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Beschaffungsportfolios
Beschaffungsportfolios
Beschaffungsportfolios
Überblick – Bewertung – Referenzmodell
Beschaffungsportfolios
Andreas Jonen
Beschaffungsportfolios
Überblick – Bewertung – Referenzmodell
Andreas Jonen
Duale Hochschule Baden-Württemberg
Mannheim, Deutschland
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1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2 Grundlagen zu Portfolios. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.1 Der Weg vom Finanzportfolio zum Beschaffungsportfolio. . . . . . . . . . . . 5
2.2 Praxisrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3 Aufbau, Aufgabe und Ablauf von Beschaffungsportfolios . . . . . . . . . . . . . . . 9
3.1 Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
3.2 Ablauf der Durchführung der Portfolioanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4 Auswahl relevanter Beschaffungsportfolios. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.1 Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.2 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4.3 Empirische Auswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
5.1 Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
5.1.1 Motivation und Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
5.1.2 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
5.1.3 Strategieableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
5.1.4 Empirische Fundierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5.1.5 Kritische Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
5.2 Geschäftsfeld-Ressourcen-Portfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5.2.1 Motivation und Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5.2.2 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5.2.3 Strategieableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
5.2.4 Kritische Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
5.3 Beschaffungsmarktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio. . . . . . . . 42
5.3.1 Motivation und Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
5.3.2 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
5.3.3 Strategieableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
V
VI Inhaltsverzeichnis
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Abkürzungsverzeichnis
XI
Einleitung
1
(2004): S. 516.
4 Vgl. Heege (1987): S. 6 und Hammer (1995): S. 179.
Portfolios haben bei der Visualisierung der strategischen Analyseergebnisse und der
Ableitung von Strategien seit vielen Jahrzehnten eine herausragende Rolle gespielt.6 In
den letzten Dezennien ist eine verstärkte Verwendung im Beschaffungsbereich festzu-
stellen7 und die Beschaffungsportfolios haben sich zu einem wesentlichen Beschaffungs-
controllinginstrument etabliert.8 Von einer bloßen Modeerscheinung kann hier nicht
gesprochen werden.9
Der Markt an Portfolios im Allgemeinen10 und im Speziellen für den Beschaffungs-
bereich bietet eine Vielzahl von unterschiedlichen Dimensionen und deren
Kombinationen in Form von Matrizen. Diese zielen teilweise auf sehr ähnliche und in
Teilen auf grundsätzlich unterschiedliche Strategie-Entscheidungsbereiche ab.11 Bei
einigen Beschaffungsportfolios werden die entwickelten Matrizen sogar nochmals mit-
einander kombiniert, um daraus eine Matrix mit einer erneut höheren wissensöko-
nomischen Reife zu bilden.12
Allgemein sind die Portfolio-Modelle bisher kaum erforscht worden. Höchstens
herausragende Portfolios, wie das BCG-Portfolio, sind einer genaueren Analyse unter-
zogen worden. Dabei sind gravierende Nutzungsprobleme festgestellt worden.13
Basierend auf diesen Ergebnissen existiert ein intensiver Bedarf für eine tiefer gehende
Analyse zu den Portfolios allgemein und spezifisch den Beschaffungsportfolios.
Die Notwendigkeit einer intensiveren strategischen Ausrichtung, insbesondere
mit Blick auf die Lieferanten wird auch durch empirische Studien belegt. Lasch et al.
(2001) stellten fest, dass bei der Lieferantenbewertung strategische Ziele nur sehr selten
integriert wurden.14
6
Vgl. Arnolds et al. (2016): S. 35, Hopfenbeck (2002): S. 612, Roland (1993): S. 99, Bräkling
et al. (2012): S. 2 und Stölzle und Kirst (2006): S. 243. Welge (1997) stellten 1997 fest, dass
75,5 % der Unternehmen die Strategieformulierung mit Methoden unterstützen, von denen
wiederum 75 % die Portfolio-Methode einsetzen, womit diese „mit absolutem Abstand das
dominierende Planungsinstrument“ ist. Welge (1997): S. 799. Knauer et al. (2012) Stellen fest,
dass die Portfolio-Analysen Platz 10 von allen Controlling-Instrumenten einnehmen und in über
71 % der analysierten Lehrbücher enthalten war. Siehe Knauer et al. (2012): S. 69.
7 Vgl. Nellore und Söderquist, K. (2000): S. 245, Montgomery et al. (2018): S. 193, Hubmann und
1. Einleitung
6. Krik an Porolios
7. Referenzmodell 8. Opmierungswege
9. Fazit
Der Begriff des Portfolios entstammt der finanztheoretischen Literatur und wird dort
für ein Wertpapierbündel verwendet, welches nach den Kriterien Erwartungsgewinn und
Risiko1 zusammengestellt ist.2 Markowitz (1952) hatte auf Basis der Portfoliotheorie
nachweisen können, dass eine Diversifizierung nicht nur abhängig ist von der Anzahl
unterschiedlicher Wertpapiere, sondern von deren Verschiedenartigkeit.3
Das finanzwirtschaftliche Konzept wurde in den siebziger Jahren auf den
leistungswirtschaftlichen Bereich übertragen.4 Im Bereich des strategischen
Managements, insbesondere in Bezug auf Produkte, Märkte und Geschäftsfelder
bzw. -einheiten5, aber auch durch Technologien oder Kompetenzen haben sich die
Portfolios zu den am meisten verwendeten Instrumenten entwickelt,6 um Standard-
6 Vgl. Drews (2008): S. 40, Thiemt (2003): S. 179, Götze und Rudolph (1994): S. 31, Robens
(1985): S. 191 und Albach (1978): S. 705. Als Urtyp wird hier die von der Boston Consulting
Group entwickelte Produkt-Markt-bezogene Portfolioanalyse eingeordnet. Vgl. Weber et al.
(2000): S. 204.
7 Vgl. Weber et al. (2000): S. 203, Hopfenbeck (2002): S. 612, Stölzle und Kirst (2006): S. 242.
Einen breiten Überblick über existierende Portfolios (55 an der Zahl) liefern Lowy und Hood
(2004): S. 91–179. Bei einer Literaturrecherche zu Portfoliomodellen stieß Drews (2013) auf über
80 betriebswirtschaftliche Portfoliomodelle. Siehe Drews (2013): S. 75.
8 Vgl. Roland (1993): S. 127 und Bräkling et al. (2012): S. 17. Einsatzgebiete sind Produkt-
portfolios, Fertigungs- / Technologieportfolios, Innovationsportfolios, Personalportfolios und
Finanzierungsportfolios. Vgl. Bräkling et al. (2012): S. 20.
9 Vgl. Nellore und Söderquist (2000): S. 246, Pagell et al. (2010): S. 70:, Drews (2013): S. 74,
Hubmann und Barth (1990): S. 27, Lieberum (1999): S. 62, Zhu et al. (2010): 308, 315, Harting
(1994): S. 36 und Montgomery et al. (2018): S. 201.
10 Vgl. Dubois und Pedersen (2002): 35, 37, Caniëls und Gelderman (2007): S. 227 und Pagell
12 Vgl. Drews (2013): S. 75, Menze (1993): S. 251 und Drews (2018): S. 38.
13 Vgl. Wildemann (2009): S. 88, Bräkling et al. (2012): S. 7, Lieberum (1999): S. 57 und Voigt
(2008): S. 209.
14 Vgl. Drews, H. (2013): S. 75.
2.2 Praxisrelevanz 7
2.2 Praxisrelevanz
15 Vgl. Piontek (1993): S. 21, Nolte (2015): S. 99, Ansoff und Leontiades (1976): S. 13, Harting
(1994): S. 37 und Wildemann (2009): S. 466.
16 Vgl. Wildemann (2009): S. 56.
18 Vgl. Harting (1994): S. 36, Lange (1981): S. 46, Thiemt (2003): S. 213, Sonnenberg (1996):
S. 55 und Heege (1987): S. 9.
19 Vgl. Stölzle und Kirst (2006): S. 243.
20 Siehe Winand und Welters (1982): S. 24. Die Erhebung wurde unter 63 Führungskräften aus
Wirtschaft und Verwaltung durchgeführt. Siehe Winand und Welters (1982): 9, 13.
21 Vgl. Winand und Welters (1982): S. 23.
22 Vgl. Lawson et al. (2009): 2658 f. Zu einer Fallstudie bei Motorola, welche die Vorteile des
strategischen Managements der Lieferanten zeigt siehe Metty et al. (2005): 7 ff.
23 Vgl. Pressey et al. (2007): S. 289.
8 2 Grundlagen zu Portfolios
31 Siehe Claycomb et al. (2000): 228 f. und Pearce et al. (1987): 658 ff.
Aufbau, Aufgabe und Ablauf von
Beschaffungsportfolios 3
3.1 Zielsetzung
4 Vgl. Heege (1987): S. 93, Hopfenbeck (2002): S. 623, Szyperski und Winand, U. (1978): S. 123,
Gelderman und van Weele (2005): S. 21 und Lieberum (1999): S. 64.
5 Vgl. Hubmann und Barth (1990): S. 26 und Drews (2018): S. 39.
7 Vgl. Kieser (2019): S. 169, Hübner und Jahnes (1998): S. 59 und Siedenbiedel (2020): S. 2.
12 Vgl. Rezaei und Fallah Lajimi (2019): 419 f. und Janker und Janker (2008): S. 135.
13 Vgl. Rezaei und Fallah Lajimi (2019): S. 419, Szyperski und Winand (1978): S. 124, Kraljic
19 Vgl. Terpend et al. (2011): S. 75, Ullmann und Siejek (2013): S. 194, Sonnenberg (1996): S. 60
und Katzmarzyk (1988): S. 186. Schneider (2005) schreibt von der Identifikation von „Kern- und
Randleistungen“. Schneider (2005): S. 156.
20 Vgl. Drews (2018): S. 38, Hammer (1995): S. 178 und Menze (1993): S. 258.
23 Vgl. Wagner und Johnson (2004): S. 719, Boutellier und Wagner (2001): S. 39, Kraljic (1977):
25 Vgl. Stölzle und Kirst (2006): S. 249 und Bräkling et al. (2012): S. 3.
3.2 Ablauf der Durchführung der Portfolioanalyse 11
Durch die Bestimmung der passenden Strategien werden immer wieder, neben den
objektbezogenen Vorteilen, intensive Einsparungen bei den Personalkosten aus-
gewiesen. So beispielsweise im Bereich der Bestellabwicklung von über 70 % oder der
Warenannahme von knapp 90 %.28
Grundannahme ist dabei, dass hinsichtlich der möglichen Strategieausprägungen ein
Kontinuum verschiedener Ausgestaltungsformen existiert.29 Die adäquate Position inner-
halb der möglichen Differenzierungsgrade soll mithilfe des Portfolios gefunden werden.
Die Eignung der gewählten bzw. eingegrenzten Strategie ergibt sich auf Basis von
Effektivitäts- und Effizienzkriterien. Effektiv sind die Beschaffungsstrategien, wenn
die übergeordnete Zielsetzung mit den Strategien erreicht werden kann und effizient,
wenn sie die wirtschaftlichste Strategiekombination darstellen.30
Die Portfolio-Matrix besteht üblicherweise aus zwei Dimensionen. Auch außerhalb des
Beschaffungsbereiches beinhaltet die deutliche Mehrheit der Portfolios eine Dimension,
die auf externen Umweltkriterien, und eine weitere, die auf internen Unternehmens-
kriterien basiert.31 Abhängig von den Dimensionen umfasst die Anwendung von
Beschaffungsportfolios folgende Schritte:32
26 Vgl. Heege (1987): S. 94, Thiemt (2003): S. 205, Szyperski und Winand (1978): S. 125 und
Dubois und Pedersen (2002): S. 37.
27 Vgl. Besslich und Lumbe (1994): S. 24.
29 Vgl. Wildemann (2002): S. 548. Beispielsweise das Kontinuum zwischen Eigenfertigung und
Fremdfertigung.
30 Vgl. Sonnenberg (1996): S. 52.
31 Vgl. Arnolds et al. (2016): S. 29, Hopfenbeck (2002): S. 614, Lieberum (1999): S. 63, Weber
et al. (2000): S. 203, Bräkling et al. (2012): S. 55 und Roland (1993): S. 128.
32 Vgl. Nellore und Söderquist (2000): S. 246, Kraljic (1977): S. 74, Bräkling et al. (2012): 8, 12,
Heege (1981): S. 21, Roland (1993): S. 130, Hubmann und Barth (1990): S. 27 und Fieten (1979):
S. 20.
12 3 Aufbau, Aufgabe und Ablauf von Beschaffungsportfolios
33 Vgl. Lange (1981): S. 162, Hubmann und Barth (1990): S. 27 und Wildemann (2002): S. 549.
34 Vgl. Wildemann (2002): S. 549.
35 Vgl. Wildemann (2009): S. 90.
36 Wind und Mahajan (1981) zeigen bei Anwendung von vier ähnlichen Portfolios mit leicht ver-
änderten Beurteilungskriterien auf, wie relevant die Wahl der Beurteilungskriterien ist. Lediglich
eines der eingeordneten Objekte hatte bei allen vier Portfolios eine konsistente Position. Vgl. Wind
und Mahajan (1981): S. 92–97.
37 Vgl. Sonnenberg (1996): S. 60 und Wildemann (2009): S. 68.
39 Dies ist darauf zurückzuführen, dass bereits bei den Produkt-Markt-Portfolios identifiziert
wurde, dass Einzelfaktoren, wie die der Marktanteil und das Marktwachstum zwar signifikant für
den Unternehmenserfolg sind, jedoch eine ganze Reihe von Erfolgsfaktoren für eine Einordnung
bedeutsam sind. Vgl. Weber et al. (2000): S. 206.
40 Vgl. Hopfenbeck (2002): S. 614. „Die Umweltdimension wird in der Regel auf der Ordinate auf-
2. Einflussfaktoren definieren
3. Erhebung Einflussfaktoren
4. Aggregaon Einflussfaktoren
6. Ableitung Normstrategien
7. Aufstellung Maßnahmenplan
Abb. 3.1 Schritte bei der Erstellung eines Portfolios. (Quelle: In Anlehnung an Heege 1987:
S. 12)
Abb. 3.1 zeigt zusammengefasst die einzelnen Schritte von den grundsätzlichen Vor-
arbeiten über die Erstellung des Portfolios bis zur Realisation der daraus abgeleiteten
Maßnahmen.
Auswahl relevanter
Beschaffungsportfolios 4
4.1 Selektion
Hopfenbeck, W. (2002) führt die hohe Zahl der Portfolios im Bereich der Markt-,
Produkt-, und Ressourcenportfolios auf die große Beliebtheit bei Beratungsgesellschaften
1 Zu dieser Vorgehensweise siehe auch Drews (2013): S. 77. Die „Portfolio-Ansätze nach Kraljic,
Heege und Albach (1978) und Wildemann […] haben im Beschaffungsmanagement den Ein-
satz der Portfoliotechnik wesentlich geprägt“. Bräkling et al. (2012): S. 42. „Kraljic is widely
viewed as a driving force behind the […] purchasing portfolios“ Pagell et al. (2010): S. 57. „The
Kraljic matrix has become the standard in the field of purchasing portfolio models. Moreover, it
has become the dominant approach“. Gelderman und van Weele (2005): S. 19 „Eine ganze Reihe
von anderen Autoren verwendet Materialportfolios, die auf der Konzeption von Kraljic und Heege
basieren.“ Eberle (2005): S. 160.
2
Beispielsweise wurde die ABC-XYZ-Analyse (siehe Pojda (2013): S. 1267 und Sommerer
(1998): 88, 94) nicht in das Analysespektrum aufgenommen, da mit dem ABC-Versorgungsrisiko-
Portfolio bereits ein Portfolio basierend auf den Beschaffungsvolumina und einer die Risiken noch
umfangreicher integrierenden Dimension enthalten war.
(Fortsetzung)
17
18
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
# Bezeichnung Verfassende Dimensionen i/e Beurteilungs- Anwendung Felder/ Empirische Basis
ziel Strategien
11 Branchensituations- Anders, W. Branchensituation i/e Lieferanten Ermittlung der Ver- 8/5 Keine vorhanden,
Branchenabhängig- (1994) Branchenabhängig- e handlungsstärke für erfolgreicher
keits-Portfolio keit Lieferant Branchen Einsatz bei
Großunternehmen
12 Sourcingportfolio Anders, W. Attraktivität für e Objekte Entscheidung 9/4 Keine vorhanden
(1994) Single Sourcing ob Single- oder
Nachfragemacht e Multiple Sourcing für
Beschaffungsobjekt
gewählt werden soll
13 Kontroll- van Anforderungen i Beschaffungs- Ableitung von 4/4 Strategien
Notwendigkeits- Stekelenborg, interner Markt markt Strategien, abzielend basieren auf Fall-
Portfolio R., H., A. und Limitationen/ e auf Marktsituation, studien
Kornelius, L. Möglichkeiten insb. im Hinblick auf
(1994) externer Markt Kontrollnotwendig-
keiten
14 Kombinations-Matrix Besslich, J. Marktbezogene e Objekte Ableitung von 4/4 Eine Fallstudie
Einkauf und Lumbe, Risiken Strategien mit
H.-J. (1994) Unternehmensbe- e besonderem Fokus auf
zogene Risiken Kostenreduktion
15 Lieferanten- Olsen, R. F. Strategische Relevanz i Beziehung zu Ableitung von 4/4 bzw. 3 Keine
beziehungs-Portfolio und Ellram, Einkaufsobjekt Lieferanten Beziehungsstrategien
L. M. (1997) Schwierigkeit e
Management Ein-
kaufssituation
(Fortsetzung)
4 Auswahl relevanter Beschaffungsportfolios
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
# Bezeichnung Verfassende Dimensionen i/e Beurteilungs- Anwendung Felder/ Empirische Basis
ziel Strategien
16 Beziehungsarten- Bensaou, M. Investition des i Beziehung zu Wahl einer optimalen 4/4 Strategien
4.1 Selektion
19 Bedeutungs- Wagner, S. M. Bedeutung des i Lieferanten Ableitung von 4/4 Keine vorhanden
Komplexitäts- (2003) Produktes Strategien für gesamte
Portfolio Komplexität des e Branche
Beschaffungsmarktes
20 Make-or-Buy- Schneider, D. Strategische Relevanz i Objekte Entscheidung zu 4/2 Keine Angabe
Portfolio (2005) Auslagerungs- i/e Eigenfertigung oder
barrieren Fremdbezug
(Fortsetzung)
19
20
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
# Bezeichnung Verfassende Dimensionen i/e Beurteilungs- Anwendung Felder/ Empirische Basis
ziel Strategien
22 Global Sourcing Wildemann, Beschaffungsmarkt- e Objekte/ Auswahl von Global 16/8 Keine Angabe
Portfolio H. (2006) portfolio Beschaffungs- Sourcing-Strategien
Beschaffungsgüter- i/e märkte unter Einbezug von
portfolio markt- und objekt-
spezifischen Kriterien
23 Kombiniertes Wildemann, Beschaffungsquellen- e Objekte/ Auswahl Strategien 16/4 Hohe Anzahl von
Beschaffungsgüter/ H. (2009) portfolio Lieferanten unter Einbezug von Fallstudien
Beschaffungsquellen- Beschaffungsgüter- i/e lieferanten- und
portfolio portfolio objektspezifischen
Kriterien
24 Portfolio ‚Grünes Zhu, Q. et al. Gesamtleistung des e Lieferanten Auswahl Lieferant 4/4 Fallstudien-
Lieferanten- (2010) Lieferanten auf Basis von basierter Einsatz
management‘ Relative Lieferanten- e/i strategischen,
macht organisatorischen und
umweltorientierten
Faktoren
25 Nachhaltigkeits Pagell, M. Nachhaltigkeits- e Objekte Auswahl nachhaltiger 4/6 Fallstudien
porfolio et al. (2010) Risiko Beschaffungs-
Lieferanten-Risiko e strategien
26 Kundenstatus- Schiele, H. Status Käufer bei i/e Lieferanten Strategien zur 4/4 Keine Angabe
Portfolio (2012) Lieferanten Erreichung eines
Wettbewerbsfähigkeit e optimalen Kunden-
bei Lieferanten status unter
Beachtung der
eigenen und der
Lieferantensituation
4 Auswahl relevanter Beschaffungsportfolios
(Fortsetzung)
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
# Bezeichnung Verfassende Dimensionen i/e Beurteilungs- Anwendung Felder/ Empirische Basis
ziel Strategien
27 Kombiniertes Rezaei, J. Lieferanten- e/i Lieferanten Strategien zum 16/6 Keine Angabe
4.1 Selektion
Nachhaltigkeitsrisiko e
Lieferant
(Fortsetzung)
21
22
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
# Bezeichnung Verfassende Dimensionen i/e Beurteilungs- Anwendung Felder/ Empirische Basis
ziel Strategien
30 Value-Risk- Jonen (2022) Wertbeitrag i Objekte Bestimmung von 4/4 Risikofaktoren
Supply-Portfolio Beschaffungsobjekt Strategien für die und Strategien
(Wertbeitrags- Supply-Chain-Risiko e Lieferanten gesamten Partner der hergeleitet aus
Supply-Chain- Supply Chain auf einer Vielzahl
Risiko-Portfolio) Basis von risiko- von existierenden
bestimmenden empirischen
Faktoren der Supply Studien
Chain und dem Wert-
beitrag des Objektes
für das Unternehmen
4 Auswahl relevanter Beschaffungsportfolios
4.3 Empirische Auswertung 23
4.2 Überblick
Tab. 4.1 zeigt die Übersicht über die relevanten Portfolios im Beschaffungsbereich. Ins-
gesamt sind 29 Portfolios analysiert und ein Portfolio auf Basis der in diesem Buch
erarbeiteten Kritik entwickelt worden. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen nach der
Art der Schlüsselfaktoren, die als maßgeblich für die Einordnung angesehen werden.5
Ordnungsobjekte bzw. Determinanten sind entweder Beschaffungsobjekte (Einzel-
materialien oder Materialgruppen, Waren bzw. Warengruppen), Absatz-Produkte,
einzelne Lieferanten und Beschaffungsmärkte, sowie strategische Einheiten.6 Dabei
kann eine historische Entwicklung nachgezeichnet werden von einer anfangs reinen
Konzentration auf die Materialien zu einer immer stärkeren Ausrichtung am Lieferanten7
und der Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer.8
Zunächst soll mithilfe der typologischen Methode, welche eine der wichtigsten
Erkenntnismethoden der Betriebswirtschaftslehre darstellt,9 eine Erfassung und Ein-
ordnung der Beschaffungsportfolios vorgenommen werden.10 Das daraus resultierende
Ordnungssystem11 kann im weiteren Verlauf dazu genutzt werden, eine Auswahl von
Beschaffungsportfolios zu unterstützten. Als Typ soll ein „Repräsentant einer Reihe von
Erscheinungsformen (Objekte), die eine Anzahl gemeinsamer Merkmale (Eigenschaften)
9 Vgl. Knoblich (1972): S. 141. Auch das Werk von Gutenberg ist in einigen Teilen von Gedanken
der typologischen Methode beeinflusst: Bei der Bestimmung des Betriebstyps wird versucht, die
„typenbildenden Kräfte einzelwirtschaftlichen Geschehens“ zu ermitteln. Gutenberg (1957): S. 26.
