98
Probanden N Testmedikation Resultat
z

(Art der Studie)

Montgomery Patienten mit wiederholten Episoden N = 58 Mianserin vs. Placebo Kein signifikanter Unterschied
& Montgomery suizidalen Verhaltens (N = 30 mit BPS)
(1982, 1983) RCT über 6 Monate
Soloff et al. Stationäre Patienten mit Borderline- N = 60 Amitryptilin (Trizyklikum) Haloperidol für Depression besser geeignet als
(1986) P.S., schizotypischer P.S. oder kom- RCT über 5 Wochen 147 mg, Haloperidol 4,8 mg Amitryptilin
binierter Störung
Cowdry u. Borderline-P.S. mit Verhaltensdys- N = 12 Tranylcypromin (irreversibler Bewirkt verglichen mit Trifluoperazin, Aprazolam,
Gardner (1988) funktion RCT über 6 Wochen Monoaminooxydaseinhibitor) Carbamazepin und Placebo die größten Verbesserungen
40 mg/d im Durchschnitt der Stimmungslage
Salzmann Borderline-P.S., leichte bis mittel- N = 22 Fluoxetin (SSRI) bis 60 mg Signifikante Besserung von Wut, Aggression und
et al. (1995) schwere Ausprägung RCT über 13 Wochen Depression
Markovitz Borderline-P.S. mit verschiedenen N = 31 Fluoxetin (SSRI) 80 mg/d Signifikante Besserung von Angst, Depression und
(1995) Achse-1- und Achse-2-Störungen RCT über 14 Wochen allgemeinem Funktionsniveau, keine Besserung der
Aggressivität
Coccaro u. P.S. mit impulsivem, aggressivem N = 40 Fluoxetin (SSRI) 20–60 mg/d Signifikante Abnahme der offenen verbalen und impul-
Kavoussi (1997) Verhalten und Irritabilität 33% RCT über 3 Monate siven Aggression; kein Einfluss auf Selbstwahrnehmung
davon mit Borderline-P.S. von Aggression; Besserung des CGI-Scores; belegt keine
Verminderung der auf andere gerichteten Aggression
Rinne et al. Patientinnen mit Borderline-P.S. N = 38 Fluvoxamin (SSRI) 150 mg, Signifikante Abnahme der Stimmungsschwankungen,
(2002) leichter bis schwerer Ausprägung, RCT über 6 Wochen, im weiteren Verlauf bis keine Änderung in Aggression und Impulsivität
4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Ausschluss einer bipolaren S. 6 Wochen „half cross max. 250 mg


over“-Design, 12 Wochen
offenes „follow-up“
Simpson Ausschluss einer bipolaren S. N = 25 Fluoxetin (SSRI) 40 mg Kein zusätzlicher Effekt durch Fluoxetin, aber
et al. (2004) RCT über 10 bis begrenzte Aussage wegen zu kleiner Stichprobe
11 Wochen als add-on
zu Dialektisch-behaviora-
ler Therapie
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 99

Unter der Indikationsstellung der spezifischen emotionalen Dysregulati-


on sind SSRIs den atypischen Neuroleptika (z. B. Aripiprazol, Olanzapin)
möglicherweise unterlegen. Ein Direktvergleich in einem RCT liegt aber
noch nicht vor.
SSRIs in Form von Fluoxetin erbrachte in der Kombination mit Dialek-
tisch-behavioraler Therapie (DBT) bzw. Interpersoneller Therapie (IPT)
in zwei Studien noch keine schlüssig interpretierbaren Resultate, wobei
erstere Studie „underpowert“ war, letztere Studie aber Patienten mit ko-
morbider Major Depression eingeschlossen hatte.
Unter den dual wirksamen SSNRI (z. B. Venlafaxin) sind theoretisch
leichter Symptome einer impulshaften Verhaltensdysregulation vorstell-
bar. Eventuell sind SSNRI bei Patienten mit komorbider ADHD und de-
pressiver Symptomatik vorzuziehen.
Der unmittelbare antidepressive Effekt von TZA (Amitriptylin, Nortrip-
tylin, Imipramin, Desipramin) ist in den vorliegenden Studien sehr be-
scheiden. Eine mögliche Effizienz besteht bei klinisch relevanter Depres-
sion. Trizyklika besitzen aber einen nur geringen therapeutischen Sicher-
heitsbereich und weisen bei Überdosierung z. B. in Folge (para-) suizida-
ler Handlungen ein hohes Letalitätsrisiko auf.
MAO-Hemmer (Phenelzin, Tranylcypromin) können Ärgeraffekte und
Impulskontrollstörungen positiv beeinflussen. Ihr unmittelbarer antide-
pressiver Effekt ist möglicherweise den TZA diskret überlegen. Bei „aty-
pischen“ Depressionssymptomen wie Hypersomnie, Hyperphagie und
interpersonaler Zurückweisungsempfindlichkeit sind die Behandlungs-
resultate mit MAO-Hemmern inkonsistent. Auch die irreversiblen MAO-
Hemmer weisen nicht zuletzt wegen der höchst diszipliniert einzuhalten-
den Diätvorschriften ein bedeutsames Gefährdungspotenzial auf.
Unter Abwägung der klinisch erwartbaren, allenfalls als bescheiden ein-
zustufenden Effekte und angesichts der hohen Nebenwirkungsrate sowie
der bedenklichen Sicherheitsprofile sollten sowohl MAO-Hemmer als
auch TZA bei Patienten mit BPS möglichst nicht eingesetzt werden.

Ein besonderes perzeptiv-kognitives Symptomcluster mit z. B. paranoidem


Misstrauen, passageren anderen psychotischen Symptomen bildet den Aus-
gangspunkt für den Einsatz von antipsychotischen Substanzen. Es liegen
mehrere RCTs zu niedrig dosierten typischen (Haloperidol, Thioridazin,
Trifluoperazin) und atypischen Neuroleptika (Olanzapin, Aripiprazol) vor.
Niedrig dosierte, insbesondere atypische Antipsychotika zeigten in einigen
Studien positive Effekte auf perzeptiv-kognitive Symptome, feindselige Af-
fekte, Ärger, Aggressivität, Depressivität (I a). In der methodisch guten Stu-
die von Soloff et al. (1989) fand sich für Haloperidol bis auf eine positive
Wirkung auf Reizbarkeit kein eindeutiger Effekt, eine sehr hohe Drop-out-
Rate war festzuhalten. Mehrere Placebo-kontrollierte Studien mit Olanzapin
zeigen ebenfalls mäßige bis hohe Abbruchquoten (ca. 50%); derzeit wird
geprüft, ob die Erfolg versprechenden Daten der kleineren Studien in einer
groß angelegten Multicenter-Studie mit über 300 Patientinnen repliziert
werden können.
Tabelle 4.3. Therapiestudien (ausschließlich RCTs) mit Antipsychotika bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Probanden N (Art der Studie) Testmedikation Resultat 100
Goldberg Borderline-P.S. (N = 17) N = 50 Thioridazin (Phenothiazin) Signifikante Überlegenheit von Thioridazin für Wahn,
z

et al. (1986) paranoide P.S. (N = 13) RCT 5–40 mg; Selbstbezogenheit, psychotisches Verhalten und
schizoide P.S. (N = 20) 8,7 mg im Durchschnitt Zwangssymptomatik, aber nicht für Depression, Wut
über 12 Wochen oder Feindseligkeit
Cowdry u. Borderline-P.S., alle mit gestörter N = 16 Trifluoperazin (Phenothiazin) Trifluoperazin schlecht verträglich aber signifikant
Gardner Verhaltenskontrolle RCT im Mittel 7,8 mg verbesserte Verhaltenskontrolle, Angst und Depression
(1988) (von 7 Probanden 3 Wochen
lang genommen)
Soloff et al. Borderline-P.S. N = 90 Haloperidol (Butyrophenon) Signifikante Verbesserung des allg. Funktionsniveaus,
(1989) 4–16 mg vs. Amitriptylin von Feindseligkeit, schizotypischen und impulsiven
100–175 mg vs. Placebo Symptomen
über 5 Wochen
Soloff et al. Konsekutiv aufgenommene N = 36 Haloperidol < 6 mg/d Haloperidol u. Placebo schlechter als Phenelzin gegen
(1993) Patienten mit Borderline-P.S. N = 38 Phenelzin (irrev. MAOI) Depression, Wut, Feindseligkeit und Angst bei 5-wöchi-
Cornelius < 90 mg/d ger Anwendung, hohe „drop-out“-Rate von 64% bei
et al. (1993) N = 34 16-wöchiger neuroleptischer Anwendung, nur geringe
Placebo Langzeitwirkung von Phenelzin
RCT über 5 Wochen mit 16-wö-
chiger Erhaltungstherapie
Zanarini u. Patientinnen mit Borderline-P.S. N = 19 Olanzapin (atyp. Neurolepti- Signifikante Reduktion von Angst, Paranoia, Wut und
Frankenburg RCT kum) (von 10 Patienten über interpersoneller Sensitivität, keine Besserung der
(2001) 6 Monate eingenommen) Depression
Bogenschutz Patientinnen mit Borderline-P.S. ohne N = 40 Olanzapin 6,9 mg im Durch- Signifikante Verbesserung der BPS-Pathologie (ES = 7,7)
u. Nurnberg Komorbidität mit Depression, bi- RCT schnitt über 12 Wochen mit Wirkung auf Ärger, aber ohne Wirkung auf psychose-
(2004) polarer oder psychotischer Störung ähnl. Symptome, Depression, Angst und Aggressivität
4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Zanarini u. Patientinnen mit Borderline-P.S. ohne N = 45 Olanzapin 3,3 mg im Durch- Überlegenheit der Olanzapin-Monotherapie und der
Frankenburg Komorbidität mit Depression, bi- RCT schnitt über 8 Wochen vs. Kombination gegenüber Fluoxetin-Monotherapie in
(2004) polarer oder psychotischer Störung Fluoxetin 15 mg vs. Bezug auf Dysphorie und impulsive Aggressivität
Olanzapin + Fluoxetin
Soler et al. Patientinnen mit Borderline-P.S. N = 60 Olanzapin + Dialektisch- Signifikante Überlegenheit der Kombination in Bezug
(2005) ohne instabile Achse-1-Störung RCT behaviorale Therapie (DBT) auf Depression, Angst, impulsiv-aggressives Verhalten,
vs Olanzapin + DBT Trend zur Signifikanz bzgl. Selbstverletzungsverhalten
über 12 Wochen
Nickel et al. Patienten mit Borderline-P.S., keine N = 57 Akutphase Aripiprazol (atyp. Neuro- Verbesserung im SCL-90, Rückgang von Depression,
(2006, 2007) Komorbidität mit Schizophrenie N = 52 Erhaltungsth. leptikum) 15 mg/d Angst, Ärger in Akut- und Erhaltungsphase
über 8 Wochen
RCT
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 101

Tabelle 4.4. Therapiestudien (ausschließlich RCTs) mit Mood Stabilizern bei der Borderline Per-
sönlichkeitsstörung
Probanden N (Art der Test- Resultat
Studie) medikation
Cowdry u. Borderline-P.S. N = 12 Carbamazepin Signifikante Verbesse-
Gardner mit Verhaltens- RCT über 820 mg/d rung der Verhaltenskon-
(1988) dysfunktion 6 Wochen trolle und des allg.
Funktionsniveau
De la Fuente Borderline-P.S. N = 20 Carbamazepin Kein signifikanter Effekt
u. Lotstra keine Komorbidität RCT über 6,44–7,07 lg/ml
(1994) 4½ Wochen durchschnittl.
Serumspiegel
Hollander Borderline-P.S. N = 21 Valproat Kein eindeutiger Effekt
et al. (2001) Ausschluss von RCT über 80 lg/ml bei hoher Abbrecher-
psychotischen u. 10 Wochen durchschnittl. quote
bipolaren St., Aus- Serumspiegel
schluss einer der-
zeitigen Depression
Frankenburg Patientinnen mit N = 30 Valproat Signifikante Reduktion
u. Zanarini Borderline-P.S. mit RCT über 50–100 lg/ml von Aggression, Reiz-
(2002) komorbider bipo- 28 Wochen durchschnittl. barkeit und Depression,
larer St., Ausschluss Serumspiegel Effekt höher bei solchen
einer Major Depres- mit hoher Impulsivität
sion
Tritt (2005) Patientinnen mit N = 27 Lamotrigin Signifikante Reduktion
Borderline-P.S., RCT über aufdosiert bis von Ärger (auf allen
Ausschluss von bi- 8 Wochen 200 mg/d STAXI-Skalen außer
polarer Störung und anger-in)
Major Depression
Nickel et al. Patientinnen mit N = 31 Topiramat Signifikante Reduktion
(2004) Borderline-P.S., RCT über aufdosiert bis von Ärger (auf allen
Ausschluss von bi- 8 Wochen 250 mg/d STAXI-Skalen außer
polarer Störung und anger-in)
Major Depression
Nickel et al. Männliche Patien- N = 42 Topiramat Signifikante Reduktion
(2005) ten mit Borderline- RCT über aufdosiert bis von Ärger (auf allen
P.S., Ausschluss 8 Wochen 250 mg/d STAXI-Skalen außer
von bipolarer anger-in)
Störung und Major
Depression
Loew et al. Patientinnen mit N = 56 Topiramat Signifikante Reduktion
(2006) Borderline-P.S., RCT über aufdosiert bis von Somatisierung,
kein Ausschluss 10 Wochen 200 mg/d interpersoneller Sensiti-
affektiver Störungen vität, Angst, Feindselig-
keit, phobischer Angst,
allg. Funktionsniveau
(SCL-90-Subskalen)
102 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

In einer doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studie bewirkte Olan-


zapin bei einer Patientengruppe mit DBT gegenüber Placebo eine signifikante
Verbesserung von Depression, Angst, Impulsivität und aggressivem Verhal-
ten.
Das vorteilhaftere neurochemische Profil der Atypika mit zusätzlich zur
wirksamen D2-Blockade vorhandenem 5-HT-2a-Antagonismus und teil-
weise 5-HT-1a-Agonismus (z. B. Aripiprazol) versprechen antipsychotische
Wirkungen bei reduziertem extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungs-
risiko und günstigem Einfluss auf Stimmungslage und Impulskontrolle. In
dieser Hinsicht ist in der klinischen Praxis den atypischen Neuroleptika
gegenüber den traditionellen Präparaten ein klarer Vorzug einzuräumen.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass mit Ausnahme von Aripiprazol den
Atypika ein eigenständig zu bewertendes Nebenwirkungsprofil mit mehr
oder minder ausgeprägter Gewichtssteigerung, Dyslipidämie, Diabetogeni-
tät, QTc-Verlängerung und gesteigerter Prolaktinsekretion anhaftet. Im
Hinblick auf die hohe Assoziation von BPS und komorbiden Essstörungen
müssen vor allem die metabolischen Nebenwirkungen bedacht werden.
Diesbezüglich weist das Aripiprazol klare Vorteile auf.

Stimmungsstabilisatoren (Lithium, Carbamazepin, Valproat, Lamotrigin,


Topiramat) sind zweifelsohne auch für die Gruppe der Patienten mit Bor-
derlinestörungen eine hoch bedeutsame Medikamentengruppe.
Die empirische Basis für den Einsatz von Lithium bei der Borderline-
Persönlichkeitsstörung ist extrem schmal (Evidenzgrad IV). Allenfalls in
sorgfältig ausgewählten Einzelfällen sind positive Effekte möglich. Die sehr
enge therapeutische Spanne mit bedeutsamen Sicherheitsbedenken bei ein-
geschränkter Handlungskontrolle fällt zusätzlich negativ ins Gewicht.
Für Carbamezapin können keine positiven Effekte aus RCTs berichtet
werden.
Valproat zeigte in mehreren (Evidenzgrad I b) und Lamotrigin (Evidenz-
grad II a) einen günstigen Effekt auf Impulsivität, Ärger, Irritabilität und
Dysphorie. Auch für Topiramat ließen sich diese ermutigenden Ergebnisse
in mehreren RCTs finden (Evidenzgrad I b).
Generell gilt es aber beim Einsatz von Stimmungsstabilisatoren zu be-
denken, dass Borderline-Patienten nur schwer für eine medikamentöse
Langzeitprophylaxe zu gewinnen sind.

Der Einsatz von Benzodiazepinen ist bei Borderline-Patienten auf Notfall-


situationen mit ausgeprägten Angstzuständen zu beschränken (Evidenzgrad
IV). Stets ist die Gefahr einer raschen Gewöhnung und missbräuchlichen
Einnahme zu beachten. Bei bekannten Abhängigkeitsproblemen besteht ei-
ne klare Kontraindikation. Vor allem unter Benzodiazepinen mit kürzerer
Halbwertszeit wie z. B. Alprazolam können unkontrollierte Verhaltensdurch-
brüche auftreten, wie in einem RCT beobachtet worden ist.

Opiatantagonisten wie z. B. Naloxon oder Naltrexon werden derzeit hin-


sichtlich ihrer Wirksamkeit bei ausgeprägten dissoziativen Zuständen un-
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 103

tersucht, für den systematischen Einsatz liegen derzeit keine ausreichenden


Nachweise vor. Die empirischen Belege für eine eventuelle Wirksamkeit
stammen aber bisher ausschließlich aus unkontrollierten Studien (Evidenz-
grad III). Naltrexon sollte beim Absetzen langsam ausgeschlichen werden,
da ansonsten starke dissoziative Reboundeffekte auftreten können. Bei Pa-
tienten mit gleichzeitiger Opiatabhängigkeit kann eine längerfristige Ver-
abreichung von Opiatantagonisten zu einer Hypersensibilisierung der Opiat-
rezeptoren führen. Werden solche Patienten rückfällig, dann drohen bei
dieser veränderten pharmakodynamischen Ausgangslage möglicherweise
sogar letale Komplikationen bei Wiederaufnahme des üblichen Opiatkon-
sums.
Clonidin führte in einer offenen Studie bei Zuständen heftiger aversiver
Angespanntheit zu einer Harmonisierung; derzeit liegt aber kein ausrei-
chender Wirksamkeitsnachweis vor (Evidenzgrad III).

4.5.3.2 Behandlungspragmatik

z Orientierung an Behandlungsalgorithmen
Ein an Zielsyndromen orientierter Algorithmus psychopharmakologischer
Interventionen (vgl. z. B. APA Guideline 2001) erleichtert zwar pragmati-
sche Entscheidungen. Eine hieraus oft resultierende Polypharmazie muss
aber kritisch reflektiert werden.
BPS-Patienten weisen meist mehr als ein zentrales Syndrom auf, für das
ein je eigener algorithmischer Ansatz empfohlen wird. In aller Regel be-
wirkt aber auch ein sachkundiges pharmakologisches Vorgehen keine Voll-
remission in den Zielsymptomen. Eine häufige Konsequenz ist deshalb eine
medikamentöse Mehrfachkombination, wie dies auch für den unreflektier-
ten Umgang mit Medikamenten bei BPS-Patienten der Regelfall zu sein
scheint. Der behandelnde Arzt sollte sinnvolle pharmakologische Schwer-
punkte mit seinem Patienten diskutieren, die mögliche Vorteile versprechen
und vor allem möglichst geringe Risiken in sich bergen. Eine solche sinn-
volle Schwerpunktsetzung könnte z. B. sein, für einen Borderline-Patienten
mit depressiver Verstimmung und Essstörung ein Medikament (z. B. Fluo-
xetin) zu verordnen, das für beide Indikationsstellungen empirische Wirk-
belege aufweisen kann.

z Compliance-Problem und selbstdestruktives Risiko


Borderline-Patienten nehmen ihre Medikamente häufig unregelmäßig ein,
neigen zu Überdosierungen, kombinieren mit nicht verordneten Zusatz-
medikamenten, legen nicht abgesprochene Medikamentenpausen ein. Ihre
Non-Compliance kann durch vielfältige Motive verursacht sein, die es im
Gespräch zu klären gilt. Patienten, die sich wiederholt in suizidalen Krisen
mit verordneten Medikamenten zu töten versucht haben, oder signalisieren,
dass sie für solche Gelegenheiten Medikamente horten, sind unter ambu-
104 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

lanten Bedingungen nicht sicher mit Psychotherapie und Medikation zu be-


handeln. Eine Wiederaufnahme einer Medikation sollte erst dann erfolgen,
wenn eine tragfähige Arbeitsbeziehung mit psychotherapeutischen Mitteln
hergestellt worden ist.

z Psychopharmakotherapie in einem integrierten Behandlungsmodell


Empirische Studien belegen, dass pharmako- und psychotherapeutische
Ansätze isoliert jeweils nur von einer Teilgruppe von Borderline-Patienten
hinreichend angenommen werden oder aber allein für sich von nur be-
schränkter therapeutischer Effizienz sind. In einem integrierten Gesamt-
behandlungsplan werden beide Verfahren sehr häufig mit einander kom-
biniert. In einer optimistischen Perspektive werden durch die Kombination
synergistische Effekte erwartet. Es liegen derzeit aber noch keine überzeu-
genden empirischen Belege vor, die für solche theoretisch erwarteten Zu-
satzwirkungen einer Kombinationsbehandlung sprechen würden. Über eine
Kombination von Dialektischer Verhaltenstherapie (DBT) und Interperso-
naler Psychotherapie (IPT) mit einem SSRI (Fluoxetin) einerseits (Simpson
et al. 2004, Bellino et al. 2006) und einem atypischen Antipsychotikum
(Olanzapin) andererseits (Soler et al. 2005) liegen erste Erfahrungen vor,
erlauben aber noch keine differenziellen Therapieempfehlungen.
In einer pragmatischen Orientierung kann berechtigt angenommen wer-
den, dass die offene Ansprache einer eventuellen Kombination mit Psycho-
pharmaka bereits mit Aufnahme einer Psychotherapie das therapeutische
Arbeitsbündnis eher günstig bestärkt als belastet. Vorteilhaft wäre eine ge-
meinsame Sichtweise auf eine Kombinationsbehandlung als ein interper-
sonales Unternehmen, in dem ärztlicherseits ein autoritativer Verordnungs-
standpunkt vermieden, vielmehr eine „teilnehmende Verschreibung“ ange-
strebt wird mit einer verständnisvollen Offenheit für das bewusste und un-
bewusste Bedeutungserleben. Kommt es erst in späteren Phasen einer Psy-
chotherapie zur Diskussion über Medikamente, dann darf regelhaft von
schwierigen Beziehungskonflikten ausgegangen werden, die mit großer
Sorgfalt geklärt werden müssen.
Das Problem, ob eine zusätzliche Pharmakotherapie gleichzeitig auch
vom Psychotherapeuten bewerkstelligt oder aber an einen eigenen Exper-
ten delegiert werden soll, ist vielschichtig und wird in der Versorgungspra-
xis ganz unterschiedlich gehandhabt. Grundbedingung für ein kombinier-
tes Vorgehen durch einen Behandler sind selbstverständlich eine ausrei-
chende pharmakologische Kompetenz und eine prinzipielle innere Offen-
heit für beide Therapieperspektiven. Das kollaborative Arbeitsbündnis
kann hierdurch weiter gestärkt werden. Werden beide Therapiefunktionen
im „Behandlerdreieck“ ausgeübt, sind ein regelmäßiger, auf wechselseiti-
gem Respekt und Vertrauen beruhender Austausch zwischen Psychothera-
peuten und Pharmakologen über den Patienten sowie eine fortlaufende kol-
legiale Abstimmung und Sicherstellung der vereinbarten Rollenteilung un-
abdingbare Voraussetzungen für einen Erfolg versprechenden therapeuti-
schen Prozess.
4.5 Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung z 105

4.5.4 Behandlungsdauer

Die derzeit vorliegenden empirischen Studien betreffen mit ganz wenigen


Ausnahmen einen Einsatz von Psychopharmaka in der Akutbehandlung
von wenigen Wochen. Langzeitstudien definieren einen dringenden For-
schungsbedarf.
Eine Entscheidung für eine medikamentöse Intervention bei Patienten
mit BPS setzt eine sorgfältige Aufklärung über ein definiertes Ziel, über er-
wartete Symptom-orientierte Effekte und mögliche Nebenwirkungen, einen
ungefähren Zeithorizont für die Entfaltung von pharmakologischen Wir-
kungen sowie auch Kriterien zur Beurteilung einer eventuellen Wirksam-
keit oder aber auch Unwirksamkeit voraus. Die Patienten sind über den
off-label-Einsatz von Psychopharmaka aufzuklären und über die unzurei-
chende Datenlage zur empirischen Evidenz zu informieren. Gerade in der
Einstellungsphase sind engmaschige Kontrollen notwendig. Eine Kombina-
tion von mehreren psychopharmakologischen Substanzen sollte sehr kri-
tisch reflektiert und mit dem Patienten besprochen werden. Ein verläss-
liches, d. h. in Konsensbildung zwischen Arzt und Patienten vereinbartes
Procedere in Situationen heftiger und vor allem gefährlicher Nebenwir-
kungen sollte verfügbar sein. Werden Medikamente wiederholt in selbst-
destruktiven Verhaltensweisen verwendet, besteht eine Kontraindikation für
eine Fortführung der Pharmakotherapie, solange es mit psychotherapeuti-
schen Möglichkeiten nicht gelingt, wieder eine tragfähige therapeutische
Allianz herzustellen. Unwirksame Medikamente sollten abgesetzt werden.
Tragen Medikamente zu einer signifikanten symptomatischen Stabilisierung
bei und ermöglichen unter Umständen sogar eine günstigere Gestaltung
psychotherapeutischer Prozesse, sollte erst nach einigen Monaten sehr vor-
sichtig eine Reduktion gewagt werden, bevor die Medikamente ganz abge-
setzt werden können. Auf mögliche Verschlechterungen muss hierbei hin-
gewiesen werden. Eine Entscheidung für eine medikamentöse Langzeitbe-
handlung im Einzelfall verlangt ebenfalls wiederkehrende Kontrollen und
Gespräche über die Medikation.

