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Suchtmedizinische Reihe 6 Glücksspielsucht BFREI PDF
Suchtmedizinische Reihe 6 Glücksspielsucht BFREI PDF
PATHOLOGISCHES
GLÜCKSSPIELEN
Suchtmedizinische Reihe
Band 6
Die Erkenntnisse der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen.
Die Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten
therapeutischen Angaben (insbesondere hinsichtlich Indikation, Dosierung und unerwünschter
Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und
Applikationsformen kann von den Autoren jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jede Dosierung
oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers.
Geschützte Warennamen werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen
Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
1
PATHOLOGISCHES
GLÜCKSSPIELEN
Suchtmedizinische Reihe
Band 6
Vorwort 6
2 Epidemiologie 24
2.1 Prävalenz des Glücksspielens 24
2.1.1 Verbreitung in der Bevölkerung 24
2.1.2 Behandlungsprävalenz 25
2.2 Bevorzugtes Glücksspiel 28
2.3 Soziodemographie 29
2.4 Komorbide Störungen 30
2.5 Verlauf 30
Literatur 33
3 Störungstheorien 34
3.1 Genetik und Neurobiologie (Thomas Brück) 34
3.1.1 Genetik 34
3.1.2 Neurobiologie 35
3.2 Psychologische Ursachenmodelle 38
3.2.1 Entwicklungspsychopathologie 38
3.2.2 Suchtkonzepte 40
Klassisches Suchtkonzept 40
Aktuelles Verhaltenssuchtkonzept 42
3
4 Diagnostik 60
4.1 Nosologische Einordnung 60
4.2 Differenzialdiagnostik 61
4.3 Screeningverfahren 62
4.4 Anamnestik 64
4.4.1 Glücksspielsymptomatik 64
4.4.2 Diagnostik der Persönlichkeit und Komorbidität 64
Literatur 64
5 Selbsthilfe 65
Literatur 68
6 Interventionsformen 69
6.1 Prävention 69
6.1.1 Verhältnis- und Verhaltensprävention 70
6.1.2 Aufklärungskampagnen 72
6.1.3 Sozialkonzepte 73
6.1.4 Sperrsystem 74
6.1.5 Jugendschutz 79
6.2 Beratung 80
6.2.1 Telefonische Beratung 80
6.2.2 Onlineberatung und Chatangebote 82
6.2.3 Internetforen 82
4
6.2.4 Beratungsstellen 83
6.3 Behandlung 84
6.3.1 Psychiatrische Akutbehandlung und
psychotherapeutische Therapie 84
6.3.2 Ambulante und stationäre Rehabilitation 85
6.3.3 Psychotherapeutische Methoden 86
6.3.3.1 Motivierung 86
6.3.3.2 Kognitive Umstrukturierung 87
6.3.3.3 Problemlösetraining 88
6.3.3.4 Rückfallprävention 92
6.3.3.5 Bearbeitung der personalen Anfälligkeit 93
6.3.3.5.1 Triadisches Bedingungsgefüge 93
6.3.3.5.2 Emotionstraining 95
6.3.3.6 Geld- und Schuldenmanagement 96
6.4 Berufliche Rehabilitation 99
6.5 Pharmakotherapie (Thomas Brück) 101
6.5.1 Medikamentöse Ansätze zur Glücksspielsucht 101
6.5.2 Medikamentöse Behandlung komorbider Störungen 102
Exkurs: Parkinsonmedikation und Glücksspielsucht 102
6.6 Angehörige und Bezugspersonen 103
6.6.1 Das „Co-Abhängigkeits“-Konzept 105
6.6.2 Typische Problemfelder 107
6.6.3 Gemeindeorientierte Familientherapie 108
6.6.4 Kinder von glücksspielsüchtigen Eltern(teilen) 109
6.7 Katamnese 110
Literatur 111
8 Literatur 129
8.1 Weiterführende Fachliteratur 129
8.2 Romane und Tatsachenberichte 130
9 Materialien 131
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) 131
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 131
Koordinations- bzw. Landesfachstellen Glücksspielsucht
der Länder 132
CCCC-Questionnaire 133
Spezielle Anamnese zum pathologischen Glücksspielverhalten 134
Empfehlungen für die medizinische Rehabilitation
bei Pathologischem Glücksspielen (VDR, 2001) 136
11 Beratungstelefone 154
Impressum 160
Vorwort
6
Mit der Suchtmedizinischen Reihe wendet sich die Deutsche Hauptstelle für Sucht-
fragen insbesondere an diejenigen Berufsgruppen, die in ihrem Alltag mit Patientin-
nen und Patienten bzw. Klientinnen und Klienten in Kontakt geraten, bei denen ein
riskanter Substanzgebrauch, ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit vorliegt, und die
sich vertiefend mit den spezifischen Problematiken der jeweiligen Substanzen, den
Wirkungsweisen der Substanzen im Körper, den gesundheitlichen Folgeschäden,
den Behandlungsmöglichkeiten oder rechtlichen Aspekten beschäftigen wollen. Die
Bände dieser Reihe richten sich an Ärztinnen und Ärzte, vornehmlich der allgemein-
medizinischen Versorgung, sowie an psychosoziale Berufsgruppen in der psycho-
therapeutischen Versorgung und in der Sozialarbeit. Die Einzelausgaben der Reihe
enthalten einen umfassenden Wissensgrundstock, der als Kompendium oder zum
Nachschlagen genutzt werden kann. Darüber hinaus stehen die DHS und die einzel-
nen Autorinnen und Autoren für Nachfragen zur Verfügung.
„Sucht“ ist ein Begriff, der bei vielen Menschen Abwehr auslöst. Daran hat auch die
höchstrichterliche Feststellung aus dem Jahr 1968, dass Alkohol-, Medikamen-
ten- und Drogenabhängigkeit Krankheiten sind, kaum etwas verändert. Im Ver-
gleich zu anderen chronischen Erkrankungen handelt es sich bei Abhängigkeit und
Missbrauch, entgegen der landläufigen Annahme, jedoch um Diagnosen, die gute
Behandlungschancen und -erfolge aufweisen. Wer würde von einer Diabetikerin
oder einem Bluthochdruckpatienten erwarten, dass ihre oder seine Werte niemals
Schwankungen unterlägen oder in den pathologischen Bereich ausschlügen? Bei
der Behandlung von Abhängigkeit und Missbrauch werden andere Maßstäbe ange-
legt. Hier wird meist nur das Maximum an Erreichbarem – die dauerhafte Abstinenz
– als Behandlungserfolg gewertet. Es gilt jedoch, wie bei anderen Krankheiten auch,
dass die Erfolgsprognose vom Stadium der Erkrankung abhängt und ob der Diagnose
auch tatsächlich eine sachgerechte Behandlung folgt. Die Prinzipien der Selbstbe-
stimmung und Autonomie gelten auch für Substanzabhängige oder -missbrauchen-
de. Sie entscheiden mit über Art und Erfolg der Behandlung, ob Abstinenz, Konsum-
reduktion oder Substitution die vielversprechendste Behandlung für sie ist.
Der Konsum psychotroper Substanzen kann gravierende somatische, psychische,
soziale sowie auch rechtliche und finanzielle Störungen und Probleme verursachen.
7
Ihr Gebrauch, insbesondere riskanter Alkohol- und Tabakkonsum, gilt als bedeu-
tendstes gesundheitsschädigendes Verhalten in der Bevölkerung. Tabak- und Alko-
holkonsum stehen in den Ländern mit hohem Einkommen auf den Plätzen 1 und 2
der zehn größten gesundheitlichen Risiken für vorzeitige Erkrankung und vorzeitigen
Tod (WHO 2009)*. Psychische und Verhaltensstörungen durch den Gebrauch psycho-
troper Substanzen und bestimmter Medikamente machen, trotz Präventionsanstren-
gungen, nach wie vor einen Großteil der Krankheitsdiagnosen aus und verursachen
hohe vermeidbare Kosten für das Gesundheitssystem. Die direkten und indirekten
Kosten, die allein durch Alkohol- und Tabakkonsum in Deutschland verursacht wer-
den, belaufen sich auf über 40 Mrd. Euro. Dabei ist die Gruppe mit einem riskanten
bzw. schädlichen Konsummuster wesentlich größer als die der abhängig Konsumie-
renden.
In Deutschland sind Alkohol und Tabak die meistkonsumierten und -akzeptierten
psychotropen Substanzen. Wenn es um die Risiken des Substanzkonsums geht, gerät
dann zunächst das Suchtpotenzial der psychotropen Stoffe ins Blickfeld. Wissen-
schaftliche Untersuchungen zeigen jedoch immer deutlicher, dass Schädigungen lan-
ge vor der Entwicklung einer Abhängigkeit einsetzen können und es keinen Grenzwert
für einen Konsum gibt, der Risikofreiheit garantiert. Zwar weisen Menschen, die eine
Substanzabhängigkeit entwickelt haben, häufig weitere Erkrankungen und Störungen
auf, jedoch sind gesundheitliche Störungen und negative Auswirkungen nicht aus-
schließlich bei Abhängigen zu beobachten, sondern auch bei Menschen mit riskantem
Konsum. Daher stellen nicht nur Substanzabhängige und -missbrauchende, sondern
auch Personen mit riskantem Konsum psychotroper Substanzen eine wichtige Ziel-
gruppe der Suchtmedizin und Suchthilfe dar. Motivation sowie Früherkennung und
Frühintervention kommt eine immer stärkere Bedeutung zu.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends begann die DHS mit der Publikation der Sucht
medizinischen Reihe und erschloss damit praxisrelevante Informations- und Da-
tenquellen für die in diesem Fachgebiet Tätigen. In der Zwischenzeit haben sich
Suchtmedizin und Suchthilfe weiterentwickelt, sodass eine Neufassung der Titel
„Alkoholabhängigkeit“, „Tabakabhängigkeit“, „Drogenabhängigkeit“ und „Essstörun-
gen“ er-forderlich wurde. Vervollständigt wird die Reihe nun durch die neuen Bände
„Medi-kamentenabhängigkeit“ und „Pathologisches Glücksspielen“.
Die DHS dankt allen Autorinnen und Autoren herzlichst für ihre engagierte Arbeit.
Sie haben in kompakter Form praxisnahe und aktuelle Informationen aus unter-
schiedlichen Disziplinen für die Beratung und Behandlung zusammengestellt.
Dr. med. Heribert Fleischmann
Vorstandsvorsitzender der DHS, Frühjahr 2013
* WHO 2009, Global Health Risks - Mortality and burden of disease attributable to selected major risks. Genf.
8 Glück – Spiel – Sucht
1
1.1 Begriffsbestimmung
1.1.1 Bezeichnungen
Die englische Sprache unterscheidet zwischen „to play“ (spielen) und „to gamble“
(glücksspielen). In der deutschen Sprache gibt es diese Unterscheidung nicht.
Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass sich in die Umgangssprache und sogar in
einige wissenschaftliche Veröffentlichungen die Begriffe Spieler und Spielsucht
statt Glücksspieler und Glücksspielsucht eingebürgert haben. Diese sprachliche
Ungenauigkeit trägt zur Verharmlosung des eigentlichen Problems bei, denn ab-
hängig wird man von Glücksspielen, nicht jedoch vom Fußballspiel oder vom Kla-
vierspiel und schon gar nicht vom Wortspiel.
Die Glücksspielbetreiber nutzen gern die positiven Merkmale des Spielens, wenn
sie ihr Glücksspielangebot bewerben. So ziert das bekannte Schiller-Zitat „…, der
Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur
da ganz Mensch, wo er spielt.“ (Schiller, 1795, S. 612) unzählige Werbeanzeigen
und Prospekte der Branche.
Bis ins 19. Jahrhundert war auch im deutschen Sprachgebrauch das aus dem
Arabischen stammende Wort „Hazardspiel“ gebräuchlich, das auf die Gefahren der
Teilnahme an Glücksspielen im Sinne einer rücksichtslosen Selbst- und Fremd-
schädigung hinweist.
In der Fachliteratur finden sich vielfältige sprachliche Bezeichnungen für proble-
matische Formen des Glücksspielverhaltens. Dabei wird der englischsprachige
Begriff „gambling" durch spezifizierende Adjektive wie „excessive", „obsessive",
„compulsive“, „addictive“ oder aktuell „pathological“ eingeengt. Für die Erfassung
wesentlicher Merkmale des Gegenstandsbereiches erscheint neben „Pathologi-
schem Glücksspielen" der deutschsprachige Begriff „Glücksspielsucht" am bes-
ten geeignet, wenn man die inhaltlichen Implikationen der drei darin enthaltenen
Substantive Spiel, Glück und Sucht betrachtet.
9
Der Begriff Spiel verweist auf den umfassenden Bedeutungszusammenhang des
Erlebens einer Selbstwertsteigerung durch Meisterung einer aus dem Alltagshan-
deln abgehobenen Handlungsanforderung. Dem Spiel kommt dabei die Funktion
zu, emotionale Grunderfahrungen zu ermöglichen, die aufgrund der im realen Le-
ben bestehenden Einschränkungen, wie z. B. der starken Abhängigkeit des Kindes
von seinen Eltern, nicht möglich sind. Dabei können in der realen Welt erfahrene
Frustrationen ausgeglichen werden und motivationale Entwicklungsanreize für
neue Erfahrungen entstehen. Aufgrund der bei vielen Glücksspielsüchtigen aus
einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung resultierenden Selbstwertproblematik
(Vierhaus et al., 2012) besteht eine Bedürfnis- und Motivationsstruktur, für die der
Aufforderungscharakter von Spielsituationen einen besonderen Anreiz darstellt.
Entsprechend zeigen klinische Erfahrungen, dass viele Glücksspielsüchtige neben
der Präferenz für Glücksspiele auch reges Interesse an verschiedensten Spielen
wie Schach oder sportlichem Wettbewerb haben, bei denen sie ihr subjektives
Kontrollempfinden und damit ihren Selbstwert steigern können, ohne sich proble-
matischen realen Lebensanforderungen stellen zu müssen.
Mit dem Begriff Glück wird das spezifische Bedingungsgefüge des Glücksspielens
durch Einbeziehung des materiellen Aspektes erfasst. Glücksspiele sind im Kern
als Wetten zu begreifen. Dabei handelt es sich um das Riskieren eines Einsatzes
auf das Eintreten eines (vorwiegend) zufallsbedingten Ereignisses. Ein monetärer
Einsatz führt zu einer zusätzlichen Erregungssteigerung, birgt gleichzeitig jedoch
das damit verbundene Verlustrisiko. Hiermit entsteht eine Handlungsstruktur,
die reale Folgen für den Glücksspieler hat. In der Karriere Glücksspielsüchtiger
kommt dem Geld eine zentrale Bedeutung zu. Es ist mit Empfindungen der Wich-
tigkeit, Überlegenheit und sozialen Anerkennung verbunden. Anfängliche Gewinn
erfahrungen führen häufig zu einer starken Bindung an das Glücksspiel. Im wei
teren Verlauf entwickelt sich aufgrund der zwangsläufig eintretenden Verluste eine
Aufholjagd („chasing“), d. h. der aussichtslose Versuch, eingetretene Geldverluste
durch verstärktes Glücksspielen auszugleichen.
Der Begriff „Sucht" verweist nicht nur auf die zunehmende Eskalierung des
Glücksspielverhaltens mit den entsprechenden negativen Folgen, sondern darüber
hinaus auch auf moralische Aspekte. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen
Ambivalenz gegenüber den Glücksspielen entsteht für den Betroffenen ein mora-
lisches Dilemma, wobei die damit verbundenen Schuld- und Schamgefühle den
Motor der weiteren Entwicklung des pathologischen Verhaltens bilden. Es folgt
eine Veränderung des Selbstkonzeptes mit Zunahme von Selbstrechtfertigungen,
illegalen Verhaltensweisen sowie einer verstärkten Integration in Subgruppen mit
Übernahme eines entsprechenden glücksspielbezogenen Lebensstils.
10
Tab. 1.1
1.1.2 Definition
Die seit 1980 beginnende Aufnahme des „Pathologischen (Glücks-)Spielens“ als
eigenständiges psychisches Störungsbild in die beiden internationalen Klassifika-
tionssysteme DSM-III (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Stö-
rungen) und später ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen)
definiert das Pathologische Glücksspielen als ein andauerndes, wiederkehrendes
und oft noch gesteigertes Glücksspielverhalten trotz negativer persönlicher und
sozialer Konsequenzen wie Verschuldung, Zerrüttung familiärer Beziehungen und
Beeinträchtigung der beruflichen Entwicklung.
Die genauere Operationalisierung der Hauptkriterien erfolgt im DSM. Nach den
Vorgaben des DSM-IV müssen mindestens fünf von zehn Kriterien vorliegen, um
die Diagnose „Pathologisches (Glücks-)Spielen“ stellen zu können.
11
Diagnostische Kriterien des Pathologischen Glücksspielens
nach ICD-10 und DSM-IV
Tab. 1.4
Prämien- und
Gewinnsparen
Geldspielautomaten
1,5 %
54,7 %
Lotto- und
Totoblock
20,6 %
60
50
40
30
20
10
Altersspanne 18 – 64 18 – 65 16 – 65 16 – 65 18 – 64 14 – 65 16 – 65
Antwortrate 48 % 56 % / 68 % 63 % 62 % 50 % 52 % / 57 % 60 %
2.1.2 Behandlungsprävalenz
Hochgerechnet auf die 1.320 bundesweiten Suchtberatungsstellen und Suchtam-
bulanzen zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Behandlungsprävalenzen von 5.300
pathologischen Glücksspielern im Jahr 1997 auf 15.800 in 2010. Insbesondere
seit 2008 zeigt sich eine überproportionale Steigerung, was u. a. auf die Novellie-
rung der Spielverordnung (SpielV) im Jahr 2006 (Einführung neuer Spielformen,
26
erhöhte Gerätedichte, Reduzierung der Spieldauer, Erhöhung der Gewinn- und
Verlustmöglichkeiten) mit entsprechend steigenden Umsätzen im Bereich der
gewerblichen Geldspielautomaten zurückzuführen ist. Weiterhin wurden in diesem
Zeitraum die Beratungsangebote für pathologische Glücksspieler bundesweit
erweitert und öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht.
16.000
14.000
12.000
10.000
8.000
6.000
4.000
2.000
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Ein ähnliches Bild ergibt sich in Bezug auf die stationäre Behandlungsnachfrage
in Kliniken, die ein spezifisches glücksspielerbezogenes Angebot entsprechend
den „Empfehlungen“ aufweisen. So wurden im Jahr 2000 in fünf solcher Einrich-
tungen insgesamt 300 Patienten behandelt, während es im Jahr 2010 in 16 Klini-
ken zusammen 1.843 Behandlungsfälle waren. Auch hier ist eine deutliche Steige-
rung auszumachen, die ebenfalls nach 2008 besonders progressiv ausfällt.
Die genannten absoluten Zahlen von stationären Behandlungen dürften jedoch
höher liegen, da neben diesen spezialisierten Kliniken auch in anderen stationären
Einrichtungen pathologische Glücksspieler mit komorbiden Störungen mitbehan-
delt werden. Die Deutsche Suchthilfestatistik von 2009 (Pfeiffer-Gerschel et al.,
2011) weist für den stationären Bereich 662 pathologische Glücksspieler (2,0 %
aller Behandlungsfälle) aus. Diese Anzahl entspricht den Angaben der im Bundes-
27
verband für Suchtkrankenhilfe (buss) organisierten Kliniken mit insgesamt 1,9 %
bzw. 2,3 % in den Kliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängige (Koch, 2011).
Die vorliegenden Zahlen erlauben jedoch keine Hochrechnungen, da die auf die
Behandlung spezialisierten Einrichtungen, insbesondere die psychosomatischen
Kliniken unterrepräsentiert bzw. in der Stichprobe nicht enthalten sind.
2.000
1.800
1.600
1.400
1.200
1.000
800
600
400
200
1997 1999 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Auch im Bereich der ambulanten Psychotherapie findet sich inzwischen eine be-
achtliche Nachfrage. Von Kraus und Mitarbeitern (2011) wurden bezogen auf das
Jahr 2009 insgesamt 726 Psychologische Psychotherapeuten aus Bayern schrift-
lich befragt, von denen 214 geantwortet haben. Basierend auf diesen Daten (N=
214; Ausschöpfungsquote 29,5 %) wiesen hochgerechnet auf die 2.520 Psychologi-
schen Psychotherapeuten in Bayern geschätzte 1.437 Patienten eine Glücksspiel-
problematik auf. Aufgrund dieser Problematik wurden aus dieser Patientengruppe
geschätzte 801 behandelt. Hochgerechnet auf alle bayerischen Psychologischen
Psychotherapeuten wurden 1.425 Patienten wegen bestehender Glücksspielpro-
bleme an weitere Einrichtungen wie Selbsthilfegruppen, Suchtbe-ratungsstellen,
Kliniken oder psychiatrische Fachambulanzen oder Fachärzte überwiesen. Diese
Daten basieren auf einer schmalen Stichprobe, so dass sie lediglich einen Hinwei-
28
scharakter auf tatsächliche Glücksspielproblematiken bei den Patienten besitzen.
Verlaufsdaten liegen für diesen Bereich nicht vor.
Bei den Behandlungszahlen ist zu berücksichtigen, dass nur ein geringer Anteil
pathologischer Glücksspieler im Laufe der Lebensspanne einen Kontakt zum
Hilfesystem aufweist. Nach der repräsentativen PAGE-Studie (Meyer et al., 2011)
haben lediglich 23,1 % jemals im Leben mit einem Arzt oder anderen Fachperso
nen über ihr Glücksspielproblem gesprochen und/oder eine Selbsthilfegruppe
aufgesucht. Laging (2009) analysiert die Literatur unter dem Gesichtspunkt mögli-
cher Barrieren, die eine Kontaktaufnahme zu Hilfspersonen oder -institutionen
verhindern. Sie resümiert, dass Stolz, Scham, der feste Wille, sein Problem selbst
lösen zu wollen, der Wunsch, unentdeckt zu bleiben, fehlendes Problembewusst-
sein und die Unkenntnis von Behandlungsmöglichkeiten von entscheidender Be-
deutung sind.
