3 - Die Dieselmotorische Verbrennung
3 - Die Dieselmotorische Verbrennung
3 - Die Dieselmotorische Verbrennung
3.1 Gemischbildung und Verbrennung Flammfaltung sind Strömungen des Gemisches, die durch
den Einlassvorgang und die Kompression, aber auch durch
3.1.1 Verfahrensmerkmale die Verbrennung selbst, verursacht werden. Um Selbst- oder
Frühzündung zu vermeiden, muss der Kraftstoff zündun-
Die im Kraftfahrzeug bevorzugt eingesetzten Antriebsma- willig (klopffest) sein und das Verdichtungsverhältnis wird
schinen basieren auf Verbrennungskraftmaschinen. Bei die- durch „klopfende“ Verbrennung oder Frühzündung
sen wird die in dem überwiegend aus Kohlenwasserstoffen begrenzt. Bei klopfender Verbrennung werden im gesamten,
bestehendem Kraftstoff gebundene chemische Energie durch von der Flamme noch nicht erreichten Gemisch, dem sog.
Oxidation mit dem in der Verbrennungsluft befindlichen „Endgas“, die Zündbedingungen erreicht. Das hoch kompri-
Sauerstoff in Wärme umgewandelt, diese wird wiederum an mierte und deshalb energiereiche Gemisch verbrennt ohne
das Arbeitsmedium der Maschine übertragen. Der Druck im kontrollierte Flammausbreitung nahezu zeitgleich. Dies
Arbeitsmedium steigt an und kann unter Ausnutzung der führt zu steilen Druckgradienten mit den charakteristischen
Expansion in eine Kolbenbewegung und damit in mecha- Druckschwingungen und bedingt lokal eine sehr hohe ther-
nische Arbeit umgewandelt werden. mische und mechanische Belastung der Bauteile. Längerer
Da das auch als Arbeitsgas bezeichnete Arbeitsmedium Betrieb bei klopfender Verbrennung führt zum Totalausfall
nach der Expansion ausgetauscht wird und die Verbrennung des Motors und muss deshalb unbedingt vermieden werden.
innerhalb des Arbeitsraumes der Verbrennungskraftma- Begrenzte Verdichtung, erforderliches Lastregelverfahren
schine stattfindet, spricht man von einer „offenen Prozess- (Quantitäts- oder Drosselregelung) sowie begrenzte Aufla-
führung mit innerer Verbrennung“ [3-1]. Dies gilt sowohl defähigkeit beeinträchtigen den Wirkungsgrad des Pro-
für den Ottomotor als auch für den Dieselmotor. Im Gegen- zesses mit äußerer Gemischbildung und Fremdzündung. Da
satz hierzu beschreibt man z. B. den Stirlingmotor als eine aber im Brennraum aufgrund des homogenen Betriebes bei
Maschine mit einer geschlossenen Prozessführung und λ = 1 keine Bereiche mit fettem Gemisch auftreten, hat
äußeren Verbrennung. dieses Verfahren keine kraftstoffbedingte Rußemission.
Beim konventionellen Ottomotor wird das Kraftstoff/ Moderne Ottomotoren arbeiten auch mit direkter Kraft-
Luft-Gemisch im Saugrohr gebildet. Während des Ansaug- stoffeinspritzung und können, je nach Einspritzzeitpunkt,
und Kompressionstaktes bildet sich ein überwiegend homo- ein homogenes oder inhomogenes Gemisch bilden. In die-
genes Gemisch, das durch eine Zündkerze entflammt wird. sen Fällen spricht man von „innerer Gemischbildung“, wie
Dieses Brennverfahren ist also gekennzeichnet durch „äuße- sie beim Dieselmotor Anwendung findet.
re Gemischbildung“, homogenes Gemisch und Fremdzün- Beim Dieselmotor wird kein Gemisch, sondern Luft ver-
dung. Die Energiefreisetzung erfolgt, beginnend an der dichtet. Der Kraftstoff wird kurz vor dem oberen Totpunkt
Zündkerze, mit der Ausbreitung der Flamme und ist deshalb in diese hoch verdichtete und damit heiße Verbrennungsluft
proportional zur Oberfläche der Flammfront. Die Flamm- eingespritzt. Die Gemischbildung läuft also in extrem kurzer
geschwindigkeit hängt vom Kraftstoff, der Gemischtempe- Zeit im Brennraum des Motors ab und die Zündung erfolgt,
ratur und dem Luft/Kraftstoffverhältnis ab. Die Brennge- ohne fremde Zündquelle, ausschließlich durch Übertragung
schwindigkeit wird zusätzlich von der Oberfläche der der Wärme von der komprimierten Luft an den Kraftstoff.
Flammfont beeinflusst. Diese nimmt infolge der durch Tur- Der Dieselmotor ist deshalb ein Motor mit „innerer
bulenzen im Gemisch bedingten „Flammfaltung“ mit der Gemischbildung“ und „Selbstzündung“. Zur Sicherstellung
Drehzahl des Motors zu. Wesentlicher Einflussfaktor auf die der Zündeinleitung müssen zündwillige Kraftstoffe verwen-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 69
det und die erforderlichen Temperaturen garantiert werden. (λ‑Gradienten) im Verbrennungsraum. Während im Kern
Letzteres erfolgt durch eine hohe Verdichtung (Verdich- des Kraftstoffstrahls nahezu kein Sauerstoff (λ ≈ 0) vorliegt,
tungsverhältnis 12 < ε < 21) und ggf. durch eine zusätzliche gibt es im Brennraum auch Bereiche mit reiner Luft (λ = ∞).
Lufterwärmung (z. B. Glühkerze). Zündprobleme können Während der Einspritzung liegen im Brennraum eines Die-
insbesondere beim Start des Motors auftreten. Infolge der selmotors, mehr oder weniger ausgeprägt, sämtliche Bereiche
niedrigen Startdrehzahl kommt es zu keinen Nachladeeffek- zwischen ∞ > λ > 0 vor. Eine völlige Luftausnutzung ist bei
ten im Saugsystem. Der sich in der Kompressionsphase heterogener Gemischbildung nahezu unmöglich. Die Zeit
befindende Kolben schiebt deshalb bereits angesaugte Luft für die Herstellung eines homogenen Gemisches und für
wieder in das Saugrohr zurück. Dieser Vorgang wird erst mit eine vollständige Oxidation ist hierfür viel zu kurz. Diesel-
dem Schließen der Einlassventile beendet. Die Verdichtung motoren arbeiten deshalb auch bei Volllast mit Luftüber-
kann also erst zu diesem späten Zeitpunkt beginnen, schuss von 5 bis 15 %. Langsam laufende Großdieselmo-
wodurch das effektive Verdichtungsverhältnis und damit die toren müssen aus Gründen der thermischen Bauteilbelas
Kompressionstemperatur stark abgesenkt werden. Beim tung mit noch größerem Luftüberschuss betrieben werden.
