Lippold2013 Book DieUnternehmensberatung
Lippold2013 Book DieUnternehmensberatung
Dirk Lippold
Die Unternehmensberatung
Von der strategischen Konzeption
zur praktischen Umsetzung
Prof. Dr. Dirk Lippold
Berlin, Deutschland
Springer Gabler
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
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If you can do it, teach it.
Geleitwort
Ein vielleicht überraschendes Beispiel zum Einstieg: Wie kaum ein anderes Unternehmen hat
sich IBM in den letzten 50 Jahren grundlegend gewandelt – vom Hersteller von Schreibma-
schinen und Großrechnern über den Anbieter von Systemen der mittleren Datentechnik und
PCs bis zum Beratungsunternehmen. Zum Beratungsunternehmen? Ja, IBM ist in der Tat die
weltweit größte Unternehmensberatung – wenn auch nicht unbedingt eine typische Unter-
nehmensberatung. Doch was sind eigentlich typische Unternehmensberatungen, und wie ha-
ben sie sich über die Jahre entwickelt? Und vor allem: Was sind erfolgreiche Unternehmens-
beratungen? Wie sehen ihre Geschäftsmodelle aus? Wie sind sie organisiert? Was ist ihr Nut-
zen? Welche Marketing-Philosophie und welche Personalpolitik verfolgen sie? Kurzum: Was
sind die Erfolgsfaktoren moderner Beratungsunternehmen?
Dirk Lippold liefert praxiserprobte Antworten auf diese und andere Fragen vor dem Hinter-
grund der komplexen Tätigkeitsfelder moderner Unternehmensberatungen. Der besondere
Nutzen ist die ständige, themenbezogene Verknüpfung von Theorie und Praxis. „Die Unter-
nehmensberatung“ ist aber kein Werk zum „Runterlesen“, sondern vielmehr ein praxisorien-
tierter Leitfaden, der als Grundlage – ja fast als Nachschlagewerk – für die verschiedenen
Facetten des Beratungsgeschäfts dient. Jedes der sechs Kapitel orientiert sich an den sechs
Erfolgsfaktoren im Beratungsgeschäft und bietet dem Strategen, dem Key-Account-Manager,
dem Marketer, dem Personalmanager, dem Projektleiter oder dem Studierenden eine ein-
drucksvolle Grundlage für die weitere Arbeit. So ist beispielsweise das 4. Kapitel ein nahezu
vollständiges Glossar aller wichtigen Management- beziehungsweise Beratungsansätze. Ins-
gesamt liegt hier ein Praxishandbuch vor, das ich mit voller Überzeugung als Grundlagenwerk
für unsere Beratungsbranche bezeichnen möchte. Dies erfährt auch deshalb eine ganz beson-
dere Bedeutung, weil die Profession der Unternehmensberater in Deutschland bekanntlich
kein Berufsrecht und damit keine vorgeschriebenen Ausbildungswege kennt.
Besonders erfreut bin ich darüber, dass dieses Grundlagenwerk von einem Autor vorgelegt
wird, mit dem ich über 25 Jahre intensiv zusammengearbeitet habe. Seiner besondere Fähig-
keit, einzelfallbezogene Aspekte und Phänomene zu typologisieren und auf eine allgemeine
Grundlage zu stellen, verdanken wir den hier gewählten Ansatz. Mit dieser induktiven Vorge-
hensweise gibt er unserer Profession einen Rahmen, in dem neben dem Beratungstyp Strate-
gieberatung, dem ja ohnehin bislang die meiste (theoretische) Beachtung geschenkt wird, nun
auch eine gleichwertige Auseinandersetzung mit dem umsatzstärkeren Beratungstyp IT-
Beratung erfolgen kann.
Ich wünsche allen interessierten Lesern viel Freude beim Gewinnen neuer Erkenntnisse über
eine Branche, die über Jahrzehnte so vielfältig, aufregend, spannend, lehrreich und erfolgreich
wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig war und mit Bestimmtheit auch in Zukunft bleiben
wird.
Antonio Schnieder
Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.
Inhaltsverzeichnis IX
Vorwort
Knapp 100.000 Berater sind es, die in Deutschland einen Umsatz (2012) von gut 22 Milliar-
den Euro erzielen. Doch nicht nur zahlenmäßig ist die Zunft der Unternehmensberater ein
bedeutender Wirtschaftsfaktor. Ihr Einfluss strahlt in alle Branchen aus. Sie wächst schneller
als das Sozialprodukt. Sie zählt zu den begehrtesten Einstiegsbranchen für junge Hochschul-
absolventen. An mehr als 30 deutschen Hochschulen werden inzwischen Bachelor- und Mas-
terstudiengänge für Consulting angeboten.
Gleichzeitig sind aber auch die Anforderungen an die Qualität der Beratungsprojekte und an
den messbaren Erfolg von Beratungsleistungen gestiegen. Besonders die größeren Kunden-
unternehmen haben die Beschaffung von Beratungsleistungen professionalisiert und orientie-
ren sich mehr und mehr an objektiven Auswahlkriterien. Auch die Institutionalisierung des
Inhouse Consulting in diesen Unternehmen hat den Wettbewerbsdruck auf die Beratungshäu-
ser weiter erhöht. Diese Situation erfordert von den Beratungsanbietern, dass sie sich eben-
falls stärker professionalisieren. Hierzu zählt die Entwicklung von Gestaltungskonzepten für
die strategische Ausrichtung ebenso wie die Professionalisierung von Marketing und Vertrieb,
von Personalrekruting, -einsatz und -bindung, von Controlling und Organisation sowie die
qualitätsorientierte Leistungserstellung, kurzum: die Beherrschung der Erfolgsfaktoren des
Beratungsgeschäfts.
Da sowohl die theoretische als auch die praktische Auseinandersetzung mit diesen Themen
vergleichsweise jung, wenig fortgeschritten und nahezu ausschließlich auf die Aspekte der
Strategie- und Organisationsberatung beschränkt ist [vgl. NISSEN 2007, S. 9], soll die vorlie-
gende Ausarbeitung die Lücke schließen und einen entsprechenden Beitrag zur Wettbewerbs-
fähigkeit der Beratungsbranche insgesamt leisten. Die strikte Orientierung an den o. g. Er-
folgsfaktoren kennzeichnet daher die Struktur dieser Abhandlung.
Ein besonderes Augenmerk gilt der IT-orientierten Beratung, deren geschätzter Anteil am
Gesamtumsatz der Unternehmensberatungen mehr als 65 Prozent beträgt und bislang wenig
thematisiert worden ist. Dabei steht aber nicht so sehr die theoretische Fundierung der Bera-
tungsleistung im Vordergrund, sondern mehr der praxisorientierte Leitfaden, der sich sowohl
an Studierende mit Beratungsaffinität (Was erwartet mich in einem Beratungsunternehmen
und was erwartet es von mir?) als auch an den Berater mit Blick über den Tellerrand wendet
(Wie machen es die Anderen?). Wertvolle Impulse soll der „Leitfaden mit theoretischem Hin-
tergrund“ insbesondere für all jene liefern, die im Beratungsgeschäft Verantwortung tragen.
Eine zusätzliche Motivation ist schließlich der glückliche Umstand, dass zu zwei der fünf
Erfolgsfaktoren einer Unternehmensberatung ein spezifischer Ansatz mit hohem Nutzenpo-
tential vorgestellt werden kann: für den Erfolgsfaktor Marketing/Vertrieb die Marketing-
Gleichung und für den Erfolgsfaktor Personal die Personalmarketing-Gleichung.
Ich möchte mich bei all jenen Kollegen, Mitarbeitern und Studierenden bedanken, die mich
zur „Niederschrift“ dieser Gedanken und Erkenntnisse rund um die Unternehmensberatung
motiviert haben. Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Petra, die mir den entsprechen-
den Freiraum dazu eingeräumt hat.
Berlin, im Juli 2013
Inhaltsverzeichnis XI
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..................................................................................................................... IX
Das 1. Kapitel versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden, in dem es sie in einen Ge-
samtzusammenhang mit folgenden Aspekten stellt:
1.1.1 Motivation
Nur wenige Professionen haben es so hautnah mit den aktuellen Herausforderungen von Wirt-
schaft und Gesellschaft zu tun wie die der Unternehmensberater. Nur wenige Professionals
wissen über Trends in Management, Technologie und Organisation ähnlich gut Bescheid wie
Berater. Diese gehören einer Branche an, die sich wie kaum eine andere dynamisch bewegt
und täglich vor neue Herausforderungen gestellt wird. Sie, die dieses Business betreiben, er-
leben hautnah mit, wie sich Unternehmen, ganze Branchen und Märkte in kurzer Zeit bewe-
gen und verändern. Die Begleitung des Wandels (engl. Change) ist das tägliche Brot des Be-
raters. Für die Kunden ist dies eine hochprofessionelle Dienstleistung, über die man kurzfris-
tig nicht verfügt und sie deshalb vorübergehend ins Unternehmen holt. Mit der Nachfrage
nach externer Lösungskompetenz für strategische und operative Fragen ist zugleich auch das
unternehmerische Konzept arbeitsteiliger Spezialisierung verbunden. Eine solche Arbeitstei-
lung funktioniert immer dann, wenn Neutralität, Objektivität und Unabhängigkeit sowie
Kompetenz, analytische Brillanz und innovative Kreativität zu den Vorgaben eines jeden Be-
raters zählen. Dank solcher hohen Standards, verbunden mit den entsprechenden Arbeitser-
gebnissen, konnte sich die Beratungsbranche in den letzten dreißig Jahren zu einer der attrak-
tivsten Industrien entwickeln, die um ein Vielfaches schneller wächst als die Wirtschaft insge-
samt [vgl. BERGER 2004, S. 1].
Attraktiv – aber nicht nur für Stake- und Shareholder, sondern auch für Hochschulabsolven-
ten: Die Beratungsbranche hat sich in sehr kurzer Zeit zum attraktivsten Arbeitgeber für High
Potentials entwickelt. Nach einer TRENDENZ-Studie aus dem Jahre 2006 ist sie die meist ge-
nannte Wunschbranche der BWL-Hochschulabsolventen. Nahezu jeder zweite BWL-
Studierende sieht in der Unternehmensberatung den idealen Karriereeinstieg. Eine Ab-
wechslungsreiche, herausfordernde Tätigkeit, gutes Arbeitsklima, selbstständiges Arbeiten,
hervorragende Weiterbildungsmöglichkeiten und gute Bezahlung werden mit dem Berufsbild
des Beraters in Verbindung gebracht (siehe Abbildung 1-01).
Für den Hochschulabsolventen ist dieser Berufseinstieg ideal, weil er eine streng praxisorien-
tierte Grundausbildung erhält und sich prinzipiell nicht gleich zu Beginn seines Berufslebens
auf eine Branche oder auf einen Funktionsbereich festlegen muss. Die beraterische Grundaus-
bildung erhält der Berufsanfänger in größeren Beratungsunternehmen schwerpunktmäßig
durch Training-off-the-job-Maßnahmen, d. h. durch spezielle, nicht fakturierbare Aus- und
Fortbildungsmaßnahmen, die teilweise in eigenen Trainingszentren oder Hochschulen („Cor-
porate Universities“) durchgeführt werden. In kleineren Beratungsunternehmen erfolgt diese
Grundausbildung zum Berater dagegen regelmäßig im Rahmen von Training-on-the-job-
Maßnahmen.
* Mehrfachnennungen möglich
So ist es auch wenig verwunderlich, dass sich zwar auf dem Level des Beratungseinstiegs
(Analyst Consultant) die Anteile männlicher und weiblicher Kandidaten nahezu die Waage
halten, in den späteren Führungspositionen der Unternehmensberatungen aber kaum noch
weibliche Manager vertreten sind. Doch nicht nur für Hochschulabsolventen, sondern auch
für berufserfahrene Ingenieure und Naturwissenschaftler, die mit einem MBA ihre Karriere
beschleunigen wollen, ist die Consultingbranche ausgesprochen attraktiv. Nach einer Umfrage
des STAUFENBIEL-Instituts peilen mehr als 70 Prozent aller MBA-Absolventen in Europa ei-
nen Job im Consulting an. Damit ist der Beratungsbereich die beliebteste Einstiegsbranche für
MBA-Absolventen (siehe Abbildung 1-02).
Consulting 71%
IT/Telekommunikation 66%
Automotive 39%
Elektroindustrie 39%
Handel 39%
Mehrfachnennungen
Ebenso wie das Wesen des Marketings im Grunde nichts anderes als Differenzierung ist, so ist
das Wesen des Consultings im Kern nichts anderes als Change, also Veränderung, oder noch
deutlicher: Verbesserung (engl. Improvement). Schließlich wird die Beratungsleistung zu-
meist dann in Anspruch genommen, wenn es sich um die externe Begleitung betrieblicher
Veränderungen handelt, die zu einer Verbesserung der Unternehmenssituation führen soll.
In diesem Sinne auch die Definition von PETER BLOCK: „Eine Beratung ist nichts anderes als
der Versuch, eine Situation zu verändern oder zu verbessern, wobei jedoch der Berater keinen
direkten Einfluss darauf hat, inwieweit seine Veränderungsvorschläge in die Tat umgesetzt
werden. Bewirkt man direkte Veränderungen, ist man Manager, nicht Berater (...)” [BLOCK
2000, S. 11].
Demnach lässt sich knapp formulieren: Consulting ist die externe Unterstützung zur er-
folgreichen Bewältigung des Wandels. Aufgrund der nahezu unendlich vielen Facetten der
Tätigkeiten einer Unternehmensberatung ist es fast unmöglich, eine umfassende Definition
dieser Dienstleistung vorzunehmen. Dennoch lassen sich einige Eckpunkte (als konstitutive
Merkmale) zur definitorischen Eingrenzung festhalten:
Daraus lässt sich in Anlehnung an FINK [2009a, S. 3] und NISSEN [2007, S. 3] der Begriff der
Unternehmensberatung wie folgt fassen:
Unternehmensberatung ist eine eigenverantwortlich, zeitlich befristet, auftragsindividuell und
zumeist gegen Entgelt erbrachte professionelle Dienstleistung, die sich an Unternehmen/Or-
ganisationen mit dem Ziel richtet, Problemstellungen zu identifizieren und zu analysieren
und/oder Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, um den Kunden bei der Planung, Erarbei-
tung und Umsetzung von Problemlösungen zu unterstützen bzw. dessen Fähigkeiten zur Be-
wältigung des zugrunde liegenden Problems zu verbessern.
1.1 Begriffliche und sachlich-systematische Grundlegung 7
Dieser Definition liegt sowohl ein transitives als auch ein reflexives Beratungsverständnis
zugrunde. Mit dem transitiven Beratungsverständnis ist die Erteilung eines Ratschlags ver-
bunden, d. h. der Berater hilft seinem Kunden mit fachlichem Rat und Sachverstand aus einer
Problemsituation. Konstitutiv für das transitive Beratungsverständnis ist die Informations-
asymmetrie, also das ungleich verteilte Wissen zwischen den an einem Beratungsprozess be-
teiligten Personen. Das reflexive Beratungsverständnis unterstreicht die partnerschaftliche
Interaktionsbeziehung zwischen den beteiligten Personen und zielt auf die Förderung und
Wiederherstellungskompetenz des Kunden, ohne diesem die eigentliche Problemlösung abzu-
nehmen [vgl. JESCHKE 2004, S. 13 f.].
Formal ist die Beratung von Unternehmen bzw. Organisationen eine professionelle Dienst-
leistung. Der Dienstleistungsbegriff dient im Wesentlichen zur Abgrenzung von Sachlei-
stungen (Produkten).
Inhaltlich hat das Tätigkeitsfeld des Consultings viele Aspekte. Es reicht im Kern von der
klassischen Managementberatung über die Prozess- und IT-Beratung bis hin zum Outsour-
cing. Diese Kerngebiete sind auch Gegenstand der hier vorliegenden Abhandlung.
Schließlich soll hier noch auf die im angelsächsischen Raum gebräuchliche Bezeichnung Pro-
fessional Service Firms hingewiesen werden. Professional Service Firms, die zunehmend als
eigenständige Gruppe innerhalb der Dienstleistungsunternehmen wahrgenommen werden,
erbringen professionelle Dienstleistungen (engl. Professional Services) wie beispielsweise die
Unternehmensberatung „ … also Dienstleistungen, die in hohem Maße auf individuelle Kun-
denbedürfnisse zugeschnitten sind und in meist enger Zusammenarbeit mit dem Kunden unter
Einbringung ausgeprägten Fachwissens und Erfahrung hochqualifizierter Mitarbeiter erb-
racht werden“ [MÜLLER-STEWENS et al. 1999, S. 23]. Demnach sind Beratungsunternehmen
eine Teilmenge der Professional Service Firms, zu denen auch Wirtschaftsprüfungs- und
Steuerberatungsgesellschaften, Anwaltskanzleien oder Investmentbanken gehören.
Fragt man nach den verschiedenen Anbietergruppen von Beratung, so ist es grundsätzlich
unerheblich, ob diese Kerndienstleistungen von Einzelberatern oder von Beratungsunterneh-
men mit 500 und mehr Mitarbeitern angeboten werden. Auch spielt es keine Rolle, ob diese
Beratungsleistungen zum Randportfolio von Finanzdienstleistungsunternehmen, von Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaften oder von branchenfremden Großunternehmen zählen. Ebenfalls
unerheblich ist es, ob diese Dienstleistung als Inhouse Consulting, von Hochschullehrern bzw.
Wissenschaftlern oder von studentischen Beratungsgruppen erbracht werden [zu den Berüh-
rungspunkten von Wissenschaft und Beratung siehe insbesondere DEELMANN 2007, S. 45].
Auf der Grundlage dieser Verständigung über die verschiedenen Anbietergruppen und Aus-
richtungen von Beratungsleistungen werden die Begriffe Unternehmensberatung, Beratung
und Consulting weitgehend synonym behandelt. An das Kernberatungsgebiet angrenzende
Bereiche wie Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Personalberatung, Rechtsberatung, Engi-
neering-Beratung, Softwareerstellung und -vermarktung, Inhouse Consulting u. a. werden
zwar immer wieder gestreift, zählen aber nicht unbedingt zum Betrachtungsschwerpunkt, der
– wenn man denn eine Schwerpunktsetzung vornimmt – eher bei größeren Management-
und IT-Beratungsunternehmen liegt. Daher werden die Strategieberatung und die IT-
Beratung auch immer wieder als polarisierende und beispielgebende Beratungsfelder (Bera-
tungstypen) herangezogen.
Die bisherige Betrachtung zeigt das Consulting als faszinierende Branche mit Wachstumsam-
bitionen, die den Wandel begleitet, manchmal sogar initiiert und damit die Hand am Puls der
Zeit hat. Insbesondere für Einsteiger sind diese Aussichten äußerst attraktiv, zumal die Ein-
trittsbarrieren in manchen Beratungssegmenten schon deshalb relativ niedrig sind, weil es
keine gesetzliche Reglementierung des Berufsstands gibt. Auf der anderen Seite ist das Con-
sulting eine äußerst wettbewerbsintensive Branche, deren Segmente immer umkämpfter ge-
worden sind. Klassische Unternehmensberater konkurrieren heute mit Investmentbankern,
Programmierbüros, Werbe- und PR-Agenturen, Ingenieurbüros, studentischen Beratungs-
gruppen und Lehrstühlen von Universitäten. So einfach jedoch der Markteintritt sein mag,
behaupten wird sich langfristig nur, wer sich durch Wettbewerbsvorteile auszeichnen kann
[vgl. BERGER 2004, S. 10].
x Sie sind für das Unternehmen wichtig, da sie einen positiven Einfluss auf Umsatz und
Gewinn haben.
x Sie sind schwer nachzuahmen.
x Sie sind rar.
x Unternehmenskonzept
x Marketing und Vertrieb
x Qualität und Professionalität der Leistungserbringung
x Personaleinsatz und -management
x Controlling und Organisation.
Diese fünf Bereiche bestimmen zugleich auch Struktur und Gliederung dieses Lehrbuches.
(1) Unternehmenskonzept
Der Erfolg eines Beratungsunternehmens steht und fällt mit seiner grundsätzlichen Unter-
nehmenskonzeption, d. h. mit seinem Geschäftsmodell. Auf folgende Fragen sollte eine Ant-
wort gefunden werden: In welchen Marktsegmenten soll das Beratungsunternehmen welche
Leistungen anbieten? Wer sind die Zielgruppen und Zielpersonen? Welche Spielregeln
(Preisniveau, Wettbewerbsintensität, Kapitalbedarf) herrschen in diesen Segmenten? Welches
sind die wesentlichen Einflussfaktoren und Trends, die zu berücksichtigen sind? Welche Ziele
sollen kurz-, mittel- und langfristig verfolgt werden? Welche Alleinstellungsmerkmale zeich-
net das Unternehmen aus? Eine detaillierte Einführung in diesen Fragenkomplex, der die
Grundlagen für alle weiteren internen und externen Aktivitäten legt, wird im 2. Kapitel vor-
genommen.
Produkte und Prozesse der Leistungserbringung (engl. Delivery) sowie das methodische Rüst-
zeug des Beraters sind Inhalt des 4. Kapitels.
Neben den Kundenbeziehungen sind die Mitarbeiter mit ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen und
ihrer Motivation das eigentliche Kapital von Beratungsgesellschaften. Der oft geäußerte An-
spruch, dass der Berater „besser“ als der Kundenmitarbeiter sein sollte, kann nur dann erfüllt
werden, wenn die besten Mitarbeiter rekrutiert werden. Dieses Kapital der hervorragend aus-
gebildeten Mitarbeiter gilt es durch abwechslungsreiche und spannende Projekte zu pflegen
und durch die permanente Einstellung von Top-Talenten zu mehren. Nur so kann die notwen-
dige Zirkulation von Ideen gewährleistet, neues Wissen ans Unternehmen gebunden und der
interne Wettbewerb um Spitzenleistungen sichergestellt werden. Flexibilität und hohe Ge-
schwindigkeit bei der Personalgewinnung und -bindung sowie beim Personaleinsatz zählen zu
den wichtigsten Fähigkeiten, die ein Unternehmen aufweisen muss [vgl. BERGER 2004, S. 13].
Im 5. Kapitel werden alle wichtigen Aktionsfelder und -parameter für die Personalbeschaf-
fung und die Personalbetreuung aufgezeigt und entsprechende Maßnahmen diskutiert.
Infrastrukturelle Einrichtungen wie Controlling und Organisation zählen unter dem Aspekt
der Wertschöpfung nach PORTER zwar nicht zu den Primäraktivitäten eines Unternehmens,
dennoch haben sie für die Unternehmensberatung einen signifikanten Stellenwert. Da sich
Beratungsleistungen – im Gegensatz zu Produkten – nicht beliebig vervielfältigen lassen,
kommt der Ressource „Zeit“ und der damit verbundenen Überlegung, dass man im Bera-
tungsgeschäft einen Personentag immer nur einmal (und nicht mehrfach) verkaufen kann, eine
besondere Bedeutung zu. Das heutige Beratungsgeschäft, in dem klassische Formen der Bera-
tung immer mehr von größeren Projekten verdrängt werden, ist ohne moderne Controlling-
Instrumente gar nicht denkbar. Die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte erfordert eine
angemessene Projektorganisation. Überhaupt zeichnen sich Beratungsunternehmen durch eine
hohe Flexibilität und Mobilität aus, die durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen
erleichtert werden können [vgl. STOLORZ 2005, S. 12].
Im 6. Kapitel werden die besonderen Aspekte des Controllings und der Organisation von Un-
ternehmensberatungen behandelt.
Hinzu kommt, dass sich die (wenigen) wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Unterneh-
mensberatung nahezu ausschließlich mit den Aspekten der Strategie- und Organisationsbera-
tung befassen. Der IT- und Technologieberatung – immerhin der umsatzstärkste Bereich im
Consulting Business – wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung kaum oder gar kei-
ne Beachtung geschenkt. Auch beeinflusst die Beratungspraxis derzeit mehr die Lehre als die
Forschung in der Unternehmensberatung. So sind zwischenzeitlich – nachdem Consulting als
wissenschaftliche (Teil-)Disziplin anerkannt wurde – deutlich mehr als 30 Consulting-
Studiengänge im Master- und Bachelorbereich in ganz Deutschland eingerichtet worden. Und
auch die klassischen Universitätslehrstühle bieten heutzutage eine Vielzahl von Consulting-
Lehrveranstaltungen in Form von Vorlesungen, Übungen und Seminare an, in dem sie sich dem
Thema Consulting von angrenzenden Funktions- und Themenbereichen wie Unternehmensführung,
Marketing, Controlling, Human Resources oder Supply Chain Management aus nähern.
Nicht nur die neu eingerichteten Consulting-Studiengänge benötigen eine stärkere theoreti-
sche Fundierung, auch die Beratungspraxis kann durch eine kontinuierliche, wissenschaftliche
Begleitung fundamentale Fehlannahmen (wie z. B. die Unabhängigkeit oder Neutralität der
Berater) oder Lücken der praktischen Unternehmensberatung korrigieren bzw. vermeiden.
Das vorliegende Lehrbuch hat allerdings nicht die Ambition, diese Lücke zu schließen. Es ist
keine forschungsorientierte Literatur. Im Gegenteil, es handelt sich um eine „Leitfadenlitera-
tur“ mit dem Anspruch, Theorie und Praxis zu verbinden.
x Dienstleistungsperspektive
x Institutionelle Perspektive
x Funktionale Perspektive
x Beratungssystem-Perspektive
x Prozessbezogene Perspektive
x Instrumentell-methodische Perspektive
x Theoretische Perspektive.
12 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.2.1 Dienstleistungsperspektive
Dienstleistungen werden häufig anhand der folgenden drei Merkmale gekennzeichnet [vgl.
stellvertretend MEFFERT/BRUHN 1995, S. 23 ff.]:
x Potenzialorientierung, d. h. die Dienstleistung besteht aus der Vermarktung von Leis-
tungsversprechen (im Sinne von Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung einer Dienst-
leistung);
x Prozessorientierung, d. h. der Leistungserstellungsprozess ist gekennzeichnet durch die
Integration von internen und externen Produktionsfaktoren sowie durch die Synchronisa-
tion von Erbringung und Inanspruchnahme einer Tätigkeit;
x Ergebnisorientierung, d. h. das Leistungsergebnis ist immateriell und intangibel.
Die Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Sachleistungen auf dieser Grundlage ist
allerdings nicht unproblematisch, da alle drei Kriterien bestimmte Ausnahmen nicht erfassen
bzw. auch für Sachleistungen zutreffen. Aber auch die von MUGLER und LAMPE [1987, S.
478] vorgelegte und von HAGENMEYER [2002, S. 362 f.] übernommene Definition der Unter-
nehmensberatung als eine „Dienstleistung, die durch (I) Externalität, (II) Unabhängigkeit und
(III) Professionalität gekennzeichnet ist“ kann unter Einbeziehung und besonderer Berück-
sichtigung der IT-Beratung nicht zielführend sein, denn
x Externalität bedeutet, dass das Inhouse Consulting zwangsläufig aus der Betrachtung
des Untersuchungsgegenstands Unternehmensberatung ausscheiden müsste. Sicherlich ist
es erstrebenswert, wenn der Berater dem Kundenunternehmen eine Sichtweise anbieten
kann, die sich von der üblichen und notwendigerweise vorhandenen „Betriebsblindheit“
unterscheidet, dennoch können unzählige (IT-)Beratungsfälle aufgezählt werden, bei de-
nen „Betriebsblindheit“ für die Beauftragung keine Rolle spielt.
x Unabhängigkeit ist ebenfalls nicht in jedem Fall für den Berater erforderlich. Wie kann
bspw. ein SAP-Berater unabhängig bzw. neutral sein, wenn er vielleicht doch nur die
SAP-Software kennt und beherrscht. Sicherlich, für die Auswahlberatung eines ERP-
Systems (ERP = Enterprise Resource Planning) sollte möglichst ein Berater beauftragt
werden, der seine Sichtweise unabhängig von persönlichen und organisationsinternen In-
teressen, d. h. ausschließlich zum Wohle des Kunden aus einer objektiven Position for-
mulieren kann.
x Professionalität ist für den Berater in der Tat unentbehrlich, denn sie macht die Kern-
kompetenz eines Beraters aus. Unter Professionalität sind „das Wissen und die Fähigkeit
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 13
Somit bleibt festzuhalten, dass eine vollständige und überschneidungsfreie Abgrenzung von
Dienst- und Sachleistungen anhand von rein definitorischen Ansätzen auf der Grundlage von
sogenannten konstitutiven Merkmalen doch erhebliche Probleme aufwirft. Im Sinne eines ge-
schlossenen Theoriegebäudes ist dagegen der typologische Ansatz eher geeignet, das Ab-
grenzungsproblem zwischen Dienst- und Sachleistungen transparent zu machen. Im Unter-
schied zu den rein definitorischen Ansätzen besteht der Vorteil der Typologie darin, dass die
als relevant erachteten Ausprägungen eines Merkmals nicht eineindeutig bestimmt werden
müssen, sondern als Kontinuum zwischen ihren Extremausprägungen dargestellt werden kön-
nen. Typologien verwenden somit keine konstitutiven Beschreibungsmerkmale sondern Krite-
rien, die für das jeweilige Ziel der Typologiebildung die höchste Aussagekraft besitzen [vgl.
MEFFERT/BRUHN 1995, S. 30 f.].
Auf Grundlage dieser Überlegungen haben ENGELHARDT et al. [1993, S. 416] eine Leistungs-
typologie vorgelegt, die auf zwei Dimensionen beruht und die zu vier Grundtypen von Leis-
tungen führt (siehe Abbildung 1-03). Die beiden Dimensionen sind der
solcher externer Faktor kann der Kunde selbst, ein Gegenstand des Kunden oder auch nur ein
Kundenwunsch sein, der für die Erstellung der Dienstleistung wesentlich ist.
Auf der Materialitätsachse geht es um das Leistungsergebnis. Sie beschreibt die Ergebnis-
dimension. Leistungen sind dann immateriell, wenn die Leistungsergebnisse nicht „greifbar“
sind.
Die Extremfälle dieser Typologie können wie folgt charakterisiert werden [vgl. MEF-
FERT/BRUHN1995, S. 31]:
x Der erste Leistungstyp beschreibt Problemlösungen, die nahezu ausschließlich immateri-
elle Leistungsergebnisse beinhalten und die unter starker Integration des externen Faktors
erstellt werden (z. B. Unternehmensberatung).
x Der zweite Leistungstyp beinhaltet demgegenüber in hohem Maße materielle Leistungs-
ergebnisse, die vom Anbieter unter Mitwirkung externer Faktoren erstellt werden (z. B.
eine im Kundenauftrag erstellte Sondermaschine).
x Beim dritten Leistungstyp handelt es sich um Problemlösungen, die durch ein materielles
Leistungsergebnis bei gleichzeitig weitgehend autonom gestaltetem Leistungserstellungs-
prozess gekennzeichnet sind (z. B. die klassischen Konsumgüter von Automobilen bis hin
zu Lebensmittelprodukten).
x Für den vierten Leistungstyp sind ebenfalls autonome Prozesse bei der Leistungserstel-
lung kennzeichnend, wobei das Leistungsergebnis hier jedoch immaterieller Natur ist
(z.B. Datenbankdienste oder Softwareprodukte).
Beratungsleistungen sind somit in hohem Maße immateriell und integrativ. Integrativ des-
halb, weil die Problemlösungen im engen Kontakt mit den Kundenunternehmen (als externer
Faktor) erarbeitet werden. Immateriell deshalb, weil Beratungsleistungen nun einmal (phy-
sisch) nicht „greifbar“ (engl. tangible) sind. Diese Zuordnung bedeutet jedoch nicht unbe-
dingt, dass Beratungsleistungen vollständig ohne materielle Bestandteile auskommen müssen.
So können Beratungsergebnisse auf Papier oder auf Folien zusammengefasst werden.
Noch differenzierter ist die Leistungstypologie, die MEFFERT [1994] vorschlägt und die auf
der Typologie von ENGELHARDT et al. aufsetzt. Sie führt zwar hinsichtlich der Abgrenzung
von Dienst- und Sachleistungen zu keinem unmittelbar höheren Erkenntnisgewinn, zur Ab-
grenzung von Produkten und Dienstleistungen in der IT-nahen Software kann sie jedoch
wichtige Anhaltspunkte liefern. MEFFERT behält die Immaterialitätsdimension bei und zerlegt
die Integrationsdimension in die beiden Teildimensionen
x Interaktionsgrad, der sich auf jegliche Form der Einbindung des externen Faktors in den
Leistungserstellungsprozess bezieht, und
x Individualisierungsgrad, der ein Kontinuum zwischen Standard- und Individualleistun-
gen aufspannt.
Lässt man den bereits diskutierten Immaterialitätsgrad unberücksichtigt, so ergibt die Leis-
tungstypologie von Meffert die in Abbildung 1-04 gezeigte Darstellung. Auch in dieser Typo-
logie nimmt die Unternehmensberatung eine Extremposition ein. Beratung ist hiernach eine
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 15
Leistung, die durch eine hohe Interaktivität und gleichzeitig durch eine hohe Individualität
gekennzeichnet ist.
Auf der Grundlage dieser Leistungstypologie lassen sich nun auch relativ unproblematisch
Produkte und Dienstleistungen im Softwareumfeld abgrenzen. Ob es sich bei einer Software-
entwicklung um ein Produkt oder um eine Dienstleistung handelt, hängt davon ab, ob der
Kunde als externer Faktor in den Softwareerstellungsprozess eingebunden ist oder nicht. Bei
der individuellen Softwareentwicklung handelt es sich regelmäßig um eine Dienstleistung, da
hier einerseits die Interaktion mit dem Kunden und andererseits die individuelle Kundenorien-
tierung im Sinne einer „Customization“ wesentlich sind. Standardsoftware oder auch
„Packaged Software“ zeichnet sich dagegen durch (Kunden-)Unabhängigkeit und ein hohes
Maß an Standardisierung aus, weil sie weitestgehend ohne Zutun des Kunden erstellt wird.
Damit ist Standardsoftware eine Sachleistung oder ein IT-Produkt. Wird Standardsoftware
mit einem hohen Modifikationsanteil oder mit einem hohen Beratungsanteil (Installationsbe-
ratung) installiert, so handelt es sich nach dieser Darstellung um eine Mischform.
Individualitäts-
grad
Custo-
mized Standard- Unternehmensberatung
software mit
hohem Individual-
Modifikations- software-
anteil Erstellung
Standard-
software mit
Standard-
hohem
software
Beratungs-
Standar- anteil
disiert
Interaktions-
grad
Unabhängig
Interaktiv
(1) Beratungsträger
Aufgrund des freien Marktzugangs hat sich in Deutschland eine Vielzahl von Beratungsträ-
gern etabliert. Die bislang vorgelegten Systematiken zur Strukturierung der Angebotsseite
beziehen sich in der Regel auf quantitative oder zumindest leicht abgrenzbare Ordnungskrite-
rien, die dann auch in den einschlägigen Marktstudien verwendet werden. Dies sind haupt-
sächlich Träger- bzw. organisationsbezogene Kriterien wie
Mindestens ebenso interessant und aussagekräftig können mehr qualitative Kriterien sein.
Solche Merkmale beziehen sich eher auf Leistungsinhalte bzw. Portfolioinhalte wie
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 17
Mit dieser Systematik lässt sich ein sehr großer Teil aller Beratungsträger zuordnen, nicht
jedoch die zielmarktbezogenen Organisationsbezeichnungen wie
x Mittelstandsberatung,
x regionale Unternehmensberatung,
x nationale Unternehmensberatung und
x internationale Unternehmensberatung.
Fügt man die zielmarktbezogene Ausrichtung noch hinzu, so ergibt sich die Darstellung in
Abbildung 1-05, in der die verschiedenen Ausprägungen der Beratungsträger nach Unterneh-
mensmerkmalen und nach Leistungsmerkmalen aufgeführt sind. Eine tiefergehende Betrach-
tung dieser verschiedenen Ausprägungen wird in Abschnitt 1.3 vorgenommen.
Beratungsträger
Branchen- Querschnitts-
Unternehmens- Unternehmens- Organisations- Leistungs- Funktionale
Rechtsform orientierte orientierte
größe träger form umfang Ausrichtung
Ausrichtung Ausrichtung
(2) Beratungsadressaten
Als Beratungsadressaten werden alle Arten von Unternehmen bzw. Organisationen, privat-
oder nicht-privatwirtschaftlicher Natur, verstanden, die Beratungsleistungen beauftragen oder
beauftragen können. Diese Unternehmen bzw. Organisationen lassen sich – ähnlich wie die
Beratungsträger – nach Betriebsgröße, Branche, Rechtsform etc. klassifizieren. Sie bilden die
Zielgruppe der Beratungsträger. Eine gewichtige Zielgruppe können Klein- und Mittelun-
ternehmen (KMU) sein, die sich durch relativ leicht erfassbare quantitative Merkmale wie
Umsatz- und Mitarbeiterzahlen beschreiben lassen. Hier ist dann lediglich die immer wieder
zu Diskussionen führende Unter-, vor allem aber Obergrenze von KMUs zu definieren. Sol-
che quantitativen Merkmale beschreiben allerdings nur Symptome, die – trotz objektiven Be-
darfs – die geringe Nachfrage nach Beratungsleistungen (vor allem IT-Beratung und Nachfol-
geberatung) nicht erklären können. Zumeist handelt es sich dabei um Familienunternehmen,
die sich durch nur schwer erfassbare qualitative Wesensmerkmale (z. B. patriarchalischer
Führungsstil, ausgeprägtes Preisbewusstsein, Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsame
Geisteshaltung sowie Wertestabilität der Unternehmerfamilie) auszeichnen und die zu einer
höheren Beratungsresistenz führen können. Insofern ist es vor allem die Analyse der qualita-
tiven Kriterien, die ein bedarfsgerechtes Beratungsangebot initiieren kann [vgl. HESSELER
2011, S. 25 f.].
Innerhalb eines jeden Unternehmens sind es wiederum verschiedene Zielpersonen, die dem
Berater als Interaktionspartner und Auftraggeber dienen. Solche Zielpersonen sind zumeist
Führungskräfte, die allgemein als Management (Top-Management, mittleres Management)
bezeichnen werden. Entsprechend wird auch häufig der Begriff Managementberatung
(manchmal auch Führungsberatung) verwendet. Führungskräfte lassen sich aber auch in
Form einer konkreten hierarchischen Rolle wie Vorstand, Geschäftsführer, IT-Leiter, Ein-
kaufsleiter, Marketingleiter etc. charakterisieren.
(3) Beratungsobjekt
x Unternehmensführung + Controlling
x Management + Marketing
x Informationsmanagement + Logistik
x Personalmanagement
x Change Management
x Integrative Unternehmensprozesse
x Finanzierung
x Gründung, Entwicklung, Nachfolge
x Sanierung und Insolvenz
x Outplacement
x Öffentlicher Sektor
x Healthcare.
Die Liste der BDU-Fachverbände vervollständigt noch die Personalberatung, die hier aber
nicht Gegenstand der Betrachtung ist.
Warum gibt es die Unternehmensberatung? Was sind ihre Aufgaben? Was ist die Existenzbe-
rechtigung der Beratungsunternehmen? Was macht das Spezifische einer Beratungsleistung
aus? Was erwartet der Kunde, wenn er einen Berater hinzuzieht? Die Beratungsforschung
beantwortet diese Fragen im Wesentlichen mit folgenden sieben Funktionen [vgl.
KRAUS/MOHE 2007, S. 268 und 271 sowie JESCHKE 2004, S. 50 ff.]:
Der erste Beratungstyp, die instrumentelle Beratung, dient dem Kundenunternehmen als
zusätzliche Handlungskapazität. Die instrumentelle Beratungsbeziehung ist somit eine De-
legationsbeziehung, bei der der Berater die Rolle einer externen Stabsabteilung einnimmt.
Dieser Beratungstyp ist durch folgende Funktionen gekennzeichnet:
x Managementfunktion
x Sanierungsfunktion
x Stabsfunktion.
Die konzeptionelle Beratung dient dem Kunden primär als Zusatzexpertise. Sie soll dem
Kundenunternehmen helfen, neue zweckmäßige Problemlösungen zu finden, die sonst außer-
halb des Erfahrungshorizonts des Kunden gelegen hätten. Dieser Beratungstyp ist gekenn-
zeichnet durch eine Sparringsbeziehung und zeichnet sich durch folgende Funktionen aus:
x Interventionsfunktion
x Moderationsfunktion
x Orientierungsfunktion.
Bei der symbolischen Beratung, dem dritten Beratungstyp, nutzt der Kunde die Beratung als
zusätzlichen Urteilsmaßstab. Die symbolische Beratungsbeziehung lässt sich auch als
Schiedsbeziehung auffassen, da das Urteil des Beraters zweckmäßige Handlungsalternativen
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 21
ermöglichen soll, zu deren Auswahl dem Management des Kundenunternehmens allein die
Vertrauensbasis gefehlt hätte. Folgende Funktionen sind Grundlage der symbolischen Bera-
tung:
x Konfirmationsfunktion
x Legitimationsfunktion
x Schlichtungsfunktion.
Abbildung 1-06 liefert einen Überblick über die Beratungsfunktionen im Kontext der drei
Beratungstypen.
Art der
Beratungsbeziehung Delegationsbeziehung Sparringsbeziehung Schiedsbeziehung
• Content-based Consulting
• Experience-based Arbitration-based
Beratungsansatz Capacity-based Consulting Consulting Consulting
• Process-based Consulting
In diesem Kontext sind auch die fünf grundsätzlichen Beratungsansätze von Unternehmens-
beratern aufgeführt. Diese Beratungsansätze sind im Einzelnen [vgl. SOMMERLATTE 2004, S. 2 f.]:
x Capacity-based Consulting. Häufig werden Leistungen, die nicht zur Beherrschung des
laufenden Geschäfts gehören und für die das Unternehmen über keine oder nur geringe
eigenen Kapazitäten verfügt, an Externe verlagert. Berater erfüllen hierbei die Funktion
abrufbarer Bearbeitungskapazitäten. Das Projektmanagement, für das kein eigener Mana-
ger abgestellt werden kann, ist ein typisches Beispiel. Letztlich zählt aber auch die SAP-
Einführungsunterstützung, die aus Kapazitätsgründen zeitlich begrenzt in Anspruch ge-
nommen wird, zu diesem Dienstleistungsansatz, der vorwiegend dem Beratungstyp in-
strumentelle Beratung zuzuordnen ist.
x Content-based Consulting. Bei diesem Ansatz geht es um die Beschaffung von Kennt-
nissen und Expertisen, über die man selber nicht verfügt. Typische Beispiele sind Metho-
denberatung, Benchmarkings, Aufbau eines E-Business-Systems, Customer Relationship
22 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Management etc. Das Content-based Consulting zählt zum Beratungstyp der konzeptio-
nellen Beratung.
x Experience-based Consulting. Hierbei handelt es sich um die Einbringung von Erfah-
rungen bei der Lösung von Aufgaben und Problemen und der Realisierung neuer Vorha-
ben. Dazu zählen insbesondere Restrukturierungsvorhaben, Umgestaltung oder Roll-out
von ERP-Systemen, Akquisitions- und Fusionsvorhaben. Dieser Beratungsansatz wird
ebenfalls überwiegend zum Beratungstyp der konzeptionellen Beratung gezählt.
x Process-based Consulting. Will das Unternehmen schließlich einen beschlossenen Ver-
änderungsprozess unter zuverlässiger, externer Führung realisieren, so werden regelmä-
ßig Berater beauftragt, die sich auf Problemlösungs-, Interaktions- und Moderationsme-
thoden spezialisiert haben. Auch das Process-based Consulting ist ein gutes Beispiel für
die konzeptionelle Beratung.
x Arbitration-based Consulting. Besteht Unsicherheit bei der Bewertung bestimmter Ent-
scheidungen, wird häufig eine neutrale Sichtweise gesucht. In solchen Fällen wird auf das
unabhängige und neutrale Urteil eines externen Beraters gesetzt. Das Arbitration-based
Consulting ist eindeutig dem Beratungstyp der symbolischen Beratung zuzuordnen.
In Abbildung 1-07 sind die verschiedenen Dienstleistungsansätze des Beratungsgeschäfts im
Überblick dargestellt.
Darüber hinaus soll nicht verschwiegen werden, dass es auch gute Gründe geben kann, warum
in manchen Situationen der Einsatz von Unternehmensberatern nicht sinnvoll ist bzw. ernst-
haft in Frage gestellt werden sollte. Hierzu zählen bspw. Situationen, wenn sich der Ruf nach
Beratern so eingebürgert hat, dass kaum noch ein Vorhaben ohne externe Hilfe entschieden
und umgesetzt werden kann. Dadurch verliert die eigene Unternehmensführung an Akzep-
tanz, ja es entsteht bei den Mitarbeitern sogar der Eindruck der Degradierung. Auch in jenen
Situationen, wenn die jeweils laufenden Projekte durch die Berater dazu benutzt werden, im-
mer neue Problemstellungen zu identifizieren und ins Bewusstsein der Kunden zu rücken, um
damit Folgeaufträge zu generieren, ist zumindest Vorsicht seitens der Kundenunternehmen
geboten [vgl. SOMMERLATTE 2004, S. 10 f.].
Das Beratungssystem setzt sich aus Interaktion und Kommunikation von Beratungsträger (Be-
rater) und Beratungsadressat (Kunde bzw. Interessent) zusammen. Das Zusammenwirken
zwischen Beratungsträger und Beratungsadressat ist zugleich maßgebend für den Beratungs-
erfolg. Folgende Teilsysteme des Beratungssystems sind zu unterscheiden [vgl. HESSELER
2011, S. 36 f.]:
Das Beratungssystem im weiteren Sinne setzt sich zusammen aus den Beziehungen zwischen
dem
x Kunden-/Interessentensystem, das aus der Organisation des Kunden insgesamt und vor
allem auch aus der Organisation des Kunden (Interessenten) in der Akquisitionsphase
z.B. als Buying Center (Influencer, Gatekeeper, Decider, Buyer, User) besteht und dem
x Beratersystem im Allgemeinen, das die Organisation des Beratungsunternehmens ins-
gesamt sowie seine vertriebliche Organisation (z. B. in Form eines Selling Centers) in der
Akquisitionsphase meint.
(2) Beratungssystem im engeren Sinne
Das Beratungssystem im engeren Sinne ist eingebettet in das Beratungssystem im weiteren
Sinne und bezieht sich auf die konkrete Systemumgebung des Beratungsprojekts. Es besteht
aus dem
x Kunden-/Auftraggebersystem, das sich aus den in das Beratungsprojekt eingebundenen
Personen des Auftraggebers (Projektleiter, Projektmitarbeiter, User etc.) zusammensetzt
und dem
x Beratersystem, zu dem alle Personen/Berater zählen, die in das Beratungsprojekt einge-
bunden sind (z. B. Projektmanager, Projektmitarbeiter, Berater etc.).
In Abbildung 1-08 sind die entsprechenden Teilmengen und Beteiligte am Beratungssystem
dargestellt.
24 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Beratungssystem i. w. S.
Beratungssystem i. e. S.
Kunden-/ Beratersystem
Interessenten- im Allgemeinen
system
(3) Kunden-Berater-Beziehung
Der Grad der Wechselbeziehung zwischen den Teilsystemen untereinander und der Austausch
der Beziehungen zwischen Beratungssystem und Beratungsumgebung sind ebenfalls Teil des
gesamten Beratungssystems und mitverantwortlich für den letztendlichen Beratungserfolg.
Insert
Kunden-Berater-Beziehung
– Partnerschaft mit Ergebnis- und Umsetzungsverantwortung
Ein Teil des Beratungssystems sind die Erwartungen des Kunden an die beauftragte Leistung.
Werden die Kundenerwartungen erfüllt oder gar übertroffen, spricht man von Kundenzufrie-
denheit. Die Erwartungen des Kunden sind somit der Ausgangspunkt der Beratungsleistung.
Insofern ist es nur konsequent, dass der Berater den Erwartungswert seiner Leistungen hinter-
fragt. Da bei einer Dienstleistung die Erwartungen immer an bestimmte Personen gerichtet
sind, ist es anschaulicher, die Erwartungen an bestimmten Rollen festzumachen und den
Mehrwert dieser Rollen zu hinterfragen. Folgende Rollen sollen hier beispielhaft erläutert
werden [vgl. überwiegend EICHEN/STAHL 2004, S. 3 ff.]:
x Der Irritierende. In der Rolle des Irritierenden unterbricht der Berater Routinen und
stört Bestehendes. Das können Strukturen, Weltbilder, mentale Modelle, soziale Schema-
ta, Einstellungen, Normen oder Regeln sein, kurz alles, was der Berechenbarkeit der Or-
ganisation dient. Seinen Mehrwert stiftet der Irritierende durch Perspektiven, die das
Kundenunternehmen selbst vielleicht nie verfolgt hätte.
x Der Mentor. Mit der Rolle des Mentors verbindet man einen erfahrenen Ratgeber und
Helfer. Er führt das Kundenunternehmen durch schwierige Themen (Markt, Technologie)
und besticht durch das breite Spektrum seiner Kompetenzen. Er hilft, wahrgenommene
Komplexität zu bewältigen. Sein Mehrwert entsteht aus intensiver Beobachtung, aktivem
Zuhören und gemeinsamer Reflexion.
26 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
x Der Konzeptlieferant. Der Konzeptlieferant bietet Werkzeuge (engl. Tools) an, die –
sofern sie zu den Problemen passen – als kostengünstige Lösung einen erheblichen
Mehrwert bieten können. Allerdings ist beim Konzeptlieferanten die Versuchung groß,
dass das Verkaufen der Tools über die Beratung gestellt wird.
x Der Schamane. Der Schamane ist Mittler zwischen der gruppengemeinsamen Alltags-
realität und der transzendenten Welt. Er steht besonders den beiden Problemfeldern von
Organisationen sehr nahe: der Zukunft und der Kultur. Sein Mehrwert kann darin liegen,
dass er die Kräfte jenseits der Ratio zu wecken weiß.
x Der Benchmarker. Benchmarking, d. h. das Lernen von den Besten und das Gucken
über den Tellerrand, ist die ureigene Disziplin des Beraters. Aufgrund seiner Branchen-
kenntnisse verfügt keiner über so viel Benchmark-Know-how wie der Berater. Der
Mehrwert des Benchmarkers liegt darin, dass das Kundenunternehmen Einsicht in das
Wettbewerberumfeld bekommt und von den Besten lernen kann.
x Der Umsetzer. Der Umsetzer stellt sein Handeln über das Denken. Er ist der Macher
unter den Beratern. Im Gegensatz zum Konzeptlieferanten kann das Konzept beim Ma-
cher durchaus auch vom Kunden selbst oder ggfs. auch von anderen Beratern kommen.
Und anders als beim Mentor pocht er auf eine rasche Umsetzung, die den Mehrwert sei-
ner Aktivitäten darstellt.
x Der Spiegel. Von Zeit zu Zeit ist es unumgänglich, dass Organisationen einen Blick in
den Spiegel werfen. Berater halten diesen Spiegel sehr gerne vor, weil sich im Spiegel-
bild einer Organisation immer Abweichungen vom Idealzustand finden lassen. Die Rolle
des Spiegels hat insbesondere den Mehrwert, dass ein Problembewusstsein in der Organi-
sation geschaffen wird.
x Der Legitimator. Häufig gibt es Ideen im Kundenunternehmen, die weder auf fremden
Konzepten beruhen noch einer Umsetzung durch andere bedürfen. Doch da der „Prophet
im eigenen Lande“ nichts zählt, ist es sehr schwierig, solche Ideen umzusetzen. Hier
springt der Berater als Legitimator ein. Sein Mehrwert liegt darin, dass er der Idee oder
dem Projekt seinen guten Ruf leiht.
x Der Change Agent. Unternehmen auf neue Trends und Zukunftsmärkte vorzubereiten,
das ist die Aufgabe von Change Agents. Mit dieser Rolle wird der Berater zum Brücken-
bauer zwischen Wissenschaft und Praxis. Mit seinen profunden IT-Kenntnissen spürt er
neue Entwicklungen auf und hilft dabei, den Anwendungsbezug verständlich zu machen
und diese Trends in Innovationsfelder und neue Produkte zu transferieren.
x Der Zeitarbeiter. Zeitweise geht es den Kundenunternehmen einfach nur darum, vor-
handene Kapazitätsspitzen abzudecken bzw. auszugleichen, ohne gleich neue Mitarbeiter,
die man nach Projektabschluss nicht mehr benötigt, einstellen zu müssen. Hier ist die
Rolle des Beraters als Zeitarbeiter gefragt. Dieser arbeitet zwar nicht konzeptionell, sein
Mehrwert liegt aber in der Beseitigung von Kapazitätsengpässen.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 27
x Der Moderator. Die Rolle des Beraters als Moderator ist mehr auf der Managementebe-
ne angesiedelt. Der Moderator hat nicht den Ehrgeiz und Willen, dem Kunden neues
Wissen beizubringen. Ihm geht es vielmehr um eine neutrale Einflussnahme und Steue-
rung, um Arbeitsgruppen in die Lage zu versetzen, effektiv und effizient zu arbeiten.
x Der Coach. Coaching ist ein Mittel zur Förderung der Entwicklung von Führungskräften
und Mitarbeitern und vereinfacht in der Regel dadurch angestoßene Veränderungsprozes-
se. Der Coach zieht diverse Gesprächstechniken und seine professionelle Erfahrung her-
an, um den Coachee dabei zu unterstützen, dessen gesetzten Ziele zu erreichen.
x Der Gutachter. Der Gutachter wird besonders in Zweifelsfällen herangezogen. Er be-
wertet Geschäftsvorfälle und stellt so etwas wie eine letzte, unumstößliche Instanz dar.
Sein Mehrwert besteht hauptsächlich darin, Projektergebnisse gegenüber einem interes-
sierten Kreis zu plausibilisieren und zu evaluieren.
Bedeutung für
Rolle Wesen Mehrwert
Plan Build Run
Erweitert und verändert
Irritierender Stört Bestehendes +
Perspektiven
Hört zu, regt an, nimmt an Hilft Komplexität zu
Mentor +
der Hand bewältigen
Liefert „kostengünstige“
Konzeptlieferant Bietet Werkzeuge an + +
Lösungen
Weckt Kräfte jenseits der
Schamane Sorgt sich um das Spirituelle +
Ratio
Bringt Einsicht in Wett-
Benchmarker Guckt über Tellerrand + + +
bewerberumfeld
Der „Macher“ unter den
Umsetzer Bringt Dinge in Bewegung +
Beratern
Hilft die „blinden Flecken“ zu
Spiegel Schafft Problembewusstsein +
entdecken
Alle hier aufgeführten Rollen sind nicht überschneidungsfrei und damit häufig auch nicht
isoliert zu sehen. So kann ein Berater durchaus in mehrere Rollen schlüpfen. Ein Change
Agent kann irritieren, spiegeln oder umsetzen. Oder er kann als Mentor, Schamane oder
Legitimator agieren.
In Abbildung 1-09 sind die Beraterrollen nach Wesen, Mehrwert und nach ihrer Bedeutung
im Rahmen des Plan-Build-Run-Modells (siehe Abschnitt 1.4.4) zusammengefasst.
28 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Die Dienstleistungsproduktion in der Beratung, also die Erstellung der Problemlösung, ist ein
Prozess, der durch einige Besonderheiten charakterisiert ist. Ein Kennzeichen ist die Unbe-
stimmtheit des Erstellungsprozesses, die unmittelbaren Einfluss auf den Phasenverlauf einer
Beratung ausübt. Die Interdependenzen zwischen Unbestimmtheit und Phasenkonzept des
Beratungsprozesses sollen im Folgenden aufgezeigt werden.
x der Input,
x der Transformationsprozess (individuelle Beratungstechnologien sowie Wirkung der Zu-
sammenarbeit zwischen Berater und Kundenunternehmen) und
x der Output [vgl. SCHADE 2000, S. 88].
Eine Besonderheit bei Beratungsprozessen ist nun, dass diese Bestandteile in der Regel inde-
terminiert sind, d. h. die Komponenten der Dienstleistungsproduktion im Beratungsbereich
können noch verschiedene, im Voraus nicht bekannte Ausprägungen annehmen und sind da-
her in hohem Maße unbestimmt [vgl. SCHADE 2000, S. 88 ff. und GERHARD 1987, S. 105 ff.]:
x Die Unbestimmtheit des Inputs ist u. a. darin begründet, dass möglicherweise bestimmte
Informationen, die für den Projektverlauf von Bedeutung sind, bei Projektbeginn noch
nicht bekannt sind bzw. vorliegen oder auch (sowohl auf der Berater- als auch auf der
Kundenseite) zurückgehalten werden.
x Die Indeterminiertheit des Transformationsprozesses ist in erster Linie auf die hohe
Flexibilität der Beratungsdurchführung, auf die Unwägbarkeiten bei der Zusammenarbeit
zwischen Kunden- und Beraterteams, auf Einflüsse des Umfeldes sowie auf mögliche Er-
kenntniszuwächse während des Projektablaufs zurückzuführen.
x Die Unbestimmtheit des Outputs ist wiederum Folge des indeterminierten Inputs und des
flexiblen Transformationsprozesses, d. h. auch der Output kann ex ante nicht exakt ge-
plant werden, wenn Input und Transformationsprozess unbestimmt sind.
Die Unbestimmtheit des Beratungsprozesses kann sich negativ, aber auch positiv auf den Be-
ratungsauftrag auswirken. Die negative Sicht besteht darin, dass der Transformationsprozess
schlecht steuerbar ist. Die positive Sicht bezieht sich auf den Vorteil einer höheren Flexibi-
lität.
Prozessschritten besteht und damit einem Modellvorschlag von SCHADE [2000] sehr ähnelt,
als Grundlage für die Diskussion der Prozess-Perspektive dienen:
x Akquisitionsphase mit den Prozessschritten Kontakt und Information und Angebots- und
Vertragsgestaltung
x Analysephase mit den Prozessschritten Ist-Analyse und Zielformulierung
x Problemlösungsphase mit den Prozessschritten Soll-Konzept und Realisierungsplanung
x Implementierungsphase mit den Prozessschritten Realisierung/Umsetzung und Evaluie-
rung/Kontrolle.
Das so beschriebene Phasenmodell (siehe Abbildung 1-10) zeichnet sich gegenüber anderen
Modellansätzen dadurch aus, dass hier die Akquisitionsphase, deren Aktivitäten in aller Regel
nicht fakturiert werden können, mit zum Beratungsprozess gezählt wird. Das Prozessmodell
hat u. a. die Aufgabe, der oben skizzierten Unbestimmtheit des Beratungsprozesses und den
damit verbundenen Informationsproblemen gerecht zu werden. Konkret bedeutet dies, dass
das Kundenunternehmen nach Abschluss einer Phase die zusätzliche Option hat, das Bera-
tungsunternehmen zu wechseln oder insgesamt aus dem Projekt auszusteigen. Das führt dann
in der Praxis dazu, dass ein großer Prozentsatz der so definierten Beratungsprojekte naturge-
mäß bereits nach der Akquisitionsphase beendet ist, da das Beratungsunternehmen den Zu-
schlag nicht erhält.
*** ****
**
*
Prozess- Akquisitionsphase- Analyse- Problemlösungs- Implementierungs-
phase phase phase phase phase
Angebots-
Prozess- Kontakt- und
und Vertrags- Ist-Analyse
Ziel-
Soll-Konzept
Realisierungs- Realisierung/ Evaluierung/
schritt Informations formulierung planung Umsetzung Kontrolle
gestaltung
* Der häufigste Fall ** Manchmal bleibt es dabei *** Vielfach noch die Regel **** Trend
Innerhalb der fakturierten Phasen kommt es durchaus vor, dass das Projekt bereits nach der
Analysephase beendet wird. Sehr viel häufiger ist aber ein Projektende nach Abschluss der
Problemlösungsphase anzutreffen. So sind in der Praxis immer wieder Kundenunternehmen
anzutreffen, die für den strategischen Teil eines Projektes eine Managementberatung und
für die Realisierung eine Umsetzungsberatung (engl. Transformation Consulting) beauftra-
30 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Ein weiterer Aspekt der prozessbezogenen Perspektive ist die Unterscheidung zwischen In-
halts- und Prozessberatung. Bei der inhaltsbezogenen Beratung besteht die Aufgabe des Bera-
ters zumeist darin, die inhaltliche Lösung eines Problems zu entwickeln und dem Kundenun-
ternehmen in Form eines Gutachtens zur Implementierung zu übergeben. Durch die Einbin-
dung inhaltsorientierter Berater erlangt der Kunde unmittelbaren Zugriff zu neuem Wissen
und einen Vorschlag zur Problemlösung. Der Berater nimmt somit die Rolle eines Lösungs-
finders ein. Im Gegensatz dazu wird in der Prozessberatung die inhaltliche Lösung des zu-
grunde liegenden Problems von der Kundenorganisation selbst entwickelt und implementiert.
Der Berater übernimmt in diesem Fall lediglich die Moderatorfunktion und bringt Methoden
und Denkweisen in den Prozess ein. Bei der prozessorientierten Beratung geht es also letztlich
darum, die Lernfähigkeit der Kundenorganisation zur selbständigen Findung von Problemlö-
sungen zu entwickeln (Transferfunktion). In der Praxis wird es im Rahmen eines Beratungs-
projektes häufig zu einer Vermischung beider Beratungsarten kommen [vgl. BAMBERGER/
WRONA 2012, S. 16 ff.].
Abbildung 1-11 macht die „inflationäre“ Entwicklung der Beratungs- bzw. Management-
ansätze deutlich.
Ideen und Konzepte reichen allerdings nicht aus, um konkrete Aufträge bearbeiten zu können.
Hierzu bedarf es spezifischer Beratungsmethoden, also bestimmter Verfahren, die dazu ge-
eignet sind, die in den Beratungskonzepten propagierten Ideen zu operationalisieren. Dabei
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 31
stehen dem Berater grundsätzlich zwei Vorgehensweisen zur Verfügung: Er kann für jeden
Kunden einen individuellen Lösungsweg entwickeln oder auf standardisierte Problemlö-
sungsverfahren zurückgreifen. Bei einer individuellen Problemlösung wird – salopp formu-
liert – das Rad in jedem Projekt aufs Neue erfunden, während bei einer standardisierten Lö-
sung bewährte Aktivitätsfolgen (Routinen) auf ein nächstes Projekt übertragen und genutzt
werden. Bei der Standardisierung greift der Berater zur Problemlösung auf ein vorstrukturier-
tes methodisches Instrumentarium im Sinne eines Methodenbaukastens (engl. Toolbox) zu-
rück. Tools sind standardisierte Analyse-Werkzeuge, die zu teilstandardisierten Beratungsleis-
tungen führen. Beispiele sind die Wettbewerbsanalyse nach PORTER, das Lebenszykluskon-
zept, Portfoliomodelle oder die funktionale Stärken-/Schwächenanalyse [vgl. FINK 2009a, S.
7 f.].
Management- bzw.
Beratungsansätze
Mobilisation
Comp. Intelligence
Six-Sigma
1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
Die Vorteile standardisierter Beratungsmethoden liegen zunächst in der Verkürzung der Bera-
tungsdauer und damit in der Senkung der Beratungskosten, ohne dass es zu (nennenswerten)
Qualitätseinbußen kommt. Standardisierte Beratungsleistungen weisen zudem eine ver-
gleichsweise geringe Personenbindung auf, so dass neue Mitarbeiter schneller eingearbeitet
und kreative Fähigkeiten an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden können. Standardisier-
te Beratungsleistungen lassen sich darüber hinaus leichter positionieren und kommunizieren
als individuelle Leistungen. Auf diese Weise ist bei den Beratungsunternehmen eine Vielzahl
von standardisierten Beratungsprodukten entstanden. Beratungsprodukte sind die ausge-
prägteste Form der Standardisierung und ermöglichen es dem Berater, für bestimmte Pro-
blemlösungen eine Art „Marke“ aufzubauen und sich vom Wettbewerb abzuheben. Beispiele
dafür sind die Gemeinkostenwertanalyse (GWA) von MCKINSEY, die 4-Felder-Matrix der
BOSTON CONSULTING GROUP oder das Economic Value Added-Modell (EVA) von STERN
STEWART [vgl. RÜSCHEN 1990, S. 53, SCHADE 2000, S. 254 und FINK 2009a, S. 8].
32 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Die Nachteile standardisierter Beratungsansätze können darin gesehen werden, dass sie zu-
meist erhebliche Forschungs- und Entwicklungskosten verursachen und zudem Konjunktur-
und Modezyklen unterliegen. Beratungsprodukte folgen einem ausgeprägten Lebenszyklus
und veralten in aller Regel schneller als eine Beratungsspezialisierung auf Branchen oder
Funktionsbereiche [vgl. FINK 2009a, S. 7 f. und SCHADE 2000, S. 263].
Abbildung 1-12 versucht Beratungskonzepte, -methoden und -produkte anhand von Charakte-
ristika und Beispielen voneinander abzugrenzen.
Abb. 1-12: Charakteristika und Beispiele für Beratungskonzept, -methode, und -produkt
[in Anlehnung an FINK 2009a, S. 7 ff.]
Eine aus Sicht der Institutionenökonomik grundlegende Unterscheidung ist die in Austausch-
güter und Kontraktgüter. Diese Differenzierung, die auf KAAS [1992a] zurückgeht, ist wichtig
für die Beschreibung und das Verständnis der Dienstleistung Unternehmensberatung. Aus-
tauschgüter sind fertige, standardisierte Produkte, die auf Vorrat gefertigt werden. Im Ge-
gensatz dazu liegen bei Kontraktgütern zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Leistun-
gen noch nicht vor, d. h. das Kontraktgut existiert zum Zeitpunkt des Kaufes noch gar nicht.
Daher kann die Qualität und die Eignung von Kontraktgütern für die Lösung des Kunden-
problems häufig nur unzureichend eingeschätzt werden. In der Regel handelt es sich dabei um
hochspezifische und komplexe Leistungen. Beratungsleistungen zählen in geradezu idealtypi-
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 33
scher Weise zu solchen Kontraktgütern [vgl. SCHADE 2000, S. 26 f. unter Bezugnahme auf
ALCHIAN/WOODWARD 1988 und SCHADE/SCHOTT 1993].
x Property-Rights-Theorie
x Principal-Agent-Theorie
x Transaktionskostentheorie
x Informationsökonomik.
(1) Property-Rights-Theorie
Die Property-Rights-Theorie setzt sich – angesichts der Knappheit von Gütern – mit der Re-
gelung von Handlungs- und Verfügungsrechten über Ressourcen auseinander. Die Theorie
besagt, dass nicht die physischen Eigenschaften eines Gutes, sondern die bestehenden Rechte
an diesem Gut und seiner Nutzung für dessen Wert und Austauschrelation maßgeblich sind.
Somit beschäftigt sich dieser Ansatz mit der Übertragung von Rechten, ein Gut zu benutzen,
dessen Form zu verändern, sich den Ertrag aus der Nutzung zu sichern und die genannten
Rechte zu veräußern [vgl. GÜMBEL/WORATSCHEK 1995, Sp. 1010 f.].
Die Handlungs- und Verfügungsrechte zwischen Berater und Kunde werden durch Bera-
tungsverträge geregelt. Ihre Gestaltung ist eine zentrale Aufgabe der Angebots- und Vertrags-
gestaltung (siehe Abschnitt 3.6.7). Besonders bei Beratungsleistungen, die in der Zusammen-
arbeit zwischen Berater und Kundenunternehmen entstehen, kann es zu Zurechnungsproble-
men kommen. Hier kann die Property-Rights-Theorie als ein Instrument der Analyse und Ef-
fizienzbeurteilung von Beratungsverträgen zu definierten Leistungsversprechen und den da-
mit verbundenen Verfügungsrechten ebenso herangezogen werden wie zur Begrenzung der
Gefahren individueller Nutzenmaximierung durch opportunistisches Verhalten [vgl. JESCHKE
2004, S. 141 f.].
Für das Kundenunternehmen ist die zentrale Frage, wie es seine spezifischen Investitionen vor
opportunistischem Verhalten der Berater schützen kann. Hierfür bieten sich vier Institutionen
an [vgl. KAAS/SCHADE 1995, S. 1072]:
(2) Principal-Agent-Theorie
Aus der Sicht der Principal-Agent-Theorie, die auch maßgebend für die Entwicklung des
Kontraktgütermarketings ist, wird ein Beratungsprojekt als Kooperation zwischen Prinzipalen
(= Kunde) und Agenten (= Berater) aufgefasst. Dabei geht es für den Kunden darum, gemein-
sam „mit dem Beratungsunternehmen vertragliche Regelungen zu finden, die neben der Defi-
nition konkreter Beratungsziele auch Reaktionsformen auf nicht erwartete Entwicklungen
eines Beratungsprojekts festschreiben sowie Vertragsbestandteile zu vereinbaren, die ein Be-
ratungsunternehmen durch Vertragsstrafen oder erfolgsorientierte Honorarzahlungen an dem
Risiko sowie den Chancen eines Beratungsprojekts beteiligen“ [JESCHKE 2004, S. 146].
Allerdings ist die Anreiz- und Kontrollstruktur bei der Durchführung von Beratungsprojekten,
an denen ja zum Teil (ganze) Teams sowohl auf der Kunden- als auch auf der Beraterseite
beteiligt sind, häufig wesentlich komplizierter als die Delegationsbeziehung zwischen einem
einzelnen Agenten und einem einzigen Prinzipal, die in den klassischen Agency-Modellen
unterstellt wird. Dies ist vor allem auf das Informationsparadoxon zurückzuführen. Dies be-
sagt, dass der Kunde den Nutzen einer Beratungsleistung erst dann beurteilen kann, wenn er
diese in Anspruch genommen hat. Eine Rückgabe der Beratungsleistung bei Unzufriedenheit
ist nicht möglich [vgl. SCHADE 2000, S. 47 und 51].
(3) Transaktionskostentheorie
Der Kerngedanke des Transaktionskostenansatzes ist die effiziente Bewertung und Koordi-
nation dauerhafter Austauschbeziehungen („Transaktionen“), wobei ökonomische Fragestel-
lungen als Probleme der Aushandlung und Durchsetzung von Verträgen formuliert werden.
Transaktionskosten können in externe Kosten (Kosten der Marktinanspruchnahme) und in
interne Kosten (Kosten der Organisationsnutzung) unterteilt werden. Überwiegen für die
Transaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten die externen Transaktionskosten, so entstehen
Unternehmen. Insofern versucht man mit dem Transaktionskostenansatz auch die Existenz
von Unternehmen und Märkten zu erklären. Die Entscheidung eines Unternehmens für oder
gegen den Einsatz eines externen Beraters ist bspw. eine typische Make-or-Buy-Entscheidung
[vgl. GÜMBEL/WORATSCHEK 1995, Sp. 1013 f.].
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung 35
(4) Informationsökonomik
In Abbildung 1-13 sind die Beziehungen zwischen den einzelnen Teildisziplinen der (Neuen)
Institutionenökonomik dargestellt.
Neoklassik
Neue
Institutionenökonomik
Rechtskomponente Bewertungskomponente
Informations- Transaktionskosten-
Property Rights
ökonomik ansatz
Spezialfall:
Principal-Agent-
Ansatz
x Initialisierung
x Professionalisierung
x Internationalisierung und Differenzierung
x Boom und Überhitzung
x Konsolidierung und Erholung.
Die wesentlichen Eckpfeiler und Firmengründungen in diesen Phasen sind in Abbildung 1-14
dargestellt.
Marktvolumen Konsolidierung
(stilisiert) und Erholung
Boom und Überhitzung
1962 1969
ADV/ORGA KPMG
1914 CONSULTING3 Restruk-
BOOZ & 1957 1989 turierung
COMPANY MBP 1967 ACCENTURE4
ROLAND 1978
BERGER IKOSS
1926 1946
MCKINSEY PLAUT 1962 1969
BCG SCS
1886 1945
ARTHUR D. 1926 KIENBAUM 1958 1967 1973
LITTLE1 A.T. DIEBOLD CAPGEMINI2 BAIN
KEARNEY
Als Geburtsstunde der heutigen Unternehmensberatung gilt das Jahr 1886. Es ist das Grün-
dungsjahr der Firma ARTHUR D. LITTLE, die sich später zu einer Managementberatung im
heutigen Sinn entwickelte und allgemein als das älteste Beratungsunternehmen gilt. 1886 ist
aber auch das Gründungsjahr von Unternehmen, die heute noch Weltgeltung haben: SEARS
ROEBUCK, COCA COLA und JOHNSON & JOHNSON. Begonnen hatte der Bostoner Chemiker
ARTHUR DEHON LITTLE gemeinsam mit seinem Partner ROGER GRIFFIN zunächst mit chemi-
schen und technischen Analysen von Farben, Ölen, Fetten, Seifen und Nahrungsmitteln, bevor
es dann – viele Jahre später – auch betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen anbot. So
nimmt neben ARTHUR D. LITTLE auch die 1914 in Chicago als Spezialist für Marktstudien
gegründete Firma BOOZ & COMPANY für sich in Anspruch, das älteste Beratungsunternehmen
zu sein. Es ist historisch gesehen allerdings kaum möglich, den Beginn der Initialisierungs-
phase exakt festzulegen. Auch andere Pionierunternehmen wie MCKINSEY oder A. T.
KEARNEY, die das Feld der Managementberatung in den 1920er erschlossen und später ab den
1930er Jahren dominieren sollten, gingen nahezu ausnahmslos aus kleinen Partnerschaften
und Kanzleien hervor [vgl. FINK 2009a, S. 14 f. und FINK/KNOBLACH 2006, S. 38].
Mit Beginn der anschließenden Professionalisierungsphase hat ein Datum eine besondere
Bedeutung erlangt: Am 9. April 1930 erschien in der BUSINESS WEEK ein Artikel, der die Le-
ser des Magazins zum ersten Mal auf eine neue Branche hinwies. JAMES O. MCKINSEY, Wirt-
schaftsprofessor an der University of Chicago, wies in dem Beitrag darauf hin, dass ein neuer
Typ des Management-Helfers benötigt werde, der die Unternehmen sicher durch das Dickicht
professioneller Dienstleistungen führen könne – der Management Consultant. Doch die Ma-
nagementberater dieser Zeit verzeichneten noch verhaltene Wachstumsraten. Der Grund lag
darin, dass Beratungsleistungen in den USA zunächst eine Domäne der Banken war. Das soll-
te sich ab 1933 ändern. Die US-Regierung reagierte auf den großen Börsencrash mit einem
Verbot der Universalbanken. Mit dieser gesetzlichen Trennung von Geschäfts- und Invest-
mentbanken war es den Banken nun nicht mehr möglich, ihre bisherigen betriebswirtschaftli-
chen Beratungs- und Reorganisationsaktivitäten fortzuführen. In der Folge prosperierte das
Geschäft vieler junger Beratungsfirmen, da sich die Kundenunternehmen mit entsprechenden
Aufgabenstellungen nun nicht mehr an die Banken, sondern an Berater wandten. Während des
zweiten Weltkriegs übernahmen viele Berater Projekte der amerikanischen Regierung bzw.
der US Navy. Inhaltlich betätigten sich Berater wie FREDERICK TAYLOR und viele Nachfolger
als externe Experten für Effizienz im Arbeitsprozess. Im Mittelpunkt standen Zeit- und Be-
wegungsstudien, mit denen sie Arbeitsabläufe analysierten und die Wirtschaftlichkeit vieler
Unternehmen verbesserten [vgl. MCKENNA 1995, S. 51 ff.].
In den 1950er Jahren wurde diese Form der Unternehmensberatung, die sich vornehmlich an
die Fertigungsbereiche produzierender Unternehmen wandte, durch Beratung abgelöst, die
sich auf die Unternehmensorganisation als Ganzes sowie auf strategische Fragen konzentrier-
ten. Auf der Grundlage dieses ganzheitlichen Ansatzes bildete sich in der Beratungsbranche
eine klare Hierarchie heraus, die von drei Unternehmen angeführt wurde: BOOZ, ALLEN &
HAMILTON sowie CRESAP, MCCORMICK & PARTNER und MCKINSEY & COMPANY. Alle drei
Firmen hatten ihren Ursprung in Chicago, alle drei Firmen rekrutierten ihre Nachwuchskräfte
unter den besten Absolventen der HARVARD BUSINESS SCHOOL [vgl. FINK 2004, S. 7 und
ARMBRÜSTER/KIESER 2001, S. 689].
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche 39
Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre begannen die führenden US-Managementberatun-
gen ihre Aktivitäten auch auf den europäischen Markt auszuweiten. Im Zuge dieser Interna-
tionalisierung von Beratungsleistungen stießen sie in Deutschland auf bis dahin insgesamt
2.000 bis 3.000 Berater und damit auf keinen nennenswerten Wettbewerb (siehe Abbildung 1-
03). Einzig die Unternehmensberatung KIENBAUM, die im Oktober 1945 von GERHARD KIEN-
BAUM in Gummersbach gegründet wurde, verfügte bereits 1960 über mehrere Geschäftsstel-
len im Bundesgebiet und ein Auslandsbüro in Wien. Die verzögerte Entwicklung des europäi-
schen Beratungsmarktes und die dadurch immer noch geringe Beratungsintensität ist vor-
nehmlich auf folgende Gründe zurückzuführen [vgl. BERGER 2004, S. 2]:
Der eigentliche Durchbruch gelang allerdings nicht mit Systemsoftwareprodukten, die zu die-
ser Zeit von den Hardwareherstellern immer noch im Bundling (also zusammen mit der
Hardware) angeboten wurden, sondern mit Anwendungssoftwareprodukten wie R/2 bzw. R/3
von SAP [vgl. LEIMBACH 2011; S. 373 ff.].
Später gesellte sich die SCS (Scientific Control Systems) dazu, die von der BRITISH PETROL
(BP) 1969 in Hamburg ins Leben gerufen wurde. Diese „Großen Drei“ dominierten in den
1970er Jahren die DV-Beratungsszene und waren nahezu auf jeder „Short List“ für größere
Planungs- und Realisierungsaufträge in der boomenden Datenverarbeitung vertreten. Doch
trotz dieser Erfolge wuchs der Beratungsmarkt in Deutschland von 1970 bis 1980 um ledig-
40 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
lich 1.500 auf 5.000 Berater. Dagegen hat sich die Anzahl der Berater von 1980 bis 2012 um
das 19-Fache auf rund 95.000 erhöht (siehe Abbildung 1-15).
Langfristig konnten sich die drei großen DV-Dienstleister der 1970er Jahre (MBP,
ADV/ORGA und SCS) allerdings nicht durchsetzen. Das hing vornehmlich damit zusammen,
dass sich diese Unternehmen sowohl im IT-Beratungsgeschäft mit Schwerpunkt Individual-
softwareentwicklung als auch im Standardsoftwaregeschäft, das sich zunehmend als höchst
attraktives Geschäftsfeld entwickelte, gleichermaßen positionieren wollten. Da beiden Ge-
schäftsarten sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle zugrunde liegen, gerieten diese Anbieter
mehr und mehr zwischen die Stühle. Unternehmen, die diese „Stuck-in-the-middle“-Position
vermieden, waren die Gewinner. Zu ihnen zählten auf der einen Seite die „reinen“ Software-
häuser wie SAP oder die SOFTWARE AG, die sich ausschließlich auf die Entwicklung und
Vermarktung von Standardsoftware konzentrierten, und auf der anderen Seite die von den
großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften ins Leben gerufenen IT-
Beratungsabteilungen, die sich wiederum in der Hauptsache auf die Einführung der großen
Anwendungssoftwaresysteme (vor allem der SAP) konzentrierten und sich aus der Standard-
softwareentwicklung vollständig heraushielten [vgl. LIPPOLD 1998, S. 259].
Anzahl Berater
100.000 95.150
91.200
90.000
85.600 87.350
80.000 84.600
78.200
70.000 68.500 73.000
60.000
50.000 46.900
40.000
30.000
20.000
3.500 5.000
10.000 2.500
1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Jahr
Insert
Softwarehäuser und Berater
– zwischen Spezialisierung und Generalisierung
SOFTLAB. Zu den Unternehmen, die ähnlich wie MBP PSI. Im Gegensatz dazu war die heutige PSI AG, die
und ADV/ORGA eher eine hybride Strategie verfolg- 1969 von sechs ehemaligen Mitarbeitern der AEG als
ten, zählt SOFTLAB. 1971 von KLAUS NEUGEBAUER, Gesellschaft für Prozesssteuerung und Informations-
GERHARD HELDMANN und PETER SCHNUPP aus priva- systeme gegründet wurde, von Beginn an als Dienst-
ten Mitteln gegründet, arbeitete das Unternehmen leistungsunternehmen mit einem deutlichen Schwer-
anfänglich vor allem als IT-Dienstleister für Groß- punkt für System- und Softwareentwicklung und
unternehmen in München. Im Vordergrund standen weniger Organisationsberatung positioniert. Doch
dabei Unteraufträge von SIEMENS zur Entwicklung nicht nur in der Schwerpunktsetzung „Industrieauto-
von Software. Besonders hilfreich war hierbei ein für matisierung“, sondern auch in einem anderen
den Eigenbedarf konzipiertes Softwareprogramm, Bereich unterschied sich die PSI von vielen Unter-
das die Softwareentwickler in die Lage versetzte, die nehmensberatungen: Geprägt von der enttäuschen-
meisten Entwicklungsschritte direkt am Terminal- den Erfahrung der Firmengründer mit der Struktur
Arbeitsplatz durchzuführen. Dies führte zu einer deut- eines Großkonzerns und beeinflusst vom Zeitgeist
lichen Steigerung der Produktivität. Ursprünglich der späten 1960er Jahre in Berlin, verschrieb sich
noch als Programm-Entwicklungs-Terminal-System das Unternehmen der gleichberechtigten Behandlung
(PET) bezeichnet, gelang es ab Ende der 1970er aller Mitarbeiter. Dementsprechend wurde ein Gesell-
Jahre, diese Entwicklungsumgebung als PET/ schaftsvertrag erarbeitet, der neben Kapital- und
MAESTRO auch in den USA erfolgreich zu vermark- Erfolgsbeteiligung auch die Mitbestimmung und die
ten. Doch trotz dieses Erfolges blieb SOFTLAB vor Aufnahme neuer Mitgesellschafter regelt. So wurde
allem ein IT-Dienstleistungsunternehmen, das 1992 eine Unternehmensstruktur etabliert, die durch
von BMW als Alleingesellschafter übernommen und verschiedene Gremien wie Gesellschafterversamm-
2008 auf die CIRQUENt GmbH verschmolzen wurde. lung, Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Manage-
Im selben Jahr gingen die Mehrheitsanteile an die mentversammlung genossenschaftliche Züge auf-
japanische NTT DATA. wies. Die geschäftliche Organisation gliederte sich im
Lauf der Zeit in die zwei Schwerpunktbereiche Ener-
PLAUT. Als interessantes Beispiel für eine Unterneh- gie und Industrie. Im Industriesegment stand vor
mensberatung, die auch IT-Dienstleistungen anbietet, allem die Konzeption und Entwicklung von Software
kann die Organisation PLAUT angeführt werden. für den Einzel- und Auftragsfertiger im Vordergrund.
Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1946 von 1986 erfolgte die Markteinführung des Standard-
HANS-GEORG PLAUT, der mit seinen Arbeiten zur softwareprodukts PIUSS-O für den Bereich der Pro-
Durchsetzung der modernen Grenz- und Plan- duktionsplanung und -steuerung. Im Bereich Energie
kostenrechnung einen wichtigen Beitrag zur Ent- fokussierte sich PSI auf die Konzeption und Ent-
wicklung der Unternehmensberatung und Betriebs- wicklung von Steuerungssystemen. Somit gelang es
wirtschaft geleistet hatte. PLAUT erkannte die Mög- dem Unternehmen, mit einer eher ungewöhnlichen
lichkeiten der Datenverarbeitung für seine Zwecke, Gesellschaftskonstruktion und einer starken Fokus-
denn oftmals wurde der Einsatz dieser Verfahren erst sierung auf Prozesssteuerung eine erfolgreiche
durch die Nutzung von Datenverarbeitungstechno- Position im Markt zu besetzen.
logien ermöglicht. So fanden die betriebswirtschaft-
lichen Konzepte von PLAUT Eingang in die SAP Soft- IKOSS und ACTIS. Die in Stuttgart gegründeten
ware. Heute ist das Unternehmen mit rund 200 Firmen IKOSS and ACTIS waren Spin-Offs der
Mitarbeitern Installationspartner von SAP. Universität Stuttgart. Die Geschäftsidee von IKOSS
beruhte auf den Arbeiten von JOHN ARGYRIS zur
EDV STUDIO PLOENZKE. Eine eher gemischte Stra- Theorie der finiten Elemente. Die darin verwendeten
tegie verfolgte anfänglich das 1969 von KLAUS C. numerischen Methoden zur Berechnung von
PLÖNZKE, einem Mitarbeiter der IBM, gegründete Flugzeugflügelfestigkeiten und die dazu entwickelten
EDV STUDIO PLOENZKE. Während in den 1970er Programme fanden in der Luft- und Raumfahrtin-
Jahren das Angebot von der Datenerfassung, der dustrie großes Interesse. 1978 übernahmen ein
Beratung bei der Konzeption und Implementierung norwegischer Wirtschaftsprüfer als stiller Teilhaber
von DV-Systemen über die Programmierunter- sowie PETER BEYER als Geschäftsführer das Unter-
stützung bei Individualprojekten bis hin zum Angebot nehmen. In der Folge erweiterte BEYER das Tätig-
eigener Softwarepakete reichte, änderte sich dieses keitsspektrum durch organisches Wachstum sowie
Bild zu Beginn der 1980er Jahre deutlich. So posi- durch Übernahmen. Doch dieses Wachstum schuf
tionierte sich das Unternehmen als IT-Dienstleister, letztlich auch Probleme, da die Eigenkapital-
der sich vor allem auf Beratung und Unterstützung entwicklung trotz der guten geschäftlichen Entwick-
von individuellen Kundenprojekten für kommerzielle lung nicht mithalten konnte. Demgegenüber hatte
Anwendungen konzentrierte. Die eigenen Software- sich die von GÜNTHER STÜBEL gegründete ACTIS, ein
programme hatte man vom Markt zurück genommen Akronym für Angewandte Computertechnik und
und im Gegenzug spezialisierte man sich auf die Informationssysteme, von Beginn klar auf die kom-
Beratung und Unterstützung bei der Auswahl und merzielle Datenverarbeitung spezialisiert. Eine weite-
Anpassung anderer Softwarepakete. Von 1995 bis re Besonderheit war auch die Anwendung des EDI-
1999 verkaufte PLÖNZKE sein Unternehmen sukzes- Qualitätsstandards. Beide Unternehmen – IKOSS
sive an die amerikanische Computer Sciences Cor- und ACTIS – wurden 1994 von der französischen
poration (CSC). SLIGOS-Gruppe (heute: ATOS) übernommen.
Die BCG – 1962 in Boston gegründet – vertraute auf gut ausgebildete Berater. Im Gegensatz
zu den meisten Wettbewerbern, die einen Ansatz als Generalist verfolgten, versuchten die
BCG-Berater nicht, vorgefertigte Managementmethoden auf die spezifische Situation eines
Kunden zu übertragen. Vielmehr wurde jedes Kundenproblem grundlegend analysiert und –
gemeinsam mit dem Kunden – individuell gelöst. Der Berater wurde zum Partner des Kunden,
Problemlösungen wurden in gemeinsamen Teams erarbeitet. „Soft skills“ wie Präsentations-
und Moderationstechniken gewannen an Bedeutung [vgl. FINK 2009b, S. 12].
zerschlagen wurden, gelöst und firmiert heute mit seinen weltweit über 220.000 Mitarbeitern
unter dem Namen ACCENTURE [vgl. FINK 2009a, S. 25 f.].
Die Entstehung der Europäischen Union, die Globalisierung der Wirtschaft sowie die Mög-
lichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und die damit verbun-
dene Restrukturierung ganzer Branchen – nicht zuletzt auch im Auftrag der TREUHANDAN-
STALT im wiedervereinigten Deutschland – führten in den 1990er Jahren zu einem prosperie-
rendem Geschäft für die Beratungsbranche. Auf diesen Veränderungsdruck reagierten die
Consultingunternehmen mit innovativen Ansätzen wie Portfoliomanagement oder Business
Process Reengineering [vgl. BERGER 2004, S. 7].
konnte, wuchs die deutsche Wirtschaft im gleichen Zeitraum lediglich um jährlich drei Pro-
zent.
Als die Börsenblase platzte und die Weltwirtschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends in eine
tiefe Krise fiel, hatte auch die Beratungsbranche dieser Entwicklung wenig entgegenzusetzen.
Im Gegenteil, führende Consulting-Firmen mussten erhebliche Umsatzeinbußen und z. T.
sogar Verluste hinnehmen. Sie wurden von ausbleibenden Aufträgen, von Budgetkürzungen
und von vorübergehenden Vertrauensverlusten hart getroffen (siehe Abbildung 1-18). Der
Wegfall der Euro- und der Jahrtausend-Umstellungsprojekte konnte nicht durch neue Projekte
kompensiert werden. Für viele Beratungsunternehmen war dies eine völlig neue Erfahrung.
Nun galt es, entsprechende Strategien, die den Kundenunternehmen in solchen Situationen
immer wieder aufgezeigt wurden, für das eigene Unternehmen umzusetzen [vgl. FINK 2009a,
S. 26].
Die ersten Maßnahmen zielten auf den nachhaltigen Abbau von Kapazitäten. Da die Bera-
tungsunternehmen bezüglich der Unternehmensgröße quasi mit ihren Mitarbeitern „atmen“,
wurde innerhalb kürzester Zeit die auf Hochtouren laufende Rekruting-Maschine abgestellt
und ein Einstellungsstopp verkündet. Gleichzeitig wurde in den größeren Beratungseinheiten
ein Großteil der in der Probezeit befindlichen Mitarbeiter gekündigt.
Neben den wirtschaftlichen Zwängen kam der Druck zur Konsolidierung aber noch aus einer
anderen Richtung: Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC hatte wiederholt die Un-
vereinbarkeit von Prüfung und Beratung angemahnt. Um hier nicht in einen Zugzwang zu
geraten, trennten sich die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von ihren Beratungstöch-
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche 45
tern. So übernahm CAPGEMINI die Beratungssparte von ERNST & YOUNG mit weltweit rund
18.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 3,6 Mrd. Euro. PRICEWATERHOUSECOOPERS
verkaufte seine Tochter PWC CONSULTING mit rund 30.000 Beratern an IBM, nachdem zuvor
eine Übernahme durch HEWLETT PACKARD und auch ein IPO gescheitert waren. KPMG
schließlich führte ein Management-Buy-Out für seine Consulting-Tochter unter dem neuen
Namen BEARINGPOINT durch.
Aber auch im Bereich der Strategieberatung machte sich die Erholung der Wirtschaft be-
merkbar. Die Industrie investierte wieder vermehrt in Wachstums- und Effizienzprojekte.
Hinzu kamen erhöhte Aktivitäten im Mergers & Acquisitions-Bereich – seit je her eine Do-
mäne der Strategieberater in enger Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfern. Im Vorder-
grund der Erholungsphase standen Maßnahmen, die einen messbaren ökonomischen Nutzen
für das Kundenunternehmen liefern. Wertorientierung und damit die Identifizierung der er-
folgsrelevanten Werttreiber in Verbindung mit einer starken Prozessorientierung waren und
sind die Erfolgsfaktoren im neuen Jahrtausend.
46 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Auf die Ende 2008 folgende Bankenkrise mit ihren gesamtwirtschaftlichen negativen Aus-
wirkungen war die Beratungsbranche dann deutlich besser vorbereitet. Die Beratungsunter-
nehmen hatten aus der letzten Krise in den Jahren 2002/2003 gelernt und die eigenen Struktu-
ren wesentlich effizienter und flexibler auf die Marktveränderungen eingestellt. Personalent-
lassungen konnten daher weitestgehend vermieden werden, es wurde aber durch Kurzarbeit
flexibilisiert. Darüber hinaus wurden Einstellungsstopps ausgesprochen bzw. Einstellungen
nur bei Ersatzbedarf vorgenommen. Um die Kosten im Griff zu halten, wurden besonders bei
den großen Consulting-Firmen verstärkt Bestandteile des Beratungsprozesses – zum Beispiel
Anwendungsmodifikationen, Knowledge Management, Research oder Benchmarking – nach
Indien oder Osteuropa ausgelagert. Obwohl bestimmte Aufgabenfelder von der Krise weniger
berührt wurden oder sogar Konjunktur hatten (Outsourcing, Restrukturierung (z. B. ROLAND
BERGER bei OPEL)), hat das schwierige Marktumfeld zu einer gewissen Marktbereinigung
geführt, bei der 2009 die Zahl der Branchenteilnehmer um 2,5 Prozent auf rund 13.260 (2008:
13.600) zurückgegangen ist. Der überwiegende Teil der Marktaustritte war im Segment der
Beratungsfirmen mit weniger als 250.000 Euro Umsatz (Einzelberater) zu verzeichnen [Quel-
le: BDU 2010, S. 6].
Abbildung 1-19 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der Erholungsphase.
Abbildung 1-20 zeigt den Umsatzverlauf der deutschen Beratungsbranche seit 1997. Es wird
deutlich, dass nach der Konsolidierung in der Phase der Erholung wieder an die Wachstums-
raten des Booms (trotz eines kurzfristigen Einbruchs im Zuge der Bankenkrise) angeknüpft
wird.
Mrd. Euro
30
25 10%
22,3
20,6
-2% 10%
18,9
20 18,2 17,6
10% 16,4
14,7
15 13,2
12,9 12,3 12,2 12,3
12,2
10,9
9,6
10 8,4
0
97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Motor des Wachstums für die Beratungsbranche waren nicht so sehr die klassischen betriebs-
wirtschaftlichen Themen der Strategieberatung, sondern vornehmlich IT-orientierte Themen
wie IT-Sicherheit, Cloud Computing, Big Data und Mobile Payment [vgl. BDU 2012, S. 10;
BDU 2013, S. 10]:
x Nicht zuletzt die spektakulären Angriffe auf die IT-Sicherheit großer Konzerne haben
vielen Unternehmen klar gemacht, dass sie größere Anstrengungen zur Sicherung ihrer
Systeme und Daten betreiben müssen. Durch die vermehrte Nutzung von Smartphones
und Tablets wächst auch die Zahl der Angriffe aus dem mobilen Internet. Beratungsun-
ternehmen unterstützen ihre Klienten in diesem Zusammenhang zum Beispiel bei Analy-
se und Prävention von Sicherheitslücken.
x Das Cloud Computing hat einen großen Sprung in die Unternehmenswelt gemacht. Sie
werden unter anderem dazu genutzt, mobile Strategien voranzutreiben, bei denen die
Schnittstellen zwischen Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder auch Kunden neu definiert
und verknüpft werden.
x Bei Big Data geht es um Lösungen, die geeignet sind, die riesige Datenflut in Unterneh-
men mit vielen detaillierten Informationen (z. B. zur eigenen Produktivität oder zum
Kaufverhalten ihrer Kunden) übersichtlicher und strukturierter zu erfassen und sie für
Unternehmensentscheidungen besser als bislang nutzbar zu machen. Hierbei kommt häu-
fig spezielle Software der Business Analytics zum Einsatz, die in die existierende IT-
Infrastruktur integriert werden muss.
x Noch in den Anfängen stehen derzeit Anwendungen des Mobile Payment. Neben den
Beratungsunternehmen stellen sich zahlreiche andere Anbietergruppen wie Finanzinstitu-
te, Internetunternehmen oder Mobilfunkanbieter strategisch und operativ für den interes-
santen Zukunftsmarkt auf.
1.4 Struktur der Beratungsbranche 49
Auftragsbezogene Kennzahlen zum Beratungs- und IT-Markt auf internationaler Ebene lie-
fern in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Analysten- und Research-Unternehmen
wie FORRESTER, GARTNER, PAC oder IDC.
Speziell für den deutschen Beratungsmarkt führt der Bundesverband Deutscher Unterneh-
mensberater BDU jährliche Marktumfragen zur Struktur und Entwicklung der Beratungsbran-
che durch. Die Ergebnisse dieser Marktstudien fließen in die vom BDU veröffentlichten
„Facts & Figures“ ein (siehe Insert 1-03). Sie bilden auch die Grundlage der nachfolgenden
Strukturanalyse. Inhaltlich gesehen zeigt die Einteilung des Consultingmarktes in die „klassi-
schen“ vier Beratungsfelder allerdings eine wesentliche Schwäche auf, denn unter den vielen
funktionalen Beratungsfeldern (wie z. B. Marketingberatung, Controlling-Beratung, Logistik-
Beratung etc.) wird hier lediglich die Human-Resources-Beratung aufgeführt.
Insert
Grundlage der Studie Facts & Figures zum Berater- tes in die „klassischen“ vier Beratungsfelder
markt ist eine jährlich durchgeführte Marktbefragung • Strategieberatung,
des Bundesverbandes Deutscher Unternehmens- • Organisations- und Prozessberatung,
berater BDU, an der sich jeweils 700 bis 800 Bera- • IT-Beratung sowie
tungsgesellschaften aller Größenordnungen aus der • Human-Resources-Beratung.
gesamten Consultingbranche beteiligen. Die jährliche
Befragung wird online durchgeführt und durch schrift- Ergänzend enthalten die Facts & Figures in knapper
liche Interviews mit ausgewählten Branchenexperten Form Kennzahlen zu den unternehmensberatungs-
ergänzt. nahen Dienstleistungen
• Outsourcing,
Im Zentrum der Marktuntersuchung steht das breite • Softwareentwicklung und
Spektrum der Dienstleistung Unternehmensberatung. • Personalberatung (Suche und Auswahl von Fach-
Als Grundlage erfolgt dabei die Einteilung des Mark- und Führungskräften).
Beratungsmarkt
Kern-Beratungsmarkt
Erweiterter Beratungsmarkt
(„Klassischer“ Beratungsmarkt)
• Strategieberatung • Outsourcing
• Organisations- und Prozessberatung
• Softwareentwicklung
• IT-Beratung
• Human-Resources-Beratung • Personalberatung (Executive Search)
Anzahl
75 2.400 12.500 rd. 15.000 2.500 rd. 17.500 + 6,1 %
Unternehmen
Anzahl
37.200 41.800 38.150 rd. 117.000 64.000 rd. 181.000 + 2,2 %
Mitarbeiter
Anzahl
31.200 33.650 30.300 rd. 95.000 49.500 rd. 144.500 + 3,2 %
Berater
Mit diesen Branchenkennzahlen ist zugleich auch eine wesentliche strukturelle Schwäche der
deutschen Beratungsbranche aufgezeigt. Über 80 Prozent aller Beratungsunternehmen erzie-
len nicht einmal einen Jahresumsatz von einer Millionen Euro, d. h. der Anbietermarkt für
Unternehmensberatung ist so stark zersplittert, dass man von einer „atomistischen“ Konkur-
renz sprechen kann. Im Gegenzug kann für den „klassischen“ Unternehmensberatungsmarkt
eine extrem hohe Konzentration festgestellt werden. So erzielen die 75 größten Beratungsun-
ternehmen – das sind lediglich 0,5 Prozent aller Beratungsunternehmen – allein 43 Prozent
des gesamten Branchenumsatzes.
Die größte Nachfragegruppe im Markt für Beratungsleistungen ist das verarbeitende Gewer-
be, gefolgt vom Finanzdienstleistungssektor und dem Öffentlichen Bereich. Ein Drittel des
Gesamtumsatzes der „klassischen“ Unternehmensberaterbranche entfällt 2012 auf die ver-
schiedenen Branchen des verarbeitenden Gewerbes. Absolut entspricht dies einem Umsatz
1.4 Struktur der Beratungsbranche 51
von 7,4 Milliarden Euro. Den größten Anteil hat dabei der Fahrzeugbau mit einem Auftrags-
volumen von 2,9 Milliarden Euro. Mit deutlichem Abstand folgen der Maschinenbau mit 1,4
Milliarden Euro sowie Chemie/Pharma und die Konsumgüterindustrie mit 1,3 bzw. 1,2 Milli-
arden Euro.
Auf das verarbeitende Gewerbe folgt der Finanzdienstleistungsbereich mit einem Anteil von
24,4 Prozent (2011: 24,1 Prozent). Die Anteile der beiden Hauptgruppen dieses Bereichs – die
Banken- und die Versicherungsbranche – halten sich in etwa die Waage. Zusammen wurden
im Finanzdienstleistungsbereich Beratungsleistungen im Wert von mehr als fünf Milliarden
Euro beauftragt. Die erhöhten Anforderungen und Auflagen insbesondere in der Bankenbran-
che – beispielsweise hinsichtlich Geschäftsmodellen und Risikomanagement – haben maß-
geblich zum Wachstum im Banken-Consulting von 10,9 Prozent beigetragen.
Nachfrageimpulse gingen für die Unternehmensberater auch vom Public Sector aus. Mit 9,1
Prozent ist der öffentliche Bereich der drittgrößte Auftraggeber im Rahmen dieser Branchen-
analyse (2011: 9,4 Prozent). Es folgen die TIMES-Branche (Times = Telekommunikation,
Informationstechnik, Medien, Entertainment und teilw. Security) mit 7,9 Prozent (2011: 8,1
Prozent) und die Energie- und Wasserversorger mit ebenfalls 7,9 Prozent (2011: 7,6 Pro-
zent).
Abbildung 1-22 gibt einen Überblick über die Anteile der Kundenbranchen am beauftragten
Beratungsvolumen im Jahr 2012.
Sonstige
Healthcare
Groß- und
Einzelhandel 0,2
Verarbeitendes Gewerbe
Sonstige (insgesamt)
Dienstleister
4,3 3,5 davon:
Verkehr- und 4,3
Gastgewerbe Fahrzeugbau 12,9 %
5,1 Maschinenbau 6,4 %
33,3 Chemie/Pharma 5,7 %
Energie- und
7,9 Konsumgüterindustrie 5,2 %
Wasserversorger
Sonstige 3,2 %
%
7,9
TIMES
9,1
Finanzdienstleister
Public Sector 24,4 (insgesamt)
davon:
Kreditinstitute 12,7 %
Versicherungen 11,7 %
Das größte Beratungsfeld ist die Organisations- und Prozessberatung mit einem Anteil von
30,6 Prozent, gefolgt von der Softwarenentwicklung/Systemintegration mit 19,3 Prozent, der
Strategieberatung mit 17,1 Prozent und der IT-Beratung mit 14,8 Prozent.
Der Anteil des Beratungsfeldes Organisations- und Prozessberatung stieg von 29,9 Prozent
im Jahr 2011 auf 30,6 Prozent im Jahr 2012. In absoluten Zahlen gesehen bedeutet dies eine
Erhöhung des Gesamtumsatzes in der Branche auf 9,8 Milliarden Euro (2011: 8,9 Milliarden
Euro). Wachstumstreiber in diesem Beratungsfeld sind Change Management (+13,0 Prozent
gegenüber 2011), Reorganisation und Post Merger Integration (+12,1 Prozent) sowie CRM-
und Vertriebsthemen (+ 11,9 Prozent).
Im Jahr 2012 entfielen 17,1 Prozent des gesamten Marktumsatzes auf das Beratungsfeld Stra-
tegieberatung (2011: 16,7 Prozent). Damit konnten die Unternehmensberatungsgesellschaf-
ten mit Projekten in diesem Beratungsfeld umgerechnet 5,5 Milliarden Euro erwirtschaften
(2011: 4,9 Milliarden Euro). Gefragt waren besonders Internationalisierungs- und Wachs-
tumsstrategien (+ 7,6 %) und Marketing- und Vertriebsstrategien (+7,4 %). Den höchsten
Zuwachs im Beratungsfeld Strategieberatung verzeichneten Beratungsleistungen rund um das
Thema Corporate Social Responsibility und nachhaltiges Wachstum (+ 12,7 %).
Der Anteil der IT-Beratungsleistungen verzeichnete mit 14,8 Prozent im Jahr 2012 im Ver-
gleich zum Vorjahr ein leichtes Minus (2011: 15,5 Prozent). In absoluten Zahlen waren dies
4,7 Milliarden Euro (2010: 4,6 Milliarden Euro).
Die Human-Resources-Beratung kam 2011 auf einen Anteil am Branchenumsatz von 7,4
Prozent (2011: 7,3 Prozent) und damit ein Umsatzvolumen von 2,4 Milliarden Euro (2010:
2,2 Milliarden Euro). Die Kundenunternehmen haben auch ihre Anstrengungen im Personal-
management erhöht. Um die gesetzten Unternehmensziele erreichen zu können, werden Fä-
higkeiten und Potenziale von Mitarbeitern analysiert, Talente entwickelt sowie externe Ta-
lentpools aufgebaut und gepflegt. Anreizstarke Vergütungssysteme schaffen die Grundlage
für motivierte Teams. Die höchsten Zuwachsraten haben daher Beratungsleistungen rund um
das Talent Management (+14,8 Prozent) sowie um die HR-Strategie (+9,8 Prozent).
1.4 Struktur der Beratungsbranche 53
Personalberatung/
Executive Search
Outsourcing
5,1 Organisations-/
6,1 Prozessberatung
HR-Beratung
(ohne Personalsuche) 7,4 30,6
IT-Beratung
14,8
%
19,3 Systementwicklung/
17,1
Systemintegration
Strategieberatung
Abbildung 1-23 gibt einen Überblick über die Anteile der wichtigsten Beratungsfelder am
Gesamtmarktumsatz 2012.
Es hat immer wieder Versuche gegeben, den Unternehmensberatungsmarkt mit seinen ver-
schiedenen Beratungsfeldern so zu strukturieren, dass eindeutige Zuordnungen bzw. Abgren-
zungen möglich sind. Diese Abgrenzungen werden aber immer schwieriger. Das ist vor allem
auf die besondere Dynamik der IT-nahen Beratungsbereiche zurückzuführen.
x Managementberatung,
x IT-Beratung und
x Personalberatung.
sition von Führungskräften, die Personalentwicklung, das Outplacement sowie die Gehalts-
und Vertragsgestaltung im Mittelpunkt [vgl. FINK 2009a, S. 3 ff.].
Unternehmensberatung
(2) BDU-Systematik
x Strategieberatung,
x Organisations- und Prozessberatung,
x IT-Beratung und
x Human-Resources-Beratung (HR-Beratung)
x Outsourcing,
x Softwareentwicklung/Systemintegration und
x Personalberatung.
Gegenüber der Einteilung nach Kern-Beratungsfeldern lässt sich vorbringen, dass sich Orga-
nisations- und Prozessberatung nicht oder nur sehr schwer von der IT-Beratung trennen lässt.
Außerdem weist die Human-Resources-Beratung als funktionsorientierte Beratungsleistung
eine ganz andere logische Dimension auf, als die übrigen drei Beratungsfelder. Somit stellt
die HR-Beratung in gewisser Weise ein „Fremdkörper“ innerhalb dieser „klassischen“ Bera-
tungsfelder dar.
Und auch die beratungsnahen Dienstleistungen geraten wie „Äpfel“ und „Birnen“ ein wenig
durcheinander. So ist die Personalberatung mit seiner Hauptausprägung „Executive Search“
ein derart eigenständiges Business, dass es in diese Systematik gar nicht aufgenommen wer-
den sollte. Outsourcing und Softwareentwicklung/Systemintegration sind dagegen Beratungs-
felder, die sich unmittelbar aus dem Beratungsgeschäft entwickelt haben. Ganz besonders das
Softwaregeschäft wäre ohne die Keimzelle IT-Beratung gar nicht denkbar. Ohnehin sind die
Grenzen zwischen Softwareentwicklung und IT-Beratung fließend. Softwareentwicklung im
Kundenauftrag ist eine Dienstleistung. Das vermarktungsfähige Ergebnis der Entwicklung
von Standardsoftware wird dagegen als Produkt (engl. Packaged Software) bezeichnet. Darü-
ber hinaus gibt es im Umfeld von Standardsoftware wiederum ein großes Spektrum produkt-
1.4 Struktur der Beratungsbranche 55
Dennoch hat die BDU-Systematik schon deshalb eine besondere Relevanz, weil eine Vielzahl
von Statistiken zu Größenordnung und Entwicklung der einzelnen Beratungsfelder auf der
Grundlage dieser Systematik herausgegeben werden (siehe 1.3.3).
Ebenso wie es eine allumfassende und allen Ansprüchen genügende Systematisierung von IT-
Dienstleistungen (als Teilmarkt des Beratungsgeschäfts) nicht gibt, so existiert auch keine
allgemein akzeptierte Systematisierung des Unternehmensberatungsgeschäfts insgesamt.
Vielmehr gibt es zur oben vorgestellten Systematik des BDU noch Alternativen, die – aus
anderen Perspektiven heraus – interessante Einblicke in die IT-Dienstleistungslandschaft bie-
ten können.
(3) Plan-Build-Run-Modell
So nutzen viele Anbieter bei der Vorstellung ihres Dienstleistungsportfolios die Aufteilung
des Consulting-Kontinuums nach „Plan“, „Build“ und „Run“. Dabei stehen
x Plan (manchmal auch als „Think“ bezeichnet) für Strategieberatung (Management Con-
sulting),
x Build für Umsetzungsberatung (Transformation bzw. Process Consulting) und
x Run (manchmal auch als „Operate“ bezeichnet) für Outsourcing.
Diese Einteilung, die ursprünglich aus der Systematisierung der IT-Dienstleistungen stammt,
ist nicht ohne Grund so populär, bietet sie doch ein einfaches und verständliches Schema für
die komplexe Welt der IT-und Beratungsdienstleistungen.
Abbildung 1-25 gibt einen Überblick über das Consulting-Kontinuum mit entsprechend zu-
geordneten Beratungsfirmen.
Strategieberatung Umsetzungsberatung
(Management Consulting) (Transformation/Process Consulting) Outsourcing
Consulting Continuum
McK, BCG, RB, ATK, etc. BearingPoint, CSC, etc. EDS, HP, ADP, Atos, etc.
Global Players
Eine grafisch etwas andere Darstellung mit inhaltlich ähnlicher Struktur wie das „Plan-Build-
Run“-Modell bieten die Darstellungen der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften,
um ihr Advisory-Angebot im Rahmen des Consulting-Kontinuums visuell zu positionieren
(siehe Abbildung 1-26).
Advisory Services
Strategiemarkt
Business-
Performance-
Markt
Systemintegrations-
und Outsourcing-Markt
(4) Lünendonk-Systematik
x Strategieberatung
x Organisations- und Prozessberatung
x IT-Beratung (Prozesse, Technologien, Infrastruktur)
x IT-Systemintegration
x IT-System-Betrieb
x Betrieb kompletter Geschäftsprozesse (BPO).
Entlang dieser Wertschöpfungskette werden dann die nach LÜNENDONK relevanten Anbieter-
kategorien im Beratungs- und IT-Dienstleistungsmarkt zugeordnet:
Strategieberatung, die Organisations- und Prozessberatung und auf Teile der IT-Beratung
konzentriert.
Abbildung 1-27 gibt einen Überblick über die Einteilung und Zuordnung des Beratungs- und
IT-Dienstleistungsmarktes nach der LÜNENDONK-Systematik.
1 3
Betrieb
IT-Beratung
Organisations- kompletter
Strategie- (Prozesse, IT-System- IT-System-
und Prozess- Geschäfts-
beratung beratung Technologien, integration Betrieb
prozesse
Infrastruktur)
(BPO)
2
IT-Beratungs- und BPO-
Systemintegrationsunternehmen Spezialanbieter
Fazit nach LÜNENDONK: Es gibt nicht einen Markt für Consulting, sondern mehrere Teilmärk-
te, deren Leistungen sich teilweise überschneiden und letztlich nach dem Schwerpunktprinzip
zugeordnet werden müssen.
58 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1
Managementberatungsunternehmen
in Deutschland 2012
*) Umsatz- und/oder Mitarbeiterzahlen teilweise geschätzt. Aufnahmekriterium für diese Liste: Mehr als 60 Prozent des Umsatzes werden mit
1) Umsatz > 600 Mio. Euro Umsatzschätzungen in "Größer-als-Darstellung„ aus jeweils aktueller Sicht klassischer Unternehmensberatung wie Strategie-, Organisa-
2) Anteilige Umsätze mit Managementberatung in Deutschland tions- und Prozessberatung sowie HR-Beratung erzielt. ® Lünendonk
2
IT-Beratungs- und Systemintegrations-
unternehmen in Deutschland 2012
*) Umsatz- und/oder Mitarbeiterzahlen teilweise geschätzt. 7) Übernahme von Logica durch CGI 08/2012.
1) Umsätze mit IT-Beratung- und Systemintegration 8) Verkauf von 6 Gruppenunternehmen an Cognizant Technology Solutions 12/2012 noch nicht
2) Umsätze enthalten auch die Umsätze mit Managementberatung berücksichtigt
3) Ab 2012 inkl. der Umsätze der Plaut AG 9) Vormals Cirquent GmbH
4) Konsolidierte IT-Beratung- und Systemintegrations- sowie IT-Service-Zahlen für 10) Einschließlich Übernahme der Lodestone Management Consultants 10/2012.
2011 in Summe 1.680 Mio. Euro und 9.200 Mitarbeiter 11) Ab 2012 inkl. der Umsätze der Steeb AG
5) u.a. Übernahme der Tecops personal GmbH 08/2012 12) Mitarbeiter ohne vermittelte ITFachkräfte; Umsatzveränderung ggü. Vorjahr teilweise bedingt
6) Übernahme der perdata Gesellschaft für Informationsverarbeitung mbH Leipzig durch Neuausrichtung
Aufnahmekriterium für diese Liste: Mehr als 60 Prozent des Umsatzes werden mit IT-Beratung, Individual-Software-Entwicklung und Systemintegration erzielt. ® Lünendonk
3
IT-Service-Unternehmen in
Deutschland 2012 (alphabetisch)
*) Umsatz- und/oder Mitarbeiterzahlen teilweise geschätzt. Aufnahmekriterium für diese Liste: Mehr als 50 Prozent des
1) Ohne die Umsätze mit IT-Beratung und Systemintegration Umsatzes werden mit IT-Dienstleistungen, z.B. Outsourcing, ASP,
2) Konsolidierte IT-Beratungs- und Systemintegrations- sowie IT-Service- RZ-Services, Maintenance, Schulung oder Software erzielt.
Zahlen für 2011 in Summe 1.680 Mio. € und 9.200 Mitarbeiter
3) Übernahme der Consinto GmbH 02/2012
4) Info AG wurde 2012 von der QSC AG übernommen.
5) Geschäftsjahr 2012/2013
6) Wegen einer Umstrukturierung Abweichung ggü. Vorjahr ® Lünendonk
4
Führende Business Innovation/Transfor-
mation Partner (BITP) in Deutschland 2012
*) Umsatz- und/oder Mitarbeiterzahlen teilweise geschätzt. Aufnahmekriterium für diese Liste: Mehr als 60 Prozent des Umsatzes der Unter-
1) Wegen einer Umstrukturierung Abweichung ggü. Vorjahr nehmen werden mit Beratung und Dienstleistungen erwirtschaftet. Von diesen
2) IBM Global Business Services und IBM Global Technology Services Umsätzen entfallen jeweils mindestens 10 Prozent auf die drei Leistungskategorien
3) Übernahme von Logica durch CGI 08/2012. Umsatz- und Mitarbeiterzahlen für Management- bzw. IT-Beratung, System-Realisierung bzw. -Integration sowie
2011 und 2012 addiert Betrieb von IT-Systemen und Prozessen (Outsourcing) im Auftrag des Kunden.
4) Vormals Cirquent GmbH, München
® Lünendonk
Die IT- und Technologieberatung ist in den Facts & Figures nicht explizit aufgeführt. Sie
setzt sich aus der Addition der Beratungsfelder IT-Beratung (Anteil 14,8 Prozent) und Sys-
tementwicklung/Systemintegration (Anteil 19,3 Prozent) zusammen (siehe Abbildung 1-22).
1.5.1 Strategieberatung
Die Strategieberatung gilt als die „Königsdisziplin“ im Consulting. Ihre Themen betreffen
den Kernbereich aller Unternehmensaktivitäten, die Unternehmensstrategie, und sind daher
ganz oben im Top-Management der Kundenunternehmen angesiedelt. Das bedeutet gleichzei-
tig, dass Vorstände und Geschäftsführer zu den wichtigsten Ansprechpartnern von Strategie-
beratern zählen. Der persönliche Kontakt zur Führungsriege des Kunden erfordert nicht nur
sicheres Auftreten, sondern Gewandtheit und eloquentes Auftreten sowie einen hohen Infor-
mationsstand über Markt und Wettbewerb.
Die Unternehmensstrategie als langfristiger Plan zur Erreichung unternehmerischer Ziele ist
zukunftsorientiert und damit mit großer Unsicherheit behaftet. Daher gilt es, Märkte und Ein-
flussfaktoren zu verstehen und Veränderungen rechtzeitig zu antizipieren. Zielkunden, Leis-
tungsversprechen und Geschäftsmodelle sind regelmäßig Gegenstand der Strategiefestlegung.
Im Allgemeinen wird die Unternehmensstrategie in verschiedene Einzelziele und -aufgaben
aufgefächert, um wirksam werden zu können. Die damit gebundene Managementkapazität
wird durch den Einsatz von Strategieberatern ergänzt.
Mit der Beauftragung von Strategieberatern verfolgt das Top-Management eines Unterneh-
mens das Ziel, eine unvoreingenommene Perspektive für das Unternehmen zu gewinnen und
evtl. verschiedene Auffassungen über die Weiterentwicklung des Unternehmens zu diskutie-
ren. Grundsätzlich sind es vier Anlässe, die bei der Beauftragung eines Strategieberaters un-
terschieden werden können [vgl. auch HÜTTMANN/MÜLLER-OERLINGHAUSEN 2012, S. 20;
SCHNEIDER, J. 2014]:
Anlässe für eine Überprüfung können sinkende Erträge, rückläufige Nachfrage, neue er-
folgversprechende Geschäftsideen oder auch anstehende Investitionen sein.
x Weiterentwicklung/Anpassung von Strategien (engl. Strategic Redesign), d. h. auf-
grund veränderter interner oder externer Rahmenbedingungen (z. B. Marktsättigung, neue
Technologien, neue Gesetze, Auslauf von Patenten, Verlust wichtiger Mitarbeiter) hilft
der Berater dem Management bei der Anpassung der Strategie durch Analysen und als er-
fahrener Sparringspartner.
x Neuentwicklung von Strategien (engl. Strategic Renewal), d. h. hier bietet der Strate-
gieberater profunde Unterstützung bei der Neudefinition des allgemeinen Unternehmens-
ziels, die eine strategische Neuformierung und eine Anpassung der Wertschöpfungskette
nach sich ziehen kann. Die Notwendigkeit für eine neue Unternehmensausrichtung ergibt
sich im Zusammenhang mit Neugründungen, Fusionen, Übernahmen oder Eigentümer-
wechsel.
x Strategieumsetzung (engl. Strategic Transformation), d. h. jede Strategieentwicklung
sollte die Umsetzung im Unternehmen und die Durchsetzung im Markt zum Ziel haben.
Der Erfolg hängt dabei in hohem Maße von der Entschlossenheit des Managements und
von der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter ab. Damit die Strategien für Mitarbeiter
richtungsweisend und umsetzbar werden, ist der strategische Plan in Stoßrichtungen für
die einzelnen Unternehmensbereiche zu übersetzen und mit konkreten Maßnahmen zu
hinterlegen. Hierbei lässt sich das Management von externen Beratern in der Weise un-
terstützen, dass diese den Umsetzungsvorgang absichern, erleichtern und beschleunigen.
Die methodische Kompetenz des Beraters, der über Erfahrungen mit dem Einsatz der in
Kapitel 4 aufgezeigten Beratungstechnologien verfügen sollte, ist dabei von besonderem
Nutzen. Neben der Einführung und Anwendung dieser Instrumente zählt auch die Durch-
führung von Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen im Umfeld des Verände-
rungsprozesses zum festen Bestandteil der Strategieberatung.
Die Geschäftsstrategie ist auf der Ebene selbständig planender und operierender Geschäfts-
einheiten angesiedelt. Sie befasst sich mit der Auswahl von Marktsegmenten und der Positio-
nierung von Geschäftseinheiten. Wichtige Arbeitsbereiche in Verbindung mit der Geschäfts-
strategie sind die Umwelt- und Unternehmensanalyse, die Analyse von Branchen- und Tech-
nologietrends, die Bewertung strategischer Wettbewerbsvorteile sowie die Identifikation und
Evaluierung strategischer Optionen.
(3) Typische Aufgaben der Strategieberatung
Das Aufgabenspektrum eines Strategieberaters ist so vielfältig, dass es hier nur im Rahmen
einiger typischer Aufgaben wieder gegeben werden kann [vgl. HÜTTMANN/MÜLLER-OER-
LINGHAUSEN 2012, S. 20 f.; SCHNEIDER, J. 2014]:
Verhalten der Wettbewerber, die Machtverhältnisse von Kunden und Lieferanten, die
Möglichkeit des Auftretens neuer Marktteilnehmer oder von Substitutionsprodukten. Die
interne Analyse zielt auf die Kosten- und Ertragsposition des Unternehmens ab und be-
zieht vorhandene Kernkompetenzen mit ein. Wesentlich ist auch die Analyse der Wert-
schöpfungskette in Bezug auf Markterfordernisse und Zielgruppen sowie die Bewertung
einzelner Geschäftsbereiche bezüglich Umsatz- und Marktanteilsentwicklung. Auch zu
erwartende konjunkturelle Verläufe sowie strukturelle Trends bzw. Brüche sind zu erfas-
sen (z.B. technologische Entwicklungen, demografische Veränderungen) und ggf. zu
Szenarien zu verdichten.
x Szenarioentwicklung, d. h. bestimmte Parameter (z. B. Umsatz, Kosten) werden bei ver-
schiedenen Annahmen simuliert, um über geeignete Szenarien zu einer Abschätzung von
Chancen und Risiken zu gelangen und zu prüfen, ob die Ziele des Top-Managements
durch die entwickelte Strategie erreichbar sind. Potenzielle Risiken (z.B. das Nichteintre-
ten von Annahmen, Gegenreaktionen von Wettbewerbern) werden in ihren möglichen
Auswirkungen als Varianten berücksichtigt. Falls mehrere Zukunftsszenarien in Betracht
gezogen werden, sind deren Parameter zu einer weiteren Auffächerung der zu erwarten-
den Ergebnisse einzusetzen. Schließlich ist die reale Umsetzbarkeit jeder Variante zu prü-
fen. Liegen mehrere plausible Zukunftsszenarien vor, so ist es erforderlich, alle Hand-
lungsalternativen vor dem Hintergrund dieser Szenarien durchzuspielen und so auf ihre
Robustheit und ihr Wertsteigerungspotenzial zu überprüfen.
x Entscheidungsvorbereitung, d. h. die gesammelten Erkenntnisse müssen konsolidiert
und für das Management aufbereitet werden. Zwar trägt das Management des Kundenun-
ternehmens die verantwortliche Entscheidung zugunsten einer strategischen Option, aber
der Berater muss in der Lage sein, Empfehlungen abzugeben und diese nachvollziehbar
quantitativ und qualitativ zu begründen. Hierzu gehört in erster Linie die finanzielle Be-
wertung jeder Alternative, im Fall einer Geschäftsstrategie etwa in Form eines Ge-
schäftsplans (Business Plan).
x Umsetzungsplanung, d. h. in diesem Aufgabenbereich werden alle Schritte für eine er-
folgreiche Umsetzung der verabschiedeten strategischen Option genau festgelegt. Wer
macht was bis wann? Um das Umsetzungsteam optimal für die anstehenden Aufgaben
vorzubereiten, kann der externe Berater eine Vielzahl von detaillierten Umsetzungsplä-
nen bereitstellen.
Die Organisations- und Prozessberatung ist mit einem Anteil von knapp 30 Prozent das größte
Beratungsfeld in Deutschland (siehe Abbildung 1-13). Es befasst sich mit Fragen der Aufbau-
oder Ablauforganisation sowie Prozessen. Die Organisations- und Prozessberater setzen auf
eine bestehende oder neu erarbeitete Strategie eines Unternehmens auf. Zielsetzung dabei ist,
die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit der Kundenunternehmen durch die Gestaltung oder
Neugestaltung der Strukturen und Prozesse zu verbessern, ohne die Unternehmensleitlinien
und -vision in Frage zu stellen. Generell steht im Vordergrund, die Strukturen und Prozesse
64 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
effektiver („Doing the right things“) und/oder effizienter („Doing things right“) zu gestalten
[vgl. HARTEL 2008, S. 5].
Im Gegensatz zur Strategieberatung, die die Überprüfung und vor allem Gestaltung von Ge-
schäftsmodellen und Geschäftsfeldern zum Gegenstand hat, bewegt sich die Organisations-
und Prozessberatung innerhalb gegebener Potenziale und damit auf der Umsetzungsebene.
Insofern setzt die Organisationsberatung auf den Konzepten der Strategieberatung auf. Daher
erfolgt der Kontakt zwischen Unternehmensberater und Kundenunternehmen nicht auf Ebene
des Top- Managements, sondern in der Regel auf der mittleren bis unteren Führungsebene.
Im Unterschied zur IT- und Technologieberatung, die sich mit der Überprüfung und Gestal-
tung von Architekturen, Systemen und Anwendungen befasst, steht bei der Organisations-
und Prozessberatung nicht das IT-System, sondern die Geschäftsanforderungen an das IT-
System im Vordergrund. Die IT ist also der „Enabler“ für effiziente Strukturen und Prozesse
und sollte somit auf dem Organisations- und Prozesskonzept aufsetzen. Damit ergibt sich in
gewisser Weise die logische (Aufsatz-) Kette: Strategieberatung → Organisations- und Pro-
zessberatung → IT- und Technologieberatung [vgl. HIOB 2012, S. 25].
Konkret bedeutet diese begriffliche Abgrenzung bzw. Zuordnung, dass die Einführungs-, Mo-
difikations- und Umfeldberatung von ERP-Systemen (z. B. SAP oder ORACLE) zur Organisa-
tions- und Prozessberatung zählt, während die auftragsbezogene Programmierung von Modi-
fikationen in der SAP- oder ORACLE-Software der IT- und Technologieberatung zugerechnet
werden muss.
Erfolgsentscheidend für die Organisations- und Prozessberatung ist das Gleichgewicht zwi-
schen Konzeption und Umsetzung. Der Berater muss stets eine Brücke schlagen von der theo-
retisch-konzeptionellen Ideallinie hin zur Machbarkeit. Doch nicht nur die „fachliche Pas-
sung“ ist wesentlich für den Erfolg von Projekten. Ebenso wichtig sind die „menschliche Pas-
sung“ und die gegenseitige Wertschätzung von Berater und Kunde. EDGAR H. SCHEIN hat
diese besondere Beziehung des Organisations- und Umsetzungsberaters zu den Mitarbeitern
des Kundenunternehmens als Grundpfeiler einer erfolgreichen Prozessberatung ausgemacht
und dabei drei wesentliche „Operationsmodi“ identifiziert [vgl. SCHEIN 2003, S.23 ff.]:
x Der Expertenmodus, d. h. dem Kunden wird gesagt, was er zu tun hat; der Kunde kauft
Informationen ein, die er selbst nicht erheben kann.
x Der Arzt-Patient-Modus, d. h. der Berater soll die Organisation des Kundenunterneh-
mens „checken“ und Bereiche herausfinden, die zu optimieren sind; die Analyse der Ur-
sache und die anschließende „Behandlung“ des Problems stehen im Vordergrund.
x Der Prozessberatungsmodus, d. h. der Kunde wird in den Prozess einbezogen. Aller-
dings weiß er bei Projektbeginn nur, dass etwas, unter zu Hilfenahme eines Beraters, zu
verbessern ist. Welche Art von Hilfe nötig ist, wird gemeinsam erarbeitet.
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche 65
Die IT- und Technologieberatung weist sicherlich die größte Bandbreite und Vielfalt der hier
explizit aufgeführten Beratungsfelder auf. Sie reicht von der Erstellung unternehmenskriti-
scher Individualsoftware über die Implementierung von Standardsoftware oder Web-basierten
Anwendungen bis hin zur Systemintegration und zu Fragen der Optimierung von IT-
Architektur und -Infrastruktur. Verbindendes Element aller Dienstleistungskomponenten der
IT- und Technologieberatung (engl. Technology Services) ist die Informationstechnologie.
(1) Besonderheiten der IT- und Technologieberatung
Informationstechnologie ist eine Querschnittsfunktion mit vielen Berührungspunkten zu allen
Unternehmensbereichen und -funktionen. Die IT- und Technologieberatung erfordert vom
Berater ein hohes technisches Verständnis und eine Affinität zu IT-Themen. Ein besonderes
Merkmal ist das hohe Veränderungstempo in der IT. Immer wieder werden neue Grenzen mit
der Informations- und Kommunikationstechnik durchbrochen. Trends wie Cloud Computing
oder das schnelle Vordringen der Smartphones und Tablets erfordern immer wieder das
Überdenken und Anpassen der IT-Strategien der Unternehmen. Gefragt ist hier die Bewertung
von Chancen und Risiken neuer Techniken gepaart mit dem Wissen um die Möglichkeiten
und Grenzen verschiedener IT-Technologien und Produkte. Eine besondere Herausforderung
ist es dabei, die innovative Technik mit gewachsenen IT-Systemen zu verbinden. Die Frei-
schaltung neuer Systeme ist immer mit besonderen Risiken verbunden. Hier ist die Fachkom-
petenz des externen Beraters ganz besonders gefragt.
Trotz der hohen Veränderungsgeschwindigkeit und ihrer Auswirkungen ist die Informations-
und Kommunikationstechnik niemals Selbstzweck, sie dient vielmehr als Werkzeug für die
Verbesserung von Arbeitsabläufen, für die Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen
und zur Erreichung der Unternehmensziele schlechthin. Technologieberatung bedeutet nicht
nur, die richtigen Plattformen zur Verfügung zu stellen, sondern die optimale Verbindung der
Kommunikationskanäle sicher zu stellen. Sie verbindet umfangreiche Technologie-Expertise
und strategische Fähigkeiten, um Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung einer integrier-
ten, zukunftsfähigen IT-Strategie bestmöglich zu unterstützen. Das Leistungsspektrum reicht
dabei von der Idee und Planung über die Auswahl und Optimierung von IT-Infrastruktur und
IT-Anwendungen bis zum laufenden Management der IT-Lösungen [vgl. WAMSTEKER 2012,
S. 24].
(2) IT-Spezialberatungen
Allerdings sind nur die größeren Beratungsgesellschaften in der Lage, große Teile dieses
Leistungsspektrums abzudecken. Kleinere Unternehmensberatungen haben sich auf klar
umrissene Aufgabenstellungen im IT-Umfeld spezialisiert. Zu den Themenfeldern solcher IT-
Spezialberater zählen u. a.:
x IT-Strategie- und Umsetzungsberatung (engl. IT Strategy & Transformation), d. h. der
IT-Berater vereint IT- und Unternehmensstrategien und hilft, IT-Strategie und -In-
vestitionen an Kriterien und Anforderungen auszurichten, die für das Management rele-
vant sind;
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche 67
Technology Services
Die Abgrenzung von Sach- und Dienstleistungen darf aber nicht dazu führen, beide Kompo-
nenten als völlig verschiedene oder unvereinbare Dinge anzusehen. Im Gegenteil, die Pro-
blemlösungskraft von Standard(anwendungs)software besteht ja gerade in einer engen Ver-
zahnung von Sach- und Dienstleistung [vgl. WOLLE 2005, S. 125].
Ähnlich einer Zwiebel besteht das Softwarepaket zumeist aus mehreren Schalen: Neben dem
reinen Programm-Code und dem Help-System zählen hierzu die Anwenderdokumentation,
eine Demo-Version, eine Testinstallation, die Software-Wartung (inkl. Hotline-Service) sowie
die Benutzerschulung (siehe hierzu das „Schalenmodell“ in Abbildung 1-33).
Modifikationsservice
Integrationsberatung
Organisationsberatung
Einführungsberatung
Schulung
Hotline/Wartung
Testinstallation
Demo-Version
Dokumentation
Softwareprogramm
inkl. Help-System Programm-
code
Neben diesen mehr oder weniger obligatorischen Angebotskomponenten kommen bei Soft-
warepaketen, deren Einsatz besonders einschneidende organisatorische Veränderungen nach
70 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
sich ziehen (wie z. B. bei ERP-Systemen), noch weitere „Schalen“ wie Einführungs-, Organi-
sations- und Integrationsberatung sowie die Übernahme von evtl. erforderlichen Modifikatio-
nen hinzu. Und genau an dieser Stelle setzt häufig die Arbeitsteilung zwischen Softwarehäu-
sern und IT-Beratungsunternehmen an. Während sich Softwarehäuser auf die Entwicklung
und Wartung ihrer Softwareprodukte konzentrieren, übernehmen IT-Beratungsunternehmen
die organisatorische Einführung, Anpassung und Schulung der Produkte. Diese Arbeitsteilung
ist insbesondere bei den ERP-Systemen von SAP und ORACLE zu beobachten. Aber auch in
anderen Anwendungsgebieten wie z. B. im Product Lifecycle Management (PLM) werden
Entwicklung und organisatorische Einführung häufig unter getrennter Verantwortung durch-
geführt (siehe hierzu das Beispiel in Insert 1-04).
Insert
Abgrenzung zwischen
Softwarehaus – Systemhaus – VAR – Distributor
Ein gutes Beispiel für die Arbeitsteilung diese Weise werden Fertigungsunterneh- Der entscheidende Unterschied zum
im Softwarebereich ist das CAD-Produkt men in die Lage versetzt, bestehende Distributor besteht darüber hinaus darin,
CATIA (Computer Aided Three-Dimen- Lösungen zu erweitern und verschiedene dass der VAR das Produkt auf Rechnung
sional Interactive Application), das in den Softwarewelten miteinander zu verbinden. des Herstellers verkauft und damit nicht
1980er Jahren vom französischen Soft- Eigentümer der Software wird. Distribu-
warehaus DASSAULT Systèmes zunächst Der Vertrieb über Value-Added-Reseller toren ziehen somit ihre Wertschöpfung
für den Flugzeugbau entwickelt wurde. geht einen Schritt weiter als der Vertrieb weitgehend aus dem Verkauf der Soft-
Dank der permanenten Weiterentwicklung über (Software-)Distributoren. Während wareprodukte, wohingegen der VAR sein
von DASSAULT ist die Software heute auch der Distributor das Softwareprodukt weit- Geschäftsmodell in der Umfeldberatung
im Automobilbereich, im Anlagen- und gehend unverändert anbietet, „veredelt“ und Veredelung der Software sieht. Inso-
Maschinenbau, in der Medizintechnik, im der VAR die Software durch wesentliche fern ist der VAR eher dem Beratungs- als
Schiffbau, im High-Tech-Bereich und in eigene Komponenten. dem Softwaregeschäft zuzuordnen.
der Konsumgüterindustrie im Einsatz.
Zur weiteren Verdeutlichung des Zusammenspiels von Sach- und Dienstleistungen im Soft-
wareumfeld soll der in Abbildung 1-34 gezeigte Marketing-Verbund-Kasten herangezogen
werden. Auf der linken Seite des Kastens werden die angebotenen Sachleistungen von oben
nach unten abgetragen, auf der anderen Seite die angebotenen Dienstleistungen von unten
nach oben gemessen. Auf diese Weise lässt sich in der Senkrechten darstellen, in welchem
Umfang sich ein bestimmter Auftrag aus Sach- und Dienstleistungen zusammensetzt, um für
einen (potentiellen) Kunden eine vollständige Problemlösung zu bedeuten. Dabei darf die
Begrenzungslinie nicht als Diagonale durch den Marketing-Verbund-Kasten dargestellt wer-
den, denn es ist kaum möglich, die investive Sachleistung Software ohne jegliche Dienstleis-
tung (z. B. Hotline- oder Modifikationsservice) abzusetzen. Daher beginnt die Begrenzungsli-
nie etwas oberhalb der linken unteren Ecke des Kastens. Andererseits zeigt das Beispiel der
auftragsbezogen erstellten Software, bei dem der externe Faktor Kunde vollständig eingebun-
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung 71
den ist, dass eine Absatzleistung zu 100 Prozent nur aus Dienstleistungen bestehen kann. Da-
her endet die Begrenzungslinie direkt im oberen rechten Eckpunkt. Außerdem sollen die in
Abbildung 1-34 gezeigten Beispiele den engen Verbund zwischen Sach- und Dienstleistungen
veranschaulichen [vgl. LIPPPOLD 1998, S. 38 f. unter Bezugnahme auf HILKE 1989, S. 7 f.].
Sach- Dienst-
leistungen leistungen
Aufgrund dieser engen Verzahnung zwischen Sach- und Dienstleistung, die ja nicht nur für
Software, sondern für jegliche beratungsbedürftigen Sachleistungen (Produkte) zutrifft,
kommt MICHAEL KLEINALTENKAMP zu der Einschätzung, „dass es bis heute keine eindeutige
Trennung zwischen Sach- und Dienstleistung und damit auch keine eindeutige Abgrenzung
des Dienstleistungsbegriffs gibt … (und) … vermutlich gar nicht geben kann“ [KLEINALTEN-
KAMP 2001, S. 40].
Zur Vervollständigung der statistischen Sicht wird in Abbildung 1-35 auch die entsprechende
LÜNENDONK-Liste® für Softwarehäuser aufgeführt.
72 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Standardsoftware-Unternehmen
in Deutschland 2012
Im Gegensatz zum Unternehmensberater ist der Beruf des Wirtschaftsprüfers (WP) nicht nur
geschützt, sondern sogar ein öffentliches Amt. Um sich Wirtschaftsprüfer nennen zu dürfen,
muss ein angehender Prüfer hohe Hürden überspringen. Das Wirtschaftsprüferexamen gilt als
eines der schwersten Examina überhaupt und es gibt einige Voraussetzungen, die gegeben
sein müssen, um überhaupt zu dem Examen zugelassen zu werden. Studierende mit Hoch-
schulabschluss müssen mindestens vier Jahre Berufserfahrung vorweisen, während Absolventen
mit über acht Semestern Regelstudienzeit noch mindestens 3 Jahre im Beruf gewesen sein müs-
sen. Ohne Hochschulabschluss muss man mindestens zehn Jahre Prüfungstätigkeiten nachweisen
können, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, an dem Examen teilzunehmen.
Heute gibt es rund 14.000 Wirtschaftsprüfer in Deutschland. Ihre wesentliche Aufgabe ist es,
den Jahresabschluss (inklusive der Buchführung) auf die Einhaltung der relevanten Vor-
schriften (beispielsweise der nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards, Ak-
tiengesetz, Vorschriften des Gesellschaftsvertrags beziehungsweise der Satzung) zu überprü-
fen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu
erteilen. Im Rahmen des Jahresabschlusses, zu dessen Prüfung alle mittelgroßen und großen
Unternehmen verpflichtet sind, ist der Lagebericht dahingehend zu untersuchen, ob er mit
dem Abschluss des Unternehmens im Einklang steht, insgesamt ein zutreffendes Bild der La-
ge des Unternehmens vermittelt und die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zu-
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung 73
Die Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers ist aber nicht auf die Prüfung von Jahresabschlüssen
und Bilanzen sowie auf die Analyse der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens be-
schränkt. Gemäß § 2 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) ist der Wirtschaftsprüfer zusätz-
lich befugt, in Steuerangelegenheiten zu beraten sowie Gutachter- und treuhänderische Auf-
gaben zu übernehmen. Auch lässt die Wirtschaftsprüferordnung ausdrücklich alle Tätigkeiten
eines Wirtschaftsprüfers zu, die die Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Ge-
genstand haben (vgl. WPO, § 43, Abs. 4, Nr. 1). Dies hat in den letzten dreißig Jahren zu ei-
ner deutlichen Verschiebung der Tätigkeitschwerpunkte von Wirtschaftsprüfungsunterneh-
men in Richtung Unternehmensberatung geführt. Nicht zuletzt aufgrund dieses breiten Auf-
gabenspektrums gilt der Beruf des Wirtschaftsprüfers als herausragend und die Wirtschaftsprü-
fung als die Kerndisziplin der Betriebswirtschaftslehre.
Doch gerade in der jüngsten Zeit hat sich die „heile Welt“ rund um den Wirtschaftsprüfer ein
wenig verdunkelt. Denn obwohl das Geschäft mit Jahresabschlüssen, Firmenbewertungen,
Gutachten und Steuergestaltungen immer noch wächst, hat sich der Kampf um die Mandate
massiv verschärft. Dies kommt in einem enormen Preiskampf zum Ausdruck. Als Ursachen
können verschiedene Aspekte angeführt werden:
Als Folge des ENRON-Skandals im Jahr 2001 fusionierten die selbständigen Ländergesell-
schaften von ARTHUR ANDERSEN mit unterschiedlichen Gesellschaften. In Deutschland
schloss sich der größte Teil des Unternehmens mit ERNST & YOUNG zusammen. Zugleich
ging das Unternehmen, dessen Namen so etwas wie der Gattungsbegriff für Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaften war, als eigenständige Gesellschaft bzw. Marke unter. Aus den Big Five
wurden die Big Four.
„Big Eight“ „Big Six“ „Big Four“ Anzahl der von den
Big Four geprüften
1980er Jahre 1990er Jahre ab 2000 DAX-Unternehmen
Price Waterhouse
PricewaterhouseCoopers PWC 9
Coopers & Lybrand
Abbildung 1-37 gibt einen Überblick über die Größenverhältnisse der 25 umsatzstärksten
WP-Gesellschaften in Deutschland.
*) Daten teilweise geschätzt; n.d.=nicht darstellbar; k.A.=keine Angaben 1) Gesamtumsatz und Mitarbeiter in Deutschland der Ernst & Young-Gruppe:
**) Unter Consulting werden folgende Leistungen summiert: Management- Gesamtumsatz (2011): 1.137,4 Mio.€; Gesamtumsatz (2010): 1.098,9 Mio.€; Mitarbeiter
und Unternehmensberatung. Deutschland (2011): 6.903; Mitarbeiter Deutschland (2010): 6.970.
Die Punktvergabe erfolgt anhand folgender Gruppierung: 2) Zusammenschluss mit AWT Horwath GmbH in 2011 berücksichtigt.
- = 0%, 3) Zusammenschluss mit RP Richter und Partner in 2011 berücksichtigt.
• = ab 0% bis 10%, 4) Zusammenschluss mit Susat & Partner in 2011 berücksichtigt.
• • = ab 10% bis 20%, 5) Inklusive 10% Beteiligung an Treuhand Oldenburg (THO). Aufgrund des beherrschenden
• • • = ab 20% bis 30%, Charakters des Beteiligungsvertrages werden die THO-Umsätze konsolidiert.
• • • • = mehr als 30% 6) Zusammenschluss mit Michels Simon Rottländer Groß GmbH in 2012 nicht berücksichtigt.
7) Gruppenumsatz bestehend aus Solidaris Revisions-GmbH, Solidaris Treuhand-GmbH,
® Lünendonk Solidaris Unternehmensberatungs-GmbH.
Angesichts dieser Marktsituation ist es also nicht verwunderlich, dass der Wirtschaftsprüfer
immer stärker beratungsnahe Aktivitäten übernimmt. Diese Aktivitäten, zu denen bspw. die
Beratung bei Unternehmenstransaktionen und Finanzierungen, die Einsatzberatung bei Sys-
temen des Finanz- und Rechnungswesens, die Gestaltung von Management- und Kontrollsys-
temen, Restrukturierungen sowie die Aufklärung wirtschaftskrimineller Sachverhalte zählen,
werden als prüfungsnahe Beratung (engl. Advisory) bezeichnet. Mittlerweile nimmt diese
prüfungsnahe Beratung einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Gesamtumsatz von Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaften ein (siehe Abbildung 1-38).
76 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Das fachliche Know-how der prüfungsnahen Beratungsleistungen lässt sich zur Beantwortung
transaktionsorientierter, regulatorischer und prozessorientierter Fragestellungen wie folgt
bündeln [vgl. KLEES 2012, S. 29 f.]:
1.445
1400
1.201
1200 1.088
48%
1000
46%
37% Assurance
800
Tax & Legal
624
600 Consulting
28%
27% 36% 39%
400
22%
200 24% 27% 27%
39%
0
PWC KPMG Ernst&Young Deloitte
Bei ihrer Beratungstätigkeit profitieren die Wirtschaftsprüfer nicht nur von ihrer hervorragen-
den fachlichen Ausbildung, sondern auch – und dies gilt naturgemäß in besonderem Maße für
die Big-Four-Gesellschaften – von der zunehmend international geprägten Organisations-
struktur. Diese stellt eine kontinuierliche Präsenz in vielen Ländern sicher, so dass die Berater
mit den jeweiligen regionalen Besonderheiten vertraut sind.
Eine weitere Besonderheit ist die zumeist langjährige Beziehung zu seinen Kunden (Mandan-
ten), die dem Wirtschaftsprüfer ein besonderes Verständnis für das jeweilige Geschäftsmodell
verschafft. Während die „klassischen“ Strategieberatungen vorwiegend Konzerne und große
Unternehmen im Angebotsfokus haben, ermöglicht der von den Wirtschaftsprüfern verfolgte,
eher analytische bzw. „zahlengetriebene“ Beratungsansatz, der große Teile der heutzutage
wesentlichen Problemfelder abdeckt, dass vor allem auch mittelständische Unternehmen von
den Wirtschaftsprüfern aus einer Hand bedient werden [vgl. KLEES 2012, S. 30].
Fazit: Wenn Wirtschaftsprüfer ein Unternehmen länger betreuen, werden sie häufig zu ge-
suchten Beratern, die bei vielen Fragen und Problemstellungen weiterhelfen können. Auf
Grund der genauen Kenntnisse des Unternehmens wissen Wirtschaftsprüfer, welche betriebs-
wirtschaftlichen, steuerlichen und rechtlichen Konsequenzen sich bei bestimmten Fragestel-
lungen ergeben würden. Hier sind also deutliche Überschneidungen zum Aufgabenspektrum
eines Unternehmensberaters zu sehen. Während das Schwergewicht des Wirtschaftsprüfers
bei solchen Fragestellungen mehr die retrograde Prüfung und Analyse ist, liegt der Hauptbei-
trag eines Unternehmensberaters mehr in der nach vorne gerichteten Gestaltung unternehme-
rischer Maßnahmen.
Ebenso wie die Wirtschaftsprüfung zählt auch die Steuerberatung zu den freien Berufen und
ebenso wie der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist auch der Beruf des Steuerberaters geschützt.
Um den Titel „Steuerberater“ zu erlangen, muss nach deutschem Recht auch ein Examen abgelegt
werden, das die allermeisten Wirtschaftsprüfer auf ihrem Weg zum WP-Examen ebenfalls able-
gen. Die Aufgaben eines Steuerberaters, die im Steuerberatungsgesetz (StBerG) geregelt sind,
gehen weit über die reine Hilfestellung in Steuersachen hinaus. Insbesondere bei betriebswirt-
schaftlichen Beratungen gewinnt die Unterstützung durch den Steuerberater zunehmend an Be-
deutung. Zu den Vorbehaltsaufgaben des Steuerberaters – also zu den Aufgaben, die ausschließ-
lich dem Steuerberater vorbehalten sind – zählen die
Wie Abbildung 1-39 erkennen lässt, kann der Wirtschaftsprüfer den Steuerberater substituieren,
da die Themenfelder, die der Steuerberater bearbeitet auch im Aufgabenbereich des Wirtschafts-
prüfers liegen. Andersherum kann keine Substitution stattfinden, da der Wirtschaftsprüfer zusätz-
liche Qualifikationen benötigt. Die Unternehmensberatung jedoch kann sowohl vom Wirtschafts-
prüfer, als auch vom Steuerberater und vom Unternehmensberater ausgeführt werden. Ein Unter-
nehmensberater kann aber weder eine steuerrechtliche Beratung abgeben noch eine Jahresab-
schlussprüfung durchführen.
Bei den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist die Steuerberatung (engl. Tax) nach der
Abschlussprüfung das zweitgrößte Umsatzsegment. Wie Abbildung 1-38 zeigt, ist der Steuerbera-
tungsumsatz bei Ernst & Young sogar fast ebenso hoch wie der Umsatz mit Prüfungsaktivitäten.
Wirtschaftsprüfung
Steuerberatung
Richtigerweise müsste die Abgrenzung, um die es in diesem Abschnitt geht, “Consulting und
IT-Outsourcing” heißen, denn die teilweise oder vollständige Auslagerung der betrieblichen
Informationsverarbeitung an einen Dienstleister ist Gegenstand der hier diskutierten Abgren-
zung zur „klassischen“ Beratung. Die Hauptgründe für das IT-Outsourcing der Kundenunter-
nehmen sind zumeist Kostensenkung, Konzentration auf das Kerngeschäft sowie fehlendes
oder mangelndes Know-how im IT-Bereich. Da viele, insbesondere größere IT-
Beratungsunternehmen genau über diese Ressourcen als Kernkompetenz verfügen, ist die
Dienstleistung als fester Bestandteil des Leistungsangebots und als „Run“ in das Plan – Build
– Run-Modell aufgenommen worden (siehe Abschnitt 1.3.4).
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung 79
Bei allen Varianten des IT-Outsourcings, das ja nach dem Plan – Build – Run-Modell Teil der
IT-Beratungsleistung sein kann, ist allerdings auf einen Unterschied zu den klassischen Bera-
tungsleistungen hinzuweisen: Während der Berater „im Normalfall“ dem Kunden keine Ent-
scheidung abnimmt, sondern nur Hilfe zur Selbsthilfe leistet und damit mit seiner Dienstleis-
tung die Entscheidung des Kunden lediglich vorbereitet, trägt der Berater beim Outsourcing
die volle Verantwortung für Realisierung und Umsetzung. Beim Outsourcing als Beratungs-
leistung entfällt also die Freiheit und Pflicht des Kunden zur Entscheidung über die Realisie-
rung der Beraterempfehlungen. Hier übernimmt der IT-Berater von vornherein die volle Ver-
antwortung für alle an ihn ausgelagerten Aufgaben und Prozesse.
Eine sehr wichtige Funktion kommt hierbei dem Service Level Agreement (SLA) zu, das die
verhandelten Service Levels für ein Outsourcing-Paket in einer schriftlichen, standardisierten
Vereinbarung zwischen dem IT-Dienstleister und seinem Kunden dokumentiert. In Service
Level Agreements werden die angeforderten und zu liefernden Serviceleistungen besonders in
Bezug auf Qualität, Quantität und Kosten spezifiziert. Darin werden beispielsweise die maxi-
male Reaktionszeit auf Störmeldungen, die Verfügbarkeit von technischem Personal oder der
Minimaldurchsatz von Rechnern und Leitungen geregelt.
Inhouse Consulting ist noch ein relativ junges Phänomen, das sich in der deutschen Konzern-
landschaft aber bereits weitgehend durchgesetzt hat. So bezeichnet ROLAND BERGER bereits
im Jahr 2002 die Kunden als größte Konkurrenz des Beraters und beschreibt damit die Situa-
tion, dass interne Beratung häufig der Beauftragung von externen Beratern vorgezogen wird
[vgl. GAITANIDES/ACKERMANN 2002, S. 302].
80 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Nach dieser Studie haben mehr als zwei Drittel (21 Firmen) der 30 DAX-Unternehmen eine
Inhouse Consulting Unit etabliert. Bei Unternehmen mit mehr als fünf Milliarden Euro Jah-
resumsatz liegt der Anteil sogar bei etwa 50 Prozent. Insgesamt verfügen 100 bis 150 deut-
sche Unternehmen über eine eigene Consulting-Einheit. Dies entspricht einer Zahl von bun-
desweit etwa 2.000 bis 2.600 Beratern. Bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von
220.000 bis 275.000 Euro erzielen deutsche Inhouse Consulting-Einheiten einen geschätzten
Gesamtumsatz von 450 bis 640 Millionen Euro pro Jahr. Die wichtigsten strategischen Grün-
de für den Aufbau einer eigenen Beratungseinheit sind:
Der Studie zufolge berichtet die Mehrzahl der Inhouse Consulting Einheiten direkt an Ge-
schäftsführung oder Vorstand und erhält somit eine hohe Sichtbarkeit vor dem Management.
Das relativ junge Durchschnittsalter der Berater – mehr als die Hälfte aller Inhouse Consul-
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung 81
tants sind jünger als 35 Jahre – und die Verweildauer von durchschnittlich drei Jahren zeigt,
dass sich Inhouse Consulting Units als Talentpool in den Unternehmen etabliert haben. Ein
weiteres Indiz für den hohen Stellenwert solcher Beratungsabteilungen sind die Bildungsab-
schlüsse der Inhouse Consultants: Über 90 Prozent verfügen über einen Master- oder Diplom-
Abschluss, 20 Prozent sind promoviert oder weisen einen MBA-Abschluss auf.
Die Inhouse Consulting Studie zeigt weiter, dass der Fokus des Leistungsportfolios von
Inhouse Consulting Einheiten vornehmlich auf den Feldern Strategie/Organisation sowie Ope-
rations/Prozess liegt. Finance (11 Prozent der Beratungsleistungen) und IT oder Marketing
(acht Prozent der Beratungsleistungen) spielen eine untergeordnete Rolle. Vor allem große
Einheiten arbeiten bei über 60 Prozent der Projekte in einem internationalen Kontext. Inhouse
Consulting lässt sich aufgrund seiner zunehmend strategischen Ausrichtung als Strategiebe-
ratung einordnen.
Da Inhouse Consultants zunehmend am Markt nicht nur mit namhaften Generalisten, sondern
zudem mit erfolgreich etablierten, funktionalen Spezialisten konkurrieren, unterliegen externe
und interne Beratungsleistungen im Einkauf den gleichen Kriterien. So wird häufig eine zent-
rale Einkaufsabteilung in den Beauftragungsprozess eingebunden. Außerdem werden Ange-
bote von konkurrierenden Wettbewerbern eingeholt. Insert 1-05 gibt einen Eindruck darüber,
in welchen Situationen externe oder eher interne Berater beauftragt werden. Professionelle
Inhouse Consulting Units offerieren Leistungen auch an Kunden außerhalb des eigenen Kon-
zerns. Im Durchschnitt machen externe Projekte 10 bis 15 Prozent der Gesamtprojekte aus.
Die Studie kommt darüber hinaus zu der Erkenntnis, dass die Meinung der Inhouse Berater
hinsichtlich ihrer externen Konkurrenz überwiegend positiv ist. Während 40 Prozent sich als
Co-Worker einschätzen, beurteilen 20 Prozent die externen Berater als Partner. Nur 20 Pro-
zent der Befragten gaben an, das Verhältnis sei konkurrierend. Die Größe der Einheiten hatte
keinen Einfluss auf die Einschätzung. Für einen detaillierten Einblick wurden die Inhouse
Consultants bezüglich ihrer Selbsteinschätzung gegenüber externen Beratern befragt. In Be-
zug auf
x Implementierungsorientierung,
x Kundenzufriedenheit,
x Akzeptanz im Unternehmen,
x Durchsetzungsfähigkeit im Konzern und
x Karrieremöglichkeiten
haben sich die Inhouse Consultants als gleich oder besser eingestuft. Besonders interessant ist,
dass die Sichtweisen der Auftraggeber und die Selbsteinschätzung der Inhouse Consulting
Units im Wesentlichen übereinstimmen. Besonders positiv heben die Auftraggeber die Bran-
chenkenntnisse der internen Berater hervor. Auch rechnen die Studienteilnehmer mit einem
deutlichen Wachstum bei intern zu vergebenen Beratungsleistungen: Über 60 Prozent der
Befragten prognostizieren ein Wachstum von bis zu 20 Prozent. Allerdings herrscht insgesamt
immer noch eine geringe öffentliche Wahrnehmung von Inhouse Consulting Units. Dies hat
naturgemäß eine geringe Akzeptanz und Attraktivität für potentielle Bewerber zur Folge, ob-
wohl gerade die Karrierechancen in diesen internen Beratungseinheiten als besonders gut ein-
gestuft werden.
82 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Insert
Inhouse Consulting:
Unterschiedliche Einsatzgebiete für interne und externe Berater
Im Rahmen der Marktstudie „Der Inhouse Consulting Markt in Deutschland“ wurden Führungskräfte
von 20 Inhouse Consulting Einheiten in Deutschland befragt. Die Ergebnisse dieser Stichprobe wurde
um eine Befragung unter Unternehmensentscheidern ergänzt. Auf die Frage, in welchen Situationen
eher mit einem externen Berater und in welchen Situationen eher mit einem internen Berater
zusammengearbeitet werden sollte, kann ein Bild gezeichnet werden, das folgende Rückschlüsse auf
Beauftragungsmuster zulässt:
Bevorzugter Einsatz des externen Beraters. marking (16 Prozent), Marktthemen wie beispiels-
Die Auftraggeber nennen auf die Frage nach Grün- weise Markterschließungen (12 Prozent) oder bei
den für die Projektvergabe an externe Berater bei- sehr ressourcenintensiven Projekten eingesetzt wer-
spielsweise „politische Themen“, „Projekte, die spe- den. Weitere Projekte, bei denen die befragten
zielles Know-how benötigen“ oder „sehr ressourcen- Auftraggeber eher mit externen Beratern zusammen-
intensive Projekte“. Die Befragung ergab, dass arbeiten würden, sind Projekte mit hohen Anforde-
externe Berater besonders bei sensiblen Spezial- rungen an IT-Spezialthemen, M&A-Projekte oder mit
themen wie zum Beispiel Restrukturierungen, Bench- strategischem Fokus.
Bitte nennen Sie spontan 3 Gründe/Situationen in denen Ihr Konzern intuitiv eher mit externen
Beratern zusammenarbeiten würde. *
Bevorzugter Einsatz des internen Beraters. genannt, da die Inhouse Consulting Units besser ver-
Inhouse Consultants werden dagegen bevorzugt für netzt sind. Diese Unterschiede in der Vergabe von
Projekte mit kurzfristigem Beratungsbedarf, strategi- Projekten unterstützen die Merkmale von Inhouse
scher Ausrichtung oder bei Bedarf an speziellen Vor- Consulting Einheiten: Durch ihre Nähe zum Manage-
kenntnissen des Unternehmens (alle 16 Prozent) ment des Unternehmens werden interne Berater
beauftragt. Die Auftraggeber nannten außerdem besonders für die Arbeit an Projekten mit direktem
„Projekte, die wiederholt werden müssen“: Die Aus- Unternehmensbezug, aber auch bei datensensiblen
sage verdeutlicht das Ziel, Know-how intern aufzu- Themen angefragt.
bauen. Als weiterer Grund wurden Implementierungen
Bitte nennen Sie spontan 3 Gründe/Situationen in denen Ihr Konzern intuitiv eher mit internen
Beratern zusammenarbeiten würde. *
Abschließend soll noch auf folgende Grundfrage eingegangen werden: Ist es wirtschaftlicher,
eine dispositive, originär unternehmerische Aufgabe intern zu lösen oder über den externen
Markt zu erbringen? Die Transaktionskostentheorie kann Hinweise zur (theoretischen) Auflö-
sung dieses Make-or-Buy-Problems liefern. Im Falle einer externen Beauftragung entstehen
beim Kundenunternehmen Transaktionskosten ex ante für den Such- und Auswahlprozess
(Bedarfsbeschreibung/Pflichtenheft, Anbietersuche, Angebotseinholung, Anbietervorauswahl,
Vertragsverhandlungen, Vertragsabschluss). Ex post ergeben sich Transaktionskosten für das
Monitoring des Beratungsprojekts sowie für Änderungsanträge (engl. Change request). Im
Fall einer Inhouse Beratung entstehen Transaktionskosten ex ante im Zusammenhang mit
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, mit entsprechenden Anreiz- und Vergütungssystemen,
mit zusätzlichen Personaleinstellungen oder internen Versetzungen. Ex post fallen ebenfalls
Transaktionskosten für das Monitoring des Projekts sowie für die Aufrechterhaltung der Ein-
satzbereitschaft des Teams an. Letztlich sind es Kriterien wie die Häufigkeit der nachgefrag-
ten Beratungsprojekte, die Opportunitätskosten des Investments einer Inhouse Consulting-
Einheit, die Einzigartigkeit der erwarteten Aufgaben sowie die entsprechenden Transaktions-
kosten, an denen entlang ein theorie-basierter Vergleich darüber vorgenommen werden sollte,
in welchen Fällen eine interne Lösung oder eine externe Lösung wirtschaftlicher ist [vgl.
ARMBRÜSTER 2006, S. 45 und 103].
Unterstellt man bei einem solch theorie-basierten Vergleich den (nicht ganz realistischen)
Fall, dass ein Gleichgewicht zwischen interner und externer Qualität und Leistung (engl. Per-
formance) besteht, dann ist zumindest die Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kos-
ten ein wesentlicher Gesichtspunkt. So sind die Kosten für die externe Beratung vollständig
variabel; sie variieren mit der Anzahl der Projekte bzw. mit der Anzahl der Beratungstage. Im
Gegensatz dazu sind die Kosten bei der Inhouse Beratung weitgehend fix bzw. sprungfix [vgl.
THEUVSEN 1994, S. 71 f.].
Costs
External consultancy
Internal consultancy
Permanent
maintenance
costs
Preparation
costs
Number of
Break-even point Consulting cases
Die Gründe, warum der Beruf des Unternehmensberaters nicht nach eindeutigen Regeln aus-
geübt werden kann, sind vielfältig [vgl. HESSELER 2011, S. 75]:
Eine ähnliche Beschränkung der Berufstätigkeit gilt in Bezug auf das Steuerberatungsgesetz
(StBerG). Auch hier richtet sich das Gesetz im Wesentlichen auf die geschäftsmäßige Hilfe-
leistung des Steuerberaters. Erlaubt ist dem Unternehmensberater eine beschränkte Hilfeleis-
tung in steuerlichen Angelegenheiten nur dann, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang zu
einem (Unternehmensberatungs-) Geschäft erfolgt und nur eine untergeordnete Tätigkeit dar-
1.7 Berufsbild des Unternehmensberaters 85
stellt. Allerdings ist auch hier anhand des Einzelfalls zu prüfen, ob eine erlaubte oder uner-
laubte steuerliche Nebenberatung vorliegt.
Die Art und Weise der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmensberater
und seinem Kunden unterliegt grundsätzlich keinen besonderen Vorschriften, auch nicht im
Hinblick auf die Form. Denkbar sind daher auch Verträge per Handschlag, ohne ausdrückli-
che Fixierung. Auch in der Wahl des Vertragstyps sind Berater und Kunden frei.
In Betracht kommen insbesondere der Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) und der Werkvertrag
(§§ 631 ff. BGB). Ob Dienstvertragsrecht oder Werkvertragsrecht oder auch beides gemischt
zur Anwendung kommt, hängt vom Vertragsinhalt bzw. Vertragsgegenstand ab.
Für die reine Beratungsleistung ist regelmäßig der Dienstvertrag üblich. Beim Dienstvertrag,
dessen Honorar sich in der Regel an Stunden- oder Tagessätzen orientiert, wird die Dienstleis-
tung an sich und nicht der Erfolg der Dienstleistung geschuldet bzw. honoriert. Demzufolge
kennt das Dienstvertragsrecht auch keine Gewährleistung.
Bei einem Werkvertrag schuldet der Berater hingegen die Erstellung eines bestimmten Wer-
kes (z. B. ein Gutachten oder eine Anwendungssoftwarelösung) oder die Veränderung einer
Sache (z. B. Modifikation einer Softwarelösung). Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Rege-
lungen ist es auch den Vertragspartnern überlassen, welcher Mindestinhalt bei einer Unter-
nehmensberatung geschuldet sein soll. Denkbar sind indes auch Mischformen der beiden Ver-
tragstypen. Im Zweifel entscheidet über die vertragliche Ein- bzw. Zuordnung das wirtschaft-
lich Gewollte in Verbindung mit dem tatsächlich Abgewickelten.
Die Beratungsbranche hat sich zu einem festen Bestandteil unserer Volkswirtschaft entwi-
ckelt. Während vor gar nicht so langer Zeit die Beauftragung von Unternehmensberatern als
ein Zeichen für das Versagen des Managements galt, ist die Zusammenarbeit mit Beratern –
zumindest bei größeren Unternehmen – heute zur alltäglichen Normalität geworden [vgl.
ARMBRÜSTER/KIESER 2001, S. 689].
Trotzdem haftet dem Unternehmensberater immer noch etwas Dubioses, Windiges an. Das
hat sicher damit zu tun, dass sich jeder Unternehmensberater nennen kann. Unter dieser Be-
zeichnung braucht man bloß – so scheint es vielen – ein wenig rhetorisches Geschick und
selbstbewusstes Auftreten, um Geschäfte mit den Problemen anderer zu machen. Gleichzeitig
umgibt die renommierteren Consultingfirmen die Aura der Elite, klingen ihre Tagessätze und
Gewinnmargen frappierend hoch und treten ihre Mitarbeiter gelegentlich mit Allüren auf, die
gestandenen Unternehmensführern allzu selbstbewusst und neunmalklug erscheinen, zumal
viele der Consultants häufig eher grün und theoretisch wirken [SOMMERLATTE 2004, S. 14].
keinen Abbruch getan. In den meisten Fällen konnten die laienhaften oder auch betrügeri-
schen Vorgehensweisen von den Standesorganisationen hinlänglich dokumentiert werden, so
dass eine eindeutige Identifizierung solcher schwarzen Schafe möglich wurde [vgl. NIEDER-
EICHHOLZ 2010, S. 14].