2.3 Soziodemographie
Für Pathologisches Glücksspielen beträgt die Lebenszeitprävalenz 1,7 % für
Männer und 0,2 % für Frauen und die entsprechende 12-Monatsprävalenz 0,6 %
für Männer und 0,1 % für Frauen. Für ein problematisches Glücksspielverhalten
beträgt die Lebenszeitprävalenz für Männer 2,3 % und für Frauen 0,5 %, die ent-
sprechende 12-Monatsprävalenz beträgt bei Männern 0,5 % und bei Frauen 0,2 %.
Bezogen auf das Geschlecht bestätigen die epidemiologischen Befunde von Meyer
und Mitarbeitern (2011) die langjährig bekannte Dominanz von Männern in der
Beratungs- und Behandlungspraxis.
Die Rate problematischer und pathologischer Glücksspieler ist stark altersab-
hängig. Die Hauptrisikogruppe sind die 14- bis 30-Jährigen. Besonders gravie-
rend ist die um 50 % erhöhte Lebenszeitprävalenz der 14- bis 17-Jährigen (1,5 %
gegenüber 1 % bei den Erwachsenen). Dieser Befund ist umso bedenkenswerter,
da Minderjährigen per Gesetz die Teilnahme an Glücksspielen verboten ist. Die
bevorzugten Glücksspiele Jugendlicher sind vor allem Sofortlotterien/Rubbellose,
gewerbliche Geldspielautomaten in Gaststätten sowie (Online-)Pokern und (On-
line-)Sportwetten. Bei diesen Angeboten hat der Jugendschutz offensichtlich ver-
sagt. Aus entwicklungspsychopathologischer Sicht sollte vor dem 18. Lebensjahr
jedoch keine Erwachsenendiagnose gestellt werden. Es empfiehlt sich, in dieser
Lebensspanne ein problematisches und nicht ein pathologisches Glücksspielver-
halten zu diagnostizieren. Störungen im Kindes- und Jugendalter können auch
Verstärkungen normaler Entwicklungstrends sein und werden mehrheitlich bis
zum Erwachsenenalter überwunden. Aus suchtpräventiver Sicht ist zu bedenken,
dass ein früher Einstieg – auch beim Glücksspielen – einen Risikofaktor für die
Ausbildung einer Glücksspielsucht im Erwachsenenalter darstellt. Bezogen auf
die Lebensspanne zeigen 0,3 % der 48- bis 64-Jährigen im Vergleich zu 1,0 % der
Gesamtstichprobe der 14- bis 64-Jährigen ein pathologisches Glücksspielverhal-
ten. In Bezug auf die 12-Monatsprävalenz sind es mit 0,04 % im Vergleich mit der
Gesamtstichprobe (0,3 %) ebenfalls deutlich weniger. Die Glücksspielsucht kommt
danach bei älteren Menschen eher selten vor.
Neben dem Geschlecht und dem Alter besteht ein Zusammenhang des problema-
tischen und pathologischen Glücksspielens mit weiteren soziodemographischen
Merkmalen. Eine erhöhte Glücksspielproblematik ist im Kontext geringerer Schul-
bildung, Arbeitslosigkeit und bei Vorliegen eines Migrationshintergrundes belegt
(Meyer et al., 2011).
30
2.4 Komorbide Störungen
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung findet sich bei problematischem und in
noch stärkerem Maße bei pathologischem Glücksspielen eine extreme Erhöhung
komorbider Störungen (Meyer et al., 2011). Bei pathologischen Glücksspielern
findet sich bei 71,1 % (ohne stoffgebundene Suchtdiagnosen) eine psychische Stö-
rung im Vergleich zu 16,1 % der Allgemeinbevölkerung, bei Einschluss von Sucht-
diagnosen bei 95,4 % eine komorbide Störung im Vergleich zu 35,7 % in der Allge-
meinbevölkerung. Bei problematischem Glücksspielen betragen die entsprechen-
den Prozentsätze 53,3 % (ohne Suchtdiagnosen) und 78,0 % einschließlich Suchtdi-
agnosen. Am häufigsten sind affektive Störungen mit einem 3,8-fach erhöhten
Erkrankungsrisiko gegenüber der Bevölkerung, stoffgebundene Suchtstörungen
(inklusive Tabak) mit 3,5-fach und Angststörungen (inklusive Posttraumatischer
Belastungsstörungen) mit 3,2-fach erhöhtem Erkrankungsrisiko. Bei pathologi-
schen Glücksspielern besteht bei 63,1 % eine affektive Störung, bei 44,3 % eine
Substanzabhängigkeit (exklusive Tabak) und bei 37,1 % eine Angststörung (inklu-
sive posttraumatischer Belastungsstörung), bei problematischen Glücksspielern
entsprechend 44,0 %, 31,3 % und 24,7 %. Somit bestätigt sich die hohe Komorbidi-
tätsrate bei behandelten Glücksspielern (Premper, 2006) auch für die mehrheitlich
nicht behandelten pathologischen Glücksspieler in der Bevölkerung. Die erfasste
hohe Komorbiditätsrate von pathologischen Glücksspielern in der Bevölkerung
stellt – im Vergleich zu Selbstauskünften mittels Fragebogen – wahrscheinlich
keine Überschätzung dar, da die Störungen im direkten klinischen Interview von
geschulten Befragern diagnostiziert wurden.
2.5 Verlauf
Pathologisches Glücksspielen beginnt bei Männern typischerweise in der Adoles
zenz, während der Einstieg bei Frauen (vgl. Kapitel 6.1) eher im mittleren Lebens-
abschnitt liegt. Custer und Milt (1985) beschreiben die typische Karriere eines
Glücksspielsüchtigen als Phasenabfolge, wie dies Elvin Morton Jellinek (1960)
beim Alkoholismus getan hatte. Eine anfängliche Gewinnerfahrung („big win“)
kann zum Auslöser einer steigenden Glücksspielaktivität werden. In der Regel
ist die anfängliche Entwicklung schleichend. Belastende, selbstwertbedrohliche
Lebensereignisse, insbesondere wenn sie mit neuen Verantwortungen (feste
Bindungen, Schwangerschaft der Partnerin, beruflicher Aufstieg u. a.) verbunden
sind, können zu einer episodischen Steigerung des Problemverhaltens führen. Die
Übernahme einer glücksspielbedingten Verschuldung durch das familiäre Unter-
stützungssystem bei gleichzeitigem Versprechen der Einstellung des Glücksspie-
lens durch den Glücksspieler („bail-out“) kann das weitere Glücksspielverhalten
forcieren.
31
Es entsteht eine suchttypische Eigendynamik, die von dem Versuch bestimmt wird,
bestehende Verluste durch erhöhte Wetteinsätze auszugleichen („chasing“), wobei
die realen Konsequenzen des Glücksspielverhaltens ausgeblendet werden, was
bei gleichzeitig verstärkter Bindung an das Glücksspielen zu einer zunehmenden
Einschränkung bestehender Wahlmöglichkeiten führt. Das Konstrukt „chasing“
wurde von Lesieur (1979) als ein spiralförmig verlaufender Prozess einer zu-
nehmenden Bindung an das Glücksspielverhalten bei gleichzeitig abnehmenden
Entscheidungsmöglichkeiten für Alternativen beschrieben. Der Glücksspieler
versucht, dem „Fast-Gewinn“ stets hinterherzujagen. Es erstaunt, dass es bisher
nur eine einzige (experimentelle) Untersuchung zu dieser Thematik gibt, nach der
impulsivere Glücksspieler eine stärkere Tendenz zum Chasing-Verhalten zeigen
(Breen, Zuckerman, 1999).
Mit fortschreitendem Involviertsein in die Glücksspielaktivität erfolgt als Reaktion
auf diese deviante Tendenz eine zunehmende soziale Ausgrenzung. Aufgrund der
verinnerlichten Ambivalenz gegenüber dem Glücksspielen bilden Schuld- und
Schamgefühle einen weiteren Motor der Suchtentwicklung. Gleichzeitig erfolgt
eine Integration in Subgruppen, die sich durch einen glücksspielspezifischen, auf
die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung gerichteten Lebensstil auszeichnen. Dies
kann auch illegale Geldbeschaffungsmethoden umfassen.
Aufgrund von Verleugnungsmechanismen, die der Verarbeitung der zugrunde
liegenden Selbstwertproblematik dienen, kann dieser Kreislauf ohne äußere
Begrenzung schwer gestoppt werden. Eine Motivation zur Veränderung erfolgt
häufig erst nach dem finanziellen Ruin, Verlust der familiären Unterstützung, einer
beruflichen Existenzbedrohung, Straffälligkeit oder aufgrund psychiatrischer Be-
handlungen nach Suizidversuchen.
Dabei wird die bisher empirisch noch nicht untersuchte Annahme zugrunde ge-
legt, dass dieses Störungsbild einen vorhersagbaren Verlauf nimmt und dass
aufeinanderfolgende Phasen durch identifizierbare Symptome abgrenzbar sind.
Die empirische Evidenz spricht gegen diese Modellvorstellung. Von Toneatto und
Nett (2006) werden die Befunde zur „Selbstheilung“ bei Glücksspielsüchtigen
zusammengetragen. Danach sind Prozesse der Selbstheilung als Alternative zur
formalen Behandlung eher die Regel als die Ausnahme, da mehr als ein Drittel
der Personen, die im Laufe ihres Lebens einmal ein Glücksspielproblem aufge-
wiesen haben, im Jahr vor ihrer Befragung über keinerlei einschlägige Probleme
berichten.
Die Erfassung der Remission, d. h. das vorübergehende oder dauerhafte Nachlas-
sen der Krankheitssymptome, bei problematischen und pathologischen Glücks-
spielern ist methodisch jedoch nicht einfach. Die Daten der repräsentativen PAGE-
32
Studie (2011) zeigen dazu, dass 36,1 % der über die Lebensspanne pathologischen
Glücksspieler und 19,2 % der problematischen Glücksspieler in den letzten zwölf
Monaten die jeweilige Kriterienanzahl zur Diagnose von fünf und mehr bzw. drei
bis vier nicht mehr erfüllten. Nach dem Abstinenzkriterium waren 31,3 % der über
die Lebensspanne pathologischen Glücksspieler in den letzten zwölf Monaten
durchgehend abstinent. Bei den problematischen Glücksspielern waren es 30,1 %.
Die Besserungsrate (ein bis zehn Spieltage in den letzten zwölf Monaten) lag bei
17,3 % der pathologischen und 21,9 % der problematischen Glücksspieler. Von den
remittierten pathologischen Glücksspielern hatten 80 % keinen Kontakt zu einem
Arzt, Suchttherapeuten oder einer Selbsthilfegruppe.
Nach der Übersicht von Toneatto und Nett (2006) sind die Schwere der Glücks-
spielproblematik und das Ausmaß der Komorbidität mögliche Unterscheidungs-
merkmale bei Glücksspielern, die eine Behandlung aufsuchen bzw. ohne profes-
sionelle Hilfe ihre Glücksspielproblematik überwinden. Die PAGE-Studie (Meyer et
al., 2011) bestätigt dies. Danach zeigt sich ein statistisch positiver Zusammenhang
zwischen der Anzahl der erfüllten DSM-IV-Kriterien und der Wahrscheinlichkeit,
Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach Rumpf (2012) besteht ein positiver Zusam-
men-hang zwischen psychischer Komorbidität, insbesondere Persönlichkeits-
störungen, und einer gehäuften Remission (vorübergehendes oder dauerhaftes
Nachlassen der Glücksspielsymptomatik), die jedoch unabhängig von der Inan-
spruchnahme professioneller Hilfe ist.
Zu den zugrunde liegenden Mechanismen der Selbstheilung verweisen Toneatto
und Nett auf „… eine Krise des Selbstbildes oder der individuellen Überzeugungen,
die mit einer Reihe von negativen Folgen der Spielsucht einhergeht, einen Prozess
der Neubewertung der Rolle des Glücksspiels im Leben der Betroffenen einleitet“
(Toneatto, Nett, 2006, S. 124). Sie betonen als grundlegende Veränderungsstrate-
gie die „… Annahme einer mit dem Glücksspiel nicht verträglichen Lebensführung
…“ (Toneatto, Nett, 2006, S. 125).
Der Verlauf einer Glücksspielerkarriere ist zudem sehr individuell und dabei stark
abhängig vom Einstiegsalter, dem Geschlecht (vgl. Kapitel 7.1), von der ethnischen
Herkunft (vgl. Kapitel 7.2), der bestehenden oder fehlenden Komorbidität sowie
den Veränderungen des kulturhistorischen Kontextes und der sozioökonomischen
Rahmenbedingungen. Das am klassischen Suchtkonzept von Jellinek (1960) ori-
entierte Verlaufskonzept von Custer und Milt zur Glücksspielsucht (1985) muss
deshalb als obsolet bewertet werden.
33
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3 Störungstheorien
34
3.1.2 Neurobiologie
Neurobiologische Grundlagen sind bei stoffgebundenen Süchten gut untersucht.
Die Bedeutung des limbischen Systems für die Entstehung und Aufrechterhaltung
des süchtigen Verhaltens ist bekannt. Dem limbischen System werden Bewertun-
gen wie Lustgefühl oder Motivation zugeschrieben, die über Neurotransmitter
vermittelt werden. In weiteren Prozessen kommt es zu Änderungen der synapti
schen Verschaltungen in der Großhirnrinde. Bei stofflichen Süchten werden unter
anderem direkte und indirekte Auswirkungen der Suchtmittel wie Alkohol, Drogen
oder Nikotin auf bestimmte Neurotransmittersysteme im Gehirn beschrieben. Die
Übertragung dieser Ergebnisse auf die Glücksspielsucht ist aus diesem Grund
zunächst nicht ohne Weiteres möglich. Die Aktivierung körpereigener Botenstoffe
durch Glücksspielen oder vergleichbare Tätigkeiten kann mit der teilweise extre-
men Beeinflussung der Transmitter durch eine Droge nicht gleichgesetzt werden.
Dennoch konnten in den bislang veröffentlichten Studien Parallelen zu stoffgebun-
denen Suchterkrankungen gefunden werden, wenn auch die Ergebnisse teilweise
uneinheitlich sind. Ähnlichkeiten beziehen sich auf Dysfunktionen in Transmitter-
systemen, die die Entstehung einer Glücksspielproblematik im Sinne einer erhöh-
ten Vulnerabilität begünstigen, oder aber auch zur Aufrechterhaltung des süchti-
gen Verhaltens beitragen (Brewer et al., 2007; Böning, Grüsser-Sinopoli, 2009).
Im besonderen Fokus der Studien steht das Dopaminsystem. Es wird eine Störung
im dopaminergen Belohnungssystem postuliert, welche wie oben beschrieben
eine genetische Disposition darstellen kann. Es besteht aus verzweigten Neuro-
nenverbindungen, die das Verhalten entscheidend beeinflussen, wobei es insbe-
sondere bei der Verarbeitung natürlicher Belohnungsereignisse aktiviert wird.
Das mesolimbische dopaminerge System umfasst verschiedene Hirnareale, unter
36
anderem den Nucleus accumbens, die Amygdala und den frontalen Kortex. Das
Belohnungssystem ist für die Regulierung von Emotionen und Antrieb sowie ins-
besondere für Befindlichkeitsverstärkungen durch die genannten Suchtmittel und
Suchthandlungen allgemein bedeutsam. Es stellt eine zentrale Schaltstelle zur
Anpassung und Modifikation des menschlichen Verhaltens dar. Auch Neugierde
und Risikoverhalten sind mit dem dopaminergen System assoziiert. Dopamin als
körpereigener Stoff gilt allerdings nicht als der „Belohnungsstoff“ im eigentlichen
Sinne, sondern bewirkt die Verknüpfung des Gefühls von Lust oder Belohnung
und bestimmten Ereignissen. Befunde der bildgebenden Diagnostik (z. B. unter
Einsatz der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT)) weisen bei der
Glücksspielsucht auf eine herabgesetzte Aktivität im Belohnungssystem hin,
auch bei der Präsentation glücksspielassoziierter Reize. In den entsprechenden
Studien (vgl. Mörsen et al., 2011) werden zum Beispiel glücksspielbezogene Er-
wartungen hinsichtlich finanzieller Gewinne bzw. Verluste oder auch auslösende
Reize für Glücksspielverlangen simuliert. Es konnte gezeigt werden, dass stärkere
Reize zur befriedigenden Aktivierung des Belohnungssystems erforderlich sind,
um das Dopamindefizit auszugleichen. Dies betrifft in diesen Fällen glücksspiel-
bezogene Reize. Gleichzeitig gibt es Hinweise auf eine verminderte Aktivierung
bestimmter Hirnregionen bei Verlusterlebnissen, was auf eine verminderte „Be-
strafungsreaktion“ in der Verhaltensmodifikation hindeutet. Der grundsätzliche
Mangel an dopaminvermitteltem Belohnungserleben geht demnach mit dem oft
von pathologischen Glücksspielern benannten Gefühlen wie Langeweile, Reizbar-
keit oder Stressempfinden einher, was zu der Ausrichtung ihres Verhaltens zur
Belohnungsaktivierung führt. In Untersuchungen konnte dabei unter anderem
gezeigt werden, dass die Höhe der Gewinnaussichten beim Glücksspielen mit
der Aktivierung des dopaminergen Systems korreliert. Auf dieser Ebene findet im
verhaltenspsychologischen Sinne eine operante Konditionierung statt, sodass eine
Wiederholung dieses Belohnungsverhaltens gebahnt wird. Dieses Phänomen wird
als Cue-Reaktivität, d. h. eine erhöhte Empfänglichkeit für suchtspezifische Reize,
bezeichnet. Es entsteht also eine zunehmende Sensitivierung für belohnungsan
zeigende Reize. Im Verlauf der Entwicklung einer Abhängigkeit wird, wie bei den
stoffgebundenen Süchten auch, ein sogenanntes Belohnungs- bzw. Suchtgedächt-
nis entwickelt.
Gleichzeitig konnten in bildgebenden Untersuchungen (z. B. fMRT) Minderaktivitäten
im frontalen Kortex im Zusammenhang mit glücksspielassoziierten Reizen bestätigt
werden (Meyer, Bachmann, 2011; Mörsen et al., 2011); dies zeigt parallel zur Subs-
tanzabhängigkeit das Phänomen der gestörten Impulskontrolle, da diese vor allem
im Bereich des frontalen Kortex gesteuert wird. Somit gelingt ein Aufschieben der
Belohnung schlecht und sofortige Belohnungen haben eine hohe Bedeutung.
37
Auch andere Neurotransmitter sind in einigen Untersuchungen als auffällig
beschrieben worden. Vor allem das Serotoninsystem kann betroffen sein. Eine
Verminderung der Serotoninaktivität bedingt eine erhöhte Impulsivität und eine
Störung der Affektregulation, unter anderem im Hinblick auf eine erhöhte Depres-
sivität. Der Mangel an Impulskontrolle dürfte mit dem Anstoß zum Glücksspiel-
verhalten und der Enthemmung während des Glücksspielens assoziiert sein. Die
hohe Impulsivität steht unter anderem auch im Zusammenhang mit Untersuchun-
gen zur Neurobiologie von sogenannten Entscheidungsprozessen. Pathologische
Glücksspieler lassen diesbezüglich typischerweise negative Konsequenzen außer
Acht und treffen überstürzte Entscheidungen ohne Risikoabwägung. Sofortige
Belohnungen – auch wenn sie kleiner sind – werden gegenüber längerfristig aus-
stehenden Belohnungen bevorzugt. Auch können höhere Aktivitäten im Nor-adre-
nalinsystem bei pathologischen Glücksspielern mit einer Störung der Affekte und
der Aufmerksamkeit assoziiert sein, vor allem im Sinne von physiologischen Zu-
ständen wie Erregung oder Spannung beim Glücksspielen. Die bei pathologischen
Glücksspielern erhöhten peripheren Noradrenalinwerte weisen zudem auf eine
erhöhte Stressreaktion hin. Das körpereigene Opioidsystem (Endorphine) steht in
engem Zusammenhang mit dem oben geschilderten dopaminergen Belohnungs-
system. Endorphine gelten als eigentliche körpereigene „Belohnungsstoffe“ und
werden in Verbindung gebracht mit dem „craving“ bzw. dem positiven Gefühl, das
durch den „Gewinn“ im Spiel vermittelt wird. Die Bedeutung des Glutamatsystems
u. a. im Hinblick auf die Entwicklung des „Suchtgedächtnisses“ ist hinsichtlich des
Glücksspielens bislang noch nicht sicher zu benennen.
Zusammenfassend konnten bislang auf neurobiologischer Ebene prädisponie-
rende Faktoren identifiziert werden, die zu einer erhöhten Vulnerabilität zur Ent-
wicklung eines pathologischen Glücksspielens beitragen können. Insbesondere
handelt es sich hier um eine Dysfunktion im Belohnungssystem in Verbindung mit
einer verminderten Impulskontrolle bzw. einer erhöhten Depressivität. Ähnliche
Risikofaktoren finden sich jedoch auch bei substanzbezogenen Süchten. Weitere
neurobiologische Befunde sprechen für eine besondere Aktivierung weiterer Neu-
rotransmitter und vernetzter neuronaler Strukturen, die im Sinne von „Teufelskrei-
sen“ das süchtige Verhalten aufrechterhalten. Somit werden die Zusammenhänge
zwischen Motivation, Affektregulation und Impulskontrolle deutlich. Dennoch soll-
te bezüglich der neurobiologischen Forschung kritisch angemerkt werden, dass
zumeist versucht wird, komplexe psychische Prozesse auf einzelne, umschriebene
Hirnareale zu beziehen. Dies scheint jedoch unzulässig, da es sich bei den be-
schriebenen Funktionen auf der Gehirnebene vielmehr um sehr komplexe Netz-
werke mit sich gegenseitig regulierenden Prozessen handelt (Tretter, 2012).
38
3.2 Psychologische Ursachenmodelle
Zur Erklärung des pathologischen Glücksspielens liegt keine einheitliche Stö-
rungstheorie vor. Alternative Modellvorstellungen betonen (noch einseitig) einzelne
Aspekte des Störungsbildes. Geordnet nach der Entstehungsgeschichte sind das
entwicklungspsychopathologische, suchttheoretische und kognitive Modell die
wichtigsten Ansätze. Neuere integrative Ansätze können lediglich als abstrakte
Übersichts- und Orientierungsschemata angesehen werden. Ein klinisches Vulne-
rabilitätsmodell bedarf der weiteren empirischen Validierung.