4.5.5 Verlaufskontrolle

Wie bei der Diagnostik ausgeführt, liegen mittlerweile auch für die BPS
spezifische Instrumente zur Evaluation des Therapieverlaufes vor. Im
deutschsprachigen Bereich kann die Borderline-Symptomliste verwendet
werden (BSL, Bohus et al. 2000, 2007). Dieses Instrument ist als Fragebo-
gen konzipiert und erhebt Borderline-typische Verhaltens- und Erlebens-
muster.
106 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.5.6 Zusammenfassung und Ausblick

Mehrere randomisierte kontrollierte DBT-Therapiestudien gegen eine un-


spezifische Kontrollbehandlung (Treatment As Usual, TAU), die u. a. von
unabhängigen Arbeitsgruppen berichtet wurden, entsprechen dem Evidenz-
grad I b für diese Therapieform. Der Wirksamkeitsnachweis für MBT im
teilstationären Setting erstreckt sich auf eine kontrollierte randomisierte
publizierte Studie gegen TAU (Bateman und Fonagy 1999, 2001) mit
signifikanten Verbesserungen nach 1,5 Jahren Behandlung und deutlichen
Effekten nach 3 Jahren bei fortgesetzter kontinuierlicher Gruppenthera-
pie (Evidenzgrad II a). Zur Wirksamkeit der SFT liegt eine kontrollierte
randomisierte Studie im Vergleich zu TFP vor (Giesen-Bloo et al. 2006).
Die Daten zeigen eine signifikante Überlegenheit der SFT gegenüber der
TFP, wobei im streng wissenschaftlichen Sinne noch kein Nachweis ei-
ner Überlegenheit gegenüber einer unspezifisch behandelten Kontroll-
gruppe vorliegt (Evidenzgrad II a). Das Gleiche gilt für die Evaluation der
TFP (Clarkin et al. 2007, Levy et al. 2006) im Rahmen einer kontrol-
liert randomisierten Studie TFP vs. DBT vs. Dynamisch-supportive Be-
handlung, wobei die Interpretierbarkeit der Daten auf Grund der relativ ge-
ringen n-Zahl bei 3 Studienarmen Einschränkungen aufweist (Evidenzgrad
II a).
Trotz dieser insgesamt viel versprechenden Ergebnisse zeigt sich bei al-
len Studien, dass nur etwa 50% der behandelten Patienten auf die angebo-
tenen Verfahren im ersten Durchgang ansprechen. Untersuchungen zu ge-
nerellen oder behandlungsspezifischen Prädiktorvariablen liegen noch
nicht vor. Es bleibt also zunächst unklar, welche Patienten überhaupt auf
Psychotherapie und welche auf spezifische Behandlungsangebote reagieren.
Unklar ist auch, ob eine Wiederholung (zunächst) erfolgloser Behandlun-
gen sinnvoll ist oder ob die Verfahren gewechselt werden sollten. Hier be-
steht weiterer Forschungsbedarf.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss man davon ausgehen, dass sowohl
im ambulanten als auch im stationären Setting störungsspezifische psycho-
therapeutische Verfahren unspezifischen Behandlungsformen deutlich über-
legen sind. Therapeuten, die Patienten mit Borderline-Störungen behandeln,
sollten sich daher einer spezifischen Zusatzausbildung unterziehen. Bezüg-
lich der Versorgungssituation in Deutschland ist eine flächendeckende Etab-
lierung integrierter Behandlungskonzepte auf der Basis störungsspezifischer
Konzepte zu fordern. Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass etwa die
Hälfte der Betroffenen auch in gut evaluierten Behandlungsprogrammen auf
die erste psychotherapeutische Behandlung nicht anspricht. Hier ist For-
schungsbedarf hinsichtlich Prädiktorvariablen oder Neuentwicklung von
Verfahren für Therapie-Nonresponder gegeben. Abschließend sei auf die
zentrale Bedeutung von frühen Interventionen während der Adoleszenz hin-
gewiesen, um dergestalt die Entwicklung und Chronifizierung der BPS zu
verhindern.
4.6 Behandlungsprinzipien bei Histrionischer Persönlichkeitsstörung z 107

Eine Entscheidung für eine medikamentöse Intervention bei Patienten


mit BPS setzt eine sorgfältige Aufklärung über ein definiertes Ziel, über er-
wartete Symptom-orientierte Effekte und mögliche Nebenwirkungen, einen
ungefähren Zeithorizont für die Entfaltung von pharmakologischen Wir-
kungen sowie auch Kriterien zur Beurteilung einer eventuellen Wirksam-
keit oder aber auch Unwirksamkeit voraus. Die Patienten sind über den
off-label-Einsatz von Psychopharmaka aufzuklären und über die unzurei-
chende Datenlage zur empirischen Evidenz zu informieren. Gerade in der
Einstellungsphase sind engmaschige Kontrollen notwendig. Eine Kombina-
tion von mehreren psychopharmakologischen Substanzen sollte sehr kri-
tisch reflektiert und mit dem Patienten besprochen werden. Ein verläss-
liches, d. h. in Konsensbildung zwischen Arzt und Patienten vereinbartes
Procedere in Situationen heftiger und vor allem gefährlicher Nebenwirkun-
gen sollte verfügbar sein. Werden Medikamente wiederholt in selbstde-
struktiven Verhaltensweisen verwendet, besteht eine Kontraindikation für
eine Fortführung der Pharmakotherapie, solange es mit psychotherapeuti-
schen Möglichkeiten nicht gelingt, wieder eine tragfähige therapeutische
Allianz herzustellen.

4.6 Behandlungsprinzipien
bei Histrionischer Persönlichkeitsstörung
4.6.1 Klinische Einführung

Mit Einführung des DSM-IV wurde, der feministischen Kritik entspre-


chend, der traditionelle Hysteriebegriff durch den Terminus „histrionische
Persönlichkeitsstörung“ ersetzt. Patienten mit histrionischer Persönlich-
keitsstörung (HPS) gelten als hyperexpressiv, theatralisch und oft drama-
tisch in ihrer Selbstdarstellung und Affektivität. Getrieben von heftigem
Verlangen nach Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Bewunderung, bewegen
sich histrionische Persönlichkeiten häufig auf imaginierten (oder auch rea-
len) Bühnen. Extravertiert, charmant und attraktiv, bisweilen sehr erfolg-
reich und beliebt, sorgen sie für Flair, Tempo und Abwechslung, in der Nä-
he jedoch scheint ihr Glanz sich zu verlieren. Sie wirken dann häufig un-
echt, bisweilen diffus oder leer. Bei geringer Spannungs- und Frustrations-
toleranz besteht eine hohe Ablenkbarkeit und Suggestibilität sowie die aus-
geprägte Tendenz zu kurzfristigen Abwechslungen, Vergnügungen oder
stets neuen Herausforderungen. Der „impressionistische“ kognitive Stil im-
poniert durch eine gewisse Flüchtigkeit, Diffusität und Ungenauigkeit. Abs-
trakte, logische kognitive Prozesse sowie strukturiertes Problemlösen fallen
häufig schwer.
Die meisten Kliniker sehen als zentrales Interaktionsmotiv von Men-
schen mit histrionischer Persönlichkeitsakzentuierung ein ausgeprägtes
Bedürfnis, im Leben anderer Menschen bzw. in der Öffentlichkeit, Wichtig-
108 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

keit und Bedeutung zu erlangen. Dem liegen biographisch begründete An-


nahmen zu Grunde, dass die eigene Person im Kern nicht „wichtig“ oder
„nicht liebenswert“ sei und von zentralen Bezugspersonen nicht „wahr-
genommen“ wird. Die auffälligen Verhaltensmuster können daher als dys-
funktionale Strategien verstanden werden, um entweder die gewünschte
zwischenmenschliche Zuwendung zu erreichen oder die schmerzhafte Er-
fahrung der fehlenden Zuwendung zu lindern. Pointiert ausgedrückt ver-
suchen histrionische Patienten Zuwendung zu erlangen mit Hilfe von Stra-
tegien, die Aufmerksamkeit induzieren. Je nach lerngeschichtlicher Erfah-
rung verwenden die Patienten eher positiv sanktionierte Strategien wie: un-
terhaltsam sein, interessant sein, attraktiv sein, sexy sein, oder negative
Strategien wie: Symptome produzieren, Kontrolle ausüben, jammern und
klagen, bedürftig und „arm dran“ sein. Im Gegenüber lösen diese Verhal-
tensmuster jedoch häufig das Gefühl des Unechten, der „Simulation“ aus,
so dass nach kurzfristiger Zuwendung häufig emotionaler Rückzug erfolgt.
Dies wiederum bestätigt die gefürchteten Annahmen des Patienten, im
Grunde „nicht wichtig zu sein“ und zieht eine Intensivierung der theatra-
lischen Verhaltensmuster nach sich.
In der passenden Umgebung können histrionische Persönlichkeiten je-
doch durchaus erfolgreich sein. Dennoch kostet die fortwährende Jagd
nach neuen Reizen und Bedeutung viel Kraft und Energie. Mit zunehmen-
dem Alter, Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und Attraktivität
erweisen sich die dysfunktionalen Strategien häufig als zu aufwendig oder
wirkungslos. Depressionen, Angststörungen, somatoforme Störungen sowie
Alkohol- und Hypnotikaabusus treten auf und führen in die psychiatrisch-
psychotherapeutische Behandlung.

4.6.2 Psychotherapie
4.6.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

Die Schwierigkeiten, welche strukturierte Problemanalysen bei Patienten


mit HPS aufwerfen, können schon fast als diagnoseweisend bezeichnet wer-
den. Es erfordert in aller Regel ein hohes Maß an Energie, Genauigkeit
und Geduld, um zwischen den zunächst meist dramatisch präsentierten,
aufgebauschten und schier unlösbaren Verwicklungen die trockenen Krü-
mel der nüchternen Faktenlage zu eruieren. Je näher der Therapeut der, oft
banalen, Wirklichkeit kommt, desto diffuser erscheinen meist die Informa-
tionen (belle indifference). Dennoch sollte sich der Therapeut nicht davon
abhalten lassen, ein möglichst realistisches Bild von der sozialen Lage und
den zwischenmenschlichen Beziehungen seines Patienten zu erarbeiten. Ge-
rade Krisensituationen überfordern häufig die Problemlösekompetenz der
Patienten und erfordern oft enge, sachbezogene Führung. Sobald die Bezie-
hungsgestaltung es zulässt, sollten verlässliche Informationen durch Dritte
herangezogen werden.
4.6 Behandlungsprinzipien bei Histrionischer Persönlichkeitsstörung z 109

4.6.2.2 Therapeutische Beziehung

Vergegenwärtigt man sich das intensive Bedürfnis histrionischer Patienten


nach Zuwendung, Wertschätzung und Aufmerksamkeit, so wird rasch er-
sichtlich, dass die therapeutische Kontaktaufnahme zunächst keine Schwie-
rigkeiten bereiten sollte. In aller Regel versuchen die Patienten mit hoher
emotionaler Energie, den Therapeuten für sich zu interessieren oder zu be-
geistern. Dies geht bisweilen so weit, dass, nach Interessengebiet des Thera-
peuten, aufmerksamkeitsrelevante Symptome produziert werden. Der The-
rapeut sollte also von Anfang an darauf achten, sein Maß an Zuwendung
nicht von der Dramatik oder Verführungskraft der präsentierten Sympto-
matik abhängig zu machen, da dies die Gefahr der nicht intendierten Ver-
stärkung dysfunktionalen Verhaltens birgt. Es liegt in der Natur der Proble-
matik, dass die überzogenen Erwartungen histrionischer Patienten bezüg-
lich Wirkkraft, Kompetenz und Zuwendung ihrer Therapeuten enttäuscht
werden, was häufig als starke Kränkung erlebt wird. Aggravierung der dys-
funktionalen Verhaltensmuster oder Abbruch der Therapie ist häufig die
Konsequenz. Es empfiehlt sich daher, bereits zu Beginn der Therapie diese
zu erwartenden Krisen zu antizipieren, mit dem Patienten zu besprechen
und damit die emotionale Wucht mit all ihren Konsequenzen abzufangen.
Grundsätzlich gilt, dass die therapeutische Beziehung das Bedürfnis des
Patienten nach Zuwendung erfüllen sollte – gerade dann, wenn der Patient
beginnt, seine dramatischen Strategien abzulegen und weniger spektakuläre,
dafür sensitivere und authentischere Kommunikationsmuster aufzubauen.

4.6.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Die für die HPS typischen psychosozialen Defizite betreffen oft mehrere
Dimensionen. Zum einen die kognitive Ebene: Der typische impressionisti-
sche Denkstil mit tangentialem, d. h. schlecht fokussiertem und unpräzisem,
Denken kann sich als schwere Behinderung in der beruflichen Entwicklung
erweisen. Spezifisches kognitives Training gilt als hilfreich, aber auch der
Einzeltherapeut sollte fortwährend präzisieren, assoziativen Lockerungen
und Weitschweifigkeiten Einhalt gebieten und auf klare, rationale Sprach-
gebung achten. Klar strukturierte Modelle, wie z. B. „Problemlösen“, eine
Methodik aus dem Feld der kognitiven Therapie, sollten erlernt und zu-
nächst unter Anleitung („guided discovery“) später im Selbstmanagement
so häufig wie möglich angewandt werden.
Auf der affektiven Ebene imponieren, wie oben bereits ausgeführt, auf-
gebauschte Emotionen, die vordergründig oft wuchtig wirken. Im Gegen-
satz zu den intensiven Emotionen von Borderline-Patienten induzieren die
Affekte von histrionischen Patienten beim Gegenüber jedoch wenig rezipro-
ke Aktivierung sondern eher Unverständnis und Ablehnung. Die Emotio-
nen wirken „kernlos“ und daher inszeniert. Der Therapeut sollte also zu-
110 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

nächst darauf hinarbeiten, die Selbstreflexion bezüglich inadäquaten Af-


fektausdruckes zu verbessern. Im zweiten Schritt geht es darum, auch
schwächer ausgeprägte Gefühle zu akzeptieren, und diesen Raum zu geben
ohne zu dramatisieren.
Auf der Handlungsebene imponierten Sprunghaftigkeit und Inkohärenz.
Hier gilt es, Langeweile zu tolerieren, angefangene Projekte zu Ende zu
bringen, den Verlockungen und Reizen neuer Ideen zu widerstehen. Die
Kunst des „Weglassens“, der Minimierung und Konzentration aufs Wesentli-
che, sollte gelernt werden. Achtsamkeitsübungen aus dem Bereich der Zen-
Meditation bieten sich als ideales Training zur Fokussierung und Hem-
mung dissoziativer Zustände an.
Kognitiv-behaviorale Therapeuten fokussieren zum einen den globalen,
impressionistischen Denkstil und daraus resultierende Problemfelder insbe-
sondere in der Bewältigung des Alltags, zum anderen die dysfunktionalen
Strategien im Kampf um Aufmerksamkeit und die geringe Frustrations-
toleranz gegenüber Zurückweisung und Kränkung (Freeman 2004, Beck et
al. 2003).
Der Therapeut ist zunächst gehalten, pro Sitzung möglichst nur einen
Problembereich herauszuarbeiten, diesen genau zu benennen, Abschwei-
fungen zu verhindern und den Patienten anzuhalten, aktiv konkrete Lö-
sungsmöglichkeiten zu entwickeln. Bisweilen erscheint es hilfreich, Grund-
annahmen und automatisierte kognitive Muster zu identifizieren und im
täglichen Alltag zu bestimmen.
Der Einsatz von Hausaufgaben ist gerade bei histrionischen Patienten
günstig, da die Erfahrung, selbst etwas zum Gelingen der Therapie bei-
zutragen, die fantasierte Omnipotenz des Therapeuten reduziert. Je knap-
per und präziser die Hausaufgaben erledigt werden, desto besser. Die be-
wusste Lenkung und Überprüfung handlungsleitender Kognitionen sollte
auch zur Reduktion impulsiver Handlungen führen. Im Sinne eines Selbst-
instruktionstrainings sollten hierarchisch gestufte Kontrollmuster erlernt
und trainiert werden, um so schon im Anfangsstadium bei sprunghaften,
impulsgesteuerten Reaktionen innezuhalten. Die Vor- und Nachteile alter-
nativer Optionen können dann untersucht und die Konsequenzen des Han-
delns abgeschätzt werden.
Die Steuerung der Emotionen, die Aneignung von Planungskompetenz
sowie die Toleranz „langweiliger“ Alltagssituationen sind weitere Therapie-
schritte. Defizite im Bereich des Selbstwertgefühls und des Identitätssinns
steuern die Grundannahmen, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Es
erscheint hilfreich, wenn der Therapeut nicht in ähnliche globale und mys-
tische Annahmen verfällt wie der histrionische Patient, für den Unabhän-
gigkeit und Identität häufig schwer verständlich und unerreichbar erschei-
nen. Die kognitiv-behaviorale Therapie verfügt mittlerweile über ausgear-
beitete Konzepte zur Stärkung von Identität und Wahrnehmung der indivi-
duellen Stärken.
4.6 Behandlungsprinzipien bei Histrionischer Persönlichkeitsstörung z 111

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Tiefenpsychologisch orientierte Theoretiker differenzieren zwischen kon-
fliktpsychologischen und ich-strukturellen Dimensionen, deren Zusammen-
wirken die HPS gestaltet. Die unterschiedlichen Ausprägungsgrade berück-
sichtigend zielen psychodynamische Ansätze auf die Aufdeckung und
Durcharbeitung verdrängter ödipaler Triebkonflikte. Durch Deutung von
Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen innerhalb der therapeuti-
schen Beziehung werden neben der basalen ödipalen Problematik auch die
starken Versorgungs- und Aufmerksamkeitswünsche reaktiviert und be-
wusstgemacht. Darüber hinaus werden auf der sog. strukturellen Ebene die
Selbstwahrnehmung – insbesondere die spezifische Emotionalität – und die
Wahrnehmung der „Objektwelt“ bearbeitet (Eckart-Henn & Hoffmann
2000). Die Einsicht, dass die ausschließliche Orientierung an Außenstehen-
den nur um den Preis eines grundlegenden Identitätsverlustes erkauft wer-
den kann, bildet die motivationale Grundlage für eine progrediente Neuori-
entierung und damit Stabilisierung des Selbst. Horowitz (1997) empfahl
die Behandlung histrionischer Patienten mit einer Stabilisierungsphase zu
beginnen, bevor Kommunikationsstrategien und Abwehrmechanismen und
schließlich Identität und Beziehungen bearbeitet werden sollten.

4.6.3 Psychopharmakotherapie

Derzeit liegen keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Psycho-


pharmaka bei HPS vor. Es sollte jedoch auf die adäquate Behandlung ko-
morbider Achse-I-Symptomatik (insb. Major Depressionen) geachtet wer-
den.

4.6.4 Behandlungsdauer

Es liegen keine empirisch abgesicherten Daten zur Bedeutung von standar-


disierter Behandlungsdauer vor. Nach klinischer Expertise ist von einer
längeren Behandlungsdauer als bei monosymptomatischen Störungen (De-
pression, Angststörungen etc.) auszugehen.

4.6.5 Verlaufskontrolle

Es empfiehlt sich, den Verlauf und Erfolg der Behandlung an Hand opera-
tionalisierter Kriterien auf der Basis individueller Problemanalysen zu über-
prüfen.
112 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.6.6 Zusammenfassung und Ausblick

Die HPS findet ihren Niederschlag in der klinischen Praxis in aller Regel ent-
weder als krisenhafte Zuspitzung einer Persönlichkeitsakzentuierung oder als
konfundierende Parameter bei Therapie-refraktären Achse-I-Störungen. Im
Zentrum stehen dann zumeist Schwierigkeiten in der Adaptation an psycho-
soziale Veränderungen.
Bislang liegen keine Studien zur Wirksamkeit spezifischer psychothera-
peutischer oder psychopharmakologischer Verfahren bei der HPS vor. Der
derzeitige Forschungsstand erlaubt keine Hinweise auf differentielle Überle-
genheit bestimmter psychotherapeutischer Schulen.