Kaltstart verstärkt sich das Startproblem durch einen erhöh- Dies hat Auswirkungen auf evtl. erforderliche Abgasnach-
ten Wärmeabfluss vom Arbeitsgas Luft an die kalten Brenn- behandlungssysteme. Da im Abgas stets eine „oxidierende“
raumwände. Atmosphäre vorliegt, kann der beim Ottomotor homogen,
Beim Dieselmotor wird die Energieumsetzung durch die bei λ = 1,0 betriebene, erfolgreiche TWC (Three Way Cata-
Einspritzrate und die Geschwindigkeit der Gemischbildung lyst) nicht eingesetzt werden.
beeinflusst. Aufgrund der heterogenen Gemischbildung gibt Der Luft/Kraftstoff-Gradient ist neben den Unterschie-
es keine typische Flammausbreitung wie beim Ottomotor. den in der Gemischqualität auch für lokale Temperaturun-
Die Gefahr einer „klopfenden Verbrennung“ ist somit nicht terschiede im Brennraum verantwortlich. Die höchsten
gegeben. Deshalb können beim Dieselmotor hohe Verdich- Temperaturen treten außerhalb des Kraftstoffstrahles in
tungsverhältnisse und Ladedrücke dargestellt werden. Bereichen ∞ > λ, die niedrigsten im Strahlkern λ ≈ 0 auf.
Beides kommt dem Wirkungsgrad, aber auch dem Drehmo- Wie Bild 3-1 zeigt, entstehen in Bereichen mit Luftüber-
mentverlauf des Motors zugute. Die Grenze von Verdich- schuss und hohen Temperaturen Stickstoffoxide. In der
tung und Ladedruck ist also nicht – wie beim Ottomotor – mageren Flammaußenzone sind die Verbrennungstempera-
durch „klopfende Verbrennung“, sondern durch den maxi- turen so niedrig, dass keine vollständige Oxidation des
mal zulässigen Zylinderdruck vorgegeben. Moderne Diesel-
motoren arbeiten deshalb in Bereichen von etwa 160 bis
180 bar bei Pkw- und 210 bis 230 bar bei Nfz-Motoren. Der
oben angegebene, niedere Bereich des Verdichtungsverhält-
nisses trifft für hoch aufgeladene Großdieselmotoren zu.
Aufgrund der inneren Gemischbildung wird die Drehzahl
des Dieselmotors durch die zur Verdampfung des Kraft-
stoffes und zur Gemischbildung erforderliche Zeit begrenzt.
Selbst schnelllaufende Pkw Dieselmotoren arbeiten deshalb
selten mit Drehzahlen über 4800 min-1. Dadurch bedingte
Nachteile in der Leistungsdichte können durch die besonde-
re Eignung zur Aufladung kompensiert werden.
Wird der Kraftstoff in eine als „Wirbelkammer“ oder
„Vorkammer“ bezeichnete Nebenkammer des Hauptbrenn-
raumes – eingespritzt, spricht man von einer „indirekten
Kraftstoffeinspritzung“. Diese wurde früher zur besseren
Gemischbildung und Erfassung der Brennraumluft im
Hauptraum sowie zur Beherrschung des Verbrennungsge-
räusches eingesetzt. Bei modernen Diesel-Brennverfahren,
den sog. Direkteinspritzern, wird der Kraftstoff direkt in den
Hauptbrennraum eingespritzt.
Die innere Gemischbildung und die damit verbundene Bild 3-1 Entstehungsbereiche der Schadstoffe im Brennraum bei hetero‑
späte Einspritzung des Kraftstoffes in den Brennraum genem Gemisch
führen zu einem deutlichen Luft/Kraftstoff-Gradienten
70 3 Die dieselmotorische Verbrennung
Kraftstoffes stattfinden kann. Hier ist die Quelle für unver- nung ergibt allerdings sehr hohe Füllungsverluste, führt zu
brannte Kohlenwasserstoffe. In Luftmangelbereichen im einem überproportionalen Drallanstieg über der Motor-
Strahlkern werden Rußpartikel, und als deren Vorläufer drehzahl und ist extrem kritisch gegenüber Fertigungstole-
Kohlenmonoxid, gebildet. Da sich beim heterogenen ranzen.
Gemisch die Rußbildung infolge fetter Gemischbereiche Diesbezüglich besser geeignet sind Spiralkanäle, bei
nicht vermeiden lässt, zielen moderne Dieselverfahren auf denen die Luft bereits im Kanal in eine Spiralbewegung
die innermotorische Partikeloxidation. Diese kann durch versetzt wird (Bild 3-2). Dadurch ist eine nahezu lineare
Erhaltung bzw. Erzeugung hoher Turbulenz während des Steigerung des Drallniveaus über der Motordrehzahl und
Expansionstaktes wesentlich verbessert werden. Bei moder- damit ein konstantes Verhältnis Dralldrehzahl / Motordreh-
nen Dieselverfahren werden deshalb bis zu 95% der entstan- zahl (nDrall /nMot) möglich sowie ein guter Kompromiss zwi-
denen Partikel innermotorisch wieder verbrannt. schen erforderlichem Drallniveau und akzeptablem Liefer-
Die innere Gemischbildung, verbunden mit der hohen gradverlust darstellbar.
Verdichtung und dem Lastregelverfahren (Qualitätsrege- Durch eine einseitige Anfasung des Ventilsitzringes kann
lung), sind Grundlage für den sehr guten Gesamtwirkungs- der Luftaustritt in Drallrichtung begünstigt und eine Drall-
grad des Dieselmotors. anhebung im unteren Ventilhubbereich erzielt werden.
Diese Maßnahme kann in Kombination mit den Ventilsteuer-
3.1.2 Gemischbildung zeiten auch geschickt zu einer Drallabsenkung über der
Motordrehzahl genutzt werden.