Es mag aber auch damit zu tun haben, dass es sich bei Beratungsleistungen – wie in Abschnitt
1.2.7 erläutert – um Kontraktgüter handelt, bei denen die Vereinbarung über Leistung und
Gegenleistung, die ja in der Zukunft liegen, unter extrem großer Unsicherheit erfolgt. Kon-
traktgüter erfordern daher von beiden Transaktionspartnern spezifische Investitionen und ins-
besondere Vertrauen.
Überdies sorgt die sog. „Enthüllungsliteratur“ in Form von Insider-Romanen dafür, dass hin
und wieder zweifelhafte Methoden der Beratungsbranche in die breitere Öffentlichkeit gera-
ten. Zusammen mit Berichten über gescheiterte Großprojekte mit involvierten namhaften Be-
ratungsunternehmen wird auf diese Weise ein Negativbild einer „gesinnungslosen“ Bera-
tungsindustrie gezeichnet, deren einziger Wert der eigene Profit zu sein scheint. Damit wird
das moralische Dilemma deutlich, vor dem die Beratungsunternehmen stehen können: Da
nicht nur ihre Kunden, sondern auch sie selber im Wettbewerb stehen, besteht die potentielle
Gefahr, „gegen den Kunden“ zu beraten. Nicht das zu lösende Kundenproblem, sondern die
eigene Umsatz- und Gewinnmaximierung rückt dann in den Vordergrund. In einer solchen
Situation, in der sich das ethisch verantwortungsvolle Handeln betriebswirtschaftlich nicht
rechnet, aber in der sich Unternehmensethik überhaupt erst bewähren muss, kommt es für eine
verantwortungsvolle und professionelle Beratungsbranche darauf an, sich nicht bloß opportu-
nistisch zu verhalten, sondern sich an vorher reflektierten und festgeschriebenen Geschäfts-
prinzipien zu orientieren [vgl. HAGENMEYER 2004, S. 1 f. und 13; ULRICH 2001, S. 44].
Dies hat der BDU als Branchenverband erkannt und – um „schwarze Schafe“ und „Trittbrett-
fahrer“ fernzuhalten – ethische Geschäftsprinzipien (BDU-Berufsgrundsätze, siehe Ab-
schnitt 1.7.3) formuliert, die sich an Kriterien wie fachlicher Kompetenz, Seriosität, Objekti-
vität, Neutralität, Vertraulichkeit und fairem Wettbewerb orientieren. Eine weitere Maßnahme
des BDU, die o. g. Defizite zu kompensieren, ist die Verleihung des Titels Certified Mana-
gement Consultant als Qualitätsnachweis des International Council of Management Consul-
ting Institutes (ICMCI) mit dementsprechenden Verhaltenskodex an nachweislich erfahrene
Unternehmensberater mit speziellem Expertenwissen, exzellenten Leistungen, langjähriger
Erfahrung und Verpflichtung zu ethischem Handeln. Allerdings darf nicht übersehen werden,
dass im BDU lediglich rund fünf Prozent der praktizierenden Unternehmensberater Mitglied
sind. Verbände, die nur eine relativ kleine Gruppe von „Berufsangehörigen“ repräsentieren,
können naturgemäß nur eingeschränkt flächendeckende, verbindliche ethische Gestaltungs-
richtlinien organisieren und umsetzen [vgl. HESSELER 2011, S. 73].
Umso mehr sollten sich die Kundenunternehmen aufgefordert sehen, grundsätzlich nur Bera-
tungsunternehmen zu beauftragen, die sich den BDU-Berufsgrundsätzen verpflichtet fühlen.
Vielen Berufsethikern gehen die Maßnahmen des BDU allerdings nicht weit genug. Da es
eine berufsrechtlich abgesicherte Berufsbezeichnung nicht gibt (und sicherlich nicht geben
wird), fordert MICHAEL HESSLER, dass allein berufsethische Normen Beratungsdienstleistun-
1.7 Berufsbild des Unternehmensberaters 87
gen – also die konkrete Arbeit des Beraters – legitimieren sollen. Dafür müssen auf der
Grundlage berufsethischer Basisnormen wie
x Glaubwürdigkeit,
x Vertrauenswürdigkeit,
x Zuverlässigkeit,
x Verantwortung,
x Berufswürdigkeit,
x Integrität und
x Objektivität
Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. mit Sitz in Bonn ist der Wirt-
schafts- und Berufsverband der Unternehmensberater und Personalberater in Deutschland.
Der BDU ist der größte Unternehmensberater-Verband in Europa und Mitglied im europäi-
schen Beraterdachverband FEACO (Fédération Européenne des Associations de Conseils en
Organisation) mit Sitz in Brüssel und im International Council of Management Consulting
Institutes (ICMCI), der weltweiten Vereinigung zur Qualitätssicherung in der Unternehmens-
beratung mit Sitz in den USA.
Im Verband, der bereits 1954 gegründet wurde, sind rund 13.000 Berater organisiert, die sich
auf 530 Mitgliedsfirmen verteilen. Die Mitgliedsunternehmen im BDU besitzen einen Markt-
anteil von rund 25 Prozent am Gesamtbranchenumsatz. Der BDU hat derzeit 14 Fachverbän-
de, in denen sich die Mitglieder zur Weiterbildung und zum fachlichen Erfahrungsaustausch
treffen.
Um der Aufnahme von „Schwarzen Schafen“ vorzubeugen, ist eine Mitgliedschaft im BDU
erst nach fünf Jahren nachweisbarer Beratungserfahrung möglich. Im Rahmen des Aufnah-
meverfahrens werden u. a. Qualifikation, Zuverlässigkeit und Referenzen überprüft. So muss
der Aufnahmekandidat mindestens drei Kundenreferenzen nachweisen. Zum Aufnahmeritual
zählen weiterhin zwei Aufnahmegespräche mit bestehenden Mitgliedern, die Vorlage eines
Gewerbezentralregisterauszugs sowie bei Einzel-Unternehmen ein polizeiliches Führungs-
zeugnis.
88 1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Wichtige Aufgaben des BDU bestehen darin, die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbe-
dingungen der Beratungsbranche positiv zu beeinflussen und Qualitätsmaßstäbe durch Be-
rufsgrundsätze zu etablieren, um den Leistungsstandard der Branche zu erhöhen und weiter-
zuentwickeln (siehe Insert 1-06). Diesen Berufsgrundsätzen, die durch ein Ehrengericht kon-
trolliert werden, unterliegen alle BDU-Mitglieder.
Insert
BDU-Berufsgrundsätze
Ebenso wie seine Mitglieder unterliegt auch der BDU einem permanenten Wandel. So spalte-
te sich Anfang der 1990er Jahre mit der Fachgruppe „Informationstechnik“ der größte BDU-
Fachverband ab und gründete den Bundesverband Informationstechnik BVIT e.V., dem sich
alle maßgebenden IT-Dienstleistungsunternehmen in Deutschland anschlossen. Aufgrund
ihrer besonderen Herausforderungen – auch und besonders in ihrer Position zu den damaligen
Hardware-Herstellern – fanden sich diese IT-Beratungsunternehmen durch den aus ihrer Sicht
sehr „unternehmens- und personalberatungslastigen“ BDU nicht mehr ausreichend repräsen-
tiert. Dem BVIT war allerdings keine lange Lebensdauer vergönnt, denn bereits 10 Jahre nach
1.7 Berufsbild des Unternehmensberaters 89
Abbildung 1-41 gibt einen Überblick über den „Verschmelzungsprozess“ der Verbände im
Umfeld der Kommunikations- und Informationstechnik.
Fachgruppe Management
Fachgruppe Personal BDU
BDU
Fachgruppe Informationstechnik
Fachgruppe Rechenzentren
BVIT
UVI
BVB
BITKOM
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94
Umweltanalyse Unternehmensanalyse
SWOT-Analyse
(Chancen/Risiken) (Stärken/Schwächen) "Wo stehen wir?"
Verdichtung Verdichtung
Verzahnung
Konzeptioneller
Marktorientierte Kristallisationspunkt
Unternehmensplanung
Philosophie
Ziele "Wo wollen wir hin?"
Struktur
Strategien "Wie kommen
wir dahin?"
Prozess
(Maßnahmen-)Mix "Mit welchen
Maßnahmen?"
Da die relevanten Märkte einer Unternehmensberatung keine statischen Gebilde sind, sondern
dynamische Strukturen aufweisen, gibt es auch nicht ein Unternehmenskonzept und damit
auch nicht ein Erfolgsrezept für das Beratungsmanagement, sondern verschiedene Optionen,
um auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu reagieren.
Mit Abbildung 2-01 ist zugleich auch die Grundlage für den generellen Bezugsrahmen einer
marktorientierten Unternehmensplanung gelegt. Die Abfolge des Planungsprozesses orien-
tiert sich an folgenden Phasen [vgl. dazu auch BIDLINGMAIER 1973, S. 16 ff.]:
x Situationsanalyse (Wo stehen wir?)
x Zielsetzung (Wo wollen wir hin?)
x Strategie (Wie kommen wir dahin?)
x Mix (Welche Maßnahmen müssen dazu ergriffen werden?)
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung 97
Abbildung 2-02 zeigt diese vier Phasen als generellen Bezugsrahmen der Unternehmens-
planung.
In der ersten Phase geht es um die Situationsanalyse, d.h. um eine Analyse der wesentlichen
externen und internen Einflussfaktoren auf das Beratungsunternehmen. Die Situationsanalyse
gliedert sich in die Umweltanalyse (engl. External Analysis) und in die Unternehmensanalyse
(engl. Self Analysis) [vgl. AAKER 1984, S. 47 ff. und S. 113 ff.].
x Die Umweltanalyse betrachtet wichtige unternehmensexterne Rahmenbedingungen und
ihre Auswirkungen auf das Unternehmens- und Marketingumfeld.
x Die Unternehmensanalyse liefert eine systematische Einschätzung und Beurteilung der
strategischen, strukturellen und kulturellen Situation des Unternehmens.
Das Ergebnis der Analysephase, die in der Praxis regelmäßig als SWOT-Analyse (Strengths,
Weaknesses, Opportunities, Threats) durchgeführt wird, ist eine Darstellung der Ausgangs-
situation.
Situationsanalyse
Analyse- Umwelt-/Marktanalyse Wo stehen wir? Unternehmensanalyse
revision Chancen und Risiken Stärken und Schwächen
Maßnahmen-
revision
In der vierten Phase des Planungsprozesses geht es darum, für die einzelnen Aktionsfelder
der Unternehmensberatung einen Handlungsrahmen zu entwickeln, in dem die für das ope-
rative Handeln relevanten Maßnahmen und Prozesse zusammengefasst und im Sinne be-
98 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Unternehmensinfrastruktur
Personalmanagement
Sekundäre
Aktivitäten
Technologieentwicklung
Gewinn-
Beschaffung marge
Marketing
Primäre Eingangs- Ausgangs- Kunden-
Produktion und
Aktivitäten logistik logistik dienst
Vertrieb
Personalmanagement
Struktur
Personalbeschaffung Personalführung Personalbeurteilung Personalentwicklung Personalfreisetzung
Ressourcen-
Zeitliche Akquisition Projektplanung beschaffung Projektabwicklung
Nachfolge-
Abfolge und -einsatz
aufträge
Die sekundären Aktivitäten sind nicht wertschöpfend und können nochmals in Führungs-
und in Unterstützungsprozesse unterteilt werden. Zu den Führungsprozessen sollen hier fol-
gende Aktivitäten gezählt werden:
x Strategisches Management (Teil des 2. Kapitels) und
x Controlling (Kapitel 6).
Die Unterstützungsprozesse, die für die Ausübung der Hauptprozesse notwendig sind, las-
sen sich unterteilen in:
x Unternehmensinfrastruktur (Finanz- und Rechnungswesen, IT-Support, Facility Manage-
ment etc.),
x Wissensmanagement (engl. Knowledge Management),
100 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Abbildung 2-05 liefert einen Gesamtüberblick über die (typischen) Haupt-, Führungs- und
Unterstützungsprozesse einer Unternehmensberatung.
Führungs-
Strategisches Management o
prozesse
Controlling s
Sekundäre Unternehmensinfrastruktur
Aktivitäten
Unter- Wissensmanagement
stützungs-
prozesse Produkt- und Tool-Entwicklung q Gewinn-
marge
Qualitätsmanagement
5
Personalmanagement
Primäre Haupt-
Aktivitäten prozesse 3 4
Beratung
Marketing/Vertrieb
(Leistungserstellung/Delivery
Mit der Analyse der Wertschöpfungskette ist zugleich auch die Grundlage für ein wertorien-
tiertes Beratungsmanagement gelegt. Es steht für eine betont quantitative Ausrichtung der
Aktionsparameter, der Prozesse und der Werttreiber am Unternehmenserfolg.
x Aktionsparameter sind Stellschrauben, die dem Management zur Verbesserung der Ef-
fizienz und Effektivität innerhalb eines Aktionsfeldes zur Verfügung stehen. Im Vorder-
grund steht also die aktive Beeinflussung erfolgswirksamer Maßnahmen im Sinne der an-
gestrebten Aktionsfeldziele.
x Prozesse haben drei verschiedene Rollen: als Kunde eines vorausgehenden Prozesses, als
Verarbeiter der erhaltenen Leistungen und als Lieferant des nachfolgenden Prozesses.
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung 101
Aktionsparameter
Prozesse
Werttreiber
Unternehmenswert
Die Qualität als bewertete Beschaffenheit einer Leistung (wie z. B. Zuverlässigkeit, Fehler-
freiheit oder Schnelligkeit) ist aber nicht nur ein wichtiges Argument zur Entscheidung für
einen fähigen Anbieter. Im Zusammenhang mit der prozessorientierten Betrachtungsweise ist
der Qualitätsgedanke auch zum zentralen Konstrukt eines Managementansatzes geworden:
Total Quality Management (TQM), das eine Optimierung aller Unternehmensprozesse un-
ter dem Aspekt der Qualität anstrebt. Ohne hier detailliert auf die ganzheitliche Handlungs-
und Denkhaltung von TQM eingehen zu wollen, sollen die drei wichtigen TQM-Faktoren, die
für jedes Qualitätsmanagement von Bedeutung sind, kurz genannt werden [vgl. auch
SCHMITT/PFEIFER 2010 und ROTHLAUF 2010, S. 69 ff.]:
1. Schritt: Qualitätsplanung, die sich mit der Planung, Konkretisierung und Gewichtung
von Qualitätsanforderungen an die Beratungsleistungen befasst. Diese münden ein
in formal fixierte Qualitätsstandards und im Unternehmen kommunizierte Quali-
tätsgrundsätze, zu denen bspw. auch die berufsethischen Grundsätze des BDU zu
zählen sind.
4. Schritt: Qualitätsdarlegung, die darauf abzielt, nach innen und außen Vertrauen in die
eigene Qualitätsfähigkeit zu schaffen. Zu diesen vertrauensbildenden Maßnahmen
zählen die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9000 ff, die Durchführung von Quali-
tätsaudits sowie die Erstellung von QM-Handbüchern.
Abbildung 2-07 zeigt die vier Teilprozesse des Qualitätsmanagements in Verbindung mit den
Hauptprozessen eines Beratungsunternehmens.
Personalprozesse
Mitarbeiterorientierung
Qualitätsprozesse Unter-
Haupt- Qualitäts- Qualitäts- Qualitäts- Qualitäts- stützungs-
prozesse planung lenkung prüfung darlegung prozesse
Kundenorientierung Prozessorientierung
Marketing- und
Beratungsprozesse
Vertriebsprozesse
Allerdings sind diese Erkenntnisse in der Praxis noch nicht flächendeckend umgesetzt. Be-
sonders bei kleineren Beratungsunternehmen (< 20 Beschäftigte) besteht ein Nachholbedarf.
So haben lediglich 44 Prozent der befragten kleineren Unternehmensberatungen ein formales
Qualitätsmanagementsystem im Einsatz. Bei den größeren Beratungsfirmen (> 200 Beschäf-
tigte) sind es immerhin drei Viertel, bei denen ein Qualitätsmanagement vorliegt, und die
Hälfte dieser Firmen verfügt über eine QM-Zertifizierung. Bei den kleineren Firmen sind da-
gegen noch nicht einmal 20 Prozent zertifiziert.
Insert 2-01 gibt einen Überblick über Einsatz und Zertifizierung von Qualitätsmanagement-
systemen (QM) bei deutschen Beratungsunternehmen nach Betriebsgrößenklassen. Das Insert
liefert zudem Begründungen dafür, warum größere Beratungsunternehmen auf dem Weg zum
Qualitätsmanagement zum Teil deutlich weiter vorangeschritten sind als mittlere und vor al-
lem kleinere Unternehmen.
104 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Insert
Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Qualitäts- Beratungsunternehmen einen deutlichen Einsatz-
managements für die Unternehmensberatung wurde und Anwendungsvorsprung. Dies ist – so die Studie –
das Thema 2005/2006 im Rahmen einer empirischen auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen
Erhebung durchleuchtet und der Stand der Um- wird es mit steigender Unternehmensgröße ein-
setzung in der Beratungspraxis überprüft. Die insge- facher, QM-Spezialisten auszulasten. Auch besteht
samt 140 befragten Beratungsunternehmen wurden hier die Chance auf einen größeren Nutzen aufgrund
in drei Größenklassen eingeteilt: von Skaleneffekten. Schließlich kann ein positiver
Zusammenhang zwischen der Größe des Beratungs-
• kleine Unternehmen (< 20 Beschäftigte),
unternehmens und der Größe seiner Kunden-
• mittlere Unternehmen (20 bis 200 Beschäftigte),
unternehmen angenommen werden. Je größer der
• große Unternehmen (> 200 Beschäftigte).
Kunde, umso eher werden Audits durchgeführt und
Da die Einführung des Qualitätsmanagements ein umso eher wird Wert auf ein dokumentiertes
komplexes Unterfangen ist, haben die größeren Qualitätsmanagement gelegt.
100%
80% 75%
60% 53%
50%
44%
CMS vorhanden
QM-System vorhanden
40% 35%
ISO
ISOzertifiziert
zertifiziert
19%
20%
0%
Große Mittlere Kleine
Unternehmen Unternehmen Unternehmen
Da der Beratungsberuf in Deutschland rechtlich nicht geschützt ist und somit auch verbindli-
che ethisch-moralische Regeln fehlen, erschöpft sich Beratungsethik auf ein „Beratungsver-
ständnis als Ergebnis einer selbstdefinierten beruflichen Zuständigkeit im Spektrum zwischen
einer ausschließlich betriebswirtschaftlichen Ausrichtung zur Stärkung der asymmetrischen
Verteilung von Wissen und Marktchancen im Beratungsprozess (…) und einer (…) Unter-
nehmensberatung, die die systemische Kommunikation und Symmetrie in den Beziehungen
der beteiligten Akteure betont“ [HESSELER 2011, S. 19].
Damit nehmen das Risikomanagement (engl. Risk Management)und der Umgang mit pro-
fessionell-ethischen Risiken in Beratungsprojekten eine zentrale Rolle im Beratungsgeschäft
ein. Schließlich ist die Beschäftigung mit (moralischen) Risiken ein Zeichen professioneller
Kompetenz. Voraussetzung für ein funktionierendes, tragfähiges Risikomanagement ist ein in
der Unternehmenskultur verankertes Risikobewusstsein (Risikokultur), das Entscheidungen
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung 105
zur praktischen Risikovorsorge und die Grundlage für die Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz
von Projektrisiken im Rahmen von Toleranzwerten schafft. Eine so definierte Risikokultur
kann in drei Schritten implementiert werden [vgl. HESSELER 2011a, S. 105 ff.]:
Ziel der Risikoanalyse ist die Identifikation, Dokumentation und Bewertung der die Projekt-
ziele tangierenden bedeutsamen Risiken hinsichtlich Risikowahrscheinlichkeit (z.B. Gefähr-
dung des qualitativen Nutzens) und Schadenswahrscheinlichkeit/-höhe (z.B. Reputation).
Ziel der Risikogestaltung sind die Konzipierung und Einleitung geeigneter Maßnahmen zur
Vorbeugung oder Minimierung von möglichen (moralischen) Schäden. Dabei stehen die Teil-
schritte Risikoklassifikation, -selektion und -handhabung im Vordergrund.
x Risikoklassifikation. Die identifizierten und bewerteten Risiken werden mit Hilfe der
Merkmalsausprägungen „hohe Eintrittswahrscheinlichkeit“ und „Schadenshöhe nach dem
Grad der Behandlungsbedürftigkeit“ klassifiziert.
x Risikoselektion. Es folgt eine übersichtliche, zielorientierte und effiziente Sortierung der
Projektrisikosituationen auf Grundlage der einzuleitenden Maßnahmen im Risikofall.
x Risikohandhabung. Je nach Klassifizierung der bewerteten Risiken sollten entweder
ursachenbezogen-präventive Maßnahmen entsprechend der Risikoplanung oder auswir-
kungsbezogen-korrektive Maßnahmen für behandlungsbedürftige Risiken (Risikovorsor-
ge für Risikoüberwälzung) eingeleitet werden.
106 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Abbildung 2-08 gibt einen Überblick über die verschiedenen Einflussfaktoren einer Unter-
nehmensberatung.
Globales Umfeld
Makro-
Sozio- ökonomische Politisch-
kulturelle Umwelt rechtliche
Techno-
Natürliche Umwelt Umwelt
logische
Umwelt
Umwelt
Bewerber Kunden
Kooperationspartner Wettbewerber
Sonstige Stakeholder
Zu den externen Einflussfaktoren, die auch als das Makro-Umfeld des Unternehmens be-
zeichnet werden, zählen
x die natürlichen Umweltbedingungen und Tendenzen,
x die sozio-kulturellen Umweltbedingungen und Tendenzen,
x die makro-ökonomischen Umweltbedingungen und Tendenzen,
x die politisch-rechtlichen Umweltbedingungen und Tendenzen und
x die technologischen Umweltbedingungen und Tendenzen.
108 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Natürliche Umwelteinflüsse haben i. d. R. keine direkten Auswirkungen auf Ziele und Strate-
gien von Beratungsunternehmen, es sei denn, dass die Umweltberatung zum ausgewiesenen
Leistungsprofil des Beratungsunternehmens zählt. Heute sind es etwa 500 Consulting-
Unternehmen, die sich auf die Beratung in Energie- und Umweltfragen spezialisiert haben.
Fünf Tendenzen sollen hier skizziert werden, die im Umweltbereich besondere Auswirkungen
auf Unternehmensberatungen mit dem Geschäftsfeld Umweltberatung haben:
x Verknappung der natürlichen Ressourcen in Verbindung mit steigenden Energiekosten
x Einsatz erneuerbarer Energien
x Neue Antriebstechnologien im Automobilbereich
x Zunehmende Umweltverschmutzung
x Umweltpolitische Interventionen staatlicher Institutionen.
Besondere Bedeutung kommt der Entwicklung alternativer Energiequellen wie Wind- und
Solarenergie zu. Die Sicherstellung einer zuverlässigen, wirtschaftlichen und umweltverträg-
lichen Energieversorgung ist eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dabei
werden nach der beschleunigten Energiewende in Deutschland (Ausstieg aus der Kernener-
gie) die erneuerbaren Energien eine herausragende Rolle spielen.
Bei den erneuerbaren Energien stehen deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen
mit ihrer Innovationskraft weltweit an der Spitze. Nicht zuletzt der hohe Exportanteil der
deutschen Unternehmen, bei der Windenergie beispielsweise über 80 Prozent – spiegelt dies
wider. Der Einstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien kann aber nicht mit den heuti-
gen Stromnetzen funktionieren – weder was die Länge, Kapazität und Lage der Leitungen
noch ihre Technik anbetrifft. Die mit der beschleunigten Energiewende in Deutschland ver-
bundenen Ziele sind in Insert 2-02 dargestellt und bieten Industrie- und Beratungsunterneh-
men eine Vielzahl von Betätigungsfeldern.
Die Schaffung energieeffizienter Technologien in Verbindung mit Antriebstechniken, die
sich hinsichtlich Energieart oder konstruktiver Lösung von den auf dem Markt verbreiteten
Antriebstechniken unterscheiden, gehört ebenfalls zu den wichtigen Aufgabenfeldern indust-
rieller Forschungsabteilungen. So arbeitet die Automobilindustrie intensiv an neuen Antriebs-
technologien und energiesparenden Kompaktwagen. Unternehmen, die sich auf die Beratung
der Automobilsparte konzentrieren, werden nicht an einer intensiven Auseinandersetzung mit
neuen Antriebstechnologien, sei es der Hybridantrieb oder der Elektroantrieb, vorbeikommen.
Auch die Entsorgung chemischer und nuklearer Abfälle und die Verschmutzung der Um-
welt durch biologisch nicht abbaubarer Materialien stellen die Kundenunternehmen vor er-
hebliche Herausforderungen. Die Einhaltung von Umweltrichtlinien stellt zwar zunächst eine
Belastung dar, sie bietet aber auch die Chance, neue Absatzpotenziale zu erschließen.
Ob es sich um die Förderung der Erforschung der klimafreundlichen Nutzung von Biomasse,
um die Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von Energiespeichertech-
nologien oder um Marktanreizprogramme für erneuerbare Energien handelt, auch hier fin-
den Beratungsunternehmen eine Vielzahl von attraktiven Tätigkeitsgebieten.
2.2 Analyse – Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft 109
Insert
Anteil erneuerbarer Energien am
Endenergieverbrauch in Deutschland
Wasserkraft:
0,8 %
Windenergie:
1,5 %
Photovoltaik:
0,5 %
Anteile EE 2010
11,3 % Biomasse:
8,1 %
fossile Energieträger
(Steinkohle, Braunkohle,
Mineralöl, Erdgas) und
Kernenergie:
88,7 %
Solarthermie,
Geothermie:
0,4 %
1) Quelle: Energy Environment Forecast Analysis (EEFA) GmbH & Co KG; 2) Feste und flüssige Biomasse, Biogas, Deponie- und Klärgas, biogener Anteil des Abfalls, Biokraftstoffe;
Quelle:
Quelle: BMU-KI III 1 nach Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) und ZSW, unter Verwendung von Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. (AGEB);
www.erneuerbare-energien.de 15
EE: Erneuerbare Energien; 1 PJ = 10 Joule; Abweichungen in den Summen durch Rundungen; Stand: Dezember 2011; Angaben vorläufig
Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergiever- rität beigemessen. Der Ausbau der erneuerbaren
brauch betrug 2010 in Deutschland 11,3 Prozent. Bis Energien (EE) in Deutschland hat zudem erhebliche
zum Jahr 2020 soll dieser Anteil an der gesamten Wachstums- und Arbeitsplatzeffekte. So stieg gemäß
Wärmebereitstellung auf 14 Prozent und auf 10 Pro- einer Studie der Gesellschaft für Wirtschaftliche
zent am Endenergieverbrauch im Verkehrssektor Strukturforschung (GWS) der gesamte Beschäfti-
ansteigen. Diese Ziele sollen u.a. mit dazu beitragen, gungsbeitrag der erneuerbaren Energien in Deut-
die Treibhausgas-emissionen in Deutschland bis zum schland im Jahr 2010 auf rund 367.000 Arbeitsplätze
Jahr 2020 (bezogen auf das Jahr 1990) um 40 Pro- an. Dies ist deutlich mehr als eine Verdoppelung
zent und bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent zu gegenüber 2004 (rund 160.000 Arbeitsplätze). Bis
senken. Dabei soll der Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 kann sich die Brutto-Beschäftigung auf mehr als
2020 um 10 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 25 eine halbe Million Beschäftigte weiter erhöhen.
Prozent sowie der Primärenergieverbrauch bis 2020 Umfangreiche Modellrechnungen zeigen, dass im
um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent gesenkt gleichen Zeitraum auch die Nettobeschäftigungs-
werden. Der Anteil der erneuerbarer Energien am wirkungen der erneuerbaren Energien in Deutschland
deutschen Bruttostromverbrauch soll bis 2050 auf ca. in nahezu allen analysierten Szenarien positiv sind.
80 Prozent ansteigen. Dies erfordert einen radikalen Außerdem wird für das Beispiel "Windenergie an
Umbau der gesamten Energieinfrastruktur. Hierfür Land" anhand von Modellrechnungen beispielhaft ge-
sollen in nächster Zukunft wichtige Rahmenbedin- zeigt, wie sich die EE-Beschäftigung auf die einzel-
gungen geschaffen werden. Einem zügigen Ausbau nen deutschen Bundesländer verteilt.
der Netzinfrastruktur wird dabei eine sehr hohe Prio-
Nach dem Zukunfts- und Trendforscher MATTHIAS HORX sind es vier sogenannte Mega-
trends, die unser künftiges sozio-kulturelles Umfeld beeinflussen werden (siehe Abbildung 2-
09):
x Zunehmender wirtschaftlicher und kultureller Einfluss Asiens
x Erstarken des weiblichen Geschlechts mit Auswirkungen auf Kaufverhalten und Design
x Trend zur Kleinfamilie und Zunahme nomadischer Haushaltsformen
x Veränderung der Altersstruktur mit gravierenden Auswirkungen auf das Kaufverhalten.
Alle genannten Megatrends haben zum Teil gravierende Auswirkungen auf das Kaufverhalten
und erzeugen vielfältige Marktchancen. Neue oder erweiterte Zielgruppen (Senioren, Frauen
110 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
im Beruf, Single-Haushalte) haben bei vielen Produkten abweichende Bedürfnisse, die insbe-
sondere das Marketing der Kundenunternehmen berücksichtigen muss.
Speziell für Beratungsunternehmen sind diese Megatrends nicht nur von mittelbarem, sondern
auch von direktem Einfluss. Dabei lassen sich die Megatrends Frauen und Alterung auch un-
ter dem Label „demografischer Wandel“ zusammenfassen.
Megatrend Asien. Hier sind insbesondere Länder und Regionen wie Indien, China und Viet-
nam angesprochen, die seit Jahren als attraktive und kostengünstige Alternative zu den tradi-
tionellen High-Tech- und Service-Standorten der westlichen Welt gelten. Auch dort finden
globale Unternehmen mittlerweile ein wachsendes Reservoir hochqualifizierter Fachkräfte
vor. Dies gilt nicht nur für die globalen Wertschöpfungsketten im Bereich der Hardware- und
Chip-Produktion, deren Schwerpunkt heute bereits Asien ist. Im Zentrum dieser auch für die
Unternehmensberatung relevanten Entwicklungen stehen vor allem
x die Internationalisierung von Software-Entwicklung und IT-Dienstleistungen,
x der Aufbau sog. Shared Services Center in Niedriglohnregionen, in denen Unternehmen
Verwaltungstätigkeiten wie z.B. Buchhaltung, Reisekostenabrechnung u. ä. konzentrieren
(Business Process Outsourcing),
x die Internationalisierung der F&E-Abteilungen großer Unternehmen, die nun auch in
Niedriglohnregionen eigene Entwicklungsstandorte etablieren.
Der Bereich Software-Entwicklung und IT-Dienstleistungen erweist sich dabei als Vorreiter
der Globalisierung der Dienstleistungswirtschaft. In diesen Feldern lassen sich deshalb neue
Muster der Globalisierung, des Welthandels und internationaler Arbeitsteilung idealtypisch
erkennen [vgl. BOES et al. 2011, S. 6 ff.]. Hinweise, wie diese Potenziale der Globalisierung
auch für Beratungsunternehmen genutzt werden können, finden sich insbesondere in Indien.
Hier haben sich Unternehmen wie TATA CONSULTANCY SYSTEMS (TCS), INFOSYS oder
2.2 Analyse – Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft 111
WIPRO in der westlichen Welt als sogenannte Outsourcer einen Namen gemacht. Sie über-
nehmen IT-Routine-Aufgaben wie den Betrieb eines Rechenzentrums, aber auch komplette
Prozesse wie etwa das Rechnungsmanagement für große und mittelgroße Unternehmen. Die
IT-Dienstleister profitieren dabei von niedrigeren Nebenkosten in Indien (siehe Insert 2-03).
Insert
Indien: Von der „verlängerten Werkbank“ zum Knotenpunkt eines
neuen globalen Produktionsmodells für IT-Dienstleistungen
In einem rasanten Entwicklungsprozess ist Indien in abteilungen von klassischen Industrieunter-nehmen
den vergangenen Jahren zu einem Boomland für IT- wie GENERAL ELECTRICS oder BOSCH können mitt-
Dienstleistungen avanciert. Nahezu alle wichtigen IT- lerweile auf große Entwicklungsstandorte in Indien
Dienstleister besitzen heute große Dependancen in zurückgreifen. Vor allem aber haben sich in Indien in
Indien mit mehreren Tausend Mitarbeitern, die auch einem rasanten Entwicklungsprozess eigenständige,
in den letzten Jahren rapide Wachstumsraten ver- global wettbewerbsfähige IT-Dienst-leistungsunter-
zeichneten. nehmen herausgebildet.
Insbesondere die Marktführer im Bereich der IT- Deren wichtigste Vertreter INFOSYS, W IPRO und TATA
Dienstleistungen, ACCENTURE, IBM und CAPGEMINI, CONSULTING SYSTEMS (TCS) haben heute bereits zu
stocken ihre indischen Tochterfirmen personell sehr den traditionellen Marktführern westlicher Herkunft
schnell auf. Heute beschäftigen ACCENTURE und auf-geschlossen bzw. die wichtigsten europäischen
CAPGEMINI in Indien bereits mehr Angestellte als in Unternehmen wie z.B. CAPGEMINI, ATOS ORIGIN oder
den USA, der indische Standort von IBM ist gleich- T-SYSTEMS hinsichtlich der Beschäftigtenzahl über-
zeitig zum größten Auslandsstandort von „Big Blue“ holt. So beschäftigt das größte Unternehmen, TCS,
geworden. Ebenfalls hohe Wachstumsraten der Be- aktuell rund 160.000 Mitarbeiter, W IPRO ca. 108.000
schäftigtenzahlen sind – wenn auch von einem und INFOSYS knapp 114.000. Lediglich ACCENTURE
deutlich niedrigeren Niveau aus – auch für Niederlas- mit zur Zeit knapp 211.000 Mitarbeitern ist nach
sungen europäischer IT- Unternehmen wie SAP oder diesem Kriterium noch größer als die indischen
SIEMENS zu verzeichnen. Auch die Entwicklungs- Unternehmen (siehe Grafik).
200.000
ACCENTURE
TCS
150.000 INFOSYS
CAPGEMINI
WIPRO
100.000 ATOS ORIGIN
T-SYSTEMS
50.000
0
2001 2004 2007 2010
Darüber hinaus weisen die großen indischen IT- 2001 waren es noch 9.934. In den folgenden knapp
Dienstleister eine extrem hohe Wachstumsdynamik drei Jahren bis heute wuchs TCS um weitere 65.000
auf. Das Beschäftigungswachstum der großen Drei Mitarbeiter, INFOSYS um rund 40.000 und W IPRO um
verdeutlicht das Potenzial: Im Jahr 2001 hatte TCS rund 35.000. Angesichts der im selben Zeitraum ins-
erst 13.751 Mitarbeiter, Ende Juni 2007 waren es gesamt rückläufigen oder stagnierenden Beschäf-
94.902. INFOSYS wuchs von 9.831 Mitarbeitern im tigungsentwicklung vieler europäischer Unternehmen
Jahr 2001 auf 75.971 am 30. Juni 2007. W IPRO hatte wird hier der Bedeutungsgewinn der indischen IT-
zum selben Stichtag 72.137 Mitarbeiter, im Jahr Industrie greifbar.
112 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Während die Beschäftigtenzahlen bei den großen Umsatzwachstumsraten. Stellt man diese zusammen
indischen Firmen eine durchschnittliche jährliche mit der Umsatzrendite in einer sog. Wachstums-
Wachstumsrate von rd. 30 Prozent aufweisen, stag- Rendite-Matrix dar, so zeigen sich zwei Cluster: die
nieren sie bei T-SYSTEMS und ATOS ORIGin. Lediglich westlichen IT-Dienstleister mit geringer Rendite und
CAPGEMINI (7,7 Prozent) und ACCENTURE (12 Prozent) kaum Umsatzwachstum, die drei großen indischen IT-
weisen moderate Wachstumsraten bei den Beschäf- Dienstleister dagegen mit beachtlich hohen Rendite-
tigtenzahlen auf. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den und Wachstumszahlen (siehe untere Grafik).
30 INFOSYS
25
WIPRO
20
TCS
Westliche IT-Dienstleister
15
10
CAPGEMINI
T-SYSTEMS Indische IT-Dienstleister
5 ACCENTURE
-5 ATOS ORIGIN
-10
0 5 10 15 20 25
= Größe entsprechend den Umsatzzahlen 2010/2011
Umsatzrendite in %
[Quelle: Errechnet aus Annual Reports 2010/2011]
Die großen indischen IT-Firmen verfügen mittlerweile nur einfache Projekte durchzuführen, sondern immer
über langjährige Erfahrungen mit global verteilter Er- komplexere. So wurden die großen indischen Firmen
bringung von IT-Dienstleistungen. Begonnen wurde in der Folge zu strategischen Partnern für komplexe
zunächst mit dem so genannten Bodyleasing indi- SAP-Lösungen. Große indische IT-Dienstleister er-
scher IT-Fachkräfte. Danach folgte eine Phase der bringen also keineswegs nur einfache IT-Dienst-
Offsite-Produktion, d. h. indische Firmen etablierten leistungen. Sie haben sich nicht auf ihre Kosten-
kleine Marke-tingstandorte in der Nähe wichtiger Kun- führerschaft verlassen, sondern frühzeitig auch auf
den, während die Leistungen selbst weiterhin in Qualität gesetzt. Seit einigen Jahren verfolgen sie
Indien erstellt wurden. Hier konnten jedoch zunächst aufbauend darauf das Ziel, höherwertige Dienst-
nur einfache Projekte mit definierten Funktionalitäten leistungen zu erbringen. Die enge Partnerschaft die-
ausgeführt werden, die kein aufwändigeres Projekt- ser Unternehmen mit den großen Standardsoftware-
management erforderten. Erst danach wurden global Herstellern wie zum Beispiel SAP ist in diesem
verteilte Onsite-offsite-Modelle entwickelt. Um die Kontext von besonderer strategischer Bedeutung für
Koordination und Problemlösung zu verbessern, wur- sie. In diesen Kontext fällt auch die Ankündigung von
den Projektmanager und Mitarbeiter vor Ort beim INFOSYS, künftig auf der Wertschöpfungskette weiter
Kunden eingesetzt, während große Bereiche des nach oben zu klettern und über die reine Infor-
operativen Projektgeschäfts in Indien selbst verrichtet mationstechnologie hinaus auch Beratungsleistun-
wurden. Dadurch sollten die Kostenvorteile der Ent- gen anzubieten. Prozesskosten- und Lieferketten-
wicklung in einem Niedriglohnland mit Management- optimierung stehen dabei ganz oben auf der Ange-
präsenz beim Kunden verbunden werden. In diesem botsliste der Inder.
Prozess haben die indischen IT-Firmen gelernt, nicht [Quelle: Handelsblatt 17.12.2011]
Megatrend Frauen. Neben der steigenden Sensibilität für Freizeit und Gesundheit kommt
noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die zunehmenden Karriereambitionen weiblicher Füh-
rungskräfte und Mitarbeiterinnen, auf das mit entsprechenden Karriere- und Diversity-
Programmen reagiert werden sollte. Besonders im Fokus steht hierbei die aktuelle Diskussion
über die Frauenquote in den Führungsetagen deutscher Unternehmen. Dies gilt übrigens in
gleicher Weise für den immer noch verschwindend geringen Frauenanteil im Top-
Management von Unternehmensberatungen. Während sich bei den Hochschulabsolventen als
Berufseinsteiger der Anteil von Frauen und Männern noch in etwa die Waage hält, scheiden
im Laufe der Beratungskarriere deutlich mehr Frauen als Männer aus den Unternehmen aus.
Hier sollte das Personalmanagement in der Diskussion eine Vorreiterrolle einnehmen und die
allzu hohen Mobilitätsansprüche an Beraterinnen auf ein vernünftiges Maß begrenzen. Auch
sollte es gelingen, durch Home-Office-Vereinbarungen oder Ähnliches das gerade in der Be-
raterbranche sehr häufig anzutreffende „Ich-muss-die-Welt-retten-Syndrom“ einzuschränken.
Megatrend Individualisierung. Mit der zunehmenden Individualisierung sind nicht nur die
von HORX angesprochenen Veränderungen der Lebensstile und Haushaltsformen angespro-
chen. Von Bedeutung für die Unternehmensberatung als Arbeitgeber ist vor allem der Wandel
der allgemeinen Wertvorstellungen (Wertewandel) im Hinblick auf Eigenschaften wie Lo-
yalität und Disziplin. Auch die Verschiebung der Aufmerksamkeit von der Arbeits- in die
Privatsphäre steht unter dem Begriff Work-Life-Balance ganz oben auf der Agenda des Perso-
nalmanagements einer Unternehmensberatung.
Megatrend Alterung. Hierzu zählen in erster Linie die Veränderungen der Altersstruktur
und ihre Auswirkung auf die Arbeitskräfteverfügbarkeit. Daraus lassen sich zwei Dimensio-
nen einer zukunftsweisenden Personalpolitik für Beratungsunternehmen ableiten: Zum einen
eine veränderte Lebensphasenplanung der Mitarbeiter (siehe Abbildung 2-10) und zum ande-
ren die nachhaltige Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit (engl. Employability). Konkret
bedeutet der demografische Wandel neben älter werdenden Belegschaften eine absolut sin-
kende Zahl an verfügbaren Erwerbspersonen und eine Verknappung an qualifizierten Fach-
und Führungskräften sowie an jüngeren Arbeitskräften. Da gerade Unternehmensberatungen
zu den Branchen gehören, die sich durch ein relativ geringes Durchschnittsalter auszeichnen,
wird hier ein Umdenken erforderlich sein.
Post-
2010+ Jugend und Erwerbsleben Zweiter
adoles- Ruhestand
Ausbildung zenz Familienleben Aufbruch
0 10 20 30 40 50 60 70 80 Jahre
Zu den relevanten Einflussfaktoren in diesem Bereich zählt die Verschärfung der Wettbe-
werbssituation, d. h. der Wandel der Konkurrenzverhältnisse im internationalen und globalen
Kontext. In diese Kategorie fällt auch der Trend zur Optimierung der Dienstleistungstiefe,
d. h. die Frage, inwieweit bestimmte Aktivitäten des „Overhead-Managements“ ausgelagert
und durch andere Unternehmen wahrgenommen werden können (Outsourcing). Die zentralen
Zielsetzungen in Verbindung mit Outsourcing bestehen darin, sich auf Kernkompetenzen zu
konzentrieren und Kosten zu reduzieren.
Nach der Optimierung der Produktivität, die als erste Revolution der Wertschöpfung bezeich-
net wird, und nach der Optimierung der Fertigungstiefe (zweite Revolution der Wertschöp-
fung) geht es bei der Optimierung der Leistungstiefe, der dritten Revolution der Wertschöp-
fung, um die Reduzierung von Ineffizienz und Ineffektivität auf der Verwaltungsebene. In
Insert 2-04 sind die drei Wertschöpfungsrevolutionen im Zusammenhang dargestellt. Bei der
aktiven Umsetzung dieser dritten Revolution sind die Beratungsunternehmen mehr denn je
gefragt. Werden diese Dienstleistungsinnovationen nicht realisiert, ist zu befürchten, dass
weitere Unternehmen aus Deutschland abwandern, weil sie ihre Profitabilität nur noch durch
Reduktion der Overhead-Kosten verbessern können.
Es existiert eine Vielzahl von Gesetzen, die das Wettbewerbsverhalten, die Produktstandards,
den Urheber- und Markenschutz aber auch den Verbraucherschutz regeln und damit von er-
heblicher Bedeutung für die Kundenunternehmen der Unternehmensberatungen sind. Die
Liberalisierung des europäischen Strommarktes und die Deregulierung des Telekommunikati-
onsmarktes sind Beispiele für politisch-rechtliche Einflüsse, die dem Management vieler
Kundenunternehmen neue Chancen und Perspektiven eröffnet haben. Hier können Beratungs-
unternehmen mit entsprechender Expertise wertvolle Hilfestellung für ihre Kunden leisten.
Aber auch kommunalpolitische Rahmenbedingungen und die spezifische(n) Standort-
situation(en) des Unternehmens, die durch die (jeweilige) regionale Infrastruktur bestimmt
wird (werden), zählen zu den politisch-rechtlichen Einflussfaktoren.
Zum einen sind hier die Bestrebungen der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) zu
nennen, nach denen sich die vier großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
(Big-Four: KPMG, PWC, ERNST & YOUNG, DELOITTE) vollends von ihren angeschlossenen
Beratungseinheiten trennen sollen. Ausgangspunkt war hier der ENRON-Skandal, der dazu
führte, dass die großen Audit-Gesellschaften (Ausnahme: DELOITTE) mehr oder weniger
halbherzig ihre eigenständig geführten Beratungshäuser verselbständigten oder an andere Un-
ternehmen verkauften. Die Trennung der Wirtschaftsprüfer von den Consultants sollte dabei
insbesondere den Konflikt mit dem sogenannten Sarbanes-Oxley Act of 2002 (auch SOX,
SarbOx oder SOA genannt) vermeiden. Es handelt sich dabei um ein US-Bundesgesetz, das
2002 als Reaktion auf die Bilanzskandale von ENRON und WORLDCOM von PAUL SARBANES
und MICHAEL OXLEY verfasst wurde. Das Sarbannes-Oxley Act verbietet den Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaften Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen gleichzeitig bei demselben
Kunden zu erbringen.
Zum anderen gelten für die Auditoren die Bestimmungen der Wirtschaftsprüferordnung
(WPO), nach denen ihnen nur ein „Marketing mit Handschellen“ (z. B. keine „marktschreieri-
sche“ Werbung) erlaubt ist.
116 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Insert
Während die Herstellkosten in Relation zum Umsatz punkt. Die untenstehende Grafik verdeutlicht den
zumindest stabil geblieben sind, haben sich die Ver- Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Her-
waltungskosten im Verhältnis zum Umsatz schritt- stell- und Verwaltungskosten im Verhältnis zum
weise erhöht. Dieses Ungleichgewicht nimmt die jeweiligen Umsatz bei ausgewählten deutschen
dritte Revolution der Wertschöpfung zum Ausgangs- Unternehmen.
115
Verwaltungskosten
rel. zum Umsatz
110
105
100
Herstellungskosten
rel. zum Umsatz
95
In der nachstehenden Grafik sind die wesentlichen Großteil der Fertigungsprozesse von Zulieferern ab-
Effekte bei der Optimierung der Fertigungstiefe und gedeckt wird, werden die Verwaltungsprozesse von
bei der Optimierung der Leistungstiefe dargestellt. externen Dienstleistern wahrgenommen.
Während bei der Reduktion der Fertigungstiefe der
Fertigungstiefe Leistungstiefe
70%
Fertigungs- Verwaltungs-
prozesse prozesse
werden von werden von
Zulieferern Dienstleistern
abgedeckt abgedeckt
25%
Die technologische Entwicklung ist sicherlich der Einflussfaktor, der unser Umfeld am stärks-
ten formt und gestaltet. Zu den technischen Innovationen, die die Rahmenbedingungen für
unsere Unternehmen besonders prägen, zählen die neuen Kommunikationsmittel. Im Mittel-
punkt stehen dabei die enormen Potenziale, die das Internet den Unternehmen und ihren Kun-
den bietet. Aber auch neue Produktionsverfahren, die gravierende Änderungen im Leistungs-
erstellungsprozess mit sich bringen, sowie vor allem Produkt- und Dienstleistungsinnovatio-
nen wirken sich auf Unternehmen nahezu aller Branchen aus. Ein Großteil der heute alltägli-
chen Produkte war vor wenigen Jahrzehnten noch gänzlich unbekannt: Flachbildschirme, Per-
sonal Computer, MP3-Player, Digitalkameras, Mobiltelefone und vieles andere mehr. Die
Liste ließe sich beliebig fortführen. Neue Technologien schaffen neue Märkte und Absatz-
möglichkeiten. Häufig ersetzt auch eine neue Technologie eine ältere.
Insert 2-05 verdeutlicht, wie in der Unterhaltungselektronik innerhalb weniger Jahre die ana-
loge Technologie vollends durch die digitale verdrängt wurde.
Insert
Digital verdrängt analog
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den nur noch 12 Prozent des Unterhaltungselektronik-
technologischen Wandel liefert die Elektronik- umsatzes auf analoge Geräte wie Röhrenfernseher
industrie. Innerhalb weniger Jahre hat die digitale oder Walkman. Ein ähnliches Bild zeigt der Über-
Technologie die analoge nahezu vollständig ersetzt. gang von analogen zu digitalen Kameras. So wur-
Waren es im Jahr 2000 noch Dreiviertel des Um- den bereits im Jahr 2002, also lediglich fünf Jahre
satzes, der mit analogen Produkten der Unterhalts- nach der Markteinführung, mehr digitale Kameras
industrie erzielt wurde, so entfiel sechs Jahre später als analoge verkauft.
Generell sind es zwei Stoßrichtungen, die der Berater hinsichtlich seiner Innovationsausrich-
tung verfolgen kann: eine wettbewerbsorientierte und/oder eine mehr kundenorientierte Stoß-
richtung. Bei der wettbewerbsorientierten Ausrichtung ist das Innovationspotential z. B. mit
neuen Geschäftsmodellen, neuen Methoden und Tools oder neuen Beratungsprodukten auf
die Wettbewerbsfähigkeit des Beratungsunternehmens ausgerichtet. Im Gegensatz dazu ist die
mehr kundenorientierte Stoßrichtung auf Beratungsinhalte (z. B. Innovationsberatung, Inno-
vationsprozessberatung) ausgerichtet. Letztlich führen diese innovativen Beratungsinhalte, die
eine Erhöhung der Wertschöpfung des Kunden zum Ziel haben, dann auch wieder zu einer
stärkeren Differenzierung auf dem Beratermarkt (siehe Abbildung 2-11).
Innovationsrichtungen
des Beraters
Ziel: Ziel:
Differenzierung Erhöhung der
auf dem Wertschöpfung
Beratermarkt des Kunden
Auseinandersetzung
Unbefriedigte mit Lead-Users,
Bedürfnisse/ Kosten-Nutzen- Pilot-
Marktpotential Optimierung Marketing
F&E
Eigene
Marketing & Herstellung
Sales
Kunden Roll-out
Definition von
Distributoren Generierung Produkten, Lizenzen
Bewertung Kom-
von Ideen Prozessen, Entwicklung, Quer-
Zulieferer und Auswahl merziali-
und Verfahren, Prototyping befruchtungen
von Ideen sierung
Konzepten Technologie- Neue
Partner auswahl Anwendungen
F&E-Institute
Neue Märkte
Berater …..
…..
Neue Kompetenz- TBM
technologische Plattform
Möglichkeiten
(Innovations-)
Innovationsberatung (Innovations-) Prozessberatung
Umsetzungsberatung
In Insert 2-06 sind weitere Aspekte des Innovationsbegriffs wie Innovationsobjekte, Innovati-
onsgrad und Innovationstreiber zusammengetragen.
2.2 Analyse – Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft 121
Insert
Innovationstypen Beispiele
2.2.2 Chancen-Risiken-Analyse
x Welche konkreten Auswirkungen haben neue Technologien auf das Unternehmen insge-
samt, auf Beratungsinhalte, Prozesse, Zielgruppen etc.?
Mit dem Umfang der Chance nimmt in der Regel auch die Höhe des Risikos zu und umge-
kehrt. Daher wird in der Unternehmensberatungspraxis dem Risiko unter dem Thema Risi-
komanagement (engl. Risk Management) eine besondere Bedeutung beigemessen.
Dem Makro-Umfeld, also den unternehmensexternen Faktoren, auf die das Unternehmen kei-
nen Einfluss hat, werden sodann die unternehmensinternen Faktoren gegenübergestellt. Hier-
bei handelt es sich prinzipiell um eine Analyse der Beratungsbranche und damit um eine Be-
trachtung des Mikro-Umfeldes. Sie lässt sich sinnvoller Weise in Rahmenbedingungen, die
von Marktstruktur, Marktvolumen und -potential gesetzt werden, sowie in Einflüsse der Kun-
den und des Wettbewerbs unterteilen. Eine grundsätzliche Analyse und Beschreibung des
Beratungsmarktes ist bereits in Abschnitt 1.4 vorgenommen worden. In diesem Zusammen-
hang sollen lediglich die wichtigsten Einflussfaktoren des Mikro-Umfeldes zusammengefasst
und den Einflüssen des Makro-Umfeldes gegenübergestellt werden.
x Marktstruktur. Bei der Analyse der Marktstruktur geht es um Ein- und Austrittsbarrie-
ren für Marktsegmente, in denen die Unternehmensberatung tätig ist. Prinzipiell gelten
für das Geschäftsfeld der Strategie- und Managementberatung ebenso wie für das Markt-
segment der international tätigen IT-Beratungen relativ hohe Markteintrittsbarrieren.
Niedrige Barrieren liegen eher bei den kleineren Nischenanbietern vor, die sich auf eine
bestimmte Branche oder auf einen bestimmten Funktionsbereich konzentrieren. Auch für
Unternehmen, die mit einigen wenigen Mitarbeitern als verlängerte Werkbank bei der
Einführung oder Anpassung von ERP-Systemen agieren, liegen relativ niedrige Eintritts-
barrieren vor. Marktaustrittsbarrieren dürften bei nahezu allen Geschäftsmodellen der Be-
ratungsbranche relativ niedrig sein.
x Marktvolumen und -potential. Der BDU gibt für 2012 den Umsatz der Beratungsbran-
che in Deutschland mit rund 22 Mrd. Euro an. Für die Größe des weltweiten Consulting-
Marktes gibt es allerding keine verlässlichen Daten. Die Umsatzeinbußen, die der deut-
sche Beratungsmarkt als Folge der weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2009
erlitten hatte, konnte die Branche im Jahr 2010 wieder wettmachen. Insgesamt gilt die
Beratungsbranche als eine der attraktivsten Wirtschaftsbereiche mit jährlichen Wachs-
tumsraten, die immer noch im zweistelligen Bereich liegen.
x Kunden. Als Beratungskunden kommen grundsätzlich alle Unternehmen in Frage. Das
Beratungsgeschäft ist somit ein typisches B2B-Geschäft. Wesentliche Kundenanforde-
rungen sind Seriosität, Qualität, Quantifizierbarkeit und Nachhaltigkeit der Beratungsleis-
tungen. Obwohl die Preisbereitschaft in der Regel bei Großunternehmen höher ist als bei
kleineren und mittleren Kundenunternehmen, sind es aber gerade die größeren Unter-
nehmen, die mit der Einrichtung von Inhouse Consulting-Einheiten diesen hohen Kosten
zunehmend aus dem Wege gehen wollen.
124 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
x Wettbewerb. Zahl und Struktur der Wettbewerber im Beratungsmarkt ändert sich von
Marktsegment zu Marktsegment. Grundsätzlich ist der Beratungsmarkt in seiner Gesamt-
heit ein atomistischer Markt. Selbst die größeren Beratungsunternehmen verfügen nicht
über Marktanteile, die im zweistelligen Bereich liegen. In bestimmten Marktsegmenten
(z. B. bei großen, weltweiten SAP-Rollouts) liegt eine oligopolistische Angebotsstruktur
vor, da nur sehr wenige Beratungsunternehmen in der Lage sind, eine Nachfrage dieser
Größenordnung zu befriedigen.
Marktvolumen und
Anzahl Kunden Gesamter B2B-Bereich
-potential
Marktwachstum Überdurchschnittlich
2.2.4 Stärken-Schwächen-Analyse
Im Anschluss an die Sichtung der internen Einflussfaktoren – also des Mikro-Umfeldes – der
Unternehmensberatung geht es nun darum, die Stärken und Schwächen des Unternehmens zu
analysieren und daraus entsprechende Strategien abzuleiten. Ebenso wie bei der Chancen-
Risiken-Analyse gibt es auch bei der Stärken-Schwächen-Analyse keinen allgemeinverbindli-
chen Kriterienkatalog mit entsprechenden Gewichtungsmodalitäten etc. Hilfreich für die Stär-
ken-Schwächen-Analyse ist vielmehr eine vorherige Identifikation der entscheidenden Er-
folgsfaktoren. Solche Faktoren sind in jedem Beratungsunternehmen gut bekannt und können
daher schnell abgerufen werden. Anhand der wichtigsten Erfolgsfaktoren können dann alle
Stärken und Schwächen abgeprüft werden.
Die Stärken (engl. Strengths) sind dabei jene Faktoren, die dem Unternehmen zu einer relativ
starken Wettbewerbsposition verhelfen, während die Schwächen (engl. Weaknessess) das
Unternehmen daran hindern, Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Untersucht wird bei einer Stär-
ken-Schwächen-Analyse die Position (Fähigkeiten und Ressourcen) des eigenen Unterneh-
2.2 Analyse – Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft 125
durchgeführt. Die SWOT-Analyse stellt also Chancen und Risiken aus dem Makro-Umfeld
sowie Stärken und Schwächen aus dem Mikro-Umfeld in einen Zusammenhang. Sie zählt
neben der BCG-Matrix zu den am meisten verwendeten Beratungstools und wird daher in
Abschnitt 4.4.1 näher beleuchtet.
Lassen sich aus der Eigentumsfrage, deren Analyse für die Beratungsbranche von besonderem
Interesse ist und daher immer wieder diskutiert wird, ebenfalls Stärken oder Schwächen einer
Unternehmensberatung ableiten? Die Analyse der Eigentumsfrage ist auch vor dem Hinter-
grund interessant, dass in den vergangenen Jahren einige Unternehmensberatungen bereits
tiefgreifende Veränderungen aufgrund des Wechsels ihrer Eigentumsform durchlaufen haben.
Zu nennen sind hier insbesondere das Management Buy-out von ROLAND BERGER Strategy
Consultants (als Rückkauf der Anteile von der Deutschen Bank 1998) und von A. T.
KEARNEY (als Rückkauf der Anteile von EDS 2006) sowie im umgekehrten Fall die Über-
nahme der Partneranteile von ERNST & YOUNG Consulting durch die Aktiengesellschaft
CAPGEMINI S. A. im Jahr 2000.
2.2.5.1 Eigentumsverhältnisse
Fast man die Eigentümergruppen der Partnerschaften und der Gründer zusammen, so sind es
letztlich zwei große, homogene Eigentumsgruppen von Beratungsgesellschaften, die im Fol-
genden näher untersucht werden sollen:
Anders sieht es bei IT-Beratungsgesellschaften aus, die hohe Investitionen in Hard- und
Software sowie in die Rauminfrastruktur tätigen müssen. Um den relativ hohen Kapitalbedarf
dieser IT-orientierten Beratungsunternehmen zu decken, werden zumeist externe Kapitalge-
ber gesucht und die Unternehmen als Kapitalgesellschaft organisiert. Bei solchen Gesell-
schaften sind Eigentum und Führung ganz oder teilweise getrennt, d.h. die Führung liegt bei
angestellten Managern ohne nennenswerte Kapitalanteile. Daher wird diese Organisations-
form in der angelsächsischen Literatur als Managed Professional Business bezeichnet.
2.2 Analyse – Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft 127
Einer empirischen Untersuchung aus dem Jahre 2003 zur Folge, bei der die Allokation der
Eigentumsrechte an den 50 renommiertesten Managementberatungen weltweit untersucht
wurde, sind 58 Prozent der befragten Unternehmen im Eigentum von Partnerschaften, 40 Pro-
zent im Eigentum von unternehmensexternen Kapitalgebern (Investoren) und zwei Prozent
der untersuchten Managementberatungen sind Gründereigentum. Und auch Ausgründungen
von Beratungsunternehmen aus Konzernen werden zunehmend als Partnerschaften organisiert
[vgl. RICHTER/SCHRÖDER 2007, S. 162 unter Bezugnahme auf LERNER 2003].
NISSEN/KINNE gehen aufgrund der Überlegungen zum Kapitalbedarf davon aus, dass die Ten-
denz der Allokation der Eigentumsverhältnisse bei IT-Beratungsgesellschaften eher in Rich-
tung Kapitalgesellschaften geht. Hinzu kommt noch ein weiteres Argument, das diese These
untermauert: Vertraulichkeit. Sie kann dann besonders gut gewährleistet werden, wenn kein
Kapitalgeber an dem Beratungsunternehmen beteiligt ist, dem die Beratung rechenschafts-
pflichtig ist. Daher ist das Partnerschaftsmodell hier besonders gut geeignet. Bei der IT-
beratung spielt dagegen die Vertraulichkeit eine weniger wichtige Rolle als in der Strategiebe-
ratung, da bspw. die Einführung einer Standardsoftware eine wenig vertrauliche Dienstleis-
tung darstellt [vgl. NISSEN/KINNE 2008, S. 93].
In der Gruppe der Investoren sind sämtliche externen Kapitalgeber als Eigentümer zusam-
mengefasst. Hierunter zählen nicht nur reine Kapitalinvestoren, sondern auch Stakeholder in
Form von Kunden oder Lieferanten. Besonders die Variante, dass eine Unternehmensberatung
einem Kunden oder einem spezifischen Interessenvertreter gehört, ist in der Praxis häufig zu
beobachten. Folgende Eigentümergruppen können identifiziert werden [vgl. NIEDEREICHHOLZ
2010, S. 15 ff.]:
historisches Beispiele: BREMER VULKAN mit VSS – Vulkan Software Services; THYS-
SENKRUPP mit TRIATON)
x Internationale IT-Anbieter, die angelockt von hohen Wachstumsraten immer stärker in
den Dienstleistungsbereich drängen (Beispiele: IBM Global Business Services mit der
Übernahme von PRICEWATERHOUSECOOPERS Consulting; HP mit der Übernahme von
EDS und TRIATON)
x Internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Big-Four-Gesellschaften), die aus
ihren gesättigten Märkten heraus nach Diversifikationsmöglichkeiten suchen und – nach-
dem sie sich in einer ersten Welle von ihren profitablen Beratungsgesellschaften getrennt
hatten (siehe auch 1.6.2 und 2.2.1.4) – nun dazu übergehen, wieder eigene Consulting-
Einheiten aufzubauen und ihren Audit- und Tax-Bereichen anzugliedern.
x Verbände, die ihren Mitgliedern über ausgegliederte Tochtergesellschaften Beratungs-
leistungen (Branchenstudien, Betriebsvergleiche, Außenwirtschaftsberatung etc.) anbie-
ten (Beispiel: BBE Handelsberatung).
In allen genannten Fällen ist das Management des Beratungsunternehmens nicht identisch mit
den Eigentümern. Das bedeutet, dass externe Eigentümer vor dem Problem der Bewertung
des Geschäftsverlaufs und der Kontrolle des Managements stehen. Dies liegt vor allem an der
Informationsasymmetrie zwischen dem Management der Unternehmensberatung und den
externen Kapitalgebern. Somit entstehen für externe Kapitalgeber als Eigentümer relativ hohe
Governance-Kosten. Bei der Übertragung der Eigentumsrechte entstehen gegenläufige Effek-
te. Normalerweise entwickelt eine Beratungsfirma keinen erhöhten Kapitalbedarf. Es benötigt
Humankapital und nur in relativ geringem Umfang IT-Systeme, Logistik (Fuhrpark) und
Rauminfrastruktur – es sei denn, das Beratungsunternehmen verfolgt nicht das „klassische
Beratungsmodell“, sondern weitet sein Anbot auf infrastrukturintensivere Dienstleistungen
wie Outsourcing oder auf kapitalintensivere internationale Märkte aus. Ist der externe Kapi-
talgeber ein Kunde der Unternehmensberatung, so werden die Transaktionskosten zunächst
signifikant reduziert, da innerhalb ein- und desselben Unternehmens(verbundes) die Gefahr
des opportunistischen Verhaltens begrenzt wird. Andererseits nehmen die Transaktionskosten
in der Beziehung zwischen dem Beratungsunternehmen und anderen, potenziellen Kunden,
die nicht Eigentümer sind, zu und erreichen teilweise prohibitive Ausmaße. Das liegt daran,
dass potenzielle Kunden häufig nicht bereit sind, mit einer dem Wettbewerber gehörenden
Unternehmensberatung zusammenzuarbeiten [vgl. RICHTER/SCHRÖDER 2007, S. 165 ff.].
An der Spitze der Zielpyramide steht die Unternehmensphilosophie mit den allgemeinen
Wertvorstellungen (engl. Basic Beliefs), die im Sinne eines „Grundgesetzes“ Ausdruck dafür
sind, dass Unternehmen neben ihrer einzelwirtschaftlichen Verantwortung auch eine gesamt-
wirtschaftliche Aufgabe zukommt [vgl. BECKER 2009, S. 29]. Die allgemeinen Wertvorstel-
lungen eines Unternehmens bilden den Rahmen für die Unternehmenskultur, die Unterneh-
mensidentität, die Unternehmensleitlinien sowie die Grundlagen für den Unternehmenszweck.
Den eigentlichen Kern des Zielsystems bilden die Unternehmensziele, die dann weiter in
Teilziele (z. B. Funktions- oder Aktionsbereichsziele, Aktionsfeldziele etc.) heruntergebrochen
werden.
Abbildung 2-16 gibt einen Überblick über das hierarchische Zielsystem des Unternehmens.
Allgemeine
Wertvorstellungen
• Unternehmenskultur Unternehmens-
• Unternehmensidentität philosophie
• Unternehmensleitlinien
Sachziele Unternehmens-
• Vision zweck
• Mission
Formalziele
• Gewinn Unternehmensziele
• Wachstum
• Rentabilität
z. B. Marketingziele für
• Marktanteil Aktionsbereichsziele
• Image
• Kundenzufriedenheit
z. B. Ziele für
Aktionsfeldziele
• Segmentierung
• Positionierung
• Kommunikation
2.3.1 Unternehmenskultur
Jedes Unternehmen – und damit auch jede Unternehmensberatung – verfügt über eine Unter-
nehmenskultur. Diese wird nicht einfach erfunden oder verordnet, sondern (vor)gelebt. Sie
entsteht mit der Unternehmensgründung und ist je nach Entwicklungsgeschichte des Unter-
nehmens mehr oder weniger ausdifferenziert. Häufig liegen die Ursprünge einer Unterneh-
menskultur beim Unternehmensgründer (z. B. THOMAS WATSON bei IBM, STEVE JOBS bei
APPLE, BILL GATES bei MICROSOFT, SERGE KAMPF bei CAPGEMINI, FRIEDRICH A. MEYER bei
ADV/ORGA, ROLAND BERGER), die mit ihren Visionen und Ideen, mit ihren Wertvorstellun-
gen, Eigenarten und Neigungen als Vorbilder für nachfolgende Managergenerationen dienen.
Kulturprägend wirken aber auch Krisen und einschneidende Veränderungen sowie die Art
und Weise, wie diese gemeistert werden, neue Geschäftsmodelle, die Branche und das (regio-
nale) Umfeld eines Unternehmens, die Art der Kunden, der Investoren etc. [vgl. BUSS 2009,
S. 176 ff.].
Welchen Beitrag kann die Unternehmenskultur zur Wettbewerbsfähigkeit leisten? Besteht ein
Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und wirtschaftlichem Erfolg? Bevor diese
Fragen erörtert werden, soll aufgezeigt werden, was Unternehmenskultur ist und was sie be-
wirken kann.
Die Unternehmenskultur (engl. Corporate Culture) besteht zunächst aus einem unsichtbaren
Kern aus grundlegenden, kollektiven Überzeugungen, die das Denken, Handeln und Emp-
finden von Führungskräften und Mitarbeitern maßgeblich beeinflussen und die insgesamt
typisch für das Unternehmen sind (innere Haltung). Diese grundlegenden Überzeugungen
beeinflussen die Art, wie die Werte nach außen gezeigt werden (äußere Haltung). Gleichzei-
tig sind sie maßgebend für die Verhaltensregeln („so wie man es bei uns macht“), die an
neue Mitarbeiter und Führungskräfte weitergegeben werden und die als Standards für gutes
und richtiges Verhalten gelten. Diese Regeln zeigen sich für alle sichtbar an Artefakten wie
Ritualen, Statussymbolen, Sprache, Kleidung etc. [vgl. SACKMANN 2004, S. 24 ff.].
Abbildung 2-17 zeigt die verschiedenen Ebenen unternehmenskultureller Aspekte.
Die Unternehmenskultur ist in vielfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Sie ist sowohl
für das Unternehmen selbst als auch für die Mitarbeiter sinnstiftend. Als unsichtbare Ein-
flussgröße erfüllt die Unternehmenskultur fünf zentrale Funktionen, die für das Bestehen und
Funktionieren eines Unternehmens notwendig sind [vgl. SACKMANN 2004, S. 27 ff.]:
bei wissensbasierten Firmen, bei denen Wissen als Produkt oder als Dienstleistung eine
zentrale Rolle spielt (wie bei Beratungsunternehmen), besonders groß ist.
Doch nicht nur bei Unternehmenszusammenschlüssen, sondern auch im Umgang mit älteren
Mitarbeitern oder bei der Handhabung der Work-Life-Balance bietet die Unternehmenskultur
wichtige Ansatzpunkte.
Auf der anderen Seite kann eine starke Unternehmenskultur aber auch einige Nachteile auf-
weisen. Neben einem Mangel an Flexibilität tendieren Kulturen zur „Abschließung“, sie blo-
ckieren „Neues“ und können Verkrustungen bilden. Damit können Innovationsbarrieren ein-
hergehen.
2.3.2 Unternehmensidentität
Als Unternehmensidentität (engl. Corporate Identity) wird die strategisch geplante und ope-
rativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und
außen auf der Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie und -zielsetzung bezeichnet.
Auf der Basis eines einheitlichen Unternehmens(leit)bildes soll über die Entwicklung eines
„Wir-Bewusstseins“ das Corporate Identity-Konzept nach innen eine Unternehmenskultur
etablieren und sicherstellen. Nach außen soll mit dem Corporate Identity-Konzept bei den
134 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
verschiedenen Adressatenkreisen wie Kunden, Presse, Kapitalgeber, Lieferanten etc. der Auf-
bau eines Unternehmensimages ermöglicht werden [vgl. BIRKIGT/STADLER 1992, S. 18].
x Corporate Behavior,
x Corporate Design,
x Corporate Communication und
x Corporate Governance.
Betrachtet man Corporate Culture als Fundament der Unternehmensphilosophie, dann bilden
die vier CI-Komponenten quasi den Aufbau und werden unter dem Dach der Corporate Iden-
tity zusammengefasst. Abbildung 2-18 veranschaulicht diese Sichtweise und liefert eine kurze
Darstellung und Beschreibung der Ziele der vier CI-Komponenten.
Corporate Identity
Corporate Culture
Insert
Unsere Werte
Was uns so einzigartig macht? Vor allem sind es unsere mehr als 140.000 Mitarbeiter in mehr
als 146 Ländern, die alle nach gemeinsamen Werten handeln.
Sie bilden die Basis des Erfolgs von KPMG. Mit Wissen Werte schaffen: Aus dieser Maxime
entsteht für uns eine Verantwortung, der wir gegenüber unseren Mandanten, der Geschäftswelt
und unseren Mitarbeitern gerecht werden müssen.
Während der Wertekanon von KPMG als Verpflichtung für das persönliche und professionel-
le Verhalten aller Mitarbeiter gegenüber Kunden und sonstigen Stakeholdern formuliert sind,
haben die sieben Werte des internationalen Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens
CAPGEMINI mehr den Charakter einer Aufzählung von Eigenschaften, die die Art der Bezie-
hungen der Mitarbeiter untereinander regeln sollen oder zumindest als erstrebenswert erschei-
nen lassen (siehe Insert 2-08).
Insert
Die sieben Werte von CAPGEMINI
Ehrlichkeit bedeutet für uns gleichermaßen Integrität und Aufrichtigkeit. Wir sind offen
(engl. Honesty) anderen gegenüber und stehen zu getroffenen Vereinbarungen.
beinhaltet Diskretion, Spontaneität sowie Augenmaß und Feingefühl. Sie ist die
Bescheidenheit Grundlage für unseren ehrlichen und offenen Umgang miteinander und meint das
(engl. Modesty) Gegenteil von Arroganz und Affektiertheit.
Ist die Bereitschaft, Verantwortung auf Einzelne und Teams zu übertragen und
Vertrauen stellt sicher, dass alle Entscheidungen in enger Abstimmung mit den Betroffenen
(engl. Trust) gefällt werden. Vertrauen ist die Basis für Offenheit und sorgt dafür, dass sich
Ideen frei entfalten können.
meint die Freiheit des Geistes, der Meinung und des Handelns. Wir denken und
Freiheit handeln kreativ und unternehmerisch, tolerant und respektvoll. Unser
(engl. Freedom) unvoreingenommenes Urteil sichert die Qualität und die Unabhängigkeit der
Beratung, die unsere Kunden benötigen.
2.3.4 Unternehmenszweck
Der Unternehmenszweck gibt vor, welche Art von Leistungen das Unternehmen im Markt
erbringen und anbieten soll. Er gibt Antwort auf die Frage. „Was ist unser Geschäft und was
wird zukünftig unser Geschäft sein?“ Die damit angesprochene Mission einerseits und Vision
andererseits müssen durch bestimmte Leistungen verwirklicht und „gelebt“ werden, damit sie
zu starken Marken-, Produkt- bzw. Unternehmenskompetenzen sowie zu Wettbewerbsvortei-
len führen. Die wichtigsten Fragen zur Mission, die die „klare Absicht des Unternehmens-
zwecks“ beschreibt, und zur Vision als „ehrgeizige Zukunftsvorstellung“ eines Unternehmens
liefert Abbildung 2-19 [vgl. BECKER 2009, S. 40].
2.3 Das Zielsystem der Unternehmensberatung 137
Besonders die Vision verfügt über wesentliche unternehmerische Funktionen und Effekte. Sie
ist die treibende Kraft zur Durchsetzung des Wandels und hat die Aufgabe, den Mitarbeitern
ein unternehmerisches Zukunftsbild vorzugeben, Komplexität zu beherrschen und gerade in
unsicheren Zeiten eine Orientierung und Richtung zu weisen. Zudem setzt eine tragfähige
Vision bei den Organisationsmitgliedern in hohem Maße Kreativitäts- und Innovationspoten-
ziale frei [vgl. MENZENBACH 2012, S. 13 f.].
Unternehmenszweck
Mission Vision
• Was ist unser Geschäft? • Was wird künftig unser Geschäft sein?
• Wer ist unser Kunde? • Was sollte unser Geschäft sein?
• Was ist für den Kunden von Wert? • Wie müssen wir uns weiterentwickeln?
• Was sind wir? • Wie können wir langfristiges Wachstum
• Wofür stehen wir? sichern?
• Woran glauben wir? • Wovon träumen wir?
Die besondere Tragweite des Sachziels zeigt sich an einem Beispiel außerhalb der Beratungs-
branche sehr deutlich: bei der Entwicklung des DAIMLER-Konzerns in den 1990er Jahren.
Unter dem Vorstandsvorsitzenden EDZARD REUTER definierte sich DAIMLER als „Integrierter
Technologiekonzern“ mit den Sparten Automobil (MERCEDES-BENZ), Elektrotechnik (AEG,
OLYMPIA) und Luft- und Raumfahrt (MBB, FOKKER, DORNIER). „Zurück zur Kernkompetenz
Automobil“ hieß dann die Devise unter REUTERS Nachfolger JÜRGEN SCHREMPP, der die
Elektronik- und Luftfahrtsparte verkaufte und mit dem amerikanischen Automobilkonzern
CHRYSLER fusionierte. Hier wurde also das Sachziel innerhalb sehr kurzer Zeit grundlegend
verändert. Zwischenzeitlich hat sich DAIMLER wieder von CHRYSLER getrennt, ohne jedoch
den Fokus auf das Kerngeschäft „Automobil“ aufzugeben [vgl. LIPPOLD 2012, S. 28].
138 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Aber auch die Beratungsbranche selbst ist schon „Opfer“ falscher Sachziel-Definitionen ge-
worden. So haben viele Unternehmen den Spagat zwischen Unternehmensberatung und
Softwarehaus nicht bewältigt, d. h. das Sachziel wird in diesem Fall nicht zu eng, sondern zu
weit gefasst: viele Unternehmen wollen sowohl beraten als auch Software erstellen und anbie-
ten. Die Erklärung liegt darin, dass die (anfangs noch individuelle) Software zumeist im IT-
Beratungsgeschäft entstanden ist und dann die Beratungserlöse dazu „herhalten“ müssen, die
Softwareentwicklung marktreif zu gestalten. Das führt schließlich dazu, dass nach der Erstel-
lung der marktreifen Software das neue Geschäft nicht separat betrieben wird, sondern beide
Geschäftsmodelle parallel nebeneinander praktiziert werden. Da aber allein die Vermarktung
von Projektleistungen (Beratung) und die Vermarktung von Produkten (Software) völlig an-
deren Gesetzmäßigkeiten unterliegen, sind diese „hybriden“ Unternehmen vor allem finanzi-
ell überfordert. ADV/ORGA, SCS und MBP sind die prominentesten Beispiele für falsche
Sachziel-Ambitionen (siehe auch 1.2.2).
zunehmender Standardisierungsgrad
Produkt-
Hohe Anforderungen geschäft
Produkt- Hohe Anforderungen
an Reiner
anbieter Reiner an
• Vertrieb (IT-)
und Produkt- • Kommunikation
• Betreuung Dienst-
(IT-) anbieter • Distribution
Leister
Dienst- (Software)
(Beratung)
leister
Projekt-
geschäft
zunehmender Individualitätsgrad
Rentabilität
Reiner
Reiner
(IT-)
“zwischen den Produkt-
Dienst-
Stühlen” anbieter
leister
Standardisierungsgrad
niedrig hoch
Daraus lässt sich die These ableiten, dass Unternehmen entweder dann überdurchschnittlich
erfolgreich sind, wenn sie sich voll auf das Projektgeschäft oder voll auf das Produktgeschäft
konzentrieren. IT-Beratungshäuser dagegen, die sowohl dem Produkt- als auch dem Projekt-
geschäft nachgehen und daher auch einen (halbherzigen) Mix aus Produkt- und Dienstleis-
tungsmarketing betreiben, weisen eine unterdurchschnittliche Rentabilität aus [vgl. LIPPOLD
1998, S. 257 ff.].
2.3 Das Zielsystem der Unternehmensberatung 139
In Abbildung 2-20 ist die hypothetische Beziehung zwischen Rentabilität und Standardisie-
rungsgrad dargestellt. Sie darf als eine mögliche Erklärung für die Marketing-Schwäche der
deutschen Softwarebranche besonders in den 1980er und 1990er Jahren gelten.
Die Taglines der Beratungsgesellschaften lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Eine Grup-
pe der Untertitel beschreibt das „Was“ der Beratungstätigkeit (z. B. ROLAND BERGER, DROE-
GE), die andere Kategorie das „Wie“ (z. B. ERNST & YOUNG, ACCENTURE). CAPGEMINI be-
dient sich sogar des „Was“ und des „Wie“.
Darüber hinaus besteht für Beratungsunternehmen die Möglichkeit, das Sachziel unmittelbar
in die Firmenbezeichnung, also direkt in den Unternehmensnamen einzubeziehen. Beispiele
dafür sind:
Besonders wertvoll ist die Übernahme des Sachziels in die Firmierung immer dann, wenn das
Beratungsunternehmen noch sehr jung und/oder noch nicht so bekannt ist. Auch wird dieses
Prinzip immer dann angewendet, wenn ein Unternehmen, das einen anderen Geschäfts-
schwerpunkt hat, ein neues Geschäftsfeld im Bereich der Unternehmensberatung etablieren
möchte.
2.3.5 Unternehmensziele
In jedem Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Zielen: Bereichsziele, Marketingziele, Per-
sonalziele etc. Entscheidend ist, dass es sich dabei nicht um autonome Ziele handelt. Sie müs-
140 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
sen vielmehr aus den obersten Unternehmenszielen abgeleitet werden. Daher ist die Kenntnis
der Unternehmensziele (engl. Objectives oder Corporate Goals) unerlässlich für Management
und Mitarbeiter. Als typische Unternehmensziele werden immer wieder genannt:
x Gewinn/Rentabilität
x Marktanteil/Marktposition
x Umsatz/Wachstum
x Unabhängigkeit/Sicherheit
x Soziale Verantwortung
x Prestige/Image.
Die Diskussionen darüber, welche Ziele im Rahmen dieses Zielkatalogs die höchste Priorität
haben, führen in aller Regel zu dem Ergebnis, dass Gewinn- bzw. Rentabilitätsziele eine do-
minierende Bedeutung haben [vgl. BECKER 2009, S. 16 und 61]. Ziele erfüllen ihre Steue-
rungs- und Koordinationsfunktion umso besser, je klarer und exakter sie bestimmt werden.
Daher müssen zweifelsfreie Angaben über
x Zielinhalt,
x Zielausmaß und
x Zeitspanne der Zielerfüllung
vorliegen. Ist der Zielbildungsprozess nicht von Beginn an auf messbare Größen ausgerichtet,
verliert eine zielgesteuerte Führung von vornherein an Effizienz [vgl. BIDLINGMAIER 1973, S.
138].
Ein Beratungsunternehmen, das sich auf solch einem heterogenen Markt behaupten will, muss
zwei Aufgaben erfolgreich bewältigen. Zum einen muss es ein Leistungsangebot entwickeln,
das dem des Wettbewerbs überlegen ist, und zum anderen muss diese Überlegenheit im Markt
kommuniziert werden. KASS bezeichnet die erste Aufgabe als Leistungsfindung und die
zweite Aufgabe als Leistungsbegründung [vgl. KAAS 2001, S. 106].
Zur Aufgabe der Leistungsfindung stellt sich für jedes Beratungsunternehmen die Frage, ob
es als Strategie-, Management-, Marketing-, HR-, Controlling-, Outsourcing-, Innovations-,
Sanierungsberatung oder vielleicht als Mittelstandsberatung agieren will.
Ferner ist im Rahmen der Leistungsfindung festzulegen, für welche Branchen und für welche
Unternehmensgrößen diese Beratungsleistungen schwerpunktmäßig angeboten werden sollen.
Gefragt ist also das Sachziel des Beratungsunternehmens. Um ihren Kunden dieses Sachziel
und die damit verbundene Kompetenz zu vermitteln, wird es eben sehr häufig in der Tagline
mitgeführt (siehe zuvor).
Die Sachzielbestimmung geht einher mit der Segmentierung des Zielmarktes, die Gegenstand
weiterführender Überlegungen in Hauptabschnitt 3.2 ist. An dieser Stelle soll lediglich ein
grober Überblick über die inhaltliche Ausrichtungsmöglichkeiten der Unternehmensberatung
gegeben werden.