3.2.1 Entwicklungspsychopathologie
Die innerhalb der traditionellen Psychiatrie vertretene Unheilbarkeit der Glücks-
spielsucht wurde zuerst von der klassischen Psychoanalyse infrage gestellt. Es
bestand jedoch eine deutliche Skepsis bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten
fort, da es sich nach psychoanalytischer Auffassung bei der Glücksspielsucht um
eine frühe Störung handelt, die mit Einschränkungen der Ich-Funktionen verbun-
den ist und aufgrund einer korrespondierenden Störung der Lust-Unlust-Regula-
tion eine geringe Veränderungsmotivation angenommen wird.
Die psychoanalytischen Konzepte über die Glücksspielsucht spiegeln von ihren
Anfängen bis heute die theoretische Weiterentwicklung der Psychoanalyse wider.
Ursprünglich waren dies triebtheoretische Vorstellungen, wonach es sich um
eine Regression auf frühe Stufen der Libidoentwicklung handelt, während aktuell
objektpsychologische Annahmen, die das pathologische Glücksspielverhalten als
Selbstheilungsversuch vor dem Hintergrund einer narzisstischen Persönlichkeits-
störung ansehen, vertreten werden. Danach dient das Glücksspielverhalten dazu,
Ich-Defizite, die aus der Frustration des frühkindlichen Bedürfnisses nach elterli-
cher Zuwendung entstanden sind, zu bewältigen, was jedoch zu einer Störung der
Affektregulation und damit süchtigen Impulshandlungen führt.
Am bekanntesten ist der Interpretationsversuch des amerikanischen Psychiaters
Bergler, der sich auf die Behandlung von mehr als 60 pathologischen Glücksspie-
lern bezieht (Bergler, 1957). Anhand dieser Stichprobe von Karten- und Würfel-
spielern, Roulettespielern, Pferdewettern und Börsenspielern beschreibt er alle
charakteristischen Merkmale des pathologischen Glücksspielens. Unter Abgren-
zung von unproblematischen Formen des Glücksspielens charakterisiert er die
Zuspitzung des Glücksspielverhaltens als nicht mehr überwindbare Teufelskreise,
die am Ende alle Lebensbereiche zerstörerisch erfassen.
39
Im Mittelpunkt stehen:
▶ die ausgeprägte Selbstwertproblematik mit einer nach außen gerichteten
Fassade von Pseudoaggressivität,
▶ der beim Glücksspielen erlebte lustvoll-schmerzhafte Erregungszustand,
▶ die Rationalisierungsversuche und magischen Denkweisen als Reaktion
auf negative Konsequenzen des Glücksspielens,
▶ die ausgeprägten Allmachts- und Gewinnfantasien, verbunden mit einer
sozialen Vereinsamung und Entfremdung,
▶ die herausragende Bedeutung des Geldes für das Selbstwertgefühl sowie
▶ das gleichzeitige Auftreten affektiver und sexueller Störungen oder stoff
gebundener Süchte.
Er beschreibt die tragikomische Entwicklung des pathologischen Glücksspielers
als ein Verlustgeschäft, in dessen Verlauf aus dem großen Gewinner ein armseli-
ger Einfaltspinsel wird.
Bergler führt den negativen Entwicklungsverlauf und die vielfältigen Facetten der
Glücksspielproblematik auf einen „psychischen Masochismus" als Kernursache
zurück. Dem pathologischen Glücksspieler ist es in seiner Entwicklung nicht
gelungen, seine reale Begrenztheit anzuerkennen, sodass unbewusste Größen-
fantasien fortbestehen. Aufgrund der damit verbundenen Aggressionen gegen
die Eltern mit daraus resultierenden Schuldgefühlen besteht eine Tendenz zur
Selbstbestrafung in Form des unbewussten Wunsches nach Verlust. Der lustvoll
schmerzhaft erlebte Erregungszustand beim Glücksspielen erklärt sich aus
den lustvoll erlebten aggressiven Größenfantasien auf der einen Seite und der
schmerzhaften Erwartung einer gerechten Bestrafung auf der anderen Seite.
Bei diesen Annahmen handelt es sich um eine Überinterpretation, die versucht,
alle äußeren Erscheinungsformen eindimensional auf eine psychische Tiefen-
struktur zurückzuführen, wobei die bewussten Motive wie das Streben nach Erfolg
und Gewinn, die Vertreibung von Langeweile, die Bewältigung negativer Gefühle
sowie verzerrte Denkmuster und defensive Verhaltensstrategien allein als Symp
tome eines unbewussten Strebens nach Bestrafung und Verlust begriffen werden.
Im Falle Berglers werden die Fallgeschichten entsprechend immer wieder in Form
glaubwürdiger Geschichten über den „unbewussten Wunsch zum Verlieren" prä-
sentiert, so als handele es sich um ein tatsächliches Geschehen, an dessen Wahr-
heitsgehalt nicht zu zweifeln sei.
40
Eine klinische Vergleichsstudie (Petry, 2001) von pathologischen Glücksspielern mit
Alkoholkranken und psychosomatisch Erkrankten belegt zwar die Annahme dieses
tiefenpsychologischen Modells, wonach behandelte Glücksspieler im Vergleich mit
den Alkoholkranken und psychosomatisch Erkrankten die schwerste psychische
Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit und die niedrigste Vehaltenskontrolle
aufweisen. In Bezug auf die Selbstwertstörung als ein Aspekt der psychischen
Gesundheit lassen sich zwar pathologische Glücksspieler von einer normalen
Kontrollgruppe, nicht jedoch von einer klinischen Vergleichsgruppe von Alkohol
kranken abgrenzen (Vierhaus et al., 2012). Die Selbstwertstörung kann danach
nicht als spezifisch für behandelte pathologische Glücksspieler angesehen wer-
den, sondern scheint auch für andere klinische Gruppen charakteristisch zu sein.
Hinsichtlich der dysfunktionalen Gefühlsregulation und der Beziehungsstörung
als zwei weiteren Aspekten der eingeschränkten seelischen Gesundheit zeigen die
pathologischen Glücksspieler jedoch eine spezifische Vulnerabilität im Vergleich
mit Alkoholkranken (Vierhaus et al., 2012; vgl. Kapitel 3.4.2). Über die dabei ange-
nommenen entwicklungspathologischen Prozesse in der Sozialisation von Glücks-
spielern liegen noch keine Längsschnittstudien vor. Es lässt sich lediglich auf die
häufig gestörten Vaterbeziehungen und vielfältigen Missbrauchserfahrungen (Vo-
gelgesang, 2010) bei pathologischen Glücksspielern im Querschnitt verweisen.
3.2.2 Suchtkonzepte
Klassisches Suchtkonzept:
Das Mitte der 1970er Jahre eingeführte Suchtkonzept (Custer et al., 1975) stellt
eine Übertragung des allgemein bekannten Phasenmodells des Alkoholismus auf
die Problematik des „zwanghaften Glücksspielens" dar. Die bisher umfassendste
Darstellung der auf dieser Grundlage gewonnenen klinischen Erfahrungen und
therapeutischen Grundsätze findet sich in der von Custer und Milt (1985) veröffent-
lichten Monographie „When luck runs out". Bei dem beschriebenen „zwanghaften
Glücksspieler" entwickelt sich im Laufe seiner Glücksspielerkarriere die Unfähig-
keit, den Impuls zum Glücksspielen zu kontrollieren, unabhängig davon, wie zer-
störerisch die Konsequenzen sind. Es besteht ein unwiderstehliches Verlangen, als
unerträglich erlebte Spannungen durch die Aktion des Glücksspielens abzubauen.
Glücksspielen wird zur Hauptaktivität seines Lebens, der Verlauf ist progressiv und
erfasst zunehmend alle Lebensbereiche, was in einem körperlichen, persönlichen,
ethischen und sozialen Niedergang endet. Als wesentliches Glücksspielmotiv wird
das Streben nach Gewinn betrachtet, welches über den materiellen Aspekt hinaus
dem Glücksspieler das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein. Die erste
große Gewinnerfahrung („big win“) wird mit der Zündung einer Rakete verglichen,
die den Glücksspieler von den Gravitationskräften der Vernunft und Realität löst
41
und auf den schwerelosen Flug der Illusion und Fantasie schickt, auf dem es keine
Grenzen des eigenen Tuns gibt. Dies führt zu einer deutlichen Metamorphose, die
zu einer sozialen Desintegration, der Entwicklung psychosomatischer Erkrankun
gen und zunehmend negativer Gefühle des Misstrauens, der Angst und der Ver-
zweiflung führt, was ganz im Gegensatz zu dem früheren Bild eines freundlichen,
großzügigen und kontaktbereiten Menschen steht. Hinter der bürgerlichen Fassa-
de des Dr. Jekyll verbirgt sich die ganz andere Mr.-Hyde-Persönlichkeit.
Bei der Erklärung der Ursachen des zwanghaften Glücksspielens wird auf die
fehlende und unvollständige Befriedigung frühkindlicher emotionaler Bedürfnisse,
insbesondere im Rahmen einer gestörten Vater-Sohn-Beziehung, als individuelle
Anfälligkeit für ein zwanghaftes Glücksspielverhalten hingewiesen. Im Zentrum
stehen das beziehungsbedingte negative Selbstkonzept und der fehlende Selbst-
wert, was zu einer kompensatorischen Suche nach Anerkennung und Kontrolle im
Sinne Adlers (1974) führt. Als weitere Ursachen werden ein anlagebedingtes star-
kes Bedürfnis nach Erregung mit der Suche nach besonderen Risiken im Leben,
die einstellungsbedingte zentrale Bedeutung des Geldes als Ausdruck von Aner-
kennung und Macht und das Vorherrschen magischer Denkweisen angesehen.
Im Gegensatz zu dem entwicklungspsychopathologischen Ansatz (vgl. Kapitel
3.2.1) konzentriert sich das klassische Suchtkonzept von Custer und Milt (1985)
auf die symptomatische Oberfläche der progressiv und phasenhaft verlaufenden
Suchtdynamik, die bis zu einem Tiefpunkt fortschreitet, woraus sich die Chance
zur Umkehr ergibt.
Kritisch anzumerken ist weiterhin, dass der Rückgriff auf das Kompensations-
prinzip von Adler (1974) lediglich eine deskriptive Hilfsbrücke zwischen der sehr
treffend beschriebenen Selbstwertproblematik des Glücksspielers und seiner
fortschreitenden Verwicklung in das Glücksspielverhalten darstellt. Dies kann
dazu führen, dass der Glücksspieler nicht als verantwortlich handelnde Person,
sondern letztendlich als Opfer einer eindimensional verlaufenden Suchtdynamik
begriffen wird.
In empirischen Untersuchungen bestätigt sich die suchttypische verminderte
Impulskontrolle bei pathologischen Glücksspielern wie bei anderen Suchterkran-
kungen im Sinne einer Orientierung auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung
im Gegensatz zu eher gehemmten psychosomatischen Patienten (Petry, 2001).
Entsprechend finden sich bei pathologischen Glücksspielern Gefühle der Euphorie
bei simulierten Gewinnen sowie eine erhöhte Herzfrequenz in realen Glücks-
spielsituationen auch in Abhängigkeit von der Höhe des Geldeinsatzes und eine
verstärkte Gehirnaktivität im Vergleich zu sozialen Glücksspielern als Hinweise auf
eine suchttypische Gefühlsregulation.
42
Es ist erstaunlich, dass an keiner Stelle auf die Vorarbeiten zur Phasenentwick-
lung des Alkoholismus (Jellinek, 1960) verwiesen wird, obwohl sich das Konzept
daran orientiert, wobei es im Gegensatz zu diesem Vorbild bis heute keiner em-
pirischen Überprüfung unterzogen worden ist. Auf die Befunde zum „Selbstaus-
stieg“, die empirisch gegen eine generell progredient verlaufende Suchtdynamik
sprechen, wurde bereits im Kapitel 2.5 genauer eingegangen. Die Abhängigkeit
der Suchtentwicklung von soziodemographischen Merkmalen in Bezug auf das
Geschlecht und ethnische Herkunft werden noch genauer beschrieben (vgl. Kapi-
tel 7.1 und 7.2).
Aktuelles Verhaltenssuchtkonzept:
Der wissenschaftliche und öffentliche Suchtdiskurs wird derzeit durch das Verhal-
tenssuchtkonzept bestimmt. Dieses Konstrukt bezieht sich auf sogenannte nicht-
stoffgebundene Suchtformen und postuliert, dass die „Verhaltenssüchte“
typische Ähnlichkeiten mit den bekannten stofflichen Suchtformen wie Alko-
hol- und Tabakabhängigkeit sowie diversen Formen der Drogenabhängigkeit
aufweisen. Danach handelt es sich um exzessive Verhaltensmuster, die im Verlauf
durch suchttypische Einschränkungen und gravierende Nachteile gekennzeichnet
sind. Genannt werden die Arbeits-, Kauf-, Sport-, Ess-, Sex-, Glücksspiel- und
neuerdings Computersucht. Thalemann (2009) nennt als Kriterien einer „Verhal-
tenssucht“: Verhaltensexzess, Kontrollverlust, unmittelbare Belohnung, Toleran-
zentwicklung, Wirkungsumkehr, unwiderstehliches Verlangen, Gefühlsregulation,
positive Wirkungserwartung, eingeengtes Verhaltensmuster, gedankliche Be-
schäftigung mit dem Verhaltensexzess, verzerrte Wahrnehmung, Entzugserschei-
nungen, Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen, konditionierte Reaktionen auf
externe und interne Reize sowie Leidensdruck.
Die theoretische Verortung des Verhaltenssuchtkonzeptes erfolgt innerhalb des
organischen Krankheitsmodells des Alkoholismus, der behavioristischen und der
um kognitive Elemente erweiterten sozial-kognitiven Lerntheorie zur Entstehung
und Aufrechterhaltung abhängigen Verhaltens sowie dem Konzept neurobiologi-
scher Korrelate von stoffgebundenen und nichtstoffgebundenen Süchten (Böning,
Grüsser-Sinopoli, 2009).
Der theoretische Bezug zum organischen Krankheitskonzept stützt sich auf die
Arbeiten von Jellinek (1960), der auf dem Hintergrund des psychiatrischen Krank-
heitsmodells zur Trunksucht um die Wende zum 19. Jahrhundert und der späteren
Ausformulierung des chronischen Alkoholismus als Krankheitsbild dem orga
nischen Krankheitskonzept zum Durchbruch verholfen hat. Von Edwards (Edwards,
1986) wurde die deskriptive Verallgemeinerung des sogenannten Abhängigkeits-
43
syndroms formuliert, die als Grundlage für die Operationalisierung stofflicher
Suchtformen und später auch des pathologischen Glücksspielens in den psychiat-
rischen Klassifikationssystemen diente.
Jellinek (1960) grenzt mit dem zentralen Begriff des organisch bedingten „Kon-
trollverlustes“ den Alkoholismus als Erkrankung vom starken Trinken ab. Seine
Begrifflichkeit bezieht sich auf die körperliche Abhängigkeit, d. h. die „Toleranzen-
twicklung“, das „unwiderstehliche Verlangen“ und die „Entzugserscheinungen“.
Von Jellinek wurde das Phasenkonzept des chronischen Verlaufs des Alkoholis-
mus durch Befragung von Mitgliedern der Anonymen Alkoholiker entwickelt, was
zur Konstruktion von Fragebogen führte, die typische Entwicklungsereignisse der
zunehmenden körperlichen Abhängigkeit erfassen. Edwards (1986) beschreibt das
(dimensionale) Alkoholabhängigkeitssyndrom zusätzlich durch die zunehmende
Einengung der Variabilität des (exzessiven) Trinkmusters, die verstärkte kognitive
und behaviorale Ausrichtung der Lebensgestaltung auf das Trinkverhalten und die
Fortsetzung des Trinkens trotz negativer Folgen.
Ein weiterer Bezugspunkt ist die klassische Lerntheorie, nach der sich alle psy
chischen Prozesse als erlernte Verknüpfungen von Reizen und Reaktionen verste-
hen lassen. Die kognitivistische Erweiterung dieses Ansatzes in der sozial-kogni-
tiven Lerntheorie prägt bis heute das psychologische Denken in weiten Bereichen.
In diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Persönlichkeit um
eine Ansammlung erlernter kognitiver, emotionaler und motorischer Verhaltens-
dispositionen handelt.
Die lerntheoretische Erklärung stoffgebundener Süchte geht davon aus, dass neu-
trale interne oder externe Reize im Laufe der Suchtentwicklung zu konditionierten
Reizen werden, die mit dem Suchtmittel oder dem Suchtverhalten assoziiert sind
und zum Suchtverlangen führen, wodurch das weitere Suchtverhalten ausgelöst
wird. Weiterhin wird angenommen, dass durch eine positive (angenehm sedieren-
der oder stimulierender Effekt des Suchtmittels) oder negative (Reduzierung oder
Vermeidung unangenehmer Zustände durch den Suchtmittelkonsum) Verstärkung
des Suchtverhaltens eine dauerhafte und bei einer intermittierend erfolgten Ver-
stärkung schwer löschbare Verhaltensgewohnheit entsteht. Es verfestigt sich eine
nicht bewusste, automatisierte Emotionsregulation zur Aufrechterhaltung eines
inneren Gleichgewichtszustandes. Der Ansatz wird um kognitive Elemente erwei-
tert, indem auf positive Wirkungserwartungen, kognitive Mechanismen der Af-
fektverarbeitung und -regulation und den Einfluss von dysfunktionalen Grundein-
stellungen bei der Entstehung des Drogenverlangens und der Rückfallauslösung
verwiesen wird. Dieser Erklärungsansatz wird auf die Entstehung und Aufrechter-
haltung von „Verhaltenssüchten“ übertragen (Thalemann, 2009).
44
Das Verhaltenssuchtkonzept stützt sich neuerdings auf die Ergebnisse und Metho
den der neurobiologischen Forschung und überträgt die Ergebnisse zu neurobiolo
gischen Korrelaten bei stofflichen Süchten auf den Bereich der „Verhaltenssüchte“.
Das neurobiologische Suchtmodell hat entscheidende Fortschritte gemacht, die
mit der Entdeckung charakteristischer Neurotransmittersysteme für die Wirkungs-
weise psychogener Substanzen, insbesondere durch Aktivierung des sogenann-
ten Belohnungssystems, der Erforschung der Neuroadaption bei fortgesetztem
Drogenkonsum und der Ätiopathogenese des Entzugssyndroms bei Suchtmittel-
abhängigen, der experimentellen Erforschung der drogenassoziierten Reizsensi
bilisierung und des Drogenverlangens sowie der Gewohnheitsbildung mit einer
herabgesetzten Impulskontrolle bei Suchtkranken in Verbindung stehen.
Inzwischen werden diese Erkenntnisse zunehmend im Bereich der nichtstoffge-
bundenen Süchte nachvollzogen. Böning und Grüsser-Sinopoli (2009) betonen,
dass „im Rahmen eines integrativen Modells zur Entstehung und Aufrechterhal-
tung süchtigen Verhaltens gleichermaßen stoffgebundene wie nichtstoffgebunde-
ne Süchte in denselben zentralnervösen Mechanismen verankert sind“ (S. 45) und
zitieren entsprechende Neuroimaging-Studien zur Glücksspielsucht. Die neuro-
biologische Grundlage für die Glücksspielsucht bildet entsprechend „der Verlust
an neuronaler Plastizität mit der möglichen Konstituierung eines Suchtgedächt-
nisses.“ (Böning, Grüsser-Sinopoli, 2009, S. 53). Dadurch „vermag der für Vernunft
und Handlungsplanung zuständige Präfrontalkortex die tiefen subkortikalen Hirn-
strukturen nicht mehr zu kontrollieren“ (Böning, Grüsser-Sinopoli, 2009, S. 54).
Das Verhaltenssuchtkonzept erweist sich aus wissenschaftstheoretischer Pers-
pektive als ein nicht tragfähiges hypothetisches Konstrukt. Die theoretische Veran-
kerung im organischen Krankheitskonzept der Lerntheorie und der Neurobiologie
enthält grundlegende wissenschaftslogische Fehlschlüsse (Petry, 2010; Tretter,
2012). So beinhaltet die Übertragung der Begrifflichkeit (theoretische Verortung)
und deren Operationalisierung (empirische Verankerung) aus dem Bereich der
stoffgebundenen Süchte auf die sogenannten Verhaltenssüchte einen Kategorien-
fehler im Sinne der analytischen Philosophie (Bieri, 2007). Es werden die theore-
tischen Annahmen und empirischen Befunde zur körperlichen Abhängigkeit wie
z. B. dem Alkoholabhängigkeitssyndrom auf den Bereich der „Verhaltenssüchte“
übertragen. Ein Begriff, der in der Kategorie Körper mit einer spezifischen Ätiopa-
thogenese theoretisch verortet ist und dessen klinisches Bild von internistischen,
neurologischen, vegetativen und psychischen Symptomen und dessen charakteris
tischer Verlauf mittels medizinisch-psychiatrischer Beobachtung und Messung
empirisch verankert ist, wird auf den Bereich des Psychischen angewandt. So wird
beim Einsatz von Jellinekschen Fragebögen zur Erfassung von „Verhaltenssüch-
45
ten“ statt der genannten körperlichen Entzugserscheinungen das subjektive Erle-
ben der betroffenen Personen im Sinne eines impliziten Krankheitsverständnisses
erhoben. Durch diese Übertragung körperbezogener Begriffe auf den Bereich des
psychischen Erlebens liegt eine Bedeutungsverschiebung vor, da sich der gleiche
Begriff „Entzugserscheinungen“ auf unterschiedliche Sachverhalte bezieht. Ein
nichtstoffgebundener Verhaltensexzess muss wissenschaftslogisch in der theo-
retischen Begrifflichkeit der Psychologie als der Wissenschaft vom menschlichen
Empfinden und Verhalten verortet und mit Methoden der experimentellen und
empirischen Psychologie verankert werden.
Paradoxerweise wird die Entstehung und Aufrechterhaltung von sogenannten
Verhaltenssüchten – die nicht durch organische Substanzen mit psychotroper
Wirkung mitbestimmt sind – vorwiegend auf organische Prozesse zurückgeführt.
Die psychischen und sozialen Determinanten werden sowohl begrifflich nicht aus-
reichend elaboriert als auch empirisch nur eingeschränkt erfasst. Dabei wird das
Pferd von hinten aufgezäumt, indem die nachgeordnete körperliche Abhängigkeit
und deren neurobiologische Korrelate begrifflich ins Zentrum des Konstruktes
gerückt werden, während die für die Entstehung einer Sucht primär ursächlichen
sozialen Lebensbedingungen und die psychischen Anfälligkeiten der betroffenen
Individuen konzeptionell eingeschränkt und nachrangig einfließen. Das Verhal-
tenssuchtkonzept entspricht somit nicht dem allgemein anerkannten biopsycho-
sozialen Krankheitsverständnis, wie es aktuell von West (2010) vertreten wird.