Haupteinflussgrößen Schirmventile – eine weitere Methode zur Drallerzeu-
gung – müssen fixiert eingebaut werden und sind somit aus
Neben der durch die Brennraumauslegung und die Einlass-
Verschleißgründen keine serientaugliche Methode zu Drall-
kanalgestaltung formbaren Luftbewegung im Brennraum
erzeugung, eignen sich aber bestens für grundsätzliche
(squish oder Quetschströmung und Luftdrall), wird die Ge-
Untersuchungen.
mischbildung bei direkter Einbringung wesentlich von der
Da ein mittels der Kanalgeometrie erzeugter Luftdrall mit
Einspritzung dominiert. Das Einspritzsystem hat dabei die
steigender Motordrehzahl schneller dreht, werden auch die
folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erzeugung des erforder-
pro Grad Kurbelwinkel überwehten Luftsegmente größer.
lichen Einspritzdruckes, Darstellung der Kraftstoffdosierung
Dieser selbst regelnde Effekt, der mit der Drehzahl die
[3-2], Sicherstellung der Strahlausbreitung, Garantie eines
Gemischbildung schneller macht, kann allerdings nur dann
schnellen Strahlzerfalles, der Tropfenbildung sowie der Ver-
genutzt werden, wenn sich auch die Spritzdauer in gleicher
mischung des Kraftstoffes mit der Verbrennungsluft, siehe
auch Kapitel 5.
Luftdrall
Der Luftdrall ist eine im Wesentlichen um die Zylinderachse
„rotierende Festkörperströmung“, deren Drehgeschwindig-
keit durch die Einlasskanalauslegung geformt werden kann
und die aufgrund der zunehmenden Kolbengeschwindigkeit
mit der Motordrehzahl ansteigt. Eine wesentliche Aufgabe
des Luftdralls ist es, den kompakten Kraftstoffstrahl aufzu-
reißen und die zwischen den Kraftstoffstrahlen liegenden
Luftsektoren mit dem Kraftstoff zu vermischen. Damit wird
schon deutlich, dass der Drallbedarf mit zunehmender Dü-
senlochzahl abnimmt. Dies ist von Vorteil, weil ansteigendes
Drallniveau zu erhöhten Wandwärmeverlusten führt und die
Drallerzeugung mit Füllungsverlusten erkauft werden muss.
Füllungsverluste können zwar durch die Aufladung kom-
pensiert werden, die negativen Auswirkungen der Draller-
zeugung auf den Gaswechselwirkungsgrad und damit auf
den Kraftstoffverbrauch bleiben allerdings bestehen. Bild 3-2 Drallgestaltung mittels eines als Spiralkanal ausgeführten Einlass-
Recht einfach kann der Drall durch tangentiales Einströ- kanals
men der Luft in den Zylinder erzeugt werden. Diese Anord-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 71
Weise verhält. Ist die in ° KW definierte Spritzdauer (z. B. ventils (Einlasskanalabschaltung EKAS) im unteren Dreh-
bei Volllast) über der Drehzahl konstant, ist eine optimale zahlbereich der Drall angehoben und damit auf die in die-
Abstimmung von Drall und Spritzdauer im gesamten Dreh- sem Bereich üblicherweise kurze Spritzdauer angepasst
zahlbereich des Motors möglich. Nimmt allerdings die werden. Eine stufenlose Klappenverstellung erlaubt sogar
Spritzdauer (in ° KW) über der Drehzahl zu, ist der Drall im das Drallniveau in Abhängigkeit vom Öffnungswinkel für
unteren Drehzahlbereich zu niedrig und die Luftausnutzung jeden Kennfeldpunkt anzupassen (Bild 3-3). Optimal ist dies
unbefriedigend oder er ist im oberen Drehzahlbereich zu allerdings nicht, weil die Gemischbildung im unteren Dreh-
hoch und es kommt zu Überwehungen der einzelnen Strahl- zahlbereich beschleunigt und im oberen Drehzahlbereich
bereiche. Beides reduziert den erreichbaren Mitteldruck des Motors verlangsamt wird.
und führt zu erhöhten Emissionen. Bei allen Einspritz- Flexible Einspritzsysteme können dem Zielkonflikt Drall/
systemen, die mit konstantem Düsenlochdurchmesser Spritzdauer auch nur begrenzt über eine Anpassung des
arbeiten – und das sind heute alle serienmäßigen Systeme Einspritzdruckes begegnen. Diese Maßnahme würde eine
– tritt dieses Problem auf. Ein hohes Drehzahlverhältnis Absenkung des Druckes im unteren Drehzahlbereich bedin-
(nmax/nmin) und/oder ein großes Mengenverhältnis Volllast- gen. Die optimale Lösung wäre eine Düse mit variablem, mit
menge zu Leerlaufmenge erschweren die Motorauslegung. der Drehzahl ansteigendem Durchflussquerschnitt.
Mit einem im Kennfeld variablen Einspritzdruck oder durch
Einsatz sog. Registerdüsen versucht man diese Problematik Quetschströmung
zu lösen.
Obwohl die Drehzahl des Dralles über der Motordrehzahl Während des Kompressionshubes wird die Luft zunehmend
genau das Richtige tut und zumindest beim Spiralkanal das in die Kolbenmulde gequetscht wodurch der Luftdrall erhöht
Drehzahlverhältnis Drall/Motor konstant ist, versucht man wird. Je kleiner die Kolbenmulde desto höher wird der
mangels geeigneter Ansatzpunkte beim Einspritzsystem, Drall.
den Drall zu verstimmen und auf das „Fehlverhalten“ des Der beschriebene, durch die Einlassströmung in den
Einspritzsystems anzupassen. Bei Motoren mit zwei oder Zylinder bzw. in die Brennraummulde erzeugte Luftdrall
mehr Einlassventilen kann durch Abschalten eines Einlass- wird mit Annäherung des Kolbens an den oberen Totpunkt
zunehmend von einer Quetschströmung überlagert. Diese
entsteht dadurch, dass die zwischen Kolbenboden und
Zylinderkopf befindliche Luft in die Kolbenmulde verdrängt
wird (Bild 3-4).
Diese Quetschströmung wirkt der Ausbreitung des Kraft-
stoffstrahles entgegen und unterstützt somit den für die
Gemischbildung wichtigen Impulsaustausch zwischen
Brennraumluft und Einspritzstrahl.