4.7 Behandlungsprinzipien
bei Anankastischer Persönlichkeitsstörung
4.7.1 Klinische Einführung

Patienten, die unter einer anankastischen bzw. zwanghaften Persönlich-


keitsstörung (ZPS) leiden, gelten als rigide, übergewissenhaft, skrupulös,
perfektionistisch, an Regeln und Normen orientiert und in hohem Maße si-
cherheitsbedürftig; oft fällt es ihnen schwer, Entscheidungen zu treffen. Sie
zeigen Angst davor, eigene Gefühle wahrzunehmen und mitzuteilen; biswei-
len werden sie sogar als misstrauisch und feindselig beschrieben. Im Unter-
schied zu einigen anderen Persönlichkeitsstörungen ist bei der zwanghaften
darauf hinzuweisen, dass ein Teil der typischen Charakterzüge in bestimm-
tem Zusammenhang adaptiv und gesellschaftlich geschätzt sein können
(z. B. Verlässlichkeit und Gewissenhaftigkeit im Rahmen einer entsprechen-
den beruflichen Tätigkeit). Daher wurde mehrfach darauf hingewiesen,
dass bei der Behandlung der ZPS zwar einzelne Charakterzüge bearbeitet,
aber keine umfassende Umstrukturierung angestrebt werden sollte (Her-
pertz & Wenning 2003, Millon & Davis 2000).
Die Prävalenz der ZPS beträgt 2% in der Bevölkerung und 3,6% in psy-
chiatrischen Populationen (Loranger et al. 1994). Bis vor einigen Jahren
wurde davon ausgegangen, dass ein Zusammenhang zwischen der ZPS und
der Zwangsstörung besteht, erst jüngere epidemiologische Studien konnten
nachweisen, dass es keine signifikant erhöhte Komorbidität dieser beiden
Störungsbilder gibt: nur bei ca. 2–6% der Patienten mit einer Zwangs-
störung besteht zugleich auch eine ZPS (Costa et al. 2005). Im Gegensatz
dazu finden sich ZPSen deutlich gehäuft bei Patienten mit Binge-Eating-
Störung (15,2–26%) und Anorexia nervosa (20–61%) (Costa et al. 2005) so-
wie insbesondere bei älteren dysthymen Patienten (17,1%, Devanand et al.
2000). Patienten mit ZPS leiden gehäuft unter Major Depression, Angst-
störungen und Abhängigkeitserkrankungen (Costa et al. 2005). Unter den
4.7 Behandlungsprinzipien bei Anankastischer Persönlichkeitsstörung z 113

Tabelle 4.5. Automatische Gedanken von Patienten mit anankastischer Persönlichkeitsstörung


nach Beck et al. (1999)
z Es gibt richtige und falsche Verhaltensweisen, Entscheidungen und Emotionen
z Ich darf keine Fehler machen, sonst tauge ich nichts
z Wenn man einen Fehler macht, hat man versagt; es ist unerträglich, zu versagen
z Wenn man einen Fehler macht, verdient man Kritik
z Ich muss meine Umgebung und mich selbst vollkommen unter Kontrolle haben; Kontroll-
verlust ist unerträglich; Kontrollverlust ist gefährlich
z Falls etwas gefährlich ist oder sein kann, sollte man furchtbare Angst davor haben
z Man kann Katastrophen durch magische Rituale oder zwanghaftes Grübeln herbeiführen
oder verhindern
z Ist die perfekte Vorgehensweise nicht erkennbar, so ist es besser, gar nichts zu tun
z Ohne meine Regeln und Rituale verliere ich jeglichen Halt

Achse-II-Störungen findet sich eine erhöhte Komorbidität der zwanghaften


mit der schizotypischen, Borderline- und ängstlichen (vermeidenden) Per-
sönlichkeitsstörung (McGlashan et al. 2000).

4.7.2 Psychotherapie
4.7.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung
Kognitiv-behaviorale Therapieansätze identifizieren maladaptive Schemata
oder automatische Gedanken, wie sie in Tabelle 4.5 nach Beck et al. (1999)
aufgeführt sind.
Bislang existieren keine spezifischen Ansätze zur psychodynamischen
Diagnostik der ZPS.

4.7.2.2 Therapeutische Beziehung


Die Psychotherapie von Patienten mit ZPS bringt eine Reihe typischer
Probleme mit sich. Den Betroffenen fällt es oft nicht leicht, sich auf eine
Psychotherapie wirklich einzulassen, denn die Überwindung ihrer emotio-
nalen Hemmung und das Entstehen von Wärme und Nähe in der therapeu-
tischen Beziehung beinhalten – ebenso wie jede Art von Veränderung – ein
gewisses Maß an Kontrollverlust (Horowitz et al. 2001, Millon & Davis
2000). Der Beginn einer Psychotherapie stürzt den zwanghaften Patienten
in ein Dilemma zwischen zwei Strebungen: er will seiner Patientenrolle ge-
recht werden, ein perfekter Patient sein, und fürchtet gleichzeitig Kontroll-
verlust, wenn er es dem Therapeuten recht macht und sich öffnet (Benja-
min 2003). Der Therapeut wird nicht selten als Autorität erlebt, der jede
Äußerung seines Patienten scharf beurteilt und diesen unter Umständen
verurteilt (Horowitz et al. 2001, Millon & Davis 2000). Dieses Dilemma
„lösen“ zwanghafte Patienten dadurch, dass sie in der Therapie vorder-
gründig angepasst sind, d. h. regelmäßig erscheinen und die Therapie ord-
114 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

nungsgemäß beenden, dabei aber einen passiven Widerstand in Form von


Intellektualisierung und Rationalisierung an den Tag legen. Beim Thera-
peuten kann diese Haltung des Patienten entweder Langeweile und Resig-
nation oder Feindseligkeit und Ärger hervorrufen, was dazu führen kann,
dass er – wie vom Patienten befürchtet – tatsächlich eine autoritäre, kon-
trollierende, direktive und eventuell feindselig verurteilende Rolle über-
nimmt (Horowitz et al. 2001), was schließlich in einen Machtkampf zwi-
schen Patient und Therapeut münden kann. Diese Gefahr sollte bereits bei
der Behandlungsplanung berücksichtigt werden, indem ein strukturiertes
Setting gewählt wird und dem Patienten durch eine komplementäre Bezie-
hungsgestaltung ausreichend Kontrolle gelassen wird.
In der Psychotherapie von Patienten mit ZPS ist es von besonderer Be-
deutung, den Widerstand des Patienten nicht durch ein zu konfrontatives
Vorgehen zu verstärken (Millon & Davis 2000) und das Angstniveau für
den Patienten beherrschbar zu halten, indem schmerzliche Themen „do-
siert“ angegangen werden (Benjamin 2003). Es ist die Aufgabe des Thera-
peuten, dem Patienten ausreichend Struktur und Sicherheit zu geben, da-
mit dieser sich schrittweise und vorsichtig auf die Therapie einlassen und
Emotionen zulassen kann. Da ein unstrukturiertes Vorgehen bei zwanghaf-
ten Patienten zu Schwierigkeiten führen kann (Benjamin 2003), wird eher
ein zumindest initial Sicherheit gebendes, z. B. psychoedukatives Vorgehen
empfohlen (Herpertz & Wenning 2003). Es hat sich bewährt, dem Patienten
zunächst ein rationales Krankheitsmodell anzubieten, was im Rahmen ei-
nes psychoedukativen Ansatzes geschehen kann, wie er von Schmitz et al.
(1999) ausgearbeitet wurde. Horowitz et al. (2001) weisen darauf hin, dass
es für zwanghafte Patienten entlastend sein kann, wenn man ihnen erklärt,
dass ihre Angst nicht als ein Alarmsignal verstanden werden sollte, son-
dern vielmehr als Hinweis auf etwas, das erkundet werden sollte und von
Bedeutung für Veränderung ist.
Sollten beim Patienten komorbide Achse-I-Störungen vorliegen, so emp-
fiehlt es sich, zunächst diese psychotherapeutisch anzugehen, um so ein
Vertrauensverhältnis aufzubauen, das dann für die Bearbeitung der mal-
adaptiven Persönlichkeitszüge genutzt werden kann (Herpertz & Wenning
2003).

4.7.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Die kognitive Therapie nach Beck et al. (1999) basiert auf den oben zitier-
ten automatischen Gedanken (siehe Tabelle 4.5), wobei die Autoren zu-
nächst die Bedeutung des Aufbaus eines tragfähigen Rapports zum Patien-
ten betonen, der langsam genug geschehen sollte, um den Patienten emo-
tional nicht zu überfordern. Anschließend werden eine Unterweisung des
Patienten in der kognitiven Theorie der Emotionen und die Formulierung
therapeutischer Ziele vorgeschlagen. Die Therapiesitzungen sollten gut
4.7 Behandlungsprinzipien bei Anankastischer Persönlichkeitsstörung z 115

strukturiert und ein Therapieplan aufgesetzt werden, die Probleme sollten


nach Priorität geordnet und Problem lösende Techniken sowie Hausauf-
gaben eingesetzt werden. Verhaltenstherapeutische Experimente werden im
Therapieverlauf als sinnvoll angesehen.
Strauss et al. (2006) setzten die „Kognitive Therapie“ nach Beck et al.
(1999) in einer unkontrollierten Studie für die Behandlung von 16 Patien-
ten mit ZPS über 52 wöchentliche Sitzungen ein und erzielten eine signifi-
kante Besserung der Symptomatik (Evidenzgrad III). In einer weiteren Stu-
die wurde die „Kognitive Therapie“ bei Cluster-C-Patienten angewandt, wo-
bei Patienten mit zwanghafter PS jedoch nicht separat untersucht wurden
(Svartberg et al. 2004).

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Langenbach et al. (2002) fassen die Behandlungsgrundsätze bei zwanghaf-
ter Persönlichkeitsstörung aus psychodynamischer Sicht zusammen, diese
werden in Tabelle 4.6 wiedergegeben.
Zur spezifischen psychodynamischen Behandlung der ZPS liegt lediglich
eine unkontrollierte Studie vor: Barber et al. (1997) behandelten 24 Patien-
ten mit ZPS über 52 wöchentliche Sitzungen mit „Supportiv-Expressiver
Dynamischer Psychotherapie“ nach Luborsky (1984), wobei sich deutliche
positive Therapieeffekte erzielen ließen: nach Therapieende erfüllten 85%
der Patienten nicht mehr die diagnostischen Kriterien der ZPS (Evidenz-
grad III). In zwei weiteren Studien wurden psychodynamische Ansätze bei
Cluster-C-Patienten untersucht, es wurden allerdings keine Outcomeanaly-
sen für zwanghafte Patienten durchgeführt (Winston et al. 1991, 1994,
Svartberg et al. 2004).

4.7.3 Psychopharmakotherapie

Es gibt bislang keine empirischen Untersuchungen darüber, ob eine psycho-


pharmakologische Behandlung die Symptomatik der zwanghaften Persön-

Tabelle 4.6. Psychodynamische Behandlungsansätze der anankastischen Persönlichkeitsstörung


(nach Langenbach et al. 2002)
z Aufbau eines therapeutischen Arbeitsbündnisses nach dem Grundsatz gemeinsamen
Arbeitens
z Schaffung einer respektvollen und kreativen Atmosphäre („Spielraum“)
z Zuverlässige Neutralität des Therapeuten (gleiche Distanz zu Über-Ich, Ich und Es)
z Ansprechen von Affekten und innerer Welt des Patienten
z Vermeiden herabsetzender Kritik
z Bezug auf das „Hier-und-Jetzt“ der therapeutischen Beziehung, einschließlich
der wirksamen Übertragung
z Vermeiden komplexer latent feindseliger oder sadistischer Äußerungen
z Einbeziehung des Patienten bei der Planung von Inhalt und Frequenz der Sitzungen
116 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

lichkeitsstörung bessern kann. Die Befunde zur Wirksamkeit einer Behand-


lung mit SSRI bei depressiver Komorbidität sind widersprüchlich (Ekselius
& von Knorring 1998, Ansseau et al. 1991, Sato et al. 1993, Cavedini et al.
1997).

4.7.4 Behandlungsdauer

Zur Frage der Behandlungsdauer liegen keine empirischen Daten vor.

4.7.5 Verlaufskontrolle

Für die Verlaufskontrolle in der Behandlung von Patienten mit ZPS existie-
ren keine spezifischen Instrumente.

4.7.6 Zusammenfassung und Ausblick

Weder psychotherapeutische noch pharmakologische Therapieansätze wur-


den ausreichend empirisch untersucht. Vorläufige Hinweise bestehen für
die Wirksamkeit der „Kognitiven Therapie“ (Evidenzgrad III, Beck et al.
1999) und der „Supportiv-Expressiven Dynamischen Psychotherapie“ (Evi-
denzgrad III, Luborsky 1984).

4.8 Behandlungsprinzipien
bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung
4.8.1 Klinische Einführung

Die Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (ÄVP, ICD 10 F 60.6,


im DSM-IV als Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung bezeichnet) ist in
klinischen wie in nicht-klinischen Populationen eine der am häufigsten
vorkommenden Formen von Persönlichkeitspathologie (Ekselius et al.
2001). Das klinische Bild ist geprägt von einer großen Selbstunsicherheit
und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, einem sehr negativen Selbstbild,
extremer Angst vor Zurückweisung und Ablehnung in allen interpersonel-
len Beziehungen sowie Defiziten von sozialen Kompetenzen. Gefühle von
Anspannung und Besorgtheit, Unsicherheit sind ebenfalls charakteristische
Kennzeichen. Es besteht eine starke Sehnsucht nach Zuneigung und Akzep-
tanz durch andere, eine Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung
und Kritik bei gleichzeitig eingeschränkter Beziehungsfähigkeit. Die betref-
fende Person neigt zur Überbetonung potentieller Gefahren oder Risiken
alltäglicher Situationen bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten. Ein-
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung z 117

schränkungen durch die Symptomatik bestehen in fast allen sozialen Situa-


tionen, in denen Interaktionen mit anderen gefordert sind.
Die Merkmale und Probleme von Patienten mit einer ÄVP ähneln sehr
denen von Patienten mit stark ausgeprägten generalisierten Sozialen Pho-
bien. Daher wird die ÄVP sogar als eine besonders schwere Form der gene-
ralisierten Sozialen Phobie betrachtet. Im Gegensatz zu anderen Persönlich-
keitsstörungen wird die Symptomatik von Personen mit ÄVP häufig als ich-
dyston erlebt und kann somit auch direkt im Fokus der Behandlung ste-
hen. Personen mit ÄVP zeigen im Vergleich zu Personen mit Sozialer Pho-
bie jedoch neben einem sehr negativen Selbstbild auch Defizite in sozialen
Kompetenzen. Zwischen 25–89% von Patienten mit generalisierter Sozialer
Phobie erfüllen gleichzeitig die diagnostischen Kriterien für eine ÄVP (Al-
den et al. 2002). Die ÄVP zeigt auch eine hohe Komorbidität mit anderen
Persönlichkeitsstörungen, insbesondere der dependenten Persönlichkeits-
störung; in einer Studie erfüllten 43% der Patienten mit ÄVP auch die Kri-
terien für eine dependente Persönlichkeitsstörung (Stuart et al. 1998). Die
ÄVP ist allgemein in klinischen Stichproben die häufigste Persönlichkeits-
störung und tritt ko-prävalent bei bis zu einem Drittel der Patientinnen
mit Angststörungen auf.
Zur Einführung der Diagnose hat Millon (1981) maßgeblich beigetragen,
der deutlich machte, dass es neben dem eher passiven sozialen Rückzug
bei schizoiden Persönlichkeiten, eine Form des aktiven und bewussten Ver-
meidens sozialer Beziehungen und Bindungen gibt, die durch Angst und
extreme Unsicherheit motiviert sei. Menschen, die ein aktiv-distanzieren-
des Vermeidungsmuster zeigen, sind nach Fiedler (2001) ständig bemüht,
eine Wiederholung schmerzhafter interpersoneller Erfahrungen zu vermei-
den, die ihnen durch andere zugefügt wurden.
Untersuchungen zu dimensionalen Persönlichkeitskonzepten der ÄVP
zeigen, dass eine Kombination aus hohen Neurotizismus- und hohen Intro-
versionswerten die ÄVP am besten beschreibt. Für diese beiden Persönlich-
keitseigenschaften wird eine genetische Disposition angenommen. Im Rah-

Spezifische Soziale Phobie


Häufigkeit

Generalisierte Soziale
Phobie

ÄVP

Schüchternheit

Schweregrad der Ängste

Abb. 4.1. Schweregrad sozialer Ängste


118 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

men eines bio-psycho-sozialen Störungsmodells sind zur Erklärung der


Aufrechterhaltung und Entstehung der Symptomatik folgende Faktoren he-
ranzuziehen: eine biologisch bedingte Vulnerabilität (Amygdala-Dysfunk-
tionen, Neurotransmitter, behavioral inhibition, preparedness; zusammen-
fassend siehe Herrmann 2002), eine psychologisch bedingte Vulnerabilität:
Grundüberzeugungen (dysfunktionale Kognitionen, Schemata), Kompetenz-
defizite, ein kritischer und distanzierter Erziehungsstil sowie spezifische
als belastend erlebte Lebensereignisse in der Kindheit und Adoleszenz wie
öffentlich kritisiert oder abgelehnt zu werden.

4.8.2 Psychotherapie

4.8.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

Anlass für eine psychotherapeutische Behandlung ist bei Patienten mit


ÄVP häufig eine Angststörung, eine Depression oder eine Suchtproblema-
tik. Eine sorgsame Differentialdiagnostik sollte durchgeführt und ggf. zu-
nächst die Störung auf der Achse I (z. B. Depression) behandelt werden. In
sehr schweren Fällen mit ausgeprägter Symptomatik und sehr schlechtem
Selbstwertgefühl der Patienten muss in jedem Fall auch bei Patienten mit
ÄVP die aktuelle Suizidalität abgeklärt werden (vgl. Abschn. 3.1.1.2).
Die große Selbstunsicherheit und Angst in sozialen Situationen stehen
in der Regel im Mittelpunkt der Behandlung der ÄVP. Für eine Behandlung
ist es von großer Wichtigkeit, dass die Patienten beginnen, den Therapeu-
ten zu vertrauen und nicht fürchten, in der therapeutischen Beziehung ab-
gelehnt zu werden.
Bestandteil der Diagnostik sind neben den Schwächen und Problemen
immer auch die Ressourcen und Stärken der Patienten mit ÄVP wie ihre
Fähigkeit zur Selbstkritik, ihre Sensibilität und Zurückhaltung (s. a.
Schmitz et al. 2001). Da diese Patienten oft große Schwierigkeiten haben,
Positives an sich zu erkennen und zu verbalisieren, ist diese Rückmeldung
und die Formulierung von Ressourcen und Stärken eine wichtige Interven-
tion.
Das Ausmaß der Beeinträchtigung durch Probleme z. B. am Arbeitsplatz
und in Beziehungen zu Anderen wird jeweils individuell eingeschätzt, in ei-
ne Hierarchie gebracht und in der Reihenfolge der Dringlichkeit behandelt.
In einer individuell zu erstellenden Problemanalyse werden die sozialen Le-
bensumstände und das konkrete Verhalten in Situationen analysiert sowie
die spezifischen Denkmuster identifiziert. Da das Hauptproblem in der Re-
gel die Vermeidung vieler sozialer Situationen ist, werden an Beispielen die
spezifischen Denkmuster und handlungsleitenden Kognitionen ebenso wie
das tatsächliche Verhalten und seine Konsequenzen analysiert.
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung z 119

Die zugrunde liegenden Probleme lassen sich bei der ÄVP in drei Berei-
che einteilen:
1. negatives Selbstbild,
2. extreme Angst vor Kritik und
3. ebenso stark ausgeprägte Angst vor Zurückweisung.
Betroffene Personen haben ein sehr negatives Selbstbild und halten sich für
sozial ungeschickt, unattraktiv und dumm. Auch in nahen, persönlichen Be-
ziehungen verhalten sie sich gehemmt und zurückhaltend, weil sie nie sicher
sind, dass andere sie wirklich mögen. Daher leben die Personen häufig sehr
zurückgezogen. Der Leidensdruck wird meist dann besonders groß, wenn
sie, z. B. aus beruflichen Gründen, mit anderen Menschen Kontakt haben
müssen. Da das Vermeidungsverhalten stark ausgeprägt ist, werden soziale
Situationen kaum aufgesucht und dadurch auch keine oder nur sehr wenige
positive Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen gemacht. Auf diese
Weise besteht die Problematik stabil über lange Jahre weiter.

z Denk-, Erlebens- und Verhaltensmuster


Die typischen Denk- und Verhaltensmuster von Personen mit ÄVP lassen
sich folgendermaßen beschreiben: Die Betroffenen sehen sich selbst als ver-
letzbar, unfähig, sozial ungeschickt und minderwertig. Andere sind in ihrer
Wahrnehmung kritisch, demütigend, überlegen und kompetent (Beck et al.
2004). Vorherrschendes Merkmal von Personen mit ÄVP ist eine kognitive,
verhaltensmäßige und emotionale Vermeidung, die in der tief verankerten
Überzeugung begründet ist, dass unangenehme Gefühle und Gedanken
nicht auszuhalten und überwältigend sind. Die charakteristischen Schemata
haben sich in der Regel schon in der Kindheit und Adoleszenz entwickelt,
bestehen aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Körperempfin-
dungen, beziehen sich auf den Betroffenen selbst sowie auf seine Kontakte
zu anderen Menschen und sind stark dysfunktional (Young et al. 2005).
Aus diesen Schemata resultieren Verhaltensweisen, die darauf abzielen, Ab-
lehnung durch andere auf jeden Fall zu vermeiden, damit die eigenen
Schwächen nicht entdeckt werden, also sich zurückzuhalten, nicht aufzufal-
len und eigene Bedürfnisse auch nicht zu äußern. Diese Verhaltensweisen
führen häufig zu massiven Einschränkungen im beruflichen aber auch im
Privatleben, z. B. bei der Partnersuche. Bei gelegentlichen Versuchen der
Aufnahme von Sozialkontakten führen Sicherheitsverhaltensweisen häufig
zu schlechterer sozialer Performanz und einer Bestätigung der charakteris-
tischen Kognitionen.

4.8.2.2 Therapeutische Beziehung

Gerade bei diesen äußerst sensibel auf Kritik reagierenden Patienten ist ein
transparentes Vorgehen gepaart mit einer nicht-wertenden, freundlichen
Haltung Voraussetzung für den Aufbau einer vertrauensvollen therapeuti-
120 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

schen Beziehung. Eine gute therapeutische Allianz in den ersten Sitzungen


geht mit besseren Therapieergebnissen für die ÄVP einher (Strauss et al.
2006).