Im Rahmen einer Systemtheorie der Abhängigkeit werden dabei alle empirisch
bekannten körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen als prozesshafte
Suchtentwicklung verstanden.
3.3.2 Gesellschaftsformation
Zum besseren Verständnis derzeitiger Erscheinungsformen des Glücksspielens
und zur Bewertung aktueller Entwicklungstendenzen ist es sinnvoll, die histo-
rischen Veränderungen des gesellschaftlichen Glücksspielangebotes und der
jeweils verbreiteten sozialen Glücksspielmuster zu betrachten. Dies kann hier
lediglich in einem verkürzten Überblick erfolgen.
Die Zeugnisse früher Hochkulturen lassen vermuten, dass das einfache Würfel-
spiel eines der ältesten Glücksspiele ist. So finden sich antike Spielwürfel, die aus
Sprunggelenkknöcheln bestehen, auf die Punkte oder Symbole eingeritzt sind
(sogenannte Astragale). Diese Würfel dienten der „Befragung“ des Schicksals als
ursprüngliche Glücksspielform:
„Das Glücksspiel … wird geprägt von der Faszination der Magie, der Bezwingung
des Glücks und der Wahrsagung. Magische, religiös anmutende Rituale und irra-
tionale Kontrollüberzeugungen beherrschen und beherrschten in Gegenwart und
Vergangenheit das Glücksspiel, das allein oder ganz überwiegend vom Zufall ab-
hängig ist.“ (Giżycki, Górny, 1970, S. 26).
Aufgrund der gering entwickelten Naturbeherrschung (beginnender Werkzeugge-
brauch) führte die erlebte Ohnmacht der Menschen zu einer weltanschaulichen
Mischung von spontan-materialistischen und mystisch-religiösen Vorstellungen
(Totemismus, Animismus, Fetischismus). Das Glücksspielen hatte entsprechend
die Funktion der kultisch-rituellen und magisch-metaphysischen Lebensbewälti-
gung.
Anthropologisch entspringt das Glücksspielen jedoch nicht dem generellen
Wunsch nach einer übernatürlichen Welterfahrung durch Auslieferung der ei-
genen Existenz an das unberechenbare Schicksal. Die Erscheinungsformen des
Glücksspielens und der Glücksspielsucht zeigen vielmehr einen historisch-gesell-
schaftlichen Wandel in Abhängigkeit von der Gesellschaftsformation.
51
Im Feudalismus mit seiner hierarchischen Unter- und Überordnung (König, Vasal-
len, hörige/leibeigene Bauern) und seiner „gottgewollten“ ständischen Struktur
hatte das „höfische Kartenspiel“ (König, Dame, Bube) als typische Glücksspiel-
form der Herrschenden die Funktion einer Überlegenheitsgeste der herrschenden
Klasse:
„Die äußerst heterogene und in ihrem Bestand dauernden Veränderungen unter-
worfene Sozialgruppe des Adels sah sich permanent der Herausforderung aus-
gesetzt, ihr Selbstverständnis nach den äußeren und inneren Modifikationen der
Ständegesellschaft auszurichten … Das Spiel, zumal das Glücksspiel, wurde zum
unabdingbaren Attribut adeligen Lebensstils … Reichtümer im Rahmen der „Ethik
des ritterlichen Müßigganges“ zu verschwenden und zu zerstören, anstatt sie zu
produzieren.“ (Zollinger, 1997, S. 47).
Im Kapitalismus treten dem Arbeiter sowohl seine Produkte als auch seine Tätig-
keit als etwas Fremdes und Äußerliches gegenüber (Entfremdung). Der Geldspiel-
automat stellt entsprechend die typische Glücksspielform der Lohnabhängigen
und des Prekariats dar. Die Aktivität an den gewerblichen Geldspielautomaten
lässt sich als Arbeitsprozess interpretieren:
„Zocken ist Leistungssport. Der Schweiß perlt von der Stirn. Heißkalte Schauer ja-
gen von den Fußsohlen bis hinauf in die Haarwurzeln. Der Körper ist nun hundert-
prozentig aufs Spielen eingestellt … Konnte ich nicht auch vier, manchmal sogar
sechs Stunden vor mehreren Automaten stehen und regelrecht arbeiten?”
(Schuller, 2008, S. 113).
„Tatsächlich spielte ich mit dem Gedanken, Berufsspieler zu werden. Denn mein
eigentlicher Job brachte mir außer Ärger kaum mehr etwas ein.”
(Schuller, 2008, S. 306).
Das Geldautomatenspiel fängt in Form der Aufsteigermentalität (vom Tellerwä-
scher zum Millionär) den „Geist des Kapitalismus“ Webers (1920) ein und nimmt
im Sinne der Frankfurter Schule alle Bereiche des Lebens – auch den der
„Freizeit“ – in Beschlag.
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4 Diagnostik
60
4.2 Differenzialdiagnostik
Innerhalb der nosologischen Einordnung des pathologischen Glücksspielens
erfolgt eine Abgrenzung vom gewohnheitsmäßigen Glücksspielen, das als Aus-
druck eines auf Spannung und Geldgewinn orientierten Lebensstils definiert wird.
Gewohnheitsmäßige Glücksspieler sind in der Lage, bei Verlusten ihr Glücksspiel-
verhalten einzuschränken.
Ebenfalls abzugrenzen ist ein exzessives Glücksspielverhalten im Rahmen einer
manischen Episode. Die ist jedoch sowohl in der Bevölkerung als auch in der
Klinik sehr selten der Fall. Eine ebenso seltene Besonderheit ist das exzessive
Glücksspielverhalten als Folge einer speziellen Parkinsonmedikation (vgl. Exkurs
in Kapitel 6.5.2). Das Vorliegen einer soziopathischen oder antisozialen Persön-
lichkeit als Ausschlusskriterium ist umstritten. Während das ICD-10 (Dilling et al.,
1991) noch daran festhält, wird das häufige antisoziale Verhalten nach dem DSM-
IV (Saß et al., 1996) als Bestandteil des Störungsbildes angesehen.
Das pathologische Glücksspielen und der pathologische PC-/Internetgebrauch,
speziell die Unterform des „Gamens“, werden häufig beide als „Spielsucht“ be-
zeichnet. Es handelt sich aber um grundsätzlich verschiedene Erkrankungen, die
lediglich die Selbstwert steigernde Spielerfahrung teilen, nicht aber den mit dem
Geldeinsatz und dem Zufallseinfluss verbundenen „Kick“ des Glücksspielers. Bei
Internetglücksspielen fungiert das Medium PC/Internet lediglich als Mittel zum
Erreichen der glücksspielspezifischen Erregung. Das pathologische Glücksspielen
ist vor diesem Hintergrund eine seit Jahrhunderten bekannte Suchterkrankung
mit einer individuell und gesellschaftlich extrem destruktiven Dynamik, insbe-
sondere mit häufiger Suizidalität und Delinquenz. Beim pathologischen PC-/
Internet-Spielen handelt es sich dagegen um ein neues psychisches Störungsbild
(Petry, 2010), bei dem aus einem eigentlich positiven Spielverhalten eine pathologi-
sche Entwicklung dadurch entsteht, dass sich Heranwachsende und Erwachsene
regressiv in virtuelle Welten zurückziehen. Das immersive Erleben (völlige Ver-
sunkenheit in die virtuelle Erlebnisweise und damit verbundene Veränderung der
Selbstwahrnehmung in der realen Welt) im Umgang mit dem Medium PC/Internet
62
dient der Erlangung von sozialer Anerkennung und der Kompensation der frust-
rierten Grundbedürfnisse nach Selbstwertsteigerung, Kontrolle und Bindung. Die
beiden Störungsbilder lassen sich klinisch hinsichtlich der Persönlichkeitsstruk-
tur und Anfälligkeit unterscheiden. Dem sozialängstlichen, schüchternen, sozial
zurückgezogenen patho-logischen „Gamer“ steht der sozial kompetent auftreten-
de, extravertierte, teilweise kriminelle Glücksspieler gegenüber. Auch wenn sie
oft eine depressiv-selbst-unsichere Störung teilen, unterscheidet sich der daraus
resultierende Bezug zur sozialen Umwelt in dieser charakteristischen Weise.
4.3 Screeningverfahren
Ein pragmatisches Vorgehen bei der Ersterfassung einer Glücksspielproblematik
im Sinne eines Screeningverfahrens könnte darin liegen, dass der behandelnde
Kliniker zunächst erfragt, ob mit einem der bekannten Glücksspielmedien (Geld-
spielautomaten, Kasinospiele etc.) Erfahrungen vorliegen, ohne das Ausmaß zu
erfragen, um keine Bagatellisierungstendenzen zu provozieren. Danach könnte er
in Anlehnung an den nur vier Items umfassenden CAGE-Fragebogen zur Diagnose
des Alkoholismus einen entsprechenden glücksspielerspezifischen Fragebogen
einsetzen. Es werden dabei vier zentrale Merkmale mit dem CCCC-Questionnaire
der Glücksspielsucht (cannot quit, chasing, craving und consequences) (vgl. Ka-
pitel 9) erfasst. Dabei müssen vier Aussagen mit richtig oder falsch bewertet
werden:
▶ „Ich kann mit dem Glücksspielen erst aufhören, wenn ich kein Geld mehr habe."
▶ „Verlieren ist eine persönliche Niederlage, die ich wettmachen möchte."
▶ „Ich denke oft ans Glücksspielen und verspüre einen inneren Spieldrang."
▶ „Zur Geldbeschaffung habe ich schon andere Menschen belogen oder betrogen."
Ein Trennwert von zwei positiv beantworteten Items kann als Kriterium für das
Vorliegen einer Glücksspielproblematik angesehen werden. Zur Absicherung wird
noch die Höhe der Verschuldung in 1.000-Euro-Kategorien als glücksspieler-typi-
scher Indikator für die negativen Folgen einer Suchtentwicklung abgefragt.
Inzwischen bestehen darüber hinaus einige auch testpsychologisch entwickelte
Screeningverfahren zur Feststellung des Vorhandenseins und des Ausmaßes einer
Glücksspielproblematik.
Die meisten dieser Fragebogen orientieren sich an dem empirisch nicht abgesi-
cherten Phasenkonzept der Entwicklung zur Glücksspielsucht von Custer und Milt
(1985), welches die anfänglich vorwiegend am Geldgewinn orientierte „Gewinn
63
phase“ von der durch die Aufholjagd gekennzeichneten „Verlustphase“ und der
mit extremen psychosozialen Konsequenzen bestimmten „Verzweiflungsphase“
unterscheidet (vgl. Kapitel 2.5).
Vorbild für Screeningverfahren, die sich an diesem Phasenkonzept der Suchtent-
wicklung orientieren, sind die bekannten „20 Fragen“ („Twenty Questions“) der
Gamblers Anonymous (1980), wie sie bei Mitgliedern dieser Organisation erfasst
wurden. Es werden die typischen Merkmale der Glücksspielsucht wie die be-
kannte Aufholjagd, Einschränkungen der Kontrollfähigkeiten, Geldbeschaffungs-
strategien, Glücksspielmotive, Gewissensbisse und die persönlichen, familiären,
beruflichen und strafrechtlichen Nachteile des Glücksspielverhaltens formuliert.
Als pragmatische Auswertungsrichtlinie wird bei der Bejahung von sieben der 20
Fragen von dem Vorliegen eines „zwanghaften Glücksspielens" im Sinne einer
Selbstdiagnose ausgegangen. An einer Stichprobe sozialer und problematischer
Glücksspieler konnte die testkonstruktive Güte im Vergleich mit anderen Fragebo-
gen belegt werden.
In der klinischen Praxis und bei epidemiologischen Untersuchungen war zunächst
der „South Oaks Gambling Screen“ (SOGS) am weitesten verbreitet (Lesieur, Blu-
me, 1987). Dieses Verfahren orientiert sich inhaltlich an den „20 Fragen“ und den
Kriterien des DSM-III. In Übersichtsarbeiten wurde eine Fülle von klinischen und
epidemiologischen Studien referiert, die insgesamt eine Bestätigung der Reliabili-
tät und Validität des Verfahrens belegten. Inzwischen wird die Skala aufgrund von
Mängeln der Itemauswahl und -formulierung sowie der eingeschränkten Validität
bei Bevölkerungsbefragungen zunehmend kritisch betrachtet.
Die meisten der aktuellen Screeningverfahren orientieren sich an den DSM-Krite-
rien, wie sie von der American Psychiatric Association (Saß et al., 1996) ursprüng-
lich formuliert und dann später als Skalen konstruiert wurden. Die jeweiligen Vor-
und Nachteile dieser international verbreiteten Verfahren werden in der Literatur
ausführlich diskutiert.
Mit dem „Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten“ (KFG) von Petry und Mitar-
beitern (Premper et al., 2013) liegt ein vergleichbares deutschsprachiges Scree-
ning-Verfahren im Sinne der klassischen Testtheorie vor, das in den ambulanten
und stationären Einrichtungen in Deutschland weitverbreitet ist. Der besondere
Vorteil der Skala liegt in der an einer repräsentativen Stichprobe vorgenommenen
Eichung, sodass mittels Prozentrangnormen die Schwere einer Glücksspielprob-
lematik quantifiziert werden kann. Das Testmanual enthält inzwischen auch Über-
setzungen des Fragebogens ins Englische, Französische, Spanische, Italienische,
Polnische, Russische und Türkische.
64
4.4 Anamnestik
4.4.1 Glücksspielsymptomatik
Zur Erhebung des Glücksspielverhaltens, seiner Entstehungsbedingungen und
aufrechterhaltenden Faktoren sowie Selbstkontrollversuchen in der Vorgeschichte
existieren spezielle Anamnesebögen (vgl. Kapitel 9).
Literatur:
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New York: Facts on File Publications.
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Göttingen: Hogrefe.
Saß, Henning et al. (1996): Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen DSM-IV.
Göttingen: Hogrefe.
5 Selbsthilfe 65
1. Wir gaben zu, dass wir dem Spielen gegenüber machtlos sind – und
unser Leben nicht mehr meistern konnten.
2. Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst,
uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.
3. Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der
Sorge Gottes – wie wir ihn verstanden – anzuvertrauen.
4. Wir machten gründlich und furchtlos eine moralische und finanzielle
Inventur in unserem Innern.
5. Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber
unverhüllt unsere Fehler zu.
6. Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen
zu lassen.
7. Demütig baten wir ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.
8. Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt
hatten, und wurden willig, ihn bei allen wiedergutzumachen.
9. Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es
möglich war –, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
10. Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten,
gaben wir es sofort zu.
11. Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu
Gott – wie wir ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten ihn, nur seinen
Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn
auszuführen.
12. Nachdem wir durch diese Schritte ein seelisches Erwachen erlebt hatten,
versuchten wir, diese Botschaft an süchtige Spieler weiterzugeben und
unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.
(www.anonyme-spieler.org, Zugriff: 20.02.2012)
67
Insbesondere für neue Mitglieder haben die Anonymen Spieler (GA) sechs
konkrete Empfehlungen formuliert:
1. Besucht so viele Meetings wie möglich, mindestens aber eines pro Woche.
2. Telefoniert untereinander in der Zeit zwischen den Meetings so oft wie
möglich. Benutzt die Telefonliste!
3. Versucht nicht, euch selbst zu testen! Haltet euch von anderen Leuten, die
noch spielen, fern. Geht nicht in die Nähe von Spieleinrichtungen. Vermeidet
jede Art von Glücksspiel – egal, ob es sich dabei um Würfeln, Wetten, Karten,
Lotto oder Toto, Tippgemeinschaften, Spekulationen auf dem Geld- und
Aktienmarkt, Game-Shows, Lotterien oder Jahrmarktsspiele handelt oder
ihr nur auf Kopf oder Zahl einer Münze setzt. Spiele um gar nichts!
4. Folgt dem Programm der Anonymen Spieler (GA) nach besten Kräften und
einen Tag zur Zeit. Versucht nicht, alle eure Probleme auf einmal zu lösen!
5. Lest das Genesungs- und Einheitsprogramm der Anonymen Spieler (GA)
immer und immer wieder und beantwortet euch die zwanzig Fragen selbst.
Richtet euch im täglichen Leben in eurem Denken und Handeln nach den
Zwölf Schritten zur Genesung. Sie verkörpern das Programm der Anonymen
Spieler (GA) und enthalten den Schlüssel für euer persönliches Wachstum.
Wenn ihr irgendwelche Fragen zum Programm habt, wendet euch an ältere
GA-Freunde und euren Sponsor!
6. Übt euch in Geduld! Die Zeit vergeht schnell. Solange ihr die GA-Meetings
regelmäßig besucht und euch selbst vom Spielen fernhaltet, wird eure
Genesung wirklich voranschreiten.
(www.anonyme-spieler.org, Zugriff: 20.02.2012)
Literatur:
Anonyme Spieler (1986): Broschüre der Anonymen Spieler. Hamburg: Kontaktstelle Deuschland
der „Anonymen Spieler“.
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(Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2012. Lengerich: Pabst, 125-141.
Meyer, Gerhard; Bachmann, Meinolf (2011): Spielsucht: Ursachen, Therapie und Prävention von
glücksspielbezogenem Suchtverhalten. 3. Auflage. Heidelberg: Springer.
6 Interventionsformen 69
6.1 Prävention
Der Präventionsbegriff (lat. praevenire = zuvorkommen, verhüten, überholen) hat
in den letzten Jahren einen Definitions- und Bedeutungswandel erfahren. Auf
Caplan (1964) geht die traditionelle Unterscheidung in primäre, sekundäre und
tertiäre Prävention zurück. Uhl (2009) weist darauf hin, dass die ursprüngliche
Definition von Caplan häufig verkürzt dargestellt wird.
Tab. 6.1
Tab. 6.3
72
Isolierte, verhaltenspräventive Maßnahmen und Programme weisen eine ver-
gleichsweise geringe Effektivität auf. Sie entfalten nur dann nennenswerte Wir-
kungen hinsichtlich Einstellungs- und insbesondere hinsichtlich Verhaltensände-
rungen, wenn sie sich in einem Rahmen solider gesetzlicher Rahmenbedingungen
bewegen, welche die Verfügbarkeit beschränken und somit den Gesamtkonsum
senken. Gefordert ist eine gute Kombination aufeinander abgestimmter Maß-
nahmen („policy mix“), die von der Aufklärung der Bevölkerung über Risiken und
Gefahren der Glücksspielteilnahme, über die Förderung und Stärkung der Ver-
braucher (z. B. Lebenskompetenzförderung) bis hin zu Werbebeschränkungen und
restriktiven Glücksspielgesetzen reichen.
Auf Basis bisher vorliegender eher lückenhafter Daten zur Wirksamkeit glücks-
spielsuchtspezifischer Maßnahmen haben Meyer und Bachmann (2011) in Anleh-
nung an Williams und Mitarbeiter (2007) verschiedene Präventionsmaßnahmen
hinsichtlich ihres Wirkungspotenzials eingeschätzt. Demnach erwiesen sich als
hoch bis mittelmäßig wirksam nur folgende Ansätze:
▶ Maßnahmen zur Stärkung der Lebenskompetenz (Familie, Schule, Peergroup)
sowie
▶ Maßnahmen zur Begrenzung der Verfügbarkeit von Glücksspielen:
▶ Beschränkung der Anzahl von Spielstätten,
▶ Begrenzung von Glücksspielen mit hohem Suchtpotenzial,
▶ örtliche Beschränkungen sowie
▶ Beschränkung des Alkohol- und Tabakkonsums während des Glücksspielens.
6.1.2 Aufklärungskampagnen
Die bundesweit erste Aufklärungskampagne zum Thema Glücksspielsucht hat das
nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium im Jahr 2004 unter dem Motto
„Ich mach’ das Spiel nicht mit“ gestartet. Die Kampagne umfasste Postkarten,
Flyer, Plakate und einen Kinospot. Flankierend wurde eine Hotline geschaltet, die
bis heute fortbesteht.
Nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages in Jahre 2008 wurden auf Bun-
desebene mit „Check dein Spiel“ und „Spielen mit Verantwortung“ (BZgA, 2009)
und in den meisten Bundesländern vergleichbare Kampagnen entwickelt.
Beispielsweise trägt die Kampagne in Berlin den Namen „Stopp! Faules Spiel!“
(www.faules-spiel.de), in Hamburg lautet der Slogan „Automatisch verloren.
Glücksspiel geht an die Substanz!“ (www.automatisch-verloren.de).
73
Die Kampagne der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern „Verspiel nicht dein
Leben" hat es bei den Effie Awards 2011 sogar unter die Finalisten geschafft.
Insbesondere der TV-Spot zur Kampagne gilt auch unter Suchtfachleuten als äu-
ßerst gelungen. Die Folgen einer Glücksspielsucht können kaum eindrucksvoller
dargestellt werden. Gezeigt wird zunächst eine typische Familienidylle: Haus im
Grünen mit Frau, spielenden Kindern, Hund, Garage und Auto. Plötzlich beginnen
sich drei Teile des Bildes wie ein Geldspielautomat zu drehen. Als sie zum Still-
stand kommen, sind Auto und Garage weg. Nach dem nächsten Dreh ist das Haus
verschwunden. Der Vorgang wiederholt sich bis nur noch die grüne Wiese zu se-
hen ist. Selbst der Hund ist verschwunden. Die attraktive Kampagne übertraf alle
gesetzten Ziele. Die Zahl der Besuche der Kampagnen-Website lag z. B. deutlich
über dem Ziel der Verzehnfachung und über das Kontakt-Tool der Homepage
konnten im Untersuchungszeitraum 5.000 Anfragen an die regionalen Beratungs-
stellen vermittelt werden, aus denen 2.100 Beratungsgespräche entstanden
(www.verspiel-nicht-dein-leben.de, Zugriff: 20.02.2013).