Mit Beginn des Expansionstaktes dreht sich die Strö-
mungsrichtung um. Durch entsprechende Gestaltung der
Muldengeometrie, insbesondere des Muldenrandes, lässt
sich eine hochturbulente Strömung im Kolbenspalt erzeu-
gen, welche die Gemischbildung unterstützt und die Ver-
brennung beschleunigt.
ßen als auch des Volumenanteils von Dampf und Gas lassen chen Strahlsäule und der pro Zeiteinheit gebildeten Energie
sich Größe und Anzahl der Kavitationsblasen ermitteln. Kavi- der freien Oberfläche.
tationsblasen im Spritzloch der Düse beeinflussen sowohl den
Strahlzerfall, die Strahlausbreitung und die Tropfenbildung Sekundärzerfall
wie auch die Belagsbildung im Loch und die Haltbarkeit der
Düse. Die Aufbrechphänomene des Einspritzstrahles in Dü- Durch den Sekundärzerfall erfolgt die eigentliche „Atomisie-
sennähe sind in Bild 3-5 dargestellt. rung“ des Einspritzstrahles aus den groben Ligamenten über
Kraftstofftemperatur und -zusammensetzung bestimmen Zerwellung in mittelfeine Tropfen sowie Zerstäubung zu mik
die Eigenschaft Flüchtigkeit und spielen eine zentrale Rolle rofeinen Tröpfchen. Das Entstehen letzterer ist zur schnellen
beim Strahlzerfall, da die Bildung von Kavitationskeimen Aufheizung und Verdampfung – und damit zur Verkürzung
durch Ausgasen der im Kraftstoff gelösten Gase infolge des physikalischen Zündverzuges – erforderlich. Bei der Se-
lokaler Unterschreitung des Sättigungsdampfdruckes beein- kundärzerstäubung spielen die aerodynamischen Kräfte die
flusst wird [3-7]. entscheidende Rolle. Einspritzdruck, Einspritzdruckverlauf,
Im Nahbereich der Düse beobachtet man zunächst einen Strahlkegelwinkel und Luftdichte sind dabei wesentliche
kompakten, flüssigen Strahlkern. Bereits in einer Entfer- Einflussparameter.
nung des 5- bis 10-fachen des Düsenlochdurchmessers vom Beim Sekundärzerfall hat man zwei gleichzeitig ablaufen-
Düsenaustritt ist er jedoch einem starken Zerfall durch Luft- de Effekte zu beachten:
und Kraftstoffdampfblasen unterworfen. Tropfengröße und a) die Verformung der durch die Reibungskräfte abgebrems–
Tropfenverteilung werden durch das Verhältnis der aerody- ten Primärtropfen infolge der höheren Trägheit des
namischen Kräfte zu den Oberflächenkräften, also durch die Strahlkerns gegenüber dem Strahlrand und
Weberzahl b) das Abscheren von Tröpfchen im μm‑Bereich infolge des
an den Flanken zerwellenden Strahlrandes.
beschrieben. Dabei bedeuten ρK die Kraftstoffdichte, νinj die Auch hier ist die oben definierte Kenngröße, die Weberzahl,
Strahlgeschwindigkeit am Düsenloch, d Düsenlochdurch- eine charakteristische Größe, die mit der Dichte der den
messer und σ die Oberflächenspannung. Die Weberzahl Strahl umgebenden Luft ermittelt wird.
kennzeichnet das Verhältnis der pro Zeiteinheit aus dem Dü- Ein über der Einspritzdauer ansteigender Druck am
senloch austretenden kinetischen Energie der kontinuierli- Düsenloch begünstigt den Impulsaustausch zwischen
74 3 Die dieselmotorische Verbrennung
Brennraumluft und Kraftstoffstrahl und ist deshalb für Hülle der Tropfenoberfläche, dem Oberflächenfilm, Tempe-
einen raschen Zerfall des Strahles förderlich. raturen erreicht, die zu einer merklichen Verdampfung
Mit steigendem Einspritzdruck gelangt nicht nur mehr führen. In der auf diese Weise entstehenden Diffusions-
Luft in den Strahl, sondern die Tropfendurchmesser werden bzw. Reaktionszone ist das Luft/Kraftstoff-Gemisch zünd-
auch kleiner. Der statistische mittlere Tropfendurchmes- fähig, sobald das Luftverhältnis O in einem Bereich zwischen
ser d32 nach Sauter (Sauter Mean Diameter) ist eine Funk- 0,3 < O < 1,5 liegt (Bild 3-7).
tion der oben beschriebenen Weberzahl, der Reynoldszahl
und des Düsenlochdurchmessers bzw. des Druckgefälles am 3.1.3 Zündung und Zündverzug
Düsenaustritt 'p, der Kraftstoffdichte UK, der Luftdichte UL
sowie der Kraftstoffviskosität νK. Das Zündverhalten des in die komprimierte und deshalb
heiße Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffes hängt von
der Reaktionsgeschwindigkeit zur Bildung von Zündradi-
kalen infolge thermischer Anregung der Moleküle ab. Die
Selbstzündungsbedingungen werden sowohl durch die ther-
Kraftstoffverdampfung modynamischen Zustände im Brennraum, also Druck und
lokale Temperaturen, als auch durch die lokale Dampfkon-
Damit in dem so gebildeten heterogenen Gemisch aus Luft zentration, die abhängig von den zuvor beschriebenen Auf-
und flüssigen Kraftstofftröpfchen unterschiedlicher Größe heizungs- und Diffusionsprozessen im Anschluss an den
und Verteilung chemische Reaktionen ablaufen können, Sekundärzerfall ist, bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt na-
muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. türlich der Kraftstoff selbst. Mit der Cetanzahl CZ wird die
Dem Wärmetransport der durch die Kompression Zündwilligkeit desselben beschrieben. Dem sehr zündwil-
erhitzten Luft zum flüssigen Kraftstoff kommt dabei eine ligen n-Hexadekan (Cetan) wird dabei die Kennzahl 100,
entscheidende Bedeutung zu. Dieser Prozess wird wesent- dem zündträgen Methylnaphthalin die Kennzahl 0 zugeord-
lich durch die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles – net. Je höher die Cetanzahl, umso zündwilliger verhält sich
und damit wiederum durch den Einspritzdruck – beein- der Kraftstoff. Zur Einhaltung der sehr strengen Abgas- und
flusst (Bild 3-6). Sowohl die Schaffung freier Tropfenober- Geräuschvorschriften sind Cetanzahlen CZ > 50 wünschens-
flächen als auch Stofftransport und Wärmeübergang werden wert (s. Kap. 4).