4.8.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
In den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen werden nach einer in-
dividuellen Problem- und Verhaltensanalyse die Therapieziele gemeinsam
mit den Patienten festgelegt wie z. B. die Angst vor sozialen Situationen ab-
zubauen, Toleranz für negative Emotionen zu erhöhen, oder einen besseren
Selbstwert aufzubauen. Psychoedukative Interventionen schließen das Be-
sprechen des Behandlungsrationals mit den Patienten ein. Entspannungs-
trainings (progressive Muskelentspannung) haben sich zur Reduktion des
allgemeinen Anspannungsniveaus bewährt. Im weiteren Vorgehen wird be-
tont, dass das Erlernen neuer Verhaltensweisen und die Konfrontation mit
den bisher vermiedenen Situationen hilfreich für die Erreichung der Ziele
sind. Das Rational sollte so klar erklärt werden, dass die Patienten es ver-
stehen und selbst erklären können.
Für die Behandlung der ÄVP sind einzel- und gruppentherapeutische
Ansätze geeignet. Gruppentherapeutische Ansätze bieten den Vorteil, einer-
seits bereits eine Exposition zu einer gefürchteten Situation (sich in einer
Gruppe von Menschen aufzuhalten und mit den anderen zu sprechen) zu
sein, andererseits bieten sie ideale Möglichkeiten, z. B. in Rollenspielen Ver-
haltensweisen aufzubauen und alternative Strategien zu üben. Eine Grup-
pentherapie wird idealerweise ergänzend zur Einzeltherapie durchgeführt.
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen der ÄVP umfassen Ent-
spannungsverfahren, systematische Desensibilisierung, Exposition in vivo
und Rollenspiele zum Aufbau sozialer Fertigkeiten und zur Stärkung des
Selbstwerts. Bei Personen mit sehr starken Befürchtungen und Ängsten hat
sich das Verfahren der systematischen Desensibilisierung in sensu als Vor-
bereitung für Übungen in vivo bewährt (Renneberg et al. 1990). Die Rol-
lenspiele stellen einen zentralen Bestandteil der kognitiv-verhaltensthera-
peutischen Ansätze dar. Es werden individuell schwierige Situationen aus-
gewählt und mit den anderen Gruppenteilnehmern gespielt, dabei werden
Lösungsmöglichkeiten diskutiert, im Rollenspiel ausprobiert und mehrfach
geübt und ggf. modifiziert. Ein schrittweiser Aufbau sozial kompetenter
Verhaltensweisen wird vor allem durch positive Rückmeldung und kon-
struktive Kritik erreicht. Diese Interventionen schulen auch den Umgang
mit Lob und Kritik, wobei häufige Wiederholungen und ein langsames
Vorgehen dabei wichtig sind.
In den gruppentherapeutischen Ansätzen werden kognitive Therapie-
techniken in die Rollenspiele integriert. Negative Kognitionen werden in
der Vor- und Nachbereitung der Rollenspiele ermittelt und deren hinderli-
cher Charakter wird herausgearbeitet. Im Anschluss daran werden alterna-
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung z 121

tive, förderliche Gedanken erarbeitet. Je nach Art der Problematik geht es


bei den Rollenspielen auch um das Training sozialer Fertigkeiten. Dabei
werden günstige und ungünstige Formen der sozialen Interaktion disku-
tiert und günstigere Gesprächs- und Verhaltenssequenzen geübt. Hier hat
sich der Einsatz von Videoaufnahmen zum Verhaltens- und Selbstwertauf-
bau bewährt, insbesondere wenn die Instruktion lautet, auf Dinge zu ach-
ten, die positiv an der eigenen Person gesehen werden und zu verbalisieren
sind (Renneberg & Fydrich 1999). Unterschiede zur Behandlung der sozia-
len Phobie bestehen zum einen darin, dass zunächst das Absinken des all-
gemeinen Anspannungsniveaus angestrebt wird und dass oft auch soziale
Kompetenzen eingeübt werden.
Kognitive Ansätze zur Erklärung der ÄVP betonen die Ausbildung von
jeweils charakteristischen Schemata und Grundannahmen, die das Selbst-
bild und das Bild anderer prägen und auf deren Hintergrund entstandene
Motive das Handeln und die Verhaltensweisen der Personen bestimmen. In
kognitiv orientierten Verfahren werden in einzeltherapeutischen Gesprä-
chen die dysfunktionalen Gedanken und Schemata herausgearbeitet und
Einigung darüber erzielt, dass die Schemata hinterfragbar sind und nicht
als unumstößliche Tatsachen gesehen werden (Beck et al. 2004). Weitere
wichtige Interventionen der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätze
sind Verhaltensexperimente, in denen systematische Testungen von sozial-
phobischen Überzeugungen in der Realität vorgenommen werden (Stangier
et al. 2006).
In einer Weiterentwicklung des Beck’schen Ansatzes beschreiben Young,
Klosko & Weishaar (2005) ein Modell, in dem von der Annahme ausgegan-
gen wird, dass auf Grund ungünstiger Kindheitserlebnisse früh entstandene
Schemata die zentrale Ursache für die Entwicklung von Persönlichkeits-
störungen darstellen und dass in der frühen Kindheit gebildete Schemata
sich auf einer tiefen, dem Bewusstsein schwer zugänglichen Ebene der
Kognition befinden. Die Schemata gelten bedingungslos; sie sind umfas-
send und stark mit negativen emotionalen Empfindungen gekoppelt. Sie
werden als dauerhafte, sich selbst erhaltende Persönlichkeitszüge verstan-
den, die maßgeblich das alltägliche Erleben, Verhalten und die Beziehun-
gen zu anderen Menschen beeinflussen. Ein Beispiel für ein frühes mal-
adaptives Schema der ÄVP ist „Abhängigkeit/Inkompetenz“. In diesem Mo-
dell wäre ein Beispiel für Vermeidung: „vermeidet es, sich neuen Heraus-
forderungen zu stellen“ (Young et al. 2005, S. 72). Neben kognitiven Strate-
gien werden in dem Schema-fokussierten Vorgehen erlebnisbasierte Strate-
gien eingesetzt, um diese Änderungen zu erzeugen. Die grundlegende Hal-
tung in der Schematherapie wird als empathische Konfrontation oder als
empathische Realitätsprüfung bezeichnet (Young et al. 2005). Die therapeu-
tische Beziehung kann den Patienten als Modell dienen, um ihre Annah-
men über andere Beziehungen zu überprüfen.
Veränderungen und Besserungen der Symptomatik erfolgen in der Regel
langsamer als bei Patienten mit sozialen Phobien. Kleine Schritte und häu-
fige Wiederholungen sind für die Festigung neuer Denk- und Verhaltens-
weisen nötig.
122 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Eine Studie zur Wirksamkeit der kognitiv-behavioralen Verfahren konnte


nachweisen, dass sich je nach interpersonellen Problemen (erfasst mit dem
Inventar Interpersoneller Probleme, IIP), die im Mittelpunkt standen, un-
terschiedliche Therapieergebnisse für Patienten und Patientinnen mit ÄVP
ergaben (Alden & Capreol 1993). ÄVP-Patienten und -Patientinnen mit eher
dependenten interpersonellem Verhalten profitierten mehr von einem kog-
nitiv-verhaltenstherapeutischen Vorgehen, in dem Selbstsicherheit und die
Entwicklung enger Beziehungen gefördert wurde, während bei den Per-
sonen, bei denen vor allem Vermeidung und emotionale Distanz im Mittel-
punkt stand, In-vivo-Exposition zu sozialen Situationen besser war.

z Psychodynamische Veränderungsstrategien und andere Verfahren


Interpersonelle Psychotherapie der ÄVP wurde von Benjamin (1996) be-
schrieben. Der Fokus dieses Vorgehens liegt auf der Beziehungsarbeit. Ben-
jamin beschreibt 5 wichtige therapeutische Interventionen der Interperso-
nellen Therapie bei ÄVP:
1. Therapeutische Zusammenarbeit,
2. das Erkennen dysfunktionaler Verhaltensmuster,
3. das Blockieren maladaptiver Verhaltensmuster,
4. Förderung des Willens, maladaptive Verhaltensmuster aufzugeben,
5. Erleichterung neuer Lernerfahrungen. Dabei wird ebenfalls die Arbeit in
Gruppen bevorzugt.

Aus psychoanalytischer Sicht liegt eine Studie zur supportiv-expressiven


dynamischen Therapie nach Luborsky vor. Hier steht die therapeutische
Beziehung im Vordergrund. Es wird das zentrale Beziehungskonfliktthema
(ZBKT) formuliert; ähnlich wie in den kognitiven Ansätzen umfasst dieses
Thema Wünsche des Patienten, wie der Patient meint, dass andere ihn se-
hen und wie er selbst sich fühlt, denkt oder verhält. Das zentrale Bezie-
hungskonfliktthema dient als Fokus für die therapeutischen Interventionen.
Bei dieser Form der psychodynamischen Psychotherapie wird die Vermei-
dung, die innerhalb der therapeutischen Beziehung auftritt, in Beziehung
gesetzt zur Vermeidung in anderen Beziehungen.

4.8.3 Psychopharmakotherapie
Wichtige Erkenntnisse zur medikamentösen Behandlung bei der ÄVP stam-
men aus der Pharmakotherapie der sozialen Phobie. Bei der Interpretation
der hierzu vorliegenden Studien ist allerdings zu berücksichtigen, dass
nicht immer und insbesondere nicht in den älteren Studien die Unterschei-
dung zwischen einem „limitierten Subtypus“ vs. einem „generalisierten
Subtypus“ getroffen wurde. Nur letzterer Subtypus der sozialen Phobie ist
mit der Konzeptualisierung der ÄVP praktisch gleichzusetzen. Ferner wur-
de in den meisten Studien auch kein direkter Wirknachweis hinsichtlich si-
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung z 123

tuationsübergreifender, persönlichkeitsgebundener Aspekte der sozialen


Ängstlichkeit intendiert.
In einer Übersicht zur Pharmakotherapie der generalisierten sozialen
Phobie können medikamentöse Präparate zusammengestellt werden, die
sich in kontrollierten Studien als wirksam erwiesen haben (vgl. Tabelle
4.7). Die irreversiblen MAO-Hemmer (Phenelzin) und reversiblen MAO-
A-Hemmer (Moclobemid, Brofaromin) (Evidenzgrad I b), die SSRIs Paroxe-
tin, Sertralin, Fluvoxamin (Evidenzgrad I b), das dual wirksame SSNRI
Venlafaxin (Evidenzgrad I b) und Benzodiazepine (Alprazolam, Clonaze-
pam, Bromazepam, Evidenzgrad I b) zeigen eine empirisch erprobte Wirk-
samkeit in mehreren RCTs auf. Gabapentin und vor allem Pregabalin könn-
ten sich künftig als interessante Option erweisen (Evidenzgrad II a). Zu den
Benzodiazepinen ist einschränkend festzustellen, dass sie bei längerdauern-
den Zuständen, wie es die Persönlichkeitsstörungen darstellen, ein beson-
ders hohes Suchtpotenzial bergen und psychotherapeutische Interventionen
(z. B. Expositionsbehandlungen) erschweren oder sogar unmöglich machen
können.
Für Moclobemid sind auch günstige Effekte in der Langzeittherapie ge-
zeigt worden. In aktuellen Behandlungsempfehlungen (für die soziale Pho-
bie) werden die SSRIs und Venlafaxin ER als Medikamente der 1. Wahl, die
MAO-Hemmer als Medikamente der 2. Wahl erachtet und schließlich mög-
liche Indikationen für Clonazepam oder Pregabalin diskutiert.
Die beschränkten Informationen aus empirischen Studien erlauben der-
zeit allenfalls orientierende Richtlinien für ein kombiniertes Vorgehen.
Pharmakomonotherapie mit SSRI (Fluoxetin, Sertralin), kognitive Verhal-
tenstherapie alleine und Kombinationsbehandlung erwiesen sich jeweils der
Placebobedingung als signifikant überlegen, die Kombinationstherapie be-
wirkte aber gegenüber den beiden Monotherapien keinen signifikanten Zu-
satzbenefit. Für eine Kombination mit Phenelzin wurde aber ein solcher
Vorteil nachgewiesen. In einer weiteren kontrollierten Studie wurden über
6 Monate drei Therapiearme (supportive Führung + Moclobemid, kognitiv-
behaviorale Gruppentherapie + Placebo, kognitiv-behaviorale Gruppenthe-
rapie + Moclobemid) miteinander verglichen und ein Follow-up nach 2
Jahren angeschlossen. Die Kombinationstherapie führte insgesamt zur ra-
schesten Symptomreduktion. Moclobemid alleine erwies sich nach 3 Mona-
ten in der Besserung der allgemeinen subjektiven Angstsymptomatik über-
legen, zeigte aber nur einen bescheidenen Einfluss auf das Vermeidungsver-
halten. Für den kognitiv-behavioralen Ansatz stellten sich die Wirkungen
genau umgekehrt dar. Nach 6 Monaten zeichnete sich die kognitive Verhal-
tenstherapie durch die besten Ergebnisse aus, die Kombinationstherapie er-
zielte keinen zusätzlichen Benefit. In einem Vergleich der Rückfallquoten
schnitten jene Patienten, die entweder alleine oder in Kombination kogni-
tive Verhaltenstherapie erhalten hatten, gegenüber einer Moclobemidmono-
therapie signifikant günstiger ab.
124
Tabelle 4.7. Randomisiert-kontrollierte Studien bei der Generalisierten Sozialen Phobie
z

Probanden Art der Studie Testmedikation Resultat


van Vliet et al. (1994) N = 30 RCT über Fluvoxamin (SSRI) Reduktion der sozialen und allgemeinen Angst, nicht
Psychopharmacol Soziale Phobie 12 Wochen 150 mg der ängstlichen Vermeidung
53% generalisierte Form keine Drop-outs
IMCTGMSP N = 578 RCT über Moclobemid (RIMA) Reduktion der sozialen Angst in der 600 mg-Gruppe,
Katschnig (1995) Soziale Phobie 12 Wochen 300 oder 600 mg Anstieg der sozialen Funktionsfähigkeit, 47% Responder
Eur Arch Psychiatry 78% generalisierte Form in der 600 mg-Gruppe (vs. 34% in der Placebogruppe)
Clin Neurosci 49% ÄPS keine Unterschiede zwischen den Gruppen mit/ohne
ÄPS, aber größere Medikamenten-Placebo-Unterschiede
in der komorbiden Gruppe
keine Daten zu Drop-out-Raten
Noyes et al. (1997) N = 583 RCT über Moclobemid (RIMA) Keine Verbesserung unabhängig von der Dosis nach
J Clin Psychopharmacol Soziale Phobie 12 Wochen kontrolliert Dosis- 12 Wochen (nur nach 8 Wochen)
62,5% generalisierte Form Findungs-Studie 35% sehr viel verbessert, hohe Placebo-Reaktion
47,8% ÄPS 75–900 mg hohe Drop-out-Rate von 31,2% (vs. 38,8% in der
Placebo-Gruppe)
keine Unterschiede zwischen den Gruppen mit/ohne
ÄPS, aber größere Medikamenten-Placebo-Unterschiede
in der komorbiden Gruppe
Stein et al. (1998) N = 183 RCT über Paroxetin (SSRI) Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der
4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

JAMA Soziale Phobie 12 Wochen 20–50 mg sozialen Funktionsfähigkeit, 55% Responder (vs. 23,9%
100% generalisierte Form in der Placebo-Gruppe)
Drop-out-Rate von 25% (vs. 27% in der Placebo-Gruppe)
Schneier et al. (1998) N = 77 RCT über Moclobemid über Reduktion von nur 2 von 10 Subskalen der sozialen
Br J Psychiatry Soziale Phobie 8 Wochen 8 Wochen Angst (Vermeidungsverhalten, gesamte Angst)
85% generalisierte Form durchschnittlich 728 mg 17,5% Responder (vs. 13,5% in der Placebo-Gruppe),
38% ÄPS geringer Effekt
Drop-out-Rate von 25% (vs. 27% in der Placebo-Gruppe)
Tabelle 4.7 (Fortsetzung)
Probanden Art der Studie Testmedikation Resultat
Stein et al. (1999) N = 92 RCT über Fluvoxamin Reduktion der sozialen Angst, Verbesserung der sozialen
Am J Psychiatry Soziale Phobie 12 Wochen durchschnittlich 202 mg Funktionsfähigkeit
91,3% generalisierte Form 42,9% Responder (vs. 22,7% in der Placebo-Gruppe)
geringe Drop-out-Rate
van Ameringen N = 204 RCT über Sertralin Reduktion der sozialen Angst, Verbesserung der sozialen
et al. (2001) Soziale Phobie 20 Wochen 50–200 mg Funktionsfähigkeit
Am J Psychiatry 100% generalisierte Form 53% Responder (vs. 29% in der Placebo-Gruppe)
61% ÄPS 24% Drop-out (vs. 22% in der Placebo-Gruppe)
Liebowitz et al. (2002) N = 384 RCT über Paroxetin 20 mg induziert die größten Verbesserungen der sozialen
100% generalisierte Form 12 Wochen 20, 40 & 60 mg Angst, während die Inzidenz der Responder, basierend
(feste Dosen) auf dem CGI, bei 40 mg am besten war
Davidson et al. (2004) N = 279 RCT über Fluvoxamin CR Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der
J Clin Psychopharmacol Soziale Phobie 12 Wochen (kontrollierte Abgabe) sozialen Funktionsfähigkeit
100% generalisierte Form 100–300 mg
Rickels et al. (2004) N = 272 RCT über Venlafaxin Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der
J Clin Psychopharmacol Soziale Phobie 12 Wochen 75–225 mg sozialen Funktionsfähigkeit
100% generalisierte Form
Stein et al. (2002) N = 257 RCT über Paroxetin Weniger Rückfälle in der Paroxetin-Gruppe verglichen
Soziale Phobie 12 Wochen gefolgt mit der Placebo-Gruppe (14% vs. 39%)
100% generalisierte Form von 24 Wochen
Behandlungsweiter-
führung
Lader et al. (2004) N = 839 RCT über Escitalopram: Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der sozia-
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung

Depress Anxiety Soziale Phobie 12 Wochen mit 5, 10 & 20 mg len Funktionsfähigkeit für alle Dosen Escitalopram und für
100% generalisierte Form Behandlungsweiter- Vergleich mit Paroxetin nach 24 Wochen; 20 mg Escitalopram besser
z

führung über 24 Paroxetin 20 mg als 20 mg Paroxetin


Wochen
125
126
z

Tabelle 4.7 (Fortsetzung)


Probanden Art der Studie Testmedikation Resultat
Allulander et al. (2004) N = 434 RCT über Venlafaxin 75–225 mg Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der
Hum Psychopharmacol Soziale Phobie 12 Wochen Vergleich mit sozialen Funktionsfähigkeit verglichen mit Placebo,
100% generalisierte Form Paroxetin 20–50 mg ebenso wirksam wie Paroxetin
Responder 69% in der Venlafaxin-Gruppe, 66% in der
Paroxetin-Gruppe und 36% in der Placebo-Gruppe
Kasper et al. (2005) N = 358 RCT über Escitalopram 10–20 mg Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der
Br J Psychiatry Soziale Phobie 12 Wochen sozialen Funktionsfähigkeit verglichen mit Placebo
100% generalisierte Form Responder 54% (vs. 39% in der Placebo-Gruppe)
Liebowitz et al. (2005) N = 271 RCT über Venlafaxin 75–225 mg Reduktion der sozialen Angst und Verbesserung der
J Clin Psychiatry Soziale Phobie 12 Wochen sozialen Funktionsfähigkeit
100% generalisierte Form 44% Responder (vs. 30% in der Placebo-Gruppe)
Liebowitz et al. (2005) N = 413 RCT über Venlafaxin 75–225 mg Reduktion der sozialen Phobie und Verbesserung der
Soziale Phobie 12 Wochen (Durchschnitt: 201,7 mg) sozialen Funktionsfähigkeit verglichen mit Placebo,
100% generalisierte Form Vergleich mit Paroxetin ebenso wirksam wie Paroxetin
20–50 mg Responder 56,6% in der Venlafaxin-Gruppe, 62,5% in
(Durchschnitt: 46 mg) der Paroxetin-Gruppe und 36,1% in der Placebo-Gruppe
Stein et al. (2005) N = 386 RCT über Venlafaxin 75 mg oder Reduktion der sozialen Phobie und Verbesserung der
Psychopharmacol Soziale Phobie 24 Wochen 150–225 mg sozialen Funktionsfähigkeit verglichen mit Placebo
4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

100% generalisierte Form unter beiden Dosen


Responder 58% (vs. 33% in der Placebo-Gruppe)
anhaltende Verbesserung während der 24 Wochen
Montgomery et al. N = 517 RCT über Escitalopram Weniger Rückfälle 22% (vs. 50% in der Placebo-Gruppe),
(2005) Soziale Phobie 24 Wochen Drop-out-Rate von 13,2% (vs. 8,3% in der Placebo-
J Clin Psychiatry 100% generalisierte Form Gruppe)
4.8 Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung z 127

4.8.4 Behandlungsdauer

Der Zeitraum für die Beurteilung eines Erfolgs oder aber Nichterfolgs einer
spezifischen pharmakologischen Intervention sollte mehrere Monate umfas-
sen. Bei Wirksamkeit sollten die Medikamente über zahlreiche weitere Mo-
nate beibehalten werden. Zur notwendigen Dauer einer psychotherapeuti-
schen Behandlung liegen keine emprischen Daten vor.

4.8.5 Verlaufskontrolle

Um störungsspezifische Aspekte der ÄVP zu erfassen eignen sich folgende


Inventare: die Skala Angst vor negativer Bewertung (Fear of negative eval-
uation, Watson & Friend 1966, FNE deutsch: Vormbrock & Neuser 1983).
Zur Erfassung des Selbstwerts, einem differenzierenden Merkmal zwischen
ÄVP und generalisierter sozialer Phobie eignet sich die Rosenberg-self-es-
teem-Skala (deutsche Überarbeitung: Selbstwertskala, v. Collani & Herzberg
2003). Mit dem Social Phobia and Anxiety Inventory (SPAI, dt. Fydrich et
al. 1995) und der SIAS Social Interaction and Anxiety Scale (Stangier &
Heidenreich 1995) können weiterhin die Schwere der Symptomatik erfasst
werden. Zur Erfassung kognitiver Schemata: B-IKS Beck Inventar Kogni-
tiver Schemata (hier die Skala zur selbstunsicheren PS). Besonderheiten
des interpersonellen Verhaltens können mit dem Inventar Interpersoneller
Probleme (IIP, deutsch Horowitz, Strauß & Kordy 1994) erfasst werden und
haben sich klinisch als relevant erwiesen (Alden & Capreol 1993). Auf je-
den Fall sollten bei der Behandlung von Patienten mit ÄVP immer die De-
pressivität und allgemeine Ängstlichkeit mit erhoben werden.