6.1.3 Sozialkonzepte
Mit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages im Jahr 2008 wurden erstmals
Sozialkonzepte für die Veranstalter und Vermittler öffentlicher Glücksspiele ver-
pflichtend (§ 6 GlüStV). Sie müssen ihr Personal schulen und die im Anhang des
GlüStV formulierten „Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücks-
spielsucht“ erfüllen. In den Sozialkonzepten soll dargelegt werden, mit welchen
Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorgebeugt
werden soll und wie diese behoben werden sollen. Ziel ist es, die Glücksspieler
zu verantwortungsbewusstem Glücksspielen anzuhalten und der Entstehung von
Glücksspielsucht vorzubeugen.
Der Glücksspielstaatsvertrag von 2008 enthält im Anhang folgende
„Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht“:
1. Die Veranstalter
a) benennen Beauftragte für die Entwicklung von Sozialkonzepten,
b) erheben Daten über die Auswirkungen der von ihnen angebotenen
Glücksspiele auf die Entstehung von Glücksspielsucht und berichten
hierüber sowie über den Erfolg der von ihnen zum Spielerschutz
getroffenen Maßnahmen alle zwei Jahre den Glücksspielaufsichtsbehörden,
74
c) schulen das für die Veranstaltung, Durchführung und gewerbliche
Vermittlung öffentlichen Glücksspiels eingesetzte Personal in der Früher-
kennung problematischen Glücksspielverhaltens, wie z. B. dem plötzlichen
Anstieg des Entgelts oder der Spielfrequenz,
d) schließen das in den Annahmestellen beschäftigte Personal vom dort
angebotenen Glücksspiel aus,
e) ermöglichen es den Glücksspielern, ihre Gefährdung einzuschätzen, und
f) richten eine Telefonberatung mit einer bundesweit einheitlichen
Telefonnummer ein.
2. Eine Information über Höchstgewinne ist mit der Aufklärung über die
Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu verbinden.
3. Die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern
darf nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden.
Der Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüÄndStV), der
am 1.7.2012 in Kraft getreten ist, hat diese Regelungen übernommen. Zur Wirk-
samkeit einzelner recht anspruchsvoll formulierter Maßnahmen und Bestim-
mungen liegen in Bezug auf die Erreichung der definierten Ziele („Glücksspieler
sollen verantwortungsbewusst spielen“ und „Entstehung von Glücksspielsucht soll
vorgebeugt werden“) so gut wie keine wissenschaftlichen Evaluationen vor. Die
wenigen bisher vorliegenden Untersuchungen (vgl. Kalke 2011, S. 43f) weisen auf
Mängel hin (es fehlen z. B. validierte Instrumente zur Früherkennung) und können
keine nachhaltigen Effekte nachweisen.
Ob der Sozialkonzeptansatz je seinem Anspruch gerecht werden kann, erscheint
fraglich. Immerhin erwirtschaften Glücksspielunternehmen einen nicht unbe-
trächtlichen Teil ihrer Einnahmen durch die Gruppe der problematischen und
pathologischen Glücksspieler. Adams (2010) geht davon aus, dass 56 % der Um-
sätze der Geldspielautomatenbranche mit problematischen und pathologischen
Glücksspielern erwirtschaftet werden. Bei Spielbanken seien dies 38 %, bei Online-
Glücksspielen 60 % und bei den staatlichen Lotterien 4 %.
6.1.4 Sperrsystem
Hinweise auf die Wirksamkeit präventiver Ansätze liefert auch die Sperrdatenbank,
die sowohl Spielsperren im Bereich der 81 deutschen Spielbanken (Großes und
Kleines Spiel) als auch im Bereich der Lotterien umfasst. Die Möglichkeit, sich
für Lotteriespiele sperren zu lassen, besteht erst seit Inkrafttreten des GlüStV im
Jahr 2008 (§ 8 Spielersperre). Die Sperroption besteht nur für Lotteriespiele, die
75
mehr als zweimal die Woche gespielt werden (Oddset, Toto, Keno), ausgenommen
hiervon sind jedoch die insbesondere bei Jugendlichen beliebten Rubbellose.
Unterschieden werden Selbstsperren, die auf eigenen Antrag erfolgen, von Fremd-
sperren, die von Dritten beantragt werden. Gemeint sind hiermit insbesondere
die Mitarbeiter der Glücksspielanbieter, die ein Sperrverfahren einleiten müssen,
wenn es Hinweise auf eine Glücksspielsuchtgefährdung oder eine Überschuldung
gibt bzw. wenn es Hinweise gibt, dass der Glücksspieler Einsätze riskiert, die in
keinem Verhältnis zu seinem Einkommen stehen. Auch Angehörige können einen
Antrag auf Fremdsperre stellen. Um Denunziationen und Racheakten vorzubeu-
gen, wird in diesen Fällen Rücksprache mit dem Glücksspieler gehalten. Er wird
schriftlich informiert, dass ein Sperrantrag vorliegt und aufgefordert, durch aus-
sagekräftige Unterlagen seine Bonität nachzuweisen.
Die Größe der Sperrdatenbank und ihre Entwicklung innerhalb der letzten Jahre
lassen nicht auf besondere Aktivitäten im Bereich der Früherkennung aufsei-
ten der Glücksspielbetreiber schließen. Im Gegenteil: Zieht man Daten aus der
Schweiz als Vergleichsgröße heran, ergibt sich, dass es dort bei einer wesentlich
kleineren Einwohnerzahl (Deutschland 81,7 Mio., Schweiz 7,8 Mio.) und einer ge-
ringeren Anzahl an Spielbanken eine größere Anzahl gesperrter Glücksspieler gibt.
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Deutschland
Schweiz
Abb. 6.1 (Eidgenössische Spielbankenkommission ESBK, Bern, 2012 und Meyer, 2006, 2012)
76
Gäbe es in Deutschland eine ähnliche Sperrkultur wie in der Schweiz, müsste es
grob gerechnet mindestens 200.000 Sperren geben. In der Schweiz gilt es einige
Besonderheiten zu beachten: Die neue Glücksspielgesetzgebung, die im Jahr 2000
in Kraft trat, legt fest, dass außerhalb der Spielbanken kein Glücksspiel angeboten
werden darf. Dies führte nach einer Übergangsphase von fünf Jahren zum Abbau
des Automatenglücksspiels in den Spielhallen. Erlaubt sind dort nur noch Ge-
schicklichkeitsspiele. Das Schweizerische Spielbankengesetz (SBG) schreibt ein
Sozialkonzept vor, das Pate für die entsprechenden Vorschriften in der deutschen
Glücksspielgesetzgebung gestanden hat. Festgeschrieben wird die Verpflichtung zur
Früherkennung genauso wie Eingangs- und Zutrittskontrollen sowie der Abgleich
mit der Sperrdatei. Anders als in Deutschland kann man sich in der Schweiz aller-
dings nicht für Lotteriespiele sperren lassen.
Ein vergleichbarer Fall in Deutschland blieb bislang folgenlos für den Betreiber: Ein Ma-
nager unterschlug bei seinem Arbeitgeber im Verlauf mehrerer Jahre insgesamt rund 8,2
Mio. Euro, mit denen er vor allem seine Glücksspielsucht finanzierte. Vor Gericht sagten
Kasinomitarbeiter aus, er habe mehrmals wöchentlich das Kasino besucht und dabei Be-
träge zwischen 5.000 und 10.000 Euro am Abend verspielt. Von einer Glücksspielsucht habe
man aber nichts bemerkt, er sei weder aggressiv gewesen, noch habe er auf die Automaten
eingehauen, das Personal beschimpft, seine Kleidung vernachlässigt oder versucht, sich
von anderen Gästen Geld zu leihen. Im Juli 2011 wurde der Manager zu fünf Jahren und
drei Monaten Haft verurteilt. Die von einem Gutachter bestätigte Glücksspielsucht wurde
ebenso strafmildernd gewertet wie das Geständnis des Angeklagten. Das Gericht kritisierte
in seinem Urteil die Spielbank. Deren Geschäftsführung habe verantwortungslos gehandelt,
indem sie „aus ureigensten wirtschaftlichen Interessen“ die Spielsucht des Angeklagten
ignoriert habe und nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen hätte. Eine Reaktion der zustän-
digen Glücksspielaufsicht im Thüringer Innenministerium steht noch aus.
77
Der Vergleich beider Fälle zeigt, dass Sozialkonzepte nur in Verbindung mit einer
starken Glücksspielaufsicht Sinn machen, die die Umsetzung sorgfältig prüft,
begleitet und die Nichteinhaltung sanktioniert. Aktuell wäre z. B. eine Überprü-
fung der Sperrpraxis der Spielbanken und Lottogesellschaften durch die Glücks-
spielaufsicht angezeigt. Nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Neusper-
ren, differenziert nach Selbst- und Fremdsperren, sowie die Zahl der Anträge auf
Entsperrung und die aufgehobenen Sperren seit Inkrafttreten des GlüStV. Insbe-
sondere die geringe Zahl der Fremdsperren aufgrund von Hinweisen des Perso-
nals sollte Anlass zu sorgfältigen Überprüfungen sein, besagt sie doch, dass z. B.
im Jahr 2010 im Schnitt jährlich nur 1,8 Spieler pro Spielbank als problematisch
erkannt wurden.
Auch die Praxis zur Aufhebung von Sperren ist noch nicht optimal geregelt. Der
Fachbeirat Glücksspielsucht, der die Bundesländer bei der Umsetzung des GlüStV
berät, hat empfohlen, bei Anträgen auf Entsperrung folgende Sachverhalte sorg-
fältig zu prüfen (www.fachbeirat-gluecksspielsucht.de: Empfehlung 3/2011):
▶ Schufa-Auskunft
▶ Anhörung des Dritten, der die Sperre veranlasst hat
▶ Nachweis, dass keine Sozialleistungen bezogen werden
▶ Unbedenklichkeitsbescheinigung eines unabhängigen Gutachters, d. h. eines in
der Behandlung von pathologischen Glücksspielern erfahrenen, approbierten
psychologischen / ärztlichen Psychotherapeuten oder Facharztes für Psychiatrie
78
Der Fachbeirat Glücksspielsucht weist ferner darauf hin, dass eine Entsperrung
nur für Personen infrage kommt, die einer vorübergehenden Glücksspielgefähr-
dung unterlagen und nicht für diagnostizierte Glücksspielsüchtige. Dabei vertritt er
die Lehrmeinung, dass es sich bei der Glücksspielsucht um eine chronische, nicht
heilbare Krankheit handelt, bei der eine Abstinenz zur Genesung zwingend ist.
Der ebenfalls in der Empfehlung 3/2011 formulierte Hinweis des Fachbeirates,
dass fahrlässige Entsperrungen weitreichende haftungsrechtliche Konsequenzen
haben können, erwies sich nahezu als prophetisch: Im Oktober 2011 verurteilte
der BGH die Baden-Württembergischen Spielbanken GmbH & Co KG auf Scha-
denersatz von rund 250.000 Euro, weil sie einen Antrag auf Entsperrung nicht
sorgfältig geprüft hatte. Nach Aufhebung der Sperre verspielte der Mann inner-
halb von 18 Monaten 247.000 Euro. Die Ehefrau des Glücksspielsüchtigen verklag-
te daraufhin die Spielbank und der BGH gab der Klage in letzter Instanz statt (III
ZR 251/10). Das Gericht führt im Urteil aus, dass der Zweck einer Selbstsperre der
Schutz vor sich selbst sei. Die Spielbank verpflichte sich, den Spieler vor seiner
Spielsucht und den daraus drohenden wirtschaftlichen Schäden zu schützen. Im
Falle einer Aufhebung einer Selbstsperre müsse der sichere Nachweis erbracht
werden, dass keine Spielsuchtgefährdung mehr vorliegt und der Spieler zu einem
kontrollierten Spiel in der Lage ist. Die Rechtslage wirft für die Betroffenen und
deren Angehö-rige eine Vielzahl von Fragen auf:
Muss ich den Antrag auf Spielsperre persönlich abgeben?
Nein, das ist nicht nötig und auch nicht empfehlenswert, weil es eine zu große
Rückfallgefahr darstellt, wenn man sich z. B. noch einmal der Kasinoatmosphäre
aussetzt. Der Antrag kann schriftlich gestellt werden. Es ist allerdings erfor-
derlich, eine Kopie des Personalausweises beizulegen. Am besten schickt man
den schriftlichen Antrag auf Spielsperre an das Unternehmen, bei dem man am
häufigsten gespielt hat. Er kann aber auch bei jeder Spielbank oder jeder Lottoan-
nahmestelle in Deutschland gestellt werden. Es gibt eine zentrale Datei, in die alle
gesperrten Spieler aufgenommen werden.
Kann auch ein Angehöriger eine Spielsperre beantragen?
Ja, auch Angehörige können eine Sperre beantragen. Man spricht in diesem Fall
von einer sogenannten Fremdsperre. Der Antrag kann in einer Spielbank oder ei-
ner Lottoannahmestelle gestellt werden. Der Glücksspielsüchtige wird dann über
den Antrag informiert und gebeten, sich zu äußern. Er muss nachweisen, dass
er in geordneten finanziellen Verhältnissen lebt und sich zu seinem Glücksspiel-
verhalten äußern. So wird sichergestellt, dass derartige Anträge nicht aus Spaß,
Rache oder anderen sachfremden Motiven gestellt werden. Wer in Erwägung zieht,
79
einen solchen Antrag auf Fremdsperre für einen Angehörigen zu stellen, sollte
bedenken, dass dies die Beziehung zu dem Glücksspielsüchtigen schwer belasten
kann. Besser ist es, ihn zu einem Antrag auf Selbstsperre zu motivieren.
Kann eine Spielbank oder eine Lottogesellschaft eine Spielsperre aufheben, wenn
der Spieler dies beantragt?
Ja, die Spielbank oder die Lottogesellschaft, die die Sperre angenommen hat,
kann sie auf schriftlichen Antrag frühestens nach einem Jahr aufheben. Aller-
dings ist sie verpflichtet, genau zu prüfen, ob keine Glücksspielsuchtgefährdung
mehr vorliegt und der Spieler nunmehr zu einem kontrollierten Spiel in der Lage
ist. Wird die Spielsperre ohne hinreichende Prüfung aufgehoben, stellt dies eine
Verletzung des Spielsperrvertrages dar und kann zu Schadensersatzansprüchen
gegenüber der Spielbank führen.
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 – III ZR 251/10)
Kann man sich auch für Onlineglücksspiele sperren lassen?
Einige Onlineglücksspielanbieter bieten die Möglichkeit der Spielsperre an. Die
Erfahrung zeigt jedoch, dass es ein Leichtes ist, diese Sperren ohne weitere Über-
prüfung wieder aufzuheben. Außerdem gibt es keine gemeinsame Datenbank und
die Sperre gilt jeweils nur für den Anbieter, bei dem sie beantragt wird. Angesichts
der Fülle der Internetglücksspielangebote stellt dies keinen wirksamen Schutz dar.
6.1.5 Jugendschutz
Es ist bekannt, dass (männliche) Jugendliche besonders gefährdet sind, ein prob-
lematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln (vgl. Kapitel 2.3). Mehrere Studien
haben unabhängig voneinander aufzeigen können, dass die Prävalenz des patholo-
gischen Glücksspielverhaltens in dieser Altersphase deutlich erhöht ist
(vgl. Hurrelmann et al. 2003; Meyer, 2011; BZgA, 2012). Die Studie von Hurrelmann
und Mitarbeitern (2003) ergab, dass zwei Drittel der befragten 13- bis 19-Jährigen
(N= 5.000) bereits an verschiedenen Glücksspielen teilgenommen hatten. Bei 3 %
der Gesamtstichprobe wurde ein problematisches Glücksspielverhalten festge-
stellt. Die PAGE Studie (Meyer et al., 2011) fand in der Gruppe der 14- bis 17-Jäh-
rigen eine Lebenszeitprävalenz für pathologisches Glücksspielen von 1,5 % und
für problematisches Glücksspielen von 1,1 %. Der Erstkontakt zum Glücksspiel
(zumeist Sofortlotterien) findet laut BZgA-Studie (2012) demnach bereits im Alter
von 13,5 Jahren statt.
Angesichts dieser Befundlage wird deutlich, dass die bestehenden Jugendschutz-
bestimmungen (Teilnahme erst ab 18 Jahren) nicht ausreichend eingehalten wer-
den. Insbesondere Glücksspielangebote, bei denen keine Ausweiskontrollen ver-
80
langt werden, werden verstärkt von Jugendlichen frequentiert. Der unzureichen
den Umsetzung des Jugendschutzes kann am besten mit Testkäufen begegnet
werden, die von unabhängigen Instituten unter pädagogischer Begleitung durch-
geführt werden. In der Vergangenheit wurden Testkäufe hauptsächlich von Mitbe-
werbern der Lottogesellschaften durchgeführt. Der GlüÄndStV sieht vor, dass dies
zukünftig Aufgabe der Glücksspielaufsichtsbehörden sein wird. Die Ergebnisse
dieser Testkäufe sollten veröffentlicht, Übertretungen der Jugendschutzbestim-
mungen mit hohen Bußgeldern belegt und im Wiederholungsfall sollte die Kon-
zession entzogen werden.
6.2 Beratung
6.2.1 Telefonische Beratung
Als Antwort auf den wachsenden Glücksspielmarkt in Großbritannien wurde dort
von GamCare, einem in London ansässigen Beratungs-, Behandlungs- und Prä-
ventionszentrum, bereits im Jahr 1997 eine nationale Telefonhilfe für Menschen
mit Glücksspielproblemen gegründet, die wertvolle Pionierarbeit auf diesem Ge-
biet geleistet hat (Scarfe, 2001). Auch in Deutschland gibt es inzwischen mehrere
telefonische Hilfeangebote, die sich jedoch hinsichtlich ihrer Zielgruppe, der per-
sonellen Besetzung und bezüglich der Intensität des Beratungsangebotes unter-
scheiden.
Einige Angebote, die direkt von Glücksspielanbietern organisiert und getragen
werden, wenden sich gezielt an die Gäste der eigenen Spielstätte. Die Saarland
Spielbanken betreiben beispielsweise eine Hotline, die von einem Mitarbeiter der
Spielbank betreut wird. Es gibt keine festen Anrufzeiten und wenn er nicht er-
reichbar ist, wird der Anruf an die Rezeption der Spielbank umgeleitet.
Einen weiteren Typus „Telefonhotline“ stellen Angebote dar, die (im weitesten Sin-
ne) von der Suchthilfe betrieben und von Glücksspielanbietern finanziert werden.
Beispiele hierfür sind die Kooperationen der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) mit der Automatenbranche und dem Deutschen Lotto-Toto-
block (DLTB), die Kooperation des Arbeitskreises gegen Spielsucht in Unna mit
den Westspiel Casinos sowie die Kooperation der Evangelischen Gesellschaft in
Stuttgart mit den Baden-Württembergischen Spielbanken.
Den dritten Typus repräsentiert die 2004 gegründete Infoline Glücksspielsucht
NRW. Sie ist mit Mitarbeitern besetzt, die in ambulanten und stationären Einrich-
tungen der Suchtkrankenhilfe mit glücksspielsuchtspezifischem Schwerpunkt
81
tätig sind. Finanziert wird sie vom Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-
Westfalen. Die Telefonnummer der Infoline wird breit beworben und ist zudem
auf alle Spielscheine der nordrhein-westfälischen Lottogesellschaft (WestLotto)
gedruckt.
Weitere Angebote gibt es seitens der Selbsthilfe. So betreiben die Anonymen Spie-
ler eine Hotline, die jeden Abend zwei Stunden erreichbar ist.
Der Vorteil der telefonbasierten Beratungsangebote liegt vor allem in der leichten
– auf Wunsch auch anonymen – Zugänglichkeit und der unkomplizierten Erreich-
barkeit. Es muss kein Termin vereinbart werden, der Anruf kann von zu Hause aus
erledigt werden, es entstehen keine bzw. nur geringe Kosten. Die existierenden An-
gebote verzeichnen steigende Anruferzahlen und erreichen die Menschen mit prob-
lematischem oder pathologischem Glücksspielverhalten sehr früh. Die große Mehr-
heit (ca. 80 %) z. B. der Anrufer der Infoline Glücksspielsucht NRW hatte vorher noch
keinen Kontakt zur Suchthilfe (weder Selbsthilfe noch professionelles Hilfesystem).
3.500
3.000
2.500
2.000
1.500
1.000
500
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
6.2.3 Internetforen
Ein weiteres internetbasiertes Beratungsangebot stellen Foren dar, in denen
sich Betroffene untereinander und zum Teil auch mit professionellen Suchtbe
ratern bzw. -therapeuten austauschen. Einige dieser Foren wie z. B. www.die-
spielsucht.de wurden von Glücksspielsüchtigen gegründet, andere wie
83
www.forum-gluecksspielsucht.de oder www.spielsucht.net/vforum/ sind organi-
satorisch an Verbände bzw. Beratungsstellen der Suchthilfe angeschlossen. Diese
in der Regel gut frequentierten Foren stellen eine geeignete Brücke zwischen
Selbsthilfeangeboten und der professionellen Suchthilfe dar.
6.2.4 Beratungsstellen
Von den rund 1400 Suchtberatungsstellen in Deutschland haben sich bisher etwa
300 auf die Beratung Glücksspielsüchtiger und ihrer Familien spezialisiert. Grund-
sätzlich gilt: Je stärker eine Beratungsstelle von Glücksspielsüchtigen frequen-
tiert wird, desto differenzierter ist ihr Angebot für diese Gruppe. Ein differenziertes
Angebot wiederum führt zu einer verstärkten Beratungsnachfrage. Glücksspiel-
süchtige scheinen für ein spezifisches Angebot (eigenes Gruppenangebot für
Glücksspieler, Angehörigengruppe, Geld- und Schuldenmanagement, Anbindung
an Schuldnerberatung, Rechtsberatung, ARPG, d.h. ambulante Rehabilitation für
pathologische Glücksspieler etc.) eher etwas längere Anfahrtswege in Kauf zu
nehmen, als eine ortsnahe Beratungsstelle aufzusuchen, in der sie evtl. der einzi-
ge Betroffene mit einem pathologischen Glücksspielverhalten sind.