durch eine hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen Hinsichtlich des Wirkungsgrades, der Schadstoffemis-
und Umgebung begünstigt. Je feiner die Zerstäubung der sion, des Verbrennungsgeräusches und der Bauteilbelas-
Tropfen und je höher die Relativgeschwindigkeit der disper- tung kommt dem zeitlichen Abstand zwischen Einspritzbe-
sen Kraftstoffphase und der kontinuierlichen Phase der ginn und Zündbeginn entscheidende Bedeutung zu. Der
Brennraumladung ist, um so eher werden in der äußeren Zeitraum zwischen diesen beiden Ereignissen, üblicherwei-
Bild 3-6 Aufbereitung eines Kraftstofftropfens bei niedriger (links) und ho- Bild 3-7 Schematische Darstellung des Luft/Kraftstoff-Verhältnisses in Ab-
her (rechts) Anströmgeschwindigkeit hängigkeit von der Entfernung zum Kraftstofftropfen
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 75
se aus Düsennadelhub und Brennraumdruckindizierung trag) des Einspritzstrahles. In diesem Bereich der Diffu-
ermittelt, wird als Zündverzug bezeichnet und ist ein sionszone treten deutlich geringere O-Gradienten, d. h.
wesentliches Merkmal der dieselmotorischen Verbrennung geringere Inhomogenitäten der Gemischzusammensetzung
(Bild 3-8). als auf der Luv-Seite oder an der Strahlspitze auf. Dadurch
Beim Zündverzug wird zwischen einem physikalisch und sind hier auch höhere Temperaturen als in Zonen mit
einem chemisch bedingten Anteil unterschieden. Der physi- hohem O-Gradienten möglich. Eine Zündung im Nahbe-
kalische Zündverzug umfasst die oben beschriebenen Vor- reich der Einspritzdüse ist deshalb nicht möglich, weil hier,
gänge des primären und sekundären Strahlzerfalls, die Ver- wie oben beschrieben, ein kompakter Kraftstoffstrahl vor-
dampfung des Kraftstoffes sowie die Abläufe zur Erzeugung herrscht.
eines reaktionsfähigen Luft/Kraftstoffgemisches. Der che-
mische Zündverzug beschreibt jene Zeitspanne, in der sich 3.1.4 Verbrennung und Brennverlauf
in einer Vorreaktion die Zündradikale (z. B. OH) bilden.
Moderne, hoch aufgeladene Dieselmotoren, die mit Ein- Ein wesentliches Merkmal des Dieselmotors besteht darin,
spritzdrücken bis 2000 bar arbeiten, weisen Zündverzüge dass die Verbrennung und damit die Energieumsetzung
zwischen 0,3 und 0,8 Millisekunden auf. Bei Saugmotoren durch den Zeitpunkt und die Art der Kraftstoffeinbringung in
mit entsprechend niedrigeren Einspritzdrücken liegt er zwi- den Brennraum (rate shaping) gesteuert werden kann. Dies
schen 1 und 1,5 Millisekunden. wirkt sich vorteilhaft auf den Wirkungsgrad aus, ist aber auch
In die komplexe Berechnung des Zündverzuges gehen für den Zielkonflikt zwischen Partikelemission (Particulate
neben der Cetanzahl auch Größen ein, welche die Tempera- Matter PM) und Stickstoffoxid (NOX) einerseits sowie Kraft-
tur bei Spritzbeginn (Verdichtungsverhältnis, Ansaugluft- stoffverbrauch und NOX andererseits, verantwortlich. Der
temperatur, Einspritzeitpunkt) sowie den Zustand der Luft Brennverlauf kann um so mehr durch die Einspritzrate ge-
im Zylinder (Ladedruck, Luftdrall, Quetschströmung, Kol- formt werden, je weniger Kraftstoff in flüssiger Form auf die
bengeschwindigkeit) beschreiben. Brennraumwände gelangt und je besser es gelingt, den flüs-
Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche empirische Formeln sigen Kraftstoff in der Verbrennungsluft zu halten und ent-
zur Beschreibung des Zündverzuges entwickelt [3-8 bis sprechend schnell zu verdampfen. Dabei spielen Strahlein-
3-10]. dringgeschwindigkeit und Verdampfungsgeschwindigkeit
Das erste Zünden des aufbereiteten Kraftstoffes ereignet eine wichtige Rolle. Mit elektronisch betätigten Steuerele-
sich üblicherweise am Strahlrand im Lee (niedriger Luftein- menten evtl. noch kombiniert mit Speichereinspritzsystemen
Bild 3-8
Zündverzug bei einem Dieselmotor mit Direkt-
einspritzung. 1 Förderbeginn, 2 Einspritzbeginn,
3 Zündbeginn, 4 Einspritzende, 5 Zündverzug
76 3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-10
Brennverlauf und Verbren‑
nungsgeräusch mit und ohne
Voreinspritzung [3‑12]
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 77
tilen. Da der Spalt zwischen Zylinderkopf und Kolben eingesetzt oder auch mit einem Füllungskanal kombiniert
möglichst klein gehalten wird (< 1 mm), wird der Brenn- werden.
raum von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung nahezu Die Gestaltung der Kolbenmulde ist immer in Kombina-
ausschließlich durch eine im Kolben befindliche Mulde tion mit der Auslegung der Einspritzdüse sowie der Dreh-
gestaltet. Die der Kraftstoffverbrennung zur Verfügung zahlspanne des Motors zu sehen. Dabei ist zu vermeiden,
stehende Luft ist also im Bereich des oberen Totpunktes dass flüssiger Kraftstoff auf den Boden der Mulde gelangt.