4.8.6 Zusammenfassung und Ausblick


Die ÄVP ist eine der häufig vorkommenden Persönlichkeitsstörungen. In
klinischen Stichproben wird sie am häufigsten von allen Persönlichkeits-
störungen diagnostiziert. Differenzialdiagnostisch ist die Störung schwer
von der generalisierten Sozialen Phobie abzugrenzen.
Es liegen fünf Studien vor, die die Wirksamkeit psychotherapeutischer
Ansätze ausschließlich für Patienten mit ÄVP untersucht haben. In allen
Studien zeigten sich deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Selbstunsi-
cherheit, Angst vor negativer Bewertung, Vermeidung und Depressivität
(Alden 1989, Barber et al. 1997, Emmelkamp et al. 2006, Renneberg et al.
1990, Stravynski et al. 1994). Hinsichtlich der klinischen Signifikanz der
Ergebnisse zeigten sich ebenfalls deutliche Verbesserungen, allerdings er-
reichten die Teilnehmenden nur selten das Niveau von gesunden Ver-
gleichspersonen (Alden 1989, Barber et al. 1997, Renneberg et al. 1990).
Damit ist von einem Evidenzgrad I b auszugehen.
In einer vergleichenden Studie bei depressiven Patienten mit ÄVP war
der kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansatz der interpersonalen Therapie
128 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

überlegen (Daten aus dem Kollaborationsprojekt zur Behandlung von De-


pression, Barber & Münz 1996). Neue Ergebnisse einer RCT Studie zur Be-
handlung der ÄVP zeigten ebenfalls eine Überlegenheit des kognitiv-verhal-
tenstherapeutischen Vorgehens im Vergleich zu einer Wartekontrollgruppe
und auch zur psychodynamischen Therapie in Anlehnung an Luborsky
(Emmelkamp et al. 2006). Für symptomorientierte Maße wurden in dieser
Studie für die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen große bis
sehr große Prä-post-Effektstärken ermittelt (zwischen d = 0,92 und d = 1,88).
Bisher liegt keine Metaanalyse zur Wirksamkeit der Psychotherapie bei
ÄVP vor. Die Ergebnisse aus Metaanalysen für die kognitiv-behaviorale Be-
handlung der sozialen Phobie (Effektstärken zwischen 0,80 und 1,09, Rode-
baugh et al. 2004) sind für die ÄVP richtungsweisend, allerdings nicht eins
zu eins übertragbar, da davon auszugehen ist, dass die Symptomatik bei
ÄVP schwerer ausgeprägt ist. Weiterhin fehlen Untersuchungen zu Unter-
schieden hinsichtlich der Wirksamkeit und der differentiellen Indikations-
stellung für Gruppen- oder Einzeltherapie.
Ob neuere kognitive Therapieansätze (z. B. Stangier et al. 2006), die für
die Behandlung der sozialen Phobie entwickelt wurden, zu Verbesserungen
der Therapieergebnisse der Patienten mit ÄVP führen, ist noch zu unter-
suchen.

4.9 Behandlungsprinzipien
bei Abhängiger Persönlichkeitsstörung
4.9.1 Klinische Einführung

Die abhängige bzw. dependente Persönlichkeitsstörung (DPS) ist gekenn-


zeichnet durch eine große Abhängigkeit von anderen Personen und eine
Unfähigkeit, auch kleine Entscheidungen allein zu treffen. Die Betroffenen
fühlen sich ohne den Rückhalt einer anderen Person schwach, hilflos und
lebensunfähig. Charakteristische Denkmuster von Personen mit einer de-
pendenten Persönlichkeitsstörung lauten: „Ich bin hilflos, wenn ich auf
mich allein gestellt bin“, „Das Schlimmste für mich wäre, verlassen zu wer-
den“ oder „Ich bin allein nicht fähig, Entscheidungen zu fällen“. Im klini-
schen Alltag führen diese Denkmuster oft zu einem Verhalten, das durch
ständiges Nachfragen bei den Behandelnden charakterisiert ist. Häufig zei-
gen die Betroffenen auch eine große Selbstunsicherheit (Darcy et al. 2005).
Daher kommt es häufiger vor, dass eine dependente PS und eine Ängst-
liche (vermeidende) koprävalent auftreten. In Untersuchungen erfüllten
über die Hälfte der Patienten mit DPS auch die Kriterien für die Ängstliche
(vermeidende) Persönlichkeitsstörung.
Die spezifischen Interaktionsmuster, die sich aus den charakteristischen
Denk-Verhaltensmustern von Personen mit DPS ergeben, führen auf Seiten
der Interaktionspartner oft zu negativen Reaktionen, weil diese die Geduld
4.9 Behandlungsprinzipien bei Abhängiger Persönlichkeitsstörung z 129

verlieren, immer wieder erklären, antworten oder entscheiden zu müssen.


Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass Personen mit einer DPS Konflikte
unbedingt vermeiden wollen und sich oft auch sozial erwünscht verhalten
und es allen (auch den Behandelnden) recht machen wollen.
Eine DPS als solche ist nur in sehr seltenen Ausnahmefällen Anlass für
eine psychotherapeutische Behandlung. In der Regel wird die DPS als ko-
morbide Störung diagnostiziert, z. B. bei Depression, Angststörungen oder
Sucht. Die Diagnose wird deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern
vergeben (Bornstein 1998, 2005).

4.9.2 Psychotherapie

4.9.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

Komorbid vorliegende Achse-I-Störungen wie Depression, Angststörung


oder Sucht sollten bei Patienten mit DPS im Fokus der Behandlung stehen.
Die in Abschn. 3.1.2 genannten allgemeinen Strategien können für die de-
pendente Persönlichkeitsstörung und den Einzelfall übertragen werden.
Die Patienten kommen häufig nur dann in Therapie, wenn das soziale
Netzwerk nicht mehr funktioniert oder die Achse-I-Störung im Vorder-
grund steht.
Spezifische Probleme neben der Hauptsymptomatik der Achse-I-Störung
stellen Schwierigkeiten dar, Alleinsein zu ertragen und die Betroffenen sind
oft auch nicht in der Lage, sich aus schädigenden Beziehungen zu lösen.
Die Diagnose sollte transparent kommuniziert werden. Dabei werden die
Kriterien möglichst verhaltensnah erläutert – z. B. „Es fällt Ihnen schwer,
Dinge allein zu tun oder damit zu beginnen etwas zu tun“. Bestandteil der
Diagnostik bei dependenter PS sollte neben den Schwächen und Problemen
immer auch die vorhandenen Ressourcen und Stärken der Patienten sein
wie u. a. Zuverlässigkeit und Loyalität, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnah-
me (s. a. Schmitz et al. 2001). Die Rückmeldung der Diagnostik sollte im-
mer beide Aspekte: Belastungen und Ressourcen enthalten.

4.9.2.2 Therapeutische Beziehung

Die DPS wird in der Regel im einzeltherapeutischen Setting behandelt. Von


Beginn an ist auf eine langsame Steigerung der Eigenständigkeit der Pa-
tienten zu achten und auch schon das Ende der Therapie zu thematisieren.
Da die Betroffenen sehr stark auf der Suche nach Hilfe und Unter-
stützung sind, gelingt der Beziehungsaufbau zunächst leicht, denn sie sind
allzu bereit zu vertrauen und erwarten Rat von den Behandelnden. Die
Problematik liegt häufig eher darin, dass Therapeuten zuviel Verantwor-
tung übernehmen, überfürsorglich handeln und die Patienten zu wenig an-
geleitet werden, eigenständig zu arbeiten.
130 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.9.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Das psychotherapeutische Vorgehen konzentriert sich aus kognitiv-verhal-
tenstherapeutischer Sicht zunächst auf die Psychoedukation über die cha-
rakteristischen Verhaltens- und Denkmuster von Personen mit dependen-
ten Persönlichkeitszügen und -störungen. Für den Aufbau von selbstständi-
gerem und entscheidungsfreudigerem Verhalten ist es erforderlich in klei-
nen Schritten vorzugehen, Modelle vorzugeben, und alternative Verhaltens-
weisen oft zu wiederholen. Dabei liegt ein Hauptaugenmerk auf dem Trans-
fer in den Alltag, d. h. dass kleine Übungen als Hausaufgaben gegeben und
besprochen werden und die Patienten selbst Übungen generieren. Die the-
rapeutische Grundhaltung bei diesem graduierten Vorgehen ist eine positi-
ve und wertschätzende. Unbedingt sollten Rückmeldungen von Verän-
derungen gegeben und die erwünschten Veränderungen positiv verstärkt
werden. Empirische Daten zur Wirksamkeit liegen nicht vor.

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Ein psychodynamischer Kurzzeitansatz fokussiert die zyklisch-maladapti-
ven Muster der Beziehungsgestaltung, die über Prozesse der Internalisie-
rung, Identifikation und Introjektion aus den frühen Beziehungserfahrun-
gen zu Bestandteilen der Persönlichkeit geworden sind (Tress et al. 2003).
Der Aufbau eines therapeutischen Arbeitsbündnisses sollte unter ständiger
Reflexion der Abhängigkeitsbedürfnisse in der therapeutischen Beziehung
geschehen, wobei eine überfürsorgliche Haltung vermieden werden sollte.
Auch in psychodynamischen Ansätzen wird auf das Hier-und-Jetzt der the-
rapeutischen Beziehung Bezug genommen (Wöller & Tress 2005). Empiri-
sche Daten zur Wirksamkeit liegen nicht vor.

z Interpersonelle Veränderungsstrategien
Strategien der interpersonellen Therapie (Benjamin 1996) fokussieren ne-
ben der Etablierung eines therapeutischen Arbeitsbündnisses ebenfalls auf
das Erkennen der maladaptiven Verhaltensmuster, das Blockieren derselben
sowie auf die Stärkung der Motivation, diese Verhaltensmuster zu ändern
und neues Verhalten zu erlernen.

4.9.3 Psychopharmakotherapie

Es liegen keine Studien vor, die die Psychopharmakotherapie der depen-


denten Persönlichkeitsstörung beschreiben oder empirisch untersuchen.
Die Pharmakotherapie richtet sich nach der im Vordergrund stehenden
Achse-I-Störung.
4.10 Behandlungsprinzipien bei Narzisstischer Persönlichkeitsstörung z 131

4.9.4 Behandlungsdauer

Zur Frage der Behandlungsdauer liegen keine empirischen Daten vor.

4.9.5 Verlaufskontrolle

Auch für die Verlaufskontrolle sind keine spezifischen Verfahren bekannt.

4.9.6 Zusammenfassung und Ausblick


In einigen Studien wurde der Einfluss einer DPS auf den Therapieerfolg
von Achse-I-Störungen untersucht. Bei der kognitiv-verhaltenstherapeuti-
schen Behandlung von Agoraphobie und Panik gibt es Hinweise, dass das
gleichzeitige Bestehen dependenter Persönlichkeitszüge sogar mit leicht
besseren Therapieerfolgen hinsichtlich der Angstsymptomatik einhergeht
(Chambless et al. 1992). Ebenso verhält es sich bei der kognitiv-verhaltens-
therapeutischen Behandlung von Zwangsstörungen (Steketee 1990). In zwei
weiteren Studien (Winston & Mitarbeiter 1991, 1994, Svartberg et al. 2004)
wurden Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen behandelt, wobei zwar Patien-
ten mit DPS eingeschlossen, diese jedoch nicht separat als Teilstichprobe
beschrieben wurden. Daher kann aus diesen Untersuchungen nicht auf die
Wirksamkeit der jeweiligen Methode auf die DPS geschlossen werden. Hin-
gegen sind keine systematischen Studien bekannt, die die psychotherapeu-
tische oder psychopharmakologische Behandlung der DPS per se evaluiert
haben. Der vorliegende Evidenzgrad IV für die psychotherapeutische Be-
handlung der DPS geht über klinische Beschreibungen und Fallberichte
(z. B. Beck et al. 2004) nicht hinaus.
Trotz Übereinstimmungen in der Einschätzung der Erlebens- und Ver-
haltensmuster von Patienten und Patientinnen mit DPS über verschiedene
Therapieschulen hinweg und der Betonung der Bearbeitung des abhängi-
gen Verhaltens in der Psychotherapie muss der Stand der Forschung zur
Psychotherapie als unzureichend beschrieben werden.

4.10 Behandlungsprinzipien
bei Narzisstischer Persönlichkeitsstörung
4.10.1 Klinische Einführung

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) wird durch ein tiefgreifen-


des Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten), ein Bedürfnis
nach Bewunderung und einen Mangel an Einfühlungsvermögen gekenn-
zeichnet und gilt als Prototyp für die häufig beobachtbare Ich-Syntonie der
132 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

Persönlichkeitsstörungen (Fiedler 2000). Vor dem Hintergrund eines brü-


chigen Selbstwertgefühls übertreiben die Betroffenen häufig prahlerisch
und großspurig ihre besonderen Fähigkeiten und Leistungen und erwarten,
dass sie auch ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt wer-
den. Ihr Denken ist häufig von Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht,
Brillianz, Schönheit oder vollkommene Liebe beherrscht. Das zwischen-
menschliche Verhalten ist geprägt durch übermäßige Bedürfnisse nach An-
erkennung und Bewunderung verbunden mit übertriebenen Erwartungen
an eine besondere Behandlung, geringem Einfühlungsvermögen für andere,
ausbeuterischem Verhalten, starken Neidgefühlen oder arrogant-überhebli-
chem Verhalten.
Aus dimensionaler Sicht lässt sich die NPS als Extremvariante des nor-
malen und nicht-pathologischen selbstbewussten bzw. ehrgeizigen Persön-
lichkeitsstils mit Stärken und Schwächen beschreiben (Oldham & Morris
1992, Kuhl & Kazén 1997). Das Kontinuumsmodell wird durch die sozial-
und persönlichkeitspsychologischen Studien und Konzepte zum Narzissmus
als komplexem und mehrdimensionalem Persönlichkeitskonstrukt bestätigt
(Campbell & Baumeister 2006, Ritter & Lammers 2007) und ermöglicht im
Unterschied zum kategorialen Modell eine gleichermaßen ressourcen- und
problemorientierte Sichtweise der Persönlichkeit und liegt mittlerweile
auch psychoedukativen Interventionen bei Patienten mit NPS zugrunde
(Schmitz et al. 2001, 2006; Falge-Kern et al. 2007).

4.10.2 Psychotherapie

Patienten mit NPS können unter Umständen lange Zeit kompensiert und
angepasst leben, wenn sie auf Grund ihrer Begabung oder Attraktivität er-
folgreich sind und beständig Bestätigung und Bewunderung erhalten und
suchen in der Regel psychotherapeutische Hilfe nicht wegen ihrer Persön-
lichkeitsprobleme sondern wegen der nachteiligen Folgen. Symptomatische
Störungen, die nicht selten bis hin zur Suizidalität führen (Pompili et al.
2004), entwickeln sich vor allem im Zusammenhang mit Ereignissen, die
das brüchige Selbstwertgefühl und die nach außen hin demonstrierte Groß-
artigkeit des Patienten in Frage stellen. Dabei kann es sich z. B. um berufliche
Krisen und Rückschläge handeln, um Beziehungsprobleme oder das Nach-
lassen der körperlichen Attraktivität im höheren Alter.

4.10.2.1 Problemanalyse und Behandlungsplanung

In der kognitiv-behavioralen Therapie liegt der Fokus mit Hilfe einer an-
fänglich aufgestellten Problemliste (s. Abschn. 3.1.2.1) auf der Analyse und
Modifikation der konkreten Beschwerden und Probleme des Patienten bzw.
auf der Analyse spezifischer Situationen (z. B. Kritik bei der Arbeit) und
spezifischer automatischer Gedanken (z. B. „wie kann er es wagen, mich zu
kritisieren“), Gefühle (z. B. Wut), Handlungen (z. B. Entwertung des ande-
4.10 Behandlungsprinzipien bei Narzisstischer Persönlichkeitsstörung z 133

ren) und Konsequenzen (z. B. andere ordnen sich unter, üben Kritik oder
ziehen sich zurück). Spätere Interventionen fokussieren auf die Identifikati-
on und Modifikation tieferliegender dysfunktionaler Annahmen oder Sche-
mata. Die kognitive Therapie (Beck et al. 1993, 2004) geht davon aus, dass
verzerrte Grundannahmen zur eigenen Unterlegenheit und Minderwertig-
keit und mit kompensatorischer Funktion zur eigenen Überlegenheit und
Bedeutung (z. B. „Ich bin anderen überlegen, und sie sollten dies anerken-
nen“) zu konditionalen Annahmen führen (z. B. „Wenn andere meinen Son-
derstatus nicht anerkennen, sollten sie bestraft werden“), die sich in den
spezifischen automatischen Gedanken manifestieren. Aktive, selbsterhöhen-
de und selbstschützende Strategien verstärken die dysfunktionalen Annah-
men und schädigen die Beziehungen und die psychosoziale Anpassung.
Kognitiv-interpersonelle Teufelskreise entstehen, wenn andere Menschen
Kritik äußern und reziproke zwischenmenschliche Verhaltensweisen einfor-
dern. Genau dies führt oft zu einem erneuten Rechtfertigungszwang des
Betroffenen und zu einer Aufrechterhaltung des Verhaltens (Fiedler 1995,
Schmitz et al. 2001).
Schematherapeuten (Young et al. 2005) fokussieren mit Hilfe von Frage-
bögen, Imaginationsarbeit, Edukation und begleitender Lektüre sowie
Selbstbeobachtungsaufgaben von Therapiebeginn an die lebenslang beste-
henden Muster. Die Schematherapie geht davon aus, dass die Modi „Ein-
sames Kind“, „Selbstüberhebung“ und „Distanzierende Selbstberuhigung“
und die damit verbundenen dysfunktionalen Schemata (insb. Emotionale
Entbehrung, Unzulänglichkeit/Scham und Anspruchshaltung/Grandiosität)
und Bewältigungsstile (insb. Schemavermeidung und Schemaüberkompen-
sation) für die NPS charakteristisch sind.
Die Problemanalyse teilt sich in den psychodynamischen Ansätzen in
zwei Teile und stellt anders als in kognitiv-behavioralen Therapien keine
eigene Behandlungsphase am Beginn der Therapie dar. Zum einen erfolgt
eine begrenzte Problemanalyse „vorab“ im Rahmen der Diagnostik, wie
dies im vorangegangenen Abschnitt erwähnt wurde. Zum anderen findet ei-
ne Problemanalyse im Verlauf der gesamten Behandlung statt, indem die
Übertragungsbeziehung und Schwierigkeiten im Umgang mit sich selbst
und anderen außerhalb der Therapie thematisiert und einem gemeinsamen
Verstehen zugeführt werden. Psychodynamische Therapeuten gehen davon
aus, dass ein kognitives und emotionales Verstehen des Patienten über kurz
oder lang von selbst zu einer Veränderung des Verhaltens führt. Daher ver-
zichten psychodynamische Ansätze entweder ganz auf das Bereitstellen
bzw. Erarbeiten von Handlungsoptionen (Clarkin et al. 2001) oder begren-
zen dieses auf ein Mindestmaß (Rudolf 2006).

4.10.2.2 Therapeutische Beziehung

Der Therapeut sollte sich angesichts der Kritikempfindlichkeit des Patien-


ten und seiner besonderen Bedürfnisse, als Person respektiert und aner-
kannt zu werden, um ein Gleichgewicht zwischen stützender Wertschät-
134 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

zung und behutsamer Konfrontation bemühen. Der Therapeut sollte den


Patienten wegen seiner Probleme nicht beschämen oder abwerten, einen
kritisch anklagenden Ton vermeiden, weder Schmeicheleien noch Abwer-
tungen persönlich nehmen, die Erwartungen und Grenzen in der Therapie
klären sowie einfühlsam das herabsetzende und herausfordernde Verhalten
des Patienten thematisieren und darauf bestehen, dass der Patient die
Rechte seines Therapeuten respektiert. Vor allem in der Phase des Bezie-
hungsaufbaus sollte sich der Therapeut komplementär zur Motivebene des
Patienten verhalten und den Bedürfnissen des Patienten soweit wie möglich
und authentisch vertretbar entgegenkommen und ihn mit besonderer Sen-
sibilität bestätigen (Sachse 2004).

4.10.2.3 Veränderungsstrategien

z Kognitiv-behaviorale Veränderungsstrategien
Die kognitiv-behavioralen Ansätze sehen den Therapeuten in einer aktiven
und edukativen Rolle und nutzen mit unterschiedlicher Schwerpunktset-
zung und Systematik kognitive, erlebnisorientierte, verhaltensbezogene und
interpersonelle Veränderungsstrategien. Die Therapieziele reichen in der
kognitiven Therapie von der Modifikation der spezifischen, anfänglich dar-
gestellten Beschwerden und Probleme bis hin zu längerfristigen Zielen, die
sich insbesondere auf
1. die Förderung von Fertigkeiten zur Problemlösung, Überprüfung und
Realisierung persönlicher Ziele und die Modifikation dysfunktionaler
Annahmen zur Bedeutung von Erfolg,
2. die Förderung sozialer Fertigkeiten und von Bewusstsein für die Gren-
zen und Perspektiven anderer Menschen und
3. auf die Modifikation dysfunktionaler Annahmen zu Selbstwert und
Gefühlen beziehen.

Schematherapeuten heben als interpersonelle Interventionen die „empathi-


sche Konfrontation“ und die „begrenzte elterliche Fürsorge“ als heilsame
emotionale Beziehungserfahrung hervor und konzentrieren sich bei Patien-
ten mit NPS auf die Arbeit an den Schemamodi. Im ersten Schritt erläutert
der Therapeut das Konzept des Modus „Einsames Kind“ und hilft dem Pa-
tienten, sich der Modi „Selbstüberhebung“ und „Distanzierende Selbst-
beruhigung“ bewusst zu werden. Durch Imaginationsarbeit erforscht er die
Ursprünge dieser Modi in der Kindheit und initiiert zwischen den ver-
schiedenen Modi Dialoge. Das primäre Behandlungsziel ist, den Modus
„Gesunder Erwachsener“ zu entwickeln und zu stärken, wobei der Thera-
peut Vorbildfunktion hat. Dadurch wird es dem Patienten selbst möglich,
dem Modus „Einsames Kind“ nachträglich elterliche Fürsorge zu geben,
die Modi der „Selbstüberhebung“ und der „Distanzierten Selbstberuhi-
gung“ zu bekämpfen und mit therapeutischer Hilfe die Arbeit an den Sche-
mamodi auf Situationen in seinem Alltagsleben zu übertragen.
4.10 Behandlungsprinzipien bei Narzisstischer Persönlichkeitsstörung z 135

z Psychodynamische Veränderungsstrategien
Kohut (1973, 1979) betont die Bedeutung der Empathie des Therapeuten,
die durch eine korrigierende Beziehungserfahrung eine Nachreifung des in-
fantilen grandiosen Selbst ermöglichen soll. Dabei bedient sich Kohut der
idealisierenden Übertragung des Patienten, die jedoch zunächst nicht ge-
deutet wird. Vielmehr übernimmt der Therapeut eine sog. „Selbstobjekt-
Funktion“, indem er zulässt, dass der Patient die respektvoll-akzeptierende
Haltung des Therapeuten als Quelle der Stabilisierung und Aufwertung des
Selbst für sich nutzt. Kommt es schließlich zu einer Enttäuschung des Pa-
tienten, die bei ihm Neid, Wut und Entwertung des Therapeuten hervor-
rufen, werden diese reflektiert und analysiert. Dabei wird eine schrittweise
„umwandelnde Verinnerlichung“ der Selbst-Objekt-Funktion in eine unab-
hängige intrapsychische Kapazität zur Selbstwertstabilisierung des Patien-
ten angestrebt.
Die von Kernberg (1978, 1985, 2006, Clarkin et al. 2001) entwickelte Über-
tragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP, siehe auch S. 94) zielt von Be-
ginn an auf Klärung, Konfrontation und Deutung der Übertragung, wobei
insbesondere negative Übertragungsaspekte wie Neid, Wut, Hass und Ag-
gression thematisiert werden. Im Gegensatz zu Kohuts Vorgehen wird der
Patient nicht durch zeitweilige Übernahme einer Selbstobjekt-Funktion sta-
bilisiert, vielmehr werden widersprüchliche Selbst- und Objektwahrneh-
mungen – und in diesem Zusammenhang auch das pathologische grandio-
se Selbst – aufgegriffen und im Hier-und-Jetzt der therapeutischen Bezie-
hung gedeutet. Auf diese Weise werden eine Überwindung der durch Spal-
tungsabwehr beeinträchtigten Selbst- und Objektwahrnehmung und eine
Integration der inneren Bilder vom Selbst und den Anderen gefördert. Ziel
der Behandlung ist die Entwicklung einer stabilen und realitätsgerechten
Identität mit funktionierender Selbstwertsteuerung und empathischem Um-
gang mit anderen.