10 Vgl. Scherer (1991): S. 35.
17 Eberle (2005) Nimmt eine Unterteilung der Analyse-Dimensionen in Produkt, Markt, Lieferant
27 Zu der Gruppierung der risikoorientierten Portfolios siehe auch Eberle (2005): S. 150–153.
4x4
3x3
2x2
Abb. 4.1 Typologien der Portfolio-Methode. (Für einen Überblick: siehe Lange 1981: S. 48)
48 Vgl. Arnolds et al. (2016): S. 29, Bräkling et al. (2012): S. 55 und Roland (1993): S. 128.
Bezüglich der der Anzahl der Normstrategien kann ein Anstieg beobachtet werden, der
jedoch nicht signifikant ist.50
Bei der Beschreibung der einzelnen Portfolios wird in erster Linie auf die Schlüssel-
faktoren eingegangen, welche konstituierend für die Dimensionen und damit das
Portfolio sind, sowie auf die aus dem Ergebnis abgeleiteten Norm- bzw. Standard-
strategien, welche sich auf den Portfoliofeldern ergeben. Jedes Portfolio wird
abschließend in folgenden Kategorien kritisch analysiert:
• Fundierung: Auf welche Theorien oder bestehende Portfolios und hiermit gemachte
Erkenntnisse wird zurückgegriffen?
• Novitätsgrad: Sind im Vergleich zu den existierenden Portfolios Innovationen ent-
halten?
• Tiefe abgeleiteter Normstrategien: Wie hoch ist der Detailierungsgrad der
angegebenen Strategien?
• Empirische Fundierung: Existierte im Vorfeld der Entwicklung oder im Nach-
gang eine empirische Untersuchung zu den Dimensionen bzw. dem Erfolg der vor-
geschlagenen Strategien?
Die Kritik wird dann abschließend in Kap. 6 dargestellt. Die Reihenfolge der Vorstellung
der Portfolios erfolgt nach deren Publikationsjahr. Damit ist ein besseres Verständnis
der Einschätzung des Novitätsgrades möglich und wenn ein neues Portfolio beschrieben
wird, welches auf Teile von vorher publizierten Portfolios zurückgreift oder diese modi-
fiziert, ist das notwendige Vorwissen bei der lesenden Person bereits vorhanden.
5.1 Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio
Motivation für die Entwicklung von Beschaffungs portfolios war die Notwendigkeit den
„Strategie-Notstand im Beschaffungswesen“1 zu beheben. Das Lieferanten-Abnehmer-
Marktmacht-Portfolio ist das dominante Beschaffungsportfolio,2 auf dem eine Reihe von
anderen Portfolios basieren3. Es wurde im Jahr 19774 von Kraljic (1977) als Pionier der
Lieferantensegmentierung5 entwickelt6 und im Jahr 19857 überarbeitet. Das hier vorgestellte
Portfolio ist eine Variation bzw. Weiterentwicklung dieses Portfolios von Heege (1987).8
Im Mittelpunkt dieses Portfolios steht die Analyse des Stärkenverhältnisses der
Marktpartner,9 konkret der Angebotsmacht des Lieferanten (Lieferantenmacht) und der
1 Kraljic(1977): S. 73.
2 Vgl. Montgomery et al. (2018): S. 193.
3 Vgl. Montgomery et al. (2018): S. 201.
6 Vgl. Terpend et al. (2011): S. 75 Ansoff und Leontiades (1976) haben das erste beschaffungs-
orientierte Portfolio entwickelt. Siehe Ansoff und Leontiades (1976): 18 f. Dieses hat jedoch
„keine großen Spuren in der deutschsprachigen Literatur hinterlassen“. Dies kann auch darauf
zurückgeführt werden, dass die verwendeten Dimensionen in hohem Maße voneinander abhängen.
Thiemt (2003): S. 183.
7 Siehe Kraljic (1985): 6 ff.
5.1.2 Dimensionen
Tab. 5.1 (Fortsetzung)
Bereich Kriterium Kennzahl
Nachfrage- Besonder- Anteil des Bedarfs am Bedarfs- bzw. Nachfrageanteil
macht heiten des Gesamtmarkt Marktanteil im Vergleich zu den wichtigsten
Bedarfs Wettbewerbern
Nachfragewachstum Jährliche Bedarfserhöhung in % im Verhält-
nis zu Kapazitätsausweitung
Alternativen Möglichkeiten der Eigen- Möglicher ‚Make‘-Anteil des Bedarfs-
fertigung volumens
Lieferantenentwicklung Steigerung Lieferantenanzahl
Sachverhalte in anderen Möglichkeiten zur Über- Potenzielles Kostenüberwälzungsvolumen
Unternehmensbereichen wälzung von Kosten-
steigerungen14
Ertragskraft des Haupt- Ertragsquote des Hauptproduktes
produktes
Umstellungskosten Umstellungskostenvolumen
Potenzielle Kosten bei Lieferausfall
noch weitere Faktoren einbezogen werden, wie der Werbewert des Lieferanten für den
Abnehmer oder auch mögliche Gegengeschäfte.15
Auf Basis der Kriterien findet eine Positionierung der Ist-Situation im Portfolio statt,
wobei darauf hingewiesen wird, dass eine branchenorientierte Spezifikation der Kriterien
vorzunehmen ist.16 Dabei werden die Werte mithilfe von Gewichtungen nach folgendem
Schema bewertet:
• 1 Punkt = Marktstärke gering
• 2 Punkte = Marktstärke durchschnittlich
• 3 Punkte = Marktstärke hoch
14 Wenn Preiserhöhungen nicht auf Kunde abgewälzt werden können, besteht für den Lieferanten
die Gefahr, dass die Nachfrager Beschaffungsmengen reduzieren oder in Zukunft das Produkt
sogar komplett einstellen und damit diese Umsätze wegfallen. Vgl. Heege (1987): S. 23.
15 Vgl. Heege (1987): S. 27.
hoch
hoch
niedrig
niedrig
Ist-Portfolio Ideal-Portfolio
hoch
niedrig
Soll-Portfolio
Portfolios werden in Abb. 5.1 gezeigt. Den Abschluss bildet die Aufstellung von Norm-
strategien.19
5.1.3 Strategieableitung
aufgeführt (Hammer (1995): S. 198) mit Verweis auf Kraljic (1977): S. 72).
20 Vgl. Harting (1994): S. 40. Diese Ausrichtungen der Beschaffungsstrategien haben große Ähn-
lichkeit mit den vorgeschlagenen Strategien bei Hammann und Lohrberg (1986): S. 102.
21 Vgl. Glantschnig (1994): S. 38: S. 38, Heege (1981): S. 20, Schmid (1983): S. 37, Arnolds et al.
(2016): S. 31, Kraljic (1985): 9 f., Heege (1987): 30 ff. und Harting (1994): 40 f.
5.1 Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio 33
24 Dies kann beispielsweise die Förderung von kleineren Lieferanten betreffen, etwa durch lang-
fristige Garantie von Abnahmemengen, Gewährung von Krediten zur Vorfinanzierung der
Lieferung oder Schulung der Mitarbeiter des Lieferanten. Vgl. Heege (1987): S. 35.
34 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Geschäftsfreundestrategie gewählt wird, wurde festgestellt, dass hier eine Dominanz des
Lieferanten in der Praxis festzustellen ist,31 wie Tab. 5.5 zeigt.
Der Kraljic-Matrix wird eine breite Anwendung insbesondere in West-Europa
attestiert mit einem deutlichen Bedeutungszuwachs über die vergangenen Jahrzehnte.32
Anwendungsgrad von 44 % vorlag und im Jahr bei 2005 bei 61 %. Im Massenproduktionsbereiche
war bereits im Jahr 1997 die Verbreitung sogar bei 80 %. Siehe Vgl. Arabzad et al. (2011): S. 81.
36
Tab. 5.4 Passungsgrad der beschaffungspolitischen Maßnahmen zueinander
Make- Substitution Wert- Neue Lieferanten- Kooperation Lager- Preispolitik Mengen Kontrakte
or-Buy analyse Lieferanten förderung auf Nach- haltung/
frageseite Logistik
Make-or- ↘ ↗ ↓ ↓ ↓ ↓ ↑ ↘ ↘
Buy: Eigen-
fertigung
(Fremd-
fertigung)
Substitution ↘ ↓ ↘ ↓ ↓ ↓ ↔ ↓ ↑
Wertanalyse ↗ ↓ ↗ ↑ ↗ ↗ ↗ ↓ ↓
Neue ↓ ↘ ↗ ↓ ↗ ↗ ↔ ↗ ↔
Lieferanten
Lieferanten- ↓ ↓ ↑ ↓ ↓ ↗ ↘ ↓ ↓
förderung
Kooperation ↓ ↓ ↗ ↗ ↓ ↔ ↑ ↗ ↗
auf Nach-
frageseite
Lager- ↓ ↓ ↗ ↗ ↗ ↔ ↗ ↔ ↑
haltung/
Bestand
hoch
(niedrig)
Preispolitik: ↑ ↔ ↗ ↔ ↘ ↑ ↗ ↓ ↓
ausreizen,
Neben-
leistungen
(halten)
(Fortsetzung)
5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Tab. 5.4 (Fortsetzung)
Make- Substitution Wert- Neue Lieferanten- Kooperation Lager- Preispolitik Mengen Kontrakte
or-Buy analyse Lieferanten förderung auf Nach- haltung/
frageseite Logistik
Mengen ↘ ↓ ↓ ↗ ↓ ↗ ↔ ↓ ↑
verteilen
(konzen
trieren)
Kontrakte ↘ ↘ ↓ ↔ ↓ ↗ ↑ ↓ ↑
kurzfristig
(langfristig)
↓: Massiv ↘: Teilw. konkurrierend ↔ : Neutral ↗: Teilw. komplementär ↑: Stark komplementär
konkurrierend
5.1 Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio
37
38 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Sie hat die Funktion einer Basis für Beschaffungsstrategien in vielen Organisationen
über alle Branchen hinweg.33 Arabzad et al. (2011) stellen auch für die USA, Kanada
und Nordeuropa eine wachsende Akzeptanz fest.34
Als hilfreich wird die breite Berücksichtigung von sowohl internen als auch externen
Risiken gesehen.35 Damit findet eine zuverlässige Unterstützung von Entscheidungen
bezüglich der Zulieferer statt und der Anwendungsbereich ist unabhängig davon, ob es
sich um lokale oder internationale Lieferanten handelt.36 Kritisch an dem Portfolio ist
zu sehen, dass lieferantenspezifische Kriterien, wie Lieferantenbewertung oder -fähig-
keiten, nur unzureichend berücksichtigt werden.
Verschiedene große Unternehmen wie Shell, Siemens Alcatel und Siemens haben
das Modell angewendet.37 Knight et al. (2014) haben auf Basis des Lieferanten-
Abnehmer-Marktmacht-Portfolios spezifische Fähigkeiten der Einkäufer auf Basis
einer empirischen Studie (72 Teilnehmer) abgeleitet.38 Die drei Gruppierungen, welche
dabei identifiziert wurden, sind die strategischen (strategische Produkte) und taktischen
Tab. 5.6 Bewertung – Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Hier vorgestelltes Erstes Portfolio für Ausführliche Dar- Vorhanden
Portfolio basiert auf Beschaffungsbereich stellung von möglichen
Ursprungsportfolio Strategien
von Kraljic, P. (1977)
0 (kleinere Mängel) + (positiv) + (positiv) + (positiv)
5.2 Geschäftsfeld-Ressourcen-Portfolio
Das von Albach (1978) geprägte Portfolio basiert auf einer Risikoanalyse der Absatz-
und Beschaffungsseite.41 Das Portfolio ist eine Weiterentwicklung der Ressourcen-
Matrix von Ansoff und Leontiades (1976).42 Motivation für die Entwicklung waren die
erhöhten Unsicherheiten bzw. Umweltturbulenzen im Unternehmensumfeld.43
5.2.2 Dimensionen
Ressourcen-Matrix Produkt-Matrix
Verfügbarkeit / gesichert gefährdet gefährdet Produkt- Aufschwung Reife Abschwung
Kostenentwicklung (Substut (Substut Lebenszyklus /
vorhanden) nicht Marktarakvität
bekannt)
hoch 1 2 3
günsg 1 2 3
miel 4 5 6
miel 4 5 6
niedrig 7 8 9
ungünsg 7 8 9
Gesamt- nicht krisch miel krisch Gesamt- nicht krisch miel krisch
beurteilung (1,2,4) (3,5,7) (6,8,9) beurteilung (1,2,4) (3,5,7) (6,8,9)
5.2.3 Strategieableitung
Die abgeleiteten Strategien zielen insbesondere darauf ab, zu vermeiden, dass größere
Teile des Sortimentes in die Gruppe der gefährdeten Kombinationen von Produkten und
Ressourcen fallen. Dies kann durch Verwendung von anderen Rohstoffen erfolgen oder
auch durch die Aufgabe des Produktes, welches neben einer niedrigen Marktattraktivität
und einem Abschwung beim Lebenszyklus zusätzlich ungünstige Merkmale im Hinblick
auf Kostenentwicklung und Substitution aufweist.47 Die detaillierten Normstrategien
zeigt Tab. 5.7.
Zu Teilen wird ein Einsatz des Portfolios als Frühwarnsystem empfohlen. Auf
diesem Weg können erwartete Veränderungen frühzeitig antizipiert und entsprechende
Maßnahmen ergriffen werden.48
Kritisch ist spezifisch bei diesem Portfolio zu sehen, dass die Risiken auf Absatz- und
Beschaffungsseite gleich gewichtet werden. Dies wird nach Lindner (1983) in der Praxis
in den seltensten Fällen so anzutreffen sein.49
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Teil- bzw. Vorportfolios, bei denen die grund-
sätzlich geforderte Unabhängigkeit50 der Schlüsselfaktoren, beispielsweise Status im
Lebenszyklus und Marktattraktivität, nicht gegeben ist.51 Ein weiterer Kritikpunkt ist die
Reduktion des Lebenszyklus auf lediglich drei Phasen.52
Durch die Weiterentwicklung der Ressourcen-Matrix existiert in einem beschränkten
Maß eine Fundierung auf bereits bestehenden Portfolios. Neu ist die Realisierung
der Verbindung von Faktoren aus der Perspektive des Vertriebes mit denen aus der
Beschaffung. Es werden Strategien abgeleitet, die sich auf einem hohen Abstraktions-
niveau befinden. Eine Fundierung auf der Basis von Fallstudien oder großzahligen
Befragungen existiert nicht, wie auch in Tab. 5.8 zu sehen ist.
49 Vgl. Lindner (1983): S. 191 mit Verweis auf Lange (1981): S. 66.
50 Siehe Roland (1993): S. 131, Dubois und Pedersen (2002): S. 40, und Drews (2013): S. 76.
51 Vgl. Bräkling et al. (2012): S. 48.
Tab. 5.8 Bewertung – Geschäftsfeld-Ressourcen-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Weiterentwicklung der Verknüpfung von Relativ abstrakt Nicht vorhanden
Ressourcen-Matrix vertriebs- und
beschaffungsseitigen
Aspekten
0 (kleinere Mängel) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
5.3 Beschaffungsmarktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-
Portfolio
5.3.2 Dimensionen
Der relative Wettbewerbsvorteil und damit die Stärke des einkaufenden Unter-
nehmens wird direkt aus dem Marktattraktivitäts-Wettbewerbs-Portfolio übernommen
und repräsentiert den Vergleich unternehmensinterner Erfolgsfaktoren (z. B. relative
Beschaffungsmarktposition, Produktionspotenzial, Qualifizierung Personal) mit denen
der stärksten Beschaffungskonkurrenten.57 Die Evaluation der Faktoren erfolgt hierbei
gegenwartsbezogen.58
objekte als „strategische Ressourcenfelder“ bezeichnen. Ansoff und Leontiades (1976): S. 19.
56 Vgl. Lindner (1983): S. 282.
Diese Dimension wird zukunftsorientiert festgelegt, d. h. die erwarteten Werte gehen in
die Berechnung ein.61
Die Besonderheit des Portfolios besteht darin, dass auf eine quadratische bzw.
treppenförmige Aufteilung des Portfolios verzichtet und als Gegenkonzept eine
diagonale Klasseneinteilung vorgenommen wird. Eine Einteilung der Achsen in zwei
(niedrig, hoch) oder drei Bereiche (niedrig, mittel, hoch) wird dadurch unnötig. Es ist
möglich, die in Abb. 5.3 gezeigten Korridore unterschiedlich groß zu konzipieren.62
Dabei wird deutlich, dass im Vergleich zu dem Portfolio-Gestaltungs-Vorschlang von
Lange, B. (1981) eine 90°-Drehung der Grenzlinien vorgenommen wird. Auf diesem
Weg wird eine starke Anlehnung an die Unterscheidung im Marktattraktivitäts-Wett-
bewerbsvorteils-Portfolio erreicht.63
Um die Scheingenauigkeit bei der Bewertung aufzubrechen, wird vorgeschlagen,
die Positionierung durch mehrere Bewerter durchzuführen und dann den gesamten
Bewertungsbereich in das Portfolio einzuzeichnen. Dieses Vorgehen wird in Abb. 5.4
gezeigt.
Divergierende Bewertungen können dabei unterschiedliche Ursachen haben. Neben
einer großen Unsicherheit können Fehler, Manipulationen oder auch unterschiedliche
Bewertungszeitpunkte zu den abweichenden Bewertungen führen.64
Thiemt (2003) empfiehlt für die Kennzeichnung der strategischen Ressourcenein-
heiten die zusätzliche Angabe des wertmäßigen Beschaffungsvolumens und der Lager-
umschlaggeschwindigkeit. Diese sollte vorgenommen werden über die Kreisgröße der
Einheiten, welche weiß und ausgefüllt dargestellt wird.
relaver Webewerbsvorteil
Beschaffungsmarktarakvität
A
Beschaffungsmarktattraktivität
Beschaffungsmarktattraktivität
A A A
B B B
C C C
relaver Webewerbsvorteil
A
Beschaffungsmarktattraktivität
65
Gabath (2010) hat eine Matrix entworfen, bei der die Kompetenzen auf Basis der beiden
Komponenten des Beschaffungsmarktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteil-Portfolios (Marktattraktivi-
tät und relative Wettbewerbsstärke) eingeordnet werden. Daraus leitet er die drei Kompetenzfelder
Basiskompetenzen, Investkompetenzen, Kernkompetenzen und Reduktionskompetenzen ab. Vgl.
Gabath (2010): S. 97.
5.3 Beschaffungsmarktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio 45
5.3.3 Strategieableitung
Lindner (1983) leitet drei Bereiche mit korrespondierenden Strategien ab. Diese
lehnen sich an die Offensiv-, Defensiv- und Übergangsstrategien des Marktattraktivi-
täts-Wettbewerbsvorteils-Portfolios an. Im Einzelnen werden folgende Strategien vor-
geschlagen:66
Das Portfolio weißt eine gewisse Strategiespezifikation auf. Die gegebenen Bei-
spiele decken einen relevanten Teil der möglichen Strategieentscheidungen ab. Es
erfolgt damit deutlich mehr als lediglich die Angabe einer Grobrichtung. Kritisch ist zu
sehen, dass die Beschaffung bei der Dimension der relativen Wettbewerbsvorteile keine
Eingriffsmöglichkeiten besitzt. Hier können Änderungen nur durch technologische,
5.4 Risiko-Portfolio: Versorgungsstörungen-Anfälligkeits-Portfolio 47
Tab. 5.10 Bewertung – Beschaffungsmarktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Baut auf intensiv Einführung diagonaler Mehr als nur Grob- Indirekt durch
genutztem Portfolio Strategiebereiche richtungen, zahlreiche verwendete Basis-
auf Beispiele portfolios
+ (positiv) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel)
Motivation für das Portfolio, welches auch als Risiko-Portfolio der Beschaffung
bezeichnet wird,73 sind die stärker relevant werdenden Risiken im Beschaffungsbereich.
Diese sollen durch das Portfolio erfasst werden. Dazu wird differenziert in diejenigen
Risiken, die durch den Markt vorgegeben sind und solchen, welche durch die von dem
Unternehmen produzierten Produkte und die Produktionssituation beeinflusst sind.
5.4.2 Dimensionen
77 Fieten (1979) hat dieses Portfolio an sich schon acht Jahre vorher beschrieben. Siehe Fieten
(1979): 20.
78 Vgl. Arnolds et al. (2016): S. 33.
5.4.3 Strategieableitung
89 Vgl. Glantschnig (1994): 39 f., Bräkling et al. (2012): 52 f., Heege (1987): 68 f. und Fieten
(1979): 20, 22.
90 Die Strategien werden als Investitionsstrategien bezeichnet, da sie mitunter mit recht auf-
wendigen Maßnahmen verbunden sind. Vgl. Thiemt (2003): S. 192.
50 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
C D
hoch
Invesonsstrategie
Ziele: Versorgungssicherheit, d.h.
Verbesserung der krischen
Selekve Strategie Versorgungslage auch bei
entsprechender Kostenerhöhung
A B
gering
Abschöpfungsstrategie
Streben nach opmaler
Versorgungsquellennutzung,
kostengünsge Versorgung Selekve Strategie
91 Hubmann und Barth (1990) insistieren, dass bei der Bewertung nur subjektive Indikatoren
verwendet werden sollen, da durch objektive Merkmale eine Scheingenauigkeit vorgetäuscht
wird. Vgl. Hubmann und Barth (1990): S. 28. Hier sollte reflektiert werden, ob es nicht sinnvoll
erscheint, wenn möglich auch objektive Risikobeschreibungsgrößen einzubeziehen, welche für
eine Reihe von Einzelrisiken durchaus vorliegen. Vgl. Jonen (2008): S. 33.
92 Siehe Stölzle und Kirst (2006) für eine lieferantenbezogene Risikoermittlung, welche genauso
für Beschaffungsobjekte angewendet werden kann. Vgl. Stölzle und Kirst (2006): 254 f.
5.4 Risiko-Portfolio: Versorgungsstörungen-Anfälligkeits-Portfolio 51
Eine Berücksichtigung von Interdependenzen ist auf diesem Weg noch nicht
gewährleistet93 und muss über andere Wege umgesetzt werden. Diese können beispiels-
weise über kognitive Karten erhoben94 und bei der Risikokumulation verwendet werden.
5 R2 [1/5], ∏= 5
Eintriswahrscheinlichkeit
4 R3 [4/4], ∏= 16
R4 [4/3], ∏= 12
3
1 R1 [1/1], ∏= 1
1 2 3 4 5
Wirkung (Schadensausmaß)
R x : bewertetes Risiko, ∏: Produkt von Eintriswahrscheinlichkeit und Wirkung
Abb. 5.6 Bewertung des Gesamtrisikos. (Quelle: In Anlehnung an Stölzle und Kirst (2006):
S. 255)
5.5.2 Dimensionen
Dieses auch von Heege (1987) veröffentlichte Portfolio99 konzentriert sich auf zwei
Kernziele der Beschaffung: Versorgungssicherung und Versorgungswirtschaftlich-
keit.100 Dazu werden die beiden Dimensionen des Versorgungsstörungs-Anfälligkeits-
Portfolios in eine Dimension des Versorgungsrisikos verdichtet (Ordinate) und den
A- und C-Artikeln gegenübergestellt (Abszisse).101 Die B-Artikel werden situativ den
A- oder C-Artikeln zugeordnet,102 wie Abb. 5.7 zeigt.103 Es existieren auch Vorschläge
sie als Einkaufsmatrix bezeichnen. Siehe Hubmann und Barth (1990): S. 29.