überwiegend (80 bis 85%) in der Kolbenmulde konzent- Motoren mit einer großen Drehzahlspanne arbeiten deshalb
riert. Während der Kompression entsteht eine gerichtete eher mit engen und tiefen Kolbenmulden (b bis d in
Quetschströmung in die Mulde sowie nach Zündeinleitung Bild 3-13). Mit einer sehr stark eingezogenen Mulde wird
und während der Expansion eine turbulente Strömung eine hoch turbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugt.
zurück in den Kolbenspalt. Beide Strömungen können Dadurch wird die Diffusionsverbrennung beschleunigt und
durch Ausgestaltung der Kolbenmulde, insbesondere des die Brenndauer verkürzt. Die thermisch-mechanische Belas-
Muldenrandes, beeinflusst werden. Sie unterstützen die tung des Muldenrandes setzt dieser Maßnahme Grenzen.
Vermischung von Luft und Kraftstoff wesentlich. Mit „ein- Drallarme Nfz-Motoren weisen meist weite und flache Kol-
gezogenen“ Mulden kann der Effekt verstärkt werden. Die benmulden auf (a in Bild 3-13).
Ränder dieser Kolbenmulden sind aber mechanisch und
thermisch sehr hoch belastet. 3.2.2 Anordnung der Einspritzdüse
Eine weitere Möglichkeit die Gemischbildung zu unter-
stützen, ist durch den sog. Luftdrall gegeben. Diese überwie- Die Einspritzdüse hat wesentlichen Einfluss auf Strahlzerfall,
gend um die Zylinderachse drehende, als Festkörperrotation Tropfenbildung und Erfassung der Verbrennungsluft durch
der Verbrennungsluft zu beschreibende Strömung, wird den Einspritzstrahl. Die Zweiventiltechnik bedingt durch die
durch die Einlasskanalgestaltung, den Muldendurchmesser Anordnung der Gaswechselventile eine bzgl. des Zylinders
und den Hub des Motors beeinflusst und dient zur Erfas- und der Kolbenmulde außermittige Lage der Einspritzdüse.
sung der zwischen den Einspritzstrahlen liegenden Luftsek- Im Hinblick auf eine optimale Lufterfassung sollten die ex-
toren. Mit zunehmender Düsenlochzahl kann damit das zentrisch angeordneten Düsen mit unterschiedlichen Loch-
erforderliche Drallniveau abgesenkt werden. Langhubige durchmessern und am Umfang unsymmetrischer Lochver-
Motoren arbeiten mit höherer Kolbengeschwindigkeit, teilung ausgeführt werden. Aus Kosten- und Fertigungs-
damit mit höherer Einströmgeschwindigkeit und kommen gründen wird darauf allerdings üblicherweise verzichtet. Da
deshalb mit einem niedrigeren Drallniveau der Einlasskanä- die Kraftstoffstrahlen ferner in gleicher Höhe auf die Mul-
le aus. Mulden mit kleinem Durchmesser erhöhen den denwand auftreffen sollen, sind die Löcher in einem bzgl.
durch die Kanäle erzeugten Drall ebenso. Düsenachse unterschiedlichen Winkel anzuordnen, d. h. die
Die Drall erzeugenden Einlasskanäle von Direkteinsprit- Lochkegelachse weicht von der Düsenachse ab. Dadurch
zern sind als Spiralkanäle oder Tangentenkanäle ausge- werden die Strömungsverhältnisse in der Düse enorm beein-
führt. Bei der Vierventiltechnik können beide Varianten trächtigt und trotz großer Anstrengungen im Bereich
Düsenauslegung und Düsenfertigung sind die Eigenschaften stoffoxide zu vermeiden, können sie wirkungsvoll erst durch
der einzelnen Strahlen sehr unterschiedlich. eine Abgasnachbehandlung reduziert werden. Dabei ist zu
Der Einsatz der Vierventiltechnik ermöglicht eine bzgl. beachten, dass aufgrund des stets herrschenden Luftüber-
des Zylinders mittige Anordnung der Düse und damit sym- schusses die vom Ottomotor bekannte und bewährte Tech-
metrische Verhältnisse für die Kraftstoffstrahlen, was der nologie des Dreiwege-Katalysators nicht einsetzbar ist.
Gemischbildung und damit den charakteristischen Motor- Da das nach dem Zeldovich-Mechanismus – auch ther-
kennwerten Verbrauch, Verbrennungsgeräusch und Emissi- mischer NO-Mechanismus genannt – entstehende Stick-
onen zugute kommt und eine Optimierung der teilweise stoffmonoxid sehr schnell gebildet wird („Prompt NO“) und
gegenläufigen Einflüsse erleichtert. bei heterogener Gemischbildung die für eine NO-Bildung
Düsenüberstand und Lochkegelwinkel bestimmen zusam- günstigen, lokal vorherrschenden O-Zonen nicht vermieden
men mit dem Einspritzzeitpunkt und der Strahlgeschwin- werden können, bietet die Absenkung der Verbrennungstem-
digkeit den Auftreffpunkt der Kraftstoffstrahlen auf den peratur einen technisch wirkungsvollen Lösungsansatz zur
Muldenrand (Bild 3-14). Dieser Auftreffpunkt sollte mög- Verringerung der NO-Bildung.