4.10.3 Psychopharmakotherapie

Derzeit liegen keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Psycho-


pharmaka bei NPS vor. Es sollte jedoch auf die adäquate Behandlung ko-
morbider Achse-I-Symptomatik (insb. Major Depressionen) geachtet wer-
den.

4.10.4 Behandlungsdauer

Es liegen keine empirisch abgesicherten Daten zur Bedeutung von standar-


disierter Behandlungsdauer vor. Nach klinischer Expertise ist von einer
längeren Behandlungsdauer als bei monosymptomatischen Störungen (De-
pression, Angststörungen etc.) auszugehen.
136 z 4 Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen

4.10.5 Verlaufskontrolle

Spezifische Instrumente zur dimensionalen Diagnostik des Narzissmus lie-


gen in Form des Narcissistic Personality Inventory (NPI, Schütz et al. 2004)
und des Narzissmusinventars (Deneke & Hilgenstock 1988) vor. Für die
Verlaufskontrolle sind sie nicht evaluiert.

4.10.6 Zusammenfassung und Ausblick

Trotz klinischer Übereinstimmungen hinsichtlich der Erlebens- und Verhal-


tensmuster muss die NPS als hoch-kontroverses Konzept unbestimmter
Validität betrachtet werden und die vorliegenden Erklärungs- und Behand-
lungsansätze sind unzureichend empirisch begründet (Levy & Clarkin
2005). Es wurden bislang keine manualisierten Therapieansätze und keine
kontrollierten Therapiestudien zur Behandlung der NPS publiziert, daher
haben die dargestellten Behandlungsansätze nur als Expertenmeinungen zu
gelten (Evidenzgrad IV). Im Vergleich zur umfangreichen theoretischen
und klinischen Literatur insbesondere aus psychodynamischer Sicht be-
steht damit ein grundlegender Mangel an wissenschaftlichen Studien und
ein besonderer Forschungsbedarf in der Zukunft für kontrollierte Therapie-
studien.
5 Sozialmedizinische
und rechtliche Aspekte
von Persönlichkeitsstörungen

Sozialmedizinische und juristische Aspekte im Zusammenhang mit Persön-


lichkeitsstörungen ergeben sich
z für Arbeitgeber und Krankenversicherungen aus der Arbeitsunfähigkeit,
z für die Rentenversicherung, die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
und das soziale Entschädigungsrecht im Zusammenhang mit Erwerbsun-
fähigkeit,
z für die Unfallversicherung hinsichtlich einer Minderung der Erwerbs-
fähigkeit,
z für die Haftpflichtversicherung wegen Schadensersatzes,
z hinsichtlich des Grades der Behinderung für das Schwerbehinderten-
recht und
z hinsichtlich einer Minderung der Schuldfähigkeit für das Strafrecht.

In allen diesen Bereichen ist die Feststellung, welche Bedeutung hierbei


Persönlichkeitsstörungen zukommt, mit besonderen Schwierigkeiten ver-
bunden, da die Abgrenzung von normalem Verhalten und zumutbarer Le-
bensbewältigung bei dieser Art von Erkrankungen sehr viel schwerer fällt
als bei somatischen Erkrankungen und auch den meisten sonstigen psychi-
schen Störungen.

5.1 Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit


Persönlichkeitsstörungen schränken ihrer Natur nach die Anpassungsfähig-
keit und Flexibilität der Betroffenen und ihre Fähigkeit zur Konflikt- und
Belastungsbewältigung ein. Der Arbeitsplatz aber ist ein Lebensbereich mit
in der Regel geringen Toleranzen. Eine eingeschränkte Anpassungsfähigkeit
kann daher dort sehr schnell zu Konflikten und auch Sanktionen führen.
Menschen mit Persönlichkeitsstörungen können das Fernbleiben vom Ar-
beitsplatz im Sinne des Absentismus auch als Waffe und Agieren gegen
den Arbeitgeber einsetzen. Bei wiederholten kurzfristigen Arbeitsausfällen,
die häufig kürzer als drei Tage sind und keine ärztliche Arbeitsunfähig-
keitsbescheinigung benötigen, ist an das Vorliegen einer Persönlichkeits-
störung zu denken. Wenn ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
benötigt werden, werden den Ärzten akute körperliche oder psychische Be-
schwerden geklagt.
138 z 5 Sozialmedizinische und rechtliche Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

5% der Patienten mit einer Arbeitsunfähigkeit verursachen mehr als


50% der Arbeitsausfalltage. Bei diesen Patienten wurde in einer Unter-
suchung von Laubichler und Kühberger (2003) in 56,5% eine Persönlich-
keitsstörung als wesentlicher verursachender Faktor festgestellt. Nicht nur
die kurzfristige sondern auch Langzeitarbeitsunfähigkeit ist damit wesent-
lich mit Persönlichkeitsstörungen assoziiert.
Die Beurteilung einer Arbeitsunfähigkeit verlangt nach den Arbeitsunfä-
higkeitsrichtlinien (Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen 2004,
Linden & Weidner 2005), dass eine Krankheit festgestellt wird, dass diese
Krankheit zu Fähigkeitsstörungen führt und dass diese Fähigkeitsstörungen
hinsichtlich der beruflichen Rollenerwartungen zu einer Partizipationsstö-
rung führen.
Bei einer akuten Arbeitsunfähigkeit steht weniger die Psychopathologie
der Persönlichkeitsstörung als solche im Vordergrund sondern eher kurz-
fristige Anpassungsstörungen und abnorme Erlebnisreaktionen. Zu diesem
Krankheitstyp kommt es, weil Persönlichkeitsstörungen ihrer Natur nach
zu vermehrten sozialen Konflikten und damit auch vermehrten Konflikten
am Arbeitsplatz mit entsprechenden akuten psychischen und somatischen
Reaktionen führen. Im Vordergrund stehen dann Sekundärsymptome wie
Angst, Überlastungsgefühle, somatoforme Störungen, Schmerzstörungen
usw. Hierdurch kann es aktuell und vorübergehend zu Einschränkungen
der beruflichen Leistungsfähigkeit kommen, was im Einzelfall dann mit
Blick auf die akute berufliche Aufgabe zu prüfen ist. Ein Patient, der sich
wegen eines akuten Konfliktes sehr aufgeregt hat, deswegen nicht schlafen
konnte und in der Folge in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt
ist, kann z. B. für die Tätigkeit eines Kraftfahrers vorübergehend arbeits-
unfähig sein. Die aus der Schlafstörung resultierende Leistungsschwäche
dürfte in der Regel jedoch nicht derart sein, dass z. B. eine Tätigkeit als
Verkäuferin nicht ausgeübt werden kann.
Bezüglich einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit kann die Psychopa-
thologie von Persönlichkeitsstörungen auch primär von Bedeutung sein,
dies gilt insbesondere dann, wenn es Veränderungen in der Organisation
der Arbeitsstätte gibt. Patienten mit anankastischen Persönlichkeitsstörun-
gen, die in der Funktion eines Rechnungsprüfers einer Bank sehr leistungs-
fähig waren, können arbeitsunfähig werden, wenn ihnen eine Tätigkeit mit
Kundenkontakt und der Anforderung, Aktien verkaufen zu müssen, über-
tragen wird. Ebenso kann ein Mensch mit einer histrionischen Persönlich-
keitsstörung im Außendienst einer Firma eine hohe Leistungsfähigkeit zei-
gen, jedoch arbeitsunfähig sein, wenn er in den Innendienst versetzt wird
und sich dort in ein streng beaufsichtigtes Team integrieren soll.
Im Sinne der beruflichen Rehabilitation und des beruflichen Eingliede-
rungsmanagements nach § 84 Sozialgesetzbuch IX ist der Arbeitgeber in
solchen Fällen verpflichtet zu prüfen, inwieweit dem Patienten ein „leidens-
gerechter Arbeitsplatz“ zu ermöglichen ist. Persönlichkeitsstörungen sind
sozialrechtlich in Anlehnung an § 2 des Sozialgesetzbuches IX als Behin-
derungen anzusehen.
5.2 Minderung der Erwerbsfähigkeit und Grad der Behinderung z 139

Bei der Beurteilung einer überdauernden Beeinträchtigung der Erwerbs-


fähigkeit und damit des Anspruchs auf eine Berentung genügt es nicht, sub-
jektive Angaben des Patienten als Kriterium heranzuführen. Stattdessen
müssen sie objektiv nachvollziehbar beschrieben und begründet werden, d. h.
vorrangig durch eine Verhaltensbeobachtung. Bei der Beurteilung ist des
Weiteren zu berücksichtigen, dass eine vorzeitige Berentung nur dann mög-
lich ist, wenn die Leistungsfähigkeit für den so genannten „allgemeinen Ar-
beitsmarkt“ aufgehoben ist. Die Tatsache, dass ein Patient möglicherweise an
seinen derzeitigen Arbeitsplatz oder in einer bestimmten Gruppe von Mit-
arbeitern oder auch in seinem erlernten Beruf nicht mehr integrierbar ist,
begründet keinen Rentenanspruch.
Da Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die eine Rente beantragen, sich
häufig gezwungen fühlen, ihre Beschwerden und Leistungseinschränkungen
besonders nachhaltig darzustellen, gilt nach höchstrichterlicher Rechtspre-
chung, dass „wegen der Simulationsnähe von Erkrankungen mit neuroti-
schem Einschlag“ ein strenger Maßstab an die Feststellung des den Renten-
anspruch begründenden Tatbestandsmerkmals zu stellen ist und dabei für
das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüber-
windbarkeit aus eigener Kraft und die Auswirkungen auf die Arbeits- und Er-
werbsfähigkeit den Rentenbewerber die objektive Beweislast“ trifft (BSG-Ur-
teile vom 1. 7. 1964, 11/1RA158/61, vom 20. 10. 2004, B5RJ48/03R). Insbeson-
dere kann auch eine fehlende Leistungsmotivation ohne Nachweis krank-
heits- oder behinderungsbedingter psychomentaler Funktionsstörungen kei-
ne rentenrelevante Leistungsminderung begründen. So stellt z. B. das LSG
Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24. 1.2002, L4RA20/99) fest, dass es einem Ar-
beitgeber nicht zumutbar ist, einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, der wegen
einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und neurotischen
Zügen ständig motiviert und kontrolliert werden müsse, dass dies jedoch kei-
ne rentenrelevante Leistungsbeeinträchtigung darstelle, da der Kläger wäh-
rend eines Arbeitsversuches keine Auffälligkeiten der intellektuellen Leis-
tungsfähigkeit gezeigt hat und auch keine abnorme Ermüdbarkeit, da er bei-
spielsweise in der Lage war an längeren Gesprächen teilzunehmen.

5.2 Minderung der Erwerbsfähigkeit und Grad der Behinderung


Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrifft die Unfallversicherung
und beschreibt, wie sehr in Folge eines Berufsunfalls die eingetretene Min-
derung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens eines Versi-
cherten seine Arbeitsmöglichkeiten einschränkt. Der Grad der MdE wird in
Prozent angegeben.
Der Grad der Behinderung (GdB) betrifft das Versorgungs- und Schwer-
behindertenrecht. Eine Behinderung liegt vor, wenn körperliche, geistige
oder seelische Funktionsbeeinträchtigungen mindestens sechs Monate an-
halten. Es kann dann ein Antrag beim Versorgungsamt gestellt werden auf
Feststellung des Grades der Behinderung. Der GdB wird nicht in Prozent
140 z 5 Sozialmedizinische und rechtliche Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

sondern in 10er Graden zwischen 10 und maximal 100 angegeben. Ab ei-


nem Grad der Behinderung von 50 gilt dies als Schwerbehinderung. Wer
mindestens eine Behinderung von 30 hat, kann einem Schwerbehinderten
gleichgestellt werden, wenn er nur auf diese Weise einen bestimmten Ar-
beitsplatz erhalten oder bekommen kann. Schwerbehinderte können auf
Antrag einen Ausweis erhalten.
Während eine Minderung der Erwerbsfähigkeit sich auf Einschränkungen
der Arbeitsfähigkeit im Bezugsberuf bezieht, hat der Grad der Behinderung
zunächst keinen Zusammenhang mit dem Arbeits- und Berufsleben. Ein
Mensch mit einem GdB von 100 kann dennoch arbeitsfähig sein. Insofern
ist der Grad der Behinderung auch irrelevant beispielsweise für eine Rente.
Für den Grad der Behinderung auf Grund von psychischen Störungen
gelten folgende Anhaltszahlen:
z leichte psychovegetative oder psychische Störungen 0–20
z stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Er-
lebnis- und Gestaltungsfähigkeit 30–40
z schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkei-
ten 50–70
z schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
80–100.

Aus dieser Graduierung ist abzuleiten, dass eine Persönlichkeitsstörung je


nach Art, Symptomatik und resultierenden Fähigkeitsstörungen einen Grad
der Behinderung zwischen 0 und 100 begründen kann.
Die Ursache einer Behinderung ist für die Feststellung des GdB ohne Be-
lang. Bezüglich der MdE muss jedoch eine Kausalität zwischen einem schä-
digenden Ereignis und der folgenden psychischen Störung bestehen. Bei
der Beurteilung des Zusammenhangs sind zu berücksichtigen: der Schwe-
regrad des schädigenden Ereignisses, der Schweregrad des traumatischen
Erlebnisses, die prämorbide Persönlichkeit, konkurrierende Ursachen (Vor-
schäden) und mögliche sekundäre Motive.

Im Einzelnen sind bei der Ursachenfeststellung folgende Fragen zu beant-


worten:
z Welche Gesundheitsstörungen liegen vor?
z Lag bereits vor dem Unfallzeitpunkt eine psychisch relevante Vorerkran-
kung/Schadensanlage (insbesondere eine prätraumatische) vor?
z War das Unfallereignis nach Eigenart und Stärke unersetzlich, d. h. mit an-
deren alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar (also Ursache
im Sinne der Entstehung für die Entwicklung der Gesundheitsstörung).
z War die vorbestehende Erkrankung/Schadensanlage so leicht ansprech-
bar, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereig-
nisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist (sog. Gelegenheitsursa-
che).
z Wurde die eventuell bestehende Vorerkrankung/Schadensanlage in ihrer
Entwicklung durch das Unfallereignis dauernd oder vorübergehend ver-
schlimmert (also Ursache im Sinne der Verschlimmerung)?
5.3 Strafrechtliche Aspekte z 141

Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein leichtes Trauma sich
stets nur geringfügig auswirkt und schwere Folgezustände immer eine
außergewöhnliche Ursache gehabt haben müssen. Außerdem ist nach dem
Kausalitätsprinzip der gesetzlichen Unfallversicherung der Geschädigte
grundsätzlich mit seiner individuellen Veranlagung geschützt.
Als psychische Störungen in der Folge von Traumata sind die akuten Be-
lastungsreaktionen (F43.0), die posttraumatische Belastungsstörung (F43.1),
Anpassungsstörungen (F43.2), andauernde Persönlichkeitsänderungen nach
Extrembelastung (F62.0) und die Entwicklung körperlicher Symptome aus
psychischen Gründen (F68.0) zu nennen.
Persönlichkeitsstörungen können bei der Feststellung der MdE ein Aus-
schlusskriterium sein. Wenn argumentiert werden kann, dass die Reaktion
auf ein bestimmtes belastendes Ereignis primär Ausdruck der schon immer
bestehenden persönlichkeitsbedingten pathologischen Belastungsverarbei-
tung ist, dann ist das belastende Ereignis nicht als „Ursache“ sondern nur
als „Gelegenheitsursache“ anzusehen und begründet damit keine MdE.
Andererseits kann es in der Folge von körperlichen oder seelischen
Traumata durchaus zu bleibenden Persönlichkeitsänderungen (F62.0) kom-
men. In diesen Fällen ist die Persönlichkeitsstörung die Schädigungsfolge.
Die daraus entstandene Minderung der Erwerbsfähigkeit und der Einkom-
mensverlust sind dann durch die Unfallversicherung oder die Schädiger
auszugleichen.

5.3 Strafrechtliche Aspekte


Persönlichkeitsstörungen schränken nicht nur die Anpassungsfähigkeit und
Flexibilität der Betroffenen und ihre Fähigkeit zu Konflikt- und Belastungs-
bewältigung ein, sondern sie gehen aus eben diesen Gründen auch mit
dem Risiko strafrechtlicher Verwicklungen einher. Ganz besonders trifft
dies natürlich auf die Unterform der antisozialen/dissozialen Persönlich-
keitsstörung zu. Bei der forensischen Begutachtung von Probanden mit
Persönlichkeitsstörungen geht es zunächst um eventuelle Beeinträchtigun-
gen der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB). Die sich ggf. anschließende Frage
nach den Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 63, 64, 66 StGB) ist
speziellerer Natur und sei der Fachliteratur vorbehalten.

5.3.1 Schuldfähigkeit bei Persönlichkeitsstörungen

Allgemeingültige Anhaltspunkte für die regelrechte Durchführung der fo-


rensischen Begutachtung ergeben sich aus den „Mindestanforderungen für
Schuldfähigkeitsgutachten“ einer Arbeitsgruppe aus juristischen und foren-
sischen Experten (Boetticher et al. 2005). Zu beachten sind als generelle
Grundsätze die sorgfältige Auswahl und Erläuterung der Untersuchungs-
142 z 5 Sozialmedizinische und rechtliche Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

methode, die Untermauerung der diagnostischen Einschätzung nach den


Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnosti-
schen und statistischen Klassifikationssysteme (ICD-10 und DSM-IV-TR),
die Beschreibung des Ausmaßes der diagnostizierten psychischen Störung
im Sinne der „zweistufigen Methode der Schuldfähigkeitsuntersuchung“,
die Nachvollziehbarkeit und Transparenz durch Darlegung von Untersu-
chungsmethoden und Denkmodellen des Sachverständigen zu den von ihm
gefundenen Ergebnissen sowie schließlich die Zusammenfügung der sozia-
len, biographischen und psychopathologischen Befunde unter Einbezug der
in der Hauptverhandlung zutage getretenen Beweisergebnisse.
Besondere Beachtung erfordert das sog. „Tatzeitkriterium“, wonach es
um die Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat geht und
nicht um allgemeine Ausführungen zu psychischen Veränderungen beim
Betroffenen. Stets müssen die Auswirkungen auf die konkrete Tat und der
Zusammenhalt der psychopathologisch gefundenen Symptomatik mit Moti-
vationshintergrund und Ausführung des angeschuldigten Deliktes geprüft
werden. Dabei hat der Sachverständige sorgfältig seine Rolle im Strafpro-
zess zu reflektieren. Die Frage der Erheblichkeit einer von ihm diagnosti-
zierten und im Gericht dargelegten Störung auf psychopathologischem Ge-
biet einschließlich einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung stellt eine
Rechtsfrage dar, die der Richter nach sachverständiger Beratung in eigener
Verantwortung zu entscheiden hat.
Die formellen Mindestanforderungen an Schuldfähigkeitsgutachten bei
Persönlichkeitsstörungen betreffen Aufbau und Umfang der zu erhebenden
Informationen und ihrer Darstellung, wobei es insbesondere um die exakte
Benennung und getrennte Wiedergabe der unterschiedlichen Erkenntnis-
quellen aus Akten, subjektiven Äußerungen des Untersuchten, Beobach-
tungen des Untersuchers und zusätzlich durchgeführten Erhebungen wie
etwa bildgebenden Verfahren und psychologischen Testungen geht.
Wesentliche inhaltliche Mindestanforderungen betreffen die Vollständig-
keit der Exploration, die Benennung der Untersuchungsmethoden, die sau-
bere Erläuterung von Diagnose und Differentialdiagnose unter Bezug auf
das zugrunde liegende Diagnosesystem, die anschauliche Darstellung der
Funktionsbeeinträchtigungen im Allgemeinen und sodann die Überprüfung,
ob und in welchem Ausmaß diese Funktionsbeeinträchtigungen bei Bege-
hung der Tat vorgelegen haben. Schließlich sind die psychiatrischen Diagno-
sen korrekt den gesetzlichen Eingangsmerkmalen der §§ 20, 21 StGB zuzu-
ordnen und die tatrelevanten Funktionsbeeinträchtigungen unter Differen-
zierung zwischen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu erläutern. Auch al-
ternative Beurteilungsmöglichkeiten sollten im Gutachten diskutiert werden.
Gegenüber diesen generellen Mindestanforderungen sind bei der Begut-
achtung von Probanden mit Persönlichkeitsstörungen einige spezielle
Aspekte gesondert zu berücksichtigen. Dies betrifft zunächst einmal die
sachgerechte Diagnostik, wobei erfahrungsgemäß in der forensischen Be-
gutachtung die allgemeinen definierenden Merkmale von Persönlichkeits-
störungen in den beiden Klassifikationssystemen häufig zu wenig beachtet
werden. Zwar ist es sinnvoll und hilfreich, im Gutachten detailliert auf die
5.3 Strafrechtliche Aspekte z 143

Persönlichkeit des Probanden, ihre Akzentuierungen und auch auf störende


Persönlichkeitszüge einzugehen, doch sollte, auch in Hinblick auf die fo-
rensischen Konsequenzen einer derartigen Etikettierung, die Diagnose ei-
ner spezifischen Persönlichkeitsstörung nur dann erfolgen, wenn auch tat-
sächlich die allgemeinen wie die speziellen diagnostischen Kriterien erfüllt
sind. Das Gutachten darf sich nicht auf die isolierte Benennung bestimmter
Eigenschaften beschränken, sondern muss die individuellen Interaktionssti-
le, die Reaktionsweisen des Untersuchten unter konflikthaften Belastungen
sowie Veränderungen infolge von Reifungs- und Alterungsschritten oder
eingeleiteter therapeutischer Maßnahmen darlegen. Besonders wichtig ist
die Differenzierung zwischen rezidivierenden sozial devianten Verhaltens-
weisen einerseits und psychopathologischen Merkmalen einer Persönlich-
keitsstörung andererseits. Hilfreich für diese Differenzierung ist die Unter-
suchung darauf, ob die vermuteten Auswirkungen von Persönlichkeitsstö-
rungen sich nicht nur im strafrechtlichen Kontext, sondern auch in der
sonstigen Lebensführung zeigen.
Von großer Bedeutung ist vor allem für weniger geübte Gutachter der
Hinweis, dass die klinische Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gemäß
den operationalen Klassifikationssystemen nicht mit dem juristischen Be-
griff der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ und mit den daraus
möglicherweise resultierenden Konsequenzen gleichgesetzt werden darf.
Für die sachgerechte Beurteilung des Schweregrades einer diagnostizierten
Persönlichkeitsstörung sind in der Literatur Merkmalssammlungen entwi-
ckelt worden, die Eingang in die erwähnten Mindestanforderungen gefun-
den haben und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung inzwischen
weitgehend anerkannt sind. Danach können Gründe für die Einstufung
einer Persönlichkeitsstörung als „schwere andere seelische Abartigkeit“
sein:
z Erhebliche Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit bzw. der Af-
fektregulation
z Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens
z Durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Beziehungsgestal-
tung und psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auffälligkei-
ten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste Denkstile
z Durchgehende Störung des Selbstwertgefühls
z Deutliche Schwäche von Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen.