100 Vgl. Bräkling et al. (2012): S. 54.
101 Vgl. Wildemann (2009): S. 112. Siehe dazu auch das sehr ähnliche Portfolio von Mittner
(1991), welches die Dimensionen „Betriebsrisiko“ und „Einkaufsvolumen“ aufweist. Siehe
Mittner (1991): 22 f. Ein von der Zielsetzung vergleichbar ausgerichtetes Portfolio ist das Ein-
kaufsvolumen-Versorgungsrisiko-Portfolio von Baumgarten und Bodelschwing (1996) und die
Bereitstellungsmatrix von Kligge (1992). Sie baut auf den Dimensionen Bereitstellungsrisiko und
Erfolgsbeitrag auf. Der Erfolgsbeitrag wird auf Basis der verursachten Kosten mithilfe der ABC-
Einteilung ermittelt (Kligge (1992): S. 167). Eine deutliche Differenzierung weißt dieses Portfolio
im Hinblick auf die Konstituierung des Bereitstellungsrisikos auf. Dieses wird durch zwei vorab
erstellte Matrizen ermittelt. Zum einen eine Eigenfertigungsmatrix und zum anderen eine Fremd-
bezugsmatrix. Die bestehen jeweils aus einer internen und externen risikobezogenen Perspektive
(Kligge (1992): 172, 174, 180, 182). Die identifizierten Positionen sind dann kritische Teile, Hebe-
teile, Engpassteile und unproblematische Teile (Kligge (1992): S. 167).
102 Vgl. Harting (1994): S. 43 und Bräkling et al. (2012): S. 56.
ABC-Ausprägung
A-Arkel C-Arkel
1 Schlüsselprodukte Engpassprodukte 3
hoch
Versorgungsrisiko
bei denen die B-Artikel grundsätzlich den C-Artikeln zugeschlagen werden, um die
Bedeutung der A-Artikel eindeutig hervorzuheben.104
Basierend auf dem Portfolio ergeben sich folgende Produktstrategietypen:105
5.5.3 Strategieableitung
Tab. 5.13 Standardstrategien für Versorgungs-ABC-Portfolio. (Quelle: In Anlehnung an Harting (1994): S. 46, Heege (1987): S. 83–92, Hubmann
und Barth (1990): S. 29 und Roland (1993): S. 140)
erfolgte nicht, jedoch arbeitet die Siemens AG mit einer sehr ähnlichen Portfolio-
matrix.111 Die Bewertung in den vier Kategorien zeigt Tab. 5.14.
Baumgarten und Wolff (1999) haben das ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio um eine
dritte Dimension erweitert. Diese ist die Bedarfskontinuität. Abgebildet wird diese
über die Ergebnisse einer XYZ-Analyse. Aufgrund der hohen Relevanz der Kontinui-
tät des Bedarfes für die Logistik hat das Portfolio den Namen „Logistik-Portfolio der
Beschaffung“.112
5.6 Materialkosten-Senkungspotenzial-Portfolio
111 Hier stehen sich die Dimensionen „technische Komplexität bzw. Versorgungsrisiko“ und „Ein-
kaufsvolumen bzw. Ergebniseinfluss“ gegenüber. Vgl. Müller (1990): S. 52 und Hubmann und
Barth (1990): S. 27–32.
112 Vgl. Baumgarten und Wolff (1999): S. 330.
113 Vgl. Katzmarzyk (1988): S. 172 mit Verweis auf Dunst (1983): 65, 77.
114 Siehe Kraljic (1977): S. 74, Kraljic (1986): 80 f. und Heege (1987): S. 26.
5.6.2 Dimensionen
5.6.3 Strategieableitung
Je weiter oben rechts ein Material eingeordnet wird, umso höher ist das Potenzial für
Einsparungen. Quadrant I ist damit in besonderem Maße für Materialkosteneinsparungen
geeignet und Quadrant IV am wenigsten. Dazwischen liegen die Quadranten II und III,
welche in ihrer Rangfolge nicht einstufbar sind.119 Zur Verschiebung der Position inner-
halb eines Rechteckes können taktische Maßnahmen ergriffen werden. Um ein anderes
Feld zu erreichen, sind strategische Maßnahmen notwendig.120
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
10 logistische Absicherung ungünstiger Standort, günstiger Standort, günstige
ungünstige Lieferanten, nicht Lieferanten, ausreichende
ausreichende Lagermöglichkeiten
Lagermöglichkeiten
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Im 1. Quadrant sind die Maßnahmen Ausschöpfen der Potenziale und Sicherung der
Materialfeldposition. Beim 4. Quadrant liegt der Schwerpunkt darauf, die Position in
Richtung des 1. Quadranten zu verschieben. Beim 2. Quadrant werden Maßnahmen
zur Erhöhung der Einkaufsmarktattraktivität empfohlen, wie der Aufbau neuer Anbieter,
60 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
100 Punkte
III I
Einkaufsmarktattraktivität
hoch
50 Punkte
niedrig
0 Punkte
IV II
niedrig hoch
0 Punkte 50 Punkte 100 Punkte
Unternehmensflexibilität
Tab. 5.18 Bewertung – Materialkosten-Senkungspotenzial-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Breite Fundierung Reine Konzentration Weitestgehend aus- Erfolgsfaktoren-
auf existierenden auf Einsparpotenziale reichend forschung, indirekt
Portfolios über verwendete
Portfolios
+ (positiv) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) + (positiv)
5.7 Beschaffungsmarkttypen-Quadrant
5.7.2 Dimensionen
Die Märkte werden nach den Kriterien Preisgünstigkeit, Leistungsfähigkeit und Sicher-
heit eingeteilt. Die Messung erfolgt mithilfe der in Tab. 5.19 angegebenen Detail-
kriterien.
Daraus werden acht Markttypen hergeleitet, wie in Abb. 5.9 gezeigt.
Zur Auswahl des geeignetsten Beschaffungsmarktes werden für die relevanten
Beschaffungsobjekte die Notwendigkeiten definiert und anhand dieser der ent-
sprechende Beschaffungsmarkt gewählt.124 Basis sind erneut die Kriterien der Tab. 5.19,
die nun verwendet werden, um das Anforderungsniveau für das jeweilige Beschaffungs-
objekt festzulegen. Auf diesem Weg kann eine merkmalsspezifische Markt-
positionierung umgesetzt werden, wie in Abb. 5.10 dargestellt.
sicherer Wunschmarkt
Billigmarkt
preisgünsger
Leistungsmarkt
billiger
Risiko-
hoch
markt sicherer
Leistungsmarkt
Preisgünsgkeit
teurer Sicher-
heitsmarkt
unsicherer
hoch
Alptraum- Leistungs-
markt markt
gering
gering
gering hoch
Leistungsfähigkeit
billiges
Massen-
produkt
Norm-
bewährtes Innovaves
produkt Spezial-
hoch Produkt Produkt
produkt
Spitzen-
produkt
Kosten
hoch
gering
gering
gering hoch
Leistungsfähigkeit
Die gezeigten Positionen können als Soll-Position für das jeweilige Objekt inter-
pretiert werden und auf diesem Weg kann die Abweichung im Vergleich zur Ist-Situation
festgemacht werden.125
5.7.3 Strategieableitung
Auf Basis der Objekteinordnung lassen sich für die einzelnen Objekte Markt- bzw.
Lieferantenanforderungen ableiten, die im Idealfall erreicht werden sollten.126 Eine
Kombination der einzelnen in Abb. 5.10 gezeigten Produkte mit den Lieferantenkriterien
zeigt, welche Kriterien besonders relevant bei den jeweiligen Produkten sind und damit
mit einer besonderen Gewichtung bei der Lieferantenauswahl eingehen sollten. Die
Kombinationen werden in Tab. 5.20 gezeigt.
Wenn ein Lieferant ein als „hoch“ kategorisiertes Merkmal nicht erfüllen kann, so
muss dies nicht zwingend als K.O.-Kriterium angesehen werden, sondern es können
Heilungsmöglichkeiten gefunden werden, um eine zukünftige Zusammenarbeit möglich
zu machen.127 Die Anforderungen können auch noch hinsichtlich des gesamten Marktes
(Fortsetzung)
66
Tab. 5.20 (Fortsetzung)
Lieferantenauswahlkriterium Billig- Norm- Bewährte Spitzen- Innovatives Spezial- Katalog- Mengen-
produkt produkt Produkte produkt Produkt produkt produkt bedeut-
samkeit
Serviceleistungen Kundendienst- 0 0 0 + + + + + + 0 0
bereitschaft
Erweiterte 0 0 + 0 0 0 0 0
Garantie
Nachkaufsicher- 0 0 + + 0 0 0 + + 0
heit
Informations- Informations- 0 0 0 + + + + + + + 0
leistungen kompetenz
Problemlösungs- 0 0 0 + + + + + + 0 0
bereitschaft
Geheimhaltung 0 0 0 + + + + 0 0
Anwendungs- 0 0 0 + + + + 0
beratung
Relevanz Niedrig (o) Mittel (+) Hoch (+ + )
5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
5.8 Länder-Portfolios 67
Tab. 5.21 Bewertung – Beschaffungsmarkttypen-Quadrant
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Angabe Neuer Ansatz der Detaillierte Strategie- Keine Angabe
Integration einer dritten empfehlungen
Strategie
– (massive Mängel) + (positiv) + (positiv) – (massive Mängel)
spezifiziert werden, sodass für jede der definierten Produktarten (z. B. Spitzenprodukt)
interne (Lieferant) und externe (Markt) Anforderungen definiert werden können.128 Dies
kann eine Hilfestellung bei einer vorgeschalteten Marktselektion geben.
Bezüglich der in der Praxis häufig anzutreffenden Situation, dass ein Lieferant
mehrere Produkte liefert, gehen die Autoren davon aus, dass Lieferanten spezifische
Leistungsprofile aufweisen. Diese führen dazu, dass Lieferanten häufig relevant für
Produkte in einer Leistungs-Anforderungs-Klammer sind. Ein Beispiel für eine solche
Klammer sind die Beschaffungsobjektmerkmale Billigprodukt, Normprodukt und
Mengenbedeutsamkeit.129
Das Portfolio beinhaltet mit der zusätzlichen dritten Dimension eine komplett neue
Idee für die Beschaffungsportfolios. Die Strategien sind detailliert für die differenzierten
acht Objektarten ausgearbeitet. Zur Fundierung und einer möglichen empirischen Über-
prüfung werden keine Angaben gemacht. Die Bewertung wird zusammenfassend in
Tab. 5.21 gezeigt.
5.8 Länder-Portfolios
Menze (1993) macht Vorschläge für unterschiedliche Portfolios zur Unterstützung von
Entscheidungen mit einem Länderkontext. Dabei weist er darauf hin, dass grundsätz-
lich eine situationsspezifische Auswahl der Charakteristika der Dimensionen zu wählen
ist.130 Das Lieferanten-Portfolio, welches die Bezeichnung „Internationales Lieferanten-
Internationale Management-Kompetenz
hoch
niedrig
5.8.2 Dimensionen
• Qualität
• Preise
• Kapazitäten
• Termingerechtigkeit
• Flexibilität
• Entwicklungspotenzial
Tab. 5.22 Bewertung – Länder-Portfolios
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine vorhanden Neuer Aspekt der Keine vorhanden Keine vorhanden
Betrachtung
– (massive Mängel) + (positiv) – (massive Mängel) – (massive Mängel)
• Internationale Erfahrung
• Kontakte im Abnehmerland
• internationale IT-Infrastruktur
• Sprachkenntnisse
Der Autor entwickelt keinen spezifischen Vorschlag für Strategien, um eine Veränderung
der Position im Portfolio herbeiführen zu können.
Schneider, D. (2005) weist darauf hin, dass „sehr viel für eine positive Abhängigkeit der
gewählten Grunddimensionen zueinander“134 spricht. Daher kann in der Portfoliodar-
stellung erwartet werden, dass eine Punktwolke entsteht, die von links unten nach rechts
oben verläuft.
Das Portfolio nimmt keinen Rückgriff auf bestehende Portfolios vor. Hinsicht-
lich des Betrachtungsgegenstandes ist mit dem Blick auf die Länder ein weitestgehend
neues Feld geschaffen worden. Normstrategien, genauso wie eine Fundierung auf
bestehenden Portfolios oder empirischen Studien, sind nicht vorhanden. Tab. 5.22 zeigt
die zusammenfassende Bewertung für das Portfolio.
5.9.2 Dimensionen
5.9.3 Strategieableitung
Nähere Angaben zur Ausgestaltung werden nicht vorgenommen. Hier kann höchstens
auf die beiden kombinierten Portfolios und die dort aufgestellten Strategien verwiesen
werden.
Bei wettbewerbsorientierten Portfolios ist eine Standardkritik, dass durch das Portfolio
die Reaktionen der Konkurrenz nicht integriert werden.141 Dieses Manko kann auch
bei der integrierten materialwirtschaftlichen Portfolio-Matrix beanstandet werden.
Das Portfolio basiert auf weit verbreiteten und entsprechend analysierten
Portfolios, welche miteinander kombiniert werden, um damit ein von Grund auf neues
stark absatzmarktorientiertes Portfolio aufzubauen. Eine empirische Fundierung existiert
nicht.
Kritisch sind Ressourcen zu sehen, welche nicht nur in einem Produkt verwendet
werden. Eine eindeutige Positionierung ist dann nicht mehr möglich.142 Die Bewertung
des Portfolios wird zusammenfassend in Tab. 5.23 vorgenommen.
5.10 Lieferanten-Auswahl-Würfel
Ein weiteres von Harting, D. (1994) entwickeltes Instrument zur Unterstützung der
Beschaffung bei der Strategieauswahl ist der dreidimensionale Lieferantenauswahl-
Würfel.143 Wesentliche Motivation war eine Abkehr von der exklusiven Betrachtung von
lieferantenbezogenen Einflussfaktoren durch die Integration von Umwelteinflüssen
(Markt, Wettbewerb, Abnehmerstruktur usw.) in das Kalkül.144
5.10.2 Dimensionen
Zur Bewertung wird eine numerische Fünferskala empfohlen. Diese soll so angelegt
sein, dass ein niedriger Skalenwert eine sehr gute Entsprechung mit den Anforderungen
bedeutet und ein hoher Wert, dass die Anforderungen lediglich in geringem Ausmaß
erfüllt werden. Außerdem werden für die einzelnen Einflussfaktoren unternehmens-
individuelle Gewichtungen empfohlen.146
Tab. 5.24 zeigt eine beispielhafte Zusammenstellung möglicher Faktoren und deren
Bewertung für die drei Dimensionen.
5.10.3 Strategieableitung
An sich ist das Konzept nicht unbedingt als Würfel, sondern als Scoring-Verfahren mit
zwei vorgeschalteten Filtern zu verstehen. Die erste Selektionsstufe sind die exogenen
bedingt
neutral
geeignet
Index
4 5 6
2,251-3,5
unge-
negav
eignet
Index 7 8 9
2, 51-5,0
1, 2, 4 3, 5, 7 6, 8, 9
sehr gut
A-Lieferanten
Index
1,0-2,25
befriedi-
gend
Index
2,251-3,5
unge-
nügend
Index C-Lieferanten
3,51-5,0
Ergebnis der Durchführung ist eine A-, B-, C-Einteilung der Lieferanten. Diejenigen
Lieferanten, die das kleinste Gesamtergebnis aufweisen, sind die beste Bezugsquelle für
das jeweilige Bezugsobjekt.147 Diejenigen mit mehr als 3,5 Punkten werden höchstens
im Notfall als Lieferanten herangezogen.
Tab. 5.25 Bewertung – Lieferanten-Auswahl-Würfel
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Neuer Ansatz von Ranking der Keine Angabe
K.O.-Kriterien und der geeignetsten
Kombination von drei Lieferanten
Dimensionen
– (massive Mängel) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
5.11 Branchensituations-Branchenabhängigkeits-Portfolio
5.11.2 Dimensionen
5.11.3 Strategieableitung
150 Vgl. Roland (1993): S. 138 mit Verweis auf Anders (1994): S. 65.
151 Vgl. Anders (1994): 64 f.
152 Vgl. Anders (1994): S. 66.
5.11 Branchensituations-Branchenabhängigkeits-Portfolio 77
Im Hinblick auf den Abnehmer wird in fragmentierten Branchen mit einer Viel-
zahl von konkurrierenden Unternehmen kleiner und mittlerer Größe eine geringe Ver-
handlungsstärke existieren. Empfohlene Einkaufsstrategien sind hier Langzeitverträge
und zur Steigerung des Kaufvolumens eine Standardisierung der Einkaufsteile und eine
Modularisierung von Zukaufkomponenten.153
Bei wachsenden Branchen besteht die Möglichkeit, in Einkaufsverhandlungen mit
stark steigenden Stückzahlen und Erfahrungskurveneffekten zu argumentieren. Es sollten
Lieferanten ausgewählt werden, welche breit ausgelegte Fertigungseinrichtungen haben,
damit diese sowohl hinsichtlich Quantität als auch Differenzierung ein langfristiger
Partner sein können. Diese Leistungen sollten durch eine entsprechende Lieferanten-
pflege abgesichert werden.154
Hohe Reife und stagnierende Branchen sind gekennzeichnet durch einen intensiven
Wettbewerb. Innovationen sind selten und häufig existieren Überkapazitäten bei den
Produktionsmitteln. Die beiden Felder werden zusammengefasst, da die Strategien sehr
ähnlich sind. Relevant ist, ob eine Austritts- oder Überlebensstrategie durch das Unter-
nehmen vorgesehen ist.155
Im Fall der Austrittsstrategie wird ein Single Sourcing empfohlen, um die Chancen
der Größendegression maximal nutzen zu können. Es wird empfohlen, Verträge über die
gesamte Restzeit abzuschließen.156
Bei der Überlebensstrategie sind die vorgeschlagenen Strategien die
Standardisierung von Teilen und die Wertgestaltung. Es wird eine aggressive Kosten-
strategie empfohlen, sowie der Abschluss von Lieferverträgen, um dem Lieferanten
Obwohl der Aufbau als 2 X 4 Matrix Hoffnung auf ein stärker ausdifferenziertes
Portfolio mit konkreteren Strategien macht, muss kritisiert werden, dass diese nicht
erfüllt wird, da bei der starken Branchenabhängigkeit des Lieferanten beinahe alle
Felder gleich bewertet werden bzw. zur gleichen Strategie geraten wird. Statt acht unter-
schiedlichen Feldern entstehen damit lediglich sechs.159
Das Portfolio basiert auf dem Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio von
Kraljic (1977) und hat damit eine breite Fundierung. Basierend auf dem bestehenden
Portfolio wird eine Anpassung vorgenommen, welche sich auf die Branchen-
charakteristika konzentriert. Eine empirische Fundierung existiert nicht, aber ein
erfolgreicher Einsatz bei Großunternehmen. Die zusammenfassende Bewertung zeigt
Tab. 5.27.
Tab. 5.27 Bewertung – Branchensituations-Branchenabhängigkeits-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Adjustierung des Adjustierung Teilweise noch immer Erfolgreicher Einsatz
Lieferanten-Arbeit- bestehender Portfolios zu undifferenziert bei Großunternehmen
nehmer-Marktmacht- durch Branchenfokus
Portfolio
+ (positiv) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel)
5.12 Sourcingportfolio
Anders (1994) hat ein weiteres Portfolio entwickelt, welches sich auf die Auswahl der
Single- oder Multiple-Sourcing-Strategie konzentriert. Motivation für das Portfolio ist
das „komplexe[…] Entscheidungsfeld“160, welches sich insbesondere aus den Risiken
des Single-Sourcing in Form von Abhängigkeiten, der Gefahr der Vorwärtsintegration
sowie durch Insolvenzen, Streiks und Katastrophenfällen ergibt.161 Da jedoch durchaus
Situationen existieren, in denen das Single- dem Multiple-Sourcing vorgezogen werden
sollte,162 soll die Entscheidung mit der zu entwickelnden Matrix unterstützt werden.
5.12.2 Dimensionen
Zur Aufstellung der Dimensionen werden die Lieferantenangebote nach Kriterien wie
Qualität, technische Kompetenz und Preis beurteilt. Der vorgeschlagene Weg führt über
eine Nutzwertanalyse, welche auf den in Tab. 5.28 beispielhaft genannten Kriterien
basieren kann
Die Einteilung erfolgt im Anschluss nach folgender Regel:163
• Liegt ein attraktives Angebot vor, so hat das Single Sourcing eine hohe Relevanz
• Bei zwei attraktiven bzw. gleichwertigen Angeboten existiert eine mittlere Relevanz
des Single Sourcing
• Bei einem ausgeglichenen Spektrum an Angeboten ist die Relevanz gering
Die zweite Dimension bildet die Nachfragemacht des Abnehmers bzw. die Angebots-
macht. Diese wird anhand der Kriterien bewertet, die Heege (1987) zur Ermittlung der
Lieferanten- und Abnehmerstärke aufgestellt hat. Dies sind beispielsweise die Leistungs-
fähigkeit des Lieferanten, dessen Marktanteil, die Konjunkturlage oder auch Möglichkeiten
des Auftretens von Wettbewerbern.164 Wenn die Lieferanten als schwach beurteilt werden
und die Stärke des Abnehmers hoch ist, so ist die Nachfragemacht im Portfolio als hoch
einzuordnen. Ist das Verhältnis ausgeglichen, ist eine mittlere Einordnung vorzunehmen
und ansonsten bei gering.165 Daraus ergibt sich das in Abb. 5.14 gezeigte Portfolio.
Tab. 5.28 Bewertung – Attraktivität für Single Sourcing. (Quelle: In Anlehnung an Anders (1994): S. 120)
Kriterien Gewicht Bewertung
Lieferant A Lieferant B Lieferant C
Info Wert gew. Wert- Info Wert gew. Wert- Info Wert gew.
zahl zahl Wert-
zahl
Qualität Produktquali- 25 %
tät
Qualitäts-
fähigkeiten
Lieferung Terminzuver- 25 %
lässigkeit
Lieferflexibili-
tät
Technische Prozess- 20 %
Kompetenz bezogen
Produkt-
bezogen
Preis Stückpreis 1. 30 %
Periode
Werkzeug-
kosten/Ein-
malkosten
SUMME gewichtete Wertzahlen
5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
5.12 Sourcingportfolio 81
miel
4 5 6
gering 7 8 9
5.12.3 Strategieableitung
Bei der Entscheidung für das Single-Sourcing sollten zusätzlich noch folgende Kriterien
mit einbezogen werden:168
Tab. 5.29 Bewertung – Sourcing-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Basiert zu Teilen Widmet sich Spezial- Lediglich ob ein oder Fehlt vollständig
auf bestehenden thema mehrere Anbieter
Dimensionen gewählt werden sollen
+ (positiv) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
• Voraussichtliches Verhalten des Lieferanten: inwieweit wird der Lieferant die aus dem
Single-Sourcing resultierende Abhängigkeit ausnutzen
• Nachfragestärke Abnehmer: sollte ausreichen, um wirksame Maßnahmen ergreifen zu
können, um Lieferant unter Druck zu setzen (möglichst A-Lieferant)
• Lieferant kann Gegengewicht bilden: durch Lieferanten wird eine Stärkung des Wett-
bewerbs in dem Materialfeld erzeugt
Das Portfolio baut zu Teilen auf existierenden Dimensionen auf. Es widmet sich mit
der optimalen Lieferantenanzahl einem Thema, welches bisher noch nicht in der
Form behandelt wurde. Die Normstrategien sind eher oberflächlich ausformuliert.