lichst hoch liegen. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, Die bekannteste Methode zur Temperaturabsenkung ist
dass eine evtl. vorliegende Quetschströmung den Auftreff- die beim Pkw-Dieselmotor seit längerem eingesetzte Abgas-
punkt drehzahlabhängig beeinflusst und dass die zuneh- rückführung (AGR). Im Wesentlichen wirkt sich dabei die
mende Luftdichte die Strahlausbreitung behindert. Bild 3-15 erhöhte Wärmekapazität der inerten Verbrennungsprodukte
zeigt die Möglichkeit einer zentralen Düsenanordnung bei Wasserdampf und Kohlendioxid auf die lokale Temperatur
4-Ventiltechnik, sowie die Anordnung einer als Kaltstarthil- aus. Die gekühlte AGR ist besonders effektiv und vermin-
fe erforderlichen Glühkerze. dert die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffver-
brauch, belastet aber den Wärmehaushalt des Fahrzeugküh-
3.2.3 Abgasrückführung, Verbrennungs-
temperatursenkung
Wie in Abschn. 3.1.1.5 gezeigt, wird das erst einmal gebildete,
sehr reaktionsträge Stickstoffmonoxid in der Expansions-
phase kaum rückgebildet. Auch das zusätzliche Einbringen
von Wasserstoff, Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen
ist wenig effektiv. Gelingt es nicht, die Entstehung der Stick-
Bild 3-14 Strahlausbreitung und deren Einflussfaktoren [3-13] Bild 3-15 Anordnung einer zentralen Einspritzdüse bei 4-Ventiltechnik
3.2 Konstruktive Merkmale 81
lers. In manchen Lastbereichen kann deshalb die mögliche Schluss“ wird ein Teil des Ansaugtaktes zur Expansion der
AGR-Rate durch die Kühlleistung des Fahrzeugkühlers angesaugten Luft verwendet, wodurch deren Temperatur
begrenzt werden. Die Kühler sind aufgrund der aggressiven abgesenkt wird und die Verbrennung auf niedrigerem Tem-
Abgase aus Edelstahl auszuführen. Aufgeladene Dieselmo- peraturniveau abläuft. Diese Technik wird vor allem für den
toren bieten sich für die AGR besonders an, da der Abgas- Einsatz bei Großdieselmotoren untersucht. Im Teillastbe-
transport vom Abgasstrang in den Ansaugtrakt erleichtert reich ist diese Technologie durchaus zielführend, zumal
wird. Wird das Abgas vor der Turbine entnommen und auch noch das λ abgesenkt wird. Ein Nachteil dieses Kon-
nach Ladeluftkühler der Luft zugeführt, spricht man von zeptes ist, dass durch den frühen „Einlass-Schluss“ der Lie-
einer „hochdruckseitigen AGR“ (short way EGR). Bei der fergrad und damit die Leistung beeinträchtigt wird. Dies
„niederdruckseitigen AGR“ wird das Abgas nach der Turbi- muss dann durch laderseitige Maßnahmen kompensiert
ne bzw. nach dem Dieselpartikelfilter (DPF) entnommen werden.
und vor dem Verdichter der Ansaugluft zugeführt (long way Die Einspritzung von Wasser ist ebenso ein Mittel zur
EGR). Diese Anordnung belastet Verdichter und Ladeluft- Absenkung der Verbrennungstemperatur. Dabei zeigt die
kühler, ist hinsichtlich des Wirkungsgrades ungünstiger, hat Wassereinbringung in das Saugrohr den geringsten Effekt
aber Vorteile bezüglich der Vermischung des Abgases mit und hat außerdem den Nachteil einer Ölverdünnung. Besser
der Verbrennungsluft sowie hinsichtlich der Gleichvertei- geeignet ist die Wassereinspritzung in den Brennraum über
lung auf die Zylinder. In allen Fällen wird die Rückführrate eine separate Düse, wobei deren Kühlung nicht unproble-
über ein pneumatisch, hydraulisch oder elektromagnetisch matisch ist. Die effektivste, aber auch aufwendigste Methode
betätigtes AGR-Ventil geregelt. Da durch das zugeführte ist mit einer „Zweistoffdüse“ gegeben. Hier wird während
Abgas üblicherweise Anteile der Verbrennungsluft ersetzt der Spritzpause über eine Dosierpumpe Wasser in die Ein-
werden, spricht man von einer „replaced EGR“. Bei dieser spritzdüse eingelagert. Dabei wird das Wasser so platziert,
Art der AGR wird also das Luft/Kraftstoffverhältnis verrin- dass zunächst Dieselkraftstoff, dann Wasser und schließlich
gert. Soll trotz AGR das Luft/Kraftstoffverhältnis konstant wieder Diesel in den Brennraum eingebracht werden kann.
gehalten werden, bedingt dies einen erhöhten Ladedruck. In Dies hat den großen Vorteil, dass Zündverzug und Brenn
diesem Fall spricht man von einer „additional EGR“. ende nicht verlängert werden und das Wasser zum richtigen
Turbolader mit einer variablen Turbinengeometrie eignen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zur Temperaturabsenkung
sich besonders für die AGR, da in weiten Lastbereichen das zur Verfügung steht.
zum Abgastransport erforderliche Druckgefälle eingestellt In dieser Hinsicht weniger geeignet ist die Wassereinbrin-
werden kann und sogar eine „additional EGR“ möglich ist. gung in Form einer Diesel-/Wasseremulsion. In allen Fällen
Für den AGR-Transport ist es notwendig erheblich aufzu- ist jedoch die Bereitstellung des Wassers problematisch.
stauen, womit der Druck in der Turbine häufig nicht mehr
völlig abgebaut werden kann. Das verbleibende Restdruck- 3.2.4 Auswirkung der Aufladung
gefälle kann dann über eine nachgeschaltete zweite Turbine
genutzt werden. Diese ist entweder mit einem zweiten Ver- Wie in Bild 3-16 gezeigt, kann mit einer Abgasrückführung
dichter (zweistufige Aufladung) verbunden, oder sie gibt die Stickstoffoxidemission deutlich reduziert werden. Mit
ihre Energie an die Kurbelwelle (Turbo Compound, TC) der sog. „replaced EGR“ sinkt allerdings das Luftverhältnis λ
ab. deutlich ab. Auf Grund der schlechteren Oxidationsbedin-
Eine weitere Möglichkeit des Abgastransportes ist durch gungen für den Ruß hat dies einen Anstieg der Partikel zur
die Nutzung der Auslassdruckspitzen gegeben. Die Druck- Folge. Bei identischem Luftverhältnis λ, also mit der sog.
spitzen überdrücken ein Rückschlagventil (Reed Valve) „additional EGR“ können die ursprünglichen Partikelwerte
wodurch kurzzeitig eine Verbindung zwischen Abgaskrüm- nahezu erreicht werden. Bei gleichem Spritzbeginn betrach-
mer und Saugrohr frei gegeben wird. tet, wird dabei die NOX-Emission nur geringfügig erhöht.
Eine einfache Methode die Verbrennungstemperatur Die „additional EGR“ stellt allerdings hohe Anforderungen
abzusenken, ist durch die Wahl eines späten Einspritzbe- an Aufladetechnik, Wärmehaushalt und zulässigen Spitzen-
ginnes gegeben, da die durch die Verbrennung bedingte druck des Motors.