Gegen die Einstufung einer Persönlichkeitsstörung als „schwere andere


seelische Abartigkeit“ sprechen:
z Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit ohne schwerwiegende Be-
einträchtigung der Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungs-
fähigkeit,
z weitgehend erhaltene Verhaltensspielräume
z Selbstwertproblematik ohne durchgängige Auswirkungen auf die Bezie-
hungsgestaltung und psychosoziale Leistungsfähigkeit
z Intakte Realitätskontrolle, reife Abwehrmechanismen
z Altersentsprechende biographische Entwicklung.
144 z 5 Sozialmedizinische und rechtliche Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

Die besonders schwer zu beurteilende psycho(patho)logisch-normative Stu-


fe der Schuldfähigkeitsuntersuchung, also die Prüfung von „Einsichts- und
Steuerungsfähigkeit“ liegt im Übergang zwischen deskriptiver Beschrei-
bung durch den Sachverständigen, einer im Dialog zwischen Sachverstän-
digem und Gericht zu entwickelnden Bewertung und der allein unter nor-
mativen Gesichtspunkten zu treffenden Schuldfähigkeitsbeurteilung durch
das Gericht. Als allgemeine Regeln, von denen im Einzelfall sorgfältig zu
begründende Ausnahmen möglich sind, gelten:
z Eine relevante Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit allein durch die
Symptome einer Persönlichkeitsstörung gibt es kaum.
z Auch wenn eine „schwere andere seelische Abartigkeit“ vorliegt, muss
der Zusammenhang zwischen aktueller Tat und Persönlichkeitsstörung
geprüft werden. Es geht darum, ob die Tat Symptomcharakter hat, also
Ausdruck der sorgfältig zu beschreibenden Merkmale der gefundenen
Persönlichkeitsstörung bzw. „schweren anderen seelischen Abartigkeit“
ist.

Die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit erfordert also eine detaillierte


Analyse der Tatumstände wie des Verhaltens vor, während und nach der
Tat, der Beziehung zwischen Täter und Opfer und der handlungsleitenden
Motive. Diese sind dann zu den psychopathologisch zu beschreibenden
Merkmalen der Persönlichkeitsstörung in Beziehung zu setzen. Gesichts-
punkte, die ebenfalls in die Mindestanforderungsaufstellungen übernom-
men wurden und daher für eine forensisch relevante Beeinträchtigung der
Steuerungsfähigkeit sprechen, sind:
z Konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor
dem Delikt
z Abrupter impulshafter Tatablauf
z Relevante konstellative Faktoren (z. B. Alkoholintoxikation)
z Enger Zusammenhang zwischen („komplexhaften“) Persönlichkeitsprob-
lemen und Tat.

Eher gegen eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit spre-


chen folgende Verhaltensweisen, aus denen sich Rückschlüsse auf die psy-
chische Verfassung zur Tatzeit herleiten lassen:
z Tatvorbereitung
z Hervorgehen des Deliktes aus dissozialen Verhaltensbereitschaften
z Planmäßiges Vorgehen bei der Tat
z Fähigkeit zu warten bzw. lang hingezogenes Tatgeschehen
z Komplexer Handlungsablauf in Etappen
z Vorsorge gegen Entdeckung
z Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung der Schuldfähig-


keit bei Probanden mit fraglichen Persönlichkeitsstörungen eine ausgespro-
chen schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe darstellt. Sie erfordert
nicht nur ausgezeichnetes klinisches Wissen, sondern auch umfangreiche
5.4 Zusammenfassung und Ausblick z 145

Erfahrungen möglichst nicht nur auf dem Gebiet der Diagnostik, sondern
auch in der Therapie von Persönlichkeitsstörungen, um die nötige Einord-
nung der gefundenen Störungen in den Gesamtkontext von Biographie,
Persönlichkeit und Tat einordnen zu können. Wegen der hohen Erforder-
nisse hinsichtlich spezieller Ausbildung und konzeptioneller Klarheit sind
von der DGPPN in den letzten Jahren besondere Qualifizierungsmaßnah-
men und Zertifizierungsschritte für forensisch-psychiatrische Aufgaben
entwickelt worden, die innerhalb der Musterweiterbildungsordnung der
Bundesärztekammer bzw. in den Weiterbildungsordnungen der Landesärz-
tekammern zur Schwerpunktbezeichnung „forensische Psychiatrie“ im Ge-
biet „Psychiatrie und Psychotherapie“ geführt haben. Gewichtigere Begut-
achtungen sollten im Sinne der Qualitätssicherung bei diesen auch in der
Öffentlichkeit häufig beobachteten Problemstellungen solchen Kollegen vor-
behalten bleiben, die entsprechende Weiterbildungsschritte absolviert ha-
ben.

5.4 Zusammenfassung und Ausblick


Persönlichkeitsstörungen sind ein häufiges und wichtiges Problem bei sozi-
almedizinischen wie forensischen Fragen. Dies betrifft die Beurteilung der
Arbeitsunfähigkeit, die Erwerbsunfähigkeit, Schadensersatzforderungen,
Schwerbehinderung oder Schuldfähigkeit.
Die Abgrenzung von Normalvarianten und die Feststellung der Krank-
heitswertigkeit stellt bei Persönlichkeitsstörungen ein besonderes Problem
dar.
Persönlichkeitsstörungen sind nach dem Sozialgesetzbuch IX als Behin-
derungen zu verstehen.
Im Strafrecht darf die klinische Diagnose einer Persönlichkeitsstörung
nicht mit dem juristischen Begriff der „schweren anderen seelischen Abar-
tigkeit“ und mit den daraus möglicherweise resultierenden Konsequenzen
gleichgesetzt werden.
Die verstärkte klinische wie wissenschaftliche Befassung mit Persönlich-
keitsstörungen lässt auch Verbesserungen für den sozialmedizinischen und
forensischen Umgang mit diesen Patienten erwarten.
6 Kinder- und Jugend-
psychiatrische Aspekte
von Persönlichkeitsstörungen

Aus entwicklungspsychopathologischer Sicht stellen Persönlichkeitsstörun-


gen des Erwachsenenalters das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses dar,
der durch Wechselwirkungen zwischen konstitutionellen (genetischen Fak-
toren, Temperament) und psychosozialen (beziehungsgeschichtlichen und
anderen biografischen) Faktoren gekennzeichnet ist. Persönlichkeitsstörun-
gen selbst stellen nicht einen Endpunkt sondern mehr eine prozesshafte
Vergegenwärtigung von lebenslangen Entwicklungsbedingungen dar.
Die grundsätzliche Frage, ob Persönlichkeitsstörungen schon im Kindes-
und Jugendalter auftreten können, kann prinzipiell mit ja beantwortet wer-
den. Wer Kindern maladaptive Persönlichkeitszüge abspricht, müsste ja
auch die adaptiven Persönlichkeitsmerkmale in jungen Lebensjahren in
Frage stellen. Kinder sind nicht unfertige Erwachsene, sondern besitzen in
jedem Lebensalter ein je eigenes Anpassungspotenzial, das durch konstitu-
tionelle Ressourcen in unterschiedlichen Lebenskontexten gekennzeichnet
ist. Die Grundannahme gilt, dass Kinder bereits in frühen Lebensaltern ei-
ne Persönlichkeit besitzen!

6.1 Definition
Persönlichkeit stellt ein Integral der psychischen Eigenschaften und Verhal-
tensbereitschaften dar, das als Handlungsrepertoire dem Individuum seine
unverwechselbare Einzigartigkeit verleiht. Die einzelnen konstitutionellen
Faktoren sind in den Domänen von Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken,
Fühlen und Beziehungsgestaltung zu erfassen. Kritiker einer Annahme von
frühen Persönlichkeitsstörungen äußern Bedenken gegenüber einem zu
frühen „Labeling“ von Kindern und bezweifeln darüber hinaus, dass Per-
sönlichkeit in Bezug auf das Kindesalter ein stabiles Konstrukt darstelle
(Schmitz 1999). Solchen Argumenten ist entgegenzuhalten, dass die Früher-
kennung von maladaptiven Verhaltensweisen und dysfunktionalen Formen
der Erlebnisverarbeitung zu rechtzeitigen, gezielten therapeutischen Inter-
ventionen Anlass geben kann. Darüber hinaus zeigen empirische Befunde,
dass Persönlichkeitsstörungsmerkmale bereits in frühen Lebensaltern zu
identifizieren sind und dass es eine gewisse Stabilität von Persönlichkeits-
traits vom Kindheits- über das Adoleszenz- bis zum Erwachsenenalter gibt
6.1 Definition z 147

(Übersicht bei Krischer et al. 2006, McCrae et al. 2000). Um der Gefahr ei-
ner zu frühen Festlegung von maladaptiven Verhaltensweisen bei Kindern
zu begegnen, wurde im deutschen Sprachraum schon seit den 1980er Jah-
ren der Begriff der „Persönlichkeitsentwicklungsstörung“ geprägt, was der
im Einzelfall ungewissen Stabilität von Störungsmerkmalen Rechnung trägt
(Adam & Peters 2003, Resch et al. 1999, Spiel & Spiel 1987).
Psychodynamisch orientierte Forscher definieren Persönlichkeit als ein
Konstrukt, das sich im Sinne des Strukturbegriffes bereits in frühen Le-
bensaltern ausbildet und im Entwicklungsverlauf auch pathologische Aus-
prägungen annehmen kann (Rudolf 2004). Solch strukturelle Anpassungs-
probleme können sich durch überkontrolliertes und/oder untersteuertes
Verhalten manifestieren und in einem Mangel an Affektkontrolle und
Selbstreflexion zum Ausdruck kommen. Die Bindungsforschung geht davon
aus, dass durch ungünstige Beziehungsmuster mit wichtigen Bezugsper-
sonen dysfunktionale Arbeitsmodelle (Internal Working Models) ausgebil-
det werden, die später der Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen Vor-
schub leisten. Empirische Untersuchungen von Bindungsmustern haben ge-
zeigt, dass sichere Bindungen eine negative Korrelation zur Persönlichkeits-
pathologie aufwiesen, während dem gegenüber desorganisierte und struk-
turell gestörte Bindungsmuster mit multiplen Formen der Persönlichkeits-
pathologie signifikant vergesellschaftet waren (Nakash-Eisikovits et al.
2002). Insbesondere im Bereich der Borderline-Persönlichkeitsstörung wur-
den von psychodynamischer Seite kindliche Formen diskutiert, die durch
Fluktuation zwischen neurotischen und psychoseähnlichen Zuständen ge-
kennzeichnet sind, Probleme der Angstbewältigung aufweisen, eine Störung
der Differenzierung zwischen Fantasie und Wirklichkeit erkennen lassen,
Wut und Ärger nur schlecht kontrollieren können, nicht in der Lage sind,
Befriedigung aufzuschieben und Schwierigkeiten haben Beziehungen ein-
zugehen, die einen nicht konsumierenden Charakter haben. Diese Konzep-
tualisierung erfüllt jedoch nicht die Kriterien einer operationalen Diagnos-
tik (Übersicht bei Krischer et al. 2006).
Die empirische Persönlichkeitsforschung hat Belege beigebracht, dass
Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter mit Berechtigung di-
agnostiziert werden können. Dabei geht die Diskussion von zwei Grund-
erkenntnissen aus (Shiner 2005):
1. Kindliche Temperamentsmerkmale zeigen hohe Übereinstimmungen mit
Persönlichkeitszügen des Erwachsenenalters.
2. Individuelle Erlebnis- und Verhaltensdifferenzen lassen sich bereits im
Jugendalter in den Persönlichkeitsdomänen des „Big Five-Models“ be-
schreiben.

Die Persönlichkeitsforschung geht davon aus, dass pathologische Persön-


lichkeitsmuster komplexe Kombinationen von adaptiven und maladaptiven
Verhaltensmerkmalen darstellen. Das „Big Five-Model“ hat sich strukturell
auch bei Adoleszenten und Präadoleszenten in Faktoranalysen von Persön-
lichkeitsfragebögen durch Eltern- und Lehrerratings nachbilden lassen.
Selbstfragebögen, die von Jugendlichen ausgefüllt wurden, weisen ebenfalls
148 z 6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

diese faktoranalytische Struktur auf (Shiner 2005). Als resiliente Persön-


lichkeitsmerkmale gelten hohe emotionale Stabilität (geringer Neurotizis-
mus), hohe Extraversion und soziale Bezogenheit, starke Offenheit, aus-
geprägte Verträglichkeit und ein hohes Ausmaß an Gewissenhaftigkeit, das
mit Selbstkontrolle einhergeht. Kinder und Jugendliche mit mangelnder
emotionaler Stabilität und geringer Extraversion bei normaler Gewissenhaf-
tigkeit und Verträglichkeit können als überkontrolliert beschrieben werden.
Demgegenüber zeigen Kinder bei normaler Extraversion und geringem
Neurotizismus, wenn die Domänen Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit
nur gering ausgeprägt sind, ein untersteuertes, unkontrolliert impulsives
Verhalten. Solche noch im adaptiven Bereich angesiedelten Verhaltens-
merkmale können im ersteren Falle zu internalisierenden Störungsmustern,
im zweiten zu externalisierenden Störungen überleiten. Übergänge vom
adaptiven in den maladaptiven Bereich sind nicht allein der konstitutionel-
len Verfassung des Kindes zuzurechnen, sondern entstehen in dysfunktio-
nalen Wechselwirkungen zwischen kindlichen Verhaltensweisen und unan-
gemessenen Reaktionen des sozialen Umfeldes (s. Tabelle 6.1 nach Merviel-
de et al. 2005).
Temperamentsmodelle zeigen eine hohe Überlappung mit dimensionalen
Persönlichkeitsmodellen. Unter Temperament versteht man die jeweils indi-
viduellen Unterschiede in der Aktivität, Reaktivität und Selbstregulation,
die eine konstitutionelle (neurobiologische) Basis aufweisen und im Verlauf
durch Reifung und Erfahrung verändert werden (Schmeck 2001). Das
Trait-orientierte Modell von Cloninger (1993) gründet die drei Domänen
Neugierverhalten, Schadensvermeidung und Belohnungsabhängigkeit auf
biologischen Faktoren, die schon früh in der Entwicklung in Erscheinung
treten und im weiteren Verlauf erfahrungsabhängig modifiziert werden
können. Die Dimension des Neugierverhaltens zeigt eine gewisse Nähe zur
Extraversion, die Schadensvermeidung zum Neurotizismus. Extraversion
(Fähigkeit zur sozialen Kontaktaufnahme), Neurotizismus (Ausmaß von

Tabelle 6.1. Temperament und Psychopathologie (mod. nach Mervielde et al. 2005)
Resilient „Big Five“ Adaptiv Maladaptiv
: emotionale Stabilität ;
überkontrolliert : „internalizing“
: Extraversion ;
: Offenheit oszillierend
„Borderline“?
: Verträglichkeit ;
un(ter)kontrolliert : „externalizing“
impulsiv
: Gewissenhaftigkeit ;
6.2 Stabilität der Merkmale z 149

Irritabilität), Offenheit (Neugier für Erfahrungen) und Gewissenhaftigkeit


(Spektrum von Durchhaltevermögen und Impulskontrolle) bilden gemein-
sam die faktorenanalytischen Dimensionen des „Big Five“-Modells.

6.2 Stabilität der Merkmale


Die Frage nach der Stabilität bzw. Diskontinuität von Persönlichkeitsmerk-
malen im Verlauf der Entwicklung vom Kindheitsalter ins Erwachsenenalter
hat bis zu heute anhaltenden Diskussionen geführt. Die Ergebnisse der
Temperamentsforschung erbrachten Hinweise auf die Stabilität unter-
schiedlicher Temperamentskonstellationen vom Alter weniger Monate bis
zum Grundschulalter (Rothbart et al. 2001). Während verschiedene longitu-
dinale Studien überzeugende Hinweise liefern, dass ungünstige Tempera-
mentsfaktoren spätere psychopathologische Symptome bahnen (Saltaris
2002), zeigt eine Metaanalyse zur Stabilität von Persönlichkeitsmerkmalen,
dass es nur moderate Korrelationen über längere Zeiträume hinweg gibt
(bereits ab der Kindheit bis zum Erwachsenenalter), wobei die Korrelatio-
nen mit zunehmendem Alter größer werden, jedoch mit zunehmenden
Zeitabständen zwischen den Untersuchungszeitpunkten wiederum abneh-
men (s. Übersicht bei Krischer et al. 2006, Roberts & DelVecchio 2000). Ka-
tegoriale Persönlichkeitsstörungsdiagnosen im Jugendalter scheinen eine
relativ geringe Stabilität aufzuweisen. In der Untersuchung von Bernstein et
al. (1993) zeigten weniger als die Hälfte der Adoleszenten mit einer ur-
sprünglichen Persönlichkeitsstörungsdiagnose auch zum zweiten Unter-
suchungszeitpunkt (zwei Jahre später) eine solche Diagnose. Eine andere
Untersuchung von Levy et al. (1999) konnte nachweisen, dass die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung bei Jugendlichen mit unterschiedlichen psy-
chischen Störungen mit einer signifikant häufigeren Hospitalisierungsrate
nach einer 2-Jahres-Beobachtungsperiode verbunden war. Zusammenhänge
zwischen Störungen des Sozialverhaltens und der Entwicklung einer antiso-
zialen Persönlichkeitsstörung konnten signifikant nachgewiesen werden
(Loeber et al. 2000, Vloet et al. 2006). Ebenso zeigte sich eine Assoziation
zwischen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und ei-
ner Borderline-Persönlichkeitsstörung in späteren Lebensaltern (Übersicht
bei Krischer et al. 2006). Auch wenn Persönlichkeitsstörungen häufig keine
Langzeitstabilität aufweisen, stellen sie doch ein konsistentes und kohären-
tes Konstrukt dar, das als valider Indikator für Stress und Anpassungsprob-
leme im entsprechenden Lebensabschnitt gelten kann. Unter ungünstigen
Entwicklungsbedingungen ist offensichtlich das Risiko für die Persistenz
solcher Merkmale oder für die Ausbildung weiterer psychopathologischer
Probleme erhöht.
150 z 6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

6.3 Diagnostik
Der Übergang von normalen Persönlichkeitsvarianten in klinisch relevante
Persönlichkeitsstörungen ist fließend! So sehr kategoriale Diagnosen kom-
plexe Verhaltenskonstellationen definieren lassen, für die es dann je spezi-
fische therapeutische Interventionen gibt, werden gerade Individuen, die
im Grenzbereich solcher Definitionen liegen, dadurch nicht erfasst und von
sinnvollen präventiv-therapeutischen Maßnahmen ausgeschlossen. Im Kin-
des- und Jugendalter ist dies ein spezifisches Problem. Jugendliche erfüllen
die kategorialen Persönlichkeitsstörungsdiagnosen oft nur teilweise, wobei
ihre dysfunktionalen Persönlichkeitsmerkmale trotzdem von negativer Ent-
wicklungsrelevanz sein können. Dimensionale diagnostische Modelle zur
Erfassung der Übergänge von gesunden zu gestörten Persönlichkeitsmus-
tern erscheinen im Kindes- und Jugendalter daher den kategorialen Klassi-
fikationsansätzen überlegen. Eine Persönlichkeitsstörung ist als das Extrem
auf einer kontinuierlichen Verteilung von Persönlichkeitsmerkmalen anzu-
sehen. Shedler und Westen (2004) machen den Vorschlag, kategoriale und
dimensionale Ansätze zu integrieren. Sie gehen von typologischen Definitio-
nen einzelner Persönlichkeitsstörungen aus und erfassen aufgrund dimensio-
naler Erhebungen die Passung des gegenwärtigen Persönlichkeitsmusters
zum Typus.
Fünf Diagnosestufen werden angegeben:
z Stufe 1: Die vorhandene Beschreibung trifft auf das Individuum nicht zu.
z Stufe 2: Das Individuum weist nur wenige Facetten des Störungsbildes
auf.
z Stufe 3: Die diagnostischen Kriterien treffen moderat zu, wobei signifi-
kante Aspekte des Störungsbildes bei dem Individuum fassbar werden.
z Stufe 4: Der Patient weist das entsprechende Störungsbild sicher auf. Die
Diagnose passt.
z Stufe 5: Der Patient repräsentiert die entsprechende Störungsdiagnose
geradezu und ist für dieses Störungsbild prototypisch.