Es wird nur angegeben, ob ich einen oder mehrere Lieferanten wählen sollte. Wie
viele Lieferanten gewählt werden sollten, wird außer durch allgemeine Hinweise
nicht situationsabhängig beantwortet, genauso wie konkret der Einbezug von Faktoren
außerhalb des Angebotes und der Nachfragemacht. Eine empirische Validierung der auf-
gestellten Dimensionen und abgeleiteten Strategien finden nicht statt. Tab. 5.29 zeigt die
zusammenfassende Bewertung des Sourcing-Portfolios.
5.13 Kontroll-Notwendigkeits-Portfolio
Motivation des Portfolios von van Stekelenborg und Kornelius (1994) ist die Erkennt-
nis, dass auf das volatile Unternehmensumfeld mit einer höheren Diversität an
Beschaffungsstrategien reagiert werden sollte und dass eine professionelle Auswahl zu
einer Verbesserung der Leistung des Unternehmens führt.
Das Portfolio ist als konzeptionelles Rahmenwerk für die industrielle Beschaffung
entwickelt worden.169 Es hat die Zielsetzung, eine Anleitung dazu zu geben, welche
gering hoch
Kontrollnotwendigkeit des internen Nachfragemarktes
Beschaffungssituaon Beschaffungssituaon
gering
5.13.2 Dimensionen
Die Autoren leiten her, dass die beiden wesentlichen Kontrollvariablen für die
Beschaffung die Anforderungen aus dem Bedarf des internen Marktes sind, sowie
die Limitationen und Möglichkeiten des externen Beschaffungsmarktes.171 Für
diese beiden Dimensionen wird die Kontrollnotwendigkeit in ‚niedrig‘ und ‚hoch‘ ein-
geteilt. Grundidee ist eine Ausbalancierung der beiden Dimensionen, d. h. wenn eine
hohe Kontrollnotwendigkeit aufgrund des internen Marktes gegeben ist, sollte die
Beschaffung versuchen, diese auszugleichen. Auf diese Weise entsteht das in Abb. 5.15
gezeigte Portfolio.
Die beiden Dimensionen setzen sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen.
Diese sind für die externe und interne Kontrollnotwendigkeit in Tab. 5.30 aufgelistet.
Ermittelt wurden sie durch die Autoren auf Basis von Fallstudien.172
Tab. 5.30 Faktoren und ihre Beeinflussung der Kontrollnotwendigkeit. (Quelle: In Anlehnung an van Stekelenborg und Kornelius (1994): S. 312)
Dimension Faktor Ausprägung, die zu Steigerung Kontrollnotwendigkeit führt
Extern Relevanz des Einkäufers für den Lieferanten Beschaffendes Unternehmen hat niedrige Relevanz
Wechselkosten Hohe Kosten bei Wechsel des Lieferanten
Knappheit des Gutes Hohe Kosten bei Gefahr der Knappheit des Gutes
Finanzielle Situation des Lieferanten Schlechte finanzielle Situation bei Lieferanten
Anzahl der potenziellen Lieferanten Geringer Wettbewerb aufgrund von wenig potenziellen
Lieferanten
Qualität der gelieferten Güter Massive Qualitätsmängel beim Wareneingang detektiert
Logistische Situation des Lieferanten Weite Entfernungen mit risikobehafteten Wegen
Wirtschaftliche und technische Situation Rapide verändernde Situation
Intern Strategische Relevanz Preis Anteil der Kosten für Produkt sehr hoch im Verhältnis zu
des Produktes Gesamtkosten des Endproduktes
Funktionalitäten Hohe Relevanz der Funktionen
Legislative Restriktionen Restriktive möglicherweise sich verändernde Gesetzeslage hin-
sichtlich des Objektes
Produkt- Komplexität Objekte mit hoher Komplexität in der Herstellung
charakteristika Einzigartigkeit Objekt sehr selten
Größe Objekte haben sehr große Volumina
Dynamik und Vorhersagbarkeit des Kundenbedarfs Häufige Wechsel des Bedarfs bezüglich Quantitäten und Spezi-
fikationen
5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
5.13 Kontroll-Notwendigkeits-Portfolio 85
5.13.3 Strategieableitung
Bezüglich der vier Felder des Portfolios existieren die in Tab. 5.31 aufgezeigten
strategischen Empfehlungen:
Schwerpunkt des Portfolios ist, die Bestimmung der Intensität der Kontrollaktivi-
täten bezüglich der Objekte. Diesen Fokus weist bisher kein Portfolio auf bzw. war er
höchstens als Nebenaspekt vorhanden. Ein Schwerpunkt bei der Strategieableitung ist
Tab. 5.32 Bewertung – Kontroll-Notwendigkeits-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Konzentration auf Für die vier Felder Strategien basieren auf
Kontrollaspekt, welcher werden eine Reihe von Fallstudien
bisher nur zu Teilen Ansätzen zur Strategie-
durch risikoorientierte ausprägung gegeben
Portfolios abgedeckt
war
– (massive Mängel) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel)
auf die Einbindung von weiteren Abteilungen zu legen, wie beispielsweise der Design-
abteilung, welche das Objekt so ausgestalten kann, dass die externe Situation mit
weniger Kontrollaktivitäten bestritten werden kann.173
Das Portfolio, welches zusammenfassend in Tab. 5.32 bewertet wird, ist überwiegend
konzeptioneller Natur174 und beruht vorteilhafterweise sowohl auf sachlogischen
Ableitungen als auch auf Erkenntnissen aus Fallstudien.
Die Idee für das kombinierte Portfolio von Besslich und Lumbe (1994) ist im
Rahmen eines Projektes bei der Siemens AG entstanden, innerhalb dessen dieses auch
implementiert wurde. Das finale Portfolio wird zusammengesetzt aus drei Einkaufs-
portfolios. Dies sind im Einzelnen die Einkaufsmatrix, die A-Teilematrix und die
Lieferantenmatrix.175 Auf diesem Weg sollen sowohl objekt-, lieferantenspezifische
und risikorelevante Informationen einbezogen werden. Ausgangpunkt der Analyse sind
abgerechneten Lieferungen der vergangenen 12 Monate.176
Grundlage der Herangehensweise ist die Erkenntnis, dass keine Beschaffungsstrategie
für das gesamte Volumen festgelegt werden kann. Um ein Optimum zu erreichen müssen
„mehrere, unterschiedliche Strategien“177 abhängig vom Beschaffungsobjekt aus-
gewählt werden.
5.14.2 Dimensionen
178
Vgl. Besslich und Lumbe (1994): S. 23 Die strategischen Stoßrichtungen sind direkt ent-
nommen von Hubmann und Barth (1990): S. 29.
88 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
marktbezogene Risiken
hoch
+- ++
niedrig
-- -+
niedrig hoch
unternehmensinterne Risiken
In der Lieferantenmatrix wird die das wertmäßige Liefervolumen des Lieferanten dem
lieferantenspezifischen Risiko gegenübergestellt. Es findet auch wieder eine Unterteilung
in vier Quadranten statt:179
179 Vgl. Besslich und Lumbe (1994): S. 24 und Eberle (2005): S. 156.
5.15 Lieferantenbeziehungs-Portfolio 89
5.15 Lieferantenbeziehungs-Portfolio
Zielsetzung des von Olsen und Ellram (1997) entwickelten Portfolios ist, die Kritik an
den bestehenden Portfolios zu reduzieren. Ausgangspunkt der Portfolioentwicklung ist
das vertriebsorientierte Portfolio von Fiocca (1982) zum Management von Kunden und
das Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio von Kraljic (1983). Zielsetzung ist, für
die Haupteinkaufsobjekte die ideale Lieferantenbeziehung festzulegen.
5.15.2 Dimensionen
Als interne Dimension wird die strategische Relevanz des Objektes verwendet. Diese
setzt sich zusammen aus den Kompetenzfaktoren, den ökonomischen Faktoren und den
Imagefaktoren.181 Ein Vorschlag für Detailkriterien wird in Tab. 5.36 gezeigt.
Die externe Dimension wird anhand der Faktoren bewertet, wie schwierig die
Beschaffungssituation gemanagt werden kann. Die Einschätzung erfolgt auf Basis von
Kriterien aus dem Bereich der Produktcharakteristika, Charakteristika des Beschaffungs-
marktes und der Umweltcharakteristika, wie Tab. 5.37 zeigt.182
Zur Findung der Position im Portfolio muss eine Gewichtung der Faktoren vor-
genommen werden. Olsen und Ellram (1997) schlagen dazu ein den ‚Analytic Hierarchy
Process‘ nutzende Methode vor183 und betonen die hohe Relevanz dieses Schrittes.184
Auf diesem Weg können die Objekte in das in Abb. 5.17 gezeigte Portfolio eingeordnet
werden.
Dabei wird auf die hohe Relevanz der Ausnutzung der gesamten Skala hingewiesen,
um zu vermeiden, dass alle Objekte in einem Feld angesiedelt werden.185
Engpass
Strategisch
gering
Nicht-Krisch Hebel
5.15.3 Strategieableitung
Für die vier gebildeten Kategorien werden folgende in Tab. 5.38 dargestellten Strategien
vorgeschlagen.
Die Strategien werden als Idealpositionen beschrieben. Zur Identifikation von spezi-
fischen Aktivitäten wird empfohlen, einen Abgleich mit der aktuellen Position vor-
zunehmen. Diese wird mit einer spezifischen Matrix gemessen, welche sich aus der
relativen Lieferantenattraktivität und der Stärke der Beziehung zusammensetzt.186
Tab. 5.39 Faktoren zur Bestimmung der Stärke der Beziehung. (Quelle: In Anlehnung an Olsen
und Ellram (1997): S. 107)
# Gruppe Detailkriterium
1 Ökonomische Faktoren Beschaffungsvolumen
2 Wichtigkeit des Käufers für den Lieferanten
3 Ausstiegskosten
4 Charakter der Austauschbeziehung Arten des Austauschs (zusätzlich zu
Produkten/Dienstleistungen finanzielle
Beziehungen oder Austausch von Wissen)
5 Niveau und Anzahl der persönlichen
Kontakte
6 Anzahl von anderen Partnern
7 Dauer der Austauschbeziehung
8 Kooperation zwischen Käufer und Lieferant Entwicklungskooperationen
9 Technische Kooperationen
10 Integration des Managements
11 Distanz zwischen Käufer und Lieferant187 Soziale Distanz (Ähnlichkeit der Arbeits-
weisen)
12 Kulturelle Distanz (Normen und Werte)
13 Technologische Distanz
14 Zeitliche Distanz (Zeit zwischen Order und
Lieferung)
15 Geographische Distanz
1 2 3
moderat
4 5 6
niedrig
7 8 9
der Größe des Kreises in dem Portfolio zu differenzieren. Diese Größe repräsentiert die
Höhe der allokierten Ressourcen zu der Beziehung188
Die Strategien für die identifizierten neun Felder werden in Tab. 5.40 aufgezeigt.
Zusätzlich wird noch der Hinweis gegeben, dass auch die Position im Lebenszyklus
des Produktes, in das die Objekte eingehen, mit in die Entscheidung für eine Strategie
Tab. 5.41 Bewertung - Lieferantenbeziehungs-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Baut auf bestehenden Zu Teilen neue Lediglich allgemeine Fehlt vollständig
Portfolios und der Aspekte Hinweise
darauf bezogenen
Kritik auf
+ (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
Die Autoren selbst führen als kritischen Punkt die Fokussierung auf Produktions-
betriebe an,191 welche dazu führen kann, dass Teile der Empfehlungen beispielsweise
bei Dienstleistungsunternehmen keine Gültigkeit haben. Auch die Komplexität der
Dimensionen wird kritisch gesehen, hier wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese
über eine selektive Auswahl der Faktoren reduziert werden kann. Auch die Gefahr der
Nichtbeachtung von Interdependenzen wird gesehen.
Das Portfolio, welches in Tab. 5.41 zusammenfassend bewertet wird, baut auf
existierenden Portfolios und einer detailliert herausgearbeiteten Kritik an diesen
Portfolios auf. Daraus entstehen neue Teilaspekte im Hinblick auf die Betrachtung der
Beziehung zum Lieferanten. Die Strategien geben lediglich einige allgemeine Hinweise,
wie auf die ermittelten Situationen eingegangen werden kann.192 Es fehlt eine empirische
Überprüfung der Felder und Strategieempfehlungen über Fallstudien oder eine Langzeit-
studie bei Unternehmen, die das Portfolio in der beschriebenen Form einsetzen.193
5.16 Beziehungsarten-Portfolio
5.16.2 Dimensionen
Zur Aufstellung der Matrix werden zunächst die Investitionen des Lieferanten und des
Käufers in die Beziehung gesammelt. Als spezifisch für die Partnerschaft sind diese
zu qualifizieren, wenn sie speziell für die Geschäftsbeziehung getätigt wurden und nur
schwer auf eine andere Geschäftsbeziehung übertragen werden können. Lieferanten-
spezifische Investitionen können sein: Lage und Design von Produktionsstätten und
Lagermöglichkeiten, Adaption des Informationssystems an das des Käufers (Schnitt-
stellen, Protokolle) und immaterielle Investitionen, wie die Schulung der Mitarbeiter.
Auf der Käuferseite können folgende durch die Lieferantenbeziehung ausgelösten
Investitionen anfallen: Design, um das Produkt des Lieferanten in das eigene Produkt zu
integrieren und Werkzeuge, die spezifisch auf die Produkte des Lieferanten ausgerichtet
sind.
Aus der Gegenüberstellung von Käufer- und Lieferanteninvestitionen ergibt sich das
Beziehungsarten-Portfolio der Abb. 5.19.
Daraus ergeben sich die folgenden Felder:197
• Marktaustausch: keine der beiden Parteien hat intensiv in die Beziehung investiert,
damit kann jede der Parteien zurück auf den Markt gehen und zu einem anderen
Partner wechseln, typisch für Standardware
197 Vgl. Bensaou (1999): S. 37, Wildemann (1998): S. 43 und Wagner (2003): 699 f.
5.16 Beziehungsarten-Portfolio 97
hoch
akves Beziehungsmarkeng proakves Beziehungsmarkeng
Invesonen des Käufers
niedrig
5.16.3 Strategieableitung
Empirisch wurden bei der dem Portfolio zugrunde liegenden Studie zwischen den
USA und Japan deutliche Unterschiede festgestellt, insbesondere für das Feld der
‚gefangenen Lieferanten‘, welches in Japan mit 35 % am Gesamtanteil und das Feld der
‚gefangenen Käufer‘, welches in den USA mit 42 % besonders stark ausgeprägt war.
Daraus resultiert die Schlussfolgerung, dass die japanischen Automobilhersteller deut-
lich stärker in der Lage sind, ihren Lieferanten die Bedingungen der Zusammenarbeit
zu diktieren. Hinsichtlich der Profitabilität konnten keine statistisch signifikanten Unter-
schiede für die einzelnen Felder festgestellt werden, d. h. für alle Felder gab es Fälle, in
denen die Situation sehr gut oder schlecht gemanagt wurde. Nazli et al. (2006) haben
das Modell für den Automobilsektor in der Türkei getestet. Hauptunterschiede zu der
Studie in den USA und Japan waren hier, dass keine Beziehungen im Quadranten der
‚gefangenen Käufer‘ identifiziert wurden, sodass hinsichtlich der Klassifizierung die
besten statistischen Ergebnisse bei einer Aufteilung in drei Cluster erreicht werden
98 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
konnten.198 Am stärksten vertreten war dabei das Feld mit den ‚gefangenen Lieferanten‘,
gefolgt von den ‚strategischen Partnerschaften‘.199
Daraus ergibt sich, dass nicht grundsätzlich ein Quadrant des Portfolios vermieden
werden muss, sondern zu identifizieren ist, welche Produkt-Markt- und Lieferanten-
eigenschaften besonders geeignet für die einzelnen Positionen sind. Die aus den
empirischen Daten abgeleiteten Merkmale der vier Quadranten zeigt Tab. 5.42.
Zur Beantwortung der Frage, welche Zusammenarbeit bei der jeweiligen Beziehungs-
art am erfolgreichsten ist, wurden die Beziehungen in jedem Quadranten in die
erfolgreichen und nicht erfolgreichen getrennt und auf Basis dieser Aufteilung die
wesentlichen Differenzen zwischen den Umsetzungsstrategien der Beziehung der
beiden Gruppen herausgearbeitet. Diese wurden gruppiert in Informationsaustausch-
mechanismus, Wissenstransferaufgaben und Klima- und Prozesscharakteristika und sind
in Tab. 5.43 zusammengefasst. Diese stellen somit die erfolgreichen Management-
strategien bzw. Situationsbeschreibungen (Strategien der ‚high performer‘) für die
jeweiligen Quadranten dar.200
Simplifiziert wird herausgearbeitet, dass es zwei erfolgreiche Arten der Zusammen-
arbeit gibt:
Auf der anderen Seite gibt es zwei erfolglose Wege, bei denen eine über- oder unter-
dimensionierte Ausgestaltung vorliegt:
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Unternehmen Vertrauen aufbauen durch eine Viel-
zahl von Besuchen, Gast-Ingenieure und unternehmensübergreifende Teams, wenn das
Produkt und der Marktkontext dafür geschaffen sind, dass eine einfache Beziehung mit
geringem personellen Austausch und automatisierten Mechanismen vorliegen sollte.201
Die Vorgehensweise des Beziehungsarten-Portfolios umfasst damit drei Schritte:202
(Fortsetzung)
100 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Tab. 5.42 (Fortsetzung)
Produkteigenschaft Markteigenschaft Lieferanteneigen-
schaft
Strategische Partner- Hoher Hohe Nachfrage, Starke firmeneigene
schaft Individualisierungsauf- starkes Markt- Technologie
wand erforderlich wachstum
Gegenseitige Starker Wettbewerb Hohe Forschungs- und
Abstimmung für auf konzertiertem Entwicklungsaktivität
Schlüsselprozesse not- Markt
wendig
Technisch
komplexe Teile oder
Komponenten
Einsatz neuer Techno-
logien
Regelmäßige Design-
änderung
Hoher Grad an Ent- Käufer hält Hohes Wissen und
wicklungserfahrung Entwicklungs- und Kenntnisse in Design,
notwendig Testkompetenzen Entwicklung und
Hohe Kapitalin- Fertigung
vestition notwendig
Es existiert keine Fundierung auf bestehende Portfolios. Mit der Art der Beziehung
wird ein zu Teilen neuer Aspekt aufgenommen, der jedoch schon eine intensive203 oder
zumindest partielle Rolle bei einigen anderen Portfolios hatte.
Da die Erhebung nur auf dem Automobilsektor abgezielt hat, wird an dem Modell
eine unzureichende Unterstützung für andere Industriebereiche kritisiert.204 Zusammen-
fassend zeigt Tab. 5.44 die Kritik an dem Portfolio.
(Fortsetzung)
102 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Tab. 5.43 (Fortsetzung)
Informationsaus- Wissenstransferauf- Klima- und Prozess-
tauschmechanismus gaben charakteristika
Strategische Partner- Regelmäßig, viel- Keine Routinen, Viel- Hohes gegenseitiges
schaft: proaktives fältige Medientypen zahl von ungeplanten Vertrauen
Beziehungsmarketing Treffen Starker Fokus auf
Fairness
Regelmäßige Besuche Sehr zeitintensiv, Frühe Involvierung
hauptsächlich zur des Lieferanten in
Koordination Produktentwicklung
Lieferant hat sehr gute
Reputation
Tab. 5.44 Bewertung – Beziehungsarten-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Bestimmung der Detaillierte Strategien Strategien basieren
geeigneten Beziehungs- für die vier relevanten auf empirischen
art stellt einen bisher Beziehungsarten Erhebungen in den
nicht im Fokus der USA und Japan bei
Analyse stehenden Automobilherstellern
Aspekt dar und deren Lieferanten
– (massive Mängel) 0 (kleinere Mängel) + (positiv) + (positiv)
5.17 Supply-Chain-Portfolio
5.17.2 Dimensionen
Die Dimensionen dieses Portfolios sind zum einen die Belastbarkeit der einzelnen
Kettenabschnitte und zum anderen die Beanspruchung des jeweiligen Abschnittes.207
Die Belastbarkeit soll mithilfe einer Stärken- und Schwächen-Analyse festgestellt
werden und die Beanspruchung soll aufzeigen, inwieweit die Versorgungspfade den
Beanspruchungen gewachsen sind. Ziel ist, bei Nichtübereinstimmung der beiden
Faktoren eingreifen zu können.208 Damit behandelt sie nicht inner-, sondern interbetrieb-
liche Fragestellungen.
Zur Feststellung der Beanspruchung, welche primär aus der Beschaffungsmarkt-
umwelt resultiert,209 müssen die folgenden Kontextfaktoren untersucht werden:210
Sowohl für die Beanspruchung als auch die Belastbarkeit kann ein Scoring-Modell
gewählt werden, bei dem die Kategorien gewichtet und bewertet zu einem Gesamt-
wert kumuliert werden und auf diesem Weg die Position in der Matrix für die einzelnen
Kettenglieder gefunden wird.212
5.17.3 Strategieableitung
Zur Ableitung der Strategien werden die Lieferantenpositionen anhand der Dimensionen
in ein Portfolio eingetragen. Dadurch ergibt sich die in Abb. 5.20 gezeigte Darstellung.
210 Vgl. Kaufmann et al. (2005): S. 12 und Kaufmann und Germer (2001): 185 f.
211 Ein Hilfsmittel zur Einschätzung der Dynamik kann die XYZ-Analyse sein. Siehe Sommerer
hoch
Ke engliedern Weiterentwicklung
Beanspruchung
Pfad
niedrig
Positiv an dem Instrument ist zu bewerten, dass hiermit eine Analyse von strategischen
Fragestellungen anhand der Lieferkette vorgenommen werden kann. Das komplexe
Gesamtproblem wird dabei in Einheiten zerlegt und durch die Darstellung kann die
Kommunikation und das Verständnis zwischen den Kettenmitgliedern gefördert
werden.213
Ein Rückgriff auf andere Portfolios wird nicht vorgenommen und es fehlt eine
empirische Fundierung. Strategien, um den geforderten Positionswechsel zu vollziehen,
werden nicht gegeben. Daraus resultiert die in Tab. 5.45 dargestellte Bewertung.