Die Festlegung der Sachziele eines Unternehmens (und damit die Leistungsfindung) geht ein-
her mit der Geschäftsfelddefinition (engl. Defining the business). Nach ABELL lassen sich die
Geschäftsfelder durch folgende drei Dimensionen abbilden [vgl. ABELL 1980, S. 30]:
HILL hat dieses Modell auf die Unternehmensberatung übertragen und interpretiert die drei
Dimensionen wie folgt [vgl. HILL 1990, S. 178]:
Aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit und der realen Bedeutung unterschiedlicher
Geschäftsfelder erscheint folgende Einteilung, die auf den drei Dimensionen von ABELL auf-
baut, zweckmäßiger:
x Strategieberatung,
x Organisations-/Prozessberatung,
x IT-Beratung sowie
x Human Resources-Beratung.
x Softwareentwicklung/Systemintegration,
x Outsourcing und
x Personalberatung (Executive Search)
gezählt. Hintergrund dieser Marktaufteilung ist sicherlich die recht praktikable Erhebung und
Zuordnung der entsprechenden Marktdaten sowie eine gewisse „historische Bedingtheit“.
Aus Sicht des Verfassers haben sich die in Abbildung 2-21 aufgeführten Beratungsthemen,
die dann zu Beratungsfeldern ausgebaut wurden, als relativ eigenständig erwiesen. Dabei ist
auffällig, dass die Beratungsfelder mit wenigen Ausnahmen vorwiegend
querschnittsorientiert, d. h. funktions- und branchenneutral ausgerichtet sind.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt bereits eine Befragung von 39 BDU-Beratern aus dem
Jahre 1990, nach der zwei Drittel der Berater die Unternehmensberatung primär funktions-
und branchenübergreifend durchführen. Die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte bildeten
die Organisation- und EDV-Beratung, gefolgt von der Marketingberatung [vgl. MEFFERT
1990, S. 183].
Dennoch hat eine Ausrichtung nach Funktionen, Beratungsthemen, Branchen oder nach der
Unternehmensgröße der Kundenunternehmen den Vorteil, dass sich solch eine Spezialisie-
rung in der Regel leichter kommunizieren und damit besser vermarkten lässt. Eine Unterneh-
2.4 Inhaltliche Ausrichtung – die Sachziele der Unternehmensberatung 143
mensberatung, die sich auf ein bestimmtes Beratungsthema spezialisiert hat, kann leichter ein
Markenbild aufbauen und sich damit besser profilieren als ein Generalist.
Die Chancen und Risiken der individuellen Leistungsfindung hängen von zahlreichen Be-
stimmungsfaktoren ab, z. B. von der Intensität des Wettbewerbs, vom Preisniveau und vom
Umfang und Potential der definierten Beratungsfelder (siehe auch Abschnitt 3.2.4).
Managementberatung
Strategie Strategieberatung
(Marketingberatung)
Systemberatung
IT (Informationstechnik) IT-Beratung (IT-Consulting)
Systemintegration
Entwicklungsberatung
Gründung Gründungsberatung
Nachfolgeberatung
Restrukturierungsberatung
Sanierung Sanierungsberatung
Insolvenzberatung
Personalberatung
HR (Human Resources) HR-Beratung
Outplacement-Beratung
Die Spezialisierung auf eine bestimmte Funktion bzw. auf ein Beratungsthema hat nicht nur
den Vorteil der leichteren Vermarktungsfähigkeit, auch weist SCHADE theoretisch nach, dass
sich ein Beratungsspezialist ceteris paribus auf der Umsatzseite besser entwickelt als ein Ge-
neralist [vgl. SCHADE 2000, S. 240 ff.].
Und wenn man zusätzlich in Erwägung zieht, dass sich mit der Festlegung der funktionalen
Schwerpunkte auch die Möglichkeit zur Entwicklung und Vermarktung von Beratungspro-
dukten ergibt, wird leicht ersichtlich, welche Durchschlagskraft eine Orientierung nach Funk-
tionen oder nach Beratungsthemen haben kann. Beratungsprodukte können dabei als wieder-
holbare standardisierte Vorgehensweisen zur Lösung eines (Standard-)Problems bezeichnet
werden [vgl. NIEDEREICHHOLZ 2010, S. 55].
Einer alten angloamerikanischen Regel zur Folge wird die Branchenorientierung mit Stand-
beinen verglichen, auf denen man jederzeit fest stehen sollte. Die funktionale Spezialisierung
von Beratungsunternehmen sind dagegen eher Spielbeine, die zur Not auch einmal in anderen
Branchen tätig sein können. Branchenorientierung heißt für den Berater, dass er die Entwick-
lung, die Besonderheiten, das Selbstverständnis, das Preisgefüge und die psychologischen
Befindlichkeiten der Branche aus eigener Erfahrung kennt. Er ist in dieser Branche bekannt,
verfügt über ein Netzwerk von persönlichen Kontakten zu wichtigen Akteuren und den Mei-
nungsführern der Branche [vgl. NIEDEREICHHOLZ 2010, S. 53 ff.].
Unter der Vielzahl der in unserer Wirtschaft existierenden Branchen hat sich das verarbei-
tende Gewerbe mit seinen Untergruppen (Wirtschaftsabteilungen) als größtes Reservoir ei-
genständiger Branchen entwickelt. Ob es sich um die Textilbranche, die Mineralölindustrie,
den Maschinenbau oder die Elektroindustrie handelt, in jedem Fall handelt es sich um Wirt-
schaftssektoren mit einer sehr hohen Eigenständigkeit, die eben auch eigenständige Anforde-
rungen an die dienstleistende Beratungsbranche hat. Hier kann es also für die Unternehmens-
beratung ratsam sein, sich – wenn es das individuelle Leistungsportfolio und das dahinter ste-
hende Know-how zulässt – auf die Bearbeitung bestimmter Branchen zu konzentrieren.
Ab-
schnitt Bezeichnung (verkürzt)
M Freie Dienstleistungen
.
.
.
O Öffentliche Verwaltung
.
.
.
Q Gesundheitswesen
.
.
.
Abbildung 2-22 gibt einen Überblick über die Struktur der Wirtschaftszweige in Deutschland,
so wie es die amtliche Statistik sieht. Dabei wird deutlich, dass sich im verarbeitenden Ge-
werbe die größte Anzahl eigenständiger Branchen befindet.
Eine Überlegung, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die Frage nach der Größe der
zu bedienenden Kundenunternehmen. Häufig ist die Branchenfokussierung auch unmittelbar
an die Entscheidung geknüpft, auf welchen Unternehmensgrößen der Schwerpunkt der Bera-
tung liegen soll. Da der Erfahrungssatz gilt, dass ein Konzernberater unter fachlich-
inhaltlichem Aspekt auch immer in der Lage sein sollte, ein mittelständisches Kundenunter-
nehmen zu beraten, ist die Frage nicht aus Sicht des eigenen Leistungsspektrums, sondern
eher grundsätzlich zu beantworten. So hat bspw. ein Nischenanbieter gute Chancen, seine
Leistungen sowohl in Konzernunternehmen als auch im Mittelstand erfolgreich zu platzieren.
Darüber hinaus gibt es aber auch eine Reihe von Beratungsinhalten, die in erster Linie aus-
schließlich oder doch überwiegend von mittelständischen Unternehmen nachgefragt werden.
Dazu zählen bspw. das Nachfolgemanagement oder das Kooperationsmanagement.
Dennoch muss betont werden, dass größere Kundenunternehmen in aller Regel einem Bera-
tereinsatz positiver gegenüberstehen als kleinere Unternehmen. Das mag auf der einen Seite
mit den (relativ hohen) Kosten pro Beratertag zusammenhängen, auf der anderen Seite gehört
die Beauftragung von Beratern zum selbstverständlichen Tagesgeschäft, also zur Normalität
eines großen Kundenunternehmens, während mittelständische Unternehmen in dieser Frage
doch immer noch Berührungsängste zeigen.
Wahrscheinlich lässt sich aber diese psychologische Begründung nicht vom Kostenargument
trennen. So ist in diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, ob es nicht ein Mengen-
/Preisverhältnis in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße (zumindest im IT-nahen Bera-
tungsgeschäft) existiert.
Abbildung 2-23 soll diesen Zusammenhang im Beratungsgeschäft rund um den Einsatz von
Software verdeutlichen: Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Betriebsgrößenpyramide als
Basisdreieck. Die Betriebsgrößenpyramide sagt aus, dass es nur sehr wenige sehr große Un-
ternehmen und sehr viele kleinere Unternehmen gibt. Je kleiner die Kundenunternehmen sind,
desto geringer wird auch der Preis sein, der für eine Softwareeinheit erzielt werden kann. Dies
ist insofern plausibel, weil ERP-Softwareanbieter wie SAP und ORACLE ihre Produkte vor-
nehmlich nach der Anzahl der User bepreisen, d. h. ein größeres Unternehmen, das (naturge-
mäß) sehr viele User hat, zahlt für ein und dieselbe Software einen höheren Preis als ein
kleineres Unternehmen mit weniger Softwarenutzern. Dies ist bei beliebig reproduzierbaren
Softwareprodukten (also bei Produkteinheiten) weniger problematisch, denn geringere Preise
lassen sich durch entsprechende Mengen kompensieren. Anders sieht es dagegen bei den
146 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Preis/Softwareeinheit
Produkteinheit Serviceeinheit
1 < x
Groß-
betriebe
Betriebsgröße
Mittelbetriebe 1 = 1
Kleinbetriebe x > 1
Anzahl Betriebe
Unter allen Beratungsfeldern nehmen die Strategieberatung und die IT-Beratung eine in jeder
Hinsicht dominierende und gleichzeitig polarisierende Rolle ein, ohne dass eine akzeptierte
Trennlinie zwischen beiden Disziplinen vorhanden ist. Beide Beratungsfelder sind in gewisser
Weise systembildend bzw. prägend für einen Großteil aller Beratungsunternehmen. Daher
sollen nachfolgend beide Bereiche kurz charakterisiert und Unterscheidungskriterien identifi-
ziert werden.
knappheit können hierbei ausschlaggebend für die Beauftragung sein [vgl. NISSEN/KINNE
2008, S. 90 f.].
In Abbildung 2-24 sind wichtige Merkmale von Strategieberatung und IT-Beratung gegen-
übergestellt.
Überwiegend Überwiegend
Auftraggeber Geschäftsführung Fachbereiche oder IT-Abteilung
und Prozessebene. So ist es weder möglich, Strategien und Maßnahmen eindeutig voneinan-
der zu trennen, da ein und dieselbe Entscheidung sowohl strategisch als auch maßnahmenori-
entiert ausgerichtet sein kann [vgl. BACKHAUS 1990, S. 206], noch lässt sich eine eindeutige
Zuordnung der Instrumentalbereiche (Maßnahmen-Mix) zur strategisch-strukturellen Ebene
bzw. zur taktisch-operativen Ebene vornehmen. Selbst BECKER [2009, S. 485] räumt ein, dass
der Maßnahmen-Mix auch als die taktische Komponente der Strategie aufgefasst werden kann.
„Philosophie“
Ziele
„Struktur“
Vorgehens-
Strategie modell
für die Aktions-
felder der
• Marketing-
„Prozess“ Gleichung
• Personalmarketing-
Maßnahmen-Mix Gleichung
Es wird auf drei kritische Ressourcen hingewiesen, die die einzuschlagenden Strategien der
Unternehmensentwicklung und damit die strategischen Stoßrichtungen der Unternehmensbe-
ratung maßgeblich beeinflussen [vgl. RINGLSTETTER et al. 2007, S. 182 f.]:
x Wissen (engl. Knowledge), d. h. die Wertschöpfung von Beratung erfordert weniger den
Einsatz von Maschinen oder Kapital, sondern vielmehr das Fachwissen, die Erfahrung
und die Problemlösungsfähigkeit der Mitarbeiter. Die häufig komplexen und unstruktu-
rierten Problemstellungen der Kundenunternehmen ermöglichen im relevanten Wissens-
bereich einen Vorsprung gegenüber dem Kunden- und Wettbewerberwissen.
150 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Unsicherheit
Charakteristika von
Beratungsleistungen Komplexe und
unstrukturierte Kundenspezifität
Problemstellung
Vorsprung im
Interaktion/
relevanten
Integration
Wissensbereich
Wissen Kundenbeziehung
Kritische Ressourcen von
Unternehmensberatungen
Reputation
Auf der Grundlage der oben erläuterten kritischen Ressourcen des Beratungsgeschäfts bieten
sich in Anlehnung an ANSOFF [1966, S. 132] prinzipiell vier Optionen für die strategische
Entwicklung von Unternehmensberatungen an [vgl. auch RINGLSTETTER/BÜRGER 2003]:
2.5.3.1 Kundendurchdringung
Unabhängig von einer Verfolgung weiterer Strategien müssen sich alle Unternehmensbera-
tungen kontinuierlich um die weitere Durchdringung ihrer Kundenbasis und damit um die
Stärkung ihres Kerngeschäfts bemühen. Kontinuierlich deshalb, weil wissensintensive Bera-
tungsleistungen regelmäßig kurze Lebenszyklen haben bzw. bestimmten Moden unterliegen.
Um Bestleistungen (engl. Service Excellence) erbringen zu können, ist ein kontinuierlicher
Innovationsprozess erforderlich. Die Stärkung des Kerngeschäfts kann dabei durch Fokussie-
rung auf funktionale Kompetenzen oder durch Branchenspezialisierung erfolgen. Branchen-
spezialisierung kann sich immer dann als sinnvoll erweisen, wenn das Wissen in einer Wett-
bewerbssituation um die jeweiligen Best Practices einer Branche von größerer Bedeutung ist
als das reine Methodenwissen [vgl. RINGLSTETTER et al. 2007, S. 185 f.].
2.5.3.2 Leistungsentwicklung
2.5.3.3 Kundenentwicklung
Die angestrebte Umsatzausweitung findet durch die Gewinnung neuer Kundengruppen statt.
Mit dieser Strategie des Knowledge Leverage wird die vorhandene Wissensbasis und Prob-
lemlösungskapazität einer größeren Anzahl von Kunden zugänglich gemacht. Neue Kunden-
gruppen können bspw. durch eine stärkere internationale Ausrichtung gewonnen werden. Mit
dieser häufigsten Ausprägung der Kundenentwicklungsstrategie können Unternehmensbera-
tungen ihren Kundenunternehmen einen so genannten Seamless global Service bieten. Dabei
handelt es sich um die Möglichkeit, weltweit mit der gleichen Beratung zusammenzuarbeiten.
Neben der Internationalisierung ist auch das verstärkte Bemühen um den Mittelstand oder um
öffentliche Unternehmen eine Option, neue Kundengruppen zu erschließen. Bei dieser strate-
152 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
gischen Ausrichtung kann man von einer Positionierung nach dem Motto One firm fits all
sprechen [vgl. RINGLSTETTER et al. 2007, S. 184 f.].
2.5.3.4 Diversifikation
Nach der ANSOFF‘schen Produkt-Markt-Matrix sieht der vierte Quadrant eine Umsatzauswei-
tung durch neue Leistungen (Produkte) bei neuen Kundengruppen vor. Diese strategische
Stoßrichtung ist im Beratungsgeschäft bislang sehr selten wahrgenommen worden. Eine Aus-
nahme dabei bildet der Einstieg der großen, internationalen IT-Dienstleistungs- und Bera-
tungsunternehmen in das Outsourcing-Geschäft.
Leistungsentwicklung Diversifikation
• Ausweitung des Umsatzes durch • Umsatzausweitung durch neue
Neue Ausweitung des Leistungsprogramms Leistungen auf neuen Märkten
Leistungen • Client Leverage • Beispiel:
• Cross Selling Unternehmensberatung bietet
Outsourcing an
• „One-Stop Shopping“
Kundendurchdringung Kundenentwicklung
Zur Umsetzung der möglichen strategischen Stoßrichtungen bieten sich grundsätzlich drei
Wege an:
Organisches Wachstum liegt dann vor, wenn das Unternehmen aus eigener Kraft wächst. Im
Mittelpunkt steht dabei die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Dies erfolgt zum einen über die
Rekrutierung von Hochschulabsolventen und zum anderen über die Abwerbung von erfahre-
nen Beratern anderer Unternehmen. Unternehmen wie ACCENTURE, MCKINSEY oder BOSTON
CONSULTING GROUP haben ihr Wachstum in den letzten Jahren nahezu ausschließlich organi-
sationsintern organisiert. Organische Wachstumsprogramme, die ihre Ausgangsbasis im Kun-
denstamm sowie im bestehenden Leistungsspektrum haben, ermöglichen möglicherweise ei-
nen höheren Cash Return als Akquisitionen [vgl. SCOTT 2001, S. 46].
Weitere Vorteile des organischen Wachstums stehen in unmittelbaren Zusammenhang mit der
Unternehmenskultur. So lassen sich junge Hochschulabsolventen langsam an das Unterneh-
men heranführen, besser „formen“ und erfolgreich integrieren, denn in einem frühen Entwick-
lungsstadium sind die Chancen, einen Mitarbeiter vollkommen in die Kultur des Unterneh-
mens einzubinden, am größten. Daher sind die Firmenkulturen organisch gewachsener Unter-
nehmen in aller Regel auch besonders stark gefestigt [vgl. SHAH/KRAATZ 2002, S. 9].
Auf der anderen Seite ist die Entwicklungsgeschwindigkeit beim organischen Wachstum im
Allgemeinen nicht so hoch wie bei Akquisitionen, da die Wachstumsoption durch die Anzahl
der fakturierbaren Professionals begrenzt ist. Diese Wachstumsbeschränkungen können auf
zwei Wegen überwunden werden. Zum einen durch die verstärkte Rekrutierung von Hoch-
schulabsolventen, Doktoranden und Absolventen von MBA-Programmen, zum anderen durch
Abwerben von praxiserfahrenen Professionals (engl. Lateral Hiring) von anderen Unterneh-
men, bestenfalls von anderen Unternehmensberatungen [vgl. RINGLSTETTER et al. 2007, S.
186].
Beiden Wegen sind allerdings auch wiederum enge Grenzen gesetzt. Insbesondere der
Absolventenmarkt für High-Potentials ist hart umkämpft (Stichwort: War for Talents), denn
nicht nur Unternehmensberatungen, sondern Unternehmen aus den verschiedensten Branchen
suchen motivierte, hochqualifizierte Nachwuchskräfte. Hier sind es MCKINSEY und der BOS-
TON CONSULTING GROUP gelungen, durch so genannte „Exotenprogramme“ neue, zielgrup-
pengerechte Humanressourcenmärkte zu erschließen. So wurden neben den klassischen Ab-
solventen der Wirtschaftswissenschaften auch Mathematiker, Physiker, Chemiker, Mediziner
oder gar Theologen mit hervorragenden Abgangsnoten angesprochen, um sie als Mitarbeiter
zu gewinnen. Ein solches Programm, bei dem die Einhaltung des Qualitätsniveaus eine wich-
tige Rolle spielt, setzt allerdings erhebliche Investitionen in die Selektion, Ausbildung und
Integration der passenden Mitarbeiter voraus. Aber auch der Weg über das Lateral Hiring ist
nicht unproblematisch. Zwar verfügen diese erfahrenen Professionals, die bereits einige Kar-
rierestufen durchlaufen haben, über ein gutes Netzwerk an Kundenbeziehungen und über ent-
sprechende Expertise in bestimmten Geschäftsbereichen, anderseits können solche
„Rainmaker“, die zumeist gleich auf Partnerebene einsteigen, nicht mehr so leicht integriert
und – im Sinne des akquirierenden Unternehmens – „sozialisiert“ werden. Zusätzlich ver-
mindern solche Quereinsteiger die Aufstiegschancen der anderen Berater und können so zu
erheblichen Motivationsverlusten führen [vgl. RINGLSTETTER et al. 2007, S. 188].
154 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
Die Übernahme von PWC Consulting durch IBM Global Services oder der Zusammenschluss
von CAPGEMINI und ERNST & YOUNG Consulting sind Beispiele dafür, wie aus Akquisitionen
neue Key Player im internationalen Beratungsmarkt entstehen können. Aber auch kleinere
Übernahmen wie z. B. BIW (Weinstadt), ABACUS (Düsseldorf) oder Dr. HÖFNER & Partner
(München) jeweils durch ERNST & YOUNG Consulting zeigen, dass Wachstum immer wieder
durch Akquisitionen bzw. Verschmelzungen erzeugt werden kann.
Wichtig dabei ist nun, dass bei einer Unternehmensakquisition aus 1 + 1 mindestens 2 oder
gar 2,5 werden. Dazu sind zwei Schritte erforderlich. Zum einen ist zu prüfen, ob der geplante
Zusammenschluss (engl. Merger) einen strategischen „Fit“ ergibt, d. h. ob der Kunden-
stamm oder das spezifische Leistungsspektrum des Übernahmekandidaten zur Steigerung der
Service Excellence beitragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Merger zwischen CAPGEMINI
und ERNST & YOUNG Consulting. Während CAPGEMINI vorwiegend in Europa und hier be-
sonders gut in Frankreich, Großbritannien und Skandinavien aufgestellt war, erzielte ERNST &
YOUNG Consulting mehr als die Hälfte des Umsatzes in den USA und in Deutschland. Neben
diesem geografischen Fit waren es zudem die vielen ERNST & YOUNG-Mandate bei Großun-
ternehmen, die CAPGEMINI vertrieblich nutzen wollte.
Der zweite, mindestens genau so wichtige Schritt ist eine erfolgreiche Integration des akqui-
rierten Unternehmens, denn nur so lassen sich das hinzugewonnene Wissen und die neuen
Kundenbeziehungen optimal nutzen. Nicht nur sachliche, sondern vor allem psychologische
Argumente sollten einen Merger vorbereiten und begleiten. So kann eine Unternehmensak-
quisition bspw. als reine „Übernahme“ oder auch als „Merger-unter-Gleichen“ deklariert und
umgesetzt werden.
Generell sind es drei Voraussetzungen, die den Erfolg einer Merger-Integration bestimmen:
x Merger-Fähigkeit, d. h. sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter müssen das
Potenzial besitzen, den Merger erfolgreich umzusetzen (Post-Merger-Integration);
x Merger-Bereitschaft, d. h. bei allen Beteiligten und Betroffenen muss der Willen vor-
handen sein, einen Merger erfolgreich durchzuführen.
Gerade die Merger-Bereitschaft ist es, die sehr stark von der Unternehmenskultur geprägt ist
und häufig der Schlüssel für eine erfolgreiche Post-Merger-Integration darstellt. Der Weg
dazu führt häufig nur über ausreichende Information und Kommunikation.
2.5.4.3 Konsolidierung
Bleiben wichtige geplante Auftragseingänge aus, bestehen Vertrauensverluste bei einigen Key
Accounts oder flacht die Konjunktur insgesamt ab, dann stellt eine Konsolidierungsstrategie
– im Gegensatz zu den oben beschriebenen Wachstumsstrategien – häufig eine erfolgverspre-
chende Option dar. Eine Besinnung auf die kritischen Erfolgsfaktoren und die eigenen Stär-
ken können dann durchaus „selbstheilende“ Kräfte freisetzen.
Restrukturierungsmaßnahmen, die in aller Regel mit einem Image- bzw. Reputationsverlust
verbunden sind und daher eher als „Neuformierungen“ bezeichnet werden sollten, können
dazu führen, bestimmte Bestandteile der Unterstützungsprozesse (Knowledge Management,
Accounting, Research, Graphics, Benchmarking) nach Osteuropa oder Fernost zu verlagern.
Diese Maßnahmen werden häufig von Einstellungsstopps begleitet bzw. Neueinstellungen
werden nur bei Ersatzbedarf vorgenommen,
Auch wird in solchen Situationen darüber nachgedacht, ob das Unternehmen nicht selbst auch
zum strategischen Fit eines (stärkeren) Wettbewerbers passt.
156 2. Gestaltungskonzept der Unternehmensberatung
ABELL, D. F. (1980): Defining the Business. The Starting Point of Strategic Planning, Eng-
lewood Cliffs, N. J. 1980.
AFUAH, A. (1998): Innovation Management, Oxford University Press, New York 1998.
LERNER, M. (2003): Vault Guide to the top 50 management and strategy consulting firms,
New York 2003.
LEVITT, T. (1960): Marketing Myopia, in: Harvard Business Review 7/8/1960, S. 45-56.
LIPPOLD, D. (1998): Die Marketing-Gleichung für Software. Der Vermarktungsprozess von
erklärungsbedürftigen Produkten und Leistungen am Beispiel von Software, 2. Aufl.,
Stuttgart 1998.
ROTHLAUF, J. (2010): Total Quality Management in Theorie und Praxis: Zum ganzheitlichen
Unternehmensverständnis, 3. Aufl., München 2010.
SCOTT, M. C. (2001): The Professional Service Firm: The Manager’s Guide to Maximizing
Profit and Value, Chichester u. a. 2001.
Es soll hier also nicht alleine auf die Initialzündung bei der Auftragsvergabe abgehoben wer-
den, sondern neben den strategischen Marketingaktivitäten – wie Segmentierung und Positio-
nierung als Grundlage der Kommunikation mit dem Kunden – auch die vertrieblichen Aktivi-
täten – wie das erfolgreiche Akquisitionsgespräch und die Kundenbetreuung – betrachtet
werden.
Die Idee der Marketing-Gleichung beruht auf zwei Grundüberlegungen. Zum einen ist es die
Darstellung und Analyse der Wertschöpfungs- und Prozessketten eines Unternehmens, zum
anderen ist es die Erkenntnis, dass nur der vom Markt honorierte Wettbewerbsvorteil maßge-
bend für den nachhaltigen Gewinn eines Unternehmens ist.
Die Aufgaben von „Marketing und Vertrieb“ zählen zu den Primäraktivitäten und damit zu
den Kernprozessen einer Unternehmensberatung (siehe auch Abschnitt 2.1.2). Die Primärak-
tivitäten lassen sich nun – ebenso wie die Prozesse der Sekundäraktivitäten – weiter untertei-
len in Prozessphasen, Prozessschritte etc. Für die erste Unterteilung in Prozessphasen erhält
man das in Abbildung 3-01 dargestellte Schema.
Prozessstruktur
Sekundäre
Primäre
Aktivitäten
Unternehmensprozesse Aktivitäten
(Unterstützungs-
(Kernprozesse)
prozesse)
Zentrale Idee des Marketings ist es, die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürf-
nisse vorhandener und potenzieller Kunden auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser
Vorteile sind für die Unternehmensberatung das Leistungsportfolio, die besonderen Fähigkei-
ten und Erfahrungen, die genutzten Tool- und Know-how-Komponenten sowie die Innovati-
onskraft, kurzum: die eingesetzte Problemlösungs- bzw. Beratungstechnologie, die das Ak-
quisitionspotenzial des Beratungsunternehmens ausmacht (siehe auch Abschnitt 4.1.2). Das
Akquisitionspotenzial ist der Vorteil, den das Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern
hat. Die spezifische Besonderheit im Beratungsgeschäft liegt nun darin, dass ein nicht unbe-
trächtlicher Teil des Wettbewerbsvorteils nicht nur von der Technologie des Beraters, sondern
auch von der verfügbaren Technologie und den Mitarbeitern des jeweiligen Kundenunter-
nehmens bestimmt ist, da die Problemlösung, auf die der Wettbewerbsvorteil abzielt, in aller
Regel vom Kunden und dem Berater gemeinsam erstellt wird.
164 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Wie lässt sich die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen bzw. des Akquisitionspotentials im
Beratungsgeschäft (theoretisch) erklären? Hierzu soll in Anlehnung an CHRISTIAN SCHADE
ein Vektorenmodell dienen, dem die Auffassung zugrunde liegt, „dass sich ein idealtypisches
Beratungsprojekt als temporäre Koproduktion durch ungleiche Partner auffassen lässt“
[SCHADE 2000, S. 68]. In diesem Modell werden die Arbeitsweisen, die von Kundenmitarbei-
tern und Unternehmensberatern zur Problemlösung eingesetzt werden, als unterschiedliche
lineare Problemlösungstechnologien aufgefasst. Beide Problemlösungstechnologien kommen
zum Einsatz, d. h. die Problemlösung wird von den Kunden und den Unternehmensberatern
gemeinsam erstellt. Diese Technologien stellen Vektoren in einem Raum dar, der durch nut-
zenstiftende Eigenschaften des Beratungsergebnisses beschrieben wird. Dazu zählen bspw.
die Breite (Anzahl der untersuchten Unternehmensfunktionen) oder Tiefe (Detaillierungsgrad)
der erarbeiteten Problemlösung. Wettbewerbsvorteile ergeben sich nun aus der Passform der
Technologien in Verbindung mit dem Verlauf der Indifferenzkurven der Nutzenfunktion des
Kunden, die das unterschiedlich erreichbare Nutzenniveau darstellen.
In Abbildung 3-02 sind vier Technologien abgebildet: die Beratungstechnologien dreier kon-
kurrierender Unternehmensberater A, B und C sowie die (vorhandene) Technologie des Kun-
den.
Eigenschaft 1
Berater C
Kunde BPOpt
Nutzenniveau U3
Nutzenniveau U2
Berater B Nutzenniveau U1
Berater A
Eigenschaft 2
Betrachtet man zunächst den jeweils alleinigen Einsatz der Technologien des Kunden sowie
der Berater A und B, so erreichen sie für den Kunden jeweils dasselbe Nutzenniveau U1. Auf
diese Weise ist weder ein Wettbewerbsvorteil für Berater A oder B zu erkennen, noch ist be-
gründbar, warum überhaupt ein Berater eingesetzt werden soll. Betrachtet man jedoch den
gleichzeitigen Einsatz der Kundenmitarbeiter und eines Unternehmensberaters, so ist die Zu-
sammenarbeit mit einem Berater durchaus sinnvoll und vorteilhaft: Es liegt eine Nutzensy-
nergie vor. Während der Kunde durch eine Zusammenarbeit mit dem Berater A ein Nutzenni-
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen 165
veau U3 erreichen kann, führt die Kooperation mit dem Berater B lediglich zu einem Nutzen-
niveau von U2. Berater A verfügt also über einen (fachlichen) Wettbewerbsvorteil [vgl.
SCHADE 2000, S. 83].
Der wesentliche Aspekt des Ergebnisses besteht nun darin, dass gerade Berater B, dessen Be-
ratungstechnologie fast genau die gleiche Eigenschaftsmischung wie die des optimalen Bera-
tungsprojektes BPopt aufweist, nicht zum Zuge kommt. Vielmehr wird deutlich, dass Wettbe-
werbsvorteile vor allem dadurch erreicht werden können, dass sich die Technologien zwi-
schen Unternehmensberatern und Kundenunternehmen ergänzen. Die Betrachtung der reinen
Eignung unterschiedlicher Berater im Hinblick auf das zu lösende Problem ist also häufig „zu
kurz gesprungen“, um die Wettbewerbsvorteile im Beratungsgeschäft zu verstehen. Das Bei-
spiel in Abbildung 3-02 zeigt vielmehr, dass sich ein hohes Nutzenniveau und damit Wettbe-
werbsvorteile in Folge erst durch das Matching unterschiedlicher Technologien ergeben. Ein
ähnlich hohes Nutzenniveau kann in dem Beispiel nur noch der Berater C erreichen, der zwar
(nur) über eine Technologie mit nahezu identischer Eigenschaftsmischung wie das Kundenun-
ternehmen verfügt, der diese Technologie aber deutlich besser beherrscht und damit einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Beratern generiert. Somit sind es zwei Arten von
Wettbewerbsvorteilen, die durch das Vektorenmodell aufgezeigt werden können: zum einen
eine Beratungstechnologie, die relativ weit von der verfügbaren Technologie des Kundenun-
ternehmens angesiedelt ist und durch ein Matching zu einem hohen Nutzenniveau führt, zum
anderen durch eine Beratungstechnologie, die zwar in die gleiche Richtung wie die Technolo-
gie des Kunden zeigt, die dieser aber deutlich überlegen ist.
Dieser Wettbewerbsvorteil (an sich), der durch das unterschiedliche Nutzenniveau bestimmt
wird, ist aber letztlich ohne Bedeutung, wenn er nicht auch von den Kundenunternehmen
wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Markt sichert den nachhaltigen Gewinn. Genau
diese Lücke zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Markt honorierten
Wettbewerbsvorteil gilt es zu schließen. Damit sind gleichzeitig auch die beiden Pole aufge-
zeigt, zwischen denen die Marketing-Wertschöpfungskette einzuordnen ist. Eine Optimierung
des Marketingprozesses führt somit zwangsläufig zur Schließung der Lücke [vgl. LIPPOLD
2010a, S. 3 f.].
Voraussetzung für die angestrebte Optimierung ist, dass der Marketingprozess in seine Akti-
onsfelder Segmentierung, Positionierung, Kommunikation, Vertrieb, Akquisition und Betreu-
ung zerlegt wird und diese jeweils einem zu optimierendem Kundenkriterium („Variable“)
zugeordnet werden:
x Segmentierung zur Optimierung des Kundennutzens
x Positionierung zur Optimierung des Kundenvorteils
x Kommunikation zur Optimierung der Kundenwahrnehmung
x Vertrieb zur Optimierung der Kundennähe
x Akquisition zur Optimierung der Kundenakzeptanz
x Betreuung zur Optimierung der Kundenzufriedenheit
166 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Mit anderen Worten, hinter dieser Begriffsbildung steht die These, dass das Gleichgewicht
durch die Addition der einzelnen, an Kundenkriterien ausgerichteten Aktionsfelder erreicht
werden kann.
Marketing-Aktionsfelder Nachhaltiger
Gewinn
Wettbewerbs-
vorteil
Segmen- Positio- Kommuni-
Vertrieb Akquisition Betreuung
• Leistungen tierung nierung kation
• Fähigkeiten Vom Markt
• Know-how + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- honorierter
• Innovations- =
nutzen vorteil wahrnehmung nähe akzeptanz zufriedenheit Wett-
kraft bewerbs-
vorteil
Kundenkriterien
© Dialog.Lippold
Neben der methodisch wichtigen Einführung in die Marketing-Gleichung ist noch ein weite-
rer Aspekt zu berücksichtigen: die Zuordnung des Marketings von Unternehmensberatungen
zum Business-to-Business (B2B)-Marketing. Diese Zuordnung ist deshalb von Bedeutung,
weil die gängige Zuordnung des Beratungsmarketings zum Dienstleistungsmarketing eine
weitgehend homogene Gestaltung der Marketingaktivitäten nicht leisten kann und daher aus
Marketing-Sicht nicht zielführend ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich der Dienstleis-
tungssektor aus so unterschiedlichen Anbietern wie Banken, Versicherungen, Transportunter-
nehmen, Steuerberatungen, Reinigungsunternehmen, Gaststätten und eben auch Unterneh-
mensberatungen zusammensetzt.
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen 167
Nicht zuletzt diese Inhomogenität des Dienstleistungsbereichs hat wohl dazu geführt, dass
sich die Praxis an einer Marketing-Typologie orientiert, die auf den unterschiedlichen Käu-
fergruppen aufbaut:
x Business-to-Consumer (B2C) – Marketing
x Business-to-Business (B2B) – Marketing
Das B2C-Marketing wendet sich ausschließlich an den Endkonsumenten als Kunden, wäh-
rend sich das B2B-Marketing an Unternehmen und sonstige Organisationen richtet. Die Stel-
lung des Kunden im Wirtschaftsablauf ist somit das wesentliche Unterscheidungskriterium
zwischen B2C und B2B. Mit dieser Einteilung lässt sich das unterschiedliche Kaufverhalten
der einzelnen Käufergruppen dahingehend systematisieren, dass es typenübergreifend eine
differenzierte, innerhalb eines Typs aber weitgehend einheitliche Ausrichtung der Marketing-
aktivitäten zulässt. Konkret bedeutet dies, dass sich die Marketing-Konzeptionen von Unter-
nehmen des B2C-Bereichs teilweise grundsätzlich von denen der Unternehmen des B2B-
Bereichs unterscheiden, sich innerhalb der jeweiligen Bereiche aber weitgehend ähneln.
Weniger eindeutig ist hingegen die Zuordnung des Dienstleistungsmarketings. Der Dienstleis-
tungssektor ist geprägt von einer Vielfalt von Dienstleistungsarten, die entweder nur Personen
(z. B. Friseur), nur Unternehmen/Organisationen (z. B. Unternehmensberatung) oder beiden
Käufergruppen (z. B. Banken/Versicherungen) angeboten werden.
Abbildung 3-04 liefert eine Zuordnung der güterbezogenen Segmente zu den beiden Käufer-
gruppen (Konsumenten bzw. Unternehmen/Organisationen).
168 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
B2C-Marketing B2B-Marketing
Business-to-Consumer Business-to-Business
Beispiele:
Konsumgüter- • Nahrungsmittelindustrie
marketing • Verbrauchsgüterindustrie
• Gebrauchsgüterindustrie
• IT- und Kommunikationsindustrie
Beispiele:
Beispiele:
• Unternehmensberatung
Dienstleistungs- • Banken
• Wirtschaftsprüfung
marketing • Versicherung
• Werbeagentur
• Transport- und Verkehr
• Steuerberatung (aber auch Banken, Versicherungen,
Transport und Verkehr, Steuerberatung)
Beispiele:
Industriegüter- • Maschinenbau
marketing • Anlagenbau
• Zulieferindustrie
• IT- und Kommunikationsindustrie
Der Beratungsmarkt ist keine homogene Einheit. Er besteht aus einer Vielzahl von Kunden-
unternehmen, die sich in ihren Zielsetzungen, Anforderungen, Wünschen und Kaufmotiven
hinsichtlich des Einsatzes von Beratungsleistungen z. T. deutlich voneinander unterscheiden.
Unterteilt man die Menge der potenziellen Kunden derart, dass sie in mindestens einem rele-
vanten Merkmal übereinstimmen, so erhält man Kundengruppen, die als Teilmärkte bzw.
Segmente bezeichnet werden. Eine solche Segmentierung ist immer dann anzustreben, wenn
die Marktsegmente einzeln effektiver und effizienter bedient werden können als der Gesamt-
markt [vgl. KOTLER et al. 2007, S. 357].
Im Rahmen des Vermarktungsprozesses ist die Segmentierung, d. h. die Auswahl attraktiver
Marktsegmente für die Geschäftsfeldplanung der Unternehmen, das erste wichtige Aktionsfeld
(siehe Abbildung 3-05). Von besonderer Bedeutung ist dabei das Verständnis für eine kun-
denorientierte Durchführung der Segmentierung, denn der Vermarktungsprozess sollte
grundsätzlich aus Sicht der Kunden beginnen. Daher steht die Kundenanalyse, die sich mit
den Zielen, Problemen und Nutzenvorstellungen der potenziellen Kunden befasst, im Vorder-
grund der Segmentierung. Die hiermit angesprochene Rasterung der Kundengruppen erhöht
die Transparenz des Marktes, lässt Marketing-Chancen erkennen und bietet die Möglichkeit,
Produkt- und Leistungsmerkmale feiner zu differenzieren [vgl. KOTLER 1977, S. 165].
Aktionsfelder Nachhaltiger
Wettbewerbs- Gewinn
vorteil
© Dialog.Lippold
Durch die Marktsegmentierung soll die heterogene Struktur der Käufer aufgelöst werden,
d. h. der Markt eines Unternehmens ist in homogene Käufergruppen zu zerlegen, um ihn ent-
sprechend bearbeiten zu können [vgl. STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 67]. Bei der Seg-
mentierung handelt es sich um einen kreativen Akt, der letztlich Zielgruppen mit möglichst
homogenem Bedarf und einheitlichem Kaufverhalten identifizieren soll. Eine wesentliche
Hilfestellung leisten hierbei die vielfältigen Methoden der Marktforschung.
Vom Aufgabenspektrum her betrachtet, lässt sich die Marktsegmentierung in die Marktseg-
menterfassung (Informationsseite) und in die Marktsegmentbearbeitung (Aktionsseite) eintei-
len. Auf der Informationsseite stehen das Kaufverhalten der Unternehmen und deren Analyse
über die Marktforschung im Vordergrund. Die Aktionsseite ist geprägt von der Segmentbe-
stimmung und -auswahl sowie der segmentspezifischen Bearbeitung, die jedoch den anderen
Aktionsfeldern des Vermarktungsprozesses vorbehalten ist (siehe Abbildung 3-06).
Marktsegmentierung
Informationsseite: Aktionsseite:
Marktsegmenterfassung Marktsegmentbearbeitung
Der Beratungsmarkt ist kein monolithischer Block. Er umfasst mehr Einsatz- und Anwen-
dungsfelder, mehr Käufergruppen, mehr Anwendungsfunktionen und mehr technologische
Gestaltungsmöglichkeiten, als ein Unternehmen überhaupt abdecken kann [vgl. TÜSCHEN
1989, S. 38]. Der Gesamtmarkt aller Kundenunternehmen und Organisationen muss also in
Teilmärkte (Segmente) aufgeteilt werden, damit diese individuell mit Marketingmaßnahmen
bearbeitet werden können. Die Aufteilung hat so zu erfolgen, dass die einzelnen Segmente
Unternehmen und Organisationen enthalten, die ähnliche Eigenschaften aufweisen und nach
gleichen Gesichtspunkten einkaufen. Die Marktsegmentierung muss sicherstellen, dass Leis-
tungen, Preise, Vertriebswege und Kommunikationsmaßnahmen zu den spezifischen Anfor-
derungen der identifizierten Kundengruppen passen. Damit wird deutlich, welche bedeutende
Rolle die Segmentierung des Zielmarktes auch im Beratungsmarketing einnimmt.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens 171
Neben der Forderung nach Homogenität der ausgewählten Zielgruppen sind noch weitere
Anforderungen an ein effektives Segmentieren zu stellen [vgl. MEFFERT et al. 2008, S. 190]:
x Messbarkeit, d. h. die Segmente müssen hinsichtlich Potenzial und Volumen mit den
vorhandenen Marktforschungsmethoden messbar und erfassbar sein.
x Relevanz, d. h. ein Marktsegment sollte hinsichtlich seiner Größe und seines Gewinnpo-
tenzials ausreichend dimensioniert sein, damit sich ein segmentspezifisches Marketing-
programm lohnt.
x Erreichbarkeit, d. h. die Segmente müssen eine gezielte Ansprache ermöglichen und
somit für segmentspezifische Marketingaktivitäten erreichbar sein.
x Trennbarkeit, d. h. die Segmente müssen vom Marketingkonzept her trennbar und damit
einzeln ansprechbar sein („Scharfschützen-Konzept“).
x Stabilität, d. h. die Marktsegmente sollten über einen längeren Zeitraum stabil und in-
nerhalb einer ökonomischen Mindestzeit ausschöpfbar sein.
x Wirtschaftlichkeit. Der sich aus der Segmentierung ergebende Nutzen sollte größer sein
als die für die Ausarbeitung der segmentspezifischen Marketingaktionen anfallenden
Kosten.
Das Grundmodell der Segmentierung unterscheidet zwei Segmentierungsarten:
x die eindimensionale Segmentierung und
x die mehrdimensionale Segmentierung.
Wird nur ein Segmentierungsmerkmal (z. B. die Unternehmensgröße) als kaufrelevant erach-
tet, so handelt es sich um eine eindimensionale Segmentierung. Werden dagegen zwei oder
mehrere Segmentierungsmerkmale (z. B. die Unternehmensgröße und zusätzlich die Branche
der Kundenunternehmen) berücksichtigt, spricht man von einer mehrdimensionalen Seg-
mentierung.
Abbildung 3-07 fasst die verschiedenen Arten der Segmentierung im Überblick zusammen.
Segmentierungsarten
Das Kaufverhalten von Organisationen (Unternehmen und Behörden) weicht in vielerlei Hin-
sicht vom Kaufverhalten der Konsumenten in den Endverbrauchermärkten ab. Unternehmen
erwerben Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, technische Anlagen, Ersatzteile, Werkzeugmaschi-
nen, Produktkomponenten, Telekommunikationseinrichtungen und Beratungsleistungen, um
eigene Produkte und Dienstleistungen erstellen und anbieten zu können. Behörden bzw. öf-
fentliche Institutionen kaufen Güter und Dienstleistungen ein, um die ihnen übertragenen
Aufgaben zu erstellen. Das Verständnis für die Besonderheiten organisationaler Kaufent-
scheidungen ist für die Marktsegmentierung im B2B-Bereich und damit im Beratungsgeschäft
eine wichtige Voraussetzung.
Die Besonderheiten des B2B-Marketings ergeben sich aus der Markt- und Nachfragestruktur,
aus dem spezifischen Wesen des organisationalen Einkaufs sowie aus der Komplexität im
organisatorischen Zusammenspiel zwischen Lieferanten und Kunden [vgl. KOTLER et al.
2007, S. 315].
Abbildung 3-08 liefert einen Überblick über die Besonderheiten der B2B-Märkte.
Das B2B-Marketing hat es in der Regel mit weniger, aber größeren Kunden als das B2C-
Marketing zu tun. Auch ist häufig eine geografische Konzentration bestimmter Branchen zu
beobachten (Zulieferer in Baden-Württemberg, Chemische Industrie entlang des Rheins,
Werften in Norddeutschland). Eine weitere Besonderheit ist, dass sich die Nachfrage nach
industriellen Gütern und Dienstleistungen letztlich aus der Nachfrage nach Konsumgütern
ableitet. Auch wird die Gesamtnachfrage im B2B-Bereich durch Preisschwankungen weniger
stark beeinflusst. Insbesondere bei komplexen Industriegütern und -dienstleistungen mit ei-
nem hohen Investitionsvolumen sind die Nachfragerhythmen eher unregelmäßig. Auch ist in
solchen Fällen der Dienstleistungsanteil (z. B. Beratung) von besonderer Bedeutung für den
Kaufabschluss.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens 173
Komplexe technische Zusammenhänge bei einer Vielzahl von industriellen Gütern bestimmen
das B2B-Marketing, das die Aufgabe hat, Leistungsdaten und technische Informationen ver-
ständlich aufzubereiten. Eine weitere Besonderheit im B2B-Bereich ist, dass die einkaufende
Organisation häufig solche Lieferanten auswählt, die umgekehrt auch bei ihr einkauft (Rezip-
rozität). Aufgrund des Einkaufsvolumens und der damit verbundenen Einkaufsmacht, ist dem
anbietenden Unternehmen besonders an einer engen, langfristigen und auch persönlichen Ge-
schäftsbeziehung gelegen.
x Initiatoren (engl. Initiator) regen zum Kauf eines bestimmten Produktes an und lösen
den Kaufentscheidungsprozess aus. Initiatoren müssen nicht zwingend die späteren Nut-
zer der Lösung sein, sondern können aus den verschiedensten betrieblichen Funk-
tionsbereichen kommen.
x Informationsselektierer (engl. Gatekeeper) strukturieren Informationen über das zu be-
schaffende Produkt vor, bringen diese in das Buying Center ein und steuern den organisa-
tionsinternen Informationsfluss. Diese Personengruppe ist häufig den Fachbereichen, also
denjenigen Bereichen, in denen das Produkt (die Lösung) zum Einsatz kommt, zuzuord-
nen.
x Beeinflusser (engl. Influencer) sind formal zwar nicht am Beschaffungsprozess beteiligt,
verfügen aber als Spezialisten über besondere Informationen. Insbesondere über die Vor-
gabe gewisser Mindestanforderungen kann ihre (informelle) Teilnahme am Auswahlpro-
zess mitentscheidend sein. Beeinflusser sind bspw. im Qualitätsmanagement oder in
(Normen-)Ausschüssen zu finden.
174 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
x Entscheider (engl. Decider) sind jene Organisationsmitglieder, die aufgrund ihrer hierar-
chischen Position letztlich die Kaufentscheidung treffen. Das monetäre Volumen des
Auftrags ist zumeist ausschlaggebend dafür, auf welcher Hierarchieebene die Auftrags-
vergabe entschieden wird.
x Einkäufer (engl. Buyer) besitzen die formale Kompetenz, Lieferanten auszuwählen und
den Kaufabschluss zu tätigen. Sie führen die Einkaufsverhandlungen unter kaufmänni-
schen und juristischen Aspekten. In größeren Organisationen gehören Einkäufer einer
Beschaffungs- oder Einkaufsabteilung an.
x Benutzer (engl. User) sind schließlich jene Personen, die die zu beschaffenden Güter und
Dienstleistungen einsetzen bzw. nutzen werden. Da ein Einsatz gegen den Widerstand der
User nur sehr schwer durchsetzbar ist, haben diese Organisationsmitglieder eine Schlüs-
selstellung im Rahmen des Auswahl- und Entscheidungsprozesses.
Buying Center bilden sich informell und sind in der Regel nicht organisatorisch verankert.
Daher sind Umfang und Struktur dieses Einkaufsgremiums auch nur sehr schwer zu erfassen.
Es lässt sich aber die These vertreten, dass die Anzahl der jeweils Beteiligten am Buying Cen-
ter vom Wert, von der Komplexität und vom Einfluss des zu beschaffenden Produkts bzw. der
Problemlösung auf Prozesse und Organisation sowie vom Informationsbedarf über das Inves-
titionsobjekt abhängt. Auch kann nicht festgeschrieben werden, ob teilweise mehrere Rollen
von einer Person und ob die einzelnen Rollen teilweise von mehreren Personen wahrgenom-
men werden. Gleichwohl haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass die Funktion der
einzelnen Rollen vom Grundsatz her bei jeder komplexen Beschaffungsmaßnahme ausgeübt
wird. Daher ist es für einen vertriebsverantwortlichen Berater besonders wichtig, dass für je-
des Akquisitionsprojekt die entsprechende Rollenverteilung auf der Kundenseite ausfindig
gemacht wird [vgl. LIPPOLD 1998, S. 135].
Bei Investitionsprojekten, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Veränderungsmana-
gement (engl. Change Management), also auf Struktur und Prozesse des beschaffenden Un-
ternehmens haben, können die Akteure des Buying Center auch nach Promotoren oder Op-
ponenten unterschieden werden, je nachdem, ob sie das Beschaffungsobjekt (z. B. Einfüh-
rung eines ERP-Systems) eher fördern und unterstützen oder eher behindern und verlangsa-
men. Je nach Art des Einflusses im Buying Center können Promotoren bzw. Opponenten wei-
ter unterteilt werden [vgl. HOMBURG/KROHMER 2009, S. 143 f.]:
x Machtpromotoren bzw. -opponenten beeinflussen das Buying Center aufgrund ihrer
hierarchischen Stellung in der Organisation.
x Fachpromotoren bzw. -opponenten haben Einfluss aufgrund ihrer entsprechenden fach-
lichen Expertise und ihres besonderen Informationsstands.
x Prozesspromotoren bzw. -opponenten beeinflussen den Entscheidungsprozess auf-
grund ihrer formellen und informellen Kommunikationsbeziehungen in der Organisation.
Sie unterstützen bzw. behindern den Kaufprozess, in dem sie organisatorische und fachli-
che Barrieren überwinden oder errichten und Verbindungen zwischen Macht- und Fach-
promotoren bzw. -opponenten herstellen.
Abbildung 3-09 gibt einen Überblick über Beziehungen und Beiträge von Macht-, Prozess-
und Fachpromotoren. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Promotoren- bzw.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens 175
Opponentenrolle sowohl auf den Beschaffungsvorgang insgesamt (also auf die Problemlö-
sung an sich) als auch auf bestimmte Auswahlalternativen (also auf das Produkt A oder B)
beziehen kann.
Die Kenntnis der Rollenstruktur und die Identifikation der verschiedenen Akteure eines
Buying Center stellen zentrale Ansatzpunkte für das B2B-Marketing und insbesondere für
den Projektvertrieb dar. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen und Maßnahmen im Rahmen
des Aktionsfeldes Akquisition sollten sehr stark geprägt sein von den unterschiedlichen Be-
dürfnissen und Anforderungen der verschiedenen Akteure im Buying Center.
Freigabe von
Beiträge des Sicherung des Überwinden von
Ressourcen,
Machtpromotors Unterstützung
strategischen Fit Opposition
Zusammenfüh-
Arbeitsteilung, Motivation,
Beiträge des Bewertung des rung der Teilpro-
Rollenzuweisung, Erklärung,
Prozesspromotors Erfolgspotentials
Zeiteinteilung
zesse, Konflikt-
Instruktion
management
Abb. 3-09: Beziehungen und Funktionen von Macht-, Prozess- und Fachpromotoren
[Quelle: REGER 2009, S. 26]
3.2.3 Segmentierungspraxis
Für das Anwendungsfeld des B2B-Marketings gibt es eine Reihe von Segmentierungsansät-
zen, die sich wie folgt gruppieren lässt [vgl. BACKHAUS/VOETH 2010, S. 120]:
x Einstufige Ansätze, die lediglich einzelne Kriterien wie z. B. die Größe der Kundenun-
ternehmen für die Segmentierung heranziehen;
x Mehrstufige Ansätze, die in einem stufenweisen Filterungsprozess Kriterien für das or-
ganisationale Beschaffungsverhalten festlegen (z. B. zunächst die Unternehmensgröße,
dann die Organisationsstruktur);
x Mehrdimensionale Ansätze, die im Prinzip die gleichen Kriterien wie mehrstufige An-
sätze verwenden, jedoch nicht stufenweise sondern gleichzeitig;
x Dynamische Ansätze, die Veränderungen von Kundenbedürfnissen und -präferenzen
nachvollziehen.
Diese Segmentierungsansätze sollen hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Zur Identifizie-
rung von Marktsegmenten im Beratungsbereich wird stattdessen ein Ansatz gewählt, der das
mehrstufige mit dem mehrdimensionalen Modell unter dem Aspekt der Praktikabilität und
176 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Damit sind zugleich auch die beiden Segmentierungsstufen genannt [vgl. auch
WIND/CARDOZO 1974]:
3.2.3.1 Makrosegmentierung
Aus Sicht vieler Unternehmensberatungen ist die vertikale Segmentierung, d. h. die Auftei-
lung des Marktes nach Branchen maßgebend. Die Branchenorientierung empfiehlt sich vor-
nehmlich für Anbieter, die ihr wichtigstes Kundenpotenzial im Mittelstand sehen und daher
eine vertikale Gliederung ihres Produkt- und Leistungsangebotes anstreben.
Gesamtmarkt
Häufig bietet erst eine solch umfassende Differenzierung (z. B. anhand eines Segmentie-
rungsbaumes wie in Abbildung 3-10 dargestellt) Anhaltspunkte dafür, welche primären
Zielgruppen ausgewählt, oder welche Organisationsgruppen als weniger relevant ausge-
schlossen werden sollen [vgl. LIPPOLD 1993, S. 226].
Abbildung 3-11 zeigt das Ergebnis dieser Abgrenzung in Form einer Matrix. Eine solche
Segmentierung ist besonders hilfreich für Unternehmen, die gezielt Produkte oder Dienstleis-
tungen für die so identifizierten Marktsegmente anbieten (z. B. IT-Beratungshäuser, die sich
auf die Einführung von ERP-Systemen für die Produktionsplanung und -steuerung speziali-
siert haben).
178 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Produktkomplexität
Wiederholfertigung Linienfertigung
Teile, • Betonfertigteile • Lampen, Leuchten
einfache • Schleifmittel, Werkzeuge • Metallblechwaren
• Gießereien, Schmieden • Kunststoff, Gummiwaren
Produkte • Druckereien • Bekleidung, Textil
• Keramik, Optik
Ein Beispiel für die Bestimmung relevanter Zielgruppen in der Mittelstandsberatung liefert
Abbildung 3-12. Danach werden die beiden Merkmale Unternehmensperformance (mit den
Ausprägungen niedrig, mittel und hoch) und Unternehmenszugehörigkeit (mit den Ausprä-
gungen Entrepreneurial Companies, Corporate Companies und Semi-public Companies) zu-
einander in Beziehung gesetzt. Die so identifizierten Marktsegmente reichen von „erfolgrei-
chen“ und „innovativen“ Unternehmen, über „Start-ups“ bis hin zu „Sanierungsfällen“ und
„Insolvenzen“. Auf diese Weise lässt sich bspw. der spezifische Bedarf an Unternehmensbe-
ratungsleistungen für die einzelnen Marktsegmente ableiten [vgl. LIPPOLD 2010a, S. 7]:
Implikationen
für Beratung
Erfolgreiche Unternehmen
hoch
Innovative Unternehmen Fokussierte
Expertenberatung
Unternehmensperformance
Wachstumsunternehmen
Privati- Ganzheitliche
mittel Stuck- Beratung
sierungs-
in-the-middle
fälle
Start-ups
Restrukturierungsfälle
Schnelle und
zielsichere
Sanierungsfälle
niedrig Umsetzungshilfe
Insolvenzen
Unternehmenszugehörigkeit
Die horizontale Segmentierung kann dann für Beratungsunternehmen von Interesse sein,
wenn die angebotenen Dienstleistungen eine Kaufrelevanz für bestimmte betriebliche Funkti-
onsbereiche haben (z. B. Beratung für Materialwirtschaft/Logistik, Controlling-Beratung,
CRM-Beratung). Zu den relevanten Funktionsbereichen zählen
x Materialwirtschaft/Logistik,
x Produktionsplanung und -steuerung,
x Personalwirtschaft,
x Finanzwirtschaft,
x Informationstechnik/Informationssysteme,
x Kostenrechnung/Controlling und
x Marketing/Vertrieb.
Bei der räumlichen Marktaufteilung geht es darum, ob und inwieweit die Käufergruppen re-
gional begrenzt, überregional und/oder in verschiedenen Auslandsmärkten aktiv bearbeitet
werden sollen. Bei jüngeren Unternehmensberatungen mit Wachstumsambitionen verläuft die
Entwicklung des Absatzgebietes häufig recht unkontrolliert. Sie beginnt mit einem lokalen
Absatzgebiet, dem eine regionale und teilweise auch internationale Markterschließung folgt.
Häufig stagniert diese Entwicklung, wenn das Unternehmen auf konkurrierende Wettbe-
werbszonen anderer Unternehmen stößt und keine Ressourcen zur Überwindung bereitstehen
oder geplant sind [vgl. SCHILDHAUER 1992, S. 68].
180 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Eine weitere Segmentierung kann nach der Größe der Kundenunternehmen vorgenommen
werden. Hierfür bietet sich eine Klassifizierung nach der Beschäftigtenzahl, nach der Umsatz-
größe oder – vornehmlich bei Banken und Versicherungen – nach der Bilanzsumme an. Die
Betriebsgröße ist immer dann von besonderer Bedeutung, wenn es sich um den Verkauf von
Projekten mit sehr großem Volumen handelt. So sind kleinere und mittelgroße Organisationen
tendenziell weniger bereit, solche komplexen Lösungen zu beauftragen. Hier werden eher
standardisierte Leistungen akzeptiert. Ein Beispiel dafür ist der jahrelange Versuch der SAP,
ihr ERP-Softwaresystem R/3, das nahezu in jedem deutschen Großunternehmen eingesetzt ist,
auch im Mittelstand zu positionieren. Während größere Unternehmen durchaus bereit und in
der Lage sind, die Einführungs- und Beratungskosten im Umfeld des Softwaresystems zu be-
zahlen, sind mittelständische Unternehmen weniger geneigt, diese Zusatzkosten zu tragen.
Für viele Unternehmen – insbesondere aus dem High-Tech-Bereich – ist die systemtechnische
Infrastruktur der Kundenunternehmen ein wichtiges Segmentierungsmerkmal. Differenzie-
rungen können hier insbesondere nach Technologiekomponenten wie Hardware, Betriebssys-
tem oder Datenbanksystem vorgenommen werden. Allerdings verlieren solche technologi-
schen Merkmale zunehmend an Bedeutung, weil Unternehmen immer mehr auf technologi-
sche Standards, Industriestandards oder Quasistandards setzen. So ist bspw. im Betriebssys-
tembereich die verstärkte Verbreitung von UNIX und Windows NT unübersehbar.
Eine weitere Segmentierungsmöglichkeit auf Ebene der Makrosegmentierung ist die Auftei-
lung des Zielmarktes nach Innovationstypen, die ebenfalls dem Technologiekriterium zuge-
ordnet werden können. Danach ist zu unterscheiden zwischen folgenden drei Segmenten [vgl.
STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 75]:
Als Kriterium zur Bestimmung des jeweiligen Innovationspotenzials kann der innerbetriebli-
che Technologieeinsatz herangezogen werden, wie z. B. Unternehmen mit einem hohen Ein-
satzstand von Kommunikations- und Fertigungseinrichtungen.
Wichtig bei der Durchführung der Segmentierung ist, dass sich die Unternehmen nicht nur in
ein oder zwei Kriterien (Dimensionen) festlegen. Erst eine mehrdimensionale Marktaus-
richtung, die bspw. eine Konzentration auf wenige Branchen und Funktionen oder auf be-
stimmte Betriebsgrößen in einem räumlich definierten Marktgebiet vorsieht, kann der Gefahr
einer möglichen Verzettelung der knappen Entwicklungs- und Marketingkapazitäten begeg-
nen. Umgekehrt kann die mehrdimensionale Segmentierung aber auch dazu führen, dass das
Potenzial eines aus der Schnittmenge mehrerer Merkmale gewonnenen Marktsegments für
eine intensive Bearbeitung nicht ausreicht [vgl. LIPPOLD 1993, S. 227].
Branchen wie
• Automotive
• Banken
• Konsumgüter
Zielsegment
Regionen wie
• national
• international Betriebsgröße wie
• global • Großunternehmen
• Mittelgroße Unternehmen
• Kleinere Unternehmen
Funktionen wie
• Marketing/Vertrieb
• Forschung und Entwicklung
• Logistik
3.2.3.2 Mikrosegmentierung
Der Segmentierung auf Mikroebene (Unternehmensebene) liegt eine andere logische Dimen-
sion zugrunde als der Makrosegmentierung. Während in der Makrosegmentierung die strate-
gisch bedeutsame Auswahl des zu bearbeitenden Marktausschnitts (Zielgruppe) getroffen
wird, legt die Mikrosegmentierung fest, welche Zielpersonen innerhalb der zuvor definierten
Zielgruppe angesprochen werden sollen. Als Kriterien zur Abgrenzung der Mikrosegmente
können Merkmale der an der Kaufentscheidung beteiligten Personen, wie Stellung in der Hie-
rarchie, Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsbereichen oder persönliche Charakteristika,
herangezogen werden. Für das B2B-Marketing und damit für das Beratungsmarketing ist die-
se Multipersonalität von besonderer Bedeutung. Folgende Zielpersonenkonzepte sollen vor-
gestellt werden [vgl. LIPPOLD 1998, S. 130 ff.]:
x Hierarchisch-funktionales Zielpersonenkonzept
x Buying-Center
x Kommunikationsorientiertes Zielpersonenkonzept.
Als eine sehr pragmatische Abgrenzung von Personen, die bei der Auswahl insbesondere von
IT-orientierten Dienstleistungen (z. B. ERP-Einführungsberatung, SOA) beteiligt sind, hat
sich das hierarchisch-funktionale Zielpersonenkonzept erwiesen. Es geht davon aus, dass in
den Beschaffungsprozess des Kundenunternehmens drei Funktionsbereiche involviert sein
können [vgl. HANSEN et al. 1983, S. 52]:
x Geschäftsleitung,
x IS-/IT-Management und
x Fachabteilung.
182 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Funktionsträger dieser drei Gruppen können wiederum drei Hierarchiestufen zugeordnet
werden: Geschäftsleitung der obersten, IT-Management und Leiter der Fachabteilung der
mittleren und IT-Mitarbeiter und Sachbearbeiter der untersten Managementebene.
Bei den Mitgliedern der Geschäftsleitung handelt es sich in erster Linie um Entscheidungsträ-
ger. Als Machtpromotoren verfügen sie über das hierarchische Potenzial, eine Beschaffungs-
entscheidung durchzusetzen. In kleineren Kundenunternehmen ist dies der Unternehmer
selbst bzw. die Geschäftsführung, in größeren Unternehmen das Management der ersten und
zweiten Führungsebene.
Bei Kundenunternehmen mit einer eigenen IT-Abteilung kann das IT-Management ein wich-
tiger Fach- aber auch Machtpromotor sein, den der Anbieter in jedem Fall in seinen Akquisi-
tionsprozess einzubeziehen hat. Diese Zielpersonen sind ständig darum bemüht, alle tech-
nisch-wirtschaftlichen Details aufzunehmen, die sie in die Lage versetzen, mit dieser spezifi-
schen Energie auf Entscheidungs- und Innovationsprozesse einzuwirken [vgl.
STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 81].
Gemeinsam mit dem IT-Management sind auch die Zielpersonen der Fachabteilungen der
Gruppe der Fachpromotoren zuzuordnen. Sie bereiten nicht nur den Entscheidungsprozess
vor, sondern sie sind letztendlich auch die Personengruppe, die die auszuwählende Problem-
lösung nutzen soll.
Die Funktionsweise des Buying Center und die verschiedenen Rollen seiner Akteure sind
bereits in Abschnitt 3.2.3 vorgestellt worden. Von besonderer Bedeutung für das B2B-
Marketing ist es, die Mitglieder des Buying Center zu identifizieren und diese in ihrem Rol-
lenverhalten zu analysieren.
3.2.4 Segmentbewertung
Wenn die Bedürfnisse, Ziele, Probleme und Erwartungen der anzusprechenden Zielgruppe
transparent sind, dann ergeben sich daraus unmittelbar die qualitativen Anforderungen an die
anzubietenden Beratungsleistungen. Um jedoch den Mitteleinsatz für die Vermarktung planen
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens 183
zu können, werden Angaben über den quantitativen Bedarf jeder Zielgruppe bzw. jedes
Marktsegments benötigt. Damit stellt sich die Frage nach der Attraktivität der zu bearbeiten-
den Marktsegmente. Zur Bewertung und Absicherung der Attraktivität von Marktsegmenten
können folgende Kriterien herangezogen werden [vgl. TÜSCHEN 1989, S. 48 ff.]:
Segmentvolumen und Segmentpotenzial stellen das Mengengerüst der Nachfrage auf Basis der
Anzahl der aktuellen und potentiellen Kunden dar (siehe Abbildung 3-14).
Segmentanteil = Segmentwachstum
Anteil eines Unternehmens am
aktuellen Segmentvolumen
Segmentvolumen =
effektiver Umsatz aller
Unternehmen im
Marktsegment
Segmentpotenzial =
maximal erreichbarer
Umsatz im Marktsegment
3.2.4.2 Wettbewerbsintensität
Mit der aktuellen Größe eines Marktsegments wächst auch die Anzahl der Wettbewerber, so
dass das insgesamt erreichbare Segmentpotenzial im zweiten Schritt durch die Wettbewerbs-
intensität relativiert werden muss. Segmente, die bspw. von international agierenden Anbie-
184 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
tern bearbeitet werden, dürften als sehr wettbewerbsintensiv einzustufen sein. Ein transparen-
tes Angebot und hohe Anforderungen an Stabilität, Qualität und Funktionalität kennzeichnen
solche wettbewerbsintensiven Märkte.
Anders sieht es hingegen in Marktnischen aus, die hinsichtlich des Segmentpotenzials weni-
ger attraktiv sind: Hier werden sich größere Anbieter kaum engagieren. Auch in Segmenten
mit sehr individuell geprägten Kundenproblemen ist die Wettbewerbsintensität aufgrund der
intransparenten und weniger gut vergleichbaren Leistungsangebote eher niedrig einzuschät-
zen. Unter dem Aspekt der Bewertung neuer Marktsegmente ist die Berücksichtigung von
Segmentbarrieren als Gesamtheit aller hemmenden Einflussfaktoren für den Eintritt in das
Marktsegment von besonderer Bedeutung [vgl. TÜSCHEN 1989, S. 49 f.].
Darüber hinaus gilt die generelle Empfehlung, dass ein jüngeres Unternehmen nicht zu viele
Marktsegmente für sich definieren sollte, da dazu die Investitionskraft in der Regel nicht aus-
reicht. Die Erfahrung zeigt, dass die Markteintrittsschranke bzw. Marktsegmentbarriere etwa
so hoch ist, wie die bisherigen Investitionen des Markt(segment)führers. Andererseits werden
die Eintrittsbarrieren durch den Technologiewandel permanent verändert und das bietet wie-
derum besondere Chancen für neue Service Offerings [vgl. LIPPOLD 1998, S. 127].
3.2.4.3 Preisniveau
Im dritten Schritt ist das Preisniveau des Segments auszuloten. Die Preisstellung in Verbin-
dung mit dem Absatzpotenzial (an Beratungsprojekten) liefert eine erste Abschätzung für die
Umsatzplanung. Hierbei ist zu beobachten, dass häufig ein Mengen-/Preisverhältnis in Ab-
hängigkeit vom Zielmarkt (differenziert nach der Betriebsgröße) existiert. D. h. je kleiner die
Kundenunternehmen sind, desto kleiner wird i. d. R. auch der Preis sein, der für eine Bera-
tungs- bzw. Serviceeinheit erzielt werden kann. In einem Produktgeschäft (also mit nahezu
beliebig reproduzierbaren Produkten) wäre dies weniger problematisch, denn geringere Preise
lassen sich durch entsprechende Mengen kompensieren.
Nicht so bei den Serviceeinheiten, die z. B. in Form von Einführungs-, Installations- und Be-
ratungsleistungen häufig mit dem Produkteinsatz verbunden sind. Serviceeinheiten sind weder
beliebig reproduzierbar noch beliebig teilbar. Sie basieren auf einer Kalkulation (Stunden-
oder Tageshonorare), die sich zum überwiegenden Teil aus den Personal- und Arbeitsplatz-
kosten zusammensetzen. Diese Überlegung begründet auch die Erfahrung in der Software-
und Beratungsbranche, dass in kleineren Betrieben auf eine Produkteinheit nur Bruchteile
einer Serviceeinheit entfallen, dagegen in Großbetrieben der Serviceanteil (meistens in Form
von Modifikationen) häufig deutlich über dem entsprechen Produktanteil liegt [vgl. LIPPOLD
1998, S. 128].
3.2.4.4 Kapitalbedarf
Ein weiteres Kriterium für die Attraktivität eines Segments ist der mit seiner Bearbeitung ver-
bundene Finanzmittelbedarf. Bei solchen Investitionsüberlegungen tut sich das Management
von Beratungsunternehmen im Vergleich zu Produktionsunternehmen etwas leichter. Investi-
tionen in bestimmte Marktsegmente bedeuten im Consulting zumeist Investitionen in das
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens 185
Know-how der Mitarbeiter und nicht in Maschinen und Anlagen. Entscheidet man sich dafür,
ein neues Marktsegment zu bearbeiten, so steht das Beratungsmanagement vor der Entschei-
dung, in die Beschaffung neuer Mitarbeiter mit den entsprechenden Skills oder in das Know-
how bestehender Mitarbeiter durch gezielte Ausbildungsmaßnahmen zu investieren.
In Abbildung 3-15 ist das Konzept der mehrstufigen Segmentierung in Form der zielgruppen-
bezogenen Makrosegmentierung einerseits und der darauf aufbauenden zielpersonenorientier-
ten Mikrosegmentierung andererseits grafisch dargestellt.
Makrosegmentierung (zielgruppenorientiert)
1. Stufe Segmentierungsdimensionen Segmentierungskriterien
• Vertikale Märkte • Segmentvolumen
• Horizontale Märkte • Segmententwicklung
• Regionale Märkte • Wettbewerbsintensität
Zielgruppen
• Betriebsgröße • Preisniveau
• Technologie • Kapitalbedarf
Mikrosegmentierung (zielpersonenorientiert)
2. Stufe
Hierarchisch-funktional Buying-Center Kommunikationsorientiert
• Vorstand/GF • Initiator • Indifferente
• Finanzmanagement • Gatekeeper • Sensibilisierte
Zielpersonen • Sonst. Fachbereiche • Influencer • Interessierte
• Shareholder • Decider • Engagierte
• Stakeholder • Buyer
• User
3.2.5 Geschäftsfeldplanung
Unter organisatorischen Gesichtspunkten und unter dem Aspekt einer gezielteren Marktbear-
beitung ist die Segmentierung zugleich Grundlage der Geschäftsfeldplanung bzw. -bestim-
mung (engl. Defining the Business). Die für das eigene Leistungsangebot als relevant erachte-
ten Segmente werden als strategische Geschäftsfelder (SGF) bezeichnet. Sie sind im Bera-
tungsgeschäft eine Kombination aus Leistungsangebot und Markt (Zielgruppe). Sie erfüllen
eigene Marktaufgaben, indem sie jeweils originäre Kundenprobleme lösen. Sie weisen gegen-
über anderen Segmenten eine hinreichende Eigenständigkeit auf und haben eigene Ertrags-
aussichten [vgl. TÜSCHEN 1989, S. 43; MÜLLER 1995, Sp. 761 und SZYPERSKI/WINAND 1979,
S. 197].
Markt Unternehmen
SGF 1 SGF 2
SGE 1 SGE 2 SGE 3
SGF 3
bearbeitet bearbeitet bearbeitet
3.2.6 Segmentierungsstrategien
Die Bildung von Geschäftsfeldern als Ergebnis der Segmentierung wirft zugleich die Frage
nach der Anzahl der zu bearbeitenden Geschäftsfelder bzw. Marktsegmente und damit den
Grad der Abdeckung des Marktes auf. Grundsätzlich lassen sich die in Abbildung 3-17 darge-
stellten fünf typische Marktbearbeitungsmuster unterscheiden [vgl. BECKER 2009, S. 448 f.
unter Bezugnahme auf ABELL 1980]:
M1 M2 M3 M1 M2 M3 M1 M2 M3
L1 L1 L1
L2 L2 L2
L3 L3 L3
M1 M2 M3 M1 M2 M3
L1 L1
L = Leistung
L2 L2 M = (Teil-)Markt
L3 L3
In diesem Zusammenhang müssen auch zwei typische Risiken der Marktsegmentierung ge-
nannt werden. Zum einen handelt es sich um die Gefahr der Übersegmentierung, zum anderen
um die Gefahr der Überkonzentration.
Bei der Übersegmentierung (engl. Oversegmentation) besteht das Risiko darin, dass Märkte
„künstlich“ zu stark aufgeteilt werden. Diese Gefahr ist vornehmlich dann gegeben, wenn
eine Unternehmensberatung (zu) viele Service Offerings mit unterschiedlichen Marketingpro-
grammen in einem Zielmarkt vorhält. Eine Überkonzentration (engl. Overconcentration) ist
vor allem dann gegeben, wenn sich ein Unternehmen zu sehr auf ein Segment konzentriert
[vgl. BECKER 2009, S. 291].
188 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Positionierung ist das zweite wichtige Aktionsfeld im Vermarktungsprozess (siehe Abbil-
dung 3-18). Sie zielt darauf ab, innerhalb der definierten Segmente bzw. Geschäftsfelder eine
klare Differenzierung gegenüber dem Leistungsangebot des Wettbewerbs vorzunehmen. Die
Einbeziehung des Wettbewerbs und seiner Stärken und Schwächen ist also ein ganz entschei-
dendes Merkmal der Positionierung.
Aktionsfelder Nachhaltiger
Wettbewerbs- Gewinn
vorteil
© Dialog.Lippold
x Wie differenziert sich das eigene Angebot von dem des Wettbewerbs?
x Welches sind die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale?
Bei der Beantwortung geht es allerdings nicht so sehr um die Herausarbeitung von Wett-
bewerbsvorteilen an sich. Entscheidend sind vielmehr jene Leistungsvorteile, die für den
Kunden interessant sind und einen besonderen Wert für ihn haben. Ein Unternehmen kann
diesen Wert, dieses "Mehr an Nutzen bieten, indem es besser, neuer, schneller oder preisgüns-
tiger ist" [KOTLER et al. 2007, S. 400]. Leistungsvorteile müssen also ein Bedürfnis bzw. ein
Problem der Zielgruppe befriedigen bzw. lösen. Vorteile, die diesen Punkt nicht treffen, sind
von untergeordneter Bedeutung. Unternehmen, die es verstehen, sich im Sinne des Kunden-
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils 189
problems positiv vom Wettbewerb abzuheben, haben letztendlich die größeren Chancen bei
der Auftragsvergabe.
Positionierung ist also die Schaffung einer klaren Differenzierung aus Kundensicht und be-
steht in der Reduktion auf die wichtigsten Ausprägungen des Kundenvorteils. Das führt zu
einer Konzentration auf jene Leistungsmerkmale, die aus Kundensicht eine klare Diffe-
renzierung gegenüber dem Wettbewerb bewirken. Damit führt die Positionierung zur Be-
stimmung des Kommunikationsinhaltes, denn jegliche Kommunikation mit dem Kunden soll-
te auf dessen Vorteil ausgerichtet sein [vgl. GROSSE-OETRINGHAUS 1986, S. 3].
x Ein Netto-Nutzen-Vorteil ist dann gegeben, wenn der Nutzen für den Nachfrager größer
ist als der Preis. Bei diesem Konstrukt fehlt allerdings die Wettbewerbskomponente.
x Das Akronym USP (Unique Selling Proposition) beschreibt das Alleinstellungsmerkmal
eines Produktes bzw. der Leistung. Der USP betont zwar den Wettbewerbsbezug, nicht
aber den vom Nachfrager zu zahlenden Preis.
x Value Proposition ist der Wert (engl. Value) von Nutzenelementen, die ein Nachfrager
im Austausch für den gezahlten Preis bekommt. Die Differenz zwischen Wert und Preis
entspricht dem Netto-Nutzen-Vorteil.
x Beim Wettbewerbsvorteil, der sich neben Leistungs- bspw. auch aus Kosten- oder
Standortvorteilen zusammensetzen kann, dominiert die Wettbewerbskomponente die
Kundenkomponente. Der Wettbewerbsvorteil an sich zählt nicht, entscheidend ist, dass er
auch vom Kunden wahrgenommen wird. Damit wirken Wettbewerbsvorteile nur mittel-
bar.
x Das Konstrukt des komparativen Konkurrenzvorteils (KKV) fasst beide Perspektiven,
also die Kundenkomponente und die Wettbewerbskomponente zusammen. Der KKV be-
steht aus einer (kundenorientierten) Effektivitätsposition (mit den Merkmalen Bedeutsam-
keit und Wahrnehmung) und einer (wettbewerbsorientierten) Effizienzposition (mit den
Merkmalen Verteidigungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit).
Obwohl der KKV, der speziell für das Industriegütermarketing entwickelt worden ist [BACK-
HAUS], sicherlich das umfassendste Konstrukt in diesem Kontext darstellt, soll hier weiterhin
an der einfacheren Begrifflichkeit des Kundenvorteils festgehalten werden.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Stärken von Beratungsunternehmen in Kun-
denvorteile umzusetzen: Entweder mit dem Leistungsvorteil oder mit dem Kosten- bzw.
Preisvorteil. Die Positionierung von Leistungsvorteilen ist häufig sehr viel schwieriger als
die von Preisvorteilen, da der Preis- oder Kostenvorteil ceteris paribus objektivierend wirkt.
Das Kriterium der leistungsbezogenen Differenzierung kann daher nur der Alleinstellungsan-
spruch sein, denn die Einzigartigkeit wird im Wettbewerbsvergleich ebenfalls objektivierend
beurteilt. Prinzipiell bietet jeder Leistungsparameter Chancen, Kundenvorteile zu erzielen.
Entscheidend für die Durchsetzung von Kundenvorteilen ist, dass sich der Kommunika-
190 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Hinzu kommt bei der Positionierung von Dienstleistungen noch ein weiterer Aspekt: Da sich
das Kundenunternehmen im Vorfeld einer Auftragsvergabe häufig sehr schwer tut, einen
Vergleich von Leistungen durchzuführen, die erst in der Zukunft erbracht werden, wird es
sich anderer Vergleichskriterien bedienen. Hierzu zählt in erster Linie der Berater selbst, der
die Leistung verkauft bzw. präsentiert und ggf. später auch ausführt. Insofern kommt zum
reinen Leistungsvorteil noch der Vertrauensvorteil, den sich der Berater durch seine Persön-
lichkeit erwerben kann.
Ein Beratungsunternehmen sollte ein Marktsegment letztlich nur dann als attraktiv für sich
einschätzen, wenn es sich aufgrund seiner eigenen Leistungspotenziale einen oder mehrere
Wettbewerbsvorteil(e) verspricht. Hierzu ist es im Rahmen der Positionierung erforderlich,
sich ein genaues Bild über die Erfolgs- oder Schlüsselfaktoren – bezogen auf die Anforderun-
gen der jeweiligen Marktsegmente – zu verschaffen. Solche Erfolgsfaktoren wirken stark dif-
ferenzierend und zeigen Potenziale auf, um sich vom Wettbewerb innerhalb der Segmente
abheben zu können.
Eine der Hauptaufgaben für das Marketing besteht demnach darin, diese Alleinstel-
lungsmerkmale ausfindig zu machen, gegenüber dem Markt zu kommunizieren und damit
Präferenzen zu bilden. Die Differenzierungsmöglichkeiten können je nach Branche sehr un-
terschiedlich sein. In einigen Branchen können solche Kundenvorteile relativ leicht gewonnen
werden, in anderen ist dies nur sehr schwer möglich. Ersatzweise können dann Leistungs-
merkmale herangezogen werden, die für sich genommen zwar keinen Alleinstellungsanspruch
rechtfertigen, sehr wohl aber in ihrer Kombination einen Kundenvorteil darstellen.
Für das B2B-Marketing (und damit im Wesentlichen auch für das Beratungsmarketing)
schlagen BACKHAUS/VOETH einen Ansatz vor, der die besonderen Ressourcen, Fähigkeiten
und Kompetenzen des Anbieters zur Positionierung berücksichtigt. Als Differenzierungsmög-
lichkeiten werden dabei
x Potenzialunterschiede,
x Prozessunterschiede und
x Programmunterschiede
Zu den Potenzialunterschieden als Quelle für den Kundenvorteil zählen z. B. ein patent-
rechtlich geschütztes Wissen ebenso wie der Zugang zu dominanten Technologien, ein exklu-
sives Vertriebssystem oder besonders fähige Mitarbeiter.
Relationship Management. Hier stellt sich allerdings die Frage, wie solche Prozessketten im
Hinblick auf Effektivität und Effizienz und vor allem im Vergleich zum Wettbewerb gemes-
sen bzw. beurteilt werden sollen.
z. B. z. B. z. B.
• Kapitalausstattung • Supply Chain • Produktangebot
• Technologiezugang Management (Komponenten, Module)
• Mitarbeiterkompetenz • Customer Relationship • Systemangebot
• F&E-Kompetenz Management (Systemengineering,
• Product Lifecycle Systemtechnologie)
• Wissensmanagement
Management • Dienstleistungsangebot
• Lieferantennetzwerk (Beratung, Installation,
• Vertriebssystem Wartung, Outsourcing)
Häufig besteht der Bedarf, die so gewonnene Positionierung auch zu lokalisieren. Dazu wer-
den die verschiedenen miteinander im Wettbewerb stehenden Leistungen in einem sog. Ei-
genschafts- oder Merkmalsraum angeordnet.