Am Beispiel der Fachstelle Glücksspielsucht des Hellwegzentrums in Bielefeld
(Johanneswerk) hier ein Überblick über die angebotenen Hilfen:
▶ Motivation: Informations- und Motivationsgruppe für Glücksspieler
▶ Beratung: individuelle Beratung für Betroffene, Angehörige, Familien und
sonstige Bezugsgruppen, Hilfe in Krisensituationen
▶ Gruppen: Gruppe für Angehörige von Glücksspielern, Zusammenarbeit mit
der Spielerselbsthilfegruppe
▶ Behandlung: Durchführung der „ambulanten Rehabilitation pathologisches
Glücksspielen" (anerkannt von der Deutschen Rentenversicherung)
▶ Vermittlung: Vorbereitung und Vermittlung stationärer Behandlungen sowie
Kombinationsbehandlungen
▶ Nachsorge: Gruppenangebot für Patienten nach einer erfolgten stationären
Entwöhnungsbehandlung (anerkannt von der Deutschen Rentenversicherung)
Suchtberatungsstellen mit einem derart differenzierten Angebot erreichen jähr-
lich bis zu 150 Klienten mit einer Glücksspielproblematik (Intensivkontakte) und
zusätzlich rund 50 Angehörige. In Regionen, in denen es keine spezialisierten
Beratungsstellen gibt, werden die Klienten von Beratungsstellen für Alkohol- und
Medikamentenabhängige – seltener von Drogenberatungsstellen – versorgt.
84
Nach Inkrafttreten des GlüStV im Jahr 2008 haben die Bundesländer (mit Ausnah-
me von Sachsen) begonnen, ein Netz von Präventions- und Beratungsangeboten
aufzubauen und finanziell zu unterstützen. Vorbild hierfür war das Land Nord
rhein-Westfalen, hier werden Suchtberatungsstellen mit glücksspielspezifischem
Beratungsangebot bereits seit Mitte 2000 gefördert. Einige wenige Beratungsan
gebote werden außerdem mit kommunalen Mitteln unterstützt. In Bielefeld z. B.
hat die Stadt die Vergnügungssteuer auf Geldspielautomaten erhöht und einen Teil
der beträchtlichen Mehreinnahmen für die Beratung pathologischer Glücksspieler
zur Verfügung gestellt.
Adressen von Suchtberatungsstellen, die Hilfen für pathologische Glücksspieler
und deren Angehörige anbieten, gibt es in diversen Adressdatenbanken
(z. B. www.gluecksspielsucht.de, www.dhs.de, www.check-dein-spiel.de).
6.3 Behandlung
Bei der Behandlung der Glücksspielproblematik hat sich das etablierte Prinzip der
Glücksspielabstinenz bewährt. Im deutschsprachigen Raum gibt es für pathologi-
sche Glücksspieler keine Ansätze zum sogenannten kontrollierten Glücksspielen.
Während der Behandlung wird die vollständige Glücksspielabstinenz gefordert, um
die Funktionalität des ausgeübten Glücksspielverhaltens erlebbar zu machen,
während nach einer Behandlung die Entscheidung über den Bereich des „wei-
chen" Glücksspielverhaltens (Spiele mit geringem Geldeinsatz wie z. B. Skat um
Centbeträge oder Getränke) dem Betroffenen überlassen werden kann. Die Prog-
nose ist allerdings bei Patienten, die sich für eine strikte Glücksspielabstinenz
entscheiden, positiver. Die Behandlung muss sich zunächst auf die Stabilisierung
dieser Glücksspielabstinenz konzentrieren.
Nachteile ▶ Was soll ich sonst mit meiner ▶ Es wird alles noch viel
Zeit anfangen. schlimmer werden (Schulden,
▶ Meine Freunde würden mich Probleme mit der Familie).
für ein „Weichei“ halten. ▶ Ich kann kaum noch
▶ Dann muss ich mich ernsthaft durchschlafen.
um meine Beziehungsprobleme ▶ Vielleicht werde ich sogar
kümmern. kriminell.
Tab. 6.5
6.3.3.3 Problemlösetraining
Bergler (1957) illustriert die spezifischen Defizite der Problemlösekompetenz von
Glücksspielern anhand der Geschichte eines Handelsvertreters, der eine lange
Liste von potenziellen Kunden in verschiedenen Städten von seinem Chef erhalten
hatte und sich bei seiner Rückkehr des Erfolges rühmte, dass er die Liste vollstän-
dig abgearbeitet habe. Auf die Frage seines Chefs, wie viel er verkauft habe, muss
er jedoch antworten, dass er froh gewesen sei, auf der langen Reise keine Zugver-
bindung verpasst zu haben.
Allgemeinpsychologisch lässt sich dieses klinische Phänomen als Misserfolgsmo-
tivierung interpretieren. So lässt sich zeigen, dass bei Ringwurfaufgaben, bei denen
die Versuchsperson die Entfernung, von der aus sie einen Ring über einen Pflock
werfen soll, wählen kann, misserfolgsmotivierte Personen die beiden Extreme,
die sehr nahen und damit leichten oder die sehr weiten und damit sehr riskanten
Entfernungen, bevorzugen. Erfolgsmotivierte Versuchspersonen wählen dagegen
die zwar schwierigen, aber Erfolg versprechenden mittleren Entfernungen. Die
klinische Adaption dieser Aufgabe in der Behandlung pathologischer Glücksspieler
zeigt deren eindeutige Präferenz für die riskanten und damit häufig zu Misserfolg
führenden Entfernungen. Überträgt man dies interpretativ auf den Umgang von
süchtigen Glücksspielern mit ihren Lebensanforderungen, zeigt sich, dass sie den
als schwierig erlebten Alltagsproblemen und wichtigen Entwicklungsaufgaben
(Eingehen dauerhafter Beziehungen, Familiengründung, berufliche Karriere u. a.)
ausweichen und sich stattdessen dem Glücksspielen, also einer unlösbaren und
damit von vornherein zum Scheitern verurteilten Anforderung zuwenden.
Der Lebensstilansatz (vgl. Kapitel 3.4.1) betrachtet die mangelnde Problemlöse-
kompetenz als Ausdruck eines glücksspielerspezifischen Lebensstils. Der Betrof-
fene entwickelt eine zunehmende Tendenz zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedi-
gung, die ihn immer unfähiger werden lässt, seine existenziellen Lebensaufgaben
zu lösen. Entsprechend wird das Problemlösetraining als ein wichtiger Bestandteil
der Behandlung von Glücksspielsüchtigen angesehen.
89
Basierend auf den denkpsychologischen und verhaltenstherapeutischen Grundla-
gen zur Verbesserung der Problemlösekompetenz wurde vom Autor (Petry, 2001)
ein glücksspielerspezifisches Training zum Problemlösen entwickelt:
Zu Beginn des Programms wird eine einfache Problemdefinition als inhaltlicher
Bezugsrahmen anhand des im Folgenden beschriebenen Neun-Punkte-Problems
eingeführt: Es handelt sich hierbei um die Darstellung von neun Punkten, die in
drei Reihen in Form eines Quadrates angeordnet sind. Die Aufgabe lautet, die
Punkte durch vier gerade Linien (ohne Zurückfahren auf einer Linie) miteinander
zu verbinden, wobei jeder Punkt nur einmal berührt werden darf. Diese Aufgabe
ist nur zu lösen, wenn man den Raum des durch die Punkte scheinbar gebildeten
Quadrats verlässt und die Linie in den freien Raum führt.
Abb. 6.3
Das Neun-Punkte-Problem
Lebensbereiche Tätigkeiten
Beispiele
ausgewählter Lebensbereich: ausgewählte Tätigkeit:
Ehe, Beziehung, Liebe, Sexualität etwas wiederherzustellen
Aktuelles Anliegen: „Ich möchte, dass die Beziehung zu meinem Partner wieder wie
früher wird.“
Das Problemprofil
Stärken Probleme
Lebensbereiche
++ + - --
Die Teilnehmer beurteilen für ihre Person alle vereinbarten Lebensbereiche, in-
dem sie ein Kreuz in die aufgemalten Kästchen setzen und diese dann zu einem
Problemprofil verbinden. Der Therapeut kann sich zur Förderung der Selbstoffen-
barung selbst beteiligen. Zunächst werden alle Profile bei einer Gruppensitzung
92
offen allen anderen gezeigt. Danach entscheidet jeder Teilnehmer, wann er sein
Profil genauer erklären möchte. Unmittelbar im Anschluss haben die anderen
Gruppenteilnehmer die Möglichkeit zu Rückfragen oder persönlichem Feedback.
Dabei ist ein Ritual einzuhalten, indem sie auf ein in der Mitte angeordnetes Spiel-
zeugauto drücken, das vor jedem Beitrag blinkt und tutet („voice and noise“). Dies
dient dazu, dass sich alle Teilnehmer auf den im Mittelpunkt stehenden Mitpatien
ten konzentrieren und ihm ihre Aufmerksamkeit schenken.
Im zweiten Schritt wird ein aktuelles Problem ausgewählt. Dies bezieht sich in der
Regel auf einen der am negativsten beurteilten Lebensbereiche. Mithilfe der „Pro-
filleiter" wird zunächst, bezogen auf das konkret beschriebene „aktuelle Anliegen“
(„current concern“), der am extremsten vorstellbare negative Zustand („worst
case“) am unteren Ende der Leiter festgehalten und der angestrebte, jedoch rea-
listische Zielzustand am perspektivisch verkürzten oberen Ende der Leiter notiert.
Daran anschließend wird die aktuelle problemspezifische Ausgangssituation be-
schrieben und mit einem Kreuz auf einer Sprosse der Leiter zwischen den beiden
Ankerpunkten markiert.
Während der gesamten Programmdauer wird die Verabredung getroffen, dass
aktuell belastende Anliegen immer Vorrang haben. Hierfür werden unmittelbar
erste Lösungsansätze gesucht.
6.3.3.4 Rückfallprävention
Die Bearbeitung der Rückfallgefährdung als Bestandteil der selbst gewählten
Glücksspielabstinenz stellt einen weiteren Schwerpunkt der symptomorientierten
Behandlung dar. Die Mehrzahl der Rückfälle von Suchtpatienten lässt sich auf eine
relativ geringe Anzahl von Risikosituationen reduzieren. Die Erfassung solcher Ri-
sikosituationen verweist auf Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Suchtfor-
men von Alkoholikern, Drogenabhängigen, Rauchern, Essgestörten und Glücks-
spielsüchtigen, wobei auch spezifische Unterschiede bestehen. Für pathologische
Glücksspieler scheinen im Gegensatz zu anderen Suchtformen insbesondere Situ-
ationen, die mit negativen Gefühlszuständen verbunden sind, die eine innere oder
äußere Versuchung darstellen oder eine Herausforderung zum Testen der eigenen
Kontrollfähigkeit beinhalten, mit einem besonderen Risiko behaftet zu sein. Nega-
tive körperliche Empfindungen, positive Emotionen und Situationen, in denen ein
suchtspezifischer sozialer Konformitätsdruck besteht, werden von pathologischen
Glücksspielern als weniger risikobehaftet erlebt.
93
Notfallkarte
1. Ich besuche regel- 1. Ich lenke mich ab. 1. Ich stoppe sofort
mäßig meine Selbst- das Glücksspielen.
2. Ich unternehme
hilfegruppe.
etwas mit einem 2. Ich verlasse
2. Ich treibe Sport. Freund. schnellstens den
Ort des Glücksspiels.
3. Ich pflege meine 3. Ich spreche über
Freundschaften und meinen „Spieldruck“. 3. Ich begrenze den
Hobbys. Schaden durch soforti-
4. Ich besinne mich auf
ges Handeln.
4. Ärger und Frust meine Kraftquellen.
fresse ich nicht in 4. Ich hole mir Hilfe und
5. Ich bin stolz auf meine
mich hinein. verschweige nichts.
bisherigen
5. Ich stelle mich Erfolge. 5. Ich nehme meinen
meinen Problemen. Rückfall ernst,
6. …
betrachte ihn aber
6. …
7. … nicht als Katastrophe.
7. …
… 6. …
…
7. …
…
6.3.3.5.2 Emotionstraining
Der Konsum von Suchtmitteln und süchtiges Verhalten dienen wesentlich der
Modulation von Gefühlen, d. h., der Konsum und Missbrauch von psychotropen
Substanzen oder exzessives Suchtverhalten ist durch die Vermeidung unangeneh-
mer Gefühle oder das verstärkte Erleben angenehmer Gefühle motiviert. Süchtiges
Verhalten kann daher eher bei Personen entstehen, die eine geringe Toleranz ge-
genüber unangenehmen Gefühlszuständen besitzen oder in ihrer gefühlsmäßigen
Erlebnisfähigkeit eingeschränkt sind. Die Behandlung von Suchtpatienten beinhal-
tet deshalb immer auch eine Verbesserung der Wahrnehmung und des Ausdrucks
von Gefühlen (Schröder, Petry, 2003). Pathologische Glücksspieler zeigen entspre-
chend eine besondere Rückfallgefährdung beim Umgang mit negativen Gefühlen
und bei sozialen Konflikten.
Verhaltenstherapeutische Trainingsprogramme zum Aufbau sozialer Kompetenzen
enthalten in der Regel einen therapeutischen Baustein zur Verbesserung der Kom-
munikationsfähigkeit, der sich auf die Verbesserung der Gefühlsregulation bezieht.
Ausgangspunkt dieser Trainings ist die (Un-)Fähigkeit, Gefühle zu benennen, d. h.
differenziertere sprachliche Bezeichnungen für angenehme Gefühle wie Freude
(Begeisterung, Heiterkeit, Zufriedenheit, Fröhlichkeit, Stolz, gute Laune) oder unan-
genehme Gefühle wie Ärger (Wut, Unzufriedenheit, Beleidigtsein, Zorn, Gereiztheit)
zu finden. Dabei ist es möglich, von einem einfachen Modell mit zwei orthogonalen
Grunddimensionen zur Einordnung von Gefühlen auszugehen: Die bestehende
Erregung (Hemmung versus Erregung) und die Affekttönung (Lust versus Unlust),
sodass sich Gefühle hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit in einem Kreis in Bezug auf die
jeweilige Ausprägung dieser dimensionalen Merkmale anordnen lassen.
Beim Erlernen grundlegender Fertigkeiten der Gefühlswahrnehmung und des
Gefühlsausdrucks kann zum Anwärmen in der Gruppe auf Pantomimetechniken,
die sich der Körpersprache bedienen, zurückgegriffen werden. Eine in diesem Fall
96
geeignete Übung trägt z. B. den Namen „Fratzen-Weitergabe“. Hierbei stehen die
Gruppenteilnehmer im Kreis. Die Aufgabe lautet, dass jedes Gruppenmitglied der
Reihe nach eine Fratze mit dem eigenen Gesicht formt und der jeweilige Nachbar
diese genau nachbilden muss. Sobald ihm dies gelungen ist, was durch ein Kopf-
nicken bestätigt wird, verwandelt er die Fratze, bevor er sie an seinen Nachbarn
weitergibt.
Daran anschließend eignet sich die Übung „Gefühle erraten“, um die Gefühls-
wahrnehmung und den Gefühlsausdruck zu verbessern. Dabei soll ein Gruppen-
mitglied ein vorgegebenes Gefühl darstellen, das von den übrigen Gruppenmitglie-
dern zu erraten ist. Wer es zuerst errät, ist der nächste Darsteller. Diese Übung
lässt sich auch durch Einbeziehung aller Gruppenmitglieder realisieren. Dabei
sitzen sich zwei Gruppen gegenüber, die jeweils im Wechsel einen vorgegebenen
Gefühlszustand darstellen, bis die Gegengruppe ihn erraten hat. Dazu werden
Karteikarten verwandt, auf denen unterschiedliche Gefühle wie Schmerz, Scham,
Freude, Schuld, Lustigkeit, Trauer, Enttäuschung, Missmut, Neid, Furcht, Hilflosig-
keit, Angst, Glücklichsein, Stolz, Ekel, Mut, Tatkraft, Wut, Fröhlichkeit, Verliebtheit,
Geborgenheit, Neugier, Erstaunen etc. notiert sind.
Darauf aufbauend können mithilfe sogenannter „Erlebnisaktivierender Verfahren“
spezielle Gefühlsbereiche angesprochen werden. So kann z. B. zur Wahrnehmung
aggressiver Gefühle bzw. deren Hemmung die nichtsprachliche Übung des „Ein-
dringens“ angewandt werden, bei der ein außenstehendes Gruppenmitglied in einen
geschlossenen Kreis von fest untergehakten Personen eindringen muss. Die dabei
erlebten Gefühle bzw. auftretenden inneren Barrieren lassen sich aufarbeiten, in-
dem zugrunde liegende „negative emotionale Schemata“ bewusst gemacht und mit
den Methoden der kognitiven Umstrukturierung bearbeitet werden. Beim Vorliegen
einer komorbiden psychischen Störung können neben diesem allgemeinen Emoti-
onstraining speziell hierfür entwickelte Trainingsprogramme eingesetzt werden.
Vorteile: Nachteile:
Pathologisches
Spielverhalten (n=3.897) 32,3 34,5 15,0 10,8 7,4
„Hallo, mein Mann hat sich zu seiner Spielsucht bekannt und geht zur Beratung.
Meine Frage: Was genau kann ich jetzt tun um ihn auf seinem (eigentlich eher unse-
rem) Weg zu unterstützen? Wir haben viel geredet, was seit Ewigkeiten nicht mehr
so war und ich bin fest entschlossen es mit ihm zusammen durchzustehen. Also
wer kann mir helfen?“
(Mucki1997 am 14. Oktober 2008 um 09:11 Uhr)
„ICH BIN UNENDLICH TRAURIG, GETROFFEN, VERLETZT. Ich brauche auch Hilfe! Bis
vor zwei Wochen war mir Spielsucht noch fast ein Fremdwort – weil ich blind war.“
(Wikki am 06. November 2011 um 21:19 Uhr)
„Hallo, ich brauche bitte euren Rat, da ich verzweifelt bin und jetzt wirklich Angst
habe, dass unsere Ehe vor dem Aus steht. Ich bin seit 4 Jahren mit meinem Mann
zusammen und seit 1 Jahr sind wir verheiratet. Als ich meinen Mann kennen lernte,
hat er gleich mit offenen Karten gespielt und mir gebeichtet dass er gerne in Casino
Automaten zockt. Ich war froh, dass er es mir zwar gesagt hat, aber wenn ich ehr-
lich bin, habe ich mir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht. Vielleicht war das
auch mein Fehler, dass ich damals nicht reagiert habe.“
(Kader85 am 12. November 2011 um 07:56 Uhr)
„Mein Mann ist spielsüchtig. Er macht Sportwetten. Auch bei uns war es ähnlich wie
bei euch. Er hat nicht verheimlicht, dass er oft online wettet. Er hatte vor 4 Jahren
(als wir zusammen kamen) nicht mal seine Kto-Auszüge versteckt. Ich fand das mit
dem Wetten auch übertrieben, habe es aber als schräges Hobby abgetan. Ich bin nie
auf die Idee gekommen mal in seine Kto-Auszüge zu schauen. Auch nicht als wir vor
1 1/2 Jahren geheiratet haben! Das werfe ich mir vor.“
(Wikki am 12. November 2011 um 14:01 Uhr)
„Ich habe vor 1 Jahr herausgefunden, dass mein Mann spielt. Ich denke, das geht
schon länger so. Wir beide gehen arbeiten, müssten also gut über die Runden kom-
men, leider sieht das nicht so aus und dann habe ich zuerst gedacht, es liege an mir,
doch meine Schwester hat mir dann gesagt, nein, das kann nicht sein. Ihr habt ein
größeres Loch in eurer Haushaltskasse und so kam es, dass ich einmal genauer
hingeschaut habe und musste dann leider feststellen, dass mein Mann mich schon
seit längerer Zeit belügt und betrügt, in dem er mir immer irgendwelche Geschich-
ten erzählt - wo angeblich das Geld hin ist.“
(Taschi am 24. November 2012 um 13:32 Uhr)
105
In Regionen, in denen Angehörigen von Glücksspielsüchtigen spezifische ambu-
lante Hilfsangebote gemacht werden, werden diese auch angenommen. In Bayern
z. B. hat die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) das
psychoedukative Programm ETAPPE entwickelt, in mehreren Beratungsstellen
erprobt und inzwischen auch evaluiert. Das Apronym ETAPPE ist die Abkürzung
für „Entlastungstraining für Angehörige pathologischer und problematischer
Glücksspieler – psychoedukativ“. Es handelt sich dabei um ein Gruppenprogramm,
das insgesamt acht Bausteine umfasst. Die Themen reichen von Basisinforma
tionen über Glücksspielsucht, Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten, Infor
mationen über Strategien zur Bewältigung von Stresssituationen, Umgang mit
Rückfällen bis hin zu Informationen zum Umgang mit Geld und Schulden. Ziel
des Entlastungstrainings ist die Reduktion der Belastung durch die Vermittlung
von Informationen sowie die Förderung individueller Bewältigungsfähigkeiten. Die
Ergebnisse der ersten Nachbefragungen zeigen, dass dieses Ziel erreicht wird.
Die Belastung durch das Glücksspielen des Partners / Kindes nimmt durch die
Teilnahme am Programm ETAPPE signifikant ab (Buchner, 2013). Das inzwischen
erarbeitete Manual zum Programm enthält neben umfangreichen Hintergrundin-
formationen auch Materialien für die Gruppenarbeit.
In Nordrhein-Westfalen wurde im Rahmen eines Modellprojektes von der Sucht-
hilfe Aachen ebenfalls ein Gruppenprogramm für Angehörige von Glücksspiel-
süchtigen entwickelt. Es umfasst sechs Gruppenabende mit ähnlichen Themen.
Auch hier konnte die Evaluation zeigen, dass die Angehörigen von der Teilnahme
am Programm profitieren. Das Gesamtmaß der psychischen Belastung verbesser-
te sich bei den Teilnehmern signifikant (Latz, 2012). Kritisiert wurde lediglich die
kurze Dauer des Gruppenprogramms.
Inwieweit die positiven Ergebnisse derartiger Programme stabil bleiben, müssen
künftige Katamnesen zeigen. Aus Sicht der teilnehmenden Angehörigen waren
insbesondere die Themen „Rückfall“ und „Umgang mit Warnsignalen“ wichtig,
was noch einmal verdeutlicht, mit welch großen Ängsten und Unsicherheiten die
Rückfälligkeit des Partners oder Kindes verbunden ist.
Dort, wo es durchzuhalten ist, sollte eine klare und konsequente Position bezogen
werden. In der Praxis bedeutet dies: Zum Suchtverhalten eine eindeutige Abgren-
zung vorzunehmen, dem Menschen gegenüber jedoch ein positives Angebot zu
unterbreiten. Unter diesem Blickwinkel sollte alles unterlassen werden, was den
Versuch der Loslösung vom Suchtverhalten verhindert oder verzögert. Der mitbe-
troffene Angehörige sollte konsequent bleiben und sich nicht als Suchtstabilisie-
rende Ergänzung „einspannen“ lassen.