Tab. 5.45 Bewertung – Supply-Chain-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Einbezug der Liefer- Nur rudimentär vor- Keine Angabe
kette und deren Stabili- handen
tät komplett neu
– (massive Mängel) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
5.18 Optimale-Lieferantenzahl-Portfolio
Der in den 1980er und 1990er Jahren vertretenen Strategie, mit so vielen Lieferanten
wie möglich zusammenzuarbeiten, um die Marktkräfte ausnutzen zu können214, wird
bereits seit einigen Jahrzehnten nicht mehr bedingungslos gefolgt. Verschiedene Unter-
suchungen haben gezeigt, dass abhängig von der Höhe der spezifischen Investitionen
durch den Lieferanten zugunsten der Geschäftsbeziehung es für den Abnehmer eine
bessere Strategie ist, wenn er mit weniger Lieferanten zusammenarbeitet.215
Das von Homburg (2002) entwickelte Portfolio zur Bestimmung der optimalen
Lieferantenzahl kann sich auf die Gesamt-Lieferantenzahl des Unternehmens oder
die jeweilige Beschaffungseinheit beziehen. Die Lieferantenzahl des Unternehmens
ergibt sich aus der Beschaffungsstrategie und bezieht Festlegungen bezüglich Make-
or-Buy, und dem ‚Modular Sourcing‘ ein. Die Betrachtung der Lieferantenzahl pro
Beschaffungsobjekt hat als wesentlichen Einflussfaktor die Festlegung hinsicht-
lich ‚Single Sourcing‘ oder ‚Multiple Sourcing‘.216 Häufig ist mit Blick auf die
Beschaffungseinheit nicht die Wahl der einen oder anderen Extremstrategie sinnvoll,
sondern eine Positionierung im Kontinuum zwischen den beiden Ansätzen.217
Wesentliches Entscheidungskriterium bei der Wahl der optimalen Lieferantenzahl
sind die Gesamtversorgungskosten. Hier sind beispielsweise Kosten für Qualitäts-
mängel, Komplexitätskosten und natürlich auch der erzielte Einstandspreis relevant. Bei
der Bestimmung der wirtschaftlich sinnvollsten Lieferantenzahl müssen diese Kosten
alle in eine Gleichung einbezogen werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass der
Produktpreis durch zusätzliche Lieferanten reduziert werden kann, auf der anderen Seite
Administrationskosten pro Lieferant linear mit der Zunahme von Lieferanten ansteigen
und Kosten für den Vergleich der Lieferanten sogar quadratisch ansteigen, da jeder
Gesamtversorgungskosten
70
60
50
40
Kosten
30
20
10
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Anzahl Lieferanten
EP (Einkaufspreis) ABK (Akquisions- und Betriebskosten) GVK (Gesamtversorgungskosten)
Lieferant mit jedem Konkurrenten verglichen werden muss.218 Die Reduktion des Ein-
kaufspreises in Abhängigkeit von den Lieferanten, der Anstieg der Akquisitions- und
Betriebskosten, sowie die als Summe gebildeten Gesamtversorgungskosten werden bei-
spielhaft in Abb. 5.21 gezeigt.
hoch
niedrige Lieferantenzahl mittlere Lieferantenzahl
(Single Sourcing?)
niedrig
1. Modell leitet Empfehlungen aus lediglich zwei Variablen ab, alle anderen
Determinanten bleiben unberücksichtigt.
2. Systemzusammenhänge (z. B. Bezug mehrerer Produkte bei einem Lieferanten)
werden nicht berücksichtigt, sondern es wird eine Empfehlung für jedes Produkt
abgegeben. Insoweit Interdependenzen existieren sollten, welche für die Einordnung
relevant wären, sind diese in dem Modell nicht berücksichtigt.219
3. Annahme, dass Einkaufspreis bei hohen Abnahmemengen bei einem Lieferanten sinkt
(Mengenrabatte), wird nicht berücksichtigt.
Tab. 5.46 Bewertung – Optimale-Lieferantenzahl--Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Basiert auf ‚Make or Reine Konzentration Weitestgehend aus- Empirisch nach-
buy‘-Überlegungen auf Anzahl der reichend gewiesen
Lieferanten (bereits
bei anderen Portfolios
thematisiert)
+ (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel) + (positiv)
5.19 Bedeutungs-Komplexitäts-Portfolio
5.19.2 Dimensionen
• Produktkosten je Lieferung
• Gesamtkosten
• Anteil an Wertschöpfung
• Einfluss auf Gewinn
B-1 A
hoch
Bedeutung des Produktes
Strategischer Lieferant
Hebel-Lieferant • Win-Win-Situaon herbeiführen
• Produktkosten reduzieren • Langfrisge Beziehungen
• Pooling • Stabilität
• Mulple Sourcing • Beziehungspflege
C B-2
gering
Zu der Gewichtung der Einzelkriterien werden keine Aussagen gemacht. Das Portfolio
auf Basis dieser beiden Dimensionen gliedert sich, wie in Abb. 5.23 gezeigt, in vier
Positionen auf.
5.19.3 Strategieableitung
Die vier Typen von Lieferanten sollen folgendermaßen positioniert werden und bilden
somit die logisch abgeleiteten Strategievorschläge:225
225
Vgl. Wagner (2003): S. 698. Siehe dazu die angelehnte Typisierung für Objekte bei Kraljic
(1983): S. 112.
110 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Tab. 5.47 Bewertung – Bedeutungs-Komplexitäts-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Basiert auf zwei breit Branchenbetrachtung Lediglich mittleres Nicht gegeben
diskutierten und ver- ist ein neuer Aspekt Niveau
wendeten Portfolios
+ (positiv) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
Das Portfolio baut auf zwei wichtigen Beschaffungsportfolios auf und bringt hier mit
der Betrachtung der gesamten Branche eine Neuigkeit ein. Die Strategieangaben sind
lediglich auf einem mittleren Detaillierungs-Niveau. Es existiert keine empirische
Fundierung. Zusammenfassend ergibt sich das in Tab. 5.47 gezeigte Ergebnis.
5.20 Make-or-Buy-Portfolio
Aufgrund der immer stärkeren Spezialisierung226 hat der Fremdbezug227 eine deutlich
höhere Relevanz erhalten.228 Damit müssen Unternehmen fundierte Entscheidungen
treffen inwieweit ein Objekt selber produziert oder extern zugekauft werden soll. Dabei
wird die Eigenproduktion als „Make“ und der Fremdbezug als „Buy“ bezeichnet.
Wesentliche Grundlage dieser Entscheidung ist die Transaktionskostentheorie, welche
eine Kostendifferenz und die daraus folgende Fremdvergabe auf über die Anbahnungs-,
Vereinbarungs-, Sicherungs- und Anpassungskosten berechnet.229
Das von Schneider (2005) aufgestellte Portfolio hat die Zielsetzung, Make-or-
Buy-Entscheidungen zu unterstützen. Die Vorgehensweise ist angelehnt an das
Produkt-Markt-Portfolio.230 Als die beiden wesentlichen Entscheidungskriterien bei
Make-or-Buy-Entscheidungen sind die strategische Relevanz und die Auslagerungs-
barrieren des Objektes identifiziert worden.231 Zielsetzung sollte sein, Outsourcing-
Entscheidungen nicht mehr alleine nach Kostenaspekten, sondern nach allen relevanten
strategischen Größen zu treffen.232
5.20.2 Dimensionen
Die Kriterien zur Bildung der Dimensionen werden beispielhaft angegeben. Für die
strategische Relevanz der zu analysierenden Objekte sind dies:233
5.20.3 Strategieableitung
Die relevanten Komponenten werden in das Portfolio eingeordnet und daraus eine
Strategieempfehlung hinsichtlich Eigenfertigung oder Fremdbezug abgegeben. Umso
weiter rechts oben die Objekte positioniert sind, umso sinnvoller ist eine Eigenfertigung
Auslagerbarrieren
hoch
niedrig
Tab. 5.48 Bewertung – Make-or-Buy-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Basiert auf Make-or- Reine Konzentration Relativ undifferenziert Keine Angabe
Buy-Überlegungen auf Anzahl der
Lieferanten, im
Vergleich zu
Optimale-Lieferanten-
zahl-Portfolio
differenzierte
Betrachtung des
„mittleren“ Bereichs
+ (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
Das Portfolio konzentriert sich auf einen Einzelaspekt mit der Fragestellung der Eigen-
fertigung oder des Fremdbezugs. Im Vergleich zum Optimale-Lieferantenzahl-Portfolio
von Homburg, C. (2002) wird der mittlere Bereich etwas intensiver diskutiert. Eine
empirische Fundierung für das Portfolio wird nicht angegeben. Die gesammelten Ergeb-
nisse zeigt Tab. 5.48.
5.21 Beschaffungsquellenportfolio
5.21.1 Grundlagen
Zielsetzung ist eine Strukturierung der Lieferanten. Auf dieser Basis soll eine Komplexi-
tätsreduktion erreicht und die Entscheidungsfindung unterstützt werden.239 Das
Beschaffungsquellenportfolio von Wildemann (2006) konzentriert sich allein auf die
Einordnung von Lieferanten.240 Das Besondere an dem Portfolio ist die ausschließliche
Verwendung von externen Größen.
Bei der praktischen Umsetzung empfiehlt es sich, Einzelportfolios für jede relevante
Materialgruppe aufzustellen.241
5.21.2 Dimensionen
184 f.
246 Vgl. Wildemann (2009): S. 95 Bräkling et al. (2012): S. 63.
niedrig hoch
hoch
Angebotsmacht Lieferant [Punktwert]
niedrig
Standardlieferanten Kernlieferanten
Lieferantenentwicklungspotenzial [Punktwert]
5.21.3 Strategieableitung
248 Wildemann (2009) macht einen Vorschlag zur Ermittlung des Versorgungsrisikos auf Basis
einer Checkliste. Hier unterteilt er in zwei Merkmalsgruppen, zum einen die Beschaffungsstruktur
und zum anderen Lieferanten-Abnehmer-Daten. Siehe Wildemann (2009): S. 96.
249 Vgl. Wildemann (2015): S. 49.
Tab. 5.49 Bewertung – Beschaffungsquellenportfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Rein externe Minimale Strategie- Keine
Konzentration zur informationen
Einordnung der
Lieferanten
– (massive Mängel) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel) – (massive Mängel)
Das Portfolio ist von Wildemann (2006) im Wesentlichen dazu entwickelt worden, um
es mit dem Beschaffungsgüter-Portfolio zu vereinen und damit eine Kombination von
Objekt und Quelle herbeizuführen. Es folgt keine Angabe bezüglich Primärportfolios
oder einer empirischen Fundierung. Die angegebenen Strategien bewegen sich auf einem
sehr abstrakten Niveau. Die zusammengefasste Bewertung wird in Tab. 5.49 aufgeführt.
Auslöser für die Konstruktion des Global Sourcing Portfolio durch Wildemann (2006)
war die internationale Ausrichtung der Beschaffungsaktivitäten und die Notwendig-
keit, diese strategisch auszurichten.251 Das Kernanliegen ist es Märkte, zu identifizieren,
die für ein Global Sourcing in besonderem Maße relevant sind.252
Die traditionellen Portfolios erfüllen Anforderungen, wie die Identifikation von
Chancen, Ableitung von Global Sourcing-Strategien, Zukunftsgerichtetheit und Anti-
zipation von Integrationsproblemen nur ansatzweise.253 Dies soll mithilfe der Global
Sourcing Portfolios überwunden werden.
5.22.2 Dimensionen
Bei dem Global Sourcing Portfolio wird die Beschaffungsgütereinteilung kombiniert mit
einem erweiterten Beschaffungsquellenportfolio.254
Die Beschaffungsgütereinteilung basiert auf dem durch das Global Sourcing beein-
flussbaren Kostenanteils und dem Versorgungsrisiko. Zur Spezifizierung des beein-
flussbaren Kostenanteils werden alle relevanten Kosteneinflussgrößen wie Lohnkosten,
Lohnnebenkosten, Automatisierungsgrad, Rohstoffkosten oder Energiekosten heran-
gezogen. Für das Versorgungsrisiko sind mögliche Kriterien der Standardisierungsgrad
des Beschaffungsobjektes und dessen technische Komplexität, Wiederbeschaffungs-
zeiten, die logistische Komplexität oder bestehende Schutzrechte.255 Daraus ergibt sich
die in Abb. 5.26 gezeigte Einteilung.
Die Charakteristika der einzelnen Güter sind im Einzelnen:256
257 Gruschwitz 1993 differenziert bei den für das Global Sourcing besonders geeigneten Gütern
zwischen dem technologieinduzierten und dem kosteninduzierten Global Sourcing. Für die Ein-
teilung verwendet er neben der bereits erwähnten Dimension der „Technologieattraktivität“ den
„Einfluss auf das Erfolgspotenzial“, welcher auf Basis der ABC-Analyse bestimmt wird. Vgl.
Gruschwitz 1993: 118 f., 124 f.
258 Vgl. Wildemann 2006: S. 257.
118 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Standardmaterial Hebelmaterial
5.22.3 Strategieableitung
Der Fokus des Portfolios liegt auf der Identifikation von Produkten bzw. Warengruppen,
bei denen ein Global Sourcing besonders relevant ist. Es werden jedoch auch andere
Normstrategien abgeleitet, wie Abb. 5.28 zeigt.
Das Portfolio leitet für Materialien mit geringen Beschaffungsvolumina die Norm-
strategie des ‚Local Sourcing‘ ab. Optimal für das ‚Global Sourcing‘ sind Kern-
materialien in Kernmärkten. Da dies nach Erkenntnis des Entwicklers des Portfolios
relativ selten auftritt wird diese Strategieoption ausgedehnt auf die strategischen
5.22 Global Sourcing Portfolio 119
Standardmarkt Hebelmarkt
Strategische Markt-
Materialien entwicklung
Alternaven
volumen
Local Sourcing
Standardmaterialien
Evaluierung Beikauf (Local
oder Global)
unarakver Markt Standardmarkt Kernmarkt Risikomarkt
Kostenanteil / Versorgungrisiko
259 Einenähnlichen Ansatz hat Gabath, C. W. (2010) Entwickelt, bei dem ein Materialportfolio
(Arbeitskostenanteil und Einflussfaktor) mit einem Marktportfolio (Global-Sourcing-Potenzial/
Marktrisikofaktor) kombiniert wird. Siehe Gabath, C. W. (2010): S. 121.
120 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Das Portfolio basiert auf bereits bekannten Portfolios zur Einteilung von Lieferanten
und Beschaffungsobjekten. Diese werden modifiziert mit Blick auf die Fokussierung
des Global Sourcing. Es werden acht strategische Aktivitäten vorgeschlagen. Eine
empirische Fundierung erfolgt nicht. Die Bewertung wird in Tab. 5.50 zusammengefasst.
5.23.2 Dimensionen
Zur Ableitung von Strategien, welche sowohl Lieferanten- als auch Materialspezi-
fika einbeziehen, bietet es sich, an eine Kombination des Beschaffungsgüterportfolios
(Versorgungsrisiko)266 mit dem Beschaffungsquellenportfolio (Ergebniseinfluss)267
vorzunehmen.268 Dazu werden pro Materialgruppe ein Beschaffungsquellen- und ein
Beschaffungsgüterportfolio erstellt.269
Die Quadranten der jeweiligen Portfolios bilden die beiden Dimensionen
des kombinierten Portfolios.270 Auf diesem Weg entsteht das Beschaffungsgüter-/
Beschaffungsquellen-Portfolio mit 16 Feldern, wie es in Abb. 5.29 gezeigt wird. Es zeigt
im Wesentlichen die Chancen und Risiken für den Abnehmer271 und wird von Wilde-
mann (2002) auch als Einkaufspotenzialanalyse bezeichnet.272
In dem Portfolio werden insgesamt fünf Charakteristika einer Kombination der
Güter und Quellen dargestellt. Neben den in den Dimensionen verankerten Versorgungs-
Beschaffungsgüterporolio Beschaffungsquellenporolio
hoch
hoch
Angebotmacht
material Material material Material
gering
gering
Strategische
Wertschöpfungspartnerscha
Materialien
Sicherstellung
Engpass Materialen
der
Verfügbarkeit
Effizient
Standardmaterialien
beschaffen
5.23.3 Strategieableitung
und einer Bedarfsbündelung liegen sollte. Beispiele sind DIN-, Norm- und Stanzteile
oder einfachste Gussteile.
• Sicherstellung Verfügbarkeit: Höchstes Versorgungsrisiko und hohe Kosten der
Nichtverfügbarkeit trotz niedriger Beschaffungsvolumina, ausgelöst durch Anbieter-
oligopole oder -monopole. Senkung des Risikos durch Bestandsmanagement bei
aktuellen Produkten und für zukünftige Produkte durch gezielte Produkt- und
Prozessentwicklung. Darüber hinaus können die Erschließung neuer Beschaffungs-
quellen und der Aufbau von Lieferanten eine Herangehensweise sein.
• Marktpotenziale nutzen, dann partnerschaftliche Zusammenarbeit: Niedriges
Versorgungsrisiko, hohe Beschaffungsvolumina und darauf basierend große Hebel-
wirkung. Lieferanten haben hinreichendes Entwicklungspotenzial und Zusammen-
arbeit sollte kooperativ gestaltet sein. Abhängig von der Angebotsmacht sollten
Preisverhandlungen betrieben werden. Anreize können durch Ausdehnung der Ver-
tragsdauer (relationale Vertragsbeziehung276) oder Erhöhung der Abnahmemenge
geschaffen werden.
• Wertschöpfungspartnerschaft: Bei dieser Strategie muss die Sicherheits-
komponente stärker einbezogen werden. Dies soll durch den Aufbau einer gegen-
seitigen Abhängigkeit erreicht werden. Die Geschäftsbeziehung ist kooperativ und die
Vorteile der Zusammenarbeit liegen neben der Reduzierung der Versorgungsrisiken in
Effizienzsteigerungen entlang der gesamten logistischen Kette.
Tab. 5.51
Konkrete Ausgestaltung Normstrategien nach Gestaltungsfeldern. (Quelle: In
Anlehnung an Wildemann (2002): S. 555–557 und Wildemann (2009): S. 101)
Bereich Effizient Sicherstellen der Marktpotenzial Wertschöpfungs-
beschaffen Verfügbarkeit nutzen, dann partnerschaft
partnerschaftliche
Zusammenarbeit
Informations- Bei wieder- Rollierende Vor- Systemlieferanten: Rollierende
system kehrendem schau, entweder rollierende Voraus- Vorausschau,
Bedarf auto- Rahmenvertrag schau, EDV- Zugriff Lieferant
matische Nach- oder Einzel- Schnittstelle auf Dispositions-
bestellung durch bestellung system
System
Materialfluss- Sammel- Kontrollierter JIT, Produktions-
gestaltung anlieferungen Bestandsaufbau Konsignationslager synchrone
durch Bündelung Beschaffung,
der Bedarfe Direkt-
anlieferung,
gemeinsame Ver-
sorgungskonzept-
gestaltung mit
Lieferanten
Sourcing Bündelung Breite Potenzielle Dual Sourcing, Single Sourcing,
von Objekten, Lieferantenbasis, Global Sourcing, Aufbau
Durchführung Aufbau von definierte Quoten gegenseitiger
Beschaffung Lieferanten Abhängigkeit
durch Dienst-
leister, Prüfung
Konditionen in
größeren Zeit-
abständen (einmal
jährlich)
Lieferanten- Einfache, wenig Einkaufspreisana- Auditierung, Detaillierte
auswahl und aufwendige lyse Benchmarking Audits, Coaching
-kontrolle Lieferanten-
bewertung
Vertrags- Lokale Verträge, Weltweite Aus- Preisgleit- und Lebenszyklus-
gestaltung Bestellung aus schreibungen, Rationalisierungs- verträge,
Katalog langfristige klauseln, Geheimhaltungs-
Rahmenverträge langfristige vertrag, Quali-
Rahmenver- tätssicherungs-
träge, Qualitäts- vereinbarung
sicherungsverein-
barung
(Fortsetzung)
5.23 Kombiniertes Beschaffungsgüter-/ Beschaffungsquellenportfolio 125
Tab. 5.51 (Fortsetzung)
Bereich Effizient Sicherstellen der Marktpotenzial Wertschöpfungs-
beschaffen Verfügbarkeit nutzen, dann partnerschaft
partnerschaftliche
Zusammenarbeit
Qualitäts- Annahmestich- 100 % Kontrolle, Annahmestich- Gemeinsame
sicherung probenprüfung Sicherstellung probenprüfung bei Prüfplanung
Rückverfolgbar- Stammlieferanten und -gestaltung,
keit vollständige
Qualitäts-
sicherung durch
Lieferanten,
Rückverfolgbar-
keit sicherstellen
Forschung & Ent- Rückgriff auf Vorgabe Wertanalyse Gemeinsame
wicklung bestehende Pflichtenheft Wertgestaltung,
Produkte, an Lieferanten, Supplier Road
technische weltweite Suche Maps279
Entfeinerung nach alternativen
Technologien und
Substitutions-
materialien
Organisation - Überprüfung Einkaufs- Target Costing,
Eigenfertigung, kooperationen Austausch
Einkaufs- Personal,
kooperationen interdisziplinäre
Intensive Beschaffungsmarktforschung Optimierungs-
teams
Das von Zhu et al. (2010) entwickelten Portfolio zum ‚Grünen Lieferantenmanagement‘
ist das erste Portfolio, welches in breiter Form ökologische Faktoren in die Lieferanten-
bewertung einbezieht und die Dimensionsausprägung mithilfe des Analytical Net-
work Process [ANP] berechnet.282 Die Eingangsgrößen zur Bildung der ökologischen
Strategien gehen in die Dimensionen ‚Gesamtleistung des Lieferanten‘ und ‚relative
Lieferantenmacht‘ ein.283
5.24.2 Dimensionen
284 „Positive environmental performance does not mean simultaneous positive economic and
operational performance and vice versa.” Zhu et al. (2010): S. 309.
285 Vgl. Caniëls und Gelderman (2007): S. 226.
5.24 Portfolio „Grünes Lieferantenmanagement“ 127
Die Bewertung wird mithilfe des ANP vorgenommen. Über die Anwendung ver-
sprechen sich die Autoren die Aufnahme von Interdependenzen.286
5.24.3 Strategieableitung
Bei der Kombination der beiden Dimensionen ergibt sich ein 4-Felder-Portfolio wie in
Abb. 5.30. Spezifische Bezeichnungen der einzelnen Felder (I – IV) nehmen die Autoren
nicht vor.
Daraus abgeleitet ergeben sich die in Tab. 5.55 abgebildeten Normstrategien.
Für Lieferanten, die auf den Grenzen zwischen den Feldern stehen, wird ein
hybrider Ansatz empfohlen.287
286 Vgl. Zhu et al. (2010): S. 307 mit Verweis auf Bayazit und Karpak (2007): 79 ff. und Sarkis und
Sundarraj (2006): 260 ff.
287 Vgl. Zhu et al. (2010): S. 315.
128 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Lieferanten-Gesamtleistung
niedrig hoch
hoch
III I
Relative Lieferantenmacht
niedrig
IV II
Limitierungen des Portfolios sind die bisher lediglich auf einer Fallstudie erfolgte
Anwendung, sowie die hohe Komplexität der beiden Dimensionen.288 Der Ansatz greift
auf breiter Basis auf existierende Portfolio-Modelle zurück.289 Zusammengefasst wird
die Bewertung in Tab. 5.56 gezeigt.