192 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Abbildung 3-21 zeigt ein Beispiel für einen Merkmalsraum mit fünf Eigenschaften, die kauf-
entscheidend für die Beauftragung von ERP-Beratungsleistungen sein können. Als Eigen-
schaften sind hierbei die fünf Anwenderbedürfnisse aus Abbildung 3-20 über den Merkmals-
raum für drei Positionierungsobjekte (Leistungsangebot A, B und C) gespannt.
Funktionaler Zukunfts-
Stabilität Serviceleistungen Kundennähe
Nutzen sicherheit
Anzahl Organisations- Anzahl Geschäfts-
Funktionsbreite Portabilität
Modifikationen beratung stellen
Anzahl
Funktionstiefe Image, Reputation Anzahl Referenzen Einsatzunterstützung
Servicestellen
Internationale
Integrationsfähigkeit Finanzkraft Zuverlässigkeit Customizing
Präsenz
Anwenderschulung
Hot-Line Wartung
Sind die Erfolgsfaktoren identifiziert und beherrschbar, so müssen die Leistungs- und Unter-
nehmensstärken gegenüber den potenziellen Kunden argumentiert (→ Kundenvorteil) und
damit zu strategischen Wettbewerbsvorteilen ausgebaut werden. Der strategische Wettbe-
werbsvorteil sollte drei Kriterien erfüllen [vgl. SIMON 1988, S. 465]:
x Der Vorteil muss ein für den Kunden wichtiges Leistungsmerkmal betreffen.
x Der Vorteil muss vom Kunden tatsächlich wahrgenommen werden.
x Der Vorteil sollte vom Wettbewerb nicht schnell einholbar sein, d. h. er muss eine gewis-
se Dauerhaftigkeit aufweisen.
Funktionalität
Zukunftssicherheit
Leistungsangebot C
Kundennähe Leistungsangebot A
Leistungsangebot B
Serviceleistungen
Stabilität
Zunächst stellt sich die Frage, ob sich der Preis als Positionierungselement im Consulting
überhaupt eignet. Schließlich verbinden die Kunden im B2B-Bereich – sicherlich noch mehr
als im B2C-Bereich – mit jedem Preis auch eine bestimmte Qualität. Unterstellt man aller-
dings – unabhängig vom Preis – eine annähernd gleiche Qualität bei der Auftragsdurchfüh-
rung, dann können preispolitische Maßnahmen durchaus eine erhebliche akquisitorische Wir-
kung ausüben.
x dem Honorar eines Beraters als Stunden- oder Tagessatz (wobei in der Praxis immer
seltener auf Stundenbasis abgerechnet wird) und
x dem Angebotspreis für ein Projekt, in den das Honorar der leistenden Mitarbeiter des
Beraters einfließt.
Wenn also vom Preisniveau oder genereller von Preisstellung gesprochen wird, dann kann es
sich dabei nur um den Vergleich der Stunden- oder Tageshonorare von Mitarbeitern verschie-
dener Beratungsunternehmen handeln. Diese Beraterhonorare werden dann vergleichbar,
wenn sie auf der Basis bestimmter Kriterien (z. B. Grade oder Level eines Beraters, Berufser-
fahrung, Branche, Umfeld der Lösung) ausdifferenziert werden. Insert 3-01 liefert ein Bei-
spiel für die Transparenz solcher Beraterhonorare im IT-Bereich.
194 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert
Beraterhonorare im Vergleich
So viel darf ein Consultant kosten
BI-Berater verdienen am besten. Für auf Busi- Mittelfeld. Für IT-Berater im Personalbereich sind
ness Intelligence (BI) spezialisierte Consultants die Preise etwas gefallen (885 Euro pro Tag), da
können Dienstleister hohe Tagessätze verlangen. "HR ein Commodity-Thema geworden ist", so die
Das geht aus der aktuellen Analyse von PIERRE PAC-Analysten. "Nur in wenigen Bereichen wie
AUDOIN CONSULTANTS (PAC) hervor. Kategorisiert Employee-Self-Services oder Talent Management
nach Beratungslösungen (Solutions) zeigt sich, können noch bessere Tagessätze erreicht werden."
dass BI-Spezialisten mit einem mittleren Tagessatz Auch Finance und Accounting (F&A) hat eine hohe
von 1075 Euro die Nase vorn haben. Über dem Marktreife erreicht, in den Projekten geht es vor
Durchschnitt liegen ferner spezialisierte Berater mit allem darum, gesetzliche Änderungen umzusetzen
Branchenkenntnissen (1040 Euro) und CRM-Profis oder Akquisitionen zu integrieren. IT-Berater, die
(980 Euro). Experten für Supply-Chain-Manage- auf F&A spezialisiert sind, erhalten daher einen
ment positionieren sich mit 890 Euro im unteren durchschnittlichen Tagessatz (960 Euro).
SAP-Berater dürfen sich weiterhin über es auch nur wenige Berater, die sich darauf spezi-
Spitzenlöhne freuen. Welche Tagessätze IT-Bera- alisiert hätten. Die vorhandenen Ressourcen seien
ter erzielen, hängt auch von der Plattform ab, auf daher rar und teuer. Berater, die im IBM-Großrech-
die sie sich spezialisiert haben. Wer im SAP-Umfeld ner-Umfeld unterwegs sind, bewegen sich mit
als Berater unterwegs ist, gehört nicht nur zu den einem Tagessatz von 960 Euro genau im Mittelfeld.
am stärksten umworbenen Kandidaten auf dem IT- Laut PAC wirken auf diesen Markt gegenläufige
Arbeitsmarkt, sondern auch zu den teuersten. So Kräfte ein. Einerseits laufen auf in vielen Banken
liegt der Tagessatz eines SAP-Beraters im Mittel Kernanwendungen, die den Beratungsmarkt beflü-
bei 990 Euro und damit über dem Durchschnitt. geln. Andererseits gibt es viele Alt-Anwendungen
Dieses hohe Preisniveau führen die Analysten auf Großrechnern. Hier wird nur begrenzt in Inno-
darauf zurück, dass SAP in deutschen Unterneh- vationen und externe IT-Berater investiert. Unter-
men stark repräsentiert ist und im Umfeld der Soft- durchschnittlich ist der Tagessatz eines auf MICRO-
ware viele innovative Projekte umgesetzt werden. SOFT spezialisierten Beraters. Da die Software vor
Oft werde SAP-Software schon im Rahmen von allem im Mittelstand vertreten ist und dort weniger
Pilotprojekten früh-zeitig eingeführt, obwohl sie für Komplexität herrscht als in Konzernen, spiegelt sich
den allgemeinen Markt noch nicht freigegeben sei. das in den Tagessätzen wider. Generell machen die
Davon könnten erfahrene SAP-Berater finanziell PAC-Analysten einen anhaltenden Off-shoring-
profitieren. Einen überdurchschnittlichen Tagessatz Trend aus: Je einfacher sich eine Leistung in
von 1000 Euro am Tag können ebenfalls speziali- Billiglohnländer verlagern lässt, desto größer ist der
sierte ORACLE-Berater in Rechnung stellen. In dem Preisdruck auf die Beraterhonorare. Das betrifft vor
Fall ist den Analysten zufolge der Grund die geringe allem die Themen Entwicklung, Testen und Appli-
Verbreitung von ORACLE-Applikationen: Weil diese kations-Management – egal auf welcher Software-
in Deutschland noch kaum eingesetzt würden, gebe plattform.
SAP 990
Micosoft 890
Die grundsätzliche Gestaltung solcher Honorarsätze, die dann bspw. auch in einer Preisliste
zu finden sind, hat mehr den Charakter einer Preisstrategie und ist mit der Preislagenstrate-
gie im B2C-Marketing zu vergleichen. Einen entsprechenden Kriterienkatalog zum Aufbau
einer solchen Preisliste für das Beratungsfeld der IT-Beratung bietet Abbildung 3-22.
Microsoft
Consultant 2-3 Jahre Projektleitung Financial Services Human Resources
Infrastructure
Business
Senior Consultant 3-5 Jahre Entwicklung SAP Public Sector
Intelligence
Manufacturing Re-
Manager 5-8 Jahre Implementierung IBM Middleware Retail
sources Planning
Application Branchenspezifi-
Management sche Lösungen
Dagegen lassen sich die Preise von Projekten nicht so ohne weiteres vergleichen, weil in die
Projektkalkulation neben den Tages- bzw. Stundenhonoraren auch die Bearbeitungsdauer mit
einfließt. Die Bearbeitungsdauer hängt wiederum hauptsächlich von der Qualifikation und der
Erfahrung des Beraters ab. Insofern entziehen sich Projekte in der Regel einer grundsätzlichen
Preisniveau- bzw. Preislagenbeurteilung. Die Gestaltung von Projektpreisen hat damit mehr
den Charakter einer Preistaktik.
Aus der (fast schon trivialen) Preispositionierungsmatrix in Abbildung 3-23 mit dem relati-
ven Preis und der relativen Leistung als Ordinaten ergeben sich die Optionen aus folgenden
drei Positionierungsstrategien für eine dauerhafte Grundausrichtung:
196 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
x Niedrigpreisstrategie
x Mittelpreisstrategie
x Hochpreisstrategie (auch Premiumstrategie).
Die Niedrigpreispositionierung ist eine Kombination aus einer relativ niedrigen Leistungs-
qualität und einem relativ niedrigen Preis. In diesem unteren Markt zielt die Niedrigpreisstra-
tegie auf die Realisierung des geringsten Preises bei einer Mindestqualität der Leistung. Ins-
besondere für Beratungsunternehmen, die sich gerade gegründet haben, oder für Einzelberater
ist dies die einzige Möglichkeit, in Marktsegmente einzudringen.
Ein höheres Niveau sieht die Mittelpreisstrategie vor. Sie verbindet eine Standardqualität
mit mittleren Preisen. Dies ist vor allem für mittelgroße Beratungsunternehmen ohne großen
Overhead die gängige Praxis.
Relatives
Leistungsniveau
Hochpreis-
strategie
hoch (Premium-
strategie)
Mittel-
mittel preis-
strategie
Niedrig-
niedrig preis-
strategie
Relatives
Preisniveau
niedrig mittel hoch
Bei der Hochpreisstrategie, die auch als Premiumstrategie bezeichnet wird, fällt die Durch-
setzung eines relativ hohen Preises mit einer (vermuteten) hohen Qualität des Leistungsange-
bots zusammen. Hier steht nicht der Preis, sondern der vom Kunden subjektiv empfundene
Wert der Leistung (engl. Value Pricing) bzw. der Zusammenarbeit mit dem Beratungsunter-
nehmen im Vordergrund. Beispiele hierfür sind die internationalen Managementberatungen
wie McKinsey oder BCG.
Neben diesen drei Standardstrategien der Preispositionierung, die im Korridor eines ausge-
wogenen Verhältnisses zwischen Preis und Leistung angesiedelt sind, besteht (zumeist zeit-
lich begrenzt) die Möglichkeit, diesen Korridor zu verlassen.
Eine weitere preisstrategische Option für Unternehmensberatungen ist die Anwendung der
Preisdifferenzierung. Grundlage von Preisdifferenzierungsstrategien ist das Phänomen, dass
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils 197
Insert
Preisdifferenzierung in der Praxis
Ein Beispiel aus dem Produktgeschäft des IT-Bera- ren würden, auf entsprechenden Mehrumsatz bzw.
tungsbereichs soll die Wirkung der Preisdifferenzie- Gewinn verzichten. Mit einer nach User-Größen-
rung verdeutlichen (siehe untere Grafik). Anbieter klassen ausgerichteten Preis-differenzierung mit p1
von Softwareprodukten ziehen häufig die Anzahl der für Unternehmen mit mehr als 32 Usern, p0 für
mit dem System arbeitenden Benutzer (User) zur Unternehmen zwischen 16 und 32 Usern und p2 für
Preisdifferenzierung heran. Bei einem Einheitspreis Unternehmen mit weniger als 16 Usern lässt sich
von p0 wird man alle Kunden mit relativ kleinen IT- die Preisbereitschaft wesentlich besser ausschöpfen
Budgets nicht erreichen und darüber hinaus bei und den Erlös eines Unternehmens nachhaltig
jenen (Groß-)Anwendern, die aufgrund ihres höhe- steigern.
ren IT-Budgets auch einen höheren Preis akzeptie-
In Insert 3-02 ist ein Beispiel für Anwendung und Wirkungsweise der Preisdifferenzierung im
beratungsnahen Softwaregeschäft dargestellt.
Den Vorteilen der Preisdifferenzierung stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. So sind
insbesondere Kannibalisierungseffekte und Irritationen im Kaufverhalten bei zu großen Preis-
unterschieden in ihren Auswirkungen auf Erlöse und Kosten gegen zu rechnen. Ferner ist da-
rauf zu achten, dass die Märkte bzw. Marktsegmente, zwischen denen die Preise differenziert
werden sollen, voneinander deutlich getrennt sind und dass die Komplexität der Preisvielfalt
kontrollierbar bleibt [vgl. SEBASTIAN/MAESSEN 2003, S. 7].
198 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Grundsätzlich kann zwischen der zeitlichen, der quantitativen, der regionalen und der qualita-
tiven Preisdifferenzierung unterschieden werden. Alle vier genannten Preisdifferenzierungs-
formen haben unterschiedliche Relevanz für das Beratungsgeschäft:
x Die zeitliche Preisdifferenzierung, bei der die Preise in Abhängigkeit vom Kaufzeit-
punkt variiert werden, hat im Beratungsgeschäft kaum Bedeutung.
x Die quantitative Preisdifferenzierung, bei der in Abhängigkeit der abgenommenen
Menge ein jeweils anderer Preis gefordert wird, ist im Consulting ebenfalls unüblich, da
sich Beratungsleistungen weder beliebig multiplizieren, noch teilen lassen. Lediglich bei
Projekten mit sehr großem Volumen kann aufgrund der dann gewährleisteten hohen Aus-
lastungen ein („Mengen-“)Nachlass eingeräumt werden.
x Regionale Preisdifferenzierungen können dann stattfinden, wenn sich Projekte über
verschiedene Ländergrenzen erstrecken (z. B. internationale SAP-Roll-outs). Aufgrund
unterschiedlicher Kaufkraftrelationen wird dann für einzelne Länder unterschiedlich kal-
kuliert.
x Die qualitative Preisdifferenzierung hat für das Beratungsgeschäft die größte Relevanz.
So gelten i. d. R. für ein und dieselbe Beratungseinheit im Großkundengeschäft (Konzer-
ne) andere Preise als im Mittelstand. Viele Unternehmensberatungen haben daher auch
zwei Preislisten – eine für Großkunden und eine für mittelständische Kunden.
Preistaktische Überlegungen beziehen sich vornehmlich auf die Preisfindung bzw. -fest-
setzung im Rahmen der Projektkalkulation. Prinzipiell lassen sich bei der Preisgestaltung
von Projekten vier Grundformen unterscheiden [vgl. FOHMANN 2005, S. 62]:
x Projekt nach Aufwand (engl. Time & material project), d. h. der Kunde bezahlt das
Beratungsunternehmen für die abzuliefernden Projektergebnisse auf der Basis des Ar-
beitsaufwandes (Zeit- und Materialaufwand), den der Berater bei seinem Kundeneinsatz
für die Bearbeitung des Projektgegenstandes bzw. für die Erstellung der Projektergebnis-
se eingesetzt hat (praktisch nur Dienstvertrag). Das Risiko einer evtl. Aufwandsüber-
schreitung trägt der Kunde. Der Kunde zahlt also für jeden geleisteten Tag (bzw. Stunde).
Als Bemessungsgrundlage dient neben der Zeit ein Tageshonorar (z.B. Tagessatz von
1.080,-- Euro) oder (seltener) ein Stundenhonorar (z.B. Stundensatz von 90,-- Euro). Die
Höhe des jeweiligen Honorarsatzes richtet sich nach Beratungsart und Branche sowie
nach der Qualifikation und der Erfahrung des Beraters. Die Berechnungsgrößen werden
üblicherweise vor Projektbeginn vereinbart. Die Honorarsätze dienen u. a. zur Abde-
ckung der reinen Personalkosten (fixes und variables Gehalt, Sozialkosten), der allgemei-
nen Verwaltungskosten, der im Projekt anfallenden Spesen und des kalkulatorischen Ge-
winns des Beratungsunternehmens (siehe hierzu auch die Abschnitt 6.2.1 bis 6.2.3). Der
Kunde übernimmt das alleinige Risiko für das Beratungsprojekt, da die Honorarzahlung
unabhängig von den Projektergebnissen ist.
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils 199
x Projekt mit Festpreis (engl. Fix price project), d.h. der Kunde zahlt eine feste Vergü-
tung, die auf Basis einer Abschätzung des für das Beratungsprojekt zu erwartenden Zeit-
aufwands und eines kostenbezogenen Zeitmaßstabes (z. B. Tagessatz) vereinbart wird
(Werkvertrag zum Festpreis; seltener Dienstvertrag zum Festpreis). Die zeitliche Ab-
schätzung wird zumeist auf der Grundlage eines Pflichtenheftes vorgenommen. Die Ga-
rantie eines Festpreises wird regelmäßig vor Projektbeginn vom Berater gegeben, der al-
lein das Risiko der evtl. Überschreitung des geplanten Arbeitsaufwands trägt. Der Fest-
preis kann immer nur einvernehmlich geändert werden. Eine solcher Änderungsantrag
(engl. Change request), der die Auswirkungen auf die vereinbarten Aufwände und damit
auf die Kalkulation des Festpreises spezifiziert, kann von einem der Vertragsparteien
nachträglich gestellt werden.
x Projekt nach Aufwand mit Obergrenze, d.h. diese Vergütungsform ist eine Kombina-
tion aus Zeithonorar mit einem Pauschalbetrag als Obergrenze, innerhalb derer ein am
zeitlichen Ressourceneinsatz orientiertes Zeithonorar berechnet wird. Ist bei dieser
Mischform die Obergrenze erreicht, kann ggf. neu verhandelt werden.
x Projekt zum Erfolgshonorar, d.h. die Vergütung des Beraters erfolgt in Abhängigkeit
von einer bestimmten zu vereinbarenden Erfolgsgröße (z.B. 10 Prozent der monatlichen
Einsparung im Kundenunternehmen nach Umsetzung der Beratungsergebnisse). Diese
Honorarform ist bis in die jüngste Zeit tabuisiert worden, da es nach deutschem Recht
keine Definition des Erfolgs und auch keine anderweitigen parametrisierten Regelungen
gibt. Als nachteilige Folgen werden ein möglicher Missbrauch („Verleiten Erfolgshono-
rare den Berater zu klientenschädlichem Verhalten?“) sowie große Anforderungen an die
vertraglichen Festlegungen gesehen. Angesichts der Vorteile des Erfolgshonorars (Förde-
rung von Innovation, Unternehmertum, Risikobereitschaft und Finanzierungsvorteil für
das Kundenunternehmen) zeichnet sich aber ein Wandel der Einstellung zu dieser Hono-
rarform ab [vgl. HESSELER 2011a, S. 86 f.].
In Abbildung 3-24 sind die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Tageshonorar eines
Beraters gemäß Preisliste und der Preisbildung von Beratungsprojekten dargestellt (siehe in
diesem Zusammenhang auch Abschnitt 3.6.7.3.).
„Die Kalkulation von Beratungsprojekten erfolgt einfach, pragmatisch und nicht immer nach
der betriebswirtschaftlichen Lehre“ [NIEDEREICHHOLZ 2010, S. 266]. In aller Regel handelt es
sich bei der Angebotskalkulation aber um eine kostenorientierte Preisfindung, d. h. die Ange-
botspreise werden auf der Grundlage von Kosteninformationen getroffen. Diese stellen die
Kostenrechnung zur Verfügung. Das Kalkulationsgerüst ergibt sich aus den geschätzten Zei-
ten der Auftragsdurchführung, aus den direkten Personalkosten (Honorarsätze unterschieden
nach Projektleiter, Consultant etc.), weiteren direkt zurechenbaren Kosten wie IT-Service-
kosten, Kommunikationskosten, Hilfspersonalkosten, Reisekosten etc. und dem allgemeinen
Verwaltungsaufwand (Overhead). In allen Projekten stellen die Personalkosten den größten
Aufwandsblock dar.
200 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Tageshonorar Projektpreis
• Langfristig • Kurzfristig
Gestaltungsrahmen
• Preisstrategie • Preistaktik
(1) Voruntersuchung
(2) Ist-Analyse
(3) Sollkonzeption
(4) Realisierungsplanung
(5) Realisierung
Preistaktische Maßnahmen können nun darin liegen, dass mit entsprechenden Risikozuschlä-
gen oder – im umgekehrten Fall – bei Auslastungsproblemen mit geringeren Gewinnzuschlä-
gen kalkuliert wird. Dieser Spielraum wird allerdings dann etwas eingeengt, wenn der Auf-
traggeber auf eine Offenlegung der Kalkulation besteht. Dies ist regelmäßig bei öffentlichen
Aufträgen der Fall.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 201
Aktionsfelder Nachhaltiger
Wettbewerbs- Gewinn
vorteil
© Dialog.Lippold
Um die Empfänger, d.h. die Zielgruppe der Signale, in ihrer unterschiedlichen Kondi-
tionierung mit den jeweils richtigen Kommunikationsinhalten anzusprechen, sollte zunächst
ein Kommunikationsmodell aufgestellt werden. Ein solches Modell stellt die Struktur des
Kommunikationsprozesses (Ziele, Strategien, Zielgruppe, Zielpersonen etc.) dar und ist die
Grundlage für die zu kommunizierenden Inhalte. Die Kommunikationsinhalte (Botschaften)
wiederum bilden in ihrer Gesamtheit das Kommunikationsprogramm (Bewusstseins-,
Image-, Leistungs-, Kundenprogramm), das dann von den Kommunikationsinstrumenten
(Werbung, PR, Online-Marketing, Direct-Marketing, Messen, Events etc.) umgesetzt und an
die Zielgruppe/-person herangetragen werden muss (siehe Abbildung 3-27).
Signalisierungs-
modell
Signalisierungs-
programme
Signalisierungs-
• Zielgruppe instrumente
• Zielpersonen
• Bewusstseinsprogramm • Werbung / PR
• Ziel • Prospekte
• Imageprogramm Zielgruppe/
• Strategie • Infoveranstaltungen
• Leistungsprogramm -person
• Taktik • Seminare/Vorträge
• Betreuungsprogramm • Messen/Kongresse
• Prozess
• Online-Marketing
• Ergebnis
UMSETZUNG
INHALT
STRUKTUR
Abb. 3-27: Die Kommunikation: Von der Struktur über die Inhalte zur Umsetzung
[Quelle: LIPPOLD 1998, S. 167]
3.4.2.1 Kommunikationsmodell
Neben seiner strukturbildenden Funktion hat das Kommunikationsmodell zugleich eine wich-
tige Aufgabe für die Implementierung einer nachhaltigen Markenstrategie. Wer eine starke
Produkt- und/oder Unternehmensmarke in seinen definierten Marktsegmenten etabliert und
weiterentwickelt, kann der Herausforderung, Aufträge in diesen Zielsegmenten zu gewinnen,
leichter begegnen. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für das B2C-Marketing. Auch im B2B-
Bereich und hier ganz besonders im Beratungsmarketing kann eine starke Unternehmensmar-
ke zu niedrigeren Kosten in der vertrieblichen Basisarbeit (z. B. bei der Kontaktgewinnung
oder bei der Beraterauswahl für die Short-list) führen.
Eine solche Markenstrategie wirkt sich zudem auch positiv im Personalbereich aus. Eine be-
kannte, attraktive Arbeitgebermarke (engl. Employer Branding) erleichtert die Gewinnung
von qualifizierten Mitarbeitern auf dem Bewerbermarkt und wirkt sich positiv auf den Ver-
bleib der Mitarbeiter im Unternehmen aus. Employer Branding beugt auch der Abwande-
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 203
rung von Potenzial- und Leistungsträgern vor. Dieses Phänomen tritt verstärkt auf, sobald die
Chancen zum Wechseln zunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Konjunktur wieder
anspringt [vgl. LIPPOLD 2011, S. 50 f.].
Ziel-
personen Indifferente Sensibilisierte Interessierte Engagierte
3.4.2.2 Bewusstseinsprogramm
nehmensberatungen, die lediglich die generellen Vorteile einer Zusammenarbeit mit ihnen
kommunizieren wollen und keine explizit neue Lösung anbieten, sollten sich allerdings gleich
auf die zweite Gruppe der Zielpersonen, also auf die Sensibilisierten konzentrieren.
Ein Bewusstseinsprogramm sollte demnach immer nur dann durchgeführt werden, wenn eine
wirklich innovative Lösung signalisiert werden soll. Ein solches Programm hat in erster Linie
die Aufgabe, einen latenten Bedarf bei den potenziellen Kundenunternehmen für die Innova-
tion zu wecken. Im Beratungsbereich und insbesondere im Bereich der informationstechni-
schen Dienstleistungen werden immer wieder neue Anwendungsfelder erschlossen, so dass
sich Unternehmensberatungen, die sich auf solch innovativen Anwendungsfeldern engagie-
ren, die Notwendigkeit eines Bewusstseinsprogramms in ihre kommunikationspolitischen
Überlegungen einbeziehen müssen [vgl. LIPPOLD 1998, S. 171].
Ein Bewusstseinsprogramm ist allerdings auch immer mit erheblichen Kosten verbunden, da
die Ansteuerung der Indifferenten erfahrungsgemäß mit erheblichen Streuverlusten verbunden
ist. Daher sind in der Regel nur größere Unternehmen in der Lage, ein Bewusstseinspro-
gramm konsequent und nachhaltig durchzuführen. Andererseits sind es häufig gerade kleinere
Unternehmen, die besonders innovativ sind und die auf der Grundlage dieser Innovation ihre
Wettbewerbsfähigkeit aufbauen wollen. In einer solchen Situation können Kooperationspart-
ner oder der Einsatz besonders effizienter Kommunikationsinstrumente hilfreich sein [vgl.
LIPPOLD 1998, S. 171].
3.4.2.3 Imageprogramm
Die zweite Gruppe der Zielpersonen ist bereits für die Idee sensibilisiert. Hier gilt es, das Inte-
resse dieser Sensibilisierten auf das eigene Unternehmen zu lenken. Das zweite Signali-
sierungsziel lautet also Sensibilisierte interessieren. Den Sensibilisierten ist deutlich zu ma-
chen, dass unter allen Unternehmensberatungen im definierten Marktsegment keiner mehr
Vertrauen verdient als das signalisierende Unternehmen. Die hierzu erforderlichen Kommu-
nikationsmaßnahmen werden in einem Imageprogramm zusammengefasst. Ziel des Image-
programms ist es, einen Meinungsbildungsprozess in Gang zu setzen, bei dem Vertrauen und
Glaubwürdigkeit im Fokus stehen sollten.
Während das Bewusstseinsprogramm für viele Beratungshäuser lediglich eine Option dar-
stellt, gehört das Imageprogramm zum festen Bestandteil des Kommunikationskonzepts. Es
hat die Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf die Leistungsfähigkeit des signali-
sierenden Unternehmens zu lenken und deren Meinung positiv zu beeinflussen.
Gegenstand des hier geforderten Imageprogramms ist die positive Beeinflussung des Unter-
nehmensimages - nicht jedoch primär eines Produkt- oder Leistungsimages. Diese Abgren-
zung ist deshalb besonders wichtig, weil die Betonung der generellen Leistungsstärke einer
Unternehmensberatung häufig wirksamer ist als die Verwendung bestimmter Leistungsinfor-
mationen. Der Grund für die besondere Relevanz des Unternehmensimages von Beratungs-
häusern liegt darin, dass es nahezu unmöglich ist, eine allgemein anwendbare Leistungskonfi-
guration zu entwerfen und diese mit werblichen Maßnahmen zu kommunizieren. Es kommt
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 205
vielmehr darauf an, die Kompetenz des Anbieterunternehmens als Ganzes als Beweis für die
Leistungsfähigkeit herauszustellen [vgl. STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 140].
3.4.2.4 Leistungsprogramm
Die dritte Gruppe innerhalb des Kommunikationsmodells sind jene Zielpersonen, die sich
bereits konkret für bestimmte Leistungen des Beratungsunternehmens interessieren. Um diese
Interessierten für das Unternehmen zu engagieren, muss der Kaufentscheidungsprozess da-
hingehend beeinflusst werden, dass sich der Interessent für das ihm angebotene Produkt ent-
scheidet. Die Maßnahmen, die hierzu erforderlich sind, werden in einem Leistungsprogramm
gebündelt. Ziel dieses Programms ist letztlich der Kaufakt.
Das Leistungsprogramm ist letztlich maßgebend für den Großteil der Marketingaktivitäten. Es
gibt vor allem Hinweise dafür, welche Kommunikationsinstrumente wann und in welchem
Umfang zum Einsatz kommen sollen (siehe hierzu im Einzelnen die von den Unternehmens-
beratungen bevorzugten Instrumente in Abschnitt 3.4.4).
3.4.2.5 Kundenprogramm
Das vierte und letzte Kommunikationsziel richtet sich an die Engagierten. Sie sind vielleicht
die wichtigste Zielgruppe, da sie sich aus den Kunden formiert. Denn knapp zwei Drittel des
Jahresumsatzes von Unternehmensberatungen werden durch Projekte mit bestehenden Kun-
den im Rahmen von Folgeprojekten generiert. Nur etwas mehr als ein Drittel des Jahresum-
satzes kommt aus Projekten mit neuen Kunden. Der Anteil des Umsatzes, der mit neuen Kun-
den und damit durch die Knüpfung neuer Geschäftskontakte erwirtschaftet wird, nimmt mit
wachsender Größe der Unternehmensberatungen stetig ab. So wird bei größeren Beratungs-
häusern nicht mehr als 25 Prozent des jährlichen Umsatzes mit neuen Kunden getätigt [vgl.
BDU-Benchmarkstudie 2011, S. 26].
Besonders wichtig ist der Kunde deshalb, weil nicht nur sein Neu- sondern auch sein Ersatz-
bedarf ein erhebliches Absatzpotenzial darstellt. Die Engagierten tragen entscheidend dazu
bei, dass das Unternehmen jetzt und in Zukunft erfolgreich ist. Kurzum: Der Kunde ist in sei-
ner Kaufentscheidung zu bestätigen. Das Kommunikationsziel für die Kernzielgruppe lautet
daher Engagierte betreuen. Das hierzu erforderliche Maßnahmenbündel ist das Kundenpro-
gramm.
Im Rahmen des Aktionsfeldes Kommunikation nimmt das Kundenprogramm eine Sonderstel-
lung ein. Während das Bewusstseinsprogramm, das Imageprogramm und das Leistungspro-
gramm den Kaufabschluss vorbereiten, kommt das Kundenprogramm erst nach dem Kauf
bzw. der Beauftragung der Leistung zum Einsatz. Bewusstseins-, Image- und Produktpro-
gramm zählen demnach zur Pre-Sales-Phase; das Kundenprogramm ist demgegenüber Teil
der Post-Sales-Aktivitäten. Es hat die Aufgabe, die Entscheidung des Kunden zu bestätigen
und evtl. auftretende kognitive Dissonanzen [FESTINGER 1957] zu beseitigen. Dem Kunden
soll das Gefühl vermittelt werden, auch nach dem Kaufentscheid vom Anbieter umworben zu
sein und als Kunde behandelt zu werden. Nur ein in seiner Entscheidung bestärkter Kunde
wird Anschlussaufträge vergeben und zukünftig Referenzen abgeben. Das Kundenprogramm
206 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Aktionsfeldes Betreuung und soll engagierte Für-
sprecher für das Beratungsunternehmen gewinnen [vgl. LIPPOLD 1998, S. 177 f.].
3.4.2.6 Kommunikationskonzept
Das Kommunikationsmodell ist gleichzeitig auch die Grundlage für ein umfassendes, inte-
griertes Kommunikationskonzept des Beratungsunternehmens. Es fasst das Ergebnis der
Kommunikationsplanung zusammen und bereitet die konkreten Aufgabenstellungen und Ver-
antwortlichkeiten für die Akteure des Marketings auf. Integrierte Kommunikationskonzepte
beinhalten Entscheidungen über folgende Dimensionen [vgl. MEFFERT 1998, S. 689 ff.]:
x Objektdimension (Idee, Unternehmen, Leistungsprogramm, Kunden)
x Ausrichtungsdimension (personell, zeitlich, räumlich etc.)
x Instrumentedimension (Werbung, Messen, PR etc.)
x Mediadimension (z. B. Printmedien vs. elektronische Medien)
x Gestaltungsdimension (Inhalte, Botschaft)
In Abbildung 3-29 sind die verschiedenen Dimensionen des Kommunikationskonzepts zu-
sammengestellt.
Die Dimensionen geben zugleich auch die Orientierungsgrößen für die Ressourcen- bzw.
Budgetplanung vor. Das Budget für das Aktionsfeld Kommunikation zählt erfahrungsgemäß
zu den umfangreichsten Positionen im Marketing. Es orientiert sich in der Praxis in erster
Linie am erwarteten Umsatz, am Gewinn oder auch am Verhalten des Wettbewerbs. Erfah-
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 207
rungswerte, die in früheren Budgetprozessen gesammelt worden sind, sowie die Preissituation
auf dem Markt für Marketing-Dienstleistungen sind weitere Orientierungsgrößen für die Fest-
legung des Budgets. Das so ermittelte Soll-Budget wird mit den Budget-Vorgaben der Unter-
nehmensplanung verglichen und kann entweder zu einer Anpassung der Unternehmenspla-
nung oder zu einer Anpassung der Marketingplanung führen [vgl. DGFP 2006, S. 65 f.].
Ist die Entscheidung über die Höhe des Marketing-Budgets gefallen, müssen im Rahmen der
Mediaselektion die einzelnen Werbeträger ausgewählt und zu budgetiert werden. Dabei geht
es im ersten Schritt um die Frage, welche Werbeträger sich grundsätzlich dafür eignen, die
gesteckten Kommunikationsziele zu erreichen. Im zweiten Schritt wird dann die Wirtschaft-
lichkeit der Werbeträger anhand der Kommunikationsleistung (Reichweite, Zielgruppenabde-
ckung) und der Kosten analysiert [vgl. MEFFERT et al. 2008, S. 691 ff.].
Die Ergebnisse sind in Insert 3-03 (Häufigkeit) und Insert 3-04 (Effizienz) widergegeben.
Folgende Kommunikationsinstrumente sollen hier kurz im Hinblick auf einen möglichen Ein-
satz im Beratungsmarketing diskutiert werden:
x (Klassische) Werbung
x Online-Werbung
x Direktmarketing
x Öffentlichkeitsarbeit
x Messe- und Eventmarketing
x Corporate Social Responsibility/Sponsoring.
208 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert
Direktmarketing 55%
53%
Eventmarketing 55%
13%
E-Newsletter 53%
25%
Online-Werbung 43%
36%
Messemarketing 35%
16%
Sponsoring 33%
24%
Anzeigen 30%
23%
Print-Newsletter 18%
7%
Radiowerbung 0%
0%
Insert
Direktmarketing 4,05
E-Newsletter 3,41
Eventmarketing 3,20
Online-Werbung 3,05
Print-Newsletter 2,98
Messemarketing 2,87
Sponsoring 2,51
Anzeigen 2,18
Radiowerbung 1,62
Die klassische Werbung wird auch als Mediawerbung bezeichnet und ist eine Form der un-
persönlichen Kommunikation, bei der mit Werbemitteln (z. B. Anzeigen, Rundfunk- oder
Fernsehspots) durch Belegung von Werbeträgern (z. B. Zeitschriften, Rundfunk oder Fernse-
hen) versucht wird, unternehmensspezifische Zielgruppen zu erreichen und zu beeinflussen
[vgl. BRUHN 2007, S. 356].
210 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Bedeutung der Kommunikationsinstrumente und hier insbesondere der Werbung ist im
Beratungsbereich allerdings deutlich niedriger einzuschätzen als im B2C-Bereich. Dies zeigen
auch die Ergebnisse der BDU-Benchmarkstudie, die den klassischen Anzeigen in ihrer Effizi-
enz nur den vorletzten Platz einräumt. Dennoch hat die klassische Werbung auch im Bera-
tungsmarketing ihren Stellenwert. Sie muss allerdings im engen Zusammenhang mit dem Ak-
tionsfeld Akquisition gesehen werden. So spielt in der Beratung das Zusammenwirken von
unpersönlicher Kommunikation und persönlichem Verkauf eine wesentlich größere Rolle als
im B2C-Marketing. Die Aufnahme von Werbebotschaften wird sehr stark von Image- und
Kompetenzschwerpunkten bestimmt, die von persönlichen Verkaufs-, Informations- und Be-
ratungsleistungen bei den Zielgruppen geschaffen wurden [vgl. BECKER 2009, S. 581].
Hinzu kommt, dass die erheblich geringere Zahl an potenziellen Zielpersonen im B2B-
Bereich einen wesentlich gezielteren Einsatz von Werbeträgern und Werbemitteln erfordert
und damit die Mediawerbung u. U. zu großen Streuverlusten führen kann [vgl. GODEFROID/
PFÖRTSCH 2008, S. 368].
Insert
Eine weitere Besonderheit ist bei den Fragen nach der Gestaltungsart (emotional/ rational)
und dem Grundmuster der Gestaltungsform zu beachten. So überwiegen im B2B-Marketing
eher die rationale Gestaltungsart und die problemlösungs-orientierte Gestaltungsform. Das
hängt in erster Linie mit dem Informationsverhalten der in den Unternehmen/Organisationen
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 211
agierenden Zielgruppen zusammen. Sie sind aufgrund ihrer Rollen gehalten, sich rational im
Sinne der Zielsetzungen des eigenen Unternehmens zu verhalten [vgl. BECKER 2009, S. 581].
Als (nahezu klassisches) Beispiel für eine sehr text-lastige und rationale Gestaltungsart ist die
Anzeige der IBM in Insert 3-05 (linkes Bild) anzusehen. Dass es jedoch auch emotionale Ge-
staltungsarten von Anzeigen gibt, zeigt die an die Zielgruppe des Mittelstands gerichtete An-
zeige der SAP (rechtes Bild in Insert 3-05).
3.4.4 Online-Werbung
Aufgrund der rasch zunehmenden und immer intensiveren Nutzung des Internets hat sich die
Online-Werbung als feste Größe auch im Kommunikationsmix der Unternehmensberatungen
durchgesetzt. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der BDU-Benchmarkstudie, die der Online-
Werbung deutliche Vorteile gegenüber der klassischen Werbung einräumt. Die Online-
Werbung ist allerdings nicht überschneidungsfrei zu anderen Kommunikationsinstrumenten
abzugrenzen. So kann die Banner-Werbung auch der klassischen Werbung, das E-Mail-
Newsletter dem Direktmarketing und die veröffentlichte Pressemitteilung auf der Unterneh-
menshomepage der PR zugeordnet werden [vgl. MEFFERT et al. 2008, S. 662].
Online-Werbung ist eine Kombination aus Text, Bild und Toninhalten auf digitaler Basis.
Sämtliche Werbeinhalte, die zuvor in den klassischen Medien getrennt angeboten wurden,
lassen sich auch auf Online-Umgebungen übertragen [vgl. UNGER et al. 2004, S. 311].
3.4.4.1 Online-Werbeformen
Das Internet bietet eine nahezu unüberschaubare Anzahl unterschiedlicher Werbeformen und
Werbeformate, da den gestalterischen Fähigkeiten der Web-Designer praktisch keine Grenzen
gesetzt sind. Besonders die oft aus dem Englischen übernommenen Bezeichnungen dieser
Werbeformen stiften eine starke Verwirrung und erschweren eine klare Gliederung in leicht
nachvollziehbare Kategorien [vgl. RODDEWIG 2003, S. 15].
Online-Werbeformen
Danach lassen sich die Online-Werbeformen in drei sehr unterschiedliche Bereiche aufteilen:
x Differenzierung nach der Funktionalität (z. B. statische, animierte oder transaktive Ban-
ner),
x Differenzierung nach der Software bzw. Programmiersprache (DHTML-, Java-, Flash-
und Shockwave-Banner),
x Differenzierung nach dem Erscheinungsbild (z. B. Blend Banner, Bouncing Banner,
Expanding Banner, Flying Banner, PopUp Banner).
In Insert 3-06 sind einige Standard-Bannerformate mit der entsprechenden Pixel-Angabe bei-
spielhaft dargestellt.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 213
Insert
Darüber hinaus existieren noch einige weitere Standardformen der Online-Werbung, die
auch als Derivate des Banners bezeichnet werden können wie z. B.
x Rectangle (wird in das redaktionelle Umfeld einer Website integriert),
x Skyscraper (wird meistens rechts neben dem Content als hochformatiges Werbemittel
eingesetzt),
x Flash Layer (seine Platzierung erfolgt beim Aufruf einer Internetseite direkt über dem
Content).
Zu den Sonderformen der Online-Werbung zählen:
x DHTML (mit dieser Technologie lassen sich dynamische Werbebotschaften auf einer
Internetseite abbilden),
x Streaming Ads (sind interaktive Werbespots im Internet, die sofort nach dem Aufbau
einer Website abgespielt werden),
x Wallpaper (ermöglicht es, eine ganze Website mit dem Corporate Design einer Marke
oder dem Look einer Kampagne zu prägen),
x Interstitial (ist eine Art „Werbeunterbrechung“ im Internet, bspw. nach Aufruf einer neu-
en Seite),
x Microsite (ist eine eigene Website mit weiterführenden Inhalten, auf die der User gelangt,
sobald er das Werbemittel angeklickt hat),
x Sponsoring (hierbei tritt der Werbende als „Pate“ für eine Website auf).
214 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Das Affiliate Marketing, bei dem es sich mehr um eine Online-Vertriebskooperation als um
eine Werbeform im eigentlichen Sinne handelt, ist für das Beratungsmarketing weniger von
Bedeutung.
Beratungsunternehmen verbinden häufig ihr Beratungsangebot und ihre Website mit Suchbe-
griffen, die für ihr Angebot relevant sind. Diese als Suchmaschinen-Marketing (engl.
Search Engine Marketing – SEM) bezeichnete Online-Werbeform schließt Streuverluste
weitgehend aus und zeichnet sich durch eine hohe Kostentransparenz aus, da der Werbende
nur dann bezahlt, wenn ein Interessent auf das entsprechende Suchergebnis klickt (Pay per
Click). Das Suchmaschinen-Marketing ist in zwei Bereiche unterteilt:
Mit der Suchmaschinen-Optimierung zielt das Unternehmen darauf ab, die eigene Website
möglichst weit vorne in den „organischen“ Suchergebnissen zu platzieren. Dadurch wird in
der Regel eine Steigerung der Besucherfrequenz angestrebt. Dabei wird versucht, die eigene
Website den Algorithmen der Suchmaschinen bestmöglich anzupassen. Allerdings werden
diese Algorithmen und deren genau Zusammensetzung, die laufend optimiert bzw. verändert
werden, von den Suchmaschinen nicht bekannt gegeben [Quelle: MARKETING.CH 2011].
Insert
Suchmaschinen-Werbung
Suchmaschinen-Optimierung
x Kommunikationsleistung
x Interaktionsleistung.
Die Kommunikationsleistung zielt auf die Beeinflussung des Wissens und der Einstellung
des Betrachters. Zu den wichtigsten Messkriterien der Kommunikationsleistung von Unter-
nehmensberatungen zählen der Bekanntheitsgrad und das Image des Unternehmens. Bei der
Interaktionsleistung geht es um die Veränderung des Verhaltens des Betrachters. Messkrite-
rien sind hierbei die Klickrate, die Anzahl der nachgefragten Informationen oder das Hinter-
lassen von Informationen z. B. durch Registrierung. Um sowohl die Kommunikations- als
auch die Interaktionsleistung zu erhöhen, steht dem Webdesigner eine ganze Reihe von Wir-
kungselementen zur Verfügung.
In Abbildung 3-31 sind beispielhaft einige Wirkungselemente der Banner-Werbung auf ver-
schiedene Werbeziele zusammengestellt.
216 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Online-Werbung zur Erreichung vieler Werbe-
ziele der Unternehmensberatung einen erheblichen Beitrag leisten kann. Dabei stellt die Mög-
lichkeit, eine direkte real-time Erfolgskontrolle eines Werbemittels durchführen zu können,
einen bedeutenden Vorteil gegenüber anderen Signalisierungsinstrumenten dar.
Die Nutzung des Internets im Beratungsmarketing beschränkt sich nicht nur auf das reine,
kundengerichtete Online-Marketing. Seitdem Foren, Blogs und Social Networks bestehen,
haben sich sowohl für Unternehmen, als auch für Kunden und Interessenten neue Potenziale
eröffnet, wenn es um die Suche nach Informationen über die jeweils andere Seite geht.
Die Kommunikation verlagert sich also zunehmend vom privaten in den öffentlichen Raum.
Zusammengefasst wird diese Entwicklung unter dem Schlagwort Web 2.0, das die Kommu-
nikation in beide Richtungen zulässt. Web 2.0-Anwendungen ermöglichen den Kunden heut-
zutage, eigenständig zu kommunizieren und produkt- und unternehmensspezifische Botschaf-
ten im Netz zu verbreiten [vgl. ECKARDT 2010, S. 165].
In Abbildung 3-32 ist eine ganze Reihe von Anwendungsformen der Web 2.0-Entwicklung
dargestellt und im Einzelnen erläutert. Diese Anwendungsformen stehen sowohl Unterneh-
men als auch Kunden und Mitarbeitern zur Verfügung.
Die Beteiligung an einer Netzwerkplattform bedeutet für das Unternehmen ein gewisses In-
vestment, da sich ein autorisiertes Team um die Beantwortung der Fragen, Reklamationen etc.
zeitnah bemühen muss.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 217
Fazit: Die Nutzung von Web 2.0-Anwendungen haben nicht nur die Kommunikationsmög-
lichkeiten für Unternehmen sondern auch für Kunden erheblich erweitert. Damit verlieren die
Unternehmen die absolute Kontrolle über ihre Kommunikation. Sie stehen vor der Herausfor-
derung, die Kunden aktiv einzubeziehen und auf diese zu hören [vgl. ECKARDT 2010, S. 165].
Wikis und Enzyklopädien wie Wikipedia, die von den Nutzern selbst erstellt,
Nachschlagewerke korrigiert und weiterentwickelt werden
3.4.5 Direktmarketing
Nach der Art der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager lassen sich drei Erschei-
nungsformen des Direktmarketings unterscheiden [vgl. BRUHN 2007, S. 387 f.]:
x Passives Direktmarketing
x Reaktionsorientiertes Direktmarketing
x Interaktionsorientiertes Direktmarketing.
Passives Direktmarketing liegt vor, wenn Kunden bzw. Interessenten mit adressierten In-
formationsschreiben angesprochen werden. Dies kann z. B. in Form von E-Mails, von E-
Newslettern oder von Informationsschreiben und Newslettern in gedruckter Form erfolgen.
Diese passive Form der Direktwerbung ist für Unternehmensberatungen durchaus interessant.
Beim reaktionsorientierten Direktmarketing wird mit der direkten und individuellen An-
sprache des Kunden/Interessenten die Möglichkeit einer Reaktion gegeben. Dies kann in
Form sog. Mail Order Packages oder online erfolgen. Diese Form des Direktmarketings wird
218 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Auch kann das Telefonmarketing im Rahmen der Marktforschung genutzt werden, um Kun-
dendaten für den Aufbau und die Pflege einer Kundendatenbank zu erfragen, da die wich-
tigste Voraussetzung für ein leistungsfähiges Direktmarketing die Verfügbarkeit von aktuel-
len Kundendaten ist (Database-Marketing).
In Abbildung 3-33 sind die drei Erscheinungsformen des Direktmarketings im Überblick dar-
gestellt.
Die Gefahr des E-Mail-Marketings besteht allerdings darin, dass immer mehr Personen, die
unaufgefordert E-Mails erhalten, Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Privatsphäre äußern.
Daher kommt dem sog. Permission Marketing eine immer größere Bedeutung zu; d. h. dem
Kunden/Interessenten bleibt die Entscheidung überlassen, ob er Informationen über das Un-
ternehmen erhalten möchte oder nicht [vgl. BRUHN 2007, S. 395 f.].
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 219
3.4.6.1 Öffentlichkeitsarbeit
Geschäftspartner,
Mitarbeiter Kunden Presse und Journalisten
Investoren etc.
• Mitarbeiterzeitschriften • Kundenzeitschriften • Pressemitteilungen • Geschäftsbericht
• Prospekte, Flyer, • Image-Broschüren (Pressemeldung, Presse- • Umweltbericht
Broschüren erklärung, Pressebericht,
• Prospekte, Flyer Factsheets) • (Image-) Broschüren,
• Berichte, Protokolle, Prospekte, Flyer
• Mailings • Themenexposées
Rundschreiben
• Q & A-Papiere • Mailings
• Briefe und E-Mails • Pressemappen
• Newsletter und • Newsletter und
• Newsletter und • Pressedienste und Informationsdienste
Informationsdienste Newsletter
Informationsdienste
• PR- und Werbeanzeigen • PR- und Werbeanzeigen
• Aushänge, Plakate • PR-Anzeigen
• Plakate • Interviews
• Beilagen für Zeitschriften • Pressekonferenz, -
• Kataloge gespräch, -empfang
• Journalistenreisen
• Presseseminar
Grundlage und sicherlich das wichtigste Instrument der klassischen PR-Arbeit ist die Pres-
semitteilung. Hauptanlässe für die Herausgabe von Pressemitteilungen sind bei größeren
Unternehmensberatungen:
x Großaufträge
x Messebeteiligungen
x Jubiläen
x Wichtige Besuche
x Soziales Engagement (Sozialbilanz)
x Krisenkommunikation.
Neben Pressemitteilungen bilden Pressekonferenzen sowie der persönliche Dialog mit Journa-
listen und Medienvertretern die Grundlage für eine den Unternehmenszielen entsprechende
Berichterstattung im redaktionellen Teil der Medien.
Die Nutzung von Web 2.0-Applikationen und Suchmaschinen haben aber nicht nur die Mög-
lichkeiten der Kommunikation durch das Internet für Unternehmen und Kunden, sondern
auch für die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens erheblich erweitert. Diese können ihre
Meinungen nun auch fernab von Presse- und Kommunikationsabteilungen veröffentlichen.
Zukünftig werden also immer mehr Mitarbeiter freiwillig oder unfreiwillig zu Botschaftern
ihres Unternehmens bzw. der Unternehmensmarke. Auf diese (weitgehend unkontrollierba-
ren) Kommunikationswege müssen sich die Verantwortlichen für die Unternehmenskommu-
nikation einstellen und vorbereiten [vgl. LIPPOLD 2011, S. 71].
3.4.6.2 Sponsoring
In engem Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsarbeit hat sich mit dem Sponsoring ein ver-
gleichsweise neues Kommunikationsinstrument etabliert. Sponsoring bedeutet die systemati-
sche Förderung von Personen, Organisationen oder Veranstaltungen im sportlichen, kulturel-
len, sozialen oder ökologischen Bereich zur Erreichung von Marketing- und Kommunika-
tionszielen. Anders als bei Spenden beinhaltet Sponsoring das Prinzip von Leistung und Ge-
genleistung, d. h. der Sponsor stellt seine Fördermittel in der Erwartung zur Verfügung, dass
der Gesponserte ihn bei dessen Aktivitäten ausdrücklich nennt. Entsprechend wird von einem
Sponsorship gesprochen, wenn Sponsor und Gesponserter ein konkretes Projekt in einem
bestimmten Zeitraum gemeinsam durchführen [vgl. BRUHN 2007, S. 411].
Bei der Auswahl des Sponsorings bzw. Sponsorships sollte darauf geachtet werden, dass ein
Mindestmaß an Gemeinsamkeit zwischen Sponsor und gesponsertem Bereich gegeben ist,
damit sich positive Imagekomponenten übertragen lassen (Imagetransfers). Insert 3-08 zeigt
in diesem Zusammenhang das Beispiel des Sportsponsorings der Wirtschaftsprüfungsgesell-
schaft KPMG. Als langjähriger Hauptsponsor des Golfprofis PHIL MICHELSON verspricht sich
KPMG die Übertragung der Werte des erfolgreichen Golfstars (Vision, Fokus, Disziplin, An-
passungsfähigkeit, Leidenschaft und Ausdauer). Gerade im Sportbereich hat das Sponsoring
allerdings den Nachteil, dass sich eine veränderte öffentliche Meinung auch auf die Sponso-
ren auswirken kann, so wie dies im Radsport (Stichwort „Doping“) oder bei TIGER WOODS
(Stichwort „Sex-Skandal“) geschah.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 221
Mögliche Ziele der Sponsoring-Aktivitäten sind die Erhöhung des Bekanntheitsgrades, die
Aktualisierung des Images oder die Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung. Fol-
gende Sponsoring-Bereiche kommen in Frage [vgl. BRUHN 2007, S. 414 ff]:
Insert
Da die Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung eine der Ziele des Sponsorings ist,
lässt sich Sponsoring – zumindest das Sozio-, Kultur- und Umweltsponsoring – auch als stra-
tegisches Instrument von Corporate Social Responsibility (CSR) verstehen und nutzen.
222 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Auch hier gibt die BDU-Benchmarkstudie einen guten Überblick darüber, welche CSR- bzw.
Sponsoringaktivitäten von den Unternehmensberatungen bevorzugt wahrgenommen werden
(siehe Insert 3-09).
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 223
Insert
Hochschulförderung 34%
Umwelt 19%
Kultur 14%
Breitensport 14%
Stiftungen 11%
Messen haben im B2B-Marketing einen hohen Stellenwert. Sie ermöglichen eine direkte
Kundenansprache und dienen der Bekanntmachung von neuen Lösungen und Leistungen
ebenso wie der Anbahnung und Pflege von Kunden- bzw. Geschäftsbeziehungen.
Deutschland ist weltweit der größte Messeplatz; von den sechs größten Messegeländen der
Welt liegen vier in Deutschland (Hannover, Frankfurt, Köln, Düsseldorf). Jährlich werden in
Deutschland zwischen 150 und 160 internationale Messen und Ausstellungen durchgeführt,
die von ca. 170.000 Ausstellern genutzt und von 9 bis 10 Mio. Besuchern besucht werden
[Quelle: AUMA 2011].
Die besondere Bedeutung von Messen und Ausstellungen für den B2B-Bereich bestätigt eine
TSN-EMNID-Umfrage aus dem Jahr 2009 unter 500 ausstellenden Unternehmen. Danach sind
224 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Messen und Ausstellungen nach der eigenen Homepage das wichtigste Instrument im Kom-
munikationsmix der befragten Unternehmen (siehe Abbildung 3-36).
Events 41%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Normalerweise kommt eine Messebeteiligung nur für Unternehmen in Betracht, die Produkte
(und nicht Dienstleistungen) anbieten und diese einer breiten Abnehmergruppe bekannt ma-
chen wollen. Trotzdem zieht auch die Beratungsbranche – und hier insbesondere größere IT-
Beratungsunternehmen – eine Messebeteiligung immer häufiger in Erwägung. Dabei kommen
folgende Formen einer Messebeteiligung in Betracht:
Einen wichtigen Augenmerk sollten die Beratungshäuser auf die Wirtschaftlichkeit einer
Messebeteiligung legen, da die Zielgruppe nur mit einem hochkonzentrierten, aber erhebli-
chen Aufwand sehr gut erreicht werden kann. So haben in der Vergangenheit einige wichtige
Anbieter (zumindest vorübergehend) auf die Präsenz bei der CEBIT verzichtet, da augen-
scheinlich Kosten und Nutzen nicht mehr in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander ste-
hen [vgl. GODEFROID/PFÖRTSCH (2008), S. 377].
(30,8 Prozent). Weitere wichtige Kostenpositionen sind die Reise-, Übernachtungs- und Ver-
pflegungskosten des Personals (22,8 Prozent) sowie die reinen Personalkosten mit 16,3 Pro-
zent.
Eine detaillierte Aufstellung der Verteilung aller Messekosten für ein durchschnittliches Mes-
sejahr liefert Abbildung 3-37.
Einkäufe, Freizeit,
Unterhaltung
2,7%
Werbung,
Gästebewirtung
6,7 %
Standbau, Transport,
30,8 % Reinigung
16,3 %
Personalkosten
Gesamt
7,8 Mrd. Euro
20,7 %
Standmiete inkl. 22,8 % Reisekosten,
Nebenkosten Übernachtung,
Verpflegung
Hat sich das Beratungsunternehmen für eine Messebeteiligung entschieden, so kann eine in-
tensive Messevorbereitung erfolgsentscheidend sein. Dazu zählen spannend aufgemachte
Messeeinladungen ebenso wie ein intensives Training der Messemannschaft. Es gibt kaum
eine andere Gelegenheit an einem Ort in so kurzer Zeit so viele Gespräche mit so vielen Kun-
den und Interessenten zu führen. Wichtigstes Kapital der Messebeteiligung sind schließlich
die Messebesuchsberichte, in der für Nachfassaktionen die wichtigsten Gesprächsinhalte und
vereinbarten Folgeaktivitäten festgehalten werden.
Neben einer etwaigen Messebeteiligung kommt für viele Beratungsunternehmen auch die
Durchführung von bestimmten Events in Betracht. Besonders bewährt hat sich das Format
eines „Kamingesprächs“, bei dem ein Gastredner in ein bestimmtes Thema, das entweder von
allgemeinem oder von besonderem fachlichen Interesse ist, einführt und damit die Diskussion
für weiterführende, teilweise auch bilaterale Gespräche anregt. Wie die Erfahrung zeigt,
„steht und fällt“ eine solche Veranstaltung mit dem Namen und dem Thema des Gastredners
sowie mit der Auswahl einer entsprechenden „Location“.
226 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Der Vertrieb ist das vierte Aktionsfeld im Rahmen des Vermarktungsprozesses von Bera-
tungsleistungen (siehe Abbildung 3-38). Es umfasst im Wesentlichen die Festlegung der Ver-
triebsformen, die Wahl der Vertriebskanäle und der jeweils einzuschaltenden Vertriebsorgane.
Der Vertrieb zielt somit auf die Optimierung der Kundennähe:
Die Notwendigkeit zur Optimierung der Kundennähe und dem damit verbundenen Aufbau
einer schlagkräftigen Vertriebsorganisation ergibt sich zwangsläufig durch den Wunsch nach
Ausweitung des potentiellen Kundenkreises.
Aktionsfelder Nachhaltiger
Wettbewerbs- Gewinn
vorteil
© Dialog.Lippold
Im Mittelpunkt des Aktionsfeldes Vertrieb steht der Aufbau eines leistungsfähigen und
schlagkräftigen Vertriebssystems, das die institutionelle und strukturelle Grundlage der Auf-
tragsgewinnung darstellt. Die Komponenten des Vertriebssystems sind:
Abbildung 3-39 gibt einen Überblick über die Komponenten des Vertriebssystems.
Für das Beratungsgeschäft ist ein Großteil dieser Optionen weitgehend ohne Bedeutung, es
sei denn, dass das Beratungsunternehmen gleichzeitig auch im Produktgeschäft (z. B. mit
selbstentwickelter Software) tätig ist.
228 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Vertriebssystem
3.5.2 Vertriebsformen
Die Vertriebsform steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Vertriebskanälen und
-organen und betrifft die Auswahlentscheidung zwischen direktem und indirektem Vertrieb.
Einer der Hauptgründe für den Vertrieb über die eigene Organisation liegt in der absoluten
Loyalität der eigenen Vertriebsmitarbeiter, die sich ausschließlich für die Vermarktung des
eigenen Produkt- und Leistungsprogramms einsetzen können und müssen. Ein weiteres Ar-
gument für den Direktvertrieb ist die erforderliche Kenntnis beim Vertrieb dieser höchst er-
klärungsbedürftigen Dienstleistungen.
Damit ist neben der quantitativen Dimension, die sich allein durch Wachstumsambitionen
ergibt, auch das Qualifikationsproblem angesprochen. Mitarbeiter eines Direktvertriebs treten
dem Kunden i. d. R. mit einem größeren Problemverständnis gegenüber als eine indirekte
Vertriebsorganisation, deren Beratungsleistung häufig zu wünschen übrig lässt. Wesentlicher
Vorteil des Direktvertriebs ist seine Akzeptanz als kompetenter Problemlöser, denn nur für
die Vertriebsmitarbeiter der eigenen Organisation lassen sich ein umfassender Wissensstand
und eine hinreichende Qualifikation sicherstellen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass
im B2B-Bereich in aller Regel der direkte Vertrieb vorherrscht.
Diesen Vorteilen des direkten Vertriebs stehen allerdings auch kosten- und kapazitätsmäßi-
ge Nachteile gegenüber. Die Personalkosten für die eigene Vertriebsorganisation müssen im
Wesentlichen als fix angesehen werden, da eine kapazitätsmäßige Personalanpassung an
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe 229
Markt- bzw. Nachfrageschwankungen nur in sehr engen Grenzen möglich ist. Da sich im Be-
ratungsgeschäft ein (komplexes) Kundenproblem manchmal nicht allein mit den Leistungen
(und Produkten) eines einzelnen Anbieters lösen lässt, ist der Direktvertrieb zudem gezwun-
gen, in Generalunternehmerschaften oder ähnliche Vertragskonstruktionen einzusteigen [vgl.
GODEFROID/PFÖRTSCH 2008, S. 260].
Generell lässt sich aber festhalten, dass Beratungsunternehmen, die ausschließlich das Pro-
jektgeschäft betreiben, eindeutig den Direktvertrieb präferieren.
Der indirekte Vertrieb über Value-Added-Reseller (VAR) geht einen Schritt weiter als der
Vertrieb über Distributoren. Während der Distributor das Softwareprodukt weitgehend unver-
ändert anbietet, „veredelt“ der VAR das Produkt durch wesentliche eigene Komponenten und
bietet dem Käufer eine vollständige Lösung an, bei der er die Software des Herstellers
„mitverkauft“ und dafür eine Vermittlungsprovision erhält. Der entscheidende Unterschied
zum Distributor besteht darüber hinaus darin, dass der VAR auf Rechnung des Softwareher-
stellers verkauft und damit nicht Eigentümer der Ware wird [vgl. GODEFROID/PFÖRTSCH
2008, S. 268].
Der Vertrieb von kundenindividueller Software erfolgt dagegen regelmäßig über persönliche
Kontakte, also über den direkten Vertriebsweg.
geben, die sich sinnvollerweise nur über den direkten Vertriebsweg vermarkten lassen. Ge-
rade in diesem Bereich hat sich eine Vielzahl von IT-Dienstleistern etabliert. Zudem besteht
die Möglichkeit, „Software as a Service“ (SaaS) zu liefern.
Projektgeschäft Produktgeschäft
Software
Insert
Gepostet von Ann All 14.09.2011 12:35:00 CRM is the top SaaS application across all regions,
almost surely due to the dominant position of Sales-
The enterprise software market saw some ups and force.com. North Americans are more likely than
lots of downs during the recession and slow other regions to use SaaS Web conferencing, e-
recovery. One category that experienced surprisingly learning and travel booking.
strong growth was software-as-a-service, with SaaS
vendors in 2010 adding large enterprises to their Other regions are far behind North America in SaaS
client rosters and taking away business from on- adoption. SaaS revenue should reach $2.7 billion this
premise software companies. Earlier this summer year in Western Europe, up 23.3 percent from 2010
Gartner predicted SaaS will account for some 15 revenue of $2.2 billion. Gartner expects that number
percent of enterprise application purchases by 2015, to hit $4.8 billion in 2015. The market is growing
up from 10 percent today. more quickly in Eastern Europe, Gartner believes
SaaS revenue will grow to $131.4 million in 2011, up
SaaS growth shows no signs of slowing. According to 29.8 percent from 2010 revenue of $101.2 million.
Gartner (again), global SaaS revenue should hit Gartner predicts that number will grow to $270.1
$12,1 billion this year, a 20.7 percent jump from million in 2015.
revenue of $10 billion in 2010. Gartner cites growing
familiarity with SaaS, interest in cloud computing, For Asia-Pacific, Gartner projects SaaS revenue of
growth in platform-as-a-service developer commu- $768.3 million this year, up 27.7 percent from 2010
nities and still-tight budgets as among the drivers for revenue of $601.8 million. It believes SaaS revenue
SaaS adoption. will reach $1.7 billion in 2015. Australia, New
Zealand, Hong Kong, Singapore and South Korea
North America is the biggest SaaS buyer. Gartner are the leading adopters in Asia-Pacific.
expects North American SaaS revenue to reach $7.7
billion in 2011, an 18.7 percent increase from last While Gartner categorizes the Latin American SaaS
year's revenue of $6.5 billion. Looking ahead, Gartner market as "embryonic," it says revenue is on pace to
predicts that number will grow to $12.9 billion in total $328.4 million in 2011, a 23.5 percent increase
2015. from 2010 revenue of $266 million. It expects that
number to rise to $694.2 million in 2015.
While North American companies no doubt like to
save money, ease and speed of deployment are their It's worth noting that this kind of growth is what lands
top two reasons for SaaS adoption, followed by lower enterprise software in Gartner's famous (or infamous)
total cost of ownership, according to the Gartner "Trough of Disillusionment." If SaaS follows Gartner’s
research. North American companies also value usual Hype Cycle technology adoption trajectory, it
SaaS' ability to lower capital expense more highly will spend some time in the trough before emerging
than their global counterparts do, says Gartner into the Slope of Enlightenment and Plateau of
Research Director Sharon Mertz. Productivity.
3.5.3 Vertriebskanäle
Vertriebskanäle entstehen durch die Auswahl und Kombination der obigen Vertriebswege.
Die Festlegung der Vertriebskanäle ist strukturell-bindend, d. h. sie ist kurz- und mittelfristig
nur mit erheblichem organisatorischen Aufwand und entsprechenden Kosten revidierbar. Ent-
scheidungen im Zusammenhang mit der Auswahl der Vertriebskanäle haben also Grundsatz-
charakter [vgl. BECKER 2009, S. 528]. Vornehmlich im B2C-Marketing hat sich eine Viel-
zahl von Distributionskanälen herausgebildet. Begünstigt durch die Möglichkeiten der Onli-
ne-Vermarktung nutzen diese Unternehmen mehrere Distributionskanäle für den Absatz ihrer
Produkte. Solche Mehrkanalsysteme (engl. Multi-Channel) sind in sehr unterschiedlichen
Branchen zu finden (z. B. Fluggesellschaften, Automobilhersteller, Versicherungsgesellschaf-
ten).
Für das Beratungsgeschäft sind solche Mehrkanalsysteme allerdings weniger von Bedeutung.
Hier dominiert eindeutig das Einkanalsystem, d. h. der direkte Vertriebskanal für das Pro-
jektgeschäft. Lediglich IT-Beratungsgesellschaften, die neben Beratungsleistungen gleichzei-
232 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
tig auch Standardsoftware in ihrem Angebotsportfolio haben, verfügen in der Regel über zwei
Vertriebskanäle: zum einen den direkten Vertriebskanal für das Projektgeschäft und zum an-
deren den indirekten Vertrieb über Absatzmittler (siehe Abbildung 3-41).
3.5.4 Vertriebsorgane
Alle bislang genannten vertrieblichen Aufgaben machen nur ansatzweise deutlich, welche
vergleichsweise hohen Anforderungen an die Qualifikation des Vertriebsmanagements von
Unternehmensberatungen zu stellen sind. Im Geschäft mit komplexen Beratungsleistungen ist
neben dem erforderlichen betriebswirtschaftlichen Anwendungswissen häufig auch ein sehr
fundiertes systemtechnisches Know-how erforderlich. Da derartige Ansprüche meist schon
bei Kontaktaufnahme an den Vertriebsmitarbeiter gestellt werden, müssen die Anbieter darauf
bedacht sein, dass gleich zu Beginn des Auswahl- und Entscheidungsprozesses die Kompe-
tenz des Vertriebsmitarbeiters eine Assoziation zur Leistungsstärke des Anbieterunterneh-
mens auf dem Gebiet der nachgefragten Problemlösung auslöst. In diesen Kontext ist auch die
Erfahrung einzuordnen, dass der Verkäufer die Sache (also die Leistung) zunächst immer über
die (eigene) Person verkauft [vgl. LIPPOLD 1993, S. 233].
Emotion
Kundenkompetenz
=
Soziale Kompetenz Soziale und fachliche
(social skills) Kompetenzen
hoch (Akzeptanz als
Problemlöser)
Leistungen
auf der
Beziehungsebene
niedrig
Inkompetenz Fachkompetenz
Darüber hinaus hängt der Erfolg des persönlichen Verkaufs neben der Persönlichkeit in ho-
hem Maße von der Fachkompetenz (→ Fachebene) und den interaktionsbezogenen Fähigkei-
ten (→ Beziehungsebene) des Verkäufers ab. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die ange-
messene Veränderung des Verkäuferverhaltens innerhalb einer Interaktion mit dem Kunden.
Eine derartige flexible Vorgehensweise während des Verkaufsgesprächs wird auch als Adap-
tive Selling bezeichnet [vgl. HOMBURG/KROHMER 2009, S. 867 ff.].
234 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
In Abbildung 3-42 sind die entsprechenden Kompetenzen eines Key Account Managers bei-
spielhaft in einer Matrix zusammengestellt.
Ein weiterer Ansatz zur systematischen Einordnung des Verkäuferverhaltens ist in dem sog.
GRID-System zu sehen. In diesem „Verkaufsgitter“ werden die unterschiedlichen Ausprä-
gungen im Verkaufsstil auf der Basis von zwei Kriterien erfasst. Das eine Kriterium be-
schreibt das Bemühen um den Kunden, das andere Kriterium zeigt das Interesse am Kaufab-
schluss auf [vgl. BECKER 2009, S. 547 f.]. Abbildung 3-43 zeigt eine vereinfachte Darstellung
dieses Verkaufsgitters.
hoch
Menschlich Problem-
orientiert orientiert
Interesse Verkaufs-
am technisch-
Kunden orientiert
Nimm es – Umsatz-
oder lass es orientiert
niedrig
Die aufgeführten Ansätze zur Einordnung des Verkäuferverhaltens weisen im Prinzip jedoch
den Nachteil auf, dass jeweils nur zwei Verhaltensdimensionen (Kriterien) in Betracht gezo-
gen werden.
3.5.6 Vertriebskooperationen
Obwohl nach wie vor der direkte Vertriebsweg im Beratungsgeschäft vorherrscht, gibt es aus
Sicht des einzelnen Beratungsunternehmens mehrere Optionen, Leistungen (und Produkte)
auch indirekt zu vertreiben. Aufgrund der Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit dieser
Leistungen sind die indirekten Vertriebswege vornehmlich durch zwischenbetriebliche Ko-
operationen gekennzeichnet. Hierzu zählt neben dem Vertrieb über Händler/Distributoren
oder Value-Added-Reseller (VARs) – der naturgemäß nur für Softwarehäuser in Frage
kommt – vor allem die Bildung von strategischen Allianzen.
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe 235
Die strategische Allianz (auch: strategische Partnerschaft) ist eine besonders intensive Form
der Kooperation, bei der beide Partner das Ziel einer langfristigen Steigerung der Rentabilität
und Ertragskraft (z. B. durch gemeinsame Markterschließung) verfolgen. Das Management
von strategischen Partnerschaften spielt für IT-Beratungsunternehmen eine deutlich wichti-
gere Rolle als für Strategieberatungen. Typisch sind hier Service-, Software- und Hardware-
partnerschaften.
Hardwarepartner sind die großen Hardwarehersteller wie IBM oder HP, die durch ein aus-
geprägtes Partnering versuchen, Unternehmensberater im Sinne eines „verlängerten Vertriebs-
und Marketingarms“ an sich zu binden und damit ihre Hardware als zumeist austauschbares
Gut (engl. Commodity) mit der Business Excellence des Beraters zu verknüpfen. Software-
partner sind in aller Regel die Hersteller von Standardanwendungssoftware (z. B. SAP oder
Oracle), die ihren Partnern günstige Lizenzmodelle bieten oder Kunden vermitteln, die bereits
Lizenzen bei ihnen erworben haben. Auf diese Weise können Beratungsunternehmen am star-
ken Vertriebsnetz der Softwarehäuser partizipieren. Als Certified Partner bietet sich den IT-
Beratern überdies die Möglichkeit, sich auf gemeinsamen Messen zu präsentieren. Partner-
schaften existieren aber auch bei Strategieberatungen – allerdings weniger mit Hard- oder
Softwarepartnern, sondern mit IT-Beratern, die sich als Implementierungspartner immer dann
anbieten, wenn die Strategieberatung ihre Kundenunternehmen nur bis zur Umsetzungsphase
begleiten. So lag die Umsetzungsquote bei Strategieberatungen 1998 noch bei etwa 50 Pro-
zent, d. h. lediglich die Hälfte aller strategischen Beratungen nahm für sich in Anspruch, den
Wandel von der Konzeptberatung zur Umsetzungsberatung vollzogen zu haben [vgl. NIS-
SEN/KINNE 2008, S. 97 f. unter Bezugnahme auf FRITZ/EFFENBERGER 1998, S. 110].
x Klare Aufgaben- und Zieldefinition sowie eine ebenso deutliche Abgrenzung des ange-
strebten Zusammenwirkens, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden;
x Genaue Festlegung und Abgrenzung der einzelnen Marktsegmente, denen sich der jewei-
lige Partner widmet;
x Regelungen über das vertriebliche Vorgehen bei Doppelkontakten;
x Regelungen über Provisions- und Lizenzaufteilungen bei gemeinsamen vertrieblichen
Vorgehen;
x Schaffung gemeinsamer Kontrollgremien;
x Vertragsdauer, Vertragskündigung, ggf. Erwerb und Verkauf von Kapitalanteilen.
Es wird häufig sehr viel Zeit in die vertraglichen Vereinbarungen einer Vertriebspartnerschaft
bzw. einer strategischen Allianz investiert. Insbesondere Provisions- und Lizenzaufteilungs-
modelle werden sehr intensiv und teilweise akademisch verhandelt. Doch nur wenn neben der
Sach-, Kultur- und Marktidentität auch der gute Wille aller Mitarbeiter auf Dauer vorhanden
ist, werden beide Vertragsparteien Nutznießer der Vertriebsallianz sein – unabhängig davon,
welche Lizenzaufteilungen vereinbart worden sind.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 237
In vielen Branchen – und dazu zählt auch die Beratungsbranche – ist der persönliche Verkauf
(engl. Personal Selling) hauptverantwortlich für den Markterfolg. Um dieser besonderen Be-
deutung des persönlichen Verkaufs gerecht zu werden, wird die Akquisition als eigenständi-
ges Aktionsfeld der Marketing-Gleichung behandelt. Bei der (persönlichen) Akquisition geht
es darum, die vorhandenen Kundenkontakte zu qualifizieren und in Aufträge umzumünzen.
Die Akquisition ist das fünfte Aktionsfeld im Vermarktungsprozess (siehe Abbildung 3-44)
und zielt auf die Optimierung der Kundenakzeptanz:
Marketing-Aktionsfelder Nachhaltiger
Gewinn
Wettbewerbs-
Vorteil
Segmen- Positio- Kommuni-
Vertrieb Akquisition Betreuung
• Leistungen tierung nierung kation
• Fähigkeiten Vom Markt
• Know-how + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- honorierter
• Innovations- =
nutzen vorteil wahrnehmung nähe akzeptanz zufriedenheit Wett-
kraft bewerbs-
vorteil
Kundenkriterien
© Dialog.Lippold
Die wesentliche Aufgabe des persönlichen Verkaufs besteht darin, den kundenseitig verlau-
fenden Auswahl- und Entscheidungsprozess so zu beeinflussen, dass letztlich der Auftrag
gewonnen wird.
Eine zweite Aufgabe des persönlichen Verkaufs besteht in der Pflege bestehender Kundenbe-
ziehungen. Dies hat für den Anbieter deshalb eine besondere Bedeutung, weil der bereits er-
brachte Nachweis der Leistungsfähigkeit sowohl für das Folgegeschäft (bei demselben Kun-
den) als auch für das Neugeschäft eine verkaufsauslösende Wirkung hat. Dieses sog. Refe-
renz-Selling ist damit ein aktiver Bestandteil des Aktionsfeldes Akquisition.
Schließlich obliegt dem persönlichen Verkauf auch die Aufgabe, Informationen zu gewinnen.
Der (potenzielle) Kunde ist als Informationsquelle für die Marktforschung von besonderer
Bedeutung. Ob es sich dabei um Informationen über Leistungen, Aktionen und Vorgehen der
wichtigsten Wettbewerber, um die Aufnahme spezifischer Kundenanforderungen oder um
Informationen über bestimmte betriebswirtschaftliche oder technologische Ausrichtungen der
Kundenunternehmen handelt, in jedem Fall bietet das Verkaufsgespräch eine Fülle von An-
satzpunkten für das eigene Leistungsportfolio.
3.6.2 Akquisitionsbegriffe
Ebenso wie das Marketing sind auch Systematik, Begriffe und Vorgehensweise des klassi-
schen “Verkaufens” sehr stark von der englischsprachigen Literatur geprägt. Begriffe wie
Selling Center, Targeting, Cross Selling und Key Accounting stehen auf der vertrieblichen
Tagesordnung.
Quasi als Antwort auf das Buying Center der Kundenunternehmen (siehe 3.2.2) hat sich auf
der Angebotsseite das Selling Center als multipersonale Form der Akquisition für größere
Projekte etabliert. Teammitglieder im Vertrieb von komplexen Leistungen (und Produkten)
können Verkäufer, Key Account Manager, System- und Anwendungsspezialisten oder die
Geschäftsführung selbst sein. Gerade die Geschäftsführung ist häufig in der Lage, evtl. vor-
handene Defizite im Qualifikationsprofil durch ihre hierarchische Stellung wettzumachen. Mit
dieser Teambildung kann man dem vielfältigen Informationsanspruch der Einkaufsseite ein
entsprechendes Gewicht auf der Verkaufsseite gegenüber stellen [vgl. BACKHAUS/VOETH
2010, S. 37 ff.]
In Abbildung 3-45 sind die Teammitglieder des Buying Center den entsprechenden Vertriebs-
repräsentanten des Selling Center beispielhaft gegenübergestellt [vgl. BÄNSCH 2002, S. 207
ff.].
Die Darstellung kann als typisch für die meisten größeren Akquisitionsprozesse besonders im
Geschäft mit komplexen Produkten und Leistungen (z. B. High Tech-Produkte, Anlagen, Sys-
teme) angesehen werden. Eine etwas vereinfachte Form des Selling Center ist die Bildung
eines Tandems, bestehend aus einem Kunden- und einem Konzeptmanager, aus einem an-
wendungsorientierten und einem systemorientierten Verkäufer oder aus einem strategie- und
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 239
einem umsetzungsbetonten Berater. Der Vorteil einer solchen Tandemlösung liegt in der Ein-
sparung von Kosten unter Aufrechterhaltung eines arbeitsteiligen Vorgehens.
Entscheider
Einkäufer Gatekeeper
Nutzer Beeinflusser
Buying Center
Die gezielte akquisitorische Auswahl und Bestimmung von Unternehmen, die einem be-
stimmten zielgruppen-orientierten Profil entsprechen, wird als Targeting bezeichnet. Das
Besondere an einem Targetingprozess ist die systematische Herangehensweise und das geziel-
te Nachfassen unter bestimmten Vorgaben, so dass auch das Ergebnis entsprechend gemessen
werden kann.
Unter Cross Selling wird die Ausdehnung der bestehenden Kundenbeziehung bzw. der Pro-
duktverkäufe einer Geschäftseinheit des Anbieters auf die Produkte und Leistungen anderer
(benachbarter) Geschäftseinheiten des Anbieters verstanden. Wenn also Kundenunternehmen
des Strategiebereichs einer Unternehmensberatung auch für den Technologiebereich empfoh-
len werden oder wenn Prüfungsmandate einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft künftig auch
für Steuerberatungsleistungen akquiriert werden, so sind dies klassische Cross Selling-
Maßnahmen.
Absatz-, Umsatzerfolg und Gewinn des Unternehmens hängen häufig stark davon ab, ob es
gelingt, bestimmte Schlüsselkunden (engl. Key Accounts) zu gewinnen und zu halten. Mit
solchen Schlüsselkunden (= Großkunden) wird ein nicht unbeträchtlicher Teil des Gesamtum-
satzes erzielt. Die Analyse-, Planungs-, Verhandlungs-, Steuerungs- und Koordinationspro-
zesse, die im Zusammenhang mit der Betreuung von Schlüsselkunden durchzuführen sind,
werden als Key Accounting bezeichnet. Diese Aufgaben werden vom sog. Key Account Ma-
nager wahrgenommen. Das Key Account Management zählt somit zu den wichtigsten Aufga-
ben des Aktionsfeldes Akquisition [vgl. BECKER 2009, S. 542 f.].
In Abbildung 3-46 sind die unterschiedlichen Zielrichtungen beim Targeting, Cross Selling
und Key Accounting am Beispiel eines Unternehmens dargestellt.
240 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Strategische Strategische
Geschäftseinheit A Geschäftseinheit B
Cross Selling
=
Verkaufen (Empfehlen)
der Produkte einer
Kunden anderen Geschäfts-
einheit (hier aus Sicht
der Geschäftseinheit A)
Nicht-
Kunden Key Accounts bzw.
Key Accounting
=
Schlüsselkunden-
gewinnung und
Targeting -betreuung
=
Zielkundenbestimmung und
-gewinnung
Im Rahmen der dann folgenden Anbietersuche geht es um die Identifikation der in Frage
kommenden Berater (Lieferanten). Branchenverzeichnisse, Online-Kataloge und Portale, vor
allem aber Empfehlungen und Referenzen spielen bei der Beraterauswahl eine wichtige Rolle.
Bisherige Erfahrungen des Kunden mit dem Anbieter sowie die allgemeine Reputation des
Beratungsunternehmens sind insbesondere immer dann wichtige Auswahlkriterien, wenn es
sich um die Beauftragung von größeren Projekten handelt, die einen nicht unerheblichen Ein-
fluss auf Struktur und Prozesse der einkaufenden Organisation haben. Gatekeeper, Beeinflus-
ser und Nutzer sowie Promotoren und Opponenten sind hierbei besonders aktive Mitwirkende
im Buying Center.
Im nächsten Schritt steht die Angebotseinholung im Vordergrund. Aus Sicht des potenziellen
Lieferanten geht es vor allem darum, die Nutzenkriterien und Vorteile des eigenen Angebotes
besonders herauszustellen. Angebote sind damit Marketingdokumente, deren Erstellung
durchaus sehr aufwändig sein kann. Bestimmte Beschaffungsvorhaben und dies gilt insbeson-
dere für öffentliche Aufträge, müssen ausgeschrieben werden (EU-Richtlinien). Bei der An-
gebotseinholung und -bewertung wirken in der Regel Nutzer und Einkäufer der Kundenorga-
nisation mit.