Ein wichtiger Punkt ist die Glaubwürdigkeit der mitbetroffenen Angehörigen.
Androhungen („Wenn du noch einmal spielst, dann …“), die nicht wahr gemacht
werden, sind nicht förderlich für das Familienklima. Es empfiehlt sich, nur Konse-
quenzen anzudrohen, die auch einzuhalten sind. Wer wöchentlich mit Scheidung
oder Auszug droht, ohne dies umzusetzen, verhält sich nicht viel anders als ein
Süchtiger, der dauernd verspricht: „Jetzt höre ich aber wirklich auf!“. Besser ist
es, sich kleine Schritte zu überlegen, die zu bewältigen sind, und zu signalisieren,
dass das, was man sagt, auch ernst zu nehmen ist. Ein solches Verhalten tut so-
wohl dem eigenen Selbstvertrauen als auch der Beziehung zum suchtkranken
Partner gut.
6.7 Katamnese
Aufgrund sehr großer methodischer Unterschiede sind die berichteten „Erfolgs-
quoten" der Untersuchungen in Deutschland kaum miteinander vergleichbar.
Insbesondere beim Vergleich zwischen Kliniken für Abhängigkeitserkrankungen
und psychosomatischen Einrichtungen finden sich unterschiedliche Zugangswei-
sen. So beziehen sich die Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen vor allem
auf die Glücksspielabstinenz als „Erfolgskriterium" (Katamnesestandards der
Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie), während die psy-
chosomatischen Fachkliniken das Erreichen individueller Behandlungsziele und
die Veränderung persönlicher Befindlichkeiten und Kompetenzen betonen.
Aufgrund der vorliegenden Angaben muss sich die summarische Darstellung in
Tabelle 6.6 auf das Kriterium der Glücksspielabstinenz beschränken. Betrachtet
man die Ergebnisse metaanalytisch, ergibt sich für die neun bislang veröffentlich-
ten Studien zur stationären Behandlung in Deutschland eine ungewichtete durch-
schnittliche Erfolgsquote über die Gruppen zwischen 64,3 % (Berechnungsformel
3 = alle Antwortenden) und 46,1 % (Berechnungsformel 4 = Gesamtstichprobe als
Bezug) mit einer hohen Streubreite (Petry, 2001).
111
Katamnesen zur stationären Behandlung pathologischer Glücksspieler
in Deutschland
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7 Differenzielle Ansätze
114
Geschlecht
(N = 100) (N = 100) Signifikanz
Vorgeschichte
Komorbidität
Komorbide Tabakabhängigkeit 82 % 82 %
Komorbide Alkoholabhängigkeit 24 % 25 %
Partnerschaft
7.2 Ethnie
7.2.1 Ethnische Herkunft und Glücksspielkultur
Laut Duden wird unter Migration die „Wanderung von Individuen oder Gruppen
im geografischen oder sozialen Raum“ verstanden. Diese einfache Beschreibung
erfasst nicht die damit verbundene innere Problematik.
Deshalb muss die erste Forderung an einen Therapeuten sein, dass er seine gro-
ben Wahrnehmungsraster überprüft und sich nicht an einer möglichen äußeren
Fremdheit orientiert, sondern die innere Konflikthaftigkeit, wie sie mit Migration
verbunden sein kann, wahrnimmt. Dabei kann er auf einen zunächst fremd er-
scheinenden dunkelhäutigen indischen Migranten der zweiten Generation mit
punkig grün gefärbtem Haar und pfälzischem Dialekt treffen. Dieser Patient zeigt
sich rasch in der Lage, den für Glücksspielsüchtige typischen Vater-Sohn-Konflikt
zu bearbeiten, der daraus resultiert, dass der Vater den mit seiner Migration
verbundenen sozialen Abstieg nicht verkraften konnte und durch überhöhte und
unangemessene Forderungen an den Sohn zu verarbeiten suchte. Er selbst hat
122
im Gegensatz dazu keinerlei Probleme mit seinem Migrantenstatus, da er im
Sinne Chambers ein Prototyp der sich verbreitenden „Großstadtästhetik“ ist, der
verschiedenste kulturelle Einflüsse, wie sie sich in der heutigen Popkultur aus
drücken, integrieren konnte (Chambers, 1996).
Das aufgezeigte Beispiel macht deutlich, dass Suchterkrankungen bei Migran-
ten einem komplexen Gefüge von Bedingungen entspringen. Hierzu gehören das
Herkunftsland – wobei wiederum zwischen Stadt und Land zu unterscheiden ist
–, der Zeitpunkt der Migration und die Dauer des Aufenthaltes in Deutschland, die
Religionszugehörigkeit und Sprachkompetenz, die Schicht- und Geschlechtszu-
gehörigkeit, die Werte und Normen der familiären und sozialen Bezugsgruppen
und die individuelle Mentalität und soziale Identität, die in dem Migrationsprozess
erworben wurde. Die dadurch bedingte Mannigfaltigkeit kultureller Erscheinungs-
formen erfordert vom Suchttherapeuten ein besonderes Feingefühl für die Bedürf-
nisse dieser Gruppen, d. h. das Bewusstsein, dass sich ihre Einstellungen, Werte
und Normen von denjenigen der einheimischen Bevölkerung unterscheiden. Der
Migrationsprozess und die damit zusammenhängenden Suchtprobleme dürfen
aber nicht nur als Resultat eines Konfliktes zwischen zwei Kulturen verstanden
werden, auch wenn im klinischen Einzelfall durchaus entsprechende intrapsychi-
sche Konflikte vorliegen können. Darüber hinaus muss die große Bedeutsamkeit
der ungünstigen Lebensbedingungen von Migranten im Sinne einer gesellschaft-
lichen Marginalisierung und des Wegfalls von protektiven Faktoren als mögliche
Ursachen für Suchtprobleme beachtet werden.
Für den Suchttherapeuten stellt sich deshalb zunächst die Aufgabe, spezielle
Kompetenzen zu erwerben, um die äußeren Probleme von Migranten zu verste-
hen, wie die unsichere Rechtssituation von außereuropäischen Migranten und
Asylsuchenden, die schlechteren schulischen und beruflichen Voraussetzungen
vieler Migranten und vorhandene Sprachbarrieren. Dabei müssen Zugangsschwel-
len in dem psychosozialen Versorgungsangebot überwunden werden, die auf der
einen Seite mit Nichtwissen der Betroffenen sowie Tabus bezogen auf Suchtpro-
bleme in Migrantenfamilien, und auf der anderen Seite mit Vorurteilen gegenüber
suchtkranken Migranten zu tun haben, wie z. B. dealenden Drogenabhängigen.
Bezogen auf die Glücksspielproblematik liegen bisher kaum empirische Daten
über Migranten vor, sodass an dieser Stelle vorrangig klinische Eindrücke und
Falldarstellungen angeführt werden.
Von den beratenen und behandelten Glücksspielsüchtigen umfasst die Gruppe
der Migranten ca. 12 %, wobei es sich neben grenznahen Migranten aus den
Niederlanden und Luxemburg um osteuropäische, d. h. vorwiegend deutsch
stämmige Einwanderer aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion,
123
oder Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien handelt. Die Mehrzahl umfasst
Migranten aus dem mediterranen Raum, d. h. aus EU-Ländern wie Italien und Spa-
nien. Die größte Gruppe stellen jedoch türkische Migranten dar. Einzelne Patienten
kommen aus dem Iran oder aus dem nordafrikanischen Raum, die vor allem aus
Algerien über Frankreich eingewandert sind. Bedenkt man die erhöhte Zugangs-
schwelle zu einer psychotherapeutischen Behandlung, so scheinen glücksspiel-
süchtige Migranten im Vergleich mit der Bevölkerungsstruktur etwas überreprä-
sentiert, während ihre Herkunft dem Anteil der verschiedenen Ausländergruppen
an der Bevölkerung ungefähr entspricht, da die Mehrheit aus der Türkei, dem
ehemaligen Jugoslawien und aus Italien stammt. Die aussagekräftigste Bevölke-
rungsbefragung (Meyer et al., 2011) konnte inzwischen belegen, dass Personen
mit Migrationshintergrund ein erhöhtes Risiko für problematisches und pathologi-
sches Glücksspielen aufweisen.
Bezogen auf die soziodemografischen Merkmale von glücksspielsüchtigen Migran-
ten zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung mit beratenen und behandelten
Glücksspielsüchtigen deutscher Nationalität. Es handelt sich auch vorwiegend um
jüngere, männliche Geldautomatenspieler. Tendenzielle Abweichungen zeigen sich
darin, dass die Migranten vergleichsweise etwas älter und familiär bzw. partner-
schaftlich stärker eingebunden sind sowie hinsichtlich ihres problembehafteten
Glücksspielmediums häufiger Kasino- oder Kartenspiele ausüben.
Zur besseren Erläuterung wird nachfolgend ein Fallbeispiel exemplarisch genauer
beschrieben.
Als ursprüngliche Motive für sein Glücksspielverhalten nennt er die erlebte Anre-
gung und den Abbau von Spannungen, später die Verarbeitung der Kränkungen,
die aus dem Scheitern seiner ehelichen Beziehung resultieren. Zum Schluss habe
er sein Glücksspielverhalten als Selbstzerstörungsprozess erlebt. Ein zentrales
Motiv sei für ihn gewesen, Kontrolle auszuüben und Machtphantasien auszuleben.
Er berichtet angeberisch getönt von ausgeprägten Kontrollillusionen: So habe
er sich, bezogen auf Geldspielautomaten, Computerpläne besorgt und berichtet,
dass er damit die Automaten habe knacken können. Als er dies erreicht habe,
habe ihn das nicht weiter interessiert, sodass er zum Roulette gewechselt sei.
Dort sei sein Bestreben allein darauf gerichtet gewesen, das „schwarze Tuch“ zu
sehen, d. h. die Bank zu sprengen.
Als Folgen der Glücksspielproblematik bestehen seit mehreren Jahren häufige
Magengeschwüre und zunehmende depressive Reaktionen. Herr T. wirkt im Ge-
sprächskontakt teilweise selbstmitleidig, er weint häufig und berichtet von ausge-
prägten Schuldgefühlen gegenüber seiner Frau und seiner Herkunftsfamilie. Herr
T. ist zum Behandlungszeitpunkt arbeitslos. An seiner letzten Arbeitsstelle habe er
eine größere Geldsumme unterschlagen, sodass ihm noch ein Gerichtsverfahren
drohe. Die Gesamtverschuldung beläuft sich auf ca. 100.000 Euro.
Bezogen auf seine türkische Herkunft und seine Bezugsgruppe berichtet er zum
Glücksspielverhalten, dass er die Glücksspielsituation in der Türkei persönlich
kaum kenne. Er wisse lediglich, dass dort vor allem Karten- und Brettspiele in
Teestuben und heutzutage in Gaststätten gespielt würde, teilweise auch um hö-
here Beträge in Hinterzimmern. Das vom Koran vorgegebene Glücksspielverbot
(Der Koran, Sure 5, Vers 90: „Oh ihr, die ihr glaubt, siehe, der Wein, das Spiel, die
Bilder und die Pfeile sind ein Greuel von Satans Werk. Meidet sie; vielleicht er-
geht es Euch wohl.“ und Vers 91: „Der Satan will nur zwischen euch Feindschaft
und Hass werfen durch Wein und Spiel und euch abwenden von dem Gedanken
an Allah und dem Gebet. Wollt ihr deshalb nicht davon ablassen?“) sei in seiner
Heimat wenig wirksam. Weiterhin berichtet er von eigenen Erfahrungen mit der
türkischen Glücksspielerszene in Deutschland, die sich in nur von türkischen
Männern besuchten Gaststätten abspiele. Dort sei auch sein Vater nach seiner
Übersiedlung aktiv als Glücksspieler aufgetreten und habe als ehemaliger Major
hohen Respekt besessen. Zu seiner spezifischen Sozialisation berichtet Herr T.,
dass er streng mit Achtung vor den Erwachsenen erzogen worden sei, was das
Verhältnis zum Vater geprägt habe. Die Beziehung zu ihm sei sehr liebevoll ge-
wesen, er habe ihm auch verziehen, dass er die Familie und ihn vorübergehend
verlassen habe.
126
Herr T. berichtet über seinen inneren Konflikt als Migrant, dass er sich als „Tür-
ke mit deutschem Pass“ erlebe. Er leide unter dieser kulturellen Spannung, da
er nicht wisse, „wer er sei oder wo er hingehöre“. Bezogen auf seine türkische
Herkunft erläutert er dies am Beispiel der Beerdigung seines Vaters kurz vor der
Behandlung. Er habe damals die Pflicht gehabt als Sohn, den Vater nach islami-
schem Glauben ins Grab zu legen. Er habe dies als ausgeprägten Erwartungs-
druck erlebt, da er mit der rituellen Handlung nicht vertraut gewesen sei und
habe sich innerlich sehr zerrissen gefühlt. Bezogen auf sein Leben in Deutschland
berichtet er von keinen spezifischen Diskriminierungen, beklagt jedoch die fehlen-
de spontane Gastfreundschaft. Er erläutert dies bezogen auf seine therapeutische
Wohngruppe, für die er ein türkisches Essen gekocht habe. Für ihn sei das etwas
ganz Selbstverständliches gewesen. Er habe jedoch sehr viel Dank bekommen
und auch Gegengeschenke, was er ablehne, da in Deutschland soziale Beziehun-
gen immer nur auf einen Ausgleich hinausliefen, also immer mit erwarteten Ge-
genleistungen verbunden seien.
Dieser letzte Mentalitätsunterschied wird während eines psychotherapeutischen
Marathons durch eine Übung deutlich, bei der die Aufgabe bestand, die äußere
Selbstdarstellung auf ein Blatt Papier zu notieren und unabhängig davon die in-
nere Befindlichkeit auf einem anderen Blatt festzuhalten. Diese Aufzeichnungen
wurden danach als Innen- und Außenkreis angeordnet, um die glücksspielerty-
pische spannungsreiche Gegensätzlichkeit zwischen nach außen gezeigtem Ver-
halten und innerem Erlebniszustand erfahrbar zu machen. Neben Herrn T. nimmt
auch ein zweiter türkischer Migrant an der Übung teil. Beide teilen in der Nachbe-
sprechung mit, dass sie die Übung für sich überhaupt nicht „verstanden“ hätten.
Sie hatten unabhängig voneinander spontan auf ein einziges Blatt Papier ihren
aktuellen Gefühlszustand in ganz ähnlicher Art formuliert. Inhaltlich ging es dabei
um Enttäuschungen über die fehlende emotionale Offenheit, da viele Menschen
in Deutschland sich nach außen anders darstellen würden, als sie sich innerlich
fühlten, sodass sie kein Vertrauen in Beziehungen hätten. So schreibt Herr T.:
„Ich kann Menschen nicht leiden, welche hinter guten Taten oder Äußerungen
oder Gesten (Küssen, Drücken) immer etwas skeptisch sind und irgendwelche
Vorteilnahme sehen“.
Im Zentrum der Behandlung besteht zu Beginn die erfolgte Trennung von der
Partnerin. Herr T. fühlt sich entmachtet und ist wütend aufgrund der erlebten
Zurückweisung. Herr T. zeigt eine hohe Anspruchshaltung und ist dabei sehr ei-
genwillig. Er konkurriert mit dem Therapeuten und übernimmt gegenüber den
Mitpatienten die Rolle des Hilfreichen und Verständnisvollen. Es fällt ihm schwer,
127
die eigene Hilflosigkeit und Schwäche zuzulassen und er möchte als „guter Kerl“
dastehen. Im Laufe der Behandlung wird ihm seine innere Hilflosigkeit, Bedürftig-
keit und Zerrissenheit im Rahmen seiner türkisch-deutschen Identität bewusst. Er
neigt dabei zu depressiv-selbstmitleidigen Reaktionen und weicht in angeberische
Größenfantasien aus. Dabei fällt es ihm schwer, die Trennung von der Ehefrau zu
akzeptieren. Hilfreich sind ihm sportliche Aktivitäten, um sein Selbstwertgefühl zu
steigern und depressive Phasen zu bewältigen. Im weiteren Behandlungsverlauf
gelingt es ihm besser, die Trennungssituation zu bewältigen. Eine Aufarbeitung
der glücksspielertypischen Vaterproblematik gelingt nicht, da er den Vater idea-
lisiert, sodass ihm das Fehlen einer männlichen Identifikationsfigur während der
Kindheit und die spätere Übernahme von Verhaltensmustern seines Vaters, wie
seine zwischenzeitliche Unzuverlässigkeit und das Glücksspielverhalten, nicht be-
wusst werden. Bezogen auf die materielle Situation erfolgt eine detaillierte Schul-
denaufstellung, aber keine weitergehende Verbesserung der materiellen Situation.
Zum Entlassungszeitpunkt besteht aufgrund der Verschuldung, dem drohenden
Gerichtsverfahren, der Trennung von der Ehefrau und zunehmenden Entfremdung
von der Tochter sowie der Arbeitslosigkeit eine extrem belastende Lebenssitua-
tion. Herr T. wird die bereits vor der Behandlung bestehende ambulante Behand-
lung bei einer Suchtberatungsstelle fortsetzen.
128
Literatur:
Bensel, Wolfgang (2007): Implizite Krankheitsvorstellungen bei ausländischen Glücksspielern.
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psychotherapeuten, 1, 36-39.
8 Literatur 129
Richtig Falsch
1. Ich kann mit dem Glücksspielen erst aufhören, wenn ich kein
Geld mehr habe!
Name:
Datum:
Beginn, Verlauf
(Erstkontakt, Einstiegsbedingungen, Problembeginn, Verlaufsform, Höhepunkte):
Häufigkeit, Intensität
durchschnittliche tägliche Glücksspieldauer:
höchster Tagesverlust:
Glücksspielbedingte Nachteile/Beeinträchtigungen
(z. B. Schulden, Vorstrafen, Vereinsamung, Depressivität und Suizidalität,
psychosomatische Störungen):
Selbstkontrollversuche
(gescheiterte Kontrollversuche, glücksspielfreie Zeiten):
Implizites Krankheitskonzept
(Externalität versus Internalität, subjektives Suchtmodell versus psychodynamisches
Verständnis):
Abstinenz-/Änderungsmotivation
(bezogen auf das Glücksspielverhalten und die bestehende Verschuldung):
Vorbemerkung:
Diese Empfehlungen sind nicht nur dazu gedacht, die Krankenkassen und Ren-
tenversicherungsträger bei ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit der
medizinischen Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspielen zu unterstüt-
zen. Sie richten sich auch an andere Institutionen, die Hilfen für Pathologische
Glücksspieler(innen) anbieten, insbesondere an die Beratungsstellen. Diese erfül-
len hier eine wichtige Funktion, vor allem in der Vorbereitung und Nachsorge für
medizinische Leistungen zur Rehabilitation.
1) Pathologisches Glücksspielen als Krankheit
Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Erfahrun-
gen aus der medizinischen Rehabilitation handelt es sich beim Pathologischen
Glücksspielen um ein eigenständiges Krankheitsbild innerhalb der psychischen
Störungen. Das Pathologische Glücksspielen ist also weder einfach eine Suchter-
krankung noch lediglich eine psychosomatische Störung und bedarf damit ggfs.
auch einer entsprechenden Rehabilitation mit glücksspielerspezifischen Behand-
lungsangeboten.
Das Pathologische Glücksspielen unterscheidet sich beispielsweise dadurch von
stoffgebundenen Suchterkrankungen, dass die Trennung in Entgiftung und Ent-
wöhnung, die der Sucht-Vereinbarung zugrunde liegt, hier nicht möglich ist. Die
bestehenden Empfehlungsvereinbarungen zur Rehabilitation Abhängigkeitskran
ker beziehen sich auf Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit als stoff-
gebundene Suchtformen und gelten daher für das Pathologische Glücksspielen
137
nicht. Bei Pathologischem Glücksspielen handelt es sich um ein andauerndes
und wiederkehrendes fehlangepasstes Glücksspielverhalten, das nosologisch als
Impulskontrollstörung eingeordnet, gleichzeitig jedoch als Abhängigkeitssyndrom
operationalisiert wird. Betrachtet man die Glücksspieler(innen), die derzeit in Be-
ratung/Behandlung sind, handelt es sich dabei fast ausschließlich um männliche
Patienten, deren Altersschwerpunkt bei 30 Jahren liegt. Sie spielen über mehrere
Jahre mit hoher Intensität vor allem an gewerblichen Geldspielautomaten und
zeigen erhebliche Auffälligkeiten wie hohe Verschuldung, erhöhte Suizidtendenz
und häufige Delinquenz. Hinzu kommen häufig psychische und/oder psychoso-
matische Störungen. Bei einer beträchtlichen Teilgruppe (derzeit etwa ein Viertel)
besteht zusätzlich eine stoffgebundene Abhängigkeit.
2) Voraussetzungen für die Rehabilitation von Pathologischen
Glücksspieler(inne)n
Für die Bewilligung einer medizinischen Rehabilitation ist zuständig
a) der Rentenversicherungsträger, wenn die persönlichen und versicherungsrecht-
lichen Voraussetzungen nach §§ 9 bis 11 SGB VI (§§ 7 und 8 ALG) erfüllt sind
und kein gesetzlicher Ausschlusstatbestand gegeben ist,
b) die Krankenkasse, wenn die Voraussetzungen nach (a) nicht vorliegen, jedoch
die Voraussetzungen der §§ 27 und 40 SGB erfüllt sind.
Wenn pathologische Glücksspieler(innen) eine Rehabilitationsleistung der Ren-
tenversicherung erhalten sollen, kommt es bezogen auf die persönlichen Voraus-
setzungen (vgl. § 10 SGB VI) vor allem darauf an, ob ihre Leistungsfähigkeit im
Erwerbsleben erheblich gefährdet oder bereits gemindert ist. Hinzukommen muss
die Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Erwerbsprognose.
Wenn pathologische Glücksspieler(innen) eine Rehabilitationsleistung der Kran-
kenversicherung erhalten sollen, kommt es darauf an, ob sie notwendig ist, einer
drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt
zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (vgl. § 11 Abs. 2
SGB V).