Motivation für den Aufbau des Portfolios von Pagell et al. (2010) ist die steigende
Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten allgemein und speziell im Bereich der Supply
Chain. Bei Entscheidungen insbesondere im Hinblick auf ökologische Sachverhalte
stellten die Autoren eine Informationslücke fest.290 Dies führten sie speziell auf die
Unsicherheiten bei ökologischen Gegebenheiten zurück.291 Ziel ist eine Fundierung bei
strategischen Entscheidungen hinsichtlich der Einbindung von Nachhaltigkeit.292
In der interviewbasierten Untersuchung von Pagell und Wu Zhaohui (2009)
wurden die Supply-Chain-relevanten Daten von 10 Unternehmen aller Größenklassen
gesammelt.293 Aus diesen Daten wurden sechs Unternehmen herausgefiltert, die erfolg-
reich sind und nicht den klassischen Vorgaben der Standard-Beschaffungsportfolios
folgen,294 sondern grundsätzlich versuchen, eine hohe Kontinuität bei ihren Lieferanten
zu erreichen.295 Diese Kontinuität soll in einer Form umgesetzt werden, in der es den
Lieferanten möglich ist, erfolgreich zu sein, zu investieren, innovativ zu sein und zu
wachsen. Dabei wird ein starker Fokus auf die ökologischen und sozialen Resultate der
Lieferanten gelegt.296
Ergebnis ist, dass die Unternehmen, welche an einer nachhaltigen Ausgestaltung der
Supply Chain orientiert sind, Lieferanten, die an sich eine schwache Position haben
(Hebelprodukte), langfristige Verträge anbieten, Preise über dem Marktniveau zahlen,
gemeinsame Trainings durchführen und auch Hilfe zur Reduktion der Risiken auf
Lieferantenseite anbieten, insbesondere, wenn diese Ihre Produktion nachhaltiger aus-
richten wollen.297 Dies sind Elemente, die üblicherweise bei strategischen Lieferanten
eingesetzt werden.298
Zur Begründung dieses Widerspruchs im Vergleich zu dem bei klassischen
Beschaffungsportfolios empfohlenen Verhalten können ungeklärte bzw. schwer erfass-
bare Kosten (im Sinne des Total Cost of Ownership) herangezogen werden, welche
bei nachhaltig orientierten Unternehmen eine besondere Relevanz haben. Dies können
Kosten für Zertifizierungen, Einrichtung eines Reporting-Systems, eines Audit-Prozesses
oder auch die Informationskosten für neue Lieferantensuchen sein.299 Dieser Ansatz
kann jedoch nur zu Teilen zur Klärung des beobachteten Phänomens verwendet werden,
da dieses Verhalten auch langfristig bei den Unternehmen zu beobachten war und über
einen längeren Zeitraum von einer Reduktion der aufgeführten Kosten ausgegangen
werden kann, weil beispielsweise die Informationsasymmetrien geringer werden.300
Ein weiterer Erklärungsansatz, den die Autoren heranziehen, ist die Ressourcen-
theorie. Hier wird herausgearbeitet, dass einzigartige Beschaffungsstrategien dazu
293 Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass die Unternehmen verschiedene Größenklassen
und Beteiligungsverhältnissen abdecken. Die Datenerhebung fand zwischen 2006–2008 statt. Vgl.
Wu und Pagell (2011): S. 579.
294 Kraljic (1983) empfiehlt für die sogenannten „Leveraged Items“ (Hebelprodukte), dass hier
die Beschaffungsmacht genutzt werden soll und gerade keine Kontinuität bei der Lieferanten-
basis angewendet werden soll, da Lieferanten einfach ausgetauscht werden können. Siehe
Kraljic (1983): 65, 112. Boutellier und Wagner (2001) beschreiben die Situation in diesem
opportunistischen Bereich folgendermaßen: „Man kann die Lieferanten und ihre Produkte jederzeit
untereinander austauschen.“ Boutellier und Wagner (2001): S. 41.
295 Vgl. Pagell et al. (2010): S. 62.
führen können, dass ein Wettbewerbsvorteil entsteht. Dies kann beispielsweise auf ein
größeres Vertrauen in die jeweiligen Geschäftspartner zurückgeführt und mit Wissen
über die Erwartungen der Geschäftspartner erklärt werden. Dieser Ansatz kann nach
Ansicht der Autoren aber nur teilweise das Verhalten gegenüber den Lieferanten
erklären, sodass ein hybrider Erklärungsansatz gewählt wird.301
Dazu wird als dritter Erklärungsstrang eine Veränderung der Erwartungen bei den
Stakeholdern in Richtung nachhaltiger Zielsetzungen herangezogen. Die Manager
werden durch Marktbedürfnisse und regulatorische Änderungen dazu gezwungen, eine
stärkere Nachhaltigkeitsorientierung auch im Bereich der Beschaffung umzusetzen.302
5.25.2 Dimensionen
Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich eine Änderungsnotwendigkeit für das von Kraljic
(1983) entwickelte Portfolio. Die Risiko-Dimension wird erweitert und orientiert sich an
Nachhaltigkeitsrisiken. Dazu wird die Kategorie der „Leveraged Items“ (Hebelartikel)
dreigeteilt. Daraus entstehen die in Tab. 5.57 abgebildeten und zu Teilen modifizierten
Felder.
Lieferanten-Risiko
hoch niedrig
hoch strategisch
strategische
Nachhaltigkeits-Risiko
Massenware
vorübergehende
strategische
Massenware
echte
niedrig
Massenware
Engpass unkrisch
5.25.3 Strategieableitung
Außer bei den Hebelartikeln ändert sich lediglich die Risikoeinordnung, welche
nun nachhaltigkeitsorientiert ist. Bei den Hebelartikeln gibt es weiterhin die als echte
Massenware eingeordneten Objekte, welche wie die Hebelartikel behandelt werden.
Die vorübergehenden strategischen Massenwaren werden zeitlich befristet mit einem
stärkeren Fokus also eher wie strategische Objekte behandelt, bis die Informationsasym-
metrie reduziert ist und andere Hersteller auch auf dem Niveau Nachhaltigkeitsobjekte
anbieten können.303
Die strategischen Massenwaren sind mit den strategischen Objekten beinahe gleich-
zusetzen im Hinblick auf die anzuwendenden Instrumente.304 Der Grund ist, dass die
strategischen Massenwaren dazu führen können, dass Wettbewerbsvorteile erreicht
werden. Abb. 5.31 zeigt das modifizierte Nachhaltigkeitsportfolio.
Die Robustheit der Einordnung in dem Portfolio wurde mithilfe von vier Fall-
studien überprüft.305 Hier konnten keine Hinweise gefunden werden, welche darauf hin-
deuten, dass das Modell durch die Fallstudien falsifiziert wird.306
Tab. 5.58 Bewertung – Nachhaltigkeitsportfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Aufbauend auf Wesentliche Modi- Relativ oberflächlich, Basiert auf Erkennt-
Portfolios von Kraljic fikation des Portfolios aber in Teilen höhere nissen aus sechs bzw.
von Kraljic zur Detaillierung über vier Fallstudien
Integration der Nach- Rückgriff auf Kraljic
haltigkeit möglich
+ (positiv) + (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel)
Als vorteilhaft an dem Portfolio ist die tiefe Theoriebasiertheit hervorzuheben und
der praxisorientierte Ansatz über die Fallstudien. Für eine stärkere Fundierung sollte
hier eine höherzahlige empirische Untersuchung durchgeführt werden. Die Bewertung
wird in Tab. 5.58 zusammengefasst.
5.26 Kundenstatus-Portfolio
Das von Schiele (2012) entwickelte Portfolio basiert auf der Erkenntnis, dass ein Status
als bevorzugter Kunde sich positiv auf die Kunden-Lieferanten-Beziehung auswirkt.
Das Portfolio versucht eine Hilfestellung bei der Identifikation von strategisch wichtigen
und innovativen Lieferanten zu geben, mit denen eine enge Zusammenarbeit angestrebt
werden sollte.307
Die Auswirkung als Hauptlieferant eingeordnet zu werden haben Ulaga und Eggert
(2006) analysiert. Die Hauptlieferanten erhalten üblicherweise 73,3 % der Kunden-
volumens zugeteilt.308 Dabei ist die kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit ein notwendiges
Merkmal. Hauptfaktoren für die Wahl als erster Lieferant sind das Servicelevel und die
persönliche Interaktion.309
5.26.2 Dimensionen
Die Dimensionen, aus denen das Portfolio aufgebaut ist, sind die Wettbewerbsfähigkeit
beim Lieferanten und der Status des Käufers beim Lieferanten.
100 Punkte
Lieferantenentwicklungsstrategie Kooperaonsstrategie
Status Käufer bei Lieferant
Bindungsstrategie
niedrig
Quacksalber
0 Punkte
5.26.3 Strategieableitung
Im Detail können die Strategien so, wie in Tab. 5.59 gezeigt, umgesetzt werden.
Tab. 5.60 Bewertung – Kundenstatus-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische Fundierung
Normstrategien
Keine Angabe Status beim Lieferanten Erste Ansätze werden Keine Angabe
ist eine neue Detail- gegeben
ebene bei der Strategie-
ableitung
– (massive Mängel) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel) – (massive Mängel)
empirischen Fundierung wird keine Angabe gemacht. Die Bewertung in der Übersicht
zeigt Tab. 5.60.
5.27.2 Dimensionen
Die Fähigkeiten können mittels verschiedener Variablen, wie Qualität, Reputation und
Prozesskenntnisse gemessen werden.313 Die Bereitschaft kann beispielsweise über
die Vertrautheit, die Bereitschaft, Informationen auszutauschen und die Abhängigkeit
bewertet werden.314
Im Vergleich zu anderen Kombinationen von Portfolios werden hier nicht die
zu integrierenden Portfolios in Dimensionen und damit Achsen der Matrix trans-
311
Eine Auflistung möglicher Ausgestaltungskriterien siehe Rezaei und Fallah Lajimi (2019):
S. 422.
312 Vgl. Rezaei und Ortt (2012): S. 4598.
313 Siehe Rezaei und Ortt (2012) mit einer Auflistung von über 20 möglichen Variablen. Vgl.
100 100
Bereitscha
lung / Austausch Ausdehenen
100 100
Austausch / bei
Schwierigkeiten: Pflegen / Ausdehnen (z.B.
Weiter-
Entwicklung Ausdehenen Kauf weiterer
entwicklung
Bereitscha
Bereitscha
Fähigkeiten Arkel)
5.27.3 Strategieableitung
Der magische Quadrant ist von der IT-Beratungs-Firma Gartner (siehe Snapp (2013) und
Black et al. (2016)) entwickelt worden und ordnet auf Basis von qualitativen Kriterien
Lieferanten auf unterschiedlichen Technologiemärkten entsprechend ihrer Zukunfts-
und Umsetzungsfähigkeit ein. Die Berichte mit den konkreten Einordnungen der Unter-
nehmen werden alle ein bis zwei Jahre aktualisiert herausgegeben.317
5.28.2 Dimensionen
Die Zukunftsfähigkeit wird erhoben auf Basis des Überkriteriums ‚Vollständigkeit der
Vision‘, welche auf einer Reihe von Faktoren basiert, genauso wie die 'Fähigkeit der
Zukunsfokus
Gegenwartsfokus
Nischenanbieter (Niche Players) Visionäre (Visionaries)
Zukunsfähigkeit
Abb. 5.34 Gartner – Magischer Quadrant. (Quelle: In Anlehnung an Black et al. (2016): S. 6 und
Snapp (2013): S. 68)
Umsetzung'. Diese werden in Tab. 5.62 strukturiert nach den Dimensionen und den
Einzelfaktoren dargestellt.
5.28.3 Strategieableitung
• Die Idealposition nehmen die Führer ein. Diese bieten Angebote, die die
Anforderungen des Marktes erfüllen und haben gezeigt, dass sie die Vision besitzen,
ihre Marktstellung zu erhalten, auch bei sich verändernden Bedingungen. Sie sind
in der Lage, die Richtung des Gesamtmarktes zu bestimmen, besitzen eine große
zufriedene Kundenbasis und haben eine hohe Sichtbarkeit am Markt. Ihre Größe
und finanzielle Stärke ermöglichen es ihnen, in einer sich verändernden Ökonomie
bestehen zu können. Es existiert die Gefahr, dass sie die Bedürfnisse von speziellen
Segmenten nicht erfüllen.
• Die Herausforderer haben eine sehr gute Fähigkeit, Dinge umzusetzen, jedoch
keinen Plan um dauerhaft eine werthaltige Position für neue Kunden einzunehmen.
Häufig nehmen große Lieferanten in gesättigten Märkten diese Position ein, um ihr
Risiko zu minimieren und um zu vermeiden, dass Kundenbeziehungen oder Aktivi-
täten gefährdet werden. In einigen Fällen werden Produkte angeboten, welche sich
am Ende des Produktlebenszyklus befinden. Eine Entwicklung zum Führer kann über
eine Entwicklung der Zukunftsfähigkeit und damit der Vision realisiert werden.
• Visionäre kennen Marktentwicklungen sehr genau, haben jedoch eingeschränkte
Fähigkeiten, eine daraus entwickelte Vision umzusetzen. In Märkten, welche sich
in einem frühen Stadium befinden, ist dieser Status normal, in gesättigten Märkten
reflektiert er die Strategie eines kleineren Lieferanten, der z. B. Innovationen vor dem
generellen Markttrend verkauft. Kunden und Lieferanten der Visionäre haben auf der
einen Seite hohe Risiken und auf der anderen Seite eine hohe Gegenleistung, da die
Visionäre oft neue Technologien, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle anbieten.
Negativ steht dem gegenüber, dass die Visionäre häufig eine geringe finanzielle
Stärke haben. Inwieweit Visionäre Herausforderer oder Führer werden können, hängt
davon ab, ob die neuen Technologien akzeptiert werden und Partnerschaften ent-
wickelt werden können, welche Ihre Stärken vervollständigen. Visionäre haben sich
in der Vergangenheit immer wieder als attraktive Akquisitionsobjekte für Führer oder
Herausforderer herauskristallisiert.
• Nischenanbieter haben eine gute Position in einem bestimmten Segment eines
Marktes oder haben begrenzte Fähigkeiten, Innovationen hervorzubringen oder
Konkurrenten zu übertreffen. Ursache könnte sein, dass sie sich auf bestimmte
Funktionalitäten, Branchen oder Regionen fokussieren. Produkte der Nischenanbieter
haben meistens eine breite Funktionalität, jedoch hat der Anbieter limitierte Support-
Fähigkeiten und eine relativ kleine Kundenbasis. Risiken existieren hinsichtlich der
langfristigen Überlebensfähigkeit dieser Lieferanten.
Kritisch ist diese kommerziell geprägte Matrix im Hinblick auf die Transparenz der
Bewertung und Gewichtung zu sehen. Dies gilt in besonderem Maße für die Vielzahl
von subjektiven Kriterien, welche zur Ermittlung der Dimensionen bewertet werden
müssen.320 Dabei könnten auch Interessenkonflikte eine Rolle spielen. Kleinere Unter-
nehmen werden aufgrund von Mindestumsatzkriterien überhaupt nicht aufgenommen.321
Es existiert keine Anlehnung an ein bestehendes Portfolio, die Differenzierung in
operative und strategische Bereiche ist neu im Bereich der Ansätze zu Beschaffungs-
portfolios. Es werden relativ wenige konkrete Strategien zur Nutzung der heraus-
kristallisierten Positionen gegeben und es existiert keine empirische Fundierung. Die
Konklusion der Bewertung wird in Tab. 5.63 aufgezeigt.
5.29 Nachhaltigkeitsrisiko-Portfolio
Das von Fröhlich et al. (2015) entwickelte Portfolio ist motiviert von der Erkenntnis,
dass Nachhaltigkeitsziele eine hohe Relevanz besitzen, welche jedoch nicht ausreichend
in den existierenden Portfolios berücksichtigt werden322. Beim Nachhaltigkeitsrisiko-
Portfolio wird das Portfolio von Kraljic verwendet323 und erweitert um eine dritte
Dimension, welche die Nachhaltigkeitsrisiken erfasst.324 Basis der Ausarbeitung sind
Expertengespräche mit verschiedenen Unternehmen, wobei ein Schwerpunkt auf die
Chemiebranche gelegt wurde.325
5.29.2 Dimensionen
Lieferantenrisiko / Komplexität
gering hoch
Hebelobjekte Strategische Objekte
Objekt 5
Objekt 6
hoch
Einfluss auf Gewinn
Objekt 1 Objekt 3
Objekt 4 Objekt 7
Objekt 2
gering
5.29.3 Strategieableitung
Der Fokus der Handlungsempfehlungen sollte auf die auf Basis der Kraljic-
Dimensionen als sehr risikoreich charakterisierten Lieferanten gelegt werden.328
Besonders hervorgehoben werden als mögliche Strategien das Multiple Sourcing329
und das Finden von Substitutionsprodukten.330 Spezifisch werden die in Tab. 5.65 auf-
genommenen strategischen Ausrichtungen für die vier Felder vorgeschlagen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Portfolio auf eine relativ einfach
zu realisierende Art das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ in die Betrachtung mit aufnimmt.
Gerade aufgrund des hohen Verbreitungsgrades der Kraljic-Matrix kann mittels des
Ansatzes mit wenig Zeitaufwand die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die
Beschaffungsstrategieauswahl erfolgen. Die vorgeschlagenen Kriterien sind durch-
weg von einer hohen Allgemeingültigkeit geprägt, sodass eine Anwendung in Branchen
außerhalb des Chemiebereiches ohne Probleme möglich sein sollte. Die vorgeschlagenen
Adjustierungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit passen zu den Grundrichtungen, die für
strategische Objekte, Hebelobjekte, unkritische Objekte und Engpassobjekte ursprüng-
lich aufgestellt wurden.
Tab. 5.66 Bewertung – Nachhaltigkeitsrisiko-Portfolio
Fundierung Novitätsgrad Tiefe der abgeleiteten Empirische
Normstrategien Fundierung
Erweiterung des Risikoorientierte Sehr allgemein Verwendung von
Portfolios von Kraljic Integration der Nach- qualitativen Studien
haltigkeit bereits
von Pagell, M./ Wu
Zhaohui/Wassermann,
M. E. (2010) vor-
genommen, bei diesem
Portfolio jedoch als
dritte Dimension
+ (positiv) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel) 0 (kleinere Mängel)
146 5 Vorstellung ausgewählter Beschaffungsportfolios
Die Vorschläge für spezifische Strategien sind auf einem relativ allgemeinen
Niveau. Als empirische Fundierung wurden zumindest qualitative Studien verwendet.
Eine zusammenfassende Bewertung zeigt Tab. 5.66.
331 Vgl. Wildemann (2010): S. 60, Wildemann (1998): S. 31 und Horváth & Partners (2011): S. 13.
332 Vgl. Grosse-Ruyken et al. (2012): S. 25 und Christopher und Peck (2004): S. 12.
333 Vgl. Haywood und Peck (2003): S. 35.
336 Vgl. Grosse-Ruyken et al. (2011): S. 768, Gabath (2010): S. 30, Jüttner (2003): S. 794,
Christopher und Peck (2004): S. 1, Wildemann (1998): S. 33 und Kraljic (1986): S. 73.
337 Vgl. Jonen (2019): S. 921 und Grosse-Ruyken et al. (2012): S. 24.
338 „Supply Chain Risks present the most serious threat to business continuity“. Christopher und
341 Vgl. Wildemann (2009): S. 64 mit Verweis auf Wildemann (1998): S. 15: S. 15.
5.30 Value-Risk-Supply-Portfolio (Wertbeitrags-Supply-Chain-Risiko-Portfolio) 147
Materialstrom
Geldstrom
Das Risikomanagement der Supply Chain leidet immer noch an einer Umsetzungs-
problematik.342 Dies ist auch darauf zurück zu führen, dass zwischen den Mitgliedern
der Supply Chain Informationsasymmetrien existieren, Unternehmen an mehreren
Supply Chains beteiligt sind, die Mitglieder sich unterscheiden in Bezug auf Risiko-
tragfähigkeit und -bereitschaft und teilweise unterschiedliche nationale regulatorische
Anforderungen relevant sind.343 Folge ist, dass ca. die Hälfte der Unternehmen die
Zusammenarbeit mit Lieferanten als nicht erfolgreich einschätzen.344
Die Einordnung der Risiken erfolgt auf Basis einer Analyse der Ursachen (Ausgangs-
faktoren) und Wirkungen (Zieldimension).345 Beim Aufbau von Portfolios hat es sich
als sinnvoll erwiesen, eine strenge Trennung der beiden Achsen vorzunehmen, da auf
diesem Weg eine Überschneidungsfreiheit der Dimensionen garantiert werden kann.
Darüber hinaus ist es aus Sicht der Aufwandssparsamkeit ratsam, eine Ausgestaltung
der Dimensionen auf Basis einer geringen Anzahl von Daten zu realisieren. Wichtigste
Anforderung ist eine möglichst exakte Abbildung der Beschaffungssituation.
Zur kombinierten Betrachtung der Ursachen und Wirkungen innerhalb eines
Portfolios werden die Supply-Chain-Risiken als Ausgangsfaktoren und der Wertbeitrag
des jeweiligen Beschaffungsobjektes als Wirkungsfaktor gegenübergestellt.346 Das
342
Vgl. Grosse-Ruyken et al. (2011): S. 765, Hermann und Schatz (2011): S. 304 und Kajüter
(2015): S. 14, 24. In einer empirischen Untersuchung unter 51 Schweizer Industrieunternehmen
durch Ziegenbein (2007) hatten lediglich 24 % der Unternehmen angegeben, dass sie die Risiken
in der Supply Chain regelmäßig identifizieren, bewerten und steuern. Vgl. Ziegenbein (2007):
S. 35. Haywood und Peck (2003) stellen fest, dass die Techniken zur Lieferantenauswahl und
-bewertung nur in ungenügendem Maße Risikoaspekte beinhalten. Siehe Haywood und Peck
(2003): S. 41.
343 Vgl. Kajüter (2015): S. 16.
345 Vgl. Lingnau und Jonen (2015): S. 324 und Jonen (2008): 11, 33.
5.30.2 Dimensionen
351 Siehe Arning und Lauschke (2021) für ein Berechnungsbeispiel (Arning und Lauschke (2021):
S. 236). Bei komplexeren Zusammenhängen wird eine Ermittlung über Algorithmen empfohlen
(Arning und Lauschke (2021): S. 237).
352 Vgl. Arning und Lauschke (2021): S. 238.
357 Vgl. Jüttner (2003): S. 778, Gabath (2010): S. 19 und Ziegenbein (2007): S. 22.
5.30 Value-Risk-Supply-Portfolio (Wertbeitrags-Supply-Chain-Risiko-Portfolio) 149
• Intern
– Preiserhöhungen
– Qualitätsmängel (z. B. ungenügende Qualitätskontrollen)
– Lieferanteninsolvenz (Bonität)361
– Unregelmäßigkeiten bei Logistik/Transport362 (z. B. Vernichtung Ausgangslager
oder Transportlager)363
– Nachhaltigkeit: ökologische, soziale Ereignisse
– Digitalisierung (z. B. Stabilität der IT-Systeme)
– Schnittstellen (z. B. Kommunikation zu Lager, Kapazität, Transport)364
– Abhängigkeiten (z. B. Wechselkosten, Substitutionsmöglichkeiten)365
• Extern:
– Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik (z. B. Währungskurse)
– Umfeld (politische und soziale Unruhen, Streiks und rechtliche Rahmen-
bedingungen)366
358 In einer Befragung von Ziegenbein (2007) haben „die befragten Unternehmen Risiken für die
Supply Chain vor allem außerhalb ihres Unternehmens bei ihren Lieferanten, z. B. durch ver-
spätete oder ungenügende Produktqualität vom Lieferanten“ wahrgenommen. Ziegenbein (2007):
S. 34.
359 Vgl. Christopher und Peck (2004): 3 f.
360 Siehe Abschn. 5.4 und vgl. Lasch et al. (2015): S. 82, Eberle (2005): S. 72–80, Chopra und
Sodhi (2004): 53, 57 Christopher und Peck (2004): 4 f., Ziegenbein (2007): 23, 28, 37, Jüttner
(2003): 780, 787 f., Hermann und Schatz (2011): S. 303, Grosse-Ruyken et al. (2012): 25 f., Sar-
now und Schröder (2019): 265 f., Kajüter (2015): S. 17, Bayer und Bioly (2014): S. 60 und Menze
(1993): S. 254. Jüttner (2003) schlagen zusätzlich vor Netzwerk-Risikoquellen aufzunehmen.