Ein solches Diagnoseverfahren erscheint besonders gut geeignet, Persönlich-


keitsstörungen im jungen Lebensalter zu erfassen.
Erhebungsinstrumente zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungsmerk-
malen im Kindes- und Jugendalter (nach Krischer et al. 2006):
Hervorzuheben ist das International Personality Disorder Examination
Instrument (IPDE nach Loranger et al. 1994). Dazu existiert im deutsch-
sprachigen Bereich ein auf dem Interview basierender Fragebogen (Inven-
tar zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen und -störungen, IPMS
nach Berner, Benninghoven, Genau & Lehmkuhl 1998). Die Anwendbarkeit
des Neo-5-Faktoren-Inventars (Neo-FFI) konnte wiederholt bei Jugend-
lichen ab dem Alter von 16 Jahren nachgewiesen werden. Andere Autoren
geben einem Q-Sort-Verfahren zur Befragung von Klinikern und Psycho-
therapeuten zur Einschätzung von Persönlichkeitsmerkmalen bei Jugend-
lichen den Vorrang. Das nach Cloninger et al. (1994) entwickelte Junior Tem-
6.4 Häufigkeit und Komorbidität z 151

perament- und Charakterinventar (JTCI, Schmeck, Meyenburg & Poustka


1995) kann offiziell ab dem Alter von 12 Jahren verwendet werden. Ein
Selbstbeurteilungsfragebogen zur Erfassung von Persönlichkeitsdimensionen
(Dimensional Assessment of Personality Pathology nach Livesley & Jackson
2001) wird in seiner Anwendbarkeit für das Jugendalter derzeit in einer
Kölner Studie untersucht. Fragebögen auf der Basis des Temperaments-
modells wie das Childhood Behavior Questionnaire oder das Inventory of
Child Individual Differences kann von Eltern, Lehrern und anderen Bezugs-
personen für Kinder in jüngeren Altersstufen (3–12 Jahren) verwendet wer-
den.

6.4 Häufigkeit und Komorbidität


Gegenüber der Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen in der allgemeinen
Bevölkerung, die mit 6–13% im Erwachsenenalter angegeben wird, finden
sich in der Altersspanne von 11- bis 19-Jährigen Prävalenzraten zwischen
17–31% mit einem Häufigkeitsgipfel im Alter von 12 Jahren bei Jungen
und 13 Jahren bei Mädchen (Bernstein et al. 1993). Verlässliche Prävalenz-
zahlen von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter existieren nicht, da es
bis dato keine systematischen Untersuchungen gibt.
Die Komorbidität einer Persönlichkeitsstörung mit anderen wurde ins-
besondere bei Borderlinestörungen im Jugendalter untersucht. Jugendliche
Patienten mit einer Borderlinestörung zeigten neben Störungen aus dem
Cluster B auch Störungen aus den Clustern A (paranoide Persönlichkeits-
störung, schizoide Persönlichkeitsstörung oder schizotype Persönlichkeits-
störung) und C (vermeidende Persönlichkeitsstörung, abhängige Persön-
lichkeitsstörung, zwanghafte Persönlichkeitsstörung) (Becker et al. 2000).
Hinzu kommt eine diffuse Bandbreite von adoleszenztypischen psychischen
Problemen, die die Konstruktvalidität der Borderline-Persönlichkeitsstö-
rung im Jugendalter abschwächen (Brunner et al. 2003).
Eine teilweise Überlappung von kindlichen Sozialverhaltensstörungen
und adulter antisozialer Persönlichkeit wurde von Loeber et al. (2000) be-
schrieben. Bereits bei Kindern mit Sozialverhaltensstörungen im Alter von
12 Jahren fanden sich in 69% der Fälle drei oder mehr Symptome einer an-
tisozialen Persönlichkeitsstörung. Insbesondere Kinder mit einem „Early
Starter“-Typus von Sozialverhaltensstörungen (früher als 10 Jahre) wiesen
im Jugendalter vermehrt aggressive Symptome auf als Jugendliche mit ei-
nem späteren Beginn der Sozialverhaltensstörung. Kinder, die bereits im
frühen Alter einen Mangel an Empathie und Gefühlsarmut aufwiesen, hat-
ten besonders schwere antisoziale Verhaltensweisen im Jugendalter. Die Di-
agnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung sollte jedoch nicht vor
dem 18. Lebensjahr gestellt werden.
Insgesamt finden sich bei Achse-I-Störungen im jugendpsychiatrischen
Bereich vermehrt Persönlichkeitsstörungen. So zeigt sich eine Prävalenz
152 z 6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

von 20% Borderline-Persönlichkeitsstörungen in einer klinischen Popula-


tion von Kindern und Jugendlichen, wobei 5–11% in der Normalpopulation
von Jugendlichen angegeben werden (Brunner et al. 2001).

6.5 Zusammenhänge von Persönlichkeitsstörungen


und Achse-I-Störungen
Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Achse-I-Stö-
rungen kann nach der Literatur als wechselseitig angesehen werden: Einer-
seits erhöhen dysfunktionale Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmale
die Wahrscheinlichkeit von klinischen Syndromen in späteren Lebensaltern
(s. dazu den Zusammenhang von „Big Five“-Dimensionen und internalisie-
renden und externalisierenden Störungen; Mervielde et al. 2005), ande-
rerseits erhöhen psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters die
Wahrscheinlichkeit von Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter.
Dies konnte für Zusammenhänge zwischen ADHD und Borderline-Persön-
lichkeit gezeigt werden (Davids & Gastpar 2005) als auch für Sozialverhal-
tensstörungen und die antisoziale Persönlichkeitsstörung (Loeber et al.
2000). Nach Kasen et al. (1999) erhöhen klinische Syndrome der Achse I –
wie z. B. Verhaltensstörungen, Angststörungen und depressive Störungen in
der Adoleszenz – die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer Persönlich-
keitsstörung im Erwachsenenalter, unabhängig von einer bereits vorliegen-
den Persönlichkeitsstörung in der Adoleszenz. Die Autoren folgern, dass
die Achse-I-Störungen eine Kette von maladaptiven Verhaltens- und Um-
weltreaktionen nach sich ziehen, die persistierende psychopathologische
Symptome begünstigen, so dass in der Folge aus einer chronischen Störung
der Anpassung eine Persönlichkeitsstörung resultiert (Resch & Brunner
2004).

6.6 Entwicklungswege spezifischer Persönlichkeitsstörungen


Die Entwicklungswege von Persönlichkeitsstörungen lassen eine komplexe
Wechselwirkung zwischen konstitutionellen und biographischen Faktoren
erkennen. Die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und Jugendlichen ist
ein Prozess bidirektionaler Wechselwirkungen zwischen Genetik und Um-
welt. Ein Mangel an Passung zwischen Individuum und Umwelt erscheint
bedeutsamer als isolierte externe oder interne Einzelfaktoren. Schon gerin-
ge Temperamentsunterschiede können bei unterschiedlichen Lebensbedin-
gungen zu deutlichen Unterschieden der Handlungsbereitschaft führen, so
dass gerade die psychosozialen Reaktions- und Resonanzphänomene in der
Persönlichkeitsentwicklung des Menschen eine fundamentale Rolle spielen
(Resch & Parzer 2005, Resch et al. 1999).
6.6 Entwicklungswege spezifischer Persönlichkeitsstörungen z 153

Langzeitstudien belegen die relative Stabilität von Verhaltensstörungen


im Vorschulalter. Kinder mit Störungen des Sozialverhaltens im frühen Le-
bensalter (unter 5 Jahren) zeigten 2 Jahre später signifikant mehr Verhal-
tens- und Lernprobleme (Kim-Cohen et al. 2005). Lahey et al. (2002) unter-
suchten 7- bis 12-Jährige über einen Katamnesezeitraum von 6 Jahren und
konnten zeigen, dass die Verhaltensstörungen des Kindesalters in der Ado-
leszenz zumeist persistieren, aber fluktuierende Ausprägungen aufweisen.
Die beste Prognose hatten Kinder mit geringerem Schweregrad der Verhal-
tensstörungen und weniger ADHS-Symptomen.
Loeber (2000) hat ein empirisch gestütztes Entwicklungsmodell ent-
wickelt, das aufzeigt, wie die antisoziale Persönlichkeitsstörung in Entwick-
lungssequenzen zur Ausformung kommt. Kinder mit ADHD-Symptomatik
zeigen ein erhöhtes Risiko zu oppositionellen Verhaltensweisen (ODD). Un-
ter ungünstigen Bedingungen entwickeln sich später soziale Verhaltens-
störungen (CD), die mit depressiven Störungen, Substanzabusus und soma-
toformen Beschwerden vergesellschaftet sind (Abb. 6.1). Unter negativen
Entwicklungsbedingungen (s. eskalierende Zyklen der Persönlichkeitsent-
wicklung) kommt es schließlich zur Ausprägung der antisozialen Persön-
lichkeitsstörung (Herpertz et al. 2001).

Frühe Kindheit Adoleszenz Junges Erwachsenenalter

Substanz-
Angst Depression
missbrauch

Antisoziale
ODD CD Persönlich-
keitsstörung

ADHD/ Somatoforme
HKS Störung

Abb. 6.1. Entwicklung der antisozialen Persönlichkeitsstörung (2000)


154 z 6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

In diesen Entwicklungslinien gibt es geschlechtsspezifische Befunde


(Crawford et al. 2001): So konnten internalisierende und externalisierende
Symptome jeweils Persönlichkeitsmuster aus dem Cluster B bei Mädchen
vorhersagen. Dies galt jedoch nur für die Altersgruppe der 10- bis 14-Jähri-
gen. Bei Jungen und Mädchen in diesem Alter waren Symptome aus dem
Cluster B mit externalisierenden Störungen 2 Jahre später signifikant ver-
bunden. Solche geschlechtsspezifischen Entwicklungseffekte bedürfen zu-
künftiger systematischer Untersuchungen.

6.7 Therapieangebote im Kindes- und Jugendalter


Im Kindes- und Jugendalter gelten psychotherapeutische Verfahren als Me-
thode der Wahl zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. Da Kinder
und Jugendliche mit dysfunktionalen Persönlichkeitseigenschaften in einer
engen Wechselwirkung mit ihrer sozialen Umwelt stehen, muss der An-
griffspunkt der Therapie von einer reinen Fokussierung auf die Patienten
selbst auch auf deren familiäres und außerfamiliäres Umfeld dezentralisiert
werden.

6.7.1 Reduktion dysfunktionaler elterlicher Einflüsse


Insbesondere Kinder und Jugendliche, deren Eltern eine Achse-I-Störung
oder Persönlichkeitsstörungen haben, sind gefährdet, selbst dysfunktionale
Erlebnis- und Verhaltensweisen zu entwickeln. Ein wesentliches Therapie-
ziel ist daher die Reduktion negativer Entwicklungseinflüsse von Seiten
der Bezugspersonen. Das bedeutet, die Behandlung von depressiven oder
schizophrenen Störungen des entsprechenden Elternteils und/oder die Be-
handlung von Persönlichkeitsstörungen bei Mutter und/oder Vater. Da-
durch können eskalierende negative Entwicklungsschleifen von Seiten der
elterlichen Reaktion unterbrochen werden.

6.7.2 Verbesserung von positiven Beziehungsaspekten

Es gilt vor allem in jüngeren Lebensaltern bei Kindern, die Bindung zu den
wichtigen Bezugspersonen zu stabilisieren und zu stärken, den emotiona-
len Dialog zu verbessern und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen
Kinder mit dysfunktionalen Verhaltens- und Erlebnismustern trotz alledem
positive Beziehungserfahrungen in ihrem Umfeld machen können. Hierbei
ist nicht nur das familiäre Umfeld zu benennen, sondern auch der schuli-
sche Kontext und der Freundeskreis. Den Kindern und Jugendlichen soll
ermöglicht werden, freudvolle und befriedigende Interaktionen mit Er-
wachsenen und Gleichaltrigen erleben zu können, sich in sozialen Rollen
zu bewähren und erfolgsorientiert Aufgabenstellungen zu bewältigen.
6.7 Therapieangebote im Kindes- und Jugendalter z 155

6.7.3 Verbesserung der Selbstkontrolle in Aufmerksamkeit und Affekt

Alle verhaltensorientierten oder tiefenpsychologisch orientierten Therapie-


angebote zielen darauf ab, Emotionen besser bei sich und anderen zu er-
kennen, zu benennen und soweit regulieren zu können, dass die Emotio-
nen in der Interaktion kommunikativ eingesetzt werden können, ohne Kri-
sen und Konflikte heraufzubeschwören. Im Konzept der geteilten Aufmerk-
samkeit geht es darum, sich gemeinsam mit dem Therapeuten auf einen
Gegenstand, eine Situation oder ein Thema zu konzentrieren und „bei der
Sache zu bleiben“. Die Motivation für eine anhaltende Beschäftigung mit
Situationen und Themen soll gestärkt werden.

6.7.4 Verbesserung der Selbstreflexion und Mentalisierung

Jede Form verhaltensorientierter oder tiefenpsychologisch orientierter The-


rapie zielt darauf ab, bei Kindern und Jugendlichen mit dysfunktionalen
Erlebnissen und Verhaltensmustern die Selbstreflexion zu erhöhen und die
Fähigkeit herzustellen, im Vorstellungsraum interaktionelle Prozesse abzu-
bilden, zu beurteilen und somit soziale Konsequenzen des eigenen Verhal-
tens bereits im Fantasieraum vorwegzunehmen. Die Entwicklung von men-
talen Modellen der Beziehungsgestaltung soll im therapeutischen Rahmen
auf explizite und implizite Weise erfolgen können.

6.7.5 Stärkung von Selbstwert und Identität

Dieses wesentliche Ziel der therapeutischen Aktivitäten betrifft die Qualität


der Selbstfunktionen. Die Steuerung des Kohärenzgefühls der eigenen Per-
son über Zeit und unterschiedliche Interaktionen hinweg führt zu einem
stabilen Konzept des Selbstseins und einer gelingenden Abstimmung der
eigenen Idealvorstellungen mit dem aktuellen Selbstkonzept. Angemessene
Selbstbehauptung gelingt nur vor dem Hintergrund einer reflexiv immer
wieder erneuerbaren Identität und einem belastbaren Selbstwertgefühl.

6.7.6 Reduktion von Risikoverhalten

Die Eindämmung von selbstdestruktiven und beziehungsgefährdenden Ver-


haltensweisen stellt einen wesentlichen Teil therapeutischer Bemühungen dar.
Die Kontrolle von Drogenabusus, die Vermeidung delinquenter Verhaltens-
weisen und die Eindämmung von Automutilationen stellt eine unabdingbare
Voraussetzung für eine Verbesserung der Selbstfunktionen dar. Insgesamt
zielt die Therapie von Persönlichkeitsstörungen des Kindes- und Jugendalters
auf eine Unterbrechung dysfunktionaler Entwicklungszyklen und eine Positi-
vierung der einzelnen Persönlichkeitsdimensionen, um dem Kind oder Ju-
gendlichen möglichst hohe Entwicklungschancen zu gewähren.
156 z 6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

6.7.7 Evidenzbasierte Maßnahmen

Alle therapeutischen Interventionen zu Persönlichkeitsstörungen im Kin-


des- und Jugendalter besitzen den Charakter klinischer Evidenz und sind
erst derzeit Gegenstand systematischer Wirksamkeitsstudien (Evidenzgrad
IV). Im Bereich der dialektisch-behavioralen Therapie bei Jugendlichen mit
Borderline-Syndrom gibt es erste systematisch erhobene Ergebnisse von
klinischer Wirksamkeit bei Suizidalität und selbstverletzenden Verhaltens-
weisen (Fleischhaker et al. 2006, Rathus & Miller 2002). Bei Störungen des
Sozialverhaltens mit antisozialen Persönlichkeitszügen erscheint die Multi-
systemische Therapie viel versprechend (Timmons-Mitchell et al. 2006), die
die psychosoziale Prognose der Jugendlichen im Vergleich zu einer Stan-
dardbetreuung (treatment as usual) signifikant verbessern konnte. Ange-
sichts der Heterogenität der psychopathologischen Symptomatik als auch
der Sozialprognose unter Jugendlichen mit einer diagnostizierten Störung
des Sozialverhaltens erscheint eine Übertragung dieser Ergebnisse auf die
Wirksamkeit bei Persönlichkeitsstörungen allerdings verfrüht.

6.7.8 Spezifische Interventionen

Störungsspezifische Therapieziele bei jugendlichen Patienten sind grundsätz-


lich in denselben Domänen wie im Erwachsenenalter anzusetzen, müssen je-
doch je nach Entwicklungsalter auf die spezifischen Entwicklungsaufgaben
hin modifiziert werden (beispielsweise Verbesserung schulbezogener Anpas-
sung versus Verbesserung der Anpassung im Arbeitsumfeld). Auf die je spe-
zifischen Entwicklungsaufgaben bei Jungen und Mädchen in unterschiedli-
chen Altersstufen ist dabei zu verweisen. In Pilotstudien zur Dialektisch-be-
havioralen Therapie bei Adoleszenten (DBT-A) konnte an kleinen Patienten-
gruppen eine signifikante Wirksamkeit bei selbstverletzenden Verhaltenswei-
sen gefunden werden (Fleischhaker et al. 2006).

Interventionsempfehlungen bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen (Fleisch-


haker et al. 2006, Katz et al. 2004, Miller et al. 2002, Woodberry et al. 2002):
z Familieninterventionen (nach Miller et al. 2002, siehe Tabelle 6.2).
z Fertigkeitentraining in der Gruppe (nach Fleischhaker et al. 2006, Tabel-
le 6.3).
z Einzeltherapeutische Interventionen.
z Spezifische Interventionen bei Suizidalität (nach Miller 1999 siehe Tabel-
le 6.4).

Für schwere Störungen des Sozialverhaltens mit antisozialen Persönlich-


keitszügen liegt ein multidimensionales Therapiekonzept vor (Multisystem-
ic Therapy) (Timmons-Mitchell et al. 2006). Die Multisystemische Therapie
umfasst intensive Familienkontakte mit dem Ziel, die Verhaltensauffällig-
keiten der Jugendlichen in ihrer Funktionalität zu erfassen. Die Dauer des
Programms beträgt 3–5 Monate. Die Eltern werden in ihrer Erziehungsleis-
6.7 Therapieangebote im Kindes- und Jugendalter z 157

Tabelle 6.2. Familieninterventionen


Vorbehandlungsphase: Orientierung und Anteilnahme
z Validierung familiärer Erfahrungen
z Psychoedukation über die biopsychosoziale Theorie und über die geplanten Maßnahmen
z Abmachungen über Zeitrahmen und Rollenverteilung
Phase I: Sicherheit, Stabilität und Beziehung
z Krisenmanagement
z Regeln, die Sicherheit geben; Klärung der elterlichen Autorität; Hilfsangebote
z Verhaltensanalyse der einzelnen Familieninteraktionen, mit dem Ziel Problemverhaltens-
weisen zu erkennen
z Edukation über Kontingenzmanagement und spezifische Behandlungsstrategien
z Fertigkeitentraining
Phase II: Emotionale Aufarbeitung
z Exposition und Responseprävention für intensive Affekte und Trigger für Beziehungsprobleme
z Emotionale Aufarbeitung von familiären Traumen (z. B. Selbstmordversuche einzelner
Familienmitglieder, Trennungen, Missbrauch etc.)

Tabelle 6.3. Fertigkeitentraining


z Fertigkeiten/Modul Problemverhalten
z Achtsamkeit Konfusion über sich selbst
z Stresstoleranz Impulsivität
z Emotionsregulation Emotionale Instabilität
z Soziales Kompetenztraining Interpersonelle Probleme
z Der goldene Mittelweg Jugendlichen- und Familiendilemmata

Tabelle 6.4. Spezifische Interventionen bei Suizidalität


z Fertigkeitentraining (wie Tabelle 6.3)
z Veränderungsmotivation wird im therapeutischen Einzelkontakt erarbeitet. Suizidversuche
kennzeichnen die Unerträglichkeit aktueller Gelegenheiten
z Umsetzung der Fertigkeiten in den Alltag (Generalisierung). Eine Begleitung des Patienten
durch Angebote zur Kontaktaufnahme (z. B. Telefon) oder direkte Unterstützung im
Realkontext
z Unterstützung des Therapeuten im therapeutischen Team (Supervision, Intervention),
Konsultationsmöglichkeiten
z Strukturierte Interventionen im familiären und außerfamiliären (z. B. schulischen) Umfeld

tung unterstützt. Demgegenüber arbeiten die Therapeuten auch mit Be-


zugspersonen außerhalb der Familie (z. B. Lehrer, Leiter von religiösen
Gruppen) um das Umfeld der Jugendlichen so zu gestalten, dass prosoziale
Elemente wichtiger werden und delinquente Verhaltensweisen abnehmen.
158 z 6 Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen

6.8 Zusammenfassung und Ausblick


Für die Früherkennung und kompetente Diagnostizierung von maladap-
tiven Verhaltensweisen und dysfunktionalen Formen der Erlebnisverarbei-
tung ist es notwendig, Entwicklungsstörungen der Persönlichkeit auch be-
reits im Kindes- und Jugendalter festzustellen, um gezielte therapeutische
Interventionen rechtzeitig zu ermöglichen. Kindliche Temperamentsmerk-
male zeigen eine hohe Übereinstimmung mit Persönlichkeitszügen des Er-
wachsenenalters. Dysfunktionale Temperaments- und Persönlichkeitsmerk-
male erhöhen die Wahrscheinlichkeit von klinischen Syndromen im späte-
ren Lebensalter. Demgegenüber erhöhen psychische Störungen des Kindes-
und Jugendalters die Wahrscheinlichkeit von Persönlichkeitsstörungen im
Erwachsenenalter. Dies konnte für ADHD, Sozialverhaltensstörungen und
emotionale Störungen gezeigt werden. Therapeutische Angriffspunkte stel-
len nicht nur die Symptome der Patienten, sondern auch deren familiäres
und außerfamiliäres Umfeld dar. Störungsspezifische Therapieziele beim
Patienten sind grundsätzlich in denselben Domänen wie im Erwachsenen-
alter anzusetzen, müssen jedoch je nach Entwicklungsalter auf die spezifi-
schen Entwicklungsaufgaben hin modifiziert werden.
Die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugend-
alter bedarf weiterer intensiver Forschungsbemühungen. Da der Übergang
von normalen Persönlichkeitsvarianten in klinisch relevante Persönlich-
keitsstörungen fließend ist, erfüllen insbesondere Jugendliche die katego-
rialen Persönlichkeitsstörungsdiagnosen oft nur teilweise, wobei ihre dys-
funktionalen Persönlichkeitsmerkmale trotzdem von negativer Entwick-
lungsrelevanz sein können. Dimensionale diagnostische Modelle scheinen
daher im Kindes- und Jugendalter zur Erfassung der Übergänge von gesun-
den zu gestörten Persönlichkeitsmustern den kategorialen Klassifikations-
ansätzen überlegen. Neue Diagnostikansätze, die von typologischen Defini-
tionen ausgehen, sind in Erprobung.
Spezifische Interventionsansätze bei Persönlichkeitsstörungen im Kindes-
und Jugendalter bedürfen der empirischen Wirksamkeitsüberprüfung und
sind erst in Ansätzen für einzelne Persönlichkeitsstörungen entwickelt.
Hervorzuheben sind Interventionsformen bei Borderline-Persönlichkeits-
störungen, die sowohl Patienten als auch ihr familiäres Umfeld einbezie-
hen. Persönlichkeitsstörungen des Kindes- und Jugendalters stellen eine di-
agnostische und therapeutische Herausforderung dar, der sich Kinder- und
Jugendpsychiater, Psychologen und Kinder- und Jugendlichenpsychothera-
peuten intensiv widmen müssen.
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