SG 240 Kurz

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Homosexualität in Deutschland

In den vergangenen Monaten wurde in Deutschland viel über Homosexualität


gesprochen. Der Grund war vor allem die Fußball-Europameisterschaft.
München wollte zum Beispiel sein Fußballstadion in den Regenbogenfarben
beleuchten, als die deutsche Mannschaft gegen Ungarn spielte. Um ein Zeichen
der Toleranz zu setzen. Es wird also Zeit, auch dieses wichtige Thema in Slow
German zu besprechen.
Fangen wir mal wieder bei den Nationalsozialisten an. Während der Nazi-Zeit
wurde männliche Homosexualität als kriminell gehandhabt. Wer erwischt
wurde, konnte vor Gericht oder gleich im Konzentrationslager landen. Bis 1945
wurden wohl 50.000 Männer verurteilt. Viele wurden in den Lagern getötet.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden homosexuelle Männer verurteilt.
Denn im Strafgesetzbuch gab es den Paragrafen 175 - der bis 1969 in der
Nazi-Fassung galt. Danach war schon ein Zungenkuss zwischen Männern
strafbar. Und das führte natürlich auch dazu, dass es eine moralische
Verurteilung gab. In der Gesellschaft galt es also als nicht normal, wenn sich
zwei Männer liebten.
Natürlich wurde von einigen Menschen gegen dieses Gesetz gekämpft. Lange
Zeit aber ohne Erfolg. Als Grund nannte man unter anderem die
Verführungstheorie. Die Menschen hatten damals also Angst, dass Jugendliche
zur Homosexualität verführt werden könnten. Das bedeutet, dass sie Angst
hatten, Jugendliche könnten plötzlich schwul werden. Diese Theorie wurde
weiter verbreitet, obwohl sie wissenschaftlich längst widerlegt war.
1985 gab es dann eine neue Partei, sie nannte sich "Die Grünen". Diese Partei
stellte zum ersten Mal den Antrag, den §175 zu streichen. Die CDU/CSU
weigerte sich aber lange. Das ist auch verständlich, denn das "C" in den
Namen dieser Parteien steht für "christlich". Und die Kirche hat natürlich ein
Problem mit Homosexualität. Ich spreche hier erstmal für Westdeutschland,
denn Du weißt ja, dass Deutschland nach dem Krieg getrennt war in die BRD
im Westen und die DDR im Osten. Und die DDR war in dieser Sache

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fortschrittlicher als die BRD: Homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen


waren dort seit 1968 nicht mehr strafbar. Die Entwicklung in den folgenden
Jahren ging so weit, dass Jugendliche immer besser vor sexuellen Handlungen
geschützt werden sollten - egal ob homo- oder heterosexuell.
Und dann kam die Wiedervereinigung. Beide Seiten mussten sich in vielen
Punkten einig werden, um ein Land zu werden. Auch in Sachen
Homosexualität. Was also tun? Entweder auch in der DDR wieder zurück zu
Strafbarkeit - oder in der BRD lockerer werden. Zunächst mal einigte man sich
gar nicht. Man diskutierte lieber. 1994 beschloss endlich der Bundestag die
Streichung des Paragraphen.
Nächster Schritt: Die sogenannte Homo-Ehe. Erstmal gab es so ein Mittelding,
das nannte sich "Eingetragene Lebenspartnerschaft". Die gab es ab 2001. Seit
1. Oktober 2017 dürfen in Deutschland nun aber auch zwei Frauen oder zwei
Männer richtig heiraten. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht dazu: "Die Ehe wird
von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit
geschlossen". Das ist also alles noch relativ frisch - und das war jetzt auch
alles nur die historische oder gesetzliche Seite. Kommen wir zu unserer
Gesellschaft.
Ist es "ganz normal", in Deutschland schwul oder lesbisch zu sein? Ich glaube,
so weit sind wir noch nicht. Es gibt große Unterschiede, was die Region angeht.
Die Städte sind in der Regel durch ihre Anonymität offener und
aufgeschlossener. In vielen Städten gibt es Straßen oder Viertel, in denen sich
viele Bars und Clubs angesiedelt haben, die gerne von Homosexuellen besucht
werden. In diesen Gegenden ist es ganz normal, zum Beispiel Männer zu
sehen, die Händchen halten. Manchmal gibt es auch spezielle Ampelmännchen,
die zwei Frauen oder zwei Männer zeigen mit einem Herzchen dazwischen. Auf
einem bayerischen Dorf würden sich allerdings viele Menschen nach einem
homosexuellen Paar umdrehen und das nicht unbedingt für normal halten. Das
behaupte ich jetzt zumindest. Wobei es natürlich sowohl auf dem Land als
auch in der Stadt tolerante und intolerante Menschen gibt.
Wie in anderen Ländern auch gibt es in Deutschland Menschen, die Vorurteile

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haben, mit Aggression oder Gewalt auf Homosexuelle reagieren oder mit
Beschimpfungen. Es muss also noch viel geschehen, bis es wirklich keinen
Unterschied mehr macht, wen jemand liebt. Berlins früherer Bürgermeister war
offen schwul und hatte dies mit dem Satz "und das ist auch gut so" verkündet.
Unser derzeitiger Gesundheitsminister ist ebenfalls mit einem Mann verheiratet
und macht daraus kein Geheimnis. Die sexuelle Orientierung steht also einer
politischen Karriere nicht im Weg. Natürlich gibt es auch viele schwule und
lesbische Schauspieler und Schauspielerinnen. Nur offen schwule Fußballer gibt
es nur wenige. Aber vielleicht ändert sich auch das irgendwann.
Wie immer ist es schwierig, so ein Thema in nur wenigen Minuten zu erklären.
Kurz also noch einige Fakten: Seit einigen Jahren dürfen schwule und lesbische
Paare Kinder adoptieren. Derzeit steht aber ein weiterer großer Punkt in der
Diskussion: Bislang dürfen homosexuelle Männer kein Blut spenden. Das
kommt noch aus der Zeit von AIDS. Momentan dürfen schwule Männer nur
Blut spenden, wenn sie ein Jahr zuvor keinen Sex mit einem anderen Mann
hatten. Das soll sich ab Herbst 2021 ändern - dann dürfen alle Menschen Blut
spenden, die seit mindestens vier Monaten ausschließlich Sex mit dem gleichen
Menschen hatten.
Noch ein paar Worte zu unserer deutschen Sprache: Leider hat sich das Wort
"schwul" als Schimpfwort eingeschlichen. Wenn jemand etwas zu romantisch,
zu mädchenhaft findet, dann kann er dies als "schwul" bezeichnen. Immer
mehr Menschen haben aber mittlerweile verstanden, dass das aufhören sollte.
Und weil es natürlich nicht nur LG, sondern auch BTQIA und vielleicht noch
mehr gibt: Das ist dann ein neues Thema bei Slow German.

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