Darauf wird hier aufgrund der schwierigen Zurechenbarkeit bzw. Differenzierbarkeit zwischen
internen und externen Faktoren verzichtet. Siehe Jüttner (2003): S. 787.
361 Vgl. Statistisches Bundesamt (2021).
362 Vgl. Sarnow und Schröder (2019): S. 261 und Gabath (2010): S. 66.
363 Vgl. Ziegenbein (2007): S. 27. Ziegenbein (2007) nennt diese Risikokategorie „Deliver“-
Risiken. Siehe Ziegenbein (2007): S. 27.
364 Vgl. Ziegenbein (2007): S. 26.
Supply-Chain-Risiko
niedrig hoch
Beschaffungsobjektes
hoch
Wertbeitrag des
Hebel krisch
niedrig
unkrisch Engpass
Abb. 5.37 Wertbeitrags-Supply-Chain-Risiko-Portfolio
– Naturereignisse (z.
B. Überschwemmungen, Erdbeben, extreme Wetter-
bedingungen)
Die Differenzierung nach intern und extern erfolgt aus Sicht der Supply Chain. Das
heißt, dass in der Kategorie „extern“ sämtliche Ursachen zusammengefasst sind, die
sich außerhalb des Einflusses der Elemente der Supply Chain befinden.367
Ein wichtiger Aspekt gerade bei unternehmensübergreifenden Supply Chains sind
die Risikointerdependenzen.368 Hier sollte versucht werden, zumindest beispielhaft
mithilfe von kognitiven Karten eine Abschätzung des Effektes der Interdependenzen zu
erhalten.369
Zusammengefasst werden die beiden Dimensionen in dem Wertbeitrags-Supply-
Chain-Risiko-Portfolio, wie es in Abb. 5.37 gezeigt wird. Dieses zeigt mit dem
Supply-Chain-Risiko die Quelldimension des Risikos und mit dem Wertbeitrag die
Risikofolge.370 Damit kann das Portfolio nicht als reines Lieferanten- oder Objekt-
Portfolio eingeteilt werden, sondern jede Dimension steht für einen der Faktoren:
Sinnvoll ist es, nicht sämtliche Beschaffungsobjekte und damit Lieferanten in das
Portfolio einzuordnen. Vielmehr ist es folgerichtig, ein oder zwei nützliche K.O.-
Kriterien zu definieren, über welche die Menge der zu bearbeitenden Objekte deutlich
reduziert werden kann. Ein solches Kriterium könnte beispielsweise ein Normteil oder
ein ohne große Mehrkosten und Kapazitätsbelastung selber produzierbares Teil sein.
5.30.3 Strategieableitung
Hauptziel des Portfolios ist die Identifikation der kritischen Lieferanten.371 Diese
erfüllen zwei Kriterien: Zum einen repräsentiert das eingekaufte Objekt einen hohen
Wertbeitragsanteil für das Unternehmen und zum anderen gehen von dem Lieferanten
bzw. der damit zusammenhängenden Lieferkette gravierende Risiken aus. Grundsätz-
lich sollte dieser Bereich komplett in die strategische Entscheidungsfindung des Gesamt-
unternehmens integriert sein.372
Ansatzpunkte zur Risikoreduktion sind dabei vorrangig die Vermeidung (z. B.
von geographischen Gebieten), die Erhöhung der Flexibilität373 (z. B. durch Multiple
Sourcing) und die Kontrolle (z. B. durch parallele Prozesse).374 Dabei können die
Maßnahmen nach innen gerichtete Risikoabwehrstrategien sein oder nach außen
gerichtete beschaffungsmarkt-beeinflussende Strategien, sowie Übergangsstrategien.375
Detailliert werden für die kritischen Lieferanten folgende Maßnahmen vorgeschlagen:376
376 Vgl. Grosse-Ruyken, P. T./ Wagner, S. M./ Zaremba (2011): S. 767, Chopra und Sodhi (2004):
S. 59 Kajüter (2015): S. 13, Jüttner (2003): 789 f., Kraljic (1986): 83–55, Sarnow und Schröder
(2019): 262 f. und Grosse-Ruyken et al. (2012): S. 27.
377 Vgl. Haywood und Peck (2003): S. 39.
Dabei existiert nicht der eine Königsweg,388 sondern es muss situationsspezifisch und
vielfach mit einer Kombination der Maßnahmen gearbeitet werden.
Darüber hinaus sind noch drei Kombinationen aus Beschaffungsobjekt und Liefer-
netzwerk389 einsortiert worden. Die empfohlenen Strategien, welche darauf beruhen,
379 Vgl. Christopher und Peck (2004): S. 8 und Jonen und Harbrücker (2019): 11, 49.
380 Vgl. Ziegenbein (2007): S. 61.
381 Vgl. Chopra und Sodhi (2004): S. 54. Als Beispiel für eine Risikostrategie im Bereich der
Lagerhaltung führen Chopra und Sodhi (2004) Die strategische Ölreserve der U.S.A. an. Vgl.
Chopra und Sodhi (2004): S. 58.
382 Vgl. Gabath (2010): S. 69.
Bei der Identifikation und Bewertung der Risiken ist insbesondere in der Supply Chain
der Zielkonflikt zwischen zeitlichem und finanziellem Aufwand der Erhebung auf der
einen Seite und der Genauigkeit auf der anderen Seite im besonderen Maße relevant.
Supply Chain Manager müssen hier die Abwägung zwischen einem ‚Over Management‘
und der Herstellung einer objektiv fundierten Entscheidungssituation treffen.393
Das Modell bezieht sich insbesondere in der Wirkungsebene nur auf die Deckungs-
beitragsverluste und bezieht andere Schadensebenen, die beispielsweise durch die
Behebung von Störungen oder Imageschäden entstehen, nicht mit ein.394
Die Strategien für die vier eingeteilten Gruppen erfolgen ohne eine Kosten-Nutzen-
Abwägung, d. h. es wird beispielsweise nicht einbezogen, welche spezifischen Risiken
bei einer Bestandserhöhung in Bezug auf das Obsoletwerden dieser395 bestehen. Hier
wird es im Hinblick auf diese Maßnahme deutliche Unterschiede bei der Eintrittswahr-
scheinlichkeit geben. Genauso wird keine Kosten-Nutzen-Abwägung bei dem Vorschlag
der Maßnahmen durchgeführt, d. h. es wird nicht einbezogen, welche Versicherungs-
prämien bei der Betriebsunterbrechungsversicherung eingespart werden können396 durch
die Umsetzung von Risikosteuerungsmaßnahmen innerhalb der Supply Chain.
Das Portfolio basiert auf einer breiten Verarbeitung der Erfahrungen der
bestehenden Portfolios. Neu ist der bisher noch nicht erfolgte Einbezug des Wert-
beitrags als eine Portfoliodimension. Die Risiken und auch die Ableitung der Strategien
basiert auf einer breiten Sichtung von entsprechenden Studien. Die Ergebnisse der Ana-
lyse werden in Tab. 5.68 zusammengetragen.
Kritik an Portfolios
6
Ein Kritikpunkt im Hinblick auf die eingehenden Größen ist der alleinige Vergangen-
heitsbezug,3 welcher beinahe4 bei allen verwendeten Dimensionen existiert, sowie
der statische Charakter5. Dadurch werden Entscheidungen für die Zukunft rein auf
statischen Vergangenheitsdaten basierend getroffen.6 Das jeweilige Portfolio ist nur
4 Eine Ausnahme stellt beispielsweise Gartners Magischer Quadrant dar (siehe Abschn. 5.28).
6 Vgl. Heege (1981): S. 23, Heege (1987): S. 96, Harting (1994): S. 44 und Roland (1993): S. 132.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein 157
Teil von Springer Nature 2023
A. Jonen, Beschaffungsportfolios, https://doi.org/10.1007/978-3-658-39924-5_6
158 6 Kritik an Portfolios
eine Momentaufnahme,7 welche bei der Erstellung schon nicht mehr aktuell ist. Auf
der anderen Seite wird für die Zukunftsdaten das Problem gesehen, dass hier Prognosen
beispielsweise über das Verhalten der Konkurrenz einbezogen werden müssten und das
diese Daten auf Basis einer eigenen Strategie ausgewählt werden sowie durch die von
dem Portfolio empfohlenen Strategie, möglicherweise verändert werden und somit eine
neue Prognose und eine neue Einordnung zu erfolgen hat.8
Die Schwachstellen der Konzepte liegen bei der subjektiven, teilweise willkür-
lichen, von persönlichen Interessen geprägten9 und/oder unpräzisen Festlegung der
qualitativen Kriterien und der Auswahl der Klassifikationsmerkmale.10 Dadurch werden
wichtige Größen überhaupt nicht berücksichtigt oder vernachlässigt.11 Problematisch ist
dies insbesondere aufgrund des präskriptiven Charakters der Portfolios im Hinblick auf
die aus den Kriterien abgeleiteten Strategieempfehlungen.12
Auch die Auswahl einer Strategie oder die Bestimmung einer strategischen Position
auf Basis von lediglich zwei Grundfaktoren (Zweidimensionalität) ist als problematisch
einzuschätzen.13 Es besteht die Gefahr, dass Faktoren, die für die Bestimmung der
strategischen Position auch von hoher Relevanz sind, nicht beachtet werden.14 Lösungs-
ansatz ist hier, mehrere Faktoren in den Dimensionen zu aggregieren. Auf diesem Weg
kann jeder relevante Faktor seinen Beitrag zur Positionierung leisten.
Die Regeln zur Aggregation bzw. Synthese von qualitativen und quantitativen
Werten sind generell angreifbar.15 Dies ist insbesondere an der Gewichtung festzu-
machen,16 bei der teilweise eine Beliebigkeit festgestellt wird.17 Eine Gleichgewichtung
10 Vgl. Padhi et al. (2012): 2, 7, Thiemt (2003): S. 201 Hopfenbeck (2002): S. 622, Schneider
(2005): S. 149, Janker und Janker (2008): S. 135, Wildemann (2009): S. 110, Lindner (1983):
S. 277, Rezaei und Ortt (2012): 4593 f., Bräklingi et al. (2012): 48, 59, 67, Roland (1993): 132,
144, Heege (1981): S. 23, Nellore und Söderquist (2000): S. 246, Stölzle und Kirst (2006): S. 249
und Montgomeryi et al. (2018): 192, 194.
11 Vgl. Harting (1994): S. 36. Menze (1993) empfiehlt zur Reduktion dieser Kritik auf die Delphi-
13 Vgl. Glantschnig (1994): S. 41, Hopfenbeck (2002): S. 622 und Arnolds et al. (2016): S. 35.
15 Vgl. Voigt (2008): S. 215, Lee und Drake (2010): S. 6655 und Arnolds et al. (2016): S. 35.
16 Vgl. Padhii et al. (2012): S. 1, Montgomeryi et al. (2018): S. 192, Schneider (2005): S. 250 und
18 Ausnahmen sind die Vorschläge von Heege (1981) und Lindner (1983), welche eine
differenzierte Gewichtung der Einflussfaktoren vornehmen. Siehe Heege (1981): 18 f. und Lindner
(1983): 268 f.
19 Vgl. Heege (1981): S. 19 und Thiemt (2003): S. 202.
20 Vgl. Montgomeryi et al. (2018): 194 f. Kligge (1992) verteidigt die Anwendung einer Gleich-
gewichtung mit einer Scheingenauigkeit, die entstehen würde, wenn man detaillierte Gewichtungs-
faktoren ermitteln würde. Vgl. Kligge (1992): S. 170.
21 Vgl. Götze und Rudolph (1994): S. 41 und Heege (1987): S. 95.
24 Vgl. Roland (1993): S. 131, Thiemt (2003): S. 203, Hopfenbeck (2002): S. 622, Robens (1985):
S. 199, Szyperski und Winand (1978): S. 132, Hubmann und Barth (1990): S. 32 und Bräklingi
et al. (2012): S. 32.
25 Vgl. Gelderman und van Weele (2005): 19, 21.
26 Vgl. Heß (2010): 36 f., Lange (1981): S. 164 und Heege (1981): S. 23.
27 Vgl. Olsen und Ellram (1997): S. 102 und Heege (1987): S. 95.
29 Vgl. Wildemann (2009): S. 109. Robens (1985) verwendet den Begriff „Denkschemata“. Robens
(1985): S. 192.
30 Vgl. Bräklingi et al. (2012): S. 71.
160 6 Kritik an Portfolios
sichtlich ist.31 Für die interessanten Mischbereiche werden dann die selektiven Strategien
angegeben32, welche das Problem, dass für die Zwischenbereiche keine Strategievor-
schläge existieren, lediglich kaschieren.33
Bei den risikoorientierten Portfolios ist zu beachten, dass die vollständige Abdeckung
der Information nur gegeben ist, wenn Risiken vorliegen, die binomialverteilt sind. Bei
den normalverteilten Risiken, bei denen das Risiko in unterschiedlichem Maß auftreten
kann gilt dieses jedoch nicht, sodass bei der Einordnung wesentliche Informationen
fehlen.34
Teilweise wird der hohe Zeit- und Kostenaufwand kritisiert, welcher im Hinblick auf
die Sammlung der Informationen entsteht.35 Es wird von einem Missverhältnis zwischen
dem Aufwand für die Informationsbeschaffung und der Aussagefähigkeit der Portfolios
gesprochen.36 Die notwendigen externen Daten können häufig nur von den wichtigsten
Lieferanten beschafft werden37 und selbst hier besteht eine hohe Gefahr, dass diese
nicht korrekt sind. Die Datenlage wird noch unsicherer, wenn nicht aktuelle Lieferanten,
sondern potenzielle Lieferanten bewertet werden sollen.38 Dieser Problembereich wird
in besonderem Maße für kleine und mittelständische Unternehmen gesehen.39 Eine
Reduktion der Bewertungsobjekte im Vorfeld kann keine Lösung dieses Problembereichs
sein, da die Bedeutung der Objekte erst durch die Anwendung des Instrumentes offen-
sichtlich wird und somit das Potenzial der Methode nur in Ansätzen ausgenutzt wird.40
Das originäre Hauptziel der Portfoliomethode bzw. der Grundgedanke der Portfolio-
theorie, nämlich das Erreichen eines ausgewogenen Portfolios,41 wird an sich bei allen
Ansätzen im Beschaffungsbereich nicht angestrebt, bzw. kann nicht angestrebt werden,
37 Vgl. Heege (1981): S. 22, Körfer (2011): S. 61 und Arnolds et al. (2016): S. 35.
44 Vgl. Roland (1993): S. 131, Thiemt (2003): S. 201, Dubois und Pedersen (2002): S. 40 und
Drews (2013): S. 76.
45 Vgl. Heege (1987): S. 16.
47 Vgl. Drews (2013): S. 78, Thiemt (2003): S. 203, Homburg (2002): S. 196, Ullmann und Siejek
50 Vgl. Heege (1981): S. 19 und Gelderman und van Weele (2005): S. 19.
52 Vgl. Voigt (2008): S. 215 und Drews (2013): S. 77. Diese Kritik wird so auch für produkt- oder
Tab. 6.1 (Fortsetzung)
# Bereich Thema Kritik Beschreibung
14 Strategien Fehlende Strategien können aufgrund der
Problemadäquanz Multifaktorialität der Einflussfaktoren
kontraindiziert sein
15 Ein-Faktor- Dimensionen, welche lediglich auf
Dimensionen einem Faktor basieren, führen dazu,
dass notwendige weitere Aspekte bei
Strategieempfehlung nicht berück-
sichtigt werden
16 Interdependenzen Zusammenhänge zwischen Strategien
nicht berück- werden nicht mit einbezogen
sichtigt
17 Mischstrategien Fälle in denen eine Mischung aus
finden keine Strategien (z. B. unterschiedliche Ver-
Berücksichtigung tragsformen) sinnvoll sind, werden nicht
einbezogen
18 Dynamik Portfolios berücksichtigen nicht die
unbeachtet Reaktionen der Marktteilnehmer
19 Mangelnde In sehr seltenen Fällen wurde in
empirische der Realität überprüft, ob vor-
Fundierung geschlagene Strategien bei jeweiligen
Konstellationen der Einflussfaktoren
zum Erfolg führen
20 Strategien zu Strategien haben unabhängig von den
wenig von- analysierten Einflussfaktoren sehr große
einander Ähnlichkeiten
differenzierbar
kann ausgeweitet werden auf das gesamte Netzwerk, welches Kunden und Lieferanten-
beziehungen umfasst.56 Die isolierte Betrachtung der Beziehung als einer Dyade
zwischen Einkäufer und Lieferant entspricht nicht den netzwerkartigen Verflechtungen in
der Realität.57
Neben den Interdependenzen sind die Abgrenzungen der Objekte auch unklar. Die
in den Artikeln zu den Portfolios herangezogene Analyseebene des einzelnen Artikels
wird bei einer durchschnittlichen Artikelzahl von 100.000 ein völlig unüberschaubares
Portfolio ergeben. Deswegen kommt immer wieder der Hinweis Gruppen zu bilden, was
mit entsprechenden Problemen verbunden ist, da für eine mit hoher Wahrscheinlich-
keit nicht komplett homogene Gruppe eine gemeinsame Strategie gefunden werden
muss. Weitere Probleme sind zu identifizieren für Materialen, die bei verschiedenen
56 Vgl. Dubois und Pedersen (2002): S. 37 und Christopher und Peck (2004): S. 2.
57 Vgl. Dubois und Pedersen (2002): 37 f. und Hubmann und Barth (1990): S. 32.
164 6 Kritik an Portfolios
Lieferanten eingekauft werden. Auch hier weichen die Autoren dieser Fragestellung
elegant aus.
Die Problemadäquanz der Beschaffungsportfolioansätze muss infrage gestellt
werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass eine Vielzahl von heterogenen Einfluss-
faktoren verwendet werden, um mehrere heterogene Maßnahmen daraus abzuleiten.
Dies lässt sich an dem Einzelkriterium „Störanfälligkeit der Transportwege“ erklären.
Dieses bildet gemeinsam mit einer Reihe von anderen Kriterien die Einordnung hin-
sichtlich des externen Versorgungsrisikos im ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio.58 Wenn
das gesamte externe Versorgungsrisiko gering ist, so ist eine Empfehlung, die Kosten
der Raum- und Zeitüberbrückung zwischen Abnehmer und Lieferanten zu minimieren.
Dies wäre jedoch kontraindiziert, insofern ein erhöhtes Risiko bei den Transportwegen
besteht.59 Durch die Heterogenität der Dimensionen kann die Situation auftreten, dass
Objekte, bei denen sich die Ausprägung der einzelnen Einflussfaktoren stark unter-
scheidet, trotzdem in einem gemeinsamen Bereich der Matrix eingeordnet und in der
Folge gleiche Strategievorschläge gemacht werden. Deren Erfolgswirksamkeit ist mit
Blick auf die Herleitung deutlich zu hinterfragen.
Es ist auf der anderen Seite auch keine Lösung, Dimensionen auf lediglich einem
Faktor basieren zu lassen. Dadurch gelingt zwar eine Reduktion der Komplexität auf der
Ebene der Einflussgrößen,60 jedoch lassen sich die Entscheidungen hinsichtlich spezi-
fischer Strategien auf Basis der Portfolios oft nicht unabhängig von weiteren Aspekten
treffen, welches wieder für Multi-Faktoren-basierte Dimensionen spricht.61 Aufgrund der
häufigen Fehlbewertungen (z. B. Überscheidungen der Kriterien) sieht Robens (1985)
den „Informationswert einer Portfolio-Analyse auf […] Basis [der] multifaktoriellen
Beurteilungsgrößen […] zweifelhafter als [...bei…] Verfahren mit eindimensionalen
Beurteilungskriterien.“62
Ein weiterer Kritikpunkt an den Portfolios ist, dass nicht mit einbezogen wird, dass
für ein einzelnes Produkt durchaus unterschiedliche Beschaffungsstrategien sinn-
voll sein können. Zum Beispiel heißt dies, dass die beste Lösung im Hinblick auf eine
Balance zwischen Flexibilität und Kosten eine Mischung aus Langzeitverträgen,
Optionsvertrag und Spotmarkt sein kann.63
Neben dem negieren der Interdependenzen werden auch dynamische Entwicklungen
nicht beachtet. Dies bezieht sich auf die Reaktionsmöglichkeiten der Konkurrenz, spezi-
fischer Lieferanten oder des gesamten Marktes.64
65 Vgl. Rezaei und Ortt (2012): S. 4595 und Wildemann (2009): S. 89.
66 „Die Entwicklung von Typen ohne empirische Relevanz ist allerdings selten das Ziel betriebs-
wirtschaftlicher Untersuchungen.“ Lieberum (1999): S. 140.
67 Vgl. Terpendi et al. (2011): S. 73, Drews (2018): S. 38, Hopfenbeck (2002): S. 623 und Lee
und Drake (2010): S. 6655. Für Beispiele der empirischen Validierung bei der BCG-Matrix siehe
Drews (2008): S. 46. Hier konnte bezüglich der BCG-Matrix festgestellt werden, „dass es keine
empirische Studie gibt, welche eine positive Wirkung des Einsatzes des originären BCG-Portfolios
auf die Entscheidungsqualität belegt.“ Drews (2008): S. 46.
68 Vgl. Drews (2008): S. 55, Slater und Zwirlein (1992): 717 ff. und Pick und Sträter (2005),
welche auf Basis eines fiktiven Fallbeispiels für junge Technologieunternehmen zeigen, welche
nachteiligen Auswirkungen die Anwendung des McKinsey-Portfolios hat. Siehe Pick und Sträter
(2005): S. 183.
69 Vgl. Terpendi et al. (2011): S. 85.
74 Diese große Ähnlichkeit konstatieren Szyperski und Winand (1978) Auch für die BCG-Matrix
und die General Electric-Matrix. Siehe Szyperski und Winand (1978): S. 128.
166 6 Kritik an Portfolios
die gesamte Kritik in Tab. 6.1 zusammengefasst. Problematisch ist dabei, dass „viele der
Mängel [zusammenhängen] und [sich] gegenseitig […] potenzieren“75.