Auf der Grundlage der vorliegenden Angebote wird eine Anbietervorauswahl getroffen, an
der aus dem Buying Center ebenfalls Nutzer und Einkäufer schwerpunktmäßig beteiligt sind.
Häufig werden die potenziellen Lieferanten auch zu einer förmlichen Präsentation ihres An-
gebots gebeten. Solche Wettbewerbspräsentationen (engl. Pitch) sind in vielen Branchen üb-
lich und bedeuten für die konkurrierenden Beratungsunternehmen eine nicht unerhebliche
Vorleistung. Ergebnis dieser Qualifizierung ist zumeist eine sogenannte Shortlist. Diese ent-
hält nur noch eine sehr kleine Anzahl von Anbietern, die sämtliche Mindestvoraussetzungen
(engl. Order Qualifications) erfüllen.
Mit den Unternehmen, die auf der Shortlist stehen, wird nun in die Phase der Verhandlungen
eingetreten. Hier werden alle Auftragsmodalitäten wie Art, Qualität, Umfang und Dauer des
Projektes, der Preis inkl. Fahrtkosten, Spesen, Ergänzungsleistungen, Gewährleistungsaspekte
sowie Lieferungs- und Zahlungsbedingungen verhandelt. Aus dem Buying Center wirken
Einkäufer, Nutzer und Entscheider als zentrale Akteure auf der Einkaufsseite mit.
Die Verhandlungsphase mündet ein in den Vertragsabschluss mit dem Lieferanten, der bei
sehr komplexen Projekten auch als Generalunternehmer fungieren kann. An der Auftragsver-
gabe bzw. am Vertragsabschluss direkt beteiligt sind in der Regel Einkäufer und Entscheider.
242 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
In der abschließenden Phase der Leistungserbringung und -bewertung geht es um die Er-
füllung der vertraglich festgelegten Leistungen sowie um deren Beurteilung. Bei größeren
Projekten oder Investitionsvorhaben (z. B. Entwicklung von Individualsoftware) werden
Leistungserbringung (engl. Delivery) und deren Bewertung auch in zeitlichen Abschnitten
durchgeführt. Maßgeblich hierfür sind Meilensteinpläne, die dem Nutzer bzw. Anwender die
Möglichkeit bieten, Zwischenkontrollen durchzuführen und ggf. – bei Schlechterfüllung – den
Lieferanten zu wechseln.
In Abbildung 3-48 ist der Einkaufsprozess für Beratungsleistungen der DAIMLER AG als Bei-
spiel für den Einkauf von Dienstleistungen dargestellt.
Vergabe-
Bedarfs- Bieterkreis- Angebots- Präsen- Verhand- Projekt Evaluie-
entschei-
definition auswahl vergleich tation lung rung
dung
Interne Daimler-Datenbank
Eine gute Möglichkeit für eine Qualifizierung von Kontakten ist die ABC-Analyse, die in
Abbildung 3-49 dargestellt ist. In dem Beispiel dienen der Status des Akquisitionsprozesses,
das voraussichtliche Datum der Auftragserteilung und die Einschätzung der eigenen Chancen
als Kriterien und damit als Schwellen für die jeweilige Bewertung und Einstufung der Kon-
takte.
Ebenso wie es auf der Einkaufsseite von Beratungsleistungen keinen festgeschriebenen Pro-
zess gibt, so ist auch der Vermarktungsprozess, also die sog. Leadgenerierung im Consulting-
bereich nicht standardisiert. Dennoch hat es sich durchgesetzt, die einzelnen Kontaktstufen
eines Sales Cycle in Form eines „Vertriebstrichters“ (engl. Sales Funnel) abzubilden. Aller-
dings ist diese Bezeichnung im Grunde genommen verwirrend, denn bei einem Trichter
kommt alles, was man oben in ihn hineingegeben hat, auch unten wieder heraus. Das ist beim
Akquisitionsprozess ganz anders, denn auf jeder Kontaktstufe werden Interessenten herausge-
filtert und erreichen nicht die nächste Kontaktstufe. Daher wäre „Vertriebsfilter“ die treffen-
dere Bezeichnung.
In Abbildung 3-50 ist der Sales Cycle auf der Grundlage von acht Kontaktstufen beispielhaft
dargestellt. Während in Stufe 1 sämtliche Kontakte des Unternehmens erfasst sind, verdünnt
sich der Trichter sukzessive bis zur Stufe 8, in der nur noch jene Kontakte enthalten sind, die
eine hohe Auftragswahrscheinlichkeit besitzen und bei denen die Akquisition prinzipiell ab-
geschlossen ist.
244 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Stufe 1 Kontaktpotenzial
Qualifiziertes Marketing
Stufe 4 Bedarfsanalyse
Qualification
Stufe 5 Angebotsabgabe
Qualification
Qualifizierter Vertrieb
Stufe 6 Angebotspräsentation
Qualification
Stufe 7 Vertragsverhandlungen
Qualification
Stufe 8 Qualification
Vertragsabschluss
x wie viele Leads sich auf welcher Stufe in der Sales-Pipeline befinden,
x welches Umsatzpotential in welcher Kontaktstufe liegt und
x welche typische Verweildauer auf jeder Stufe herrscht.
Darüber hinaus zeigt die Analyse des Verkaufsfilters, wo der Verkaufsprozess Schwächen
hat:
Insert
Das „Collaborative Selling Wheel“ von CAPGEMINI verfolgt werden sollen. In Stufe 4 wird die „Winning
basiert auf sieben Stufen (Stages). Während die strategy“ und in Stufe 5 die endgültige Angebotslö-
Stufen 1 und 2 dem Marketing vorbehalten und der sung festgelegt. Es folgt in Stufe 6 die Angebots-
Leadgenerierung gewidmet sind, entscheidet sich in abgabe inkl. Präsentation. In der 7. und letzten Stufe
der Stufe 3, welche Leads durch den Vertrieb weiter werden die Vertragsvereinbarungen abgeschlossen.
Auf Basis der oben beschriebenen Systematik zeigt Entwicklung des Sales Funnel nach Stufen (Stages).
die unten stehende Grafik beispielhaft die monatliche
Insert 3-11: Collaborative Selling Wheel und Sales Funnel Development von CAPGEMINI
Auf der Grundlage eines solchen Pipeline Performance Managements haben größere Bera-
tungsunternehmen ihre Vertriebsphilosophie ausgerichtet. Ein Beispiel dafür ist das „Colla-
borative Selling Wheel“ von CAPGEMINI, das weltweit alle Vertriebskontakte nach den glei-
chen Kriterien systematisiert und damit sowohl dem Vertriebsmanagement als auch den Ver-
246 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.6.5 Akquisitionscontrolling
Abbildung 3-51 zeigt als Beispiel die Ergebnisse einer Untersuchung, die das Software- und
Beratungsunternehmen ADV/ORGA in den 80er Jahren durchgeführt hat und zum Anlass
nahm, seine Vertriebsorganisation grundlegend neu zu formieren [vgl. LIPPOLD 1998, S. 231
ff.].
Ist Ziel
Vertriebliche Basisarbeit
• Pflichtenhefte bearbeiten/koordinieren
• Termine abstimmen
• Informationen zusammenstellen
• Nachfass-Aktionen
• Adressenpflege 20 %
• Angebote/Verträge 70 %
Qualifizierter Vertrieb
• Kundenkontakte vor Ort 30 %
• Präsentationen/Demos
• Vertriebsveranstaltungen
• Vertragsverhandlungen
x Ist überhaupt ein Budget (und wenn ja, welches) für die Problemlösung eingeplant?
x Wer entscheidet letztendlich über die Vergabe des Auftrags, d. h. wird in der Endphase
des Akquisitionsprozesses auch mit dem richtigen Ansprechpartner verhandelt?
Sollten keine zufriedenstellenden Antworten auf diese oder ähnliche Fragen gegeben werden,
so ist die Ernsthaftigkeit des Vertriebskontakts mehr als in Frage gestellt. Ggf. ist der Kontakt
aus der Auftragserwartung zu streichen.
Abb. 3-52: Vier Fragen zur Überprüfung der Ernsthaftigkeit eines Akquisitionskontaktes
[Quelle: LIPPOLD 2012, S. 260]
Der stärkste Hebel zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit im Vertrieb ist im Einsatz von In-
formations- und Kommunikationstechnologien zu sehen. Im Vordergrund stehen hierbei die
bereits oben erwähnten CRM-Systeme, die eine konsequente Ausrichtung des Unternehmens
auf ihre Kunden und die systematische Gestaltung der Kundenbeziehungsprozesse zum Ge-
genstand haben. Die dazu gehörende Verfolgung (Historie) von Kunden- und Interessenten-
beziehungen ist ein wichtiger Baustein und ermöglicht ein vertieftes Beziehungsmanagement.
Gerade in der Beratungsbranche sind Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden lang-
fristig ausgerichtet. Mit Hilfe von CRM-Systemen werden diese Kundenbeziehungen gepflegt
und eine differenzierte Kundenbetreuung (z. B. Fokus auf „wertvolle“ Kunden) ermöglicht.
Gleichzeitig dienen die CRM-Daten der Vorbereitung und Durchführung des Kundenbesuchs.
Das wesentliche Ziel des persönlichen Verkaufs besteht darin, den Auswahl- und Entschei-
dungsprozess beim Kunden so zu beeinflussen, dass letztlich der Verkaufsabschluss realisiert
248 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
wird. Drei Voraussetzungen sind für den Akquisitionserfolg eines Verkäufers im Beratungs-
geschäft unabdingbar:
Anforderungsprofil
=
Leistungsprofil
angesichts unterschiedlicher Zielsetzungen zwischen Käufer und Verkäufer sollte ein Ver-
kaufsgespräch gut vorbereitet und zuvor gedanklich strukturiert sein. Daher wird für den Ver-
trieb von komplexen Beratungsleistungen immer das strukturierte Verkaufsgespräch die
Grundlage für einen erfolgreichen Abschluss bilden.
Arten des
Akquisitionsgesprächs
Nach dem
Nach den Gesprächsphasen Nach dem Gesprächsinhalt
Standardisierungsgrad
• Kontaktgespräch
• Fachgespräch
• Vertiefungsgespräch
• Informationsgespräch
• Abschlussgespräch
Standardisiertes Nicht-standardisiertes
Gespräch Gespräch
Strukturiertes Nicht-strukturiertes
Akquisitionsgespräch Gespräch
Im Folgenden werden sechs Phasen unterschieden (siehe Abbildung 3-55), die im Verkaufs-
gespräch durchlaufen werden und die einen vorgedachten Gesprächsaufbau im Sinne eines
strukturierten Verkaufsgesprächs darstellen [vgl. HEITSCH 1985, S. 181 ff.]:
x Gesprächsvorbereitung
x Gesprächseröffnung
x Bedarfsanalyse
x Nutzenargumentation
x Einwandbehandlung
x Gesprächsabschluss.
Wesentlich dabei ist, dass diese Phasen nicht zwingend in obiger Reihenfolge durchlaufen
werden müssen. Auch kann es sein, dass die eine oder andere Phase übersprungen werden
kann. So wird ein Abschlussgespräch andere Schwerpunkte bei den Gesprächsphasen legen
als ein Kontaktgespräch oder ein Informationsgespräch. Prinzipiell sollte sich aber jeder Ver-
käufer im Vorfeld eines Verkaufsgesprächs darüber im Klaren sein, dass die in diesen Phasen
zu berücksichtigenden Punkte im Verkaufsgespräch auch tatsächlich auf ihn zukommen.
250 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.6.6.2 Gesprächsvorbereitung
Was bei der Gesprächsvorbereitung im Einzelnen zu beachten ist und welches die wichtigsten
Punkte dieser Phase sind, ist in Abbildung 3-56 zusammengetragen.
Was bei der Gesprächsvor- Wichtige Punkte der Die Bedeutung der
bereitung zu beachten ist Gesprächsvorbereitung Gesprächsvorbereitung
• Wer ist mein Kunde und was will er • Sorgfältige Vorbereitung, nicht auf • Durch sorgfältige Vorbereitung
erreichen? eigene Intuition verlassen Erfolgschancen erhöhen
• Was möchte ich erreichen, wenn es • In die Lage des Partners versetzen • Misserfolgssituation mindern
gut läuft? • Gesprächsziel definieren • Bedeutung von Intuition und
• Was möchte ich erreichen, wenn ich • Grobe Vorgehensweise vordenken Tagesform verringern
merke, dass ich nicht weiter- • Zeit sparen
komme? • Hilfsmittel planen (Demo, PC,
Beamer, Präsentationsunterlagen) • Stress vermindern
• Wo treffen sich Kundeninteressen
mit meinen eigenen? • Mentale Einstellung auf Fragen und • Denn: Vorbereitung ist vorgedachte
Einwände Wirklichkeit
• Wo liegt Konfliktstoff?
• Wie will ich vorgehen?
3.6.6.3 Gesprächseröffnung
Die Gesprächseröffnung ist deshalb so wichtig, weil der erste Eindruck, den sich ein Ge-
sprächspartner von seinem Gegenüber macht, sehr viel nachhaltiger ist, als die Zeitabschnitte,
die dann folgen. So haben Verhaltensforscher nachgewiesen, dass es max. 30 Sekunden dau-
ert, bis zwei wissen, ob sie sich sympathisch sind oder nicht. Der erste Eindruck bestimmt das
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 251
Akquisitionsgespräch also in hohem Maße, wobei auch “Kleinigkeiten” wie z.B. Kleidung
zählen. Hinzu kommt, dass es wesentlich leichter ist, einen guten Eindruck aufrechtzuerhalten
als einen negativen Eindruck aufzuheben und positiv neuzugestalten. Da es dem Gesprächs-
partner an Erfahrung mit seinem Gegenüber mangelt, wird er alles an Vorurteilen und Augen-
blickseindrücken heranziehen, um sich ein Urteil über sein Gegenüber zu bilden [vgl.
HEITSCH 1985, S. 275].
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass der Vertriebsmitarbeiter auf seine Sprache,
Gestik, Mimik und Körperhaltung besonders achtet. Auch muss er sich ein genaues Bild von
der Gesprächsatmosphäre, von der Rollen- und Machtverteilung seiner Gesprächspartner und
von der eigenen Situation im Gespräch machen [vgl. HOMBURG/KROHMER 2009, S. 862].
3.6.6.4 Bedarfsanalyse
Der Bedarfsanalyse kommt bei Erst- und Kontaktgesprächen eine besondere Bedeutung zu.
Hier geht es darum, die Kaufmotive des Kunden zu ergründen. Diese Kaufmotive sind perso-
nenbezogen und haben einen Einfluss auf die einzusetzenden Argumente des Verkäufers. Ist
das dominante Kaufmotiv des Ansprechpartners bspw. Sicherheit, so sollte der Vertriebsmit-
arbeiter mit Formulierungen wie „ … das sichert Ihnen …“ oder „…das gewährleistet Ihnen
…“ verstärkt den Sicherheitsaspekt ansprechen. Ist das Kaufmotiv dagegen Kosten oder Ge-
winn, so sind Verbalisierungen wie „ … das bringt Ihnen …“ oder „ … damit erreichen Sie
…“ wirkungsvolle Formulierungen.
In dieser Phase gilt es, konzentriert aktiv (z. B. in Form von Fragen) oder passiv (z. B. in
Form von signalisierter Zuwendung und Interesse) zuzuhören. Der Einsatz von Fragetechni-
ken (offene und geschlossene Fragen) steht im Zentrum der Bedarfsanalyse, denn wer fragt,
führt das Gespräch. Abbildung 3-57 gibt einen Überblick über wichtige Punkte dieser Phase.
Was bei der Bedarfsanalyse zu Wie bei der Bedarfsanalyse Fragetechniken bei der
beachten ist vorzugehen ist Bedarfsanalyse
• Kunde erwirbt nur Produkte/ • Konzentriert passiv zuhören • Offene Fragen (W-Fragen)
Leistungen Ungeteilte Aufmerksamkeit wer, wann, wo, womit, was, wozu,
die seine subjektiven zuwenden weshalb, welche, wie, ...
Bedürfnisse und seinen Körpersprache einsetzen Meinungen erfragen
objektiven Bedarf befriedigen Interesse signalisieren lassen sich nicht mit „Ja“ oder
(Bedarf sind konkretisierte • Aktiv zuhören „Nein“ beantworten
Bedürfnisse) Paraphrasieren • Geschlossene Fragen
von deren Nutzen/Vorteil er Verbalisieren beginnen mit einem Verb und
überzeugt ist Kontrollierter Dialog lassen sich mit „Ja“ oder „Nein“
• Kaufmotive des Kunden ergründen, Fragen stellen beantworten
Wer fragt, führt das Gespräch! haben lenkende Wirkung
damit nutzen-orientiert argumentiert können unbedenklich verwendet
werden kann werden, um sich einer
Übereinstimmung zu versichern
3.6.6.5 Nutzenargumentation
Die Nutzenargumentation im Rahmen des Verkaufsgesprächs (engl. Benefit Selling) sollte vor
dem Hintergrund erfolgen, dass der Kunde keine Leistungen oder Produkte erwerben will,
sondern den Nutzen bzw. den Vorteil, den er sich von den Leistungen erhofft. D. h. die ver-
wendeten Argumente müssen den Nutzen von Leistungsmerkmalen anschaulich und glaub-
haft machen. Solche Merkmals-/Nutzen-Argumentationen werden dann zu schlagenden
Argumenten, wenn sie zusätzlich die Motivlage des Ansprechpartners treffen („Der Köder
soll dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“).
In Abbildung 3-58 ist an einem einfachen Beispiel illustriert, wie nachteilig eine Argumenta-
tion, die sich auf reine Leistungseigenschaften konzentriert (engl. Character Selling), im Ver-
gleich zu einer Merkmals-/Nutzen-Argumentation wirkt.
Wichtig bei der Nutzenargumentation ist darüber hinaus, dass der Verkäufer diskutierte Leis-
tungsmerkmale zweiseitig argumentiert. Dadurch erhöht er die Glaubwürdigkeit seiner Aus-
sagen, denn nur Vorteile gibt es nicht. Dem erwarteten Nutzen stehen zumindest immer Kos-
ten gegenüber. Ferner sollten Fachausdrücke vermieden werden (es sei denn, der Kunde
spricht sie aus). Auch sollte der Vertriebsmitarbeiter die Lernbereitschaft des Kunden nicht
überfordern, sondern die Argumente zusammenfassen, Zwischenergebnisse festhalten und die
vom Gesprächspartner akzeptierten Argumente wiederholen. Auch sollte man mit der Argu-
mentation erst dann fortschreiten, wenn Einigkeit über ein wichtiges Argument erzielt worden
ist.
3.6.6.6 Einwandbehandlung
Einwände sind für jeden Verkäufer lästig. Sie ziehen seine Glaubwürdigkeit in Zweifel oder
zeigen, dass der Kunde die Argumente nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. In je-
dem Fall verzögern Einwände das Verkaufsgespräch. Ursachen für Einwände können sein,
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 253
dass die gegebenen Informationen nicht verstanden werden. Es kann aber auch sein, dass der
Gesprächspartner die Information sehr wohl verstanden hat, diese aber anders bewertet.
Schließlich kann es auch sein, dass der Kunde im Vorfeld des Verkaufsgesprächs andere In-
formationen hatte, die ihn zu anderen Schlüssen kommen lässt.
Ziel der Einwandbehandlung ist es, eine gemeinsame Informationsbasis zwischen Verkäufer
und Kunden zu schaffen, d. h. es sollte eine Einigung über die Bewertung der Informationen
geben, ohne dass es Sieger oder Besiegte gibt.
x die „Ja-aber-Methode“,
x die „Gesetzt-den-Fall-dass-Methode“,
x die „Pro-und-Kontra-Methode“,
x die Vorwegnahme des Einwands,
x das Wiederhohlen und Versachlichen der Einwände sowie
x die Bumerang-Methode, bei der ein Einwand in ein positives Argument umgewandelt
wird (… ja, gerade deshalb …“).
Bei der Behandlung von Einwänden geht es letztlich nicht darum, wer Recht hat. Selbst wenn
der Verkäufer immer Recht bekommt, unterliegt er mindestens einmal: Wenn er die Unter-
schrift unter den Vertrag nicht bekommt.
3.6.6.7 Gesprächsabschluss
Für den Kunden kommt die Entscheidung fast immer zu früh, denn es besteht in aller Regel –
trotz bester Argumente – immer noch ein Stück Restunsicherheit. Trotzdem: Wenn alle Fra-
gen geklärt sind und keine Einwände mehr bestehen, ist die Zeit für eine Entscheidung reif.
Häufig sendet der Kunde auch bereits Kaufsignale, z. B. wenn er sehr häufig und unaufge-
fordert zustimmt oder Fragen stellt, die erst nach dem Kauf relevant sind. Weitere Kaufsigna-
le können sein, dass sich der Kunde über die Erfahrung anderer Kunden (= Referenzen) in-
formiert, um die eigene Entscheidung final abzusichern. Ein recht zuverlässiges Kaufsignal ist
auch, wenn der Kunde bereits nach Zahlungsterminen fragt oder sich mit Details beschäftigt,
die ebenfalls erst nach dem Kaufabschluss zu Tragen kommen. Wenn der Kunde ungeduldig
wird, sollte man darauf verzichten, seine noch so guten Argumente fortzuführen. Der Kunde
entscheidet!
Häufig muss dem Gesprächspartner beim Abschluss über die Schwelle hinweg geholfen wer-
den. Hierzu bietet sich dem Verkäufer die direkte Aufforderung („Ich meine, wir sind uns
einig, was meinen Sie?“) oder die indirekte Aufforderung („Was steht aus Ihrer Sicht einer
Entscheidung noch im Wege?“) an.
Sollte allerdings keine Entscheidung erreichbar sein, so müssen die Teilergebnisse gesichert
und das weitere Vorgehen vereinbart werden (z. B. Aktionsplan, Referenzbesuch, Termin bei
der Geschäftsführung).
254 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Generell stellt der Gesprächsabschluss für jeden Vertriebsmitarbeiter eine besondere Heraus-
forderung dar. Die Anforderung, die in diesem Zusammenhang an die Qualifikation des er-
folgreichen Verkäufers zu stellen ist, betrifft seine Abschlusssicherheit. Da ganz offensicht-
lich die Dauer der Auswahl- und Entscheidungsprozesse mit der Komplexität der einzuset-
zenden Lösung zunimmt, droht häufig die Gefahr, dass sich die Prozesse schier endlos und für
beide Seiten unbefriedigend hinziehen.
Das Aktionsfeld Akquisition wird in der Regel mit der Angebots- und Vertragsgestaltung ab-
geschlossen. Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes kann mündlich („Senden Sie uns
doch bitte ein Angebot zu“) oder formal als „Request for Proposal – RfP“ erfolgen.
Mit der Abgabe eines Angebots existiert aber noch kein Vertrag. Ein Vertrag kommt grund-
sätzlich erst durch die Übereinstimmung von Antrag und Annahme zustande. Da der Antrag
sowohl vom Auftragnehmer als auch vom Auftraggeber ausgehen kann, kommt ein Vertrag
zustande durch
x Angebot des Auftragnehmers und Auftrag (Bestellung) des Auftraggebers oder durch
x Auftrag (Bestellung) des Auftraggebers und Auftragsbestätigung des Auftragnehmers.
In der Beratungsbranche ergeben sich somit für den Vertragsabschluss folgende Möglichkei-
ten:
x Der Berater macht ein Angebot, das Kundenunternehmen erteilt den Auftrag rechtzeitig
und ohne Abänderungen. Damit ist der Vertrag zustande gekommen.
x Der Berater unterbreitet ein Angebot, das Kundenunternehmen bestellt zu spät oder mit
Abänderungen (Erweiterungen oder Einschränkungen). Die verspätete Annahme des An-
trages oder eine Annahme mit Änderungen gelten als neuer Antrag. Der Vertrag kommt
erst durch Annahme des neuen Antrags zustande.
x Das Kundenunternehmen erteilt einen Auftrag ohne vorhergehendes Angebot, der Berater
bestätigt den Auftrag. Der Vertrag kommt mit der Annahme des Auftrages zustande.
Wie heißt es so schön: „Die besten Verträge sind die, die in der Schublade bleiben können.“
Nun zeigt die Praxis allerdings immer wieder, dass eben nicht alle Verträge in der Schublade
bleiben – auch nicht in der Beratungsbranche. In solchen Fällen, d. h. wenn Konfliktsituatio-
nen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auftreten, dann stellen gute Verträge so etwas
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 255
wie ein „Krisenmanagement“ dar. Das Ergebnis schlechter Verträge sind dagegen ganz oder
teilweise „uneinbringliche Forderungen“. Die Lehre daraus lautet: Wer in Verträgen für Kon-
fliktlösungen vorgesorgt hat, kann sich erlauben, Konflikte geschäftspolitisch großzügig zu
klären.
Wie die Praxis aber auch immer wieder zeigt, werden solche zweiseitig entwickelten Ver-
tragsentwürfe im Allgemeinen eingehenden, vor allem aber zeitraubenden Prüfungen durch
die Rechtsabteilungen der Kundenunternehmen unterzogen.
x Der potentielle Auftraggeber, also das Kundenunternehmen, erhält vom Berater zunächst
ein ausführliches, schriftliches Angebot, an das der Berater sechs Wochen gebunden ist.
x Das Kundenunternehmen erteilt dem Berater einen schriftlichen Auftrag, in dem es sich
auf das ihm vorliegende Angebot bezieht. Sollte das Kundenunternehmen den Auftrag zu
spät, d. h. nach Ablauf von sechs Wochen, oder mit Abänderungen erteilen, so gilt dies
wieder als neuer Antrag. Die Reaktion des Beraters auf ein solches Vorgehen muss ent-
weder die Formulierung eines neuen Angebotes oder die Bestätigung dieser Bestellung
sein.
x Das Kundenunternehmen erhält in jedem Fall eine abschließende Auftragsbestätigung
vom Berater.
Somit orientieren sich die Rechtsgeschäfte dieses vereinfachten Verfahrens an der dreistufi-
gen Kette: „Angebot – Auftrag (Bestellung) – Auftragsbestätigung“.
Sollte ein Kundenunternehmen dem Berater einen schriftlichen Auftrag erteilen, indem es von
dem vorliegenden Angebot abweicht, so muss der Berater sofort, prompt und unverzüglich
reagieren, da Schweigen als Bestätigung der Abänderung betrachtet werden kann. Derartige
Abweichungen können sein:
x Geänderte Preise
x Veränderte Termine
x Einkaufsbedingungen des Auftraggebers als Grundlage der Bestätigung
x Haftungserweiterungen
x Änderungen der Gewährleistungsfristen
x Geänderte Zahlungsbedingungen
x Änderung des Gerichtsstandes.
Abbildung 3-59 verdeutlicht die unterschiedlichen Möglichkeiten, bei denen ein Vertrag im
Beratungsgeschäft zustande kommen kann.
256 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Änderungen hinsichtlich
Berater Kunde erteilt • Preisen
unterbreitet Auftrag mit • Terminen
Angebot Änderungen • Bedingungen
• Haftung
2 • Gewährleistung etc.
Berater bestätigt
Kunde erteilt
Auftrag
3 Auftrag
(Auftrags-
Vertrag
(Bestellung)
bestätigung)
Auftrags-
4 Angebot Bestellung
bestätigung
Vertrag
Die nächste wichtige Frage, die sich im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung stellt, ist
die Frage nach der schuldrechtlichen Zuordnung des Vertrages. Handelt es sich bei der Bera-
tungstätigkeit also um einen Dienstvertrag oder um einen Werkvertrag?
Die Abgrenzung ist im Wesentlichen dahingehend vorzunehmen, dass ein Dienstvertrag dann
vorliegt, wenn die Tätigkeit selbst geschuldet wird, ein Werkvertrag dagegen dann, wenn der
Erfolg der Tätigkeit geschuldet wird. Beim Werkvertrag ist das Tätigwerden lediglich Mittel
zum Zweck der Vertragserfüllung, beim Dienstvertrag dagegen die fachlich qualifizierte Tä-
tigkeit die Vertragserfüllung selbst.
Praktisch gesehen hängt die vertragliche Zuordnung vom Grad der Aufgabenstellung ab:
Liegt eine klar abgegrenzte, wohldefinierte Aufgabenstellung vor, bei der entsprechende Vo-
raussetzungen und Vorleistungen zu erfüllen sind, so handelt es sich regelmäßig um einen
Werkvertrag. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so dass sich der Berater nicht in der Lage
sieht bzw. auch gar nicht sehen kann, den Erfolg seiner Tätigkeit zu garantieren, ist die recht-
liche Basis der Dienstvertrag.
Reine Beratung ist also regelmäßig eine Dienstleistung. Besonders bei der IT-nahen Dienst-
leistung wird der Berater allerdings nicht umhinkommen, für bestimmte Tätigkeitsbereiche
einen Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB abzuschließen. Dies gilt insbesondere für die soft-
waretechnische Realisierung oder für klar umrissene Aufgabenstellungen wie z. B. die Erstel-
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 257
Dienstvertrag Werkvertrag
§ 611 ff. BGB § 631 ff. BGB
Mitwirkung des
grundsätzlich nicht geschuldet Obliegenheit, § 642 BGB
Auftraggebers
• keine Sachmängelgewährleistung • Sachmängelgewährleistung inkl.
• Schadensersatz nach allgemeinen Schadensersatz (§ 634)
Rechtsfolgen
Regeln (§ 280) • freie Kündigung (§ 649)
bei Mängeln • ordentliche Kündigung (§ 621) • ggf. außerordentliche Kündigung
• außerordentliche Kündigung (§ 626) (§ 314)
bis zur Vollendung des Werks:
Dauerschuldverhältnis:
Vertragsdauer • Kündigungsrecht des Auftraggebers
• auf bestimmte Zeit (§ 620 Abs. 1)
und (§ 649)
• auf unbestimmte Zeit (§ 620 Abs. 2)
Beendigung • Kündigungsrecht des Beraters (§ 642)
• außerordentliche Kündigung möglich
• außerordentliche Kündigung möglich
(§ 626)
(§ 314)
Häufig wird unterstellt, dass ein Werkvertrag auch immer eine fixe Vergütung erfordert, wäh-
rend der Dienstvertrag zwingend mit einer aufwandsbezogenen Vergütung in Verbindung
gebracht wird. Das muss aber nicht so sein, denn der Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien
sind keine Grenzen gesetzt, d. h. die Ausprägung eines Vertragsverhältnisses ist grundsätzlich
unabhängig von der Art der Vergütung. So kann ein Werkvertrag durchaus vorsehen, dass
sich die Vergütung nach der Höhe des Aufwands bemisst. Ebenso kann ein Dienstvertrag eine
Pauschalvergütung beinhalten.
Wird ein Werkvertrag zu einem Festpreis abgeschlossen, so übernimmt der Berater neben der
Ergebnisverantwortung auch das Risiko, dass sein Aufwand den vereinbarten Festpreis nicht
übersteigt. Umgekehrt hat das Kundenunternehmen beim Festpreis das Risiko, dass im Fest-
preis viele Reserven zugunsten des Beraters einkalkuliert sind, so dass diese Reserven bei
optimalem Projektverlauf einen Extraprofit für den Berater darstellen. Als Alternative wird
daher häufig eine Vergütung nach Aufwand mit einer Obergrenze vereinbart, die nicht
überschritten werden darf. Zwar hat das Kundenunternehmen hierbei die Chance, keine Risi-
koprämie für das Einhalten des Festpreises zahlen zu müssen, für den Berater gibt es aber
keinen Anreiz, mit seinem Aufwand unter der Höchstgrenze zu bleiben [vgl. CLIFFORD
CHANCE 2004, S. 6 f.].
Insbesondere bei IT-Projekten setzen sich in der Praxis zunehmend gemischt-typische Ver-
träge durch. Die werkvertragliche Komponente umfasst dabei die Realisierung (Entwicklung,
Customizing, Modifikationen) und ggf. die Installation von Software und Datenbanken. Mit
dem Projekt einhergehende Schulungsleistungen sowie sonstige Beratungs- und Unterstüt-
zungsleistungen sind dagegen dienstvertragliche Komponenten. In Abbildung 3-61 sind wich-
tige Preisgestaltungsmodelle dargestellt.
Leistungen/Preiselemente Preisgestaltungsmodelle
Realisierung z. B.
• Entwicklung
• Customizing Festpreis Festpreis
• Modifikationen
• Installation
Dienstleistungen z. B.
• Einführungsberatung
• Schulungen Festpreis Nach Aufwand
• SW-/Hardware-Auswahl
• Projektcontrolling
Nach Aufwand Nach Aufwand
mit ohne
Obergrenzen Obergrenzen
Ausgaben (Expenses) z. B.
• Reisekosten
• Spesen
• Kommunikationskosten
• Externe Dienstleistungen
Aus werkvertraglicher Sicht besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Leistungs-
beschreibung. Sie bildet letztlich die Grundlage für die Festlegung der vereinbarten Beschaf-
fenheit der bereitzustellenden Leistung i. S. d. §§ 434 Abs. 1, 633 Abs. 2 BGB. Die Leis-
tungsbeschreibung, die in der Regel in einem Pflichtenheft festgelegt ist, ist somit die Basis
für die Prüfung, ob die erbrachte Leistung frei von Sachmängeln ist [vgl. SCHNEIDER-
BRODTMANN 2007, S. 21 ff.].
Was nützen die besten Verträge, wenn sie sich gegenüber wirtschaftlich übermächtigen Auf-
traggebern nicht durchsetzen lassen? Sich der Bedeutung solcher guten, allseits akzeptierten
Verträge bewusst, hat der BDU bereits sehr frühzeitig Allgemeine Geschäftsbedingungen
(AGBs) für seine Mitgliedsfirmen erarbeitet und als „ Allgemeine Beratungsbedingungen der
Unternehmensberatungen“ dem Bundeskartellamt zur Genehmigung vorgelegt. Solche Ge-
schäftsbedingungen stellen quasi das „Kleingedruckte“ dar und regeln rechtliche Tatbestände
wie Haftung oder Gewährleistung. Sie werden dem Angebot beigefügt und erlauben dem
Kundenunternehmen, sich nach einmaliger Prüfung des rechtlichen Rahmens direkt auf den
sachlichen Inhalt eines Angebots zu konzentrieren. Dieses Bedingungswerk des BDU, das
inhaltlich der Strategieberatung zuzuordnen ist, enthält folgende Abschnitte:
Der § 2 (Vertragsgegenstand; Leistungsumfang) weist darauf hin, dass die im Vertrag (An-
gebot) vereinbarte und bezeichnete Beratungstätigkeit und „nicht die Erzielung eines be-
stimmten wirtschaftlichen Erfolges oder die Erstellung von Gutachten oder anderen Werken“
Gegenstand des Auftrages ist. Unerheblich ist, ob und wann der Kunde die Empfehlungen
umsetzt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass es sich von vornherein um einen Dienst-
vertrag nach §§ 611 ff. BGB handeln soll, denn der Berater haftet im Rahmen dieses Vertra-
ges nicht für den aus seiner Arbeit erwarteten Erfolg.
In § 4 (Schweigepflicht; Datenschutz) ist geregelt, dass der Berater zeitlich unbegrenzt ver-
pflichtet ist, „über alle als vertraulich bezeichneten Informationen oder Geschäfts- und Be-
260 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
triebsgeheimnisse des Auftraggebers, die ihm im Zusammenhang mit dem Auftrag bekannt
werden, Stillschweigen zu wahren“. Die Weitergabe an Dritte darf nur mit schriftlicher Einwilli-
gung des Kunden erfolgen. Der Berater ist aber befugt, die ihm anvertrauten Daten unter Beachtung
der Datenschutzbestimmungen (z. B. für Benchmarks) zu verarbeiten.
Der § 5 (Mitwirkungspflichten des Auftraggebers) macht deutlich, dass der Berater bei der
Durchführung des Auftrags auf eine umfassende Unterstützung des Kundenunternehmens und
seiner Mitarbeiter angewiesen ist.
Gemäß § 7 (Haftung) haftet der Berater grundsätzlich für Schäden, die von ihm vorsätzlich
oder grob fahrlässig verursacht wurden. Bei leichter Fährlässigkeit tritt der Berater für die von
ihm (mit-)verursachten Schäden nur dann ein, „wenn und soweit diese auf der Verletzung
solcher Pflichten beruhen, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags
überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Auftraggeber regelmäßig vertrauen
darf“. Die Haftungshöhe ist für den einzelnen Schadensfall auf 250.000 Euro begrenzt.
Gemäß § 8 (Schutz des geistigen Eigentums) darf das Kundenunternehmen die vom Berater
gefertigten Berichte, Organisationspläne, Entwürfe, Zeichnungen, Aufstellungen, Berechnun-
gen etc. nur für die vertraglich vereinbarten Zwecke verwenden und nicht ohne ausdrückliche
Zustimmung verbreiten.
In § 9 (Treuepflicht), der sich auf die Mitarbeiter beider Vertragspartner bezieht, verpflichten
sich Berater und Kundenunternehmen zur gegenseitigen Loyalität. „Sie informieren sich un-
verzüglich wechselseitig über alle Umstände, die im Verlauf der Projektausführung auftreten
und die Bearbeitung nicht nur unerheblich beeinflussen können“.
In § 11 (Kündigung) ist geregelt, dass – sofern nichts anderes vereinbart ist – der Auftrag
durch den Kunden jederzeit, durch den Berater mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende
gekündigt werden kann. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Regelung, die nicht unbe-
dingt als ausgewogen bezeichnet werden kann, so dass sich der Berater in jedem Fall um eine
Einzelfallregelung bemühen sollte.
Der § 12 (Zurückbehaltungsrecht; Aufbewahrung von Unterlagen) gibt vor, dass der Be-
rater bis zur vollständigen Begleichung seiner Forderungen ein Zurückbehaltungsrecht an den
ihm überlassenen Unterlagen hat.
3.6.7.5 Angebotstypen
Die Standard- und Individualtexte für die o. g. Angebotstypen sollten folgenden Gliederungs-
punkten zugeordnet werden:
Die Betreuung ist das sechste und letzte wichtige Aktionsfeld im Rahmen des Vermark-
tungsprozesses von Beratungsleistungen (siehe Abbildung 3-62). Da die Marketingaktivitäten
eines Unternehmens nicht mit dem Auftragseingang enden, zielt die Betreuung auf die Opti-
mierung der Kundenzufriedenheit ab:
Die Komponente Betreuung unterscheidet sich insofern von den übrigen Aktionsfeldern der
Marketing-Gleichung, weil sie erst nach der Auftragsvergabe zur Wirkung gelangt. Innerhalb
des Vermarktungsprozesses ist sie der Post-Sales-Phase zuzuordnen.
Marketing-Aktionsfelder Nachhaltiger
Gewinn
Wettbewerbs-
vorteil
Segmen- Positio- Kommuni-
Vertrieb Akquisition Betreuung
• Leistungen tierung nierung kation
• Fähigkeiten Vom Markt
• Know-how + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- + Kunden- honorierter
• Innovations- =
nutzen vorteil wahrnehmung nähe akzeptanz zufriedenheit Wett-
kraft bewerbs-
vorteil
Kundenkriterien
© Dialog.Lippold
Zum einen ist die vorhandene Kundenbasis immer dann das am leichtesten zu erreichende
Absatzpotenzial für das Folgegeschäft, wenn es gelingt, die bisherige Beziehung zur Zu-
friedenheit des Kunden zu gestalten. Im B2C-Marketing lässt sich die Kundenzufriedenheit
relativ leicht an den unmittelbaren Wiederholungskäufen festmachen. Im Beratungsmarketing
mit komplexen Leistungen ist dies dann der Fall, wenn das Projekt aufwandsgerecht durchge-
führt wird, der Funktionsumfang den Erwartungen entspricht und das Kundenunternehmen
auch nach dem Projekteinsatz das Gefühl hat, jederzeit kompetent (und bevorzugt) betreut zu
werden. Mit den daraus resultierenden Folgeaufträgen wächst das Unternehmen mit seinem
Kunden. Kurzum: Die verkauften Leistungen sollten dem abgegebenen Nutzen- und Quali-
tätsversprechen entsprechen und damit Wiederholungsaufträge initiieren.
Zum anderen ist ein gut betreuter Kunde in idealer Weise auch immer eine Referenz für das
Neugeschäft, d. h. zur Gewinnung neuer Kunden. Besonders im Beratungsgeschäft sind Re-
ferenzen in einem Markt, dessen Entscheidungsprozesse häufig vom Kaufmotiv Sicherheit
geprägt sind, in vielen Fällen ein wesentlicher Schritt zur Absicherung der Kaufentscheidung.
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit 263
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass dem Aktionsfeld Betreuung in der Marketing-
literatur im Rahmen des marketingpolitischen Instrumentariums (Marketing-Mix) generell
keine sehr große Bedeutung beigemessen worden ist. Im Mittelpunkt stand das „Neukunden-
Marketing“ und nicht das „Bestandskunden-Marketing“. Erst mit dem Aufkommen der Idee
des Customer Relationship Managements (CRM) ist die Beziehung zu den Bestandskunden
stärker in das Bewusstsein der verschiedenen Marketingansätze gerückt.
Das Beziehungsmarketing (engl. Relationship Marketing), das eine Zeit lang unter dem Be-
griff Beziehungsmanagement diskutiert wurde, wird inzwischen als Customer Relationship
Management (CRM) immer stärker als ein wesentlicher, erfolgsbestimmender Marketingan-
satz gesehen. Das Beziehungsmarketing hat seinen Ursprung im B2B-Bereich und hier insbe-
sondere im System- und Anlagengeschäft, wo besonders vielschichtige und intensive Kun-
denbeziehungen typisch sind.
Auch das Beratungsmarketing hat erkannt, dass eine auf Dauerhaftigkeit angelegte Bezie-
hungspflege von besonderer Bedeutung für den Geschäftserfolg ist. Grundvoraussetzung einer
dauerhaften Beziehung ist der Aufbau von Vertrauen. So verwundert es auch nicht, dass die
DEUTSCHE BANK ihren Slogan „Vertrauen ist der Anfang von allem“ zur Grundlage ihrer Ge-
schäftsbeziehung gemacht hat. Beratung hat fast ausschließlich mit Vertrauen zu tun – Ver-
trauen in die Verschwiegenheit (= Vertraulichkeit), aber auch Vertrauen in die professionelle
Erfüllung eines Auftrags [vgl. BERGER 2004, S. 12].
Der Wert einer Geschäftsbeziehung ist auch deshalb für den Beratungsbereich von besonderer
Bedeutung, weil die Unsicherheit gegenüber der Leistung einer Beratung immer dann am ge-
ringsten ist, wenn der betreffende Kunde bereits in einem oder mehreren Projekt(en) mit dem
264 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Berater zusammengearbeitet hat und wenn diese (positive) Zusammenarbeit auf das neue Pro-
jekt übertragen werden kann. So ist es auch wenig verwunderlich, dass Kundenunternehmen
häufig, überwiegend oder sogar ausschließlich einen bestimmten Berater zur Lösung betrieb-
licher Probleme heranziehen [vgl. SCHADE 2000, S. 200 f.].
Insert
Die Akquisition von Aufträgen bei bestehenden von Kunden, für die bereits in anderen Unterneh-
Kunden ist für Beratungsunternehmen aller Sparten mensbereichen oder zu einem früheren Zeitpunkt
von großer Bedeutung, da durchschnittlich 80 eine Beratungstätigkeit ausgeübt wurde. Insbeson-
Prozent des Umsatzes durch Aufträge von Kunden, dere bei IT-Beratungen spielen Folgeaufträge aus
für die bereits Beratungsaufgaben wahrgenommen laufenden Projekte mit durchschnittlich 58 Prozent
wurden, generiert werden. Es ergeben sich sowohl Umsatzanteil eine sehr große Rolle. HR-Beratungen
Anschlussaufträge aus bestehenden Projekten, die und IT-Beratungen weisen den höchsten durch-
einen engen zeitlichen und inhaltlichen Bezug zum schnittlichen Repeat Business-Anteil von fast 90
Vorgängerprojekt aufweisen, als auch neue Aufträge Prozent auf.
Frage: Welchen Anteil am Gesamtumsatz erzielten Sie im Jahr 2002 durch a) Folgeaufträgen aus lau-
fenden Projekten und b) durch neue Aufträge mit bestehenden Projekten?
Folgeaufträge aus
Finanzberatung 45% 37% 82% laufenden Projekten
Neue Aufträge mit
bestehenden Kunden
Strategieberatung 45% 37% 82%
* An der im Frühjahr 2003 von der Universität Mann- nisation von Unternehmensberatungen“ haben 180
heim (Prof. A. KIESER) durchgeführten Befragung von über 1.000 angeschriebenen Unternehmens-
zum Thema „Beratungsmarketing und Projektorga- beratungen teilgenommen.
Customer Relationship Management (CRM) steht für die konsequente Ausrichtung aller Un-
ternehmensprozesse auf den Kunden. Der Kerngedanke des CRM ist die Steigerung des Un-
ternehmens- und Kundenwerts durch das systematische Management der existierenden Kun-
denbeziehungen. Mit CRM lassen sich besonders wertvolle Kundengruppen identifizieren und
mit gezielten Maßnahmen der Kundenbindung (engl. Customer Retention) an das Unterneh-
men binden. Dies wird durch Konzepte wie Loyalitätsmaßnahmen, Personalisierung und Dia-
logmanagement erreicht [vgl. RAPP 2000, S. 42 f.].
Wie eine CRM-Untersuchung aus dem Jahre 2009 zeigt, sind die Erhöhung der Kundenbin-
dung, der Aufbau von Kundenwissen und die Steigerung der Vertriebseffizienz die Hauptziele
der 110 befragten Unternehmen (siehe Insert 3-13). Bei dieser CRM-Untersuchung handelt es
sich allerdings nicht um eine Befragung innerhalb der Zielgruppe der Beratungsunternehmen.
Da der größte Teil der befragten Unternehmen jedoch dem B2B-Bereich zuzuordnen ist, kön-
nen die Erkenntnisse dieser Untersuchung durchaus auf Beratungsunternehmen übertragen
werden. Ohnehin zählt die CRM-Beratung bei vielen Beratern zum Leistungsportfolio und
was für die Kundenunternehmen richtig ist, sollte auch für die Anbieter von CRM-Konzepten
gelten.
Generell beruht der Erfolg von CRM auf der Beantwortung folgender strategischer Fragen
[vgl. RAPP 2000, S. 46 f.]:
x Welche Kunden sind die profitabelsten in der Dauer der Kundenbeziehung und wie un-
terscheiden sich diese in ihrem Verhalten und ihren Prozessen?
x Welche Leistungen und Personalisierungsangebote müssen geboten werden, damit sie
dem Unternehmen langfristig verbunden bleiben?
x Wie können ähnliche neue profitable Kunden nachhaltig gewonnen werden?
x Wie lässt sich ein differenziertes Leistungsangebot für unterschiedliche Kunden entwi-
ckeln ohne die Kosten zu erhöhen?
Zur Beantwortung dieser Fragen benötigen Unternehmen differenzierte Daten über ihre Kun-
den. Diese sind zumeist in mehr oder weniger strukturierter Form (als numerische Daten, als
Fließtext, als Grafiken etc.) in verschiedenen Kunden- oder Produktdatenbanken des Unter-
nehmens vorhanden. Für Zwecke des Customer Relationship Management müssen diese Da-
ten in geeigneten IT-gestützten CRM-Systemen zusammengefügt werden, um die notwendi-
gen Kundeninformationen herausfiltern zu können. Wesentliche Instrumente dazu sind Data
Warehouse- und Data Mining-Systeme [vgl. BECKER 2009, S. 633].
Beim Data Warehouse handelt es sich um ein speziell für die Entscheidungsfindung aufge-
bautes Informations- bzw. Datenlager, in dem Daten aus unternehmensweiten, operativen IT-
Systemen (Call Center, Internet, Vertrieb etc.) gesammelt, transformiert, konsolidiert, gefiltert
und fortgeschrieben werden. Das Data Mining wiederum dient nun dazu, aus diesem Daten-
berg wertvolle Informationen zu extrahieren, um Aussagen im Sinne der Kundenorientierung
und Gewinnmaximierung treffen zu können [vgl. RAPP 2000, S. 73 ff.].
266 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Wie die Umfrageergebnisse des CRM-Barometers 2009/2010 weiter zeigen, wird die Vielzahl
der gesammelten Daten von der Mehrheit der befragten Unternehmen analytisch ausgewertet.
So nehmen zwei Drittel der befragten Unternehmen eine Effektivitätsmessung in Marketing,
Vertrieb und Service vor. Hier wird die Profitabilität von Marketingkampagnen oder die Ef-
fektivität von Vertriebs- und Serviceprozessen gemessen (siehe Insert 3-13).
Insert
CRM: Ziele und Analyse-Tools
– Ergebnisse des CRM-Barometers 2009/2010 –
Die von CAPGEMINI durchgeführte Studie zum Thema wortlichen in 98 Unternehmen mit Sitz in Deutsch-
Customer Relationship Management sucht Antworten land, Österreich und der Schweiz. Die Ziele, die mit
auf die Fragen, ob, wie und in welchem Maße CRM CRM verfolgt werden, sowie die Analyse-Tools, mit
die Situation der Unternehmen tatsächlich verbes- denen die CRM-Aktivitäten gemessen werden sollen,
sern kann. Die Ergebnisse basieren auf der schrift- stehen im Mittelpunkt der beiden nachstehenden
lichen Befragung von Marketing- und CRM-Verant- Grafiken.
Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen mit der Umsetzung von CRM?
Cross-Selling 44%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
CRM muss nicht zwingend als ein umfassendes Maßnahmenpaket im Rahmen eines Großpro-
jektes eingeführt werden. Oft ist es effektiver, die Umsetzung – entsprechend der unternehme-
rischen Priorisierung und der Gesamtstrategie – in Einzelteile zu zerlegen. Geschieht dies,
können zahlreiche CRM-Aktivitäten auch parallel mit Erfolg umgesetzt werden. Diese Vor-
gehensweise hat neben dem Vorteil des geringeren Umsetzungsrisikos auch den Vorzug, dass
die Mitarbeiter CRM als schrittweisen Veränderungsprozess erkennen und dadurch den ein-
geschlagenen Weg nicht nur mitgehen, sondern im Idealfall sogar aktiv unterstützen [vgl.
CRM-Barometer 2009/2010, S. 7 f.].
Schließlich noch ein weiterer Aspekt, der beim Auf- und Ausbau eines nachhaltigen CRM –
zumindest in weiten Teilen des B2C- und B2B-Marketings – zukünftig eine bedeutende Rolle
spielen wird: der Trend zur Kommunikation über Social Media. Bereits in wenigen Jahren
wird es selbstverständlich sein, Kundenanfragen über Blogs zu beantworten oder Podcasts zur
Erläuterung der Produktnutzung online anzubieten. Ob dies auch im sehr erklärungsbedürfti-
gen Beratungsgeschäft der Fall sein wird, bleibt allerdings abzuwarten.
70 Prozent der Teilnehmer einer DETECON-Studie zum „Kundenservice der Zukunft“ glauben,
dass Social Media ein bedeutender Servicekanal der Zukunft ist. Unternehmen werden künftig
wesentliche Prozesse des Kundenservice über öffentliche Dialoge abwickeln und Kundenbin-
dung auf einer neuen, viel persönlicheren Ebene etablieren. Social Media wird so immer mehr
zu einer Herausforderung im Rahmen des Zufriedenheits-, Beschwerde- und Kündigungsma-
nagements – zum Social CRM. Diesen Austausch aktiv zu gestalten, ihn zu moderieren, wird
ein wichtiges Merkmal des Kundenservice der Zukunft sein [vgl. DETECON 2010, S. 4].
3.7.4 Kundenbindungsprogramme
Eine ähnliche Zielsetzung verfolgen Kunst- und Sportveranstaltungen. Auch hier steht im
Hintergrund, bewusst geschäftsfremde Themen (wie Ballett, Theater, Malerei, Konzert oder
Sport) zum Anlass für ein Get-together auszusuchen. Besonders die VIP-Bereiche bei großen
Sportveranstaltungen (Fußball, Basketball, Handball, Eishockey) bieten eine gute Gelegen-
heit, unmittelbar mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen. Besonders nachgefragt sind in
jüngster Zeit Einladungen zu firmeneigenen Golfturnieren. Sehr häufig sind diese Veranstal-
tungen, die von unternehmensfremden Organisatoren initiiert und durchgeführt werden, in
engem Zusammenhang mit den Sponsoring-Aktivitäten des Unternehmens zu sehen (siehe
hierzu auch Abschnitt 3.4.8).
Zum einen besteht die Möglichkeit, im Rahmen der bereits installierten Produktleistung zu-
sätzliche Leistungen wie Ergänzungskomponenten, Organisationsberatung u. ä. m. zu verkau-
fen. Diese Vorgehensweise bietet sich immer dann an, wenn der Kunde zunächst lediglich ein
Basissystem oder nur bestimmte Teilkomponenten erworben hat.
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit 269
Zum anderen bietet der aktuelle Kundenkreis eine ideale Basis, um in dieser Zielgruppe die
nächste Produktgeneration zu akquirieren. Da sich eine neue Produktgeneration i. d. R. we-
niger durch gravierende organisatorische sondern mehr durch technologische Neuerungen
auszeichnet, lässt sie sich innerhalb dieser Zielgruppe wesentlich leichter, d. h. ohne große
Eingriffe in die bestehende Aufbau- und Ablauforganisation, einführen. Naturgemäß reicht
das Absatzpotenzial im bestehenden Kundenstamm für sich genommen nicht aus. Als Platt-
form für die Ausweitung auf neue Segmente und Zielgruppen sowie zur Überbrückung
schwerfälliger Anlaufphasen ist es aber sehr gut geeignet.
Zu den wichtigsten Instrumenten, die im Rahmen der After-Sales-Phase für das Softwarege-
schäft sinnvoll und nützlich sind, zählen
3.7.5.1 Benutzergruppen
Verfügen Produkte über eine hinreichend große Installationszahl und darüber hinaus über
einen entsprechend großen (strategischen) Stellenwert bei den Anwenderunternehmen, so
kommt es häufig zur Bildung von Benutzergruppen (engl. User-Groups). Dabei geht es zu-
nächst um einen informellen Informations- und Erfahrungsaustausch unter Fachleuten der
Anwenderunternehmen, die in regelmäßigen Zeitabständen zusammentreffen. Im Zusammen-
hang mit der Systemeinführung wird in diesen Gruppen vor allem auch erörtert, inwieweit die
Hersteller ihren werblichen und verkaufspolitischen Versprechungen gerecht geworden sind.
Die damit vorgenommene Bewertung des Anbieterunternehmens kann dessen Image u. U.
erheblich beeinflussen. Softwareunternehmen sind somit vor die Entscheidung gestellt, ob sie
die User-Groups zum Gegenstand ihres Marketing machen sollen oder nicht [vgl.
STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 119].
Hat sich das Herstellerunternehmen für eine aktive und konstruktive Mitarbeit in diesen An-
wendergremien entschieden, so kann es die Zusammenkünfte der Anwender dazu nutzen,
kompetente Referenten für Fachvorträge abzustellen und damit zum Abbau der kognitiven
Dissonanz beizutragen. Insofern bietet die Benutzergruppe einerseits eine ideale Möglichkeit
für den Absatz evtl. Zusatzleistungen (Erweiterungsmodule, Ergänzungsbausteine, Beratungs-
leistungen) und andererseits dient sie als Referenz zur Gewinnung neuer Kundenpotenziale
[vgl. BAAKEN/LAUNEN 1993, S. 168].
Die Einrichtung einer User-Group muss allerdings nicht nur positive Wirkungen auf das An-
bieter-Image haben, sondern kann auch Risiken für das Unternehmen in sich bergen. So kann
der Einfluss der Benutzer dazu führen, dass der Anbieter seine Entwicklungspolitik entgegen
den ursprünglichen Planungen verändern muss. Ggf. müssen eliminierungswürdige Teilsys-
teme (Module) auf Druck der User in der Produktpalette verbleiben oder bestimmte Produkt-
funktionen ins Angebot aufgenommen werden, ohne dass jemals eine Amortisierung der Ent-
wicklungskosten in Aussicht steht [vgl. BAAKEN/LAUNEN 1993, S. 168 f.].
270 3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Besonders hinzuweisen ist schließlich auf die Möglichkeit, sich mit der Etablierung einer Be-
nutzergruppe zugleich auch eine wichtige Informationsquelle zu erschließen, die für das
Gebiet der Marktforschung von erheblichem Wert ist. Erhebungen innerhalb der Anwender-
schaft können nicht nur wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung des Produktes liefern,
sondern auch evtl. Unzulänglichkeiten in der Einführungsphase oder in der Funktionalität
aufzeigen [vgl. STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 121].
3.7.5.2 Benutzertreffen
Unabhängig davon, ob für ein Produkt eine Benutzervereinigung existiert oder nicht, in jedem
Fall bietet sich zur Intensivierung der Kundenbetreuung die periodische Organisation und
Durchführung von Benutzertreffen an. In diesen Veranstaltungen kann der gastgebende Her-
steller sein gesamtes Marketing-Instrumentarium gezielt und ohne Streuverluste einsetzen.
Der Veranstaltungserfolg hängt entscheidend von der Programmgestaltung ab. Themen- und
Referentenauswahl sind dabei ebenso wichtig wie Organisation und Inhalt des Rahmen- und
Beiprogramms. Insbesondere durch das Angebot themen- bzw. problembezogener Work-
shops, die den Benutzern die Möglichkeit zum Informations- und Erfahrungsaustausch
bieten, kann es dem Veranstalter gelingen, eine besonders starke Bindung zum Geschäftskun-
den herzustellen.
Zweifellos sind Benutzertreffen neben ihrer Funktion als Informationsbörse zugleich auch
immer Verkaufsveranstaltungen. So sind Vorträge über die künftige Unternehmens- und
Entwicklungsstrategie ebenso fester Programmbestandteil wie die Präsentation neuer Pro-
grammbausteine oder die Vorstellung eines Kooperationspartners mit seinem ergänzenden
Produkt- und Leistungsangebot. Darüber hinaus kann ein Benutzertreffen in ähnlicher Form
der Informationsbeschaffung dienen wie eine User-Group. Entsprechend konzipierte Frage-
bögen, die im Rahmen der Veranstaltung ausgeteilt werden, können dabei wichtige Auf-
schlüsse über zukünftige Benutzeranforderungen und damit über Teilaspekte der einzuschla-
genden Entwicklungsstrategie geben.
3.7.5.3 Referenzbesuche
Insbesondere im Geschäft mit komplexen Produkten und Leistungen gehört der Nachweis von
Referenzen zu einem der wichtigsten Marketing-Bestandteile überhaupt. Als Referenzen wer-
den Kunden bezeichnet, bei denen ein Produkt oder Projekt erfolgreich und zur Zufriedenheit
des Kunden durchgeführt wurde. Die Nachfrage nach Referenzen drückt in besonderem Maße
das hohe Sicherheitsbedürfnis des potentiellen Anwenders bei der Beschaffung von Produkten
oder Systemen aus. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen aktiver und passiver Form
des Referenznachweises [vgl. STROTHMANN/KLICHE 1989, S. 122].
Eine aktive Referenzpolitik liegt dann vor, wenn auf Referenzunternehmen bereits hinge-
wiesen wird, ohne dass ein darauf gerichtetes Kundeninteresse erkennbar ist. Die aktive Form
des Referenznachweises setzt voraus, dass der Anbieter über eine hinreichend große Anzahl
von Kunden verfügt, bei denen das Produkt zur Zufriedenheit der Benutzer eingeführt wurde
und die jederzeit bereit sind, Auskunft über die Tauglichkeit des Systems - auch gegenüber
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit 271
möglichen Wettbewerbern - zu geben. Wird bei der Angabe von Referenzen Zurückhaltung
geübt und werden Referenzadressen nur dann genannt, wenn der potentielle Kunde darauf
besteht, so wird von einer passiven Referenzpolitik gesprochen. Die passive Form des Refe-
renznachweises ist in der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen, weil die meisten Anwender
(trotz allgemeiner Zufriedenheit mit dem installierten Produkt) i. d. R. nicht bereit sind, einem
Dritten ohne entsprechende „Vorwarnung“ durch den Anbieter Auskunft über die Installation
zu geben [vgl. STROTHMANN/ KLICHE 1989, S. 122].
Dies alles setzt voraus, dass sich Anbieter eine Datei von potentiellen Referenzanwendern
anlegen. In dieser Referenzdatei sollten alle Funktionsbausteine, die der jeweilige Anwender
im Einsatz hat, aufgeführt sein. Weiterhin sollten die technologische Infrastruktur sowie
Strukturmerkmale, wie Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit, in der Datei festge-
halten werden. In der Systematik der Referenzdatei spiegeln sich somit im Prinzip nichts an-
deres wider als die Kriterien der Makrosegmentierung (siehe auch Abschnitt 3.2.3), die der
Festlegung des relevanten Marktausschnittes dienen. Eine solche Systematik ist insbesondere
deshalb von Bedeutung, weil viele potentielle Kunden bei einem Referenzbesuch besonderen
Wert auf eine vergleichbare Systemumgebung legen. Der Referenznehmer verspricht sich
davon den Vorteil, den Systemeinsatz unter ähnlichen Bedingungen zu erleben [vgl.
STROTHMANN/ KLICHE 1989, S. 124].
verfügen [vgl. BAAKEN/LAUNEN 1993, S. 170 unter Bezugnahme auf VON HIPPEL 1986, S.
791-805].
In Abbildung 3-63 sind die wichtigsten Instrumente im After-Sales-Geschäft im Überblick
dargestellt.
3.7.6 Kundenlebenszyklus
Trotz aller bindungserhaltenden und -steigernden Maßnahmen halten Geschäfts- bzw. Kun-
denbeziehungen nicht ewig. Ähnlich wie bei Produkten unterliegt auch die Kundenbeziehung
einem Lebenszyklus. Der Kundenbeziehungs- bzw. Kundenlebenszyklus (engl. Customer
Lifecycle) beschreibt idealtypisch die verschiedenen Phasen einer (langfristigen) Geschäftsbe-
ziehung. Nach diesem Konzept, das Steuerungsansätze zur systematischen Kundenbindung in
den Mittelpunkt stellt, können sechs Phasen unterschieden werden [vgl. BECKER 2009, S. 632
ff. und DWYER et al. 1987, S. 15]:
x Anbahnungsphase
x Explorationsphase
x Expansionsphase
x Reife- bzw. Gefährdungsphase
x Kündigungsphase
x Revitalisierungsphase.
Zielgruppe der Anbahnungsphase sind Interessenten, die bislang noch keine Kunden sind.
Im Mittelpunkt steht das Interessentenmanagement, dessen Ziel die Anbahnung von neuen
Geschäftsbeziehungen ist. In dieser Phase kommen vornehmlich die Kommunikationsinstru-
mente des Beratungsunternehmens zum Einsatz (Werbung, Direktmarketing, Messen, Fachar-
tikel etc.).
Bei der Expansionsphase geht es um die Stärkung einer stabilen Kundenbeziehung mit signi-
fikant steigenden Umsätzen und sinkenden Kosten. Im Mittelpunkt steht das Zufriedenheits-
management. Die Expansion einer Kundenbeziehung ist die typische Aufgabe eines Key
Account Managers.
Die Reifephase einer Kundenbeziehung ist zugleich auch die Phase der höchsten Gefährdung.
Einer hohen Kundenbindung mit minimalen Kosten und maximalen Umsätzen kann hier die
Gefahr sich beschwerender Kunden gegenüberstehen. Beschwerdemanagement bzw. Kündi-
gungspräventionsmanagement ist hier die zielführende Managementaufgabe des Beratungs-
vertriebs.
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit 273
Ziel der Kündigungsphase sollte es sein, dass der Kunde seine Kündigungsabsicht überdenkt
und ggf. zurücknimmt. Ein hierfür eingesetztes Kündigungsmanagement kann dieses Ziel
unterstützen.
x Interessentenmanagement,
x Kundenbindungsmanagement und
x Rückgewinnungsmanagement.
In Abbildung 3-64 sind die Phasen des Kundenlebenszyklus sowie die entsprechenden Mana-
gementaufgaben dargestellt.
Reifephase
Anbahnungs- Explorations- Expansions- Kündigungs- Revitalisie-
Phase phase phase phase
(Gefährdungs-
phase rungsphase
phase)
Revitalisie-
Management- Interessenten- Neukunden- Zufriedenheits- Beschwerde- Kündigungs-
rungs-
aufgabe management management management management management
management
Interessenten-
Kundenbindungsmanagement Rückgewinnungsmanagement
management
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Entlang den einzelnen Phasen der Strategischen Planung soll eine relevante Auswahl dieser
Hilfsmittel und Werkzeuge (engl. Tools) vorgestellt und erläutert werden. Im Mittelpunkt
stehen dabei Analyse-Tools sowie Tools zur Ziel- und Strategieformulierung. Diesen voran-
gestellt werden allgemeine Darstellungstools zur Problemerkennung und -analyse sowie zur
Visualisierung und Interpretation von Daten, wie sie der Berater immer wieder verwendet.
Damit verbunden sind:
Als Dienstleistung gehört die Beratung zu jenen Angeboten, bei denen Informations- und Un-
sicherheitsprobleme sowohl auf der Kunden- als auch auf der Lieferantenseite groß sind. Be-
ratungsleistungen sind immateriell und integrativ. Daher können sie nicht auf Vorrat gefertigt
werden. Für den Kunden hat dies zur Folge, dass er kein fertiges, überprüfbares Produkt be-
stellt, sondern dass die Beauftragung zunächst nur auf der Grundlage eines Leistungsverspre-
chens erfolgt [vgl. KAAS 2001, S. 109].
Die Entwicklung, Speicherung und Diffusion des „Kernrohstoffes“ Information bzw. Wissen
ist die Grundlage und Voraussetzung des Erfolgsfaktors Beratungstechnologie, der im Mittel-
punkt dieses Kapitels steht.
4.1.1 Beratungstechnologie
Beratungsleistungen sind also nicht nur immateriell und integrativ, sondern auch – wie in Ab-
schnitt 1.2.5 gezeigt – indeterminiert, d. h. unbestimmt. Diese Zusammenhänge sind von zen-
traler Bedeutung für die Gestaltung der Beratungsaufträge und hier insbesondere für die
Problemlösungstechnologie des Beraters (= Beratungstechnologie) sowie für die vertragliche
Ausgestaltung (Dienstvertrag vs. Werkvertrag).
Kommunizierbarkeit
• Signalcharakter der Leistung
• Positionierbarkeit des
Unternehmens
gering mittel hoch
Imitierbarkeit
der Leistungen
Handlungsspielraum bzgl.
• Zieldefinition
• Preisstellung
• Personaleinsatzplanung
hoch mittel gering
Wachstum
des Beratungsunternehmens
Erzielbares Preisniveau
Von einer Unternehmensberatung wird erwartet, dass sie ihrem Auftraggeber handlungsorien-
tierte Ratschläge unterbreitet, die zu einer Problemlösung im Sinne des Kunden führen. Die
Problemlösung ist somit Ziel und Kern der beauftragten Beratungsleistung. Eine befriedigen-
de Problemlösung kann nur dann erzielt werden, wenn das Problem korrekt definiert ist und
die zur seiner Lösung erforderlichen Informationen vorliegen.
Ein Problem beruht im betriebswirtschaftlichen Sinne auf einer Abweichung von einem ange-
strebten Soll- zu einem realisierten Ist-Zustand und gibt ganz allgemein Anlass zum Handeln.
Diese Abweichung muss nicht nur negativer, sondern kann durchaus auch positiver Natur
sein. Wenn ein Unternehmen bspw. ein Umsatzwachstum von 10 Prozent geplant hat, tatsäch-
lich jedoch einen Anstieg um 25 oder 30 Prozent realisiert, dann hat es bestenfalls Wachs-
tumsschmerzen und damit eben auch ein Problem, das zum Handeln Anlass geben kann.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass ein Problem nicht unabhängig von den Personen
284 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
ist, die es definieren; d. h. ein Problem als solches gibt es nicht. Erst wenn eine Person in ei-
ner bestimmten Situation vor dem Hintergrund ihrer individuellen Zielsetzungen einen Hand-
lungsdruck empfindet, wird diese Situation zu ihrem Problem [vgl. FINK 2009, S. 43 f.].
Da sich in aller Regel beim Kundenunternehmen die Manager eines Problems annehmen,
sind denn auch die Managementprobleme die Objekte der Beratung und die Lösung dieser
Probleme das Ziel der Beratungstätigkeit. Allerdings wäre es zu kurz gesprungen, wenn man
nur jene Probleme, die in den Verantwortungsbereich der obersten Leitungsebenen eines Un-
ternehmens fallen, als relevant für eine beraterische Unterstützung ansieht. Auch auf unteren
Unternehmensebenen wird eine Unterstützung durch den Berater durchaus praktiziert (z. B.
bei der Einführungsunterstützung von ERP-Systemen). Daher wird hier im Folgenden auch
nicht von Managementproblemen, sondern ganz allgemein von Problemen, und im weiteren
Verlauf auch nicht von Managementkonzepten, -methoden oder -produkten, sondern von Be-
ratungskonzepten, -methoden und -produkten gesprochen.
Wichtig ist zuvor die Unterscheidung zwischen Problem und Aufgabe. So ist eine schwieri-
ge Unternehmenssituation für das Management oder für betroffene Mitarbeiter eines Unter-
nehmens zumeist ein Problem; für den externen Berater dagegen ist sie eine (ggf. schwierige)
Aufgabe, das Unternehmen bei der Lösung des Problems zu unterstützen. Bei gleicher Ziel-
setzung sind also die Probleme eines Kunden nicht unmittelbar auch die Probleme des Bera-
ters. Dieser ist persönlich weniger stark involviert als der Kunde selbst und auch die Problem-
lösung sieht er schon deshalb nicht als Problem, sondern als lösbare Aufgabe an, weil er über
das geeignete methodische Rüstzeug oder auch über entsprechende Kapazitäten verfügt [vgl.
FINK 2009, S. 46].
Versucht man die verschiedenen Formen und Ausprägungen von Problemen zu systematisie-
ren, so ist die Unterscheidung der folgenden drei Typen von Problemen hilfreich [vgl. GO-
MEZ/PROBST 1999, S. 17 ff.]: einfache, komplizierte und komplexe Probleme. In Abbildung
4-02 sind die Charakteristika und möglichen Lösungstechniken dieser drei Problemtypen dar-
gestellt.
• Wenig Einflussfaktoren
Einfache Probleme • Wenig Verknüpfungen „Gesunder Menschenverstand“
• Stabile Beziehungen
• Viele Einflussfaktoren
z. B. Methoden des Operations
Komplizierte Probleme • Viele Verknüpfungen
Research
• Stabile Beziehungen
Unabhängig davon, ob es sich um ein einfaches, ein kompliziertes oder ein komplexes Prob-
lem handelt, kann das Grundschema eines idealtypischen Problemlösungsprozesses als In-
formationsverarbeitungsprozess verstanden werden, der mit der Gegenüberstellung von Soll-
und Ist-Zustand beginnt. Um das aus dieser Diskrepanz resultierende Problem zu lösen, wird
die Ist-Situation analysiert und darauf aufbauend Alternativen zur Veränderung der Situation
entworfen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen werden ermittelt und bewertet und zei-
gen so Entscheidungen bzw. Handlungen zur Lösung des Problems auf [vgl. BRAUCHLIN
1978, S. 77].
Drei grundsätzliche Problemlösungsansätze lassen sich dabei unterscheiden [vgl. FINK 2009,
S. 49 ff.]:
Wenn hier von Beratungsansätzen die Rede ist, dann sind damit zugleich auch immer Mana-
gementansätze gemeint, denn die Beratungsansätze richten sich – zumindest in der Manage-
mentberatung – an das Management als Beratungsträger. Die Tools und Techniken, auf die
der Berater (und damit das Management) zurückgreifen kann, sind so zahlreich und so unter-
schiedlich konzipiert, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, Ordnung in diese Vielfalt zu
bringen. Einige Techniken sind sehr einfach, andere wiederum sehr komplex konzipiert.
Manche Techniken stellen lediglich einen Formalismus, ein Schema dar. Andere Techniken
beruhen auf empirischen Studien und haben gesetzesähnlichen Charakter [vgl. BEA/HAAS
2005, S. 50 und 58].
Wie lässt sich die Vielzahl von Beratungs- bzw. Managementansätzen systematisieren? Die
Mehrzahl der in der Literatur vorgestellten Systematiken orientiert sich an den verschiedenen
Strategien, für deren Entwicklung und Formulierung schließlich ein Großteil der Beratungs-
ansätze konzipiert wurde. Zu dieser (strategieorientierten) Kategorie zählen die Systematik
von FINK sowie der Ansatz von MACHARZINA/WOLF. Die Systematiken von ANDLER sowie
von BEA/HAAS orientieren sich dagegen mehr am Prozess und am Anwendungsbezug der
Planung. Alle vier Systematiken sollen hier kurz vorgestellt werden. Darüber hinaus wird
hier eine Systematik vorgeschlagen, die sich an den Phasen des Beratungsprozesses orien-
tiert. Diese Systematik ist zugleich auch die Grundlage für die Einordnung der im Kapitel 4
vorgestellten Beratungsansätze und -tools.
286 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Ein Beispiel für die Strategieorientierung ist die Systematik von FINK [2009], die auf der ers-
ten Gliederungsstufe zwischen wertorientierten Strategien (auf Unternehmensebene) und
Wettbewerbsstrategien (auf Geschäftsbereichsebene) unterscheidet. Auf der zweiten Gliede-
rungsstufe wird dann zwischen Konzepten, Methoden und Produkten differenziert und diesen
werden dann die konkreten Beratungsansätze (bei FINK: Managementansätze) zugeordnet.
FINK fasst also die verschiedenen Managementansätze als Instrumente der Strategieentwick-
lung auf. Diese Systematik ist zwar in sich schlüssig, jedoch ausschließlich auf das Bera-
tungsgebiet der Strategieberatung ausgerichtet. Darüber hinaus werden so wichtige Bera-
tungstools wie die Wertkettenanalyse oder das Benchmarking nicht berücksichtigt. Abbildung
4-03 fasst diese Systematik synoptisch zusammen.
x Kostenmanagementtechniken und
x Prognose- und Planungstechniken
unterschieden. MACHARZINA/WOLF weisen darauf hin, dass aus der Fülle der existierenden
Techniken der Unternehmensführung nur diejenigen dargestellt werden, bei denen ein prakti-
sches Problemlösungspotenzial nachgewiesen worden ist [vgl. MACHARZINA/WOLF 2010, S.
817].
• Zero-Base-Budgeting • Prognosetechniken
• Gemeinkostenwertanalyse • Kreativitätstechniken
• Produktwertanalyse • Bewertungstechniken
• Kanban
Einen sehr weitgehenden Systematisierungsansatz, der nahezu alle bekannten Tools und
Techniken berücksichtigt, liefert ANDLER [2010]. Als Richtschnur dient der Problemlösungs-
prozess mit den formalen Phasen (Prozessstufen)
x Diagnose,
x Zielformulierung,
x Analyse und
x Entscheidungsfindung.
Diesen Phasen werden nun insgesamt mehr als 100 Tools und Techniken zugeordnet. Zweck
der Tools in der Prozessstufe Diagnose ist, die gegenwärtige Situation abzubilden, alle rele-
vanten Informationen zu beschaffen und neue Ideen zu entwickeln. Die Tools und Techniken
der Prozessstufe Zielformulierung dienen dazu, den gewünschten Endzustand zu definieren.
In der Prozessstufe Analyse sind alle Tools und Techniken zusammengefasst, die eine Organi-
sationsstruktur analysieren, die sich mit Aspekten von Technologie und Systemen befassen
288 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
und die die Möglichkeiten prüfen, eine starke Marktposition aufrechtzuhalten oder auszubau-
en. Tools der Phase Entscheidungsfindung bewerten, priorisieren und vergleichen die vorge-
schlagenen Problemlösungsalternativen. In dieser Systematisierung fehlen allerdings gängige
Beratungskonzepte wie Business Process Reengineering, Gemeinkostenwertanalyse etc.
Abbildung 4-05 gibt einen Überblick über die einzelnen Problemlösungsschritten und rele-
vante Kategorien von Tools, wobei auch hier nur die Tools und Techniken aufgeführt sind,
die über ein nachgewiesenes Problemlösungspotenzial verfügen.
Entscheidungs-
Diagnose Zielformulierung Analyse
findung
BEA/HAAS konzentrieren sich in ihrer Systematik auf den Einsatz von Planungstechniken
entlang den Komponenten des strategischen Planungsprozesses und stellen auf diese Weise
einen konkreten Anwendungsbezug der einzelnen Planungstechniken her. Dies sind im Ein-
zelnen:
In Abbildung 4-06 sind diese Planungstechniken den Komponenten der strategischen Planung
zugeordnet.
Die strategische Planung hat in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren und ist aus den
Planungs- und Strategieabteilungen insbesondere der größeren Kundenunternehmen nicht
mehr wegzudenken. Hinzu kommt, dass die strategische Planung wohl das betriebswirtschaft-
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses 289
liche Betätigungsfeld ist, auf dem die sachlichen und auch personellen Verflechtungen von
Theorie und Praxis am weitesten fortgeschritten sind.
Unternehmens- Strategie-
Zielbildung Umweltanalyse Strategiewahl
analyse implementierung
Die hier verwendete Systematik soll sich an den einzelnen Phasen eines typischen Beratungs-
prozesses orientieren. Als Beispiel dient der in Abschnitt 1.2.5 vorgestellte Beratungsprozess
mit den Prozessphasen:
x Akquisitionsphase
x Analysephase
x Problemlösungsphase
x Implementierungsphase.
Ein so definierter Beratungsprozess ist im Allgemeinen typisch für mittlere und größere Auf-
träge sowohl in der Strategie- als auch in der Umsetzungsberatung. Allerdings muss berück-
sichtigt werden, dass die einzelnen Phasen in der Realität in ganz unterschiedlichen Formen
durchgeführt werden. Während die Analysephase und die Problemlösungsphase praktisch in
jedem Beratungsprojekt vorkommen und damit als konstitutive Bestandteile einer Beratungs-
leistung aufgefasst werden können, nehmen die Angebotsphase und die Implementierungs-
phase eine Sonderrolle in Bezug auf Umfang und Form der Zusammenarbeit ein. So reicht
das Spektrum der Angebotsphase von der Angebotsabgabe auf der Basis eines Telefonge-
sprächs bis hin zu bezahlten Vorstudien. Ebenso unterschiedlich sind die Durchführungsfor-
men bei der Implementierungsphase, die von der einfachen Projektbegleitung über die ge-
meinsame Umsetzung im Team mit dem Kunden bis hin zur vollverantwortlichen Realisie-
rung und Umsetzung durch den Berater reichen.
290 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Abbildung 4-07 liefert für diese Phasen einen ersten Überblick über Beratungsinhalte, Bera-
tungsvorgehen und Beratungstechnologien.
Angebots-
Prozess- Kontakt- und
und Vertrags- Ist-Analyse
Ziel-
Soll-Konzept
Realisierungs- Realisierung/ Evaluierung/
schritt Information formulierung planung Umsetzung Kontrolle
gestaltung
Die Vorstellung einer jeden Phase wird so vorgenommen, dass zunächst die Prozessschritte
als Untermenge der Beratungsphase kurz erläutert werden. Es folgt eine kurze Aufzählung der
jeweils zugeordneten Beratungstechnologien sowie eine Beschreibung der wichtigsten Risi-
ken, die innerhalb der jeweiligen Phase auftreten können.
4.2.1 Akquisitionsphase
Die Akquisition eines Beratungsprojektes setzt sich in aller Regel aus den beiden Prozess-
schritten Kontakt- und Informationsbeschaffung und Angebots- und Vertragsgestaltung zu-
sammen und ist quasi das Gegenstück zum Einkaufsprozess der Kundenunternehmen (siehe
3.6.3). Die Besonderheit der Akquisitionsphase liegt darin, dass beide Prozessschritte im
Normalfall nicht Teil des eigentlichen Projektes sind. Die Akquisitionsphase liegt zeitlich vor
der Leistungserstellung (engl. Delivery) und wird in der Regel vom Kundenunternehmen
nicht bezahlt. Dennoch ist sie bei Kontraktgütern für den Verlauf und das Ergebnis des Pro-
jektes von enorm wichtiger Bedeutung. Zum einen wird in dieser Phase entschieden, ob der
Berater den Auftrag für die Projektdurchführung überhaupt erhält. Zum anderen werden hier
die Erwartungshaltungen beider Partner im Hinblick auf das letztlich angestrebte Projekter-
gebnis festgelegt.
Vorgehen und Inhalt dieses Prozessschrittes hängen sehr davon ab, ob es sich um einen Erst-
kontakt, d. h. um ein potentielles Neugeschäft, oder um ein mögliches Folgegeschäft handelt.
Beim Neugeschäft ist das Beratungsproblem zu Beginn dieser Phase in der Regel noch nicht
oder nur unvollständig bekannt, so dass hier die Informationsbeschaffung, die zumeist über
292 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Bei einem möglichen Folgegeschäft (z. B. als Anschlussauftrag) hat der Anbieter bereits den
Nachweis seiner Leistungsfähigkeit erbracht. Auch liegen in einem solchen Fall zumeist mehr
Informationen über die Problemstellung beim Kundenunternehmen als bei einem Erstkontakt
vor. Teilweise wird die Problemstellung auch mit dem Kunden gemeinsam erarbeitet. Dies ist
sehr häufig dann der Fall, wenn es sich bei dem Kundenunternehmen um einen Key Account
handelt und der Key Account Manager versucht, den kundenseitig verlaufenden Auswahl-
und Entscheidungsprozess so zu beeinflussen, dass er letztlich den Auftrag gewinnt.
Inhaltlich gesehen steht die Akquisitionsphase ganz im Zeichen einer generalistischen Infor-
mationsbeschaffung [SCHADE 2000, S. 188]. Daher herrschen in dieser Phase die Beratungs-
technologien zur Informationsbeschaffung und -darstellung vor. Die wichtigste Informations-
quelle ist dazu der mögliche Auftraggeber, also der potentielle Kunde mit seinen Mitarbeitern.
Zu den Beratungstechnologien, die in dieser Phase zum Einsatz kommen können, zählen in
erster Linie:
Obgleich die Akquisitionsphase nicht dem eigentlichen Beratungsprozess angehört, sind die
Risiken im Vorfeld der Leistungserstellung durchaus umfangreich und können erhebliche
Auswirkungen auf das spätere Vertragsverhältnis haben.