Druck- und damit Temperatursteigerung einer Druckmin- Da der Luftdurchsatz des Hubkolbenmotors und der Strö-
derung durch die Expansion entgegensteht. Dieser Effekt mungsmaschine Turbolader über der Drehzahl unterschied-
wirkt sich allerdings negativ auf die Rußoxidation und den liche Schluckliniencharakteristika aufweisen, sind die Turbi-
Wirkungsgrad des Motors aus. nenquerschnitte entweder im unteren Drehzahlbereich zu
Die Verbrennungstemperatur kann auch durch den sog. groß oder im oberen zu klein dimensioniert. Ein schnelles
Miller-Cycle abgesenkt werden. Durch frühen „Einlass- Ansprechverhalten des Laders erfordert ein auf niedrige
82 3 Die dieselmotorische Verbrennung
3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf Abbremsung, aber auch Stöße oder Zerfalls- und Koagula
tionsvorgänge) unterworfen ist.
und Brennverlauf
Für die Beschreibung der Selbstzündungsreaktionen in
Berechnungsprogramme zur Simulation der Prozessführung der Gasphase kommt ein einfacher chemischer Reaktions-
in Verbrennungsmotoren sind inzwischen neben dem Expe- mechanismus zur Anwendung, bei dem chemische Spezies,
riment unverzichtbare Werkzeuge bei der Optimierung der die gleiches oder ähnliches Verhalten aufweisen, zu sog.
häufig gegenläufigen Motorkenngrößen geworden [3-15]. „generischen Spezies“ zusammengefasst werden [3-16].
Mit Einsatz der Prozesssimulation lassen sich die Entwick- Dadurch lässt sich die Zahl der erforderlichen Berechnungs-
lungszeiten deutlich verringern und die Versuchsläufe auf schritte im mehrdimensionalen Rechenprogramm deutlich
die Feinoptimierung der Prozesse reduzieren. Mit den heute reduzieren.
bereitstehenden Werkzeugen lassen sich aber nicht nur Sen- Die Simulation des Verbrennungsprozesses baut auf den
sitivitätsstudien mit Trendaussagen durchführen, sondern in Modellrechnungen für die Gemischbildung auf, da diese die
Teilbereichen sind auch detaillierte quantitative Aussagen Verbrennung und die Schadstoffbildung wesentlich beein-
möglich. Dabei sind phänomenologische Ansätze gleicher- flussen. Numerische Modellrechnungen bergen aber die
maßen hilfreich wie die 3D‑Simulation. Dazu ist es erforder- Gefahr, dass die Modellparameter mit der Numerik intera-
lich, den gesamten Prozess der motorischen Verbrennung gieren und somit falsche Ergebnisse entstehen können.
von der Einlassströmung und Einspritzung über Verdamp- Diese Erfahrung machte man z. B. mit den Strahlmodellen
fung, Gemischbildung und Verbrennung bis zur Bildung und deren Einsatz bei Einspritzsystemen, die einen immer
und Emission der Schadstoffe zu beschreiben. Das äußerst höheren Einspritzdruck ermöglichten. Die CFD-Software
komplexe thermodynamische System der heterogenen (die- abstrahiert die reale Geometrie als Netzstruktur, wobei die
selmotorischen) Verbrennung lässt sich dabei nur durch 3D-Rechnung oft nicht in der Lage ist, Mikrogeometrien,
Aufteilung in Teilprozesse beherrschen. Für die Modellie- wie sie beispielsweise in Düsenlöcher auftreten, mit ausrei-
rung stehen verschiedene Simulationsplattformen zur Verfü- chender Auflösung dieser Netzstruktur zu beschreiben bzw.
gung, die als kommerzielle CFD-Software (Computational die relevanten Zahlgrößen mit Netzstellen entsprechend
Fluid Dynamics) angeboten werden. Bekannte Programme darzustellen [3-17]. Allerdings ist es aus verschiedenen
sind u. a. „FLUENT“, „STAR CD“, oder „FIRE“. Für die La- Gründen nicht möglich, die Netzstruktur an der Düse belie-
dungswechselberechnung wird auch das Programmsystem big zu verfeinern. Es besteht daher noch immer Bedarf, die
„PROMO“ eingesetzt. Für Parameterstudien finden häufig Ergebnisse aus der Modellrechnung abzugleichen und
sog. „nulldimensionale phänomenologische Modelle“ An- anhand belastbarer Messergebnisse zu überprüfen.
wendung. Für die Hochtemperaturphase der Verbrennung, in der
Als Basis der 3D-Modellierung zur Optimierung von der Kraftstoff mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft zu
Brennverfahren dienen interaktive Berechnungsnetze, die Kohlendioxid und Wasser oxidiert, bedient man sich des
sich an den konkreten Geometrien der Kanäle und des Modells der „einstufigen Globalreaktion“, wobei man von
Brennraumes orientieren. Die numerische Lösung der Grund- der Annahme ausgeht, dass dieser Oxidationsprozess
gleichungen für die Strömungsprozesse erfolgt mit Hilfe wesentlich schneller als der Gemischbildungsprozess zwi-
mathematischer Verfahren und ermöglicht eine detailgetreue schen Luft und verdampftem Kraftstoff abläuft.
Darstellung der Ansaug- und Verdichtungsphase unter Auch für die Rußbildung bestehen Modelle, bei denen die
Berücksichtigung der Kolben- und Ventilbewegung. Grund- Teilprozesse der Keimbildung, der Koagulation, aber auch
lage für die Beschreibung des Verbrennungsprozesses ist die der Oxidation berücksichtigt werden. Die Stickstoffoxidbil-
CFD-Modellierung der Kraftstoffstrahlausbreitung, des dung wird mit Hilfe des Zeldovich-Mechanismus beschrie-
Strahlzerfalles und der Tropfenbildung, der Tropfenverdamp- ben. Da die thermische NO-Bildung wesentlich langsamer
fung, der Vermischung des Dampfes mit der Verbrennungs- als die Oxidationsreaktionen in der Flamme abläuft, kann
luft, der Zündeinleitung und Verbrennung sowie der Schad- sie losgelöst von den eigentlichen Verbrennungsreaktionen
stoffbildung und deren innermotorische Verringerung. betrachtet werden.
Das heute allgemein übliche Verfahren zur Beschreibung
von Einspritzstrahlen basiert auf der statistischen Mechanik,
dem sog. „Diskrete-Tropfen-Modell“, das auch in die oben
erwähnte Software integriert ist. Dabei wird die Dynamik
der Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Vielteilchensystems
beschrieben, bei dem jedes Teilchen einem kontinuierlichen
Veränderungsprozess (bei Tropfen z. B. Verdampfung und
3 Literatur 85