Fazit der kritischen Auseinandersetzung mit den Beschaffungsportfolio-Ansätzen
ist, dass diese ein hilfreiches Instrument zur Beschreibung einer Beschaffungssituation
und zur Vororientierung (Schwerpunkte und Prioritäten) für die Selektion von
Strategien bilden können.76 Sie haben sich bewährt in der Aufdeckung von strategischen
Inkonsistenzen oder dem Aufdecken von bisher nicht beachteten Bereichen77 und ins-
besondere Risiken78. Dabei sind sie geprägt von einer leichten Handhabung79 und
aufgrund der Komplexitätsreduktion80 von einem einfachen und anschaulichen Ergeb-
nis,81 welches sehr gut als Basis für Diskussionen verwendet werden kann.82 Es sollte
jedoch nicht erwartet werden, dass der Output der Modelle eine detaillierte Strategie mit
konkreten Umsetzungsempfehlungen ist und man sollte eine intensive Reflektion der
Ergebnisse walten lassen.83 Hierzu sollte die kritische Sicht auf die unterschiedlichen
Fehlerquellen sensibilisiert haben.84
Die Analyse der bestehenden Beschaffungsportfolios hat ergeben, dass eine Viel-
zahl von verschiedenartig ausgeprägten Portfolios vorzufinden ist. Deswegen sollte
die Zielsetzung sein, dass für die jeweilige Situation am besten geeignete zu finden.85
Auf diesem Weg können die kritischen Sachverhalte der Portfolios reduziert, bzw. aus-
geschlossen werden, insofern diese bei der spezifischen Anwendung von besonderer
Relevanz sind. Damit wird ein Zusammenhang zwischen Kontextfaktoren86 und Aus-
gestaltungsformen der Beschaffungsportfolios hergestellt.
79 Vgl. Heege (1987): S. 93 und Hubmann und Barth (1990): S. 27.
81 Vgl. Heege (1981): S. 22, Thiemt (2003): S. 205 Lieberum (1999): S. 64 und Heege (1987):
S. 93.
82 Vgl. Götze und Rudolph (1994): S. 44, Roland (1993): S. 144.
Die Analyse der bestehenden Portfolios lieferte als Ergebnis einen Pool von Rahmen-
faktoren, welche abhängig von der Situation die Beschaffungsaktivitäten determinieren
können.1 Zielsetzung des generischen Referenzmodells ist eine Struktur anzubieten,
nach der es möglich ist, ein Beschaffungsportfolio für spezifische Anwendungs-
situationen2 und damit kriterienbasiert auszuwählen.3 Grundannahme ist dabei, dass
abhängig von der Situation und der daraus resultierenden Aufgabenstellung bestimmte
Merkmale wichtiger bzw. weniger wichtiger sind.4
Die Bildung eines Referenzmodells ist im Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen
Forschungsmethoden der Morphologie zuzuordnen. Das Modell liefert das Ergeb-
nis einer Klassifizierung der Phänomene in dem Feld der Beschaffungsportfolios.5 Das
grundsätzliche Vorgehen dazu wird in Abb. 7.1 gezeigt.
Die Auswahl eines geeigneten Portfolios sollte auf Basis der Analyse der bestehenden
Portfolios anhand der vier Ausprägungseigenschaften Analysethema, Beurteilungs-
ziel bzw. Dimensionen, Datensituation und Ergebnis, also die abgeleiteten Strategien
erfolgen.6
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168 7 Referenzmodell zur Auswahl …
Analysesituaon Beschaffungs-
Zusammenhänge
porolios
Beschreibung /
Beschreibung / Transmissions- Klassifikaon der
Klassifikaon der mechanismen Beschaffungs-
Analysesituaon
porolios
7
Die Situation hinsichtlich der Themen und der daraus abgeleiteten Dimensionen wird damit
gegensätzlich zu Sonnenberg (1996) so eingeschätzt, dass keine wesentliche Übereinstimmung
bei den durch die Beschaffungsportfolios behandelten Themen existiert. Siehe Sonnenberg
(1996): S. 57. Dabei gibt es durchaus Portfolios, die eine große Verwandtschaft aufzeigen, jedoch
sind auch eine Reihe von Portfolios zu identifizieren, die bedeutende Weiterentwicklungen,
differenzierte Herangehensweisen und insbesondere auch thematisch deutliche Differenzierungen
aufweisen.
8 Eberle (2005) Entwickelt eine ähnliche Struktur für die Betrachtung von „Beschaffungs-
konstellationen“. Eberle (2005): S. 67.
9 Siehe Abschn. 5.21.
11 Lieberum (1999) nimmt neben der Unterteilung in unternehmensinterne und -externe Merkmale
die Unterscheidung in produktimmanente Merkmale auf. Vgl. Lieberum (1999): S. 71. Diese
werden in der hier vorgenommenen Differenzierung unter die internen Merkmale subsumiert, da
die Entscheidung für die Materialien im Unternehmen verortet wird.
7 Referenzmodell zur Auswahl … 169
das Portfolio benötigt werden, da sich beispielsweise eine Dimension lediglich auf Basis
des Beschaffungsvolumens berechnet (mono-kriteriell), bis hin zu Portfolios, bei denen
beide Dimensionen jeweils aus einem Scoring-Wert (multi-kriteriell) bestehen, der sich
aus einer Vielzahl von Daten rekrutiert. Auf diesem Weg werden bei der Auswahl auch
die Informationskosten, also die Wirtschaftlichkeit der „Befüllung“ des Modells14 ein-
bezogen, welche sich aus pagatorischen Kosten und Opportunitätskosten (Einsatz von
Zeit des Informationsaufbereiters) zusammensetzen.15
Auch das angestrebte Ergebnis stellt ein Kontinuum dar. Hier ist die Frage, ob
lediglich eine Grobrichtung erwartet wird, sodass es ausreicht, wenn das Portfolio drei
oder vier Normstrategien enthält, oder ob ein hoher Differenzierungsgrad erwartet
wird, welcher sich in einer hohen Zahl von unterschiedlichen Strategien, welche im
ausgeprägtesten Ausmaß den Status einer Maßnahme haben, niederschlägt. Quanti-
fiziert werden kann dies anhand der Anzahl der durch das Portfolio generierten Norm-
strategien.16
Tab. 7.1 zeigt das Modell mit den vier Auswahlbereichen und den Ausprägungs-
kriterien.
Grundsätzlich ist es bei allen Portfolios möglich, mehrere Zeithorizonte zu
integrieren. Ausgangspunkt ist die Erhebung der Ist-Situation. Zusätzlich kann ein
Soll- und Plan-Portfolio aufgestellt werden. Die Soll-Position im Portfolio enthält die
12 Spalten des Modells weisen außer bei Beurteilungsziel und Dimensionen über die Zeilen hinweg
keinen Zusammenhang auf.
13 In Klammern gesetzt, da realiter nicht existent.
15 Vgl. Laux et al. (2018): 356, 358, 368, 611. Zum Zirkularitätsproblem bei der Berechnung der
Werte, die im Idealfall erreicht werden sollen. Die Plan-Position ist die Position, die ent-
sprechend des Budgets eingeplant ist.
Generell kann bei der Auswahl der Beschaffungsportfolios der Filter der
empirischen Validierung verwendet werden. Damit würden rein auf Erfahrungen oder
sachlogischen Ableitungen basierende Portfolios ausgeschlossen werden. Problematisch
könnte dabei eine zu starke Einengung der Auswahl sein,17 sodass die gewünschte Aus-
prägung hinsichtlich Analysethema, Beurteilungsziel, Datensituation oder Ergebnis nicht
mehr im Auswahlbereich liegt.
Bei einer beispielhaften Anwendung des Auswahlmodells stehen folgende
Portfolios im Fokus, wenn die Zielsetzung ‚generell‘ sein soll, das Beurteilungsziel
die ‚Lieferanten‘ sind und hierfür eine ‚umfangreiche strukturierte Datenlage‘ existiert
und möglichst ‚ausdifferenzierte Maßnahmen‘ abgeleitet werden sollen: Lieferanten-
Abnehmer-Marktmacht-Portfolio18 und mit Einschränkungen das Beschaffungsquellen-
portfolio19.
Ein weiteres Merkmal zur Differenzierung der Portfolios kann der Grad der
Objektivierbarkeit der eingehenden Größen sein. Beispielsweise wird dies für die BCG-
Matrix als „gut“20 eingeschätzt.
17
Letztendlich weisen lediglich 3 der 28 analysierten Portfolios (X %) eine vollständige
empirische Validierung auf. Weitere 7 (28 %) weisen zumindest teilweise (häufig über Fallstudien)
eine Validierung auf.
18 Siehe Abschn. 5.1.
1 Siehe Drews (2008): S. 54 und Armstrong und Brodie (1994): 83 f.
2 Vgl. Lindner (1983): S. 218–220.
3 Friedl (1990) Stellte in einer empirischen Untersuchung fest, dass lediglich ein geringer Teil der
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172 8 Wege zur Optimierung der Verwendung von Portfolios
spezifischen Güter erfolgen, welche üblicherweise nur von einer geringen Zahl von
Anbietern bezogen werden können und hohe Transaktionskosten verursachen. Damit
könnte ein sinnvolles Unterscheidungskriterium der Standardisierungsgrad sein.6 Die
Vereinfachung über die Aggregation beeinflusst jedoch die Ergebnisse der Portfolioana-
lyse in hohem Maß,7 sodass hier mit großer Vorsicht vorgegangen werden muss.
Zur Reduktion der Subjektivität bei der Bewertung wird empfohlen, aus Akzeptanz-
gründen mehrere Experten hinsichtlich ihrer Einschätzung zu befragen. Hier entsteht auf
der anderen Seite das Problem des Trends zur Mitte, d. h. dass bei der Bewertung im
Team häufig eine Tendenz zum Ausgleich der Extrempositionen auftreten, sodass eine
mittlere Einstufung als Ergebnis resultiert.8
Verwendung einer differenzierten Skala zur Erhebung der Faktorbewertung. Dabei
ist die Abwägung zu treffen zwischen der Ungenauigkeit einer Dreier-Skala (1: niedrig,
2: mittel, 3: hoch) und der möglichen Scheingenauigkeit beispielsweise einer 10er-Skala
(1: keine, 2: extrem niedrig, 3: sehr niedrig, 4: niedrig, 5: gering mittel, 6: mittel, 7: hoch
mittel, 8: hoch, 9: sehr hoch, 10: extrem hoch)9.
Aufbauend auf der differenzierten Skala können in der Matrix die Strategie-
ableitungen stärker spezialisiert werden. So kann über die Verwendung einer
3X3-Matrix statt der Standard-2X2-Matrix10, eine höhere Treffgenauigkeit bzw.
Differenzierung der Normstrategie ermöglicht werden.11 Dabei ist es auch möglich,
lediglich eine der Dimensionen in drei Felder zu teilen (z. B. schlechter, gleich, besser)
und die andere in zwei (niedrig, hoch).12
Das Problem, dass die Strategieempfehlungen zu generell sind, indem beinahe schon
zwangsläufig eine Kombination von Strategieoptionen vorgeschlagen wird,13 kann über
eine Einzelbetrachtung der Einflussfaktoren in einem zweiten, detaillierten Analyse-
schritt begegnet werden. Dazu werden problemadäquate Gruppen von Einflussfaktoren
für die einzelnen Strategietypen vorgeschlagen, welche aufeinander abgestimmt oder
sogar simultan und nicht als zusammengefasste Größe betrachtet werden. Die wesent-
lichen Faktoren werden geordnet nach den vier Gruppen (Objekt, Abnehmer, Lieferant
und Markt) und für fünf wesentliche Strategiefelder dargestellt, wie in Tab. 8.1 auf-
gezeigt wird.
11 Vgl. Olsen und Ellram (1997): S. 107. Teilweise werden auch 16-elementige Portfolio-Typo-
logien vorgeschlagen. Vgl. Bräkling et al. (2012): S. 7.
12 Vgl. Riemer (2008): S. 15.
Tab. 8.1
Wesentliche Einflussgrößen in Abhängigkeit von Strategieoptionen. (Quelle: In
Anlehnung an Roland (1993): 149 f.)
Einflussfaktoren/ Objekt- Abnehmer- Lieferantenorientiert Marktorientiert
Strategien orientiert orientiert
Logistikstrategien ABC/XYZ- Lager- Mengen-, Termin- und Möglichkeit
Analyse kapazitäten / Qualitätstreue Einbeziehung
Transportfähig- -bedingungen Spediteure und
keit/Haltbarkeit Fehlmengen- Kooperationsbereitschaft logistische
kosten Dienstleister
Volumen
Entwicklungs- Schwierigkeits- Fähigkeiten/ Koordinationsaufwand
strategien grad Kapazitäten
Spezifität im Bereich
technisches Forschung und
Wissen Entwicklung
niedrig hoch
Stärke des Lieferanten
hoch
T2
T1
T3
niedrig
Schwierigkeit
Management
Beschaffungssituaon
Beschaffungsmarkt-
Produktcharakteriska Umweltbedingungen
charakteriska
24 Vgl. Khan und Ali (2020): 369 ff., Lee und Drake (2010): 6663 f. und Nydick und Hill, R. P.
(1992): S. 33–35.
176 8 Wege zur Optimierung der Verwendung von Portfolios
zumindest eine Intersubjektivität herzustellen.25 Diese Vorteile des AHP und zusätzlich
verbesserte Ergebnisse hinsichtlich der relevanten Performance-Maße (z. B. Konsistenz)
bietet die Best–worst-Methode [BWM].26 Um zusätzlich auch die Interdependenzen
zwischen den Kriterien einzubeziehen, bietet sich der ANP an.27 Hierbei kann durchaus
für die gewählten Dimensionen jeweils ein separates ANP-Modell umgesetzt werden.28
Zur Begegnung der Kritik an der Zweidimensionalität können weitere Dimensionen
hinzugenommen werden.29 Kumar et al. (2015) haben ein Modell mit drei Dimensionen
(strategische Intention des Einkaufs, Struktur Beschaffungsmarkt und Beziehung
zwischen Einkäufer und Lieferant)30 entworfen, aus dem Sie vier Strategietypen
(strategischer Einkauf, gefangener Einkäufer, nichtkritischer Einkauf und gegnerischer
Einkauf)31 herausgearbeitet haben. Auch Lieberum (1999) entwickelte Typologien im
dreidimensionalen Raum und macht unterschiedliche Vorschläge für die Kombination
der Dimensionen. Zum Beispiel leitet er Beschaffungsstrategien auf Basis der
Individualität des Beschaffungsobjektes, der Marktseitenverhältnisse32 und der Homo-
genität des Beschaffungsbedarfes ab.33 Hierbei wird jedoch schnell deutlich, dass die
Vorteile der aufwandsarmen Visualisierung und damit die Transparenz der Strategieent-
scheidung verloren gehen aufgrund der zusätzlichen Komplexität solcher Konstrukte.34
Diese Situation, bei der die Verbesserung eines Kritikpunktes zu einer Ver-
schlechterung eines anderen Aspektes führt, ist auch bei der Forderung nach dem Ein-
bezug einer größeren Anzahl von Kriterien festzustellen. Dies wird deutlich bei den
Portfolios, welche als Kombination zweier Portfolios auftreten.35 Die Kritik der
möglichen Missachtung relevanter Kriterien kann durch die Verbindung von zwei
Portfolios und der darin enthaltenen Kriterien geheilt werden, jedoch hat das Vor-
gehen zur Konsequenz, dass die Anzahl der verarbeiteten Bewertungsvariablen stark
ansteigt und auch die Strategievielfalt sich quadriert,36 sodass das Ziel der einfachen
25 Für eine Zusammenfassung der Kritik am AHP im Zusammenhang mit der Anwendung bei der
Lieferantenbewertung siehe Montgomery et al. (2018): S. 195.
26 Vgl. Rezaei (2015): S. 49.
34 Vgl. Rezaei und Ortt (2012): S. 4596 und Thiemt (2003): S. 210.
37 Vgl. Hopfenbeck (2002): S. 614 und Szyperski und Winand (1978): S. 126.
38 Siehe Materialkosten-Senkungspotenzial-Portfolio (Abschn. 5.6).
39 Vgl. Bräkling et al. (2012): S. 15 und Hubmann und Barth (1990): S. 29.
der anderen Seite nimmt aber die innere Homogenität der Objekte ab.43 Hier muss eine
Abwägungsentscheidung zwischen diesen Effekten vorgenommen werden.
Tab. 8.2 zeigt eine Zusammenfassung der Ansatzpunkte zur Reduktion der Kritik
an den Beschaffungsportfolios. Dabei werden die Ansatzpunkte unterteilt nach
verfahrensmäßigen Aspekten, welche die Informationsbeschaffung und Bewertung
betreffen und den inhaltlichen Aspekten, welche zu einer strukturellen Änderung der
Portfolios führen.44
Offen sind aus der kritischen Betrachtung dabei noch folgende Punkte:
Hier kann dann über die Auswahl der Beschaffungsportfolios eine Reduktion erreicht
werden (z. B. Auswahl eines Portfolios, welches eine empirische Validierung besitzt)
oder der Mangel muss bei der Anwendung der Portfolio-Methode akzeptiert werden
(kein ausgewogenes Portfolio, Unabhängigkeit der Dimensionen nicht gewährleistet).
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Portfolios einen wertvollen Bezugs-
rahmen darstellen, um strategische Richtungen für die Beschaffung herauszuarbeiten.1
Die mittlerweile hohe Anzahl an Beschaffungsportfolios hat für eine breite Abdeckung
möglicher Anwendungsbereiche gesorgt.2 Als wesentliche Aspekte für die Portfolios
können die Machtkonstellation (Betrachtung von Märkten und Lieferanten) und das Risiko
zwischen Abnehmer und Lieferant aus dem Überblick der Portfolios herausgearbeitet
werden.3 Darauf basierend liegt der Schwerpunkt der abgeleiteten Normstrategien auf
der Wirtschaftlichkeit und der Risikoreduktion.4 Entweder ist die Empfehlung, dabei eine
hervorragende Situation zu halten bzw. auszunutzen oder, wenn die Situation Mängel
aufweist, Anstrengungen zu unternehmen, um durch entsprechende Aktivitäten die Ideal-
position schrittweise zu erreichen. In der Anwendung ist zu beachten, dass die Schemata
nicht als Katechismen, sondern lediglich als Denkanstöße verwendet werden sollten.5
Einem Unternehmen kann nicht ein bestimmtes Beschaffungsportfolio als besonders
relevant empfohlen werden, sondern dies ist von unterschiedlichen situativen Faktoren
abhängig.6 Zunächst ist klarzustellen, ob eine Konzentration auf einen bestimmten
Strategieaspekt erfolgen (z. B. Nachhaltigkeit, logistische Fragestellungen oder Single
versus Multiple Sourcing) oder auf ein Bündel von Maßnahmen abgezielt werden soll.7
5 Vgl. Szyperski und Winand (1978): S. 132 und Drews (2013): S. 78.
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184 9 Fazit
Weitere wichtige situative Faktoren sind das Analysethema, das Beurteilungsziel und die
Ausgangslage hinsichtlich der Information. Abhängig davon sollte das Beschaffungs-
portfolio ausgesucht bzw. die Dimensionen des Portfolios gestaltet werden. Hier-
bei besteht durchaus die Möglichkeit, die Ausgestaltungsmerkmale der existierenden
Beschaffungsportfolios als Grundlage eines Baukastensystems zu verwenden und im
Sinne eines situationsadäquaten „Best-of“-Modells eine entsprechende Zusammen-
stellung von Dimensionen, Strategien und Darstellung zu erstellen. Wesentlicher zu
lösender Problempunkt dabei wäre die bereits bei einer Reihe von Modellen kritisierte
empirische Fundierung der Verknüpfung von Einflussfaktoren und Normstrategien.
Außerdem muss auf Basis der unterschiedlichen Kritik8 bei der Interpretation immer
ein Bewusstsein für die Grenzen der Methodik mit einbezogen werden. Damit sind die
Portfolios ein Instrument, welches Orientierung geben kann,9 jedoch nicht isoliert als
alleinige Entscheidungsgrundlage eingesetzt werden sollte. Im Sinne einer Instrumenten-
kette10 können Daten, die durch andere Methoden zu Informationen verarbeitet wurden,
Eingang in die Portfolio-Analyse finden (z. B. Beschaffungsmarktsegmentierung11) oder
die Ergebnisse Ausgangpunkt für andere Beschaffungscontrollinginstrumente sein (z. B.
Statusanalyse12 oder Wirkungs-Potenzial-Matrix13).
Der Kritik kann außerdem mit unterschiedlichen Adjustierungen an den bestehenden
Modellen begegnet werden. Ein Ansatz zur Spezifikation der abgeleiteten Strategien ist
eine Spezifikation für die Einzelbereiche Logistik14, Entwicklung, Komplett-/Einzel-
teilbezug, Zahl der Lieferanten und Vertragsgestaltung (z. B. Preisgleitklause, Ver-
tragsdauer).15 Der Kritik im Hinblick auf die Aggregation und speziell der Gewichtung
kann mithilfe einer Erweiterung mit dem Analytical Network Process entgegengetreten
werden.16 Auf diesem Weg könnten zusätzlich auch die Interdependenzen zwischen den
Kriterien erhoben und einbezogen werden.
Ein großer Mangel bezüglich der Beschaffungsportfolios und damit ein wichtiges
Feld für weitere Forschung liegt bei der bisher teilweise sehr geringen empirischen
Analyse auf allgemeiner, wie auch auf portfoliospezifischer Ebene. Dies betrifft zum
einen die Frage, inwieweit ein Beschaffungsbereich durch die Anwendung eines
bestimmten Portfolios bzw. der dadurch abgeleiteten Strategien besonders erfolgreich
8 Siehe Kap. 6.
9 Vgl. Hubmann und Barth (1990): S. 32.
10 Vgl. Jonen und Lingnau (2007): S. 8.
12 Vgl. de Quervain und Wagner (2003): 104 f. und Janker und Janker (2008): S. 23.
bzw. erfolgreicher ist.17 Zum anderen ist die Relevanz der einzelnen Portfolios in der
Praxis von Bedeutung, um festzustellen, ob hier zu Teilen rein theoretische Konstrukte
vorliegen und woran ein intensiver Einsatz bzw. eine ablehnende Haltung gegenüber
spezifischen Portfolios in der Praxis festgemacht werden können.
Neben der empirischen Fundierung der einzelnen Beschaffungsportfolios ist
außerdem eine Anwendungserprobung des Referenzmodells durchzuführen. Im Sinne
des situativen Ansatzes sollten vergleichbare Problemsituationen, die Einflussfaktoren
und die möglichen Handlungsalternativen sowie Effizienzindikatoren in Unternehmen
erfasst und empirisch ausgewertet werden.18
Ein Bereich der bisher noch vernachlässigt wurde, der jedoch eine hohe Bedeutung
besitzt,19 sind Digitalisierungsportfolios im Beschaffungsbereich.20 Lediglich das
Value-Risk-Supply-Portfolio21 integriert in einer Unterkategorie der Risikomessung
in Ansätzen digitale Aspekte. Hier wäre es hilfreich, Möglichkeiten zur Abbildung
der Digitalisierungsnotwendigkeit der Beschaffungsobjekte und der Digitalisierungs-
möglichkeiten der Lieferanten darzustellen, um basierend darauf Strategien ableiten zu
können.
17 Siehe dazu Homburg und Klarmann (2003), welche aufzeigen, dass die Messung der Effektivität
und Effizienz der Instrumente im Marketingbereich schon lange Zeit ein sehr relevantes Themen-
feld ist. Vgl. Homburg und Klarmann (2003): S. 68.
18 Vgl. Hübner und Jahnes (1998): S. 56.
20 Vgl. Meyer et al. (2021): S. 87. Ein erster Ansatz ist zu finden bei Kleemann und Glas (2017):
S. 25.
21 Siehe Abschn. 5.30.
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