Eine besondere Gefahr ist gleich zu Beginn der Kontaktaufnahme gegeben. Hier werden häu-
fig überzogene und falsche Kompetenz- und Leistungsversprechen abgegeben, so dass beim
Kunden eine zu hohe Erwartungshaltung aufgebaut wird. Auch kann der enorme Auftrags-
druck dazu führen, dass Projekte akquiriert werden, die man unter „normalen Umständen“
vielleicht gar nicht weiterverfolgt hätte, weil das Anforderungsprofil des Kundenunterneh-
mens mit dem Leistungsprofil des Beraters keine allzu große Schnittfläche aufweist. Weitere
Risiken liegen naturgemäß darin, dass der Kunde gewisse Informationen zurückhält oder dass
der Berater nicht in ausreichendem Maße in der Lage ist, eine zielführende Bedarfsanalyse zu
führen. Hektisches, unsensibles oder gar keine Nachfragen kennzeichnen allzu oft das unsi-
chere Verhalten des Beraters im Akquisitionsgespräch und führen so zu einer unzuverlässi-
gen Informationsbasis hinsichtlich Aufgaben, Projektablauf, Terminen, sachlichen und perso-
nellen Einsatzmitteln, Zusammensetzung des Projektteams etc.
Hohe Risiken sind naturgemäß mit dem Prozessschritt Angebots- und Vertragsgestaltung ver-
bunden. Insbesondere die Angebots- bzw. Projektkalkulation kann durch falsche Einschät-
zung der zu erbringenden Eigenleistungen, der einzuholenden Fremdleistungen, der umsatz-
abhängigen Kosten, der Projektmanagementkosten etc. eine besonders hohe Risikoposition
einnehmen [vgl. HESSELER 2011a, S. 11 f.].
4.2.2 Analysephase
Die Analysephase setzt unmittelbar nach dem Vertragsabschluss auf. Auch in dieser Phase
stehen die einzuholenden Informationen im Vordergrund. Die Beschaffung, Vertiefung und
Analyse der Informationen konzentrieren sich aber bereits auf das in der Angebotsphase spe-
zifizierte Beratungsproblem. Interviews, standardisierte Fragbögen und Beobachtungen –
letztlich also die Methoden der Marktforschung – dominieren den Informationsbeschaffungs-
teil in der Analysephase.
Die Analysephase setzt sich aus den beiden Prozessschritten Ist-Analyse und Zielformulierung
zusammen.
Inhalt und Umfang der Ist-Analyse hängen vom Problembereich ab. Dieser kann das Unter-
nehmen in seiner Gesamtheit oder einzelne Teilbereiche betreffen. Dabei ist darauf zu achten,
294 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
dass der risiko- und entscheidungsarme Analyseteil nicht unnötig ausgedehnt wird, sondern
der Umfang dieses Prozessschrittes in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der
Problemlösungsphase steht [vgl. NIEDEREICHHOLZ 2008, S. 8].
Zwischen der Ist-Analyse und der Soll-Konzeption ist der Prozessschritt der Zielformulierung
eingefügt. Die Zielformulierung nimmt die Ergebnisse der Ist-Analyse und hier vornehmlich
der Umfeldanalyse sowie der Stärken-/Schwächenanalyse auf und schafft eine einvernehmli-
che Grundlage für die weiteren Projektschritte. Hierbei geht es je nach Problemlösungsbe-
reich um die Festlegung von
Sollten die Ergebnisse der Analyse und die daraus resultierenden Zielformulierungen nicht
den Vorstellungen des Auftraggebers entsprechen (z. B. weil der Berater nichts als „nebulöse“
Vorstellungen präsentiert), so besteht hier häufig noch die Option des Aussteigens [vgl.
SCHADE 2000, S. 195 f.].
Der Prozessschritt Ist-Analyse ist die eigentliche Startphase des Beratungsprojektes. Risiken
liegen hauptsächlich in lückenhaften oder falschen Auftragsinformationen und in einer unge-
klärten Zusammensetzung von Fach- und Informationsteam. Auch erfolgt zuweilen keine sys-
tematische Projekt-Start-up-Sitzung mit einer sorgfältigen Prüfung aller Auftragsinformatio-
nen. Ständige Umwidmung der Ziele, mangelnde Sozialkompetenz des Projektleiters oder
sogar der „Neuverkauf“ des Projektes zählen zu den weiteren Risiken.
Im Prozessschritt Zielformulierung besteht ein besonderes Risiko darin, dass zwischen Auf-
tragnehmer und Auftraggeber keine gemeinsame Vereinbarung über die angestrebten Ziele
einschließlich harter Kriterien wie z. B. Messbarkeit getroffen werden. Auch erfolgt häufig
keine Dokumentation der (Zwischen-)Ergebnisse, so dass eine mühsame Rekonstruktion der
gedanklichen Richtschnur zur Orientierung, Planung, Koordination und Erfolgsmessung er-
forderlich wird [vgl. HESSELER 2011a, S. 14].
4.2.3 Problemlösungsphase
Wichtige Voraussetzung für einen befriedigenden Verlauf der Problemlösungsphase ist, dass
das Problem in den ersten beiden Phasen (Akquisitionsphase und Analysephase) korrekt defi-
niert wurde, die richtigen Informationen zur Verfügung stehen und die Ziele der Problemlö-
sungsphase einvernehmlich bestimmt sind.
Die Problemlösungsphase ist in der Regel die Kernphase eines Beratungsprojekts. Sie lässt
sich in die Projektschritte Soll-Konzept und Realisierungsplanung unterteilen.
Bei diesem Prozessschritt handelt es sich um einen kreativen Prozess, der aufzeigen soll, wie
man von einem analysierten, unbefriedigendem Ist-Zustand zu einem Zustand gelangt, der für
den Auftraggeber wünschenswert ist. Bei komplexeren Auftragsinhalten sind dabei häufig
mehrere Lösungsalternativen plausibel. Sie müssen entwickelt, diskutiert und auf ihren Zieler-
reichungsgrad hin bewertet werden. Die Gestaltungsalternative mit dem höchsten Zielerrei-
chungsgrad und einem möglichst niedrigem Risikowert ist dann das zur Umsetzung empfoh-
lene Soll-Konzept [vgl. NIEDEREICHHOLZ 2008, S. 205].
In diesem Zusammenhang wird immer wieder diskutiert, ob die Analyse- und insbesondere
die Problemlösungsphase als Dienst- oder als Werkvertrag vergeben werden soll. Nur wenn
es sich um eine klar abgegrenzte Aufgabenstellung handelt (z. B. die Erstellung eines Gutach-
tens), bei der das Kundenunternehmen während der Projektlaufzeit weder mitwirkt noch ein-
greift und wo während des Projektes durch die Berücksichtigung zusätzlicher, neuer Erkennt-
nisse kein Mehraufwand entsteht, kann der Berater ohne weitere große Prüfungen einem
Werkvertrag zustimmen. In allen anderen Fällen muss zunächst von den Rahmenbedingungen
eines Dienstvertrages ausgegangen werden.
296 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
In der Problemlösungsphase besteht ein hohes Risiko darin, dass die personellen Zuständig-
keiten und Verantwortlichkeiten für den kompetenten Personaleinsatz nicht oder nur ungenü-
gend vorgenommen werden. Zu spätes Einziehen von Meilensteinen und keine Unterschei-
dung zwischen Zeit- und Terminplanung erzeugen regelmäßig Stress bei allen Projetbeteilig-
ten. Häufig erfolgt keine exakte Berechnung des Bruttozeitbedarfs einschließlich der zusätzli-
chen ungeplanten Aufgaben mit Risikozuschlag, z.B. hinsichtlich Konfliktgesprächen, Ab-
stimmung mit Betriebsrat oder nicht geplanten Nebentätigkeiten (wie z.B. Zwischenpräsenta-
tionen/-berichte, unvorhergesehener Ausfall der IT-Infrastruktur, unproduktive Nebenzeiten
z.B. für Akquisitionen außerhalb des Projekts). Manchmal führen auch „dreiste“ Nachforde-
rungen des Kunden während des Projekts zu einer Gefährdung des Zeitplans [vgl. HESSELER
2011a, S. 14 f.].
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten 297
4.2.4 Implementierungsphase
Der Zweck der abschließenden Implementierungsphase besteht darin, die in der Problemlö-
sungsphase verabschiedeten und abgesicherten Maßnahmen termin- und kostengerecht umzu-
setzen, in der Praxis zu erproben und Auswirkungen auf andere Bereiche zu analysieren. In
den meisten Fällen übernimmt der Kunde in dieser Phase wieder die Hauptverantwortung,
obwohl in diesem Projektabschnitt über den endgültigen ökonomischen Erfolg des Projektes
entschieden wird.
Die Implementierungsphase besteht in der hier gezeigten idealtypischen Form aus den beiden
Prozessschritten Realisierung/Umsetzung und Evaluierung/Kontrolle.
Die Beteiligung des Beraters an diesem Prozessschritt kann in sehr unterschiedlicher Weise
geschehen. Folgende Realisierungsformen können unterschieden werden [vgl. NIEDEREICH-
HOLZ 2008, S. 335 f.]:
Dieser letzte Prozessschritt im Rahmen eines Projektes ist von besonderer Bedeutung für die
weitere Beziehung zwischen Kunde und Berater. Selbst wenn es in den Phasen zuvor Proble-
me und Meinungsverschiedenheiten gegeben hat oder es sogar in der gemeinsamen Arbeit zu
Konflikten gekommen ist, der Berater sollte alles daran setzen, den Auftrag in einer positiven
Grundstimmung abzuschließen. Bei der abschließenden Evaluierung geht es zum einen um
die Bewertung des Beratungserfolgs (Beratungsnutzen) und zum anderen um den Beratungs-
prozess und hier insbesondere um die Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen Beratungs-
und Kundenteam. Letztlich mündet die Evaluierung in die Beantwortung der Fragen, ob der
298 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Kunde mit der Leistung des Beraters und ob der Berater selbst mit der Durchführung und den
Ergebnissen dieses Auftrages zufrieden war [vgl. NIEDEREICHHOLZ 2008, S. 345].
Eine der größten Gefahren in der Implementierungsphase besteht darin, dass die einzelnen
Arbeitspakete nur „irgendwie“ koordiniert werden. Keine Berücksichtigung von Widerstän-
den, Ängsten und Reibungsverlusten sind die Folgen. Ein weiteres Risiko ist die mangelnde
oder zu späte Kommunikation der Lösung vor der Implementierung. Die kommunikative
Schieflage erzeugt eine Misstrauenskultur mit fehlender Offenheit, Einzelkämpfertum, Dienst
nach Vorschrift und Schlechtreden des Projektes gegenüber Dritten. Schließlich kann es zu
einem Kompetenzgerangel zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen im Hinblick auf
die Realisierungsverantwortung kommen.
Auch der letzte Prozessschritt, die Evaluierung und Kontrolle, birgt einige Risiken in sich, die
hauptsächlich auf unklare Vorstellungen vom Procedere des Abschlusses zurückzuführen
sind. So ist häufig keine Fehlerkultur erkennbar, d. h. die eigenen Fehler und Schwächen im
Projektablauf werden nicht offengelegt. Stattdessen werden in solchen Fällen „geschönte“
Präsentationen und Abschlussberichte vorgetragen und der eigene Erfolg gesund gebetet. Der
unprofessionelle Umgang mit Misserfolg führt zu Schuldzuweisungen an Sündenböcke und
offenes Abstreiten der Verantwortung. Schließlich erfolgt auch keine Dokumentation der Er-
fahrungen für nachfolgende Projekte („lessons learnt“) [vgl. HESSELER 2011a, S. 16 f.].
Wenn man diesen Phasenverlauf für Beratungsprojekte zugrunde legt, so ergibt sich zusam-
menfassend die in Abbildung 4-08 dargestellte Übersicht einer Zuordnung von Beratungs-
technologien zu Beratungsphasen. Die Zuordnung ist dabei nach dem Schwerpunktprinzip
erfolgt, da einige Beratungstechnologien durchaus in mehreren Beratungsphasen zum Einsatz
kommen können. Die so gegliederten Beratungstechnologien werden in den nächsten Ab-
schnitten vorgestellt und kurz erläutert.
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten 299
• Kommunikations- • Workshop
techniken • Diskussion
• Kartenabfrage
Kontakt- und • Präsentation
Informations-
beschaffung • Techniken zur Infor- • Auswertung von Sekundärdaten
mationsbeschaffung • Darstellung von Sekundärdaten
Akquisitions- und -darstellung (Company Profiling)
• Primärerhebungen
phase
• Prognosetechniken • Repräsentativbefragung
• Panelbefragung
Angebots- • Expertenbefragung
und Vertrags- • Delphi-Methode
gestaltung • Szenariotechnik
• Trendextrapolation
• Regressionsanalyse
• Projektmanagement- • Prince2
Tools • PMBoK
4.3.1 Kommunikationstechniken
Während der gesamten Akquisitionsphase und während des gesamten Analyseverlaufs, wie
auch später beim Problemlösungs- und Umsetzungsprozess muss der Berater immer wieder
Kommunikationstechniken einsetzen. Die vielleicht wichtigste und umfassendste Kommuni-
kationsform ist der Workshop. Wichtig deshalb, weil der Workshop die Möglichkeit bietet,
sich mit mehreren Personen in Ruhe auf ein Thema zu konzentrieren und die Workshop-
Ergebnisse zugleich auch immer Gruppenergebnisse sind. Umfassend deshalb, weil im Rah-
men eines Workshops auch nahezu alle anderen Kommunikationstechniken wie
x Moderation,
x Diskussion,
x Kartenabfrage und
x Präsentation
zum Einsatz kommen können. Daher steht der Workshop auch im Mittelpunkt dieses Ab-
schnitts.
4.3.1.1 Workshop
Workshops sind Arbeitstreffen, in denen sich Personen in einer ungestörten Atmosphäre ei-
nem speziellen Thema widmen. Die Leitung übernimmt ein Moderator, die Teilnehmer sind
Betroffene oder Beteiligte und das Workshop-Ergebnis sollte über den Workshop hinaus wir-
ken. Inhaltlich kann unterschieden werden zwischen
x Informations-Workshop,
x Problemlösungs-Workshop,
x Konfliktlösungs-Workshop,
x Konzeptions-Workshop und
x Entscheidungs-Workshop.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 301
Workshops machen Sachverhalte und Positionen sichtbar und dienen dem Austausch von Er-
fahrungen, Meinungen und Ideen. Sie können Kontakte herstellen, Vertrauen aufbauen, ge-
meinsame Erlebnisse schaffen und den Teamgeist fördern. Allerdings gibt es keine fertige
Rezeptur für den Workshop. Jeder Workshop hat seine eigene Dramaturgie. Ein möglicher
Workshop-Ablauf, der sich stark an der klassischen Moderationsmethode orientiert, kann aus
folgenden 10 Schritten bestehen [vgl. LIPP/WILL 2008, S. 20 ff.]:
x Schritt 1: Vorbereitungsphase
x Schritt 2: Eröffnung
x Schritt 3: Informationsphase
x Schritt 4: Zielphase
x Schritt 5: Ideensuche und Ordnung
x Schritt 6: Vertiefung
x Schritt 7: Präsentation und Diskussion der Ergebnisse
x Schritt 8: Bewerten und Entscheiden
x Schritt 9: Maßnahmenkatalog
x Schritt 10: Schlusspunkt und Nachsorge
4.3.1.2 Diskussion
Workshops leben vom Informationsaustausch. Die Diskussion ist dafür eine gebräuchliche
Methode. Allerdings ist es wichtig, dass sich Diskussionen nicht endlos hinziehen und dass
dieselben Personen nicht ständig dasselbe sagen. Dafür benötigt man klar umrissene Frage-
stellungen, einen Moderator, der die Diskussion leitet, aber nicht führt und einige Spielregeln.
Zu solchen Spielregeln zählen das
x Mitvisualisieren der Diskussion, so dass alle Teilnehmer das gleiche Verständnis haben,
x Redezeitbegrenzungen, die vorher vereinbart wurden und
x Signalkarten, deren unterschiedliche Farben z. B. „Zustimmung“ oder „Widerspruch“
signalisieren [vgl. LIPP/WILL 2008, S. 61 ff.].
4.3.1.3 Kartenabfrage
Unter dem Aspekt der Informationsgewinnung nimmt die Kartenabfrage eine besondere
Rolle ein, da in Gruppen zumeist mehr Ideen und mehr Know-how vorhanden sind, als nor-
malerweise vermutet wird. Die Kartenabfrage hat den Vorteil, dass nicht nur die rhetorisch
geschickten Teilnehmer oder die Vielredner, sondern alle Teilnehmer „zu Wort“ kommen.
Kein Beitrag geht verloren. Alle Karten sollten gut lesbar geschrieben sein und an eine Sam-
mel-Pinnwand geheftet werden. Wichtig ist schließlich, dass der Moderator Karte für Karte
von der Sammel-Pinnwand abnimmt und – thematisch geordnet – an eine zweite, noch leere
Ordnungs-Pinnwand heftet. Sind alle Karten geordnet, so ergeben sich „Cluster“, die zum
besseren Verständnis mit einer Überschrift, die den thematischen Zusammenhang wiederge-
ben soll, versehen werden [vgl. LIPP/WILL 2008, S. 75 ff.].
302 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
4.3.1.4 Präsentation
Bei einer Präsentation geht es um die Kommunikation von Botschaften, um z. B. die Ergeb-
nisse eines Workshops zusammenfassend darzustellen. Eine Botschaft, die verstanden wird,
basiert zu einem Großteil auf einem überzeugenden Einsatz von Stimme und Körpersprache.
Denn die überzeugendste Botschaft verpufft, wenn sie die Zuhörerschaft nicht richtig erreicht.
Erst die richtige "Verpackung" der Botschaft sorgt dafür, dass sie ihre Wirkung voll entfaltet
und bei den Zuhörern im Gedächtnis haften bleibt. Zu dieser Verpackung zählt der Einsatz
verschiedener Medien. Gerade bei komplexen Themen fällt es den Zuhörern schwer, auf
Dauer konzentriert zu bleiben. Das Visualisieren solcher Themen fördert die Konzentration,
denn optische Reize regen das Interesse an. Außerdem können Inhalte visuell vereinfacht
werden, so dass sie besser im Gedächtnis bleiben.
x Flip-Charts
x Tafeln/Whiteboards
x Moderationswände.
Diese Medien sind dynamisch und bieten sehr gute Interaktionsmöglichkeiten mit den Zuhö-
rern (z. B. durch das gemeinsame Sammeln von Argumenten). Nachteilig ist allerdings, dass
der Redner seiner Zuhörerschaft oft den Rücken zudrehen muss. Auch gibt es je nach Hand-
schrift Schwierigkeiten mit der Leserlichkeit oder zu wenig Platz für die Darstellung auf die-
sen Hilfsmitteln.
Bevor man beginnt, eine Powerpoint-Präsentation vorzubereiten, sollte man sich überlegen,
ob Powerpoint für den eigenen Vortrag auch tatsächlich das beste „Werkzeug“ ist. Ein Vor-
trag, ein Referat oder eine Kundenveranstaltung wird durch den Einsatz von Powerpoint nicht
automatisch besser. Es kann einen Vorteil gegenüber der „klassischen“ Methode mit Over-
head-Folien und Overhead-Projektor darstellen, insbesondere wenn man farbige Fotos, Grafi-
ken, Animationen oder Videos zeigen möchte. Allerdings verführt Powerpoint sehr leicht da-
zu, schnell und unbedacht eine Präsentation per „Copy and paste“ zusammen zu stellen. Das
Werkzeug Powerpoint ist in jedem Fall mit Bedacht einzusetzen und nicht weil es irgendwie
„State-of-the-art“ ist.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 303
Datenquellen können Primärdaten, Sekundärdaten oder eine Mischung aus beiden sein. Pri-
märdaten sind Daten, die speziell für eine bestimmte Fragestellung (erstmalig) erhoben wer-
den. Sekundärdaten basieren auf vorhandenem Informationsmaterial, das bereits für einen
anderen Zweck erhoben wurde. Aus diesen Begriffen leitet sich auch die Einteilung der
Marktforschung in Primärforschung (engl. Field Research) und Sekundärforschung (engl.
Desk Research) ab [vgl. LIPPOLD 2012, S. 87].
Da Sekundärdaten in der Regel schneller und kostengünstiger beschafft werden können als
Primärdaten, wird der Berater zunächst versuchen, auf Sekundärdaten zurückzugreifen. Als
externe Informationsquellen bieten sich an:
x Internet. Im weltweit größten Informationsspeicher (World Wide Web) sind über Such-
maschinen (z. B. GOOGLE, YAHOO, BING) zeitnah und häufig kostenlos umfassende In-
formationen zu den verschiedensten Themen verfügbar.
x Online-Datenbanken. Kommerzielle Online-Datenbanken (z. B. GENIOS, EBSCO,
DATASTAR) haben einen Zugriffsschwerpunkt auf Wirtschaftsdatenbanken bis hin zum
Volltext von Zeitungen und Zeitschriften.
x Wirtschaftsforschungsinstitute. Neben den klassischen Marktforschungsinstituten (z.
B. GFK, A. C. NIELSEN, INFRATEST) hat sich bspw. für den Bereich der Informationstech-
nologie eine Reihe von Market Research-Firmen (z. B. GARTNER, FORRESTER, PAC,
IDC) etabliert, deren Analysen und Rankings insbesondere für IT-
Dienstleistungsunternehmen von Bedeutung sind.
x Informationsdienste. Medien- und Informationsdienste sowie Informationsbroker (z. B.
HOPPENSTEDT, REUTER, VWD) beschaffen firmenspezifische Informationen, erschließen
sie systematisch und bereiten diese anwendergerecht auf.
x Verbände/IHK. Wirtschaftsverbände und -organisationen, Behörden sowie Wirt-
schaftsmagazine bieten (zumeist auch über ihre Webseiten) eine Vielzahl von branchen-
spezifischen Informationen und Berichten an.
x Sonstige. Nützliche Informationen finden sich zudem in der Wirtschafts- und Fachpresse,
in Messekatalogen, Branchenverzeichnissen und Nachschlagewerken (z. B. Statistisches
Jahrbuch mit speziellen Fachserien).
Neben diesen externen Daten bieten aber auch interne Informationsquellen, d. h. Informati-
onen aus den verschiedenen Bereichen und Abteilungen des Kundenunternehmens wichtige
Informationen. Zu diesen unternehmensinternen Quellen zählen Absatz- und Umsatzstatisti-
ken, Außendienstberichte, Kundendateien sowie Berichte früherer Primär- und Sekundärun-
tersuchungen.
304 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Low High
Degree of detail (depths)
Das Company Profiling kann neben seiner Funktion als Informationstool zugleich auch als
Ausbildungstool für neue Mitarbeiter (insbesondere Hochschulabsolventen) herangezogen
werden. Da Hochschulabsolventen nicht sofort in Kundenprojekten eingesetzt werden sollten,
können sie sich auf diese Weise „im Hintergrund“ in relevante Kundenunternehmen und
Branchen sowie in die Handhabung von Werkzeugen wie SWOT oder Benchmarking einar-
beiten. Darüber hinaus ist die Erstellung eines Company Profils eine ideale Übung, um mög-
lichst viele und umfassende Informationen über einen neuen, strategisch wichtigen Vertriebs-
kontakt (engl. Lead) zu bekommen. Auch im Falle eines personellen Wechsels in einem Pro-
jekt leistet das Company Profiling gute Dienste, um die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter in
die Umgebung des Kundenunternehmens zu erleichtern.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 305
4.3.2.3 Primärerhebungen
Zu den wichtigsten Methoden der Primärerhebung zählen die Befragung, die Beobachtung,
das Experiment (Test) sowie als Sonderform das Panel. Für die Informationsbeschaffung im
Rahmen der Akquisitionsphase ist grundsätzlich nur die Befragung (engl. Survey Method)
von Bedeutung. Es kann zwischen Befragungsformen (auch: Befragungsstrategie) und Arten
der Fragestellung (auch: Befragungstaktik) unterschieden werden [vgl. SCHÄFER/KNOBLICH
1978, S. 276 ff.].
In Abbildung 4-10 sind die strategischen und taktischen Elemente einer Befragung gegen-
übergestellt.
(1) Befragungsstrategie
Befragung
Befragungsstrategie Befragungstaktik
(Befragungsformen) (Art der Fragestellung)
Die mündliche Befragung ist im Rahmen der Akquisitions- und Analysephase, bei der die
(Kunden-) Informationen durch einen Berater erhoben werden, sicherlich die bedeutsamste
Befragungsform. Das Interview kann entweder auf Grundlage eines standardisierten Fragebo-
gens, bei dem die Fragen in Form, Inhalt und Reihenfolge festgelegt sind, oder als freies
(nicht-standardisiertes) Interview durchgeführt werden. Beim freien Interview ist dem Inter-
viewer lediglich das Ziel der Befragung vorgegeben. Diese Methode hebt mehr auf die Ge-
winnung qualitativer Tatbestände und weniger auf die Generierung quantitativer Sachverhalte
ab. Die schriftliche Befragung dagegen, bei der die Befragungsteilnehmer die Fragebögen
auf dem Postweg erhalten, ist für Akquisitions- und Analysezwecke des Beraters weniger
geeignet. Eine besondere Form der mündlichen Befragung ist die telefonische Befragung,
bei der die Befragten per Telefon kontaktiert und befragt werden. Die Kosten dieser sehr zeit-
sparenden Befragungsform sind geringer als bei der reinen mündlichen Befragung. Allerdings
ist es sehr schwer, bestimmte Kundenzielgruppen – insbesondere Entscheider – telefonisch zu
erreichen.
306 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich Online-Befragungen, die als Sonderform der schrift-
lichen Befragung aufgefasst werden können. Bei diesen Befragungen haben die Adressaten
die Möglichkeit, einen Online-Fragebogen oder einen per E-Mail zugeschickten Fragebogen
auszufüllen. Die mit dieser Informationsbeschaffungsform einhergehende Anonymität kommt
in der Analysephase beim Kunden allerdings nicht immer gut an.
Abbildung 4-11 fasst die wesentlichen Vor- und Nachteile dieser vier Befragungsformen zu-
sammen.
(2) Befragungstaktik
Nachdem im Rahmen der Befragungsstrategie die grundlegende Entscheidung über die Be-
fragungsform getroffen worden ist, geht es bei der Befragungstaktik um die Fragestellung an
sich. Nach Art der Fragestellung kann unterschieden werden zwischen
Bei der Art der Fragenformulierung kann grundsätzlich zwischen offenen und geschlossenen
Fragen differenziert werden. Die gebräuchlichsten Fragestellungen sind geschlossene Fra-
gen, da sie am leichtesten auszuwerten sind. Bei geschlossenen Fragestellungen werden die
Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Offene Fragen lassen dagegen alle möglichen – also
auch vom Berater zuvor nicht bedachten – Antwortkategorien zu. Die besondere Problematik
dieser Art der Fragestellung liegt in der nachträglichen Kategorisierung und Quantifizierung
der individuellen Antworten und Reaktionen [vgl. SCHÄFER/KNOBLICH 1978, S. 289 ff.].
Eine weitere grundsätzliche Unterscheidung kann in direkte und indirekte Fragen vorgenom-
men werden. Die direkte Fragestellung, bei der der Befragte aufgefordert wird, Auskünfte
über seine Person oder sein Verhalten zu geben, stand lange Zeit im Mittelpunkt der Markt-
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 307
forschung. Bei Fragen insbesondere aus dem Prestigebereich oder bei tabuisierten Themen
kann es jedoch zu Antwortverzerrungen kommen. Daher wird in diesen Bereichen heute die
indirekte Fragestellung bevorzugt. Beispiel: Anstatt zu fragen „Haben Sie schon an einer
SAP-Schulung teilgenommen?“ (direkte Frage), wird man eher folgende Formulierung wäh-
len: „Haben Sie demnächst vor, an einer SAP-Schulung teilzunehmen?“ (indirekte Frage). Bei
einer Bejahung der indirekten Frage, die ja einer Verneinung der direkten Fragestellung
gleichkommt, hat der Befragte nicht das Gefühl, bloßgestellt zu sein.
Neben den Sachfragen, die den Hauptteil einer Befragung darstellen, werden zusätzlich in-
strumentelle Fragen zur Steuerung der Befragung eingesetzt. Dazu zählen Kontakt- und Eis-
brecherfragen zur Einleitung in das Interview, Filterfragen, Kontrollfragen und Plausibilitäts-
fragen zur Überprüfung der Konsistenz der Antworten sowie Fragen zur Person.
4.3.3 Prognosetechniken
Prognosetechniken bzw. Prognoseverfahren lassen sich auf verschiedene Arten einteilen. Hin-
sichtlich des Prognosehorizonts (Fristigkeit) lassen sich kurz-, mittel- und langfristige Prog-
nosen unterscheiden. Darüber hinaus unterscheidet man qualitative und quantitative Techni-
ken sowie nach der Erstellungsperspektive in Top-Down und Bottom-Up. Nach dem Gegen-
stand, auf den sich die Prognose bezieht, unterteilt man in Wirkungsprognosen, Lageprogno-
sen und Entwicklungsprognosen.
Im Rahmen der hier getroffenen Auswahl an Prognosetechniken soll nach der Art der Daten-
basis unterschieden werden [vgl. BEA/HAAS 2005, S. 279 ff.]:
Abbildung 4-12 gibt einen Überblick über die einzelnen Prognosetechniken nach Art der Da-
tenbasis.
308 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Prognosetechniken
auf der Basis von auf der Basis von auf der Basis von auf der Basis von
Befragungen Indikatoren Zeitreihen Funktionen
• Repräsentativbefragung Beispiele: • Verfahren der • Regressionsanalyse
• Panelbefragung • Fehlerquoten Mittelwertbildung • Ökonometrische
• Expertenbefragung • Reklamationen • Verfahren der gleiten- Modelle
• Delphi-Methode • Fluktuationsraten den Durchschnitte
• Szenariotechnik • Umsatzanteile auf • Exponentielle Glättung
Auslandsmärkten • Trendextrapolation
Prognosen auf der Basis von Befragungen zählen zu den qualitativen Prognosetechniken. Die
Repräsentativbefragung stellt eine Prognosetechnik dar, bei der aus einer repräsentativen
Grundgesamtheit eine Stichprobe von Personen gezogen wird, die dann zu einem bestimmten
Themenkomplex befragt werden. Repräsentativbefragungen kommen vor allem im Marke-
tingbereich vor. So wird bspw. im Rahmen von Verbraucherbefragungen das Nachfragever-
halten von Konsumenten in bestimmten Situationen ermittelt und zur Prognose von Absatz-
zahlen verwendet. Die Ergebnisse von Repräsentativbefragungen zu Prognosezwecken sind
zum Teil deutlich besser als die Ergebnisse einfacher quantitativer Prognosetechniken (z. B.
lineare Extrapolationen). Antwortverweigerungen, Unerreichbarkeit von Stichprobenmitglie-
dern oder Verfälschungen/Verzerrungen durch den Interviewer (engl. Interviewer Bias) sind
mögliche methodische Schwächen und damit nicht ganz unproblematisch für dieses Instru-
ment der qualitativen Prognose.
Bei der Expertenbefragung werden nicht jene Personen, die die künftige Entwicklung der
interessierenden wirtschaftlichen Größen direkt beeinflussen (z. B. Käufer), sondern Dritte,
nämlich Experten befragt. Experten begründen mit ihrem Spezialwissen die fachliche Autori-
tät zur Einschätzung zukünftiger Entwicklungen. Dabei ist es die Güte der verfügbaren In-
formationen sowie die Fähigkeit, aus diesen Informationen die entsprechenden Schlüsse zu
ziehen und in Empfehlungen umzusetzen, die einen Experten ausmachen. Solche Personen
sind allerdings rar, so dass für die Mehrzahl von Expertenbefragungen immer nur sehr wenige
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 309
Eine besondere Form der Expertenbefragung ist die Delphi-Methode. Hierbei handelt es sich
um eine schriftliche, mehrphasige und anonyme Befragung von Experten, die zu Beginn der
1960er Jahre von der amerikanischen RAND Corporation entwickelt wurde. Bei jeder neuen
Fragerunde werden die Experten, die aus unterschiedlichen Fachdisziplinen stammen, über
die Ergebnisse der vorherigen Runde informiert. Experten, deren Antworten stark von den
Mittelwerten abweichen, werden aufgefordert, ihre Antworten zu begründen. Diese Begrün-
dungen dienen allen Teilnehmern in der nächsten Runde dazu, ihre abgegebene Meinung zu
überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Durch den beschriebenen organisatorischen Rah-
men nutzt die Delphi-Methode das Wissen mehrerer Experten mit kontrollierter Informations-
rückkopplung. Durch die Wahrung der Anonymität wird gleichzeitig eine Beeinflussung der
Experten untereinander ausgeschlossen. Trotz dieser Vorteile sind die Ergebnisse durch ein
hohes Maß an Subjektivität gekennzeichnet. Nicht auszuschließen ist auch, dass Wunschvor-
stellungen der Experten in das Prognoseergebnis einfließen.
Experten sind auch die Input-Geber bei der Szenariotechnik. Ein Szenario ist die Beschrei-
bung einer zukünftigen Situation und des Pfades, der zu dieser Situation führt. Ziel der
Szenariotechnik ist demnach, mögliche alternative Situationen der Zukunft (Zukunftsbilder)
sowie die Wege, die zu diesen zukünftigen Situationen führen, zu analysieren und zusam-
menhängend darzustellen. Szenarien stellen hypothetische Folgen von Ereignissen auf, um
auf kausale Prozesse und Entscheidungsmomente aufmerksam zu machen. Neben der Darstel-
lung, wie eine hypothetische Situation in der Zukunft zustande kommen kann, werden Varian-
ten und Alternativen dargestellt und aufgezeigt, in welchem Prognosekorridor sich die künfti-
ge Entwicklung voraussichtlich einpendeln wird. Der Prognosekorridor, der das Gesamtbild
der künftigen Handlungssituationen eines Unternehmens widergibt, wird begrenzt durch die
alternativen Ausprägungen für den günstigsten und den ungünstigsten Eintrittsfall.
Abbildung 4-13 zeigt ein anschauliches Bild zur Darstellung von Szenarien in Form eines
sich öffnenden Trichters, dessen Spannweite durch das positive Extrem-Szenario (Best Case)
einerseits und durch das negative Extrem-Szenario (Worst Case) andererseits gekennzeichnet
ist. Auf der Schnittfläche des Trichters befinden sich alternative Szenarien. In der Mitte be-
findet sich das Trendszenario, das dem Ergebnis einer Trendextrapolation entspricht. Alterna-
tive A zeigt ein anderes, für plausible erachtetes Szenario. Durch Eintritt eines Störereignisses
zum Zeitpunkt t1 und der Reaktion zum Zeitpunkt t2 führt dieses Szenario zum Alternativsze-
nario A‘ [vgl. BEA/HAAS 2005, S. 288 f.].
Vordergrund zu stellen. Allerdings hängt die Güte der Prognose – wie letztlich bei allen quali-
tativen Prognoseverfahren – auch hier von subjektiven Einschätzungen der ausgewählten Ex-
perten ab.
Extremszenario
(Best Case)
Störereignis
Szenario A
Ausgangssituation
Szenario A‘
Trendszenario
Reaktion
Extremszenario
(Worst Case)
Gegenwart t1 t2 Zukunft
Bei diesen Prognosetechniken wird die künftige Entwicklung der zu prognostizierenden Grö-
ße aus einer vergleichbaren Entwicklung in einem anderen Bereich abgeleitet. Indikatoren
sind quasi Vorboten, die Hinweise für die Entwicklung der eigentlich interessierenden, jedoch
nur eingeschränkt beobachtbaren Größen in der Zukunft geben. Der Indikator ist ein quantita-
tiver Ausdruck, der der Prognosegröße zeitlich vorgelagert sowie schnell und problemlos zu
ermitteln ist. Zwischen Indikator und Prognosegröße besteht aber kein Ursache-Wir-
kungszusammenhang sondern die Gültigkeit eines „Symptomgesetzes“, d. h. die vorgelagerte
Entwicklung des Indikators ist symptomatisch für die Entwicklung der Prognosegröße. Daher
ist es von zentraler Bedeutung, dass die gewählten Indikatoren gute „Frühinformationseigen-
schaften“ besitzen.
Prognosen auf der Basis von Indikatoren werden besonders häufig in der Volkswirtschaft ab-
gegeben. Der Geschäftsklimaindex des IFO-INSTITUTS oder der Konsumklimaindex der GFK
sind typische Frühindikatoren in diesem Bereich. Frühindikatoren im direkten Unternehmens-
bereich sind bspw.
Mit dieser Art der betriebswirtschaftlichen Frühwarnsysteme gehen die Prognosen auf Basis
von Indikatoren zwar deutlich über die Kennzahlensysteme des klassischen Rechnungswesens
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 311
hinaus, durch den monokausalen Zusammenhang zwischen dem Indikator und der
Prognosegröße bleiben die Prognoseergebnisse aber stark eingeschränkt.
Verfahren der Zeitreihenanalyse dienen der Abschätzung von Gesetzmäßigkeiten, die sich
aus der zeitlichen Abfolge von Beobachtungswerten ergeben. Eine Zeitreihe ist demnach eine
Folge von zeitlich hintereinander erhobenen Beobachtungswerten eines Merkmals.
Die einfachste Form der Zeitreihenanalyse ist das Verfahren der Mittelwertbildung. Hier-
bei wird aus der Berechnung des einfachen arithmetischen Mittels aus einer Reihe von Ver-
gangenheitswerten direkt ein Prognosewert abgeleitet.
Eine weitere Prognosetechnik auf der Basis von Zeitreihen ist die Methode der gleitenden
Durchschnitte. Es handelt sich dabei um ein Verfahren zur Glättung von Zeitreihen. Typi-
sche Beispiele für Zeitreihen sind:
Die Glättung von Zeitreihen setzt voraus, dass innerhalb der Zeitreihe (kurzfristige) Schwan-
kungen zyklisch auftreten (z. B. das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel) und dass die Werte
gleiche Abstände aufweisen (Jahr, Monat, Woche, Tag). Ein gleitender Durchschnitt wird aus
einer gleichbleibenden Anzahl zeitlich benachbarter Beobachtungswerte als Folge von arith-
metischen Mitteln berechnet und dem in der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls liegenden
Zeitpunkt zugeordnet. Das Zeitintervall kann dabei sowohl aus einer geraden, als auch aus
einer ungeraden Zahl von Werten bestehen. Wichtig ist, dass das Zeitintervall mit dem zu-
grunde liegenden Zyklus übereinstimmt. Soll die Gleichgewichtung der Vergangenheitswerte
aufgehoben und die aktuellen Daten stärker berücksichtigt werden, so kann man die gleiten-
den Durchschnitte unterschiedlich gewichten (Verfahren der gewogenen gleitenden Durch-
schnitte). Der Vorteil gegenüber der Regressionsmethode liegt darin, dass man keinerlei
Vorwissen über den Funktionstyp des Trends benötigt. Die größte Schwierigkeit der Methode
liegt in der richtigen Auswahl des Zyklus.
Bei der Trendextrapolation wird versucht, den bisherigen Datenverlauf (Trend) durch eine
Funktion zu beschreiben, deren Verlauf dann in die Zukunft fortgeschrieben wird. Hierbei
wird die vorherzusagende Größe (z. B. Preise, Umsätze, Kosten) allein anhand des Kriteriums
der Zeit ermittelt. Es wird also bewusst darauf verzichtet, die unterschiedlichen Einflussfakto-
ren, die für den Verlauf der vorherzusagenden Größe ausschlaggebend sind, einzeln auszu-
weisen. Dabei geht die Trendextrapolation von der Grundannahme aus, dass die in der Ver-
gangenheit wirkenden Einflussfaktoren auch in der Zukunft gelten. Bevor der Trend für eine
Zeitreihe berechnet werden kann, muss zunächst über den Funktionstyp – linear, exponentiell
oder logistisch – entschieden werden (siehe Abbildung 4-14). Ist die Entscheidung über den
Funktionstyp gefallen, so erfolgt das Anpassen der Trendfunktionen an eine Zeitreihe durch
312 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Schätzen der Parameter (a, b, ...) auf der Basis dieser Daten. Dazu wird zumeist die Methode
der kleinsten Quadrate verwendet (siehe dazu auch den nächsten Abschnitt).
ࡿ
y y y ࢟ ࢚ ൌ
ࢋࢇି࢈࢚
࢟ሺ࢚ሻ ൌ ࢇ ࢈࢚ ࢟ሺ࢚ሻ ൌ ࢇ࢈࢚
t t t
Die Regressionsanalyse ist das wichtigste Verfahren, um funktionale bzw. kausale Zusam-
menhänge auszudrücken. Je nachdem, ob die Prognose auf der Grundlage einer oder mehrerer
Einflussgrößen erfolgt, sind einfache und multiple Regressionsmodelle zu unterscheiden.
Ebenso wie bei der Zeitreihenanalyse wird auch bei der Regressionsanalyse von einer
Extrapolierbarkeit der Vergangenheitswerte in die Zukunft ausgegangen.
Bei der Einfachregression wird unterstellt, dass das erste Merkmal (X) unabhängig und das
zweite Merkmal (Y) vom ersten Merkmal abhängig ist. Diesen Zusammenhang beschreibt die
Regressionsfunktion
y = f(x) .
Welches Merkmal unabhängig und welches abhängig ist, richtet sich nach der vermuteten
Kausalität. In der Betriebswirtschaft ist die erklärte (abhängige) Variable Y sehr häufig eine
Zielgröße (Gewinn, Umsatz), während die erklärende (unabhängige) Variable X eine
Instrumentgröße (Preis, Werbeausgaben) ist (siehe Abbildung 4-15). Als Regressionsfunktion
wird meist eine lineare Funktion gewählt, weil dies die einfachste Form der Abhängigkeit ist:
y=a+bx.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung 313
Eine solche Funktion hat allerdings nur approximativen Charakter, d. h. dass beim Einsetzen
von tatsächlichen zweidimensionalen Beobachtungswerten
(xt, yt) (t = 1,2, …)
fast immer eine Abweichung ut zwischen dem Beobachtungswert der abhängigen Variablen
yt und dem Funktionswert f (xt) auftritt. Unter Berücksichtigung dieser empirischen Abwei-
chung lautet das lineare Regressionsmodell
yt = a + b xt + ut (t = 1,2,…).
Unabhängige Abhängige
Beispiel
Variable Variable
Im Rahmen der Regressionsanalyse sind nunmehr zwei Fragen zu beantworten [vgl. WEWEL
2011, S. 102]:
x Wie können die beiden Regressionskoeffizienten a und b, die als Lageparameter den Ver-
lauf der Geraden beschreiben, optimal passend zu den vorliegenden Beobachtungswerten
bestimmt werden?
x Wie lässt sich die Aussagefähigkeit der ermittelten Regressionsfunktion und damit die
Güte der aus ihr abgeleiteten Prognosen beurteilen?
Zur optimalen Anpassung der beiden Lageparameter a und b wird die Methode der kleinsten
Quadrate angewandt, nach der die Summe der quadrierten Fehler minimiert wird. Im
Streuungsdiagramm wird also diejenige Gerade gesucht, deren Summe der quadrierten senk-
rechten Abstände zu den einzelnen Beobachtungswerten am kleinsten ist. Für das lineare Reg-
ressionsmodell bedeutet das:
௧ୀଵ ݑ௧ଶ ൌ ௧ୀଵሺݕ௧ െ ܽ െ ܾݔ௧ ሻଶ → min!
Nach einigen Umformungen erhält man folgende Werte für die beiden Regressionsparameter:
σ ത
సభ ௫ ௬ ି௫ҧ ௬
a = ݕത – b ݔҧ und b= σ మ మ
సభ ௫ ି௫ҧ
314 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Schätzformel für b, die den Anstieg der Regressionsgeraden angibt, zeigt folgenden Zu-
sammenhang zur Korrelation der Merkmale X und Y:
Können solche Wirkungsbeziehungen nicht mit der Regressionsanalyse gelöst werden, müs-
sen sie in einem Simulationsmodell formuliert und programmiert werden. Mehrgleichungs-
modelle sind Bestandteil weiterführender ökonometrischer Verfahren. Der Erfolg von
Mehrgleichungsmodellen zu Prognosezwecken ist allerdings wie bei allen ökonometrischen
Verfahren in erster Linie von der Güte der Schätzung der unabhängigen (nicht durch das Mo-
dell bestimmten) Variablen abhängig, so dass sich das Prognoseproblem lediglich auf eine
frühere Stufe vorverlagert, nicht jedoch prinzipiell gelöst wird. So gesehen scheinen Progno-
sen auf der Grundlage von Befragungen aufgrund ihrer Offenheit gegenüber einem breiten
Spektrum von unterschiedlichen Informationen am ehesten geeignet, strategisch relevante
Veränderungen frühzeitig zu erkennen [vgl. MACHARZINA/WOLF 2010, S. 841; BEA/ HAAS
2005, S. 286].
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 315
Die Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse zählen zu den beliebtesten
und bekanntesten Managementwerkzeugen. Ziel dieser Werkzeuge ist es, Verbesserungspo-
tenziale zu identifizieren. Hierzu werden im Folgenden mit
x der SWOT/TOWS-Analyse,
x dem Five-Forces-Modell,
x der Analyse der Kompetenzposition,
x der Wertkettenanalyse und
x dem Benchmarking
fünf Konzepte vorgestellt, die sich durch Benutzerfreundlichkeit und einen recht hohen An-
wendungsnutzen auf dem Gebiet der Situationsanalyse eines Unternehmens auszeichnen.
4.4.1.1 SWOT/TOWS-Analyse
Eines der bekanntesten Hilfsmittel für eine solche Systematisierung ist die SWOT-Analyse.
Hier werden in einem ersten Schritt Stärken (engl. Strengths) und Schwächen (engl. Week-
nesses), die in der Unternehmensanalyse identifiziert wurden, gegenübergestellt und eine
Stärken-Schwächen-Analyse erstellt. Stärken machen ein Unternehmen wettbewerbsfähiger.
Dazu zählen die besonderen Ressourcen, Fähigkeiten und Potenziale, die erforderlich sind,
um strategische Ziele zu erreichen. Schwächen sind dagegen Beschränkungen, Fehler oder
Defizite, die das Unternehmen vom Erreichen der strategischen Ziele abhalten. Dieser Teil
der SWOT-Analyse, der sich aus einer kritischen Betrachtung des Mikro-Umfeldes ergibt, ist
gegenwartsbezogen.
Der zweite Schritt der SWOT-Analyse bezieht sich auf das Makro-Umfeld des Marketings. Er
ist in die Zukunft gerichtet und stellt die identifizierten Chancen und Möglichkeiten (engl.
Opportunities) den Risiken bzw. Bedrohungen (engl. Threats) gegenüber (Chancen-Risiken-
Analyse). Möglichkeiten bzw. Chancen sind alle vorteilhaften Situationen und Trends im
Umfeld eines Unternehmens, die die Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Leistungen
unterstützen. Bedrohungen bzw. Risiken sind dagegen die ungünstigen Situationen und
Trends, die sich negativ auf die weitere Entwicklung des Unternehmens auswirken können.
Das Ergebnis dieser beiden Analysen ist ein möglichst vollständiges und objektives Bild der
Ausgangssituation (Wo stehen wir?).
Die SWOT-Analyse ist eines der ältesten Tools für die Strategieentwicklung. Sie stellt eine
gute Übersicht und Zusammenfassung der Ausgangssituation sicher. Das SWOT-Tool bietet
316 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Abbildung 4-16 zeigt das Grundmodell der SWOT-Analyse mit beispielhaften Stärken,
Schwächen, Chancen und Risiken.
x SO-Strategien basieren auf den vorhandenen Stärken eines Unternehmens und zielen
darauf ab, die Chancen, die sich im Unternehmensumfeld bieten, zu nutzen.
x ST-Strategien basieren ebenfalls auf den vorhandenen Stärken. Sie haben aber das Ziel,
diese Stärken zu nutzen, um drohende Risiken abzuwenden oder doch mindestens zu mi-
nimieren.
x WO-Strategien sollen interne Schwächen beseitigen, um die bestehenden Chancen nut-
zen zu können. Auf diese Weise sollen die betreffenden Schwächen in Stärken transfor-
miert werden, um dann mittelfristig eine SO-Position zu erlangen.
x WT-Strategien haben schließlich das Ziel, die Gefahren im Umfeld durch einen Abbau
der Schwächen zu reduzieren. Die Kombination aus Schwächen und Risiken ist zweifel-
los für ein Unternehmen die gefährlichste Konstellation, die es zu vermeiden gilt.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 317
Die TOWS-Struktur kann hilfreich bei der Strukturierung und Entwicklung alternativer Stra-
tegien sein. Daher ist der TOWS-Ansatz vom Einsatzbereich her gesehen nicht den „Tools der
Situationsanalyse“, sondern den „Tools zur Strategiewahl“ zuzurechnen. Durch die unmittel-
bare Verbindung zum Grundmodell der SWOT-Analyse ist der TOWS-Ansatz bereits an die-
ser Stelle aufgeführt.
In Abbildung 4-17 ist das TOWS-Diagramm widergegeben, das die vier Kombinationen und
strategischen Richtungen beschreibt.
Stärken Schwächen
(Strengths) (Weeknesses)
(Opportunities)
Chancen
SO-Strategien: WO-Strategien:
ST-Strategien: WT-Strategien:
(Threats)
4.4.1.2 Five-Forces-Modell
Ein weiterer Ansatz zur Systematisierung der Situationsanalyse ist das Five-Forces-Modell
von MICHAEL E. PORTER. Dieses Konzept der Branchenstrukturanalyse stellt folgende fünf
Wettbewerbskräfte (engl. Five Forces) als zentrale Einflussgrößen auf die Rentabilität einer
Branche in den Mittelpunkt der Analyse [vgl. PORTER 1995, S. 25 ff]:
x Verhandlungsmacht der Kunden
x Verhandlungsmacht der Lieferanten
x Rivalität der Wettbewerber untereinander
x Bedrohung durch künftige Anbieter
x Bedrohung durch Substitutionsprodukte.
Die Verhandlungsstärke der Abnehmer wirkt sich direkt auf die Rentabilität einer Branche
aus. Dies gilt vor allem dann, wenn die Konzentration auf dem Absatzmarkt besonders hoch
ist und die Produkte nur wenig differenziert und damit leicht austauschbar sind. Ein Beispiel
dafür ist der Preisdruck von großen Handelsunternehmen/Handelsketten, den diese aufgrund
ihrer starken Verhandlungsposition auf Konsumgüterhersteller ausüben.
318 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Je stärker die Verhandlungsmacht der Lieferanten auf einem Markt ausfällt, desto geringer
ist der Gewinnspielraum auf der Abnehmerseite. Eine starke Verhandlungsmacht ist immer
dann zu erwarten, wenn eine relativ geringe Anzahl von Lieferanten in einem bestimmten
Marktsegment einer großen Anzahl von Abnehmern gegenübersteht. Ein Beispiel hierfür ist
der Verhandlungsdruck der Anbieter klassischer Markenartikel auf den Facheinzelhandel, für
den die betreffenden Inputgüter von hoher Bedeutung sind und eine Substitution durch Er-
satzprodukte nur bedingt möglich ist.
Die Rivalität der Wettbewerber untereinander wird vor allem beeinflusst durch die Anzahl
der Marktteilnehmer, durch die Marktgröße und durch die Stellung der Branche im Lebens-
zyklus. So ist eine hohe Wettbewerbsintensität vor allem dann zu erwarten, wenn
x die in der Branche vorhandenen Kapazitäten nicht ausgelastet sind,
x sich die Produkte bzw. Dienstleistungen nicht stark differenzieren,
x ein Anbieterwechsel ohne große Umstellungskosten vorgenommen werden kann und
x hohe Marktaustrittsbarrieren bestehen, die dazu führen, dass unrentable Kapazitäten im
Markt verbleiben [vgl. FINK 2009, S. 178 f.].
Die Bedrohung durch neue Anbieter hat dann Einfluss auf die Rentabilität einer Branche,
wenn potentielle Anbieter auch tatsächlich in den Markt eintreten. Denn mit steigender An-
zahl der Wettbewerber sinkt der durchschnittliche Anteil eines Anbieters am Branchenumsatz
bzw. Branchengewinn. Für den Zugang neuer Anbieter spielen die Markteintrittsbarrieren
eine wichtige Rolle. Diese sind umso höher, je stärker die Käuferloyalität, je ausgeprägter die
Produktdifferenzierung, je schwieriger der Zugang zu bestehenden Distributionssystemen und
je höher die Umstellungskosten auf der Abnehmerseite sind. Ein aktuelles Beispiel für das
Bedrohungspotential neuer Anbieter ist der zunehmende Drang der Hardwarehersteller in das
IT-Beratungsgeschäft.
Die Bedrohung durch Substitutionsprodukte oder durch neue Technologien ist umso grö-
ßer, je besser das Preis-/Leistungsverhältnis gegenüber den brancheneigenen Produkten aus-
fällt. Ähnlich wie bei den Markteintrittsbarrieren ist auch hier zu untersuchen, wie gut sich
die Branche oder einzelne Unternehmen gegen Ersatzprodukte zur Wehr setzen können. Die
Bedrohung der Handys durch Smartphones ist das derzeit wohl markanteste Beispiel für diese
Wettbewerbskraft. Andere Beispiele sind Kunststoff vs. Glas, Kontaktlinsen vs. Brillen, digi-
tale vs. analoge Technologien.
Abbildung 4-18 stellt die fünf Triebkräfte des Branchenwettbewerbs im Zusammenhang dar.
Ist die entsprechende Einschätzung für alle fünf Triebkräfte durchgeführt, kann es im nächs-
ten Schritt darum gehen, den Einfluss der fünf Marktkräfte besser zu kontrollieren und ggf. zu
reduzieren. Dabei geht es im Einzelnen um Maßnahmen
x zur Minderung der Verhandlungsmacht der Abnehmer (z. B. durch Etablierung von Part-
nerschaften mit den Käufern, Erhöhung der Anreiz- und Bonussysteme, Einsatz von
Supply Chain Management),
x zur Einschränkung der Verhandlungsmacht der Lieferanten (z. B. durch Bildung von Al-
lianzen, Verwendung von Supply Chain Management, Vorwärtsintegration (Aufkauf ei-
nes Lieferanten)),
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 319
Mitbewerber
Verhand- Verhand-
Lieferanten lungsmacht Rivalität/ lungsmacht Kunden
Rivalität/
Konkurrenz
Konkurrenz
Ersatzprodukte
che wird meistens mit wesentlichen „härteren Bandagen“ um das verbleibende Umsatzpoten-
tial konkurriert.
Verbindet man das Lebenszykluskonzept mit den Five Forces, so lässt sich die Dynamik der
Branchenstruktur wie in Abbildung 4-19 dargestellt beschreiben.
Sättigung/
Einführung Wachstum Reife
Rückgang
Absatz
Verhandlungsmacht
Hoch Gering Ansteigend Hoch
der Abnehmer
Verhandlungsmacht
Gering Ansteigend Hoch Gering
der Lieferanten
Oligopolistisches Ver-
Rivalität der Gering, da Unsicher- Zunehmende Abhän- Hohe Rivalität falls
halten ohne Wettbe-
Wettbewerber heit sehr groß gigkeit Austritt nicht möglich
werbskampf
Bedrohung durch
Hoch Gering Ansteigend Hoch
Ersatzprodukte
Das Konzept des Branchenlebenszyklus wird in der wissenschaftlichen Literatur ebenso kri-
tisch diskutiert wie PORTERS Five Forces. Zwar ist unstrittig, dass Branchen – ebenso wie
Produkte oder Dienstleistungen – einen Lebenszyklus durchlaufen, allerdings ist es nahezu
unmöglich, die Lebenszyklusphase zu bestimmen, in der sich eine Branche oder ein Ge-
schäftsfeld gerade befindet. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich nähere Erkenntnisse über
den konkreten Verlauf der Lebenszykluskurve in aller Regel erst rückblickend gewinnen las-
sen. Eine fundierte Prognose im Hinblick auf die Verweildauer einer Branche oder eines Ge-
schäftsfeldes in den einzelnen Zyklusphasen ist im Vornhinein kaum möglich [vgl. FINK
2009, S. 180].
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 321
Insert
Sind PORTERS Five Forces noch gültig?
von Dagmar Recklies
Innerhalb des letzten Jahrzehnts und beeinflusst geschehen, das sehr stark von dem rasanten Fort-
durch die sich entwickelnde Internet-Ökonomie wur- schritt der Informationstechnologie geprägt ist, kann
den PORTERS Ideen zunehmend in Frage gestellt. Die eine erfolgreiche Strategie nicht mehr allein auf Basis
Kritik führt dabei an, dass sich die wirtschaftlichen von PORTERS Modellen entwickelt werden.
Rahmen-bedingungen inzwischen grundlegend geän-
dert haben. Der Siegeszug des Internet und der viel- Wenn man aus alledem jedoch schlussfolgert, dass
fältigen E-Business-Anwendungen haben die Dyna- PORTERS Modelle heute zur Strategiefindung nicht
mik nahezu aller Branchen stark beeinflusst. mehr geeignet sind, muss man auch bedenken, dass
eine Strategie nie nur auf einigen ausgewählten
Tatsächlich stellen PORTERS Theorien auf die in den Managementmodellen basieren sollte. Strategieent-
80ern vorherrschende wirtschaftliche Situation ab. wicklung muss stets auf einer sorgfältigen Analyse
Diese war gekennzeichnet durch starken Wettbe- aller internen und externen Faktoren sowie ihrer
werb, zyklische Konjunkturentwicklungen und ein möglichen Veränderungen aufbauen. Dies ist keine
relativ stabiles Marktumfeld. PORTERS Modelle stellen neue Erkenntnis. Außerdem hat das Umschlagen der
hauptsächlich auf eine Betrachtung der aktuellen Dot-com-Euphorie in zahlreiche Crashs schmerz-haft
Situation (Kunden, Lieferanten, Wettbewerber etc.) gezeigt, dass die wirt-schaftlichen Grundgesetze
sowie auf vorhersehbare Entwicklungen (neue Markt- auch für die New Economy bzw. die Informations-
teilnehmer, Substitute) ab. Wettbewerbsvorteile erge- ökonomie gelten. Genau darin liegt die dauerhafte
ben sich danach aus einer dauerhaften Stärkung der Bedeutung von PORTERS Modellen. PORTER ist
eigenen Position innerhalb des Fünf-Kräfte-Systems. Wirtschaftswissenschaftler. Sein Modell der Fünf
Damit können die Modelle nicht auf extrem dynami- Kräfte basiert letztlich auf den Gesetzen der Mikro-
sche Entwicklungen oder Transformationsprozesse ökonomie, die es anschaulicher und allgemeiner
ganzer Branchen eingehen. Tatsächlich sind in den darstellt. PORTER spricht von der Attraktivität einer
letzten Jahren mit der Digitalisierung, Globalisierung Branche, die durch die fünf Triebkräfte beeinflusst
und Deregulierung neue Triebkräfte zur Wirkung ge- wird; in der Mikroökonomie beeinflusst die Konstel-
kommen, die von PORTERS Theorien nur unzurei- lation bzw. Ausprägung der Faktoren die Gewinn-
chend einbezogen werden. In dem heutigen Markt- maximierung bzw. Monopolgewinne.
Illustration am Rande:
In einer Vorlesung, an der die Autorin teilnahm, gab ternehmen analysiert und hat es dann geschafft, die
der Professor seine ganz persönliche Beurteilung zu ganze Mikroökonomie in einem einzigen völlig
PORTERS Modellen zum Besten: simplen Modell zusammenzufassen. Deshalb sind
nun alle anderen Wirtschaftswissenschaftler sauer
„Porters Fünf Kräfte Modell ist banal. Das ist nichts auf ihn – weil sie sich ärgern, dass ihnen selbst so
als Mikroökonomie. Der Mann hat sich ein paar Jahre etwas offensichtliches nicht eingefallen ist.“
in einer Bibliothek eingeschlossen und ein paar Un-
Will sich ein Unternehmen in einem neuen Geschäftsfeld engagieren, so muss es prüfen, ob
die entsprechend erforderlichen Kompetenzen bereits im Unternehmen vollumfänglich vor-
handen sind oder ob diese durch Akquisitionen, Fusionen oder Partnerschaften ergänzt wer-
den müssen.
Zur Analyse der Kompetenzposition eines Unternehmens bietet sich die in Abbildung 4-20
dargestellte Vier-Felder-Matrix an. Auf der Abszisse ist die relative Kompetenzstärke eines
Unternehmens im Vergleich zu seinen relevanten Wettbewerbern in dem betrachteten Ge-
schäftsfeld erfasst. Das damit angeführte Kriterium der Kernkompetenz (engl. Core
Competences) besagt, dass die entsprechende Kompetenz nur schwer imitierbar und vor dem
Zugriff durch Wettbewerber geschützt sein muss. HAMAL/PRAHALAD definieren Kernkompe-
tenz als „the collective learning in the organization, especially how to coordinate diverse
production skills and integrate multiple streams of technology”. Sie führen weiter aus, dass
sich Wettbewerbsvorteile vor allem aus der Fähigkeit ergeben, solche Kombinationsprozesse
schneller und preiswerter vornehmen und damit Kernkompetenzen besser als andere Unter-
nehmen bündeln zu können [vgl. HAMAL/PRAHALAD 1990, S. 79 ff.].
Kundenwert
Kompetenzlücken Kernkompetenzen
hoch Option: Option:
Selektives In-/Outsourcing Insourcing
Standardkompetenzen Kompetenzpotenziale
Relative
Kompetenzstärke
schwach hoch
Auf der Ordinate ist der Kundenwert einer Kompetenz abgetragen. Damit wird dem Um-
stand Rechnung getragen, dass der Nutzen einer Kernkompetenz von den Kunden durchaus
unterschiedlich wahrgenommen wird. Als Grundlage für die Bestimmung des Kundenwertes
dienen Umwelt- und Unternehmensanalysen, aus denen die externen Erfolgsfaktoren des
Wettbewerbs in dem betrachteten Geschäftsfeld hervorgehen (z. B. ein attraktiver Preis). Auf
der Grundlage der relativen Kompetenzstärke einerseits und des Kundenwertes der betrachte-
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 323
ten Kompetenzen anderseits lassen sich die vier in Abbildung 4-26 dargestellten Kompetenz-
kategorien ableiten [vgl. FINK 2009, S. 181 ff. und HINTERHUBER 1996, S. 130 f.]:
4.4.1.4 Wertkettenanalyse
Auch bei der Wertkettenanalyse geht es um eine Systematisierung der Ausgangssituation von
Unternehmen mit dem Ziel, Prozessoptimierungen vorzunehmen. Sie untersucht alle kosten-
und gewinntreibenden Prozesse und Teilprozesse und gibt Antwort auf die Frage: Wo entste-
hen welche Kosten und welcher Mehrwert wird dabei geschaffen? Die Wertkettenanalyse
basiert auf der Annahme, dass jedes vorherige Glied (Aktivität) in der Wertkette einen Mehr-
wert bzw. eine Wertschöpfung für das nachfolgende Glied bietet. Wertschöpfung bezeichnet
den Prozess des Schaffens von Mehrwert, der wiederum die Differenz zwischen dem Wert der
Abgabeleistungen und der übernommenen Vorleistungen darstellt [vgl. MÜLLER-
STEWENS/LECHNER 2001, S. 287].
324 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Das Konzept der Wertkette (engl. Value chain), das in Abschnitt 2.1.2 bereits einführend be-
handelt wurde, entspricht im Kern der traditionellen betrieblichen Funktionskette Beschaffung
– Produktion – Absatz. Neu am Wertketten-Konzept ist jedoch der Grundgedanke, „den Leis-
tungsprozess zum Gegenstand strategischer Überlegungen zu machen und die Prozesse der
Wertkette als Quellen für Kosten- oder Differenzierungsvorteile gegenüber Wettbewerbern zu
betrachten“ [BEA/HAAS 2005, S. 113].
Entscheidend für das Unternehmen ist daher die Frage, ob die vorhandenen Ressourcen ziel-
orientiert eingesetzt werden. Dies gilt einmal nach innen, d. h. hinsichtlich der Optimierung
ihres Beitrags zur Wertschöpfung des Unternehmens und andererseits nach außen, d. h. in
Bezug auf die Entwicklung und den Erhalt von relativen Wettbewerbsvorteilen und den damit
verbundenen Nutzenpotentialen. Die Idee der strategischen Kostenanalyse auf Wertkettenba-
sis gründet demzufolge auf der Tatsache, dass die einzelnen Wertaktivitäten einerseits Ab-
nehmernutzen schaffen und andererseits Kosten verursachen. Als strategische Richtung von
Wertschöpfungsmodellen kommen daher grundsätzlich Kostenminimierung oder Nutzen-
bzw. Erlösmaximierung in Frage. Wird Kostenminimierung als Zielsetzung gewählt, werden
im Rahmen der Wertkettenanalyse Rationalisierungspotentiale gesucht und als Konsequenz
Prozesse bzw. Wertschöpfungsstufen eliminiert. Ist die Wertkettenanalyse wiederum eher
Nutzen- bzw. Erlöszielen verpflichtet, so werden insbesondere jene Aktivitäten verfolgt, die
sich möglicherweise positiv auf das Erlöswachstum auswirken.
In der Praxis wird die Abgrenzung der einzelnen Wertaktivitäten von Unternehmen zu Unter-
nehmen und von Geschäftseinheit zu Geschäftseinheit variieren. Das liegt daran, dass sich die
Bestimmung einer Wertkette häufig als sehr aufwändig erweist, so dass bei einer standardi-
sierten Analyse der Erkenntnisgewinn bisweilen in keiner Relation zum notwendigen Auf-
wand steht. Es müssen also vorab jene Aktivitäten/Prozesse ausgewählt werden, die einen
großen Teil des Ressourceneinsatzes ausmachen und gleichzeitig bedeutende Beiträge zur
Wertschöpfung und zur Sicherung der Wettbewerbsposition bringen. Bei dieser Abgrenzung
sind folgende Prinzipien zu berücksichtigen [vgl. BEA/HAAS 2005, S. 113]:
In der Praxis reicht es häufig nicht aus, lediglich die unternehmenseigenen Wertketten mit den
dahinter liegenden Ressourcen zu analysieren, um Wettbewerbsvorteile zu identifizieren. In
einer hocharbeitsteiligen und komplexen Wirtschaft muss das Gesamtsystem gesehen werden,
mit dem die eigenen Wertketten vernetzt sind. Innerhalb eines solchen Wert(ketten)systems
(engl. Value System) gibt es eine Vielzahl an möglichen Leistungsbeziehungen. So ist es z. B.
im Falle eines Mischkonzerns denkbar, dass einzelne Produktionsketten dieselben Vorleistun-
gen beziehen und die daraus realisierbaren Verbundeffekte Wettbewerbsvorteile begründen.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 325
Sobald das Prozessmodell, die Prozessschritte und Sequenzen für die Wertketten bestimmt
sind, müssen jeder Aktivität als Kettenglied die vollen Kosten und andere angebrachte Leis-
tungsindikatoren zugefügt werden. Dabei sind (Aktivitäts-) Einzelkosten wie Löhne und Be-
triebsmittel den entsprechenden Aktivitäten direkt zuzurechnen. (Aktivitäts-) Gemeinkosten
wie Gehälter im Support-Bereich oder Anlagen sind anteilig jenen Aktivitäten zuzuordnen,
die sie verursachen. Allerdings ist bei dieser Kostenzuordnung, die sowohl in absoluten Zah-
len als auch in Prozentangaben erfolgen kann, keine rechnerische Präzision erforderlich [vgl.
BEA/HAAS 2005, S. 325].
In Abbildung 4-21 ist ein fiktives Beispiel aus dem verarbeitenden Gewerbe für die Zuord-
nung von Kosten zu einzelnen Teilprozessen in Form von Prozentangaben dargestellt.
Logistik
Ausgangs- Kunden-
Einkauf und Lager- Fertigung Marketing Vertrieb
logistik dienst
15% haltung 35% 6% 10%
5% 4%
5%
Qualitätskontrolle 2%
Personal 8%
IT 7%
Finanzen 3%
Abb. 4-21: Beispiel für die Kostenverteilung einer Wertschöpfungskette in der Industrie
[in Anlehnung an ANDLER 2008, S. 173]
326 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Grenze zwischen den primären Aktivitäten (Kernaktivitäten) und den sekundären Aktivi-
täten (Supportaktivitäten) ist fließend und hängt hauptsächlich von der Branche und den je-
weiligen Unternehmen ab. Eine Aktivität, die wettbewerbsrelevant oder einfach nur überle-
benswichtig ist, wird generell als Kernaktivität bezeichnet. Hier wird die Abschätzung des
Beitrags einzelner Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen zur gesamten Wertschöpfung
des Unternehmens noch relativ einfach sein. Schwieriger ist die qualitative und quantitative
Evaluierung von Ressourcen und Prozessen, die im Rahmen der Wertkette des Unternehmens
unterstützende Aktivitäten darstellen und damit auf verschiedenen Stufen der Kette in unter-
schiedlichem Ausmaß wirken. Aber auch hier sollte das Zurechnungsproblem pragmatisch
angegangen werden.
Aktivitäten verursachen nicht nur Kosten, sie stiften in aller Regel auch Nutzen. Dessen Er-
fassung ist ebenso wichtig wie die der Kosten, da nicht selten Aktivitäten zur Diskussion ste-
hen, deren Beibehaltung oder Eliminierung in Abhängigkeit vom Kosten-Nutzen-Verhältnis
getroffen wird. Dieses Vorgehen ist allerdings bei den Support-Aktivitäten nur mit gewissen
Einschränkungen möglich. Hier sollte man insbesondere beachten, dass es trotz des allgemein
herrschenden Fabels der Berater für Kosteneinsparungen im „Overhead“ ein Niveau gibt, un-
ter dem weitere Kostensenkungsmaßnahmen nur noch Nachteile und negative Auswirkungen
auf den Kundennutzen hat [vgl. ANDLER 2008, S. 172].
4.4.1.5 Benchmarking
Ein weiterer Ansatz zur Analyse und Verbesserung der Situation eines Unternehmens ist das
Benchmarking. Diese Methode ist darauf gerichtet, durch systematische und kontinuierliche
Vergleiche von Unternehmen oder Unternehmensteilen das jeweils beste als Referenz zur
Produkt-, Leistungs- oder Prozessverbesserung herauszufinden. Die Benchmarking-
Durchführung beruht auf der Orientierung an den besten Vergleichsgrößen und Richtwerten
(„Benchmark“ = Maßstab) einer vergleichbaren Gruppe. Als Vergleichsgruppen können das
eigene Unternehmen, der eigene Konzern, der Wettbewerb oder sonstige Unternehmen heran-
gezogen werden. Daraus lassen sich folgende vier Benchmarking-Grundtypen, die in Ab-
bildung 4-22 dargestellt sind, ableiten [vgl. FAHRNI et al. 2002, S. 23 ff.]:
x Internes Benchmarking (“Best in Company“)
x Konzern-Benchmarking (“Best in Group”)
x Konkurrenz-Benchmarking (“Best in Competition”)
x Branchenübergreifendes Benchmarking (“Best Practice”).
Die Benchmarking-Methode entstand in den 70er Jahren bei RANK XEROX angesichts des
zunehmenden Konkurrenzdrucks durch japanische Kopiergerätehersteller. Heute zählt das
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 327
Ein richtig durchgeführtes Benchmarking hilft, die eigenen Stärken und Schwächen besser
einzuschätzen und von den besten Unternehmen zu lernen. Über das Benchmarking haben
viele Unternehmen den kontinuierlichen Prozess der Verbesserung zu einem festen Bestand-
teil ihrer Unternehmenskultur gemacht. Durch die gewonnenen Informationen sind solche
Unternehmen eher in der Lage, ihre Produkte, Leistungen und Prozesse zu optimieren und
dadurch ihre Wettbewerbsposition zu verbessern.
Allerdings ist es für viele Unternehmen häufig nicht ganz leicht, Benchmark-Daten in der
gewünschten Form zu erhalten. Hier leistet das Beratungsunternehmen mit seinem Bench-
mark-Know-how (als Kernkompetenz) entsprechende Hilfestellung. Es ist den Strategieabtei-
lungen der Kundenunternehmen (Inhouse Consulting) naturgemäß deutlich überlegen, weil
sie in aller Regel über eine Vielzahl von Benchmark-Zahlen aus den Branchen- und Funkti-
onsbereichen ihrer Kunden verfügen.
Branche
Konzern- Branchenübergreifendes
fremde
Benchmarking Benchmarking
(Best in Group) (Best Practice)
eigene
Internes Konkurrenz-
Benchmarking Benchmarking
(Best in Company) (Best in Competition)
Unternehmen
eigene fremde
Zur Überprüfung von strukturellen Effizienzen wird das Benchmarking sehr gerne auch im
Personalsektor angewendet. Die am häufigsten benutzte Kennzahl hierfür im Personalbereich
ist die Betreuungsquote. Sie drückt die Anzahl von Mitarbeitern eines Unternehmens aus,
die im Durchschnitt von einem Mitarbeiter aus dem Personalbereich (HR-Mitarbeiter) betreut
werden.
328 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
In Insert 4-02 ist ein entsprechendes Beispiel für ein branchenübergreifendes Benchmarking
aus dem HR-Barometer von CAPGEMINI Consulting dargestellt.
Insert
Verteilung der HR-Betreuungsquote*
25%
22%
18%
15%
8%
6%
4%
2%
Im Rahmen des alle zwei Jahre von CAPGEMINI an, eine Betreuungsquote von 1:100 oder darüber zu
Consulting durchgeführten HR-Barometers ist die Er- haben und damit in die Kategorie „schlank“ zu fallen.
mittlung der Betreuungsquote ein fester Bestandteil. Vor allem schlanke, gut durchdachte Prozesse, die
Im Fokus des HR-Barometers stehen mittelgroße, durch IT unter-stützt werden, gezieltes und sinnvolles
große und sehr große Unternehmen aus Deutsch- Outsourcing sowie die Konzentration auf die wesent-
land, der Schweiz und Österreich. In ihrer Gesamt- lichen HR-Themen helfen, ein solches Ziel zu
heit repräsentieren die befragten Unternehmen die erreichen.
gesamte Bandbreite der Wirtschaft. Bei 73 Prozent Am anderen Ende der Skala hat mehr als ein Viertel
der Antworten wurde der Fragebogen vom „obersten der Unternehmen eine Betreuungsquote von eins zu
Personaler“ (Personalvorstand, Arbeitsdirektor, Per- unter 60 und ist damit der Kategorie „fett“ zuzu-
sonalleiter, Head Global HR, Head Corporate HR) ordnen. Bei 6000 Mitarbeitern wären das über 100
selbst beantwortet. HR-Mitarbeiter! Eine Zahl, die nicht so ohne weiteres
Da die Betreuungsquote so etwas wie der „Body- zu erklären sein dürfte.
Mass-Index“ (BMI) der Personalwirtschaft ist, unter-
scheidet das HR-Barometer drei Cluster: 40 Prozent der befragten Unternehmen verfügen
über einen „molligen“ Personalbereich. Eine solche
• „Fette“ Personalbereiche: Betreuungsquoten von 59 Betreuungsquote zwischen 1:60 und 1:100 ist sicher-
und kleiner; lich differenzierter zu sehen. In Unternehmen, die
• „Mollige“ Personalbereiche: Betreuungsquoten zwi- nicht outsourcen, in denen Personalthemen in hohem
schen 60 („stark mollig“) und 99 („leicht mollig“); Maße erfolgskritisch sind, lässt sich für eine solche
• „Schlanke“ Personalbereiche: Betreuungsquoten HR-Stärke im Personalbereich möglicherweise Rück-
von 100 und größer. halt finden. Trotzdem gilt auch hier: Ein HR-Bereich,
Nach den Benchmark-Ergebnisse des HR-Baro- der seine eigene Personalstärke bzw. das Input-
meters von 2011, an der 98 Unternehmen teilnah- Output-Verhältnis stets kritisch hinterfragt, wird sich
men, gibt ein Drittel der teilnehmenden Unternehmen Handlungsspielräume erhalten und Akzeptanz sichern.
Ein Problem ist – wie in Abschnitt 4.1.3 beschrieben – die Lücke zwischen einem angestreb-
ten Soll- und einem realisierten Ist-Zustand und übt bei einem Entscheider einen subjektiven
Handlungsdruck aus. Während mit Hilfe der Analysetools in aller Regel Einigkeit über den
Ist-Zustand erzielt werden kann, gibt es bezüglich des Soll-Zustands durchaus unterschiedli-
che Vorstellungen, die sich in unscharfen Absichtserklärungen oder einfach nur im Wunsch
nach Veränderung artikulieren. Um ein Problem zu lösen, bedarf es also einer präzisen Anga-
be, wie der angestrebte Soll-Zustand aussehen soll. Die Formulierung eindeutiger Ziele ist
demnach Ausgangspunkt des Problemlösungsprozesses [vgl. FINK 2009, S. 63].
In der Betriebswirtschaftslehre ist die Zielformulierung also eine Voraussetzung für betrieb-
liches Entscheiden. Zielsetzungen beginnen meistens mit Fragen wie: „Was wollen wir errei-
chen oder was wollen wir vermeiden?“ Die Antworten können lauten: „Wir wollen den Um-
satz erhöhen“ oder „die Produktionskosten sollen gesenkt werden“. Das sind die Ziele bzw.
die gewünschten Ergebnisse. Im Folgenden sollen Tools beschrieben werden, die solche
Antworten identifizieren, verstärken, spezifizieren und definieren können [vgl. ANDLER 2008,
S. 117].
Damit Ziele eine Motivations- und Koordinationsfunktion einnehmen können, sollten sie be-
stimmten Anforderungen genügen, die im sogenannten SMART-Prinzip verankert sind.
SMART ist ein Akronym für „Specific Measurable Accepted Realistic Timely“ und dient als
Kriterium zur eindeutigen Definition von Zielen im Rahmen einer Zielvereinbarung (Abbil-
dung 4-23).
Englische Deutsche
Buchstabe Bedeutung Englische Alternativen Bedeutung
und Vollständigkeit der festgelegten Ziele zu verbessern. Insofern ist das SMART-Tool eher
eine Richtlinie, um die Qualitätsanforderungen für die Zielformulierung einheitlich zu im-
plementieren und Stabilität und Vollständigkeit zu gewährleisten [vgl. ANDLER 2008, S. 121].
Ein Ziel ist immer dann „smart“, wenn es folgende fünf Bedingungen erfüllt:
x S – spezifisch: Spezifisch meint, dass Ziele hinsichtlich der betroffenen Bereiche
oder Produkte eindeutig definiert sein müssen, d. h. nicht vage formu-
liert, sondern so präzise wie möglich.
x M – messbar: Messbar hebt auf die Operationalisierung der Ziele ab, d. h. die Ziele
sollten möglichst in Zahlen festgelegt sein.
x A – akzeptiert: Die Ziele müssen mit den Empfängern vereinbart und von diesen ak-
zeptiert werden.
x R – realistisch: Realistisch, aber anspruchsvoll besagt, dass die Ziele zum Leistungs-
vermögen des betroffenen Bereichs passen müssen, gleichwohl ideal-
erweise etwas höher anzusetzen sind als das gegenwärtige Leistungs-
niveau.
x T – terminierbar: Zu jedem Ziel gehört eine klare Terminvorgabe, bis wann das Ziel
erreicht sein muss.
Entscheidend ist also letztlich, qualitative Größen messbar zu machen und in quantitative Be-
urteilungsgrößen zu überführen. Für jede Zielformulierung, die dem SMART-Prinzip genü-
gen soll, werden also operationalisierbare und empirisch überprüfbare Indikatoren gesucht,
die eindeutig quantifizierbar sind. Beispiele für eine Führungskraft bzw. einen Mitarbeiter im
Vertriebsbereich sind:
x (Bereichs-)Ergebnis,
x Anzahl akquirierter Kunden,
x Anzahl durchgeführter Kundenbesuche,
x Auftragseingang,
x Umsatz,
x Anzahl Reklamationen,
x Fehlzeiten u.v.a.m.
4.4.2.2 Kennzahlensysteme
Kennzahlen eignen sich in besonderem Maße, um strategische Ziele konkretisieren und ein-
ordnen zu können. Durch ihre Klarheit und Präzision bieten sie die Voraussetzungen für eine
eindeutige Kontrolle der Zielerreichung. Damit gehen Kennzahlen in ihrer Aussagekraft deut-
lich über das SMART-Prinzip hinaus, das lediglich die Art und Weise der Zielformulierung
vorschreibt. Kennzahlen helfen dem Management eines Unternehmens (und seinen Beratern)
darüber hinaus, potentielle Übernahmekandidaten zu identifizieren und diesen einer ersten
Analyse zu unterziehen. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird eine Vielzahl von Sys-
tematiken für Kennzahlen und Kennzahlensysteme zur Beurteilung der Attraktivität eines
Unternehmens angeboten. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Systematik
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 331
von FINK [2009], weil sie den täglichen Grundanforderungen des Beraters am nächsten
kommt.
Kennzahlen
Folgende Kennzahlen, die aus der Bilanz eines Unternehmens entnommen werden können,
zählen zu den wichtigsten statischen Größen:
x Vermögensstruktur
x Kapitalstruktur
x Liquidität.
Die Vermögensstruktur eines Unternehmens gibt die bilanzielle Zusammensetzung des Be-
triebsvermögens (Aktiva) an. Als Kennzahl wird entweder die Anlagenintensität, die den An-
teil des Anlagevermögens (Gebäude, Maschinen und sonstige Einrichtungen) am Gesamtver-
mögen angibt, oder die Umlaufintensität, d. h. der Anteil des Umlaufvermögens (Bankgutha-
ben, Forderungen und sonstige Außenstände) am Gesamtvermögen, herangezogen. Unter-
nehmen mit einer relativ geringen Anlagenintensität können sich aufgrund der niedrigen Fix-
kostenbelastung und einer vergleichsweise geringen Kapitalbindung leichter an Beschäfti-
gungsschwankungen anpassen als anlagenintensive Unternehmen. Anderseits kann gerade bei
Industrieunternehmen ein relativ niedriges Anlagevermögen darauf hinweisen, dass ein Un-
ternehmen mit älteren, abgeschriebenen Anlagen operiert und damit u. U. den Anschluss an
den technischen Fortschritt verliert.
Äquivalent zur Vermögenstruktur auf der Aktivseite der Bilanz bezieht sich die Kapital-
struktur eines Unternehmens auf die Zusammensetzung des Kapitals, das auf der Passivseite
332 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
ausgewiesen wird. Sie beschreibt das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital im Vergleich
zum Gesamtkapital und gibt Aufschluss über die Finanzierung eines Unternehmens. Wichtige
Kennzahlen sind die Eigenkapitalquote, die das Verhältnis vom Eigenkapital zum Gesamtka-
pital angibt, und die Fremdkapitalquote, die den Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital
ausdrückt. Je höher die Eigenkapitalquote (bzw. je niedriger die Fremdkapitalquote) ist, desto
höher sind die finanzielle Sicherheit und die Unabhängigkeit des Unternehmens. Eine weitere
wichtige Kennzahl der Kapitalstruktur ist der Verschuldungsgrad, der das Verhältnis zwi-
schen Fremd- und Eigenkapital angibt. Je niedriger der Verschuldungsgrad ist, desto geringer
ist die Abhängigkeit des Unternehmens von fremden Geldgebern.