Rehabilitationsbedürftigkeit setzt zunächst voraus, dass die in dem Diagnose-
klassifikationssystem ICD-10 niedergelegten Kriterien für das „Pathologische
Spielen" (ICD-10 F63.0) erfüllt sind. Die ICD-10 unterscheidet das Pathologische
Spielen (F63.0) als abnorme Gewohnheit beziehungsweise Störung der Impuls-
kontrolle von der Beteiligung an Glücksspielen oder Wetten (Z72.6) als Problem
mit Bezug auf die Lebensführung. Pathologisches Spielen besteht danach in
138
„häufigem und wiederholtem episodenhaften Glücksspiel, das die Lebensführung
des betroffenen Patienten beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen,
materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt." (Siehe Abdruck der
ICD-10-Kriterien im Anhang).
Über die vorgenannten Kriterien hinaus sind bei der sozialmedizinischen
Beurteilung insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:
• Dauer und individueller Verlauf der Störung,
• Schwere der Glücksspielsymptomatik (unter Zuhilfenahme
z. B. des Kurzfragebogens zum Glücksspielverhalten, KFG1),
• individuelle Psychopathologie,
• psychiatrische Komorbidität,
• Anzahl und Art der Vorbehandlungen,
• Suizidversuche,
• Arbeitsunfähigkeitszeiten,
• Verschuldung,
• erhebliche Gefährdung oder Verlust der sozialen Integration
(Arbeitsplatz, Wohnung, Partnerschaft),
• Straffälligkeit.
Eine medizinische Rehabilitation ist dann nicht indiziert, wenn ein symptomati-
sches Glücksspielverhalten vorliegt und die psychische Grundstörung durch eine
ambulante psychiatrische oder psychotherapeutische Intervention angemessen
behandelt werden kann.
Rehabilitationsfähigkeit: Der pathologische Glücksspieler muss bei Beginn der
Rehabilitationsleistung in der Lage sein, aktiv an den therapeutischen Maßnah-
men teilzunehmen. Dazu gehört ein Mindestmaß an körperlicher und psychischer
Belastbarkeit, aber auch an Introspektions- und Verbalisierungsfähigkeit. Dies
kann insbesondere dann fehlen, wenn eine Psychose oder eine erhebliche Minder-
begabung mit sekundärer Glücksspielproblematik vorliegt. Eine Kontraindikation
für eine medizinische Rehabilitation liegt dann vor, wenn die Behandlung einer
anderen akuten Erkrankung zunächst vorrangig ist (z. B. bei akuter Suizidalität,
ausgeprägter schwerer depressiver Störung oder akuter Manie).
Für die Beurteilung der Erfolgsprognose spielt die beim Versicherten vorhandene
Abstinenz- und Änderungsmotivation eine große Rolle. Ein Hinweis auf das Vorlie-
gen einer solchen Motivation kann darin bestehen, dass der Versicherte, z. B. mit
Unterstützung einer Beratungsstelle, bereits konkrete Schritte zur Schuldenregu-
lierung unternommen hat. Bei pathologischen Glücksspielern, die bei der Reha-
1
in: Petry, J. (1996): Psychotherapie der Glücksspielsucht. Weinheim: Psychologie Verlags Union, S. 299ff.
139
Antragstellung noch in Haft sind oder denen der Vollzug einer Haftstrafe droht,
ist eine eingehende Prüfung der Abstinenz- und Änderungsmotivation besonders
wichtig, wenn die Erfolgsprognose beurteilt werden soll.
Rehabilitationsprognose: Bei Krankheiten oder Behinderungen, die selbst bei
einer erfolgreichen Behandlung des Pathologischen Glücksspielens einer Wie-
dereingliederung in das Erwerbsleben auf Dauer entgegenstehen, ist eine Reha-
bilitation zu Lasten der Rentenversicherung ausgeschlossen (fehlende positive
Erwerbsprognose). Es ist aber davon auszugehen, dass bei vielen pathologischen
Glücksspielern durch eine Rehabilitationsleistung bei gefährdeter Erwerbsfähig-
keit deren Minderung abgewendet und bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese
wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann.
Ein Sozialbericht – analog zu dem bei Abhängigkeitskranken – kann für die Beur-
teilung von Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit und -prognose sehr hilfreich
sein, wird aber nicht in allen Fällen vorliegen. Im Einzelfall kann zur Überprüfung
der persönlichen Voraussetzungen für die Rehabilitation auch ein Vorgespräch in
einer Rehabilitationseinrichtung angezeigt sein.
3) Rehabilitationsziele bei Pathologischem Glücksspielen
Ziele der medizinischen Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspielen sind:
- Glücksspielabstinenz zu erreichen und zu erhalten,
- körperliche und seelische Störungen weitgehend
zu beheben oder auszugleichen
- und die möglichst dauerhafte (Wieder-)Eingliederung
in das Erwerbsleben zu erreichen.
Wichtig für die Erhaltung der Glücksspielabstinenz ist die Rückfallprophylaxe. Dies
gilt auch für die Motivation zur und Vorbereitung der Schuldenregulierung, soweit
dies nicht schon vor der Rehabilitation geschehen ist, sowie der Aufbau eines
angemessenen „Geldmanagements".
4) Rehabilitationsleistungen bei Pathologischem Glücksspielen
Grundsätzlich ist die Behandlung von pathologischen Glücksspielern sowohl in
Sucht- als auch in psychosomatischen Rehabilitationseinrichtungen möglich.
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein angemessenes glücksspielspezifisches
Behandlungsangebot (siehe Zf. 5 und 6) vorhanden ist. Es können ambulante und/
oder stationäre Rehabilitationsleistungen angezeigt sein.
140
Eine ambulante Rehabilitation kommt bei Pathologischem Glücksspielen insbe-
sondere in Betracht, wenn folgende Kriterien zutreffen:
- Das soziale Umfeld des pathologischen Glücksspielers hat eine unterstützende
Funktion. Eine stabile Wohnsituation ist vorhanden. Der pathologische Glücks
spieler ist beruflich noch so ausreichend integriert, dass spezifische Leistungen
zur Vorbereitung einer beruflichen Wiedereingliederung voraussichtlich nicht
erforderlich sind.
- Der pathologische Glücksspieler besitzt die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit, zur
regelmäßigen Teilnahme und zur Einhaltung des Therapieplans im Rahmen der
ambulanten Rehabilitation.
- Der pathologische Glücksspieler ist gewillt und in der Lage, während der am
bulanten Rehabilitation Glücksspielabstinenz einzuhalten. Ein einzelner Rück-
fall während der ambulanten Rehabilitation hat aber nicht zwangsläufig einen
Wechsel der Rehabilitationsform zur Folge.
- Auch bei einem langen und/oder intensiven Störungsverlauf oder bei Arbeitslo-
sigkeit kann die Indikation für eine ambulante Rehabilitation bestehen, soweit im
übrigen die obigen Kriterien erfüllt sind.
Umgekehrt kommt eine stationäre Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspie-
len insbesondere in Betracht, wenn folgende Kriterien zutreffen:
- Das soziale Umfeld des pathologischen Glücksspielers hat keine ausreichende
unterstützende Funktion (mehr). Eine stabile Wohnsituation ist nicht vorhanden.
Der pathologische Glücksspieler benötigt voraussichtliche spezifische Leistun
gen zur Vorbereitung der beruflichen Wiedereingliederung.
- Dem pathologischen Glücksspieler fehlt die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit, zur
regelmäßigen Teilnahme und zur Einhaltung des Therapieplans im Rahmen der
ambulanten Rehabilitation.
- Der pathologische Glücksspieler ist nicht gewillt oder nicht in der Lage, während
einer ambulanten Rehabilitation Glücksspielabstinenz einzuhalten.
Jenseits der symptomatologischen Ebene können im Einzelfall sehr verschiedene
Konfliktkonstellationen identifiziert werden, die ein flexibles Vorgehen in unter-
schiedlichen Settings erfordern:
Pathologische Glücksspieler mit bestehender stoffgebundener Abhängigkeit
werden in einer Einrichtung mit glücksspielerspezifischem Behandlungsange-
bot rehabilitiert, die auch Abhängigkeitskrankheiten behandelt (Gruppe A im
Diagramm). Umgekehrt ist für Patienten, bei denen neben dem Pathologischen
Glücksspielen eine spezielle psychische Störung besteht, die für sich genommen
141
eine psychosomatische Rehabilitation erfordert, das psychosomatische Behand-
lungssetting, ebenfalls mit glücksspielerspezifischem Behandlungsangebot, ge-
boten (Gruppe D im Diagramm).
Nach dem Ergebnis der Studie von Petry & Jahrreiss für den VDR2 lassen sich
im Übrigen zwei Gruppen pathologischer Glücksspieler unterscheiden, von denen
die eine eher Merkmale einer Persönlichkeitsstörung, insbesondere vom
narzisstischen Typ, aufweist und die andere eher Merkmale einer depressiv-
neurotischen Störung oder einer Persönlichkeitsstörung vom selbstunsicher/
vermeidenden Typ. Die erste Gruppe (Gruppe B im Diagramm) ist Suchtkranken
ähnlicher als die zweite Gruppe, die dafür psychosomatisch Kranken ähnlicher ist
(Gruppe C im Diagramm). Eine psychiatrische/psychodiagnostische Abklärung ist
erforderlich und ermöglicht in der Regel diese Unterscheidung für den einzelnen
Versicherten.
Zur Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen können insbesondere
folgende Merkmale beitragen:
In der ersten Gruppe häufiger zu finden sind:
• Merkmale einer (insbesondere narzisstischen) Persönlichkeitsstörung,
• fortgeschrittene Glücksspielproblematik mit suchttypischer Eigendynamik,
wobei der Patient selbst seine Symptomatik eher im Sinne eines impliziten
Suchtkonzeptes verarbeitet hat,
• Straffälligkeit,
• verminderte Verhaltenskontrolle als Hinweis auf eine gestörte Impulskontrolle.
In der zweiten Gruppe häufiger zu finden sind:
• Merkmale einer depressiv-neurotischen Störung oder einer Persönlichkeits
störung vom selbstunsicher/vermeidenden Typ,
• Suizidalität,
• hoher Leidensdruck,
• umschriebener Konfliktfokus, bei dem das Glücksspielverhalten als Reaktion
auf eine Belastungssituation oder als neurotischer Konfliktlösungsversuch zu
verstehen ist.
Für Glücksspieler, die eher der ersten Gruppe (B) zugeordnet werden können, ist
in der Regel ein Behandlungsangebot besonders geeignet, das gezielt auf ihr im-
plizites Suchtkonzept und die bei ihnen vorhandene suchttypische Eigendynamik
2
Petry, J. & Jahrreiss, R. (1999): Stationäre Rehabilitation von „Pathologischen Glücksspielern“: Differential-
diagnostik und Behandlungsindikation. Kurzfassung des abschließenden Forschungsberichtes an den
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger. Deutsche Rentenversicherung
4/1999, S. 196-218.
142
der Störung eingeht. Die verminderte Verhaltenskontrolle macht oft ein größeres
Ausmaß an äußeren Strukturvorgaben erforderlich.
Umgekehrt ist für Glücksspieler, die eher der zweiten Gruppe (C) zugeordnet wer-
den können, ein Behandlungsansatz besonders angezeigt, der konkret an ihren
depressiv-neurotischen Störungen und an der oft vorhandenen Selbstwertproble-
matik ansetzt und der den hier in der Regel starken Leidensdruck berücksichtigt.
3
Hier sind ggfs. Übergangsregelungen für schon lange in der Suchttherapie tätige
Sozialarbeiter(innen) mit indikationsübergreifender Weiterbildung vorzusehen.
4
Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) arbeitet an einem
entsprechenden Curriculum.
147
7) Nachsorge bei Pathologischem Glücksspielen
Grundsätzlich ist eine Nachsorge auch beim Pathologischen Glücksspielen für vie-
le Rehabilitanden sinnvoll. Sie kann z. B. als Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe,
aber auch als strukturierte Nachsorge durch eine Beratungs-/Behandlungsstelle
durchgeführt werden. Sie sollte – wenn erforderlich – im unmittelbaren Anschluss
an die stationäre Rehabilitation beginnen, wenn die Rehabilitationseinrichtung
eine Nachsorge-Empfehlung ausspricht. Obwohl das Pathologische Glücksspie-
len nicht unter die bestehenden Empfehlungsvereinbarungen zur Rehabilitation
Abhängigkeitskranker fällt, kommt die Finanzierung einer erforderlichen Nach-
sorge für pathologische Glücksspieler analog zu dem vom jeweiligen Rehabili-
tationsträger praktizierten Verfahren bei der Nachsorge Abhängigkeitskranker
(z. B. analog zur Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Sucht) in
Betracht. Entsprechende Einrichtungen müssen Erfahrungen in der Beratung bei
Pathologischem Glücksspielen nachweisen und ein geeignetes Nachsorgekonzept
vorlegen. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird die strukturierte Nachsorge an
Beratungs-/Behandlungsstellen für Suchtkranke stattfinden.
Bei behandlungsbedürftigen psychischen Störungen (z. B. Depressionen) kann
nach der stationären Rehabilitation eine ambulante Psychotherapie im Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung angezeigt sein.
Anhang:
Auszug aus der ICD-10
ICD-10 (1993): Internationale Klassifikation psychischer Störungen.
Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien. Weltgesundheitsorganisation.
2. korrigierte Auflage. München: Urban & Schwarzenberg
148
Anhang:
Auszug aus der ICD-10
ICD-10 (1993): Internationale Klassifikation psychischer Störungen.
Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien. Weltgesundheitsorganisation.
F63 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
In dieser Kategorie sind verschiedene nicht an anderer Stelle klassifizier-
bare Verhaltensstörungen zusammengefasst. Sie sind durch wiederholte
Handlungen ohne vernünftige Motivation gekennzeichnet, die nicht kontrol-
lierbar werden können und die meist die Interessen des betroffenen Patien-
ten oder anderer Menschen schädigen. Der betroffene Patient berichtet von
impulshaftem Verhalten. Die Ursachen dieser Störung sind unklar, sie sind
wegen deskriptiver Ähnlichkeiten hier gemeinsam aufgeführt, nicht weil sie
andere wichtige Merkmale teilen.
Exkl.: Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle,
die das sexuelle Verhalten betreffen (F65.-)
Gewohnheitsmäßiger exzessiver Gebrauch von Alkohol
oder psychotropen Substanzen (F10-F19)
F63.0 Pathologisches Spielen
Die Störung besteht in häufigem und wiederholtem episodenhaften Glücks-
spiel, das die Lebensführung des betroffenen Patienten beherrscht und
zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und
Verpflichtungen führt.
Zwanghaftes Spielen
Exkl.: Exzessives Spielen manischer Patienten (F30.-)
Spielen bei dissozialer Persönlichkeitsstörung (F60.2)
Spielen und Wetten o.n.A. (Z72.6)
Berlin Hamburg
Präventionsprojekt Glücksspiel Automatisch verloren!
pad gGmbH 20097 Hamburg, Repsoldstr. 4
13086 Berlin, Charlottenburgerstr. 2 Tel. +49 40 28499180
Tel. +49 30 84522112 [email protected]
[email protected] www.automatisch-verloren.de
www.faules-spiel.de
150
Hessen Nordrhein-Westfalen
Projekt Glücksspielsucht Landesfachstelle
Hessische Landesstelle für Glücksspielsucht NRW
Suchtfragen e. V. (HLS) 33602 Bielefeld, Niederwall 51
60325 Frankfurt/Main, Zimmerweg 10 Tel. +49 521 3995589-0
Tel. +49 69 71376777 [email protected]
[email protected] www.gluecksspielsucht-nrw.de
www.hls-online.org
Rheinland-Pfalz
Mecklenburg-Vorpommern Koord. Fachstelle Prävention
Landesfachstelle Glücksspielsucht MV der Glücksspielsucht und
19053 Schwerin, Lübecker Str. 24a Medienabhängigkeit
Tel. +49 385 7851560 Sozialraumentwicklung /
[email protected] Suchtprävention
www.gluecksspielsucht-mv.de Landesamt für Soziales, Jugend
und Versorgung
Niedersachsen 55118 Mainz, Rheinallee 97–101
Glücksspielsucht – Prävention und Tel. 06131 967-705
Beratung www.suchtprävention.rlp.de/program-
Niedersächsische Landesstelle für me/praevention-der-gluecksspielsucht/
Suchtfragen
30159 Hannover, Grupenstr. 4 Saarland
Tel. +49 511 626266-0 Landesfachstelle Glücksspielsucht
[email protected] Saarland
www.gluecksspielsucht- Haus der Caritas
niedersachsen.de 66111 Saarbrücken, Johannisstr. 2
Tel. +49 681 30906-90
[email protected]
www.gluecksspielsucht-saar.de
151
Sachsen
Projekt Koordination Prävention
Glücksspielsucht
SLS e.V.
01099 Dresden, Glacisstr. 26
Tel. +49 351 8045506
[email protected]
www.slsev.de
Schleswig-Holstein
Koordinierungsstelle
Glücksspielsuchthilfe und
Medienabhängigkeit
Landesstelle für Suchtfragen
Schleswig-Holstein e. V.
24119 Kronshagen, Schreberweg 10
Tel. +49 431 657394-40
[email protected]
www.lssh.de/gluecksspiel
Thüringen
Thüringer Fachstelle GlücksSpielSucht
fdr Fachverband Drogen- und
Suchthilfe e. V.
99091 Erfurt, Dubliner Str. 12
Tel. +49 361 3461746
[email protected]
www.gluecksspielsucht-thueringen.de
152
10.2 Landesstellen Bremische Landesstelle für
für Suchtfragen Suchtfragen (BreLS) e. V.,
c/o Ambulante Suchthilfe Bremen
Landesstelle für Suchtfragen 28195 Bremen, Bürgermeister-Smidt-
der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Str. 35
in Baden-Württemberg e. V. Ansprechpartnerin: Melanie Borgmann
70173 Stuttgart, Stauffenbergstr. 3 Tel. 0 162 2627755
Ansprechpartner: Dr. John Litau [email protected]
Tel. +49 711 61967-0 www.brels.de
Fax +49 711 61967-67
[email protected] Hamburgische Landesstelle
www.lss-bw.de für Suchtfragen e. V.
20095 Hamburg, Burchardstr. 19
Koordinierungsstelle Ansprechpartnerin: Tanja Adriany
der bayerischen Suchthilfe Tel. +49 40 30386555
80336 München, Lessingstr. 1 [email protected]
Ansprechpartnerin: Bettina Lange www.landesstelle-hamburg.de
Tel. +49 89 536515
Fax +49 89 5439303 Hessische Landesstelle
[email protected] für Suchtfragen e. V.
www.kbs-bayern.de 60325 Frankfurt a.M., Zimmerweg 10
Ansprechpartnerin:
Landesstelle Berlin Susanne Schmitt
für Suchtfragen e. V. Tel. +49 69 71376777
10585 Berlin, Gierkezeile 39 Fax +49 69 71376778
Ansprechpartnerin: Angela Grube [email protected]
Tel. +49 30 34389160 www.hls-online.org
Fax +49 30 34389162
[email protected] Niedersächsische Landesstelle
www.landesstelle-berlin.de für Suchtfragen e. V.
30159 Hannover, Grupenstr. 4
Brandenburgische Landesstelle für Ansprechpartner: Michael Cuypers
Suchtfragen (BLS) e. V. Tel. +49 511 626266-0
14467 Potsdam, Behlertstr. 3a, Haus H1 Fax +49 511 626266-22
Ansprechpartnerin: Andrea Hardeling [email protected]
Tel. +49 331 581380-0 www.nls-online.de
Fax +49 331 581380-25
[email protected]
www.blsev.de
153
Suchtkooperation NRW, Landesstelle für Suchtfragen
c/o Landschaftsverband Rheinland im Land Sachsen-Anhalt
Dezernat 8 39112 Magdeburg, Halberstädter Str. 98
50663 Köln Ansprechpartnerin:
[email protected] Helga Meeßen-Hühne
Ansprechpartnerin: Dr. Anne Pauly Tel. +49 391 5433818
Tel. +49 221 809-7794 Fax +49 391 5620256
Fax +49 221 809-6657 [email protected]
https://suchtkooperation.nrw/ www.ls-suchtfragen-lsa.de
https://www.check-dein-spiel.de/
Portal zum Thema Glücksspielsucht der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Onlineberatungsangebot, Selbsttest und
Wissenstest.
https://innen.hessen.de/Buerger-Staat/Gluecksspiel/Gluecksspiel-in-Deutsch-
land/Fachbeirat
Fachbeirat Glücksspielsucht – eine unabhängige Einrichtung zur Beratung
der Länder.
www.gluecksspielsucht.de
Fachverband Glücksspielsucht e. V. (fags)
www.forum-gluecksspielsucht.de
Forum für Glücksspielsüchtige und ihre Angehörigen
www.forum-gewerberecht.de
Forum Gewerberecht / Rubrik Spielrecht
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) mit Sitz in Hamm ist der
Zusammenschluss der in der Suchtprävention und Suchthilfe bundesweit tätigen
Verbände. Dazu gehören die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, öffent-
lich-rechtliche Träger der Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe. Die DHS koordi-
niert und unterstützt die Arbeit der Mitgliedsverbände und fördert den Austausch
mit der Wissenschaft.
Die Geschäftsstelle der DHS in Hamm gibt Auskunft und vermittelt Informationen
an Hilfesuchende, Experten, Medien- und Pressefachleute sowie andere Interes-
sierte.
Über die Internetseite www.dhs.de ist der gesamte Bestand der Bibliothek online
recherchierbar.
158
Die BZgA
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist eine obere Bundes-
behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Sie
nimmt für den Bund Aufgaben der Prävention und Gesundheitsförderung wahr. Als
Fachbehörde für Prävention und Gesundheitsförderung entwickelt sie Strategien
und setzt diese in Kampagnen, Programmen und Projekten um.
BZgA Publikationen,
Informationsmaterialien
Die Ergebnisberichte der repräsentativen Bevölkerungsbefragungen zu Glücks-
spielverhalten und Glücksspielsucht der BZgA aus den Jahren 2007, 2009 und
2011 sowie weitere Informationsmaterialien zum Thema Glücksspielsucht
können auf www.bzga.de eingesehen, heruntergeladen und bestellt werden.
159
BZgA-Infotelefon zur Suchtvorbeugung
Tel. +49 221 892031
0,20 €/Anruf aus dem deutschen Festnetz und aus dem Mobilfunknetz.
Dieser Dienst wird unterstützt von NEXT ID.)
Montag – Sonntag vo n 0.00 – 24.00 Uhr
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