Kennzahlen, die die Liquidität eines Unternehmens ausdrücken, basieren auf einer horizonta-
len Bilanzanalyse, d. h. die Vermögensseite wird mit der Kapitalseite verglichen. Grundsätz-
lich werden dabei drei Liquiditätsgrade unterschieden:
x Bei der Liquidität 1. Grades, die auch als Barliquidität (eng. Liquidity Ratio oder Cash
Ratio) bezeichnet wird, werden die Zahlungsmittel (Kassenbestände und Bankguthaben)
den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenübergestellt.
x Die Liquidität 2. Grades (engl. Net Quick Ratio oder Acid Test Ratio – ATR) gibt den
Anteil des monetären Umlaufvermögens (Zahlungsmittel + Wertpapiere + Forderungen)
an den kurzfristigen Verbindlichkeiten wider.
x Die Liquidität 3. Grades (engl. Current Ratio) ist das Verhältnis des kurzfristigen Um-
laufvermögens (Zahlungsmittel + Wertpapiere + Forderungen + Vorräte) zu den kurzfris-
tigen Verbindlichkeiten.
Für die Liquiditätsrelationen gilt grundsätzlich, dass die Liquidität (und damit die Sicherheit)
eines Unternehmens umso größer ist, desto höher die Werte der obigen Kennzahlen ausfallen.
In der Praxis sollte die Liquidität 1. Grades nicht größer als 0,2 sein, da kurzfristige Liquidi-
tätsengpässe normalerweise ohne Schwierigkeiten durch Bankkredite abgedeckt werden kön-
nen.
Bei der Liquidität 2. Grades wird ein Wert von eins (engl. One-to-one Rate) angestrebt, da
bei einer ATR kleiner eins ein Teil der kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht durch kurzfristig
zur Verfügung stehendes Vermögen gedeckt ist.
Nach der sogenannten „Bankers Rule“ sollte die Liquidität 3. Grades den Mindestwert von
zwei anstreben (engl. Two-to-One Rate).
Bei der Analyse der genannten statischen Strukturkennzahlen – Vermögensstruktur, Kapital-
struktur und Liquidität – sollte einschränkend berücksichtigt werden, dass es sich immer um
vergangenheitsbezogene Daten handelt, die sich zum Zeitpunkt der Analyse bereits maßgeb-
lich verändert haben können.
Einen vollständigen Überbick über die statischen Kennzahlen liefert Abbildung 4-25.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 333
Statische Kennzahlen
Anders als die statischen Kennzahlen basieren die dynamischen Kennzahlen nur zum Teil
auf Daten einer Bilanz. So werden die Daten bei der dynamischen Betrachtung mehreren auf-
einander folgenden Bilanzen entnommen und zueinander in Beziehung gesetzt oder mit
Stromgrößen aus der Gewinn- und Verlustrechnung, die ja als solche bereits periodische Be-
wegungen erfassen, kombiniert. Dynamische Kennzahlen werden üblicherweise in Erfolgs-
kennzahlen und Aktivitätskennzahlen unterteilt. Bei den Erfolgskennzahlen wiederum werden
absolute und relative Größen unterschieden. Zu den wichtigsten absoluten Erfolgskennzahlen
zählen der Bilanzgewinn, der Jahresüberschuss und der Cashflow.
Der Gesetzgeber sieht grundsätzlich eine Aufstellung der Bilanz mit Ausweis des Postens
„Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ vor. Dieser ist das GuV-Ergebnis nach Steuern und be-
zeichnet den Gewinn vor dessen Verwendung. Zur Berechnung des Bilanzgewinns wird der
Jahresüberschuss bzw. der Jahresfehlbetrag
x um den Gewinn- oder Verlustvortrag des Vorjahres korrigiert,
x um Entnahmen aus Kapital- und Gewinnrücklagen erhöht und
x um Einstellungen in die Gewinnrücklagen vermindert.
Da der Bilanzgewinn demnach durch Entnahmen bzw. Einstellungen in die Rücklagen beein-
flusst werden kann, ist er keine adäquate Kennzahl eines Unternehmens in einer bestimmten
Periode. Der Bilanzgewinn dient bei Aktiengesellschaften in erster Linie als Grundlage für
den Gewinnverwendungsvorschlag, den Vorstand und Aufsichtsrat zur Ausschüttung an die
Anteilseigner unterbreiten. Fazit: Der Jahresüberschuss ist das, was die Aktiengesellschaft
verdient hat, der Bilanzgewinn ist das, was sie davon an die Aktionäre abgibt.
Besser als der Bilanzgewinn kennzeichnet der Jahresüberschuss den Periodenerfolg einer
Aktiengesellschaft. Als Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung fließen in die Berechnung
des Jahresüberschusses sämtliche Erträge und Aufwendungen der laufenden Periode ein. Es
beinhaltet das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Betriebs- und Finanzergebnis),
334 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
außerordentliche Erträge und Aufwendungen und die Auswirkungen der Steuern vom Ein-
kommen und Ertrag.
sowie der Cashflow als zahlungsstromorientierte Größe. Die konkrete Anwendung und Aus-
gestaltung hängt vor allem von den jeweils zugrundeliegenden Rechnungslegungsvorschriften
(HGB, US-GAAP, IFRS) und den intern verwendeten Planungs- und Kostenrechnungssyste-
men ab.
Statt einer Interpretation ist in Abbildung 4-26 die Herleitungen dieser Größen aus den bereits
bekannten Kennzahlen vorgenommen worden.
Neben den Erfolgskennzahlen bilden die Aktivitätskennzahlen die zweite Untergruppe dy-
namischer Kennzahlen. Aktivitätskennzahlen stellen die Verbindung von Bestands- und
Stromgrößen her und beschreiben dementsprechend häufig das Verhältnis zwischen dem Um-
satz und den zur Ausübung der operativen Tätigkeit benötigten Vermögenswerten (z. B. An-
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 335
lagevermögen, Vorräte etc.). Diese Umschlagskoeffizienten geben dabei an, wie häufig eine
Vermögensposition in einer Periode umgeschlagen wurde. Die Interpretation dabei lautet,
dass ein höherer Koeffizient einen effizienteren Einsatz der unternehmensspezifischen Res-
sourcen bedeutet. Um einen gegebenen Umsatz zu erreichen, muss das Unternehmen somit
weniger Ressourcen einsetzen [vgl. COENENBERG 2003, S. 911].
Weitere Aktivitätskennzahlen, die nach demselben Muster gebildet werden können, sind:
x Umsatz pro Mitarbeiter;
x Zahlungsziele, die ein Unternehmen seinen Kunden einräumt oder bei seinen Lieferanten
in Anspruch nimmt;
x Investitionsquote.
In Abbildung 4-27 sind wichtige dynamische Kennzahlen, unterteilt in Erfolgskennzahlen und
Aktivitätskennzahlen, zusammengestellt.
Dynamische Kennzahlen
Erfolgskennzahlen Aktivitätskennzahlen
Bilanzgewinn Umsatz
Jahresüberschuss (Cashflow) Lagerumschlagshäufigkeit =
Eigenkapitalrentabilität = Ø Lagerbestand
Eigenkapital
Jahresabschluss Umsatz
Umschlag Anlagevermögen =
Ø Anlagevermögen
Cashflow Jahresüberschuss (Cashflow)
+ Fremdkapitalzinsen Umsatz
Gesamtkapitalrentabilität = Gesamtkapital Eigenkapitalumschlag =
EBT Ø Eigenkapital
EBIT Umsatz
Eigenkapitalrentabilität Umsatz pro Mitarbeiter =
Leverage-Faktor = Gesamtkapitalrentabilität Ø Anzahl der Beschäftigten
EBITDA u. v. a. m.
Die verschiedenen Ziele, die in einem Unternehmen verfolgt werden, können als Elemente
eines komplexen mehrstufigen Zielsystems aufgefasst werden, die in vertikaler und in hori-
zontaler Beziehung zueinander stehen. Werden die Einzelaufgaben und Aufgabenkomplexe
stets in Verbindung mit diesen Zielen vorgegeben, so spricht man vom Organisationskonzept
der zielgesteuerten Unternehmensführung (engl. Management by objektives) [vgl.
BIDLINGMAIER 1973, S. 134].
Kapitalrentabilität
KR = UR x KU
Umsatzrentabilität Kapitalumschlag
UR = G / U KU = U / GK
Nach EDMUND HEINEN [1966, S. 126 ff.] können dabei grundsätzlich zwei Varianten unter-
schieden werden:
x das deduktiv orientierte Mittel-Zweck-Schema und
x das induktiv orientierte Mittel-Zweck-Schema.
Das deduktiv orientierte Mittel-Zweck-Schema ergibt sich aus den Beziehungen zwischen
Ober-, Zwischen- und Unterzielen, in dem die Gesamtkapitalrentabilität als Oberziel darge-
stellt ist (siehe Abbildung 4-29).
Gesamtkapitalrentabilität
Umsatzbruttorentabilität Kapitalumschlag
Gewinn Gesamtkapital
Allerdings ist dabei anzumerken, dass nicht auf allen Stufen des Schemas eine starke und ein-
deutige Mittel-Zweck-Beziehung vorliegt. Dies wird deutlich an den beiden Beziehungsketten
Gewinn – Umsatz – Kosten sowie Eigenkapital – Marktmacht/Prestige. Die zweite Mittel-
Zweck-Beziehung wird üblicherweise deutlich schwächer ausgeprägt sein als die erste [vgl.
MACHARZINA/WOLF 2010, S. 216].
Das Beispiel in Abbildung 4-29 zeigt zwar, dass aus der Gesamtkapitalrendite nahezu alle
wesentlichen Zielinhalte abgeleitet werden können. Dennoch kann bezweifelt werden, dass
die „Steigerung der Gesamtkapitalrentabilität“ das letztendliche Ziel des Erwerbsstrebens
darstellt. Daher hat HEINEN dem deduktiv orientierten ein induktiv orientiertes Mittel-
Zweck-Schema gegenübergestellt, das die Eigenkapitalrentabilität als zentrales Unterneh-
mensziel ansetzt und zudem Zielkonflikte, Mehrfachziele und kausale Beziehungen von
gleichrangigen Zielen stärker berücksichtigt (siehe Abbildung 4-30).
Einkommenserzielung
Kapitalerhaltung
Liquiditätssicherung Eigenkapitalrentabilität
Wachstum
Gewinnstreben
Wirtschaftlichkeits-
Umsatzstreben
streben
Produktivitäts-
Absatzsteigerung
steigerung
Unterziele dieses Systems sind die Absatz- und Produktivitätssteigerung, die beide ein Subop-
timierungsziel zum Umsatzstreben bzw. zum Produktivitätsstreben darstellen. Umsatz- und
Produktivitätsstreben, zwischen denen partielle Zielkonflikte auftreten können, sind wiederum
Mittel zur Gewinnerzielung. Eine Gewinnsteigerung dient grundsätzlich der Liquiditätssiche-
rung, der Steigerung der Eigenkapitalrentabilität sowie dem Kapitalwachstum. Während das
Mittel-Zweck-Verhältnis zwischen Gewinn und Eigenkapitalrentabilität eindeutig ist, führt
die Gewinnerhöhung nicht automatisch zu einer Erhöhung der Liquidität sowie zur Kapitaler-
haltung bzw. Wachstum. Die Eigenkapitalrentabilität als betriebswirtschaftliches Oberziel
dient in erster Linie der Einkommenserzielung des Individuums und ermöglicht die Verwirk-
338 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
In der Praxis werden Unternehmensziele zunehmend mit der von KAPLAN/NORTON [1992]
entwickelten Balanced Scorecard, in der quantitativ bewertbare Beurteilungskriterien formu-
liert werden, systematisiert und dann sukzessive auf Bereichs-, Abteilungs- und Mitarbeiter-
ebene herunter gebrochen. Damit liefert die Balanced Scorecard ein Modell zur Entwicklung
von Zielsystemen, „das der zeitlichen Verzögerung zwischen ökonomischer Aktivität und
ökonomischen Erfolg Rechnung trägt und damit die Probleme älterer Kennzahlensysteme
überwinden hilft“ [MACHARZINA/WOLF 2010, S. 221].
Finanzdimension
(Financial performance)
Kenn- Vor- Maß-
Ziele
zahlen gaben nahmen
Kundendimension Prozessdimension
(Customer) (Internal business process)
Kenn- Vor- Maß- Vision Kenn- Vor- Maß-
Ziele und Ziele
zahlen gaben nahmen zahlen gaben nahmen
Strategie
Potenzialdimension
(Learning and growth)
Kenn- Vor- Maß-
Ziele
zahlen gaben nahmen
Grundgedanke der Balanced Scorecard ist die Umsetzung von Visionen und Strategien des
Unternehmens in operative Maßnahmen. Das dazu entwickelte Kennzahlenraster der
Balanced Scorecard umfasst insgesamt vier Dimensionen (siehe Abbildung 4-31):
x Finanzwirtschaftliche Dimension (Sicht des Aktionärs bzw. Investors): Bei dieser Akti-
onärsperspektive spielen Ziele wie Liquidität und Rentabilität eine entscheidende Rolle.
x Kundenbezogene Dimension (Sicht des Kunden): Bei dieser Perspektive geht es darum,
Unternehmensziele aus der Sicht des Kunden zu formulieren. In diese Kategorie gehören
Ziele wie Kundenzufriedenheit oder Marktanteil.
x Prozessbezogene Dimension (Sicht nach innen auf die Geschäftsprozesse): Ziele der
internen Perspektive sind Produktivität und Geschwindigkeit der internen Prozesse.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 339
Mit der Kopplung von Führungs- und Anreizsystemen ist auch eine wichtige Voraussetzung
für die Einführung von variablen, leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen gegeben.
In Kombination mit einem garantierten fixen Vergütungsanteil kann der variable Vergütungs-
anteil die erbrachten Leistungen angemessen honorieren. Die Höhe des variablen Entgeltbe-
standteils hängt dabei vom Ausmaß ab, mit dem die in der Balanced Scorecard definierten
Zielvorgaben bzw. Kennzahlen erreicht werden. Das variable Entgelt ist bei der beschriebe-
nen Vorgehensweise sowohl vom Grad der individuellen Zielerreichung als auch vom Erfolg
auf Gruppen- und Unternehmensebene abhängig. Die Kennzahlen der Balanced Scorecard
liefern dabei für alle drei Ebenen (Team-, Bereichs-, Unternehmensebene) die entsprechenden
Erfolgsindikatoren.
Sind die Ziele und Wertvorstellungen identifiziert und im Zuge der Zielbildung in eine wider-
spruchsfreie und stabile Rangordnung gebracht, dann muss das Problem möglichst exakt er-
fasst und strukturiert werden. Im Folgenden werden mit
x der Aufgabenanalyse,
x der Kernfragenanalyse und
x der Sequenzanalyse
drei Analysearten vorgestellt, die nach dem sogenannten Pyramidenprinzip zur Strukturie-
rung komplexer Gedankengänge aufgebaut sind. Entwickelt wurde das Prinzip Ende der
1960er Jahre von der damaligen MCKINSEY-Beraterin BARBARA MINTO mit dem Ziel, die
Struktur und Klarheit von Geschäftsdokumenten und insbesondere Präsentationen auf der
Grundlage logischer Gestaltungsregeln zu verbessern. Heute hat sich das Pyramidenprinzip
(„Minto-Pyramide“) aufgrund seiner stringenten inhaltlichen Logik in vielen Beratungsunter-
nehmen als Standard durchgesetzt („to make it minto“).
340 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Problem
Teilproblem-
stufe 1
Teilproblem-
stufe 2
Die Gestaltungsregeln des Pyramidenprinzips sehen vor, dass zunächst alle Teilaspekte eines
Problems und ihre Abhängigkeiten untereinander erfasst werden. Danach werden über- und
untergeordnete Problemaspekte gezielt herausgearbeitet und in Beziehung zueinander gesetzt,
so dass eine geordnete Problemstruktur entsteht, die eine systematische Analyse der Einzelas-
pekte und deren Auswirkungen auf den Gesamtzusammenhang ermöglicht. Dieses Prinzip
führt dazu, dass die betrachteten Aspekte die Form einer Pyramide annehmen, wobei der
Hauptaspekt oder das Ausgangsproblem oder die entscheidende Frage immer die Spitze der
Pyramide einnehmen. Die Pyramidenspitze wird dann Stufe für Stufe in seine Teilaspekte
(Teilprobleme) herunter gebrochen (siehe beispielhaft Abbildung 4-32).
Zum zentralen Gestaltungsprinzip zählt dabei, dass jede einzelne Stufe die sogenannte
MECE-Bedingung erfüllen muss. ME („mutually exclusive“) ist sie dann, wenn sich die
einzelnen Teilaspekte inhaltlich nicht überschneiden. CE („collectively exhaustive“) ist die
Problemstruktur, wenn die auf jeder Stufe angeordneten Teilaspekte das auf der nächst höhe-
ren Stufe stehende Problem jeweils vollständig abdecken. Diese Gestaltungsregeln lassen sich
auf viele betriebswirtschaftliche Problem- und Fragestellungen anwenden – etwa zur Gliede-
rung von Absatzmärkten, zur Strukturierung von Zielgruppen, zur Analyse von Kundengrup-
pen, zur Klärung von Weisungsbefugnissen und Hierarchien oder zur Analyse von finanziel-
len Strukturen [vgl. FINK 2009, S. 68 f.].
4.4.3.1 Aufgabenanalyse
Mit Hilfe der Aufgabenanalyse, der einfachsten Variante einer Pyramidenstruktur, lassen sich
nahezu beliebige Zusammenhänge stufenweise in immer feinere Teilaspekte untergliedern.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung 341
Dabei werden die einzelnen Elemente bzw. Teilaspekte als Aufgaben so formuliert, dass sie
dazu beitragen, die übergeordnete Aufgabe zu erfüllen.
Ausgehend von der Spitze der Pyramide, an der bspw. die Ergebnisverbesserung eines Unter-
nehmens als Gesamtaufgabe steht (siehe Abbildung 4-33), gelangt man zur jeweils nächsten
Stufe, indem das Wie oder das Was herausgearbeitet wird. Die Frage „Wie kann das Ergebnis
verbessert werden?“ führt entweder zu einer Erhöhung des Umsatzes oder zu einer Senkung
der Kosten. Was könnte wiederum getan werden, um den Umsatz zu erhöhen? Es kann der
Produktmix verbessert, die Produktverkäufe und/oder der Produktpreis erhöht werden. Wie
lassen sich die Produktverkäufe steigern? Indem der Absatz der bestehenden Produkte erhöht
wird und/oder neue Produkte auf den Markt gebracht werden. Die Aufgabenstruktur wird
schließlich soweit herunter gebrochen, bis auf der untersten Stufe konkrete Ansatzpunkte für
eine Problem- bzw. Aufgabenlösung vorliegen und eine weitere Untergliederung nicht mehr
sinnvoll ist [vgl. FINK 2009, S. 69 f.].
Betriebswirtschaftliches Ergebnis
verbessern
Absatz beste-
Neue Produkte Materialkosten Fehlerkosten
hender Pro-
einführen senken senken
dukte erhöhen
4.4.3.2 Kernfragenanalyse
Der Unterschied zwischen Aufgabenanalyse und Kernfragenanalyse liegt darin, dass die ein-
zelnen Elemente der Pyramide nicht als Aufgaben, sondern als Fragen formuliert werden. Bei
der Kernfragenanalyse werden zwei Varianten unterschieden: die deduktive und die dicho-
tome. Die deduktive Kernfragenanalyse verläuft analog zur Vorgehensweise der Aufgaben-
analyse, d. h. die Ausgangsfrage wird von Stufe zu Stufe in immer detailliertere Teilfragen
herunter gebrochen. Abbildung 4-34 liefert eine beispielhafte deduktive Struktur einer Fra-
342 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
genanalyse, wobei die Ausgangsfrage zu beantworten ist, ob die Vertriebsleistung eines Un-
ternehmens verbessert werden muss [vgl. Fink 2009, S. 70 f.].
Werden die Werden die Ist das Niveau der Ist das Niveau der
richtigen Produkte richtigen Kunden Erstkaufrate Wiederkaufrate
angeboten? angesprochen? angemessen? angemessen?
Können neue Ist die Zahl der Ist die Intensität der
Existieren weitere
Produkte das angesprochenen Betreuung von
attraktive potentielle
Sortiment Neukunden Bestandskunden
Kundensegmente?
verbessern? ausreichend? ausreichend?
Bei der dichotomen Kernfragenanalyse werden sowohl die Ausgangsfrage an der Spitze der
Pyramide als auch die einzelnen Teilfragen jeweils als Ja/Nein-Fragen formuliert. Die unters-
te Stufe der Pyramide besteht aus konkreten Handlungsoptionen (siehe Abbildung 4-35).
Arbeitet der
Vertrieb effektiv?
Nein Ja
4.4.3.3 Sequenzanalyse
Die anspruchsvollste Variante des Pyramidenprinzips ist die Sequenzanalyse, die neben der
logischen Struktur eines Problems auch die Reihenfolge berücksichtigt, in der mögliche Lö-
sungsschritte umgesetzt werden müssen. In Abbildung 4-36 ist eine beispielhafte Sequenzana-
lyse dargestellt. Die Stufe unterhalb der Pyramidenspitze besteht aus mehreren Ja/Nein-
Fragen, die entlang einer vorgegebenen Sequenz zu beantworten sind. In dem Beispiel wird
zunächst geklärt, ob das Produkt richtig positioniert ist. Wenn dies der Fall ist, dann ist es
sinnvoll, sich mit der Verfügbarkeit zu befassen. Ist diese in ausreichendem Maße vorhanden,
muss im nächsten Schritt der Bekanntheitsgrad des Produktes überprüft werden. Die sequen-
zielle Struktur der Fragen setzt sich nicht nur horizontal, sondern auch vertikal auf den nach-
gelagerten Stufen in der gleichen Weise fort. Sollte keine der aufgestellten Analyselinien ein
Problem offen legen, so beginnt die Analyse erneut mit dem ersten Schritt – der Überprüfung
des Zielmarktes und des Kundennutzens [vgl. FINK 2009, S. 72 f.].
Ja Ja Ja Ja Ja
Ist das Produkt Ist das Produkt Werden Erstkäufe Werden Wieder-
Ist das Produkt
ausreichend ausreichend ausreichend stark käufe ausreichend
richtig positioniert?
verfügbar? bekannt? forciert? stark forciert?
Kunden- Verkaufs-
Werbewirkung Displays Preisablehnung
nutzen bedingungen
Zu den Vor- und Nachteilen des Pyramidenprinzips merkt FINK an, dass einerseits die zu-
grunde liegende Problemstruktur „auf einen Blick“ veranschaulicht wird „und die Komplexi-
tät der Lösungsfindung durch einen klaren, logischen Aufbau (…) handhabbar“ gemacht
werden kann. Andererseits sei „die mithilfe des Pyramidenprinzips entwickelte Problemstruk-
tur, wenn sie einmal aufgestellt wurde, relativ starr“ und Diskontinuitäten und überraschende
Entwicklungen seien kaum fassbar. Dennoch ist das Pyramidenprinzip „das in der Bera-
tungspraxis vermutlich meistgenutzte Verfahren zur Strukturierung von Managementproble-
men“ [FINK 2009, S. 74 f.].
344 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
x Brainstorming
x Brainwriting
x Methode 635
x Synektik
x Bionik
x Morphologischer Kasten
4.5.1.1 Brainstorming
Die Brainstorming-Technik stützt sich auf das Prinzip der Assoziation, um möglichst viele
problembezogene Ideen hervorzubringen. Es handelt sich dabei um die Methode eines ge-
meinsamen Nachdenkens innerhalb einer Problemlösungsgruppe. ALEX F. OSBORNE, der
Erfinder der Methode, benannte sie nach ihrem Wesen, nämlich „using the brain to storm a
problem“. Durch einen vergleichsweise genau geregelten Ablauf, bei der während der Brain-
storming-Sitzung von den Teilnehmern keinerlei Kritik an den Ideen Anderer geübt werden
darf, sollen möglichst viele Ideen entwickelt werden, d. h. Quantität geht vor Qualität. In Ab-
bildung 4-37 sind die Vorgehensweise sowie die wichtigsten Regeln zusammengefasst.
Als Einsatz- bzw. Anwendungsgebiet wird häufig die Werbung genannt. Brainstorming
kommt aber ebenso mit mehr oder weniger Erfolg bei der Produktentwicklung oder allgemein
bei der Ideenfindung in den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 345
Problem
Vorbereitungs- Durchführungs- Auswertungs- Problem-
phase phase phase lösung
4.5.1.2 Brainwriting
Brainwriting ist im Prinzip die schriftliche Variante des Brainstormings. Das Besondere beim
Brainwriting ist, dass jeder Teilnehmer in Ruhe Ideen sammeln und diese schriftlich festhal-
ten kann. Auch sind im Gegensatz zum Brainstorming die Anonymität und damit die Gleich-
wertigkeit der Ideen gewährleistet. Beim Brainwriting wird wie beim Brainstorming darauf
geachtet, dass alle Faktoren, die den Prozess der Ideenfindung hemmen, ausgeschaltet wer-
den. Die Teilnehmer sollen ohne jede Einschränkung Ideen produzieren und diese mit ande-
ren Ideen kombinieren. Im Idealfall inspirieren sich die Teilnehmer während des Schreibpro-
zesses gegenseitig mit ihren Ideen, die sie dann weiterentwickeln können. Ebenso wie beim
Brainstorming gibt es auch beim Brainwriting verschiedene Techniken und Ausprägungen.
Die Methode 635 ist die bekannteste Form der Brainwriting-Techniken. Danach besteht die
Gruppe aus sechs Teilnehmern, die jeweils ein gleich großes Blatt Papier erhalten (siehe Ab-
bildung 4-38). Dieses ist mit drei Spalten und sechs Zeilen in 18 Kästchen aufgeteilt. Jeder
Teilnehmer wird aufgefordert, in der ersten Zeile drei Ideen (je Spalte eine) zu einem be-
stimmten Problemfeld zu formulieren. Jedes Blatt wird nach angemessener Zeit − je nach
Schwierigkeitsgrad der Problemstellung etwa 3 bis 5 Minuten − von allen gleichzeitig, im
Uhrzeigersinn weitergereicht. Der Nächste soll versuchen, die bereits genannten Ideen aufzu-
greifen, zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Diese Ideen werden so lange weitergereicht, bis
jeder Teilnehmer sämtliche Blätter eingesehen hat, d. h. jede Idee wird fünf Mal weiterge-
346 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
reicht. Sechs Teilnehmer mit je drei Ideen und 5 Mal weiterreichen - daher die Bezeichnung
der Methode [vgl. ROHRBACH 1969, S. 73 ff.].
Jeder Teilnehmer
Ideen / Vorschläge
trägt drei Ideen/
Vorschläge ein
1 2 3
Teilnehmer 1
Teilnehmer 2
Teilnehmer 3
Teilnehmer 4
Teilnehmer 5
Teilnehmer 6
4.5.1.4 Synektik
Die Synektik zählt zu den verfremdenden Kreativitätstechniken, bei denen die Suche nach
ähnlichen oder vergleichbaren Strukturen und Mustern in anderen Erfahrungsbereichen im
Vordergrund steht. Mit dieser Analogiebildung sollen problemfremde Strukturen übertragen
bzw. sachlich nicht zusammenhängende Wissenselemente kombiniert werden. Aus diesem
Vorgang leitet sich auch der Name der Methode ab: Synektik (griech. synechein = etwas mit-
einander in Verbindung bringen, verknüpfen). WILLIAM GORDON entwickelte diese Methode
1944 auf der Grundlage intensiver Studien über Denk- und Problemlösungsprozesse. Bei der
Synektik entfernen sich die Teilnehmer bewusst vom eigentlichen Problem. Es geht darum,
Wissen aus völlig anderen Sachbereichen (Natur, Technik, Politik, Gesellschaft) mit dem
Ausgangsproblem zu verknüpfen und daraus kreative Lösungsmöglichkeiten abzuleiten.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 347
Das Grundprinzip der Synektik heißt: „Mache Dir das Fremde vertraut und verfremde das
Vertraute.“ Begonnen wird daher mit einer gründlichen Problemanalyse. Danach erfolgt die
Verfremdung der ursprünglichen Problemstellung durch Bildung von Analogien. Es wird ver-
sucht, durch Analogieschlüsse neue und überraschende Lösungsansätze zu finden (Fallschirm
– Pusteblume; Regenschirm – Fliegenpilz). Insgesamt besteht die Methode aus zehn Schrit-
ten, wobei der letzte Schritt in die Entwicklung von konkreten Lösungsansätzen mündet.
Die Synektik stellt regelmäßig höhere Anforderungen an die Gruppe als andere Kreativitäts-
methoden, denn der Verfahrensablauf ist zeitintensiver und durch die vielen Schritte kompli-
zierter. Zudem muss das Prinzip der Strukturübertragung bzw. -kombination geübt werden,
bis es effizient beherrscht wird. Die Synektik ist zwar trainingsintensiv, für geübte Anwender
jedoch sehr effektiv.
4.5.1.5 Bionik
Weniger anspruchsvoll angelegt ist die Bionik, die ebenfalls zu den verfremdenden Kreativi-
tätstechniken zählt. Bionik beschäftigt sich mit der Entschlüsselung von Erfindungen der Na-
tur und ihre innovative Umsetzung in die Technik. Das Wort Bionik ist ein Kofferwort und
kombiniert die Begriffe Biologie und Technik und bringt damit zum Ausdruck, wie für techni-
sche Anwendungen Prinzipien verwendet werden können, die aus der Biologie abgeleitet
werden. Im Laufe der Evolution hat die Natur viele optimierte Lösungen für bestimmte me-
chanische, strukturelle oder organisatorische Probleme hervorgebracht. Die Bionik analysiert
diese vorhandenen natürlichen Lösungen zunächst. Anschließend können die gefundenen
Prinzipien aufbereitet und in einer abstrahierten Form der Technik zugänglich gemacht wer-
den. Die Bionik stellt keine Blaupausen für die Technik bereit, sondern lebt vom Austausch
von Experten aus verschiedenen Fachrichtungen. So können interdisziplinär Naturwissen-
schaftler und Ingenieure mit Architekten, Philosophen oder Designern zusammenarbeiten. Als
großer Vordenker und Protagonist der Bionik gilt LEONARDO DA VINCI. Beispiele für Entspre-
chungen von technischen Entwicklungen und Natur sind:
Die Methode des morphologischen Kastens eignet sich besonders gut bei der Produktentwick-
lung. Dabei werden für verschiedene Parameter alle denkbaren Kombinationsmöglichkeiten
348 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
an Merkmalsausprägungen dargestellt und auf ihre Eignung hin überprüft. Viele der Möglich-
keiten werden aufgrund technischer oder wirtschaftlicher Gegebenheiten sinnlos sein. Doch
möglicherweise werden auch zukunftsträchtige Kombinationsmöglichkeiten erkannt, an die
bisher noch niemand gedacht hat. Diese sind anhand von geeigneten Kriterien (Preis, Funkti-
on, Herstellkosten, Absatzchancen, bestehende Konkurrenzprodukte etc.) weiter zu analysie-
ren. Wenn diese in besonders hohem Maße Kundenerwartungen und zugleich technisch her-
stellbar sind, ist der Weg frei für eine Produktinnovation.
In Abbildung 4-39 ist ein anschauliches Beispiel eines morphologischen Kastens für ein zu
entwickelndes Lastfahrzeug dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Methode die Nutzung
des Kastens als Ordnungsgerüst vorsieht, indem die verschiedenen Teillösungsansätze zu-
sammengetragen werden und so ein Gesamtlösungssystem entwickelt werden kann [vgl.
MACHARZINA/WOLF 2010, S. 856].
Karosserie-
Aluminium Stahl Kunststoff Holz
material
Anzahl
1 2 3 Mehr als 3
Sitzplätze
Lage des
Hinten Vorne Auf dem Dach Andere Stelle
Lastraums
Fortbewegungs-
Räder Luftdruck Raupen Kufen
art
Im nächsten Schritt der strategischen Planung geht es um die Auswahl und Festlegung der
richtigen Unternehmensstrategie. Hierzu bieten sich mit den Konzepten der Erfahrungskur-
ve und dem Produktlebenszyklus zwei Tools zur Wahl der richtigen Markteintritts- (und
Marktaustritts-)strategie an. Darauf aufbauend hat die Portfoliotechnik mit ihren verschiede-
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 349
nen Ausprägungen und Varianten eine zentrale Bedeutung bei der Bestimmung von Produkt-
Markt-Strategien erlangt.
4.5.2.1 Erfahrungskurve
Im Zusammenhang mit der Wahl der richtigen Markteintrittsstrategie spielen die Erkenntnisse
über den sog. Erfahrungskurveneffekt eine wichtige Rolle. Aufgrund von empirischen Unter-
suchungen hat die BOSTON Consulting Group festgestellt, dass die auf die Wertschöpfung
bezogenen preisbereinigten Stückkosten eines Produkts konstant um 20 bis 30 Prozent zu-
rückgehen, wenn sich im Zeitablauf die kumulierte Produktionsmenge verdoppelt. In Abbil-
dung 4-40 ist der Kostenverlauf in Abhängigkeit von der kumulierten Menge einmal bei line-
arer Skaleneinteilung und einmal bei logarithmischer Einteilung des Ordinatenkreuzes darge-
stellt. Besonders deutlich wird das Phänomen der Erfahrungskurve mit konstanten Ände-
rungsraten der Kosten bei einem logarithmisch gewählten Ordinatensystem [vgl. BECKER
2009, S. 422 f.].
Kosten je Stück
10
Lineare
8 Ordinaten
bei 20% Rückgang
6
2
bei 30% Rückgang
0 Kumulierte
1 2 4 6 8 10 12 14 16 Menge (Erfahrung)
Kosten je Stück
10
bei 20% Rückgang Logarithmische
8
Ordinaten
Kumulierte
1 Menge (Erfahrung)
1 2 4 8 16
Die Ursache der Stückkostendegression ist vornehmlich auf zwei Faktoren zurückzuführen.
Zum einen ist es die Lernkurve, die davon ausgeht, dass bei steigendem Produktionsvolumen
Lerneffekte in Form von
x geringeren Ausschüssen,
x besserer Koordination der Arbeitsabläufe,
x effizienterer Planung und Kontrolle sowie durch einen
x höheren Ausbildungsgrad der Mitarbeiter
350 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
erzielt werden. Zum anderen sind es Skaleneffekte (engl. Economies of Scale), die davon
ausgehen, dass ein Unternehmen bei wachsender Ausbringungsmenge von sinkenden Kosten
profitiert (u. a. bei Einkauf und Lagerhaltung). Diese auch als „Gesetz der Massenproduktion“
bekannten Größendegressionseffekte, die besagen, dass mit einer Erhöhung des Inputs eine
überproportionale Erhöhung des Outputs realisiert werden kann, wirken einerseits als Kosten-
senkungs- und andererseits als Erlöserhöhungspotenziale [vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER
2001, S. 199].
4.5.2.2 Lebenszyklusmodelle
Sättigung/
Einführung Wachstum Reife
Rückgang
Absatz
Gewinn
Lebenszykluskurve
Absatz
Gewinn
Abbildung 4-41 zeigt den idealtypischen Verlauf von Absatz- und Gewinnkurve über die Le-
bensdauer eines Produkts. Im Rahmen des Lebenszyklusmodells können vier Phasen unter-
schieden werden:
x Einführung
x Wachstum
x Reife
x Sättigung bzw. Rückgang.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 351
In der Markteinführungsphase wächst der Absatz langsam. Gewinne entstehen aufgrund der
hohen Einführungskosten noch nicht und die Anzahl der Wettbewerber ist gering. Auch ist
das Marktpotenzial noch nicht überschaubar und die Entwicklung der Marktanteile ist nicht
vorhersehbar.
Die Wachstumsphase ist durch eine starke Zunahme des Absatzes gekennzeichnet. Erste
Gewinne werden erzielt und weitere Wettbewerber treten in den Markt ein. In dieser Phase
gilt es, den eigenen Marktanteil signifikant zu vergrößern.
In der anschließenden Reifephase verlangsamt sich das Absatzwachstum. Die Gewinne gera-
ten unter Druck, der Wettbewerb hat sich etabliert. Das Produkt muss durch erhöhte Marke-
tingaufwendungen gegen den Wettbewerb verteidigt werden.
In der Sättigungsphase geht der Absatz zurück und die Gewinne brechen ein. Wettbewerber
ziehen sich zurück. Das Unternehmen steht vor der Frage, ob das Produkt auslaufen und
durch einen Nachfolger ersetzt werden soll, oder ob das Produkt durch weitere Verbesserun-
gen (engl. Relaunch) noch einmal reanimiert werden kann.
Nicht jedes Produkt folgt zwangsläufig diesem idealtypischen Verlauf des Lebenszyklusmo-
dells. Einige Produkte verschwinden sehr schnell wieder vom Markt, andere können nach
Eintritt in die Sättigungsphase durch Relaunching-Maßnahmen in eine neue Wachstumsphase
gebracht werden.
Das Konzept des Produktlebenszyklus lässt sich auf ganze Produktklassen (z. B. Fernseher
oder Autos), auf eine Produktkategorie (z. B. Flachbildschirme oder Sportwagen) oder eben
auf einzelne Produkte/Leistungen anwenden. Dabei haben Produktklassen naturgemäß den
längsten Lebenszyklus. Darüber hinaus wird das Lebenszykluskonzept auch für ganze Märk-
te bzw. Branchen unterstellt (siehe hierzu auch Abschnitt 4.4.1 (Five Forces)).
Da sich in der Regel nicht bestimmen lässt, in welcher Phase des Lebenszyklus sich das Pro-
dukt zum aktuellen Zeitpunkt befindet, eignet sich das Modell nur bedingt für die Vorhersage
von Erfolgsaussichten eines Produkts oder zur Entwicklung einer Marketingstrategie. Den-
noch kann die Lebenszyklusanalyse durchaus als Beschreibungsmodell zur Unterstützung
marketingstrategischer Entscheidungen herangezogen werden [vgl. KOTLER et al. 2011, S.
669].
Als ein Beispiel hierfür kann der verspätete Markteinstieg einer neuen Produktgeneration oder
Produktgruppe herangezogen werden. Lässt sich die in Abbildung 4-42 dargestellte zeitliche
Verzögerung der Markteinführung der Produktgruppe B (also B2 statt B1) und der damit ver-
bundene Umsatzausfall (Gesamtumsatzkurve 2 statt 1) nicht kompensieren, so kann das Un-
ternehmen in erhebliche Schwierigkeiten geraten. Eine Kompensation für dieses Time-to-
Market-Problem könnte hier nur durch eine Verlängerung des Lebenszyklus der Produkt-
gruppe A erreicht werden z. B. durch Kundenbindungsmaßnahmen, laufende Überprüfung
der Kundenzufriedenheit und eine anwender- statt technologieorientierte Marketingpolitik
(vgl. LIPPOLD 1998, S. 149 unter Bezugnahme auf WIMMER et al. 1993, S. 20 ).
352 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Umsatz
Gesamtumsatzkurve 1
Umsatzausfall Gesamt-
umsatzkurve 2
Produktgruppe A B1 B2 C
Zeit
4.5.3 Portfoliotechniken
Mit seinen verschiedenen Varianten hat die Portfoliotechnik, die auf den grundlegenden An-
nahmen des Lebenszykluskonzepts und der Erfahrungskurve beruht, unter den vorliegenden
Tools zur Bestimmung von Produkt-Markt-Strategien eine zentrale Bedeutung erlangt. Die
strategieorientierte Portfoliotechnik wurde ursprünglich zur optimalen Aufteilung des Vermö-
gens auf verschiedene Anlageformen wie Geldvermögen, Wertpapiere und Sachgegenstände
zum Zweck der Ertragsmaximierung und Risikominimierung für den Anleger entwickelt.
Dieses Grundkonzept wurde dann später zu einer systematischen Analyseform für Mehrpro-
duktunternehmen weiterentwickelt. Es setzt eine klare Abgrenzung der Produktlinien mit ei-
ner Aufgliederung des Produktspektrums in strategische Geschäftseinheiten voraus. Zur Bil-
dung von strategischen Geschäftseinheiten und zur Abgrenzung von strategischen Geschäfts-
feldern wird auf Abschnitt 3.2.5 verwiesen.
In ihrer einfachsten Form als 4-Felder-Matrix werden das Marktwachstum und der relative
Marktanteil als Ordinaten sowie deren Unterteilung in „niedrig“ und „hoch“ benutzt, um die
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 353
x Fragezeichen (engl. Question marks) sind Produkte, die sich in der Einführungsphase
befinden. Ihr relativer Marktanteil sowie das Marktwachstum sind gering, die Stückkos-
ten dagegen hoch.
x Sterne (engl. Stars) sind Produkte, die sich in der Wachstumsphase befinden. Sie verfü-
gen sowohl über einen hohen relativen Marktanteil als auch über ein hohes Marktwachs-
tum. Zudem sind die Stückkosten gering.
x Melkkühe (engl. Cash cows) befinden sich in der Reifephase des Lebenszyklus. Sie
zeichnen sich durch einen hohen relativen Marktanteil und niedrige Stückkosten aus. Al-
lerdings ist das Marktwachstum gering.
x Arme Hunde (engl. Poor dogs) sind solche Produkte, die bereits länger auf dem Markt
sind und sich in der Sättigungsphase befinden. Sie verfügen über einen niedrigen relati-
ven Marktanteil, hohe Stückkosten und nur noch über ein geringes Marktwachstum.
Markt-
wachstum
Absatzvolumen „Question marks" „Stars" Portfolio-
Modell
hoch
niedrig
Das Erste
„Cash
Lebenszyklus-Modell „Poor dogs"
cows" Relativer
Zeit Marktanteil
niedrig hoch
Kosten/
Stück
Erfahrungskurven-Modell Kumulierte
Ausbringungsmenge
Die Portfolio-Analyse als 4-Felder-Matrix wurde von der BOSTON Consulting Group vor-
nehmlich zur optimalen Positionierung von strategischen Geschäftseinheiten (SGEs) eines
354 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Unternehmens entwickelt. Für die Verteilung der SGEs in den vier Quadranten werden fol-
gende Parameter herangezogen [vgl. BECKER 2009, S. 424 f.]:
x Umsatz (grafisch verdeutlicht als unterschiedlich große Kreise, die der jeweiligen Um-
satzbedeutung der SGE entsprechen)
x Relativer Marktanteil (als Marktanteil der eigenen SGE, dividiert durch den Marktanteil
des stärksten Wettbewerbers; dabei bedeutet die vertikale Trennlinie 1,0 auf der Abszisse,
dass eine SGE, die rechts von dieser Trennlinie positioniert ist, einen relativen Marktan-
teil > 1 hat und damit Marktführer ist)
x Zukünftiges Marktwachstum (wobei sich die horizontale Trennlinie bei verändertem
Marktwachstum im Laufe der Zeit auch verschieben kann).
In Abbildung 4-44 ist die Ableitung eines Portfolios für ein Beispiel-Unternehmen mit fünf
strategischen Geschäftseinheiten auf unterschiedlichen Märkten dargestellt.
Umsatzanteil 30 % 25 % 20 % 15 % 10 %
30%
b) Darstellung des Marktanteils- „Question marks" „Stars"
Marktwachstums-Portfolios Marktwachs-
tum (p.a.)
SGE 3
SGE 5
15%
„Cash cows"
SGE 1 SGE 2
SGE 4
Relativer
„Poor dogs" Marktanteil
0 1,0 2,0
Auf der Grundlage dieser Portfolio-Ableitung lassen sich nunmehr Strategieempfehlungen als
sogenannte Normstrategien unmittelbar ableiten. Die Normstrategien für die 4-Felder-Matrix
lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:
Neue Produkte sollten energisch unterstützt werden, damit sie zu Stars werden. Stars reifen zu
Cows. Die von den Cows erwirtschafteten Finanzmittel sollten genutzt werden, um aus
Question marks Stars zu machen. Die Dogs sind zu eliminieren.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 355
Grundsätzlich basieren diese Normstrategien auf der Idee, ein Portfolio von Geschäftseinhei-
ten durch Zuteilung von Finanzmittelüberschüssen aus erfolgreichen Einheiten an andere,
vielversprechende Geschäftseinheiten zu managen. Eine erfrischend andere Sichtweise der
klassischen BCG-Matrix ist in Abbildung 4-45 der herkömmlichen Normstrategie gegenüber-
gestellt. Die Gegenüberstellung macht deutlich, dass eine sklavische Anwendung und Inter-
pretation der Normstrategie durchaus zu irreführenden strategischen Empfehlungen führen
kann [vgl. ANDLER 2008, S. 208 unter Bezugnahme auf GLASS 1996].
• Schwache Position in • Investitionen lohnen • Trotz Stagnation kann • Aufgrund der guten
einem stagnierenden nicht, da Markt kaum es Potential geben Ausgangslage sollte
Markt wächst • Gezielt gute das Geschäft
• Überschüssiges Geld Schnäppchen revitalisiert werden,
• Marktanteile können anstatt das Geld in
nur von Konkurrenten lieber in Stars auswählen und
investieren vorsichtig attackieren hungrige Stars zu
kommen – abstoßen! investieren
Neben der grundsätzlichen Kritik, dass die Portfolio-Technik einen idealtypischen Kurven-
verlauf des Lebenszyklus quasi als gesetzmäßig unterstellt, richtet sich die Hauptkritik an der
Portfolio-Analyse als 4-Felder-Matrix vornehmlich auf die Reduktion aller Einflussfaktoren
auf den Marktanteil (als hochverdichtete Größe der Unternehmensbedingungen) und auf das
Marktwachstum (als hochverdichte Größe der Umweltbedingungen). Innovationen, Techno-
logien, Verbundeffekte, Allianzen u. ä. werden nicht berücksichtigt.
Die kritische Auseinandersetzung mit der 4-Felder-Matrix hat zur Entwicklung weiterer Aus-
prägungen der Portfolio-Analyse geführt. Besonders hervorzuheben ist die Marktattraktivi-
täts-Wettbewerbsstärke-Matrix, die MCKINSEY in Zusammenarbeit mit GENERAL
ELEKTRIC entwickelt hat. Um die Komplexität des Analysefeldes stärker zu berücksichtigen,
wird die Matrix in neun (statt vier) Felder unterteilt. Zusätzlich stellen die beiden Ordinaten
jeweils Aggregate einer durch den Anwender selbst zu bestimmenden Menge quantifizierba-
rer Variablen dar. So wird die Umweltordinate Marktwachstum aus der 4-Felder-Matrix durch
ein Faktorenbündel mit der Bezeichnung Marktattraktivität ersetzt. Die Marktattraktivität
setzt sich aus Faktoren wie Marktwachstum, Marktprofitabilität, Marktvolumen, Preisniveau
oder Wettbewerbsintensität zusammen. Die Unternehmensordinate relativer Marktanteil aus
356 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
der 4-Felder-Matrix wird durch das Faktorenbündel Wettbewerbsstärke ersetzt. Hierzu zäh-
len Faktoren wie Marktanteil, Marktanteilswachstum, Kosten- bzw. Preisposition, Profitabili-
tät oder Kapazitäten. Das grundsätzliche Problem besteht hierbei allerdings in der Erfassung
und vor allem Gewichtung der Faktoren [vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER 2001, S. 229 f.].
Unter der Voraussetzung, dass die angesprochen Faktoren für jede Geschäftseinheit tatsäch-
lich vorliegen, können mit der 9-Felder-Matrix Normstrategien weitaus differenzierter durch-
geführt werden. Dazu hat MCKINSEY die 9-Felder-Matrix in zwei grundlegende Zonen aufge-
teilt (siehe Abbildung 4-46). Die Zone rechts oberhalb der Matrix-Diagonalen legt Wachs-
tums- bzw. Investitionsstrategien (Zone der Mittelbindung) und die Zone links unterhalb der
Matrix-Diagonalen legt Abschöpfungs- bzw. Desinvestitionsstrategien (Zone der Mittelfrei-
setzung) nahe [vgl. BECKER 2009, S. 432 f.].
Wettbewerbs- Lebenszyklusphase
position
Einführung Wachstum Reife Rückgang
Marktanteil
Position halten, Position halten, mit
Dominant hinzugewinnen oder
Marktanteil halten der Branche wachsen
Position halten
mindestens halten
Investieren, um Investieren, um
Position zu verbes- Position zu verbes- Position halten, mit Position halten oder
Stark sern; Marktanteils- sern; selektive Markt- der Branche wachsen ernten
gewinnung (intensiv) anteilsgewinnung
Stufenweise
Starke Verbesserung Starke Verbesserung
Schwach oder Rückzug oder Liquidierung
Reduzierung des Liquidierung
Engagements
von 100 Prozent werden sämtliche Mittel in die betreffende Geschäftseinheit reinvestiert. Ist
der Wert über 100 Prozent, wird die Geschäftseinheit zu einem Mittelverbraucher, bei einem
Wert unter 100 Prozent zu einem Mittelfreisetzer. Ein negativer Wert bedeutet, dass eine Ve-
räußerungs- oder Liquiditätsstrategie verfolgt wird. Entsprechend können im Ronagraph eine
Subventionierungs-, eine Beitrags- und eine Liquidierungszone unterschieden werden [vgl.
FINK 2009, S. 230 f.].
Nettokapitalrendite
(RONA)
Geschäfts-
Reife einheit B
Wachstum
Geschäfts-
einheit A Rückgang
Geschäfts-
Entstehung
einheit C
Cashflow-
Verwendung Subventionszone Beitragszone Liquidierungszone
Die am Portfolio-Ansatz von Arthur D. Little geübte Kritik richtet sich neben der „Gesetzes-
hypothese“ eines idealtypischen Lebenszyklusverlaufs vor allem auf die generellen Schwie-
rigkeiten einer Orientierung an Normstrategien, insbesondere weil hier die Vielzahl der Hand-
lungsempfehlungen die Gefahr einer allzu mechanischen Ableitung strategischer Vorgehens-
weisen in sich bergen. Hinzu kommt, dass einige Strategietypen nicht überschneidungsfrei
und präzise formuliert sind [vgl. FINK 2009, S. 231 f.].
Strategien werden bewusst gestaltet und sind somit geplant. Der Prozess der Strategieformu-
lierung ist vernunftgeleitet. Strategien sind der Weg, der zum Ziel führen soll. Sie werden aus
den Unternehmenszielen abgeleitet und bilden das Fundament für die Maßnahmenrealisie-
rung. Da sich die Beschäftigung mit Unternehmensstrategien in erster Linie auf den Typ der
modernen diversifizierten Großunternehmen (Konzerne) bezieht, hat sich folgende Unter-
scheidung eingebürgert [vgl. MACHARZINA/WOLF 2010, S. 256 und 265 ff. unter Bezugnahme
auf HOFER/SCHENDEL 1978, S. 18 f.]:
Diese Gliederung soll hier allerdings nicht weiter verfolgt werden, weil eine Abgrenzung zwi-
schen Unternehmen und Geschäftsbereich im Hinblick auf einzuschlagende strategische Stoß-
richtungen nicht zielführend erscheint. Das wird besonders daran deutlich, dass Wettbewerbs-
strategien, die ja eine wesentliche inhaltliche Ausrichtung der Geschäftsbereichsstrategien
sind, genauso gut von Unternehmen, die über keine Geschäftsbereiche verfügen, verfolgt
werden können.
Stattdessen werden hier folgende Strategien, die zum Rüstzeug eines jeden Beraters zählen,
kurz behandelt:
x Wachstumsstrategien
x Strategien in schrumpfenden Märkten
x Wettbewerbsstrategien
x Markteintrittsstrategien.
4.5.4.1 Wachstumsstrategien
gegenwärtige neue
Märkte Märkte
Marktstrategie
(1) Marktdurchdringungsstrategie
Das Strategiefeld der Marktdurchdringung wird auch als die „marketingstrategische Urzelle
eines Unternehmens“ [BECKER 2009, S. 148] bezeichnet, weil es die nahe liegende Strategie-
richtung des Unternehmens ist. Ansatzpunkte für die Ausschöpfung des gegenwärtigen Mark-
tes mit den gegenwärtigen Produkten sind [vgl. KOTLER et al. 2007, S. 106]:
Die Beispiele der strategischen Ansatzpunkte machen deutlich, dass Unternehmen latente
Potentiale für bestehende Produkte/Leistungen in bestehenden Märkten auf drei verschiede-
nen Basiswegen ausschöpfen können [vgl. BECKER 2009, S. 148]:
(2) Marktentwicklungsstrategie
Diese strategische Stoßrichtung zielt darauf ab, ein bestehendes Produkt künftig auch in ande-
ren, bislang nicht genutzten Märkten bzw. Marktsegmenten zu etablieren. Anknüpfungspunk-
te für Markterweiterungen sind [vgl. MEFFERT et al. 2008, S. 262]:
x Gebietserweiterungen, d.h. räumliche Ausdehnung auf Märkte, die bislang noch nicht
bearbeitet wurden (z. B. Softwarehäuser, die ihre Produkte jetzt auch europaweit anbie-
ten);
x Gewinnung neuer Marktsegmente durch speziell auf bestimmte neue Zielgruppen ab-
gestimmte Produktvarianten (z. B. SAP-Software für den Mittelstand).
Abbildung 4-51 liefert einen Überblick über wichtige Anknüpfungspunkte bei der Marktent-
wicklungsstrategie.
362 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Marktent-
wicklung
• Gebietserweiterung (national → international)
Maßnahmen • Neue Marktsegmente (funktional und
kundenspezifisch)
(3) Produktentwicklungsstrategie
Die Strategie der Produktentwicklung ist Folge einer systematischen Innovationspolitik, die
durch die verschärften Wettbewerbsbedingungen geradezu erzwungen wird. Als Ansatzpunk-
te bieten sich an [vgl. BECKER 2009, S. 156 f.]:
(4) Diversifikationsstrategie
Für die strategische Stoßrichtung Diversifikation, die das Angebot neuer Produkte auf bisher
vom Unternehmen nicht bearbeiteten Märkten bezeichnet, können wiederum drei Stoßrich-
tungen unterschieden werden [vgl. MEFFERT et al. 2008, S. 262 f.]:
Die Abgrenzung dieser drei Arten der Diversifikation ist nicht immer eindeutig. Auch besteht
keine Einigkeit darüber, wie wenig verwandt oder wie fern ein neues Produkt – bezogen auf
das bisherige Programm – sein muss, um überhaupt von einer echten Diversifikation sprechen
zu können [vgl. BECKER 1993, S. 140].
Abbildung 4-53 gibt einen Überblick über die Stoßrichtungen der Diversifikationsstrategie.
Als Grundlage der Formulierung von Schrumpfungsstrategien sollten die Umwelt- und Un-
ternehmensfaktoren analysiert und prognostiziert werden, die sich auf die Vorteilhaftigkeit
der möglichen Schrumpfungsstrategien auswirken. In Bezug auf die externen Unternehmens-
daten sollten diese oder ähnliche Fragen beantwortet werden (vgl. WELGE/AL-LAHAM 1992,
S. 344):
„Mausefalle“
„Goldener Käfig“
hoch
Bsp.: Bsp.:
Fluglinien Automobilbranche
Austrittsbarrieren
Business mit hohem Dauerhaft rentables
Wettbewerb Business
niedrig
– marginale Rentabilität
„Flohmarkt“ „Goldgrube“
Bsp.: Bsp.:
Sprachakademien Strategieberatung
Als unternehmensinterne Größen sind die Differenzierbarkeit des Produktes, die Wettbe-
werbsposition des Unternehmens, die Güte der Wahrnehmung des Schrumpfungsprozesses
sowie die Austrittsbarrieren relevant. Besonders die Austrittsbarrieren eines Marktes be-
stimmen in hohem Maße die Möglichkeiten eines Ausstiegs in stagnierenden oder schrump-
fenden Märkten. Dabei können im Wesentlichen folgende Barrieren unterschieden werden
[vgl. BECKER 1993, S. 140]:
x Vorhandene Betriebsmittel mit hoher Spezifität (z. B. Spezialanlagen mit Aussicht auf
nur geringe Liquidationserlöse, weil der Interessentenkreis zu klein ist)
x Hohe Austrittskosten (z. B. wegen Konventionalstrafen aufgrund langfristiger Verträge,
Sozialplan oder zu hoher Garantieleistungen auf Produkte)
x Negative Verbundwirkung auf andere Geschäftsbereiche
x Emotionale Barrieren (Weigerung zum Eingeständnis des Misserfolgs, persönliche
Identifikation des Managements oder der Anteilseigner mit aufzugebendem Bereich).
Die genannten Austrittsbarrieren können hoch oder niedrig sein. Dabei ergeben sich auch Be-
ziehungen zu den (ursprünglichen) Eintrittsbarrieren (siehe Abbildung 4-54).
Die Ausstiegsmöglichkeiten aus einem Markt hängen somit auch von den Ursprungsbedin-
gungen ab. Je niedriger die Eintrittsbarrieren in einem Markt ursprünglich waren, desto mehr
Anbieter gehörten in der Regel später diesem Markt an und umso schwieriger ist die Realisie-
rung einer mehr „passiven Strategie des Überlebenden“, weil zu viele andere Wettbewerber
den Markt erst verlassen müssen, ehe er wirksam zu Gunsten des eigenen Verbleibens entlas-
tet wird [vgl. BECKER 2009, S, 752].
366 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Abbildung 4-55 gibt einen Überblick über die genannten strategischen Stoßrichtungen.
Strategien in
schrumpfenden
Märkten
Desinvestitionsstrategie
Stabilisierungsstrategie
(Schrumpfungsstrategie)
Konsolidierungs-
Haltestrategie Veräußerung Liquidation
strategie
(1) Stabilisierungsstrategien
Die Stabilisierungsstrategie ist dadurch charakterisiert, dass weder eine Ausweitung noch ei-
ner Schrumpfung des Produkt-/Leistungsprogramms erfolgt. Stabilisierungsstrategien umfas-
sen zwei Ausprägungen [vgl. WELGE/AL-LAHAM 1992, S. 292 f.]:
x Bei Halte- oder Normalstrategien wird der gegenwärtige Zustand beibehalten und auf
die Verfolgung weiterer Strategien verzichtet.
x Konsolidierungsstrategien zielen dagegen auf die Effizienz der Aktivitäten und damit
auf eine Verbesserung der Ertragssituation.
Konsolidierungsstrategien stellen somit Rationalisierungsbemühungen in den Vordergrund.
Sie verzichten bewusst auf Wachstum. Daher werden solche Strategien häufig nach Phasen
der Prosperität eingeschlagen. Folgende Maßnahmenbündel sind denkbar:
(2) Desinvestitionsstrategien
Bei der externen Schrumpfung kommt es häufig zu einem intensiven Preiswettbewerb und
wachsendem Preisbewusstsein der Kunden. Sinkende Auftragseingänge und mangelnde Ka-
pazitätsauslastungen sowie Ertragsprobleme sind die Folge. In derartigen Situationen stehen
dem betroffenen Unternehmen folgende Desinvestitionsformen zur Verfügung [vgl. BEA/
HAAS 2005, S. 182 ff.]:
4.5.4.3 Wettbewerbsstrategien
Der Produkt bzw. Leistungsvorteil auf der einen und der Preisvorteil auf der anderen Seite
bilden die beiden grundsätzlichen Alternativen zur Beeinflussung des Abnehmerverhaltens
und damit zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils. Demzufolge können die Unternehmen
zwischen zwei grundlegenden Wettbewerbshebeln bzw. Mechanismen der Marktbeeinflus-
sung wählen [vgl. BECKER 2009, S. 180]:
Das Denken in Wettbewerbsvorteilen ist die zentrale Idee der beiden grundlegenden Strate-
giemuster:
368 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
x Präferenzstrategie und
x Preis-Mengen-Strategie.
In der Strategiesystematik von MICHAEL E. PORTER [1995, S. 63 ff.] werden die beiden Alter-
nativen als
bezeichnet. Sie bilden die Eckpfeiler der PORTERschen Wettbewerbsstrategien und entspre-
chen damit im Prinzip den Marktstimulierungsstrategien. Wenn es auch im Detail Unterschie-
de zwischen beiden Strategiesystematiken geben mag [zur Diskussion über diese Unterschie-
de siehe insbesondere BECKER 2009, S. 180 und MEFFERT et al. 2008, S. 299], so gehen doch
beide Ansätze von zwei identischen Wettbewerbsvorteilen aus: dem Produkt- bzw. Leis-
tungsvorteil einerseits und dem Preisvorteil andererseits. Diese Wettbewerbsvorteile nehmen
Kunden entweder in Form von Leistungsunterschieden, d. h. bessere Leistung bei gleichem
Preis, oder in Form von Preisunterschieden, d. h. niedrigerer Preis bei gleicher Leistung,
wahr. Daher sind auch in Abbildung 4-56 beide Ansätze zu einer Grafik zusammengefasst.
Auf der Seite des Qualitätswettbewerbs ist die Alleinstellung (engl. Unique Selling Propo-
sition = USP) eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Präferenzstrategie bzw. Qua-
litätsführerschaft, denn besonders die Einzigartigkeit der Leistung begründet aus Sicht des
Kunden einen Wettbewerbsvorteil. Quellen der Alleinstellung können unterschiedliche Fak-
toren sein:
Qualitätswettbewerb Preiswettbewerb
Strategiebezeichnung Marktstimulierungs-
Präferenzstrategie Preis-Mengen-Strategie
nach BECKER strategien
Strategiebezeichnung Qualitätsführerschaft Kostenführerschaft Wettbewerbs-
nach PORTER (Differenzierungsstrategie) (aggressive Preisstrategie) strategien
PORTER betont in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen sich eindeutig für eine der bei-
den Optionen entscheiden müssen, da sonst die Gefahr eines „Stuck in the Middle“, also einer
Zwischenposition ohne klare Wettbewerbsvorteile, drohe [vgl. PORTER 1986, S. 38 f.].
Abbildung 4-57 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine
einmalige Entscheidung zwischen Kostenführerschaft und Qualitätsführerschaft (Differenzie-
rung) ausreicht, um den langfristigen Erfolg zu sichern. Ist es nicht vielmehr naheliegend,
angesichts der laufenden Veränderungen im Markt- und Wettbewerbsumfeld auch eine Ver-
änderung der strategischen Stoßrichtung bzw. eine Kombination beider Optionen vorzuneh-
men? Die hiermit angesprochenen hybriden Wettbewerbsstrategien verstoßen zwar auf den
ersten Blick gegen die klassische Zweiteilung, wenn Unternehmen jedoch zum richtigen Zeit-
punkt zwischen Kostenführerschaft und Differenzierung wechseln, können sie Wettbewerbern
durchaus überlegen sein [vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER 2001, S. 201].
370 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Rentabilität
Qualitäts- Kosten-
führerschaft führerschaft
“zwischen den
Stühlen”
Leistungsvorteile Kostenvorteile
Mit jeder Wettbewerbsstrategie ist auch die Entscheidung über die Breite der Marktbearbei-
tung verbunden, da bei weitem nicht alle Unternehmen in der Lage sind, eine Abdeckung des
Gesamtmarktes vorzunehmen. Somit stellt sich in einer zweiten Dimension die Frage nach der
Fokussierung auf bestimmte Kundengruppen oder auf abgegrenzte Regionen. Solche Fokus-
oder Nischenstrategien sind damit – neben der Differenzierung und Kostenführerschaft – der
dritte generische Strategietyp nach PORTER.
Leistungsvorteile Kostenvorteile
Gesamtmarkt-
abdeckung Qualitätsführerschaft Kostenführerschaft
Differenzierungs- Aggressive
strategie Preisstrategie
Nischenstrategie
Selektive Selektive
Qualitätsführerschaft Kostenführerschaft
(Qualität – Nische) (Preis – Nische)
Teilmarkt- Differenzierungsfokus Kostenfokus
abdeckung
(Nische)
ders kleine und mittlere Anbieter fokussieren sich auf einzelne Segmente, während größere
Wettbewerber zumeist versuchen, den Markt breit anzugehen. Auch bei der Nischenstrategie
stehen den Anbietern zwei Optionen zur Verfügung: der Differenzierungs- und der Kostenfo-
kus (siehe Abbildung 4-58).
Der Differenzierungsfokus empfiehlt sich dann, wenn ein Unternehmen ein spezifisches Be-
dürfnis, das Gesamtmarktanbieter nicht gut genug befriedigen können, besser bedienen kann.
Ebenso kann es sein, dass ein Unternehmen einen Kostenvorsprung gegenüber den Gesamt-
marktanbietern in Form einer selektiven Kostenführerschaft zu realisieren vermag [vgl.
MÜLLER-STEWENS/LECHNER 2001, S. 204].
Neben der Art des Wettbewerbsvorteils (Leistungs- oder Kostenvorteil) und der Breite der
Marktbearbeitung (Gesamt- oder Teilmarktabdeckung) hat noch eine dritte Dimension Be-
deutung: die Art der Marktbearbeitung. Im Kern geht es dabei um die Ausgestaltung des
Geschäftssystems (also der Wertschöpfungskette). In welcher Form soll das Geschäftssystem
zu dem angestrebten Wettbewerbsvorteil beitragen? Versucht ein Unternehmen, seinen Wett-
bewerbsvorteil mit einem Geschäftssystem zu realisieren, das kaum von den Geschäftssyste-
men der Wettbewerber abweicht, dann spricht man vom „alten Spiel“. Ein „neues Spiel“ wird
dagegen gespielt, wenn das Unternehmen sein Geschäftssystem andersartig gestaltet als dies
bislang in der Branche üblich war (Beispiel: Das IKEA-Geschäftssystem in der Möbelbran-
che) [vgl. HUNGENBERG/WULF 2011, S. 163 f.].
Stellt man nun alle Handlungsmöglichkeiten entlang der drei genannten Dimensionen dar, so
erhält man das sogenannte strategische Spielbrett, das in Abbildung 4-59 dargestellt ist.
Teilmarkt
Leistungs- Preis-
vorteil vorteil
n Welcher Wettbewerbsvorteil
wird angestrebt?
4.5.4.4 Markteintrittsstrategien
Nachdem die Fragen geklärt sind, welcher Wettbewerbsvorteil wo und in welcher Art und
Weise erreicht werden soll, kann die Entwicklung und Auswahl der Markteintrittsstrategie
erfolgen. Dabei sind vor allem die Entscheidungen über den Markteintrittszeitpunkt sowie
über die Form des Markteintritts von strategischer Bedeutung.
Pionierstrategie Folgerstrategie
Chancen
• Möglichkeit zur Schaffung von Früher Folger Später Folger
Standards
• Nutzung von preispolitischen Chancen Chancen
Spielräumen
• Erste Markterfahrungen liegen vor • Anlehnung an bereits vorhandene
• Kostenvorteile durch Vorsprung Standards
auf der Erfahrungskurve • Geringeres Markteintrittsrisiko als
beim Pionier • Niedrigere F&E-Aufwendungen
Risiken • Markt ist noch nicht verteilt • Kostengünstige Me-too-
• Hohe Markterschließungskosten Produktion
Risiken
• Ungewissheit über weitere • Größere Sicherheit über weitere
Marktentwicklung • Bereits aufgebaute Markteintritts- Marktentwicklung
barrieren (durch Pionier)
• Gefahr von Technologiesprüngen Risiken
durch Wettbewerber • Zwang zu Eigenständigkeiten im
Vermarktungskonzept • Bereits verteilter Markt
• Ggf. erste Preiszugeständnisse • Image- und Kompetenznachteile
erforderlich • Gefahr von größeren
Preiskämpfen
Die Pionierstrategie (engl. First-to-Market), bei dem das Unternehmen mit dem neuen Pro-
dukt als Erstes in den Markt eintritt, hat zunächst einmal den Vorteil einer kurzzeitigen Mo-
nopolstellung. Damit hat der Pionier – zumindest vorübergehend – die Möglichkeit, den Preis
abzuschöpfen und Marktstandards zu setzen. Der Schwerpunkt dieser Strategie liegt zunächst
in der Markterschließung, später in der Verteidigung der Marktposition. So kann der Pionier
wirksame Markteintrittsbarrieren erzeugen und in der Regel das Produkt über einen längeren
Zeitraum absetzen als die Nachfolger. Dem hohen Chancenpotenzial sind jedoch die Nachtei-
le eines Pioniers gegenüberzustellen, die vor allem aus den hohen Kosten und dem Zeitauf-
wand für die Forschung und Entwicklung, den hohen Kosten der Markterschließung (von de-
nen auch die nachfolgenden Unternehmen profitieren), dem Markt- bzw. Nachfragerisiko und
dem technologischen Risiko bestehen.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 373
Der frühe Folger (engl. Second-to-Market) tritt vergleichsweise kurz nach dem Pionier in
den Markt ein und kann unmittelbar an das Pionier-Konzept anknüpfen. Der frühe Folger hat
durchaus gute Marktchancen, muss aber bereits mit ersten Preiszugeständnissen rechnen. Die
Strategie des frühen Folgers bringt die Vorteile mit sich, ähnliche, wenn auch geringer ausge-
prägte Absatz-, Kosten- und Preisvorteile wie der Pionier erreichen und langfristig einen rela-
tiv großen Marktanteil erzielen zu können. Gleichzeitig werden aber die anfangs hohen Risi-
ken des Pioniers vermieden. Aus dem beobachtbaren Verhalten des Pioniers und der Kunden
können zusätzliche Erkenntnisse für den eigenen späteren Markteintritt gewonnen werden.
Das Risiko der Strategie des frühen Folgers ist darin zu sehen, dass der Pionier zunächst so
hohe Eintrittsbarrieren errichtet (z.B. Patentanmeldung oder Limit-Preis-Angebote), dass ein
Markteintritt unattraktiv wird.
Der späte Folger (engl. Later-to-Market) verfügt entweder noch nicht über das technologi-
sche Know-how oder er scheut das hohe Markterschließungsrisiko. Dadurch riskiert er einen
schärferen Preiswettbewerb und muss Image- und Kompetenznachteile in Kauf nehmen. Die
Strategie hat den Vorteil, dass der späte Folger von den Entwicklungsbemühungen der Vor-
gänger profitieren und deren Fehler vermeiden kann. Risiken bestehen allerdings in den bis
dahin aufgebauten hohen Markteintrittsbarrieren und der Schwierigkeit, noch Marktanteile zu
erringen.
In Abbildung 4-61 sind einige bekannte Beispiele aus der dem Bereich der Informationstech-
nologie und Telekommunikation (ITK-Branche) aufgeführt, in denen nicht immer die Pio-
nierstrategie „das Rennen“ gemacht hat.
Innovations- Innovations-
Produkt Kommentar
führer folger
Siemens kommt zu
spät, d. h. erst nach
Einsetzen des Preis-
Dynamische verfalls bei Speicher-
Speicherchips (DRAM) chips auf den Markt
Die Diskussion der Vor- und Nachteile verdeutlicht, dass es keine Markteintrittsstrategie gibt,
die ausschließlich Vorteile mit sich bringt. Zwar sind die Erfolgsaussichten der späten Folger
schon aufgrund der hohen Markteintrittsbarriere insgesamt als geringer einzustufen, dennoch
können auch sie von den technologie- bzw. marketing-konzeptionellen Fehlern des Pioniers
bzw. frühen Folgers profitieren. Die Wahl der richtigen Markteintrittsstrategie hängt von ver-
schiedenen Faktoren ab und ist in hohem Maße situationsabhängig. Risikofreudige Unter-
nehmen mit ehrgeizigen Wachstumszielen werden eher Pionierkonzepte verfolgen. In der
Konsumgüterbranche, deren Forschungs- und Entwicklungsaufwand im Schnitt deutlich ge-
ringer ist als bei Industriegütern, haben Folger mindestens genauso gute Chancen wie Pionie-
re. Neben Risikobereitschaft und strukturellen Branchenbedingungen spielt auch der Grad der
Innovation eine beeinflussende Rolle bei der Wahl der Timing-Strategie. So setzen echte Pio-
nierstrategien vor allem auf Basisinnovationen mit großen Ertragschancen unter Inkaufnahme
eines hohen Risikos (siehe hierzu Insert 4-03) [vgl. BECKER 2009, S. 380 ff.].
Insert
Wie kaum ein anderes Unternehmen ist APPLE abhängig von seiner des Unternehmens seit der Firmengründung haben. Besonders be-
Time-to-Market-Strategie. Untenstehende Abbildung zeigt sehr an- merkenswert ist, dass die Umsatzwachstumsraten in den letzten bei-
schaulich, welche Auswirkungen Neuproduktentwicklungen und den Jahren jeweils größer als 50 Prozent waren – eine Entwicklung,
deren Markteintrittszeitpunkte auf die Umsatz- und Gewinnsituation die Apple in den nächsten Jahren sehr unter Druck setzen wird.
120000
Mio USD
100000
iPad
= Umsatz
= Gewinn
80000 iPhone
60000 iPod
iBook
40000
iMac G4
NeXTStep
Lisa Mac Power Mac iMac G3
20000
Apple II
Apple I
-20000
Bei der Planung des Markteintritts ist neben dem Zeitpunkt auch die Form festzulegen. Hier-
bei kann grundsätzlich zwischen einem internen und einem externen Wachstumsweg unter-
schieden werden. Beim internen Eintritt versucht das Unternehmen, durch eigene For-
schungs- und Entwicklungstätigkeiten sein Leistungsprogramm zu erweitern und die entspre-
chenden innovativen Produkte in bekannte oder neue Märkte einzuführen. Dieser Eigenaufbau
wird auch als interne Eintrittsstrategie im engeren Sinne bezeichnet. Interne Eintrittsstrategien
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 375
im weiteren Sinne sind dagegen der Kauf von Lizenzen und Patenten sowie die Aufnahme
von Handelswaren (vgl. Becker, 2001, S. 171 f.).
Ein externer Markteintritt liegt vor, wenn ein Unternehmen nicht selbständig, sondern zu-
sammen mit einem bereits auf dem betreffenden Markt agierenden Unternehmen tätig wird.
Für diese Art des Markteintritts besteht zum einen die Möglichkeit der Unternehmensakquisi-
tion, d.h. des Erwerbs von oder der Beteiligung an Unternehmen bzw. Unternehmensteilen
(Unternehmenskauf). Zum anderen kann der Markteintritt über eine Kooperation erfolgen,
z.B. über ein Joint Venture, eine strategische Allianz oder über sonstige Formen vertraglich
geregelter partnerschaftlicher Zusammenarbeit (Partnerkauf) [vgl. WELGE/AL-LAHAM 1992,
S. 308]
Die internen und externen Markteintrittsstrategien sind in Abbildung 4-62 hinsichtlich ihrer
Wirkungen auf die Auswahlkriterien Zeit, Kosten, Organisationsprobleme und Risiko charak-
terisiert.
Realisierungs-
formen des Interne Markteintrittsstrategien Externe Markteintrittsstrategien
Marktein-
tritts Unternehmensbe-
Eigene Lizenzüber- Kooperation in
Aufnahme von teiligung/-zusam-
Forschung und nahme Form von Joint
Handelsware menschluss
Auswahl- Entwicklung (= Know-how- Ventures
(= Produktkauf) (= Unternehmens-
kriterien (= Eigenaufbau) Kauf) (= Partnerkauf)
kauf)
Organisations-
wenige praktisch keine praktisch keine wenige zahlreiche
probleme
Auch hier gibt es nicht den Königsweg, obwohl der interne Markteintritt im weiteren Sinne
(also Lizenzübernahme oder die Produktaufnahme als Handelsware) im Durchschnitt die bes-
ten Wirkungen auf die vier Auswahlkriterien zeigen. Der Markteintritt mit selbst entwickelten
Produkten weist die geringsten organisatorischen Anforderungen auf. Dagegen stehen aller-
dings erhebliche Zeit- und Kostennachteile gegenüber den externen Markteintrittsstrategien.
4.5.5 Beratungsprodukte
Die „höchste“ Form der Standardisierung ist das Produkt. Beratungsprodukte sind somit die
ausgeprägteste Form der Standardisierung und lassen sich am leichtesten im Markt kommuni-
zieren (siehe auch Abschnitt 4.1.3). Im Folgenden sollen unter der Vielzahl von existierenden
Beratungsprodukten fünf Beispiele vorgestellt werden:
x Gemeinkostenwertanalyse (GWA)
376 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
x Zero-Base-Budgeting (ZBB)
x Nachfolgeregelung
x Mergers & Acquisitions (M&A)
x Business Process Reengineering.
4.5.5.1 Gemeinkostenwertanalyse
Fragt man in der Beratungsszene nach bekannten Beratungsprodukten, so wird zuerst immer
wieder die Gemeinkostenwertanalyse (GWA) genannt. Sie ist wohl weltweit nicht nur das
bekannteste, sondern auch eines der effektivsten Produkte im Beratungsumfeld. Die Gemein-
kostenwertanalyse (engl. Overhead Value Analysis – OVA) wurde zu Beginn der 1970er Jahre
von zwei MCKINSEY-Partnern in New York entwickelt und zur Sanierung von mehreren Un-
ternehmen erfolgreich eingesetzt. Es zeigte sich, dass gerade im Gemeinkostenbereich, der bis
dahin kaum angetastet wurde, ein erhebliches Kosteneinsparungspotential besteht. Bereits
1985 wurde die GWA in mehr als 100 deutschen Unternehmen eingesetzt. Es wird davon
ausgegangen, dass der aus der Analyse unmittelbar hervorgegangene materielle Nutzen über
die Höhe des Kostensenkungspotentials zwischen 10 Prozent und 20 Prozent des ursprüngli-
chen Gemeinkostenvolumens liegt [vgl. MACHARZINA/WOLF 2010, S. 828 unter Bezugnahme
auf ROEVER 1985, S. 20 f.].
Die GWA ist ein von Beratern begleitetes Interventionsprogramm mit dem Ziel der Kosten-
senkung im Verwaltungsbereich von Unternehmen durch
MCKINSEY knüpft den Erfolg der GWA (also die Senkung der Gemeinkosten um bis zu 40
Prozent) an einige wesentliche Bedingungen [vgl. SCHWARZ 1983, S. 5 f.]:
x Die GWA muss höchste Priorität im Unternehmen haben und von den obersten Füh-
rungskräften uneingeschränkt unterstützt werden.
x Die GWA dient nicht der Vergangenheitsbewältigung und kennt keine „heiligen Kühe“
und Tabus.
x Die GWA erfordert den Zugang zu allen Unterlagen und die Analyse sämtlicher Kosten-
Nutzen-Verhältnisse.
x Die GWA soll nur von den besten Mitarbeitern durchgeführt werden.
zählt neben der Bestimmung der Untersuchungseinheiten und des Projektteams vor allem die
Ernennung der Hauptbeteiligten des Verfahrens. Hierzu zählen in erster Linie der GWA-
Verantwortliche, ein Lenkungsausschuss, der aus Mitgliedern der Geschäftsleitung gebildet
wird, die Leiter der Untersuchungseinheiten sowie die begleitenden externen Berater. In der
vorbereitenden Phase werden auch die notwendigen Informations- und Schulungsmaßnahmen
festgelegt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Einfrieren des gegenwärtigen Personalbestan-
des, das mit einem sofortigen Einstellungsstopp verbunden ist.
• Festlegung des organisatori- • Erfassung und Strukturierung • Zuordnung der Maßnahmen auf
schen Rahmens von Leistungen und Kosten Stellen und Personen
Bestimmung eines GWA- Effektivitätsprüfung aller • Maßnahmenumsetzung
Koordinators Leistungen Umsetzen der
Einrichtung eines Effizienzprüfung der Personalmaßnahmen
Lenkungsausschusses verbleibenden Leistungen Umsetzen der Sachmaßnahmen
Abgrenzung der • Entwicklung von Einsparungs- • Fortschrittskontrolle
Untersuchungseinheiten (UE) konzepten und -ideen
• Abweichungsanalyse
Benennung der Leiter der • Bewertung der Realisierbarkeit
Untersuchungseinheiten (LUE) der Konzepte und Ideen
Bildung der Projektteams Überprüfung nach
Wirtschaftlichkeits- und
Erstellen des Zeitplanes
Risikokriterien (ABC-Analyse)
• Festlegen der Schulungs- und
Informationsmaßnahmen Festlegung einer Rangordnung
Freistellungen der besten Mitarbeiter für die Durchführung der GWA häufig nicht möglich.
Schließlich wird angeführt, dass die Berater von MCKINSEY durch ihre aggressive Vorge-
hensweise zu viel Unruhe ins Unternehmen bringen. Die Befürworter der Methode berufen
sich vor allem auf die nachgewiesenen Einsparungen sowie auf zusätzliche Effekte wie eine
erhöhte Schlagkraft durch Abbau von Bürokratie und die Sammlung von zusätzlichen Ideen
zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit über die reine Kostensenkung hinaus [vgl. SCHWARZ
1983, S. 13 ff.].
4.5.5.2 Zero-Base-Budgeting
Neben der Gemeinkostenwertanalyse ist das Zero-Base-Budgeting (ZBB) das zweite wichti-
ge Verfahren der Gemeinkostensenkung. Während die GWA ausschließlich auf eine Kosten-
senkung innerhalb der Gemeinkostenbereiche abzielt, will die Null-Basis-Budgetierung hin-
gegen nicht nur unnötige Tätigkeiten erkennen und eliminieren und damit Kosten senken,
sondern über Ressourcenumverteilungen zu einer Effizienzsteigerung des Gesamtunterneh-
mens gelangen. Im Vergleich zur GWA werden Strukturen, Aufgaben und Prozesse im Un-
ternehmen noch radikaler in Frage gestellt.
Die Null-Basis-Budgetierung wurde in den 1960er Jahren von PETER PHYRR (TEXAS INSTRU-
MENTS) erarbeitet. Die Methode besteht aus einem neun Stufen umfassenden Analyse- und
Planungsprozess, der von jeder Führungskraft abverlangt, dass sie ihr Budget vollständig und
detailliert begründet (siehe Abbildung 4-64). Wie auch bei einer Unternehmensgründung geht
man bei der Budgetvergabe von der „Basis Null“ aus, d. h. die bisherigen Festlegungen wer-
den vollständig in Frage gestellt. Dazu hat der Manager jeweils zu begründen, warum über-
haupt welche Kosten verursacht werden [vgl. WEBER 2006, S. 291].
Umsetzung und
Überwachung
Budgetschnitt:
Teilung des Budgets auf die Pakete
Zusammenfassung zu
Entscheidungspaketen
Der Analyse- und Planungsprozess des ZBB zeigt noch einen weiteren wesentlichen Unter-
schied zur GWA: Während die GWA das Kostensenkungsziel „Top-down“ vorgibt, ist es
beim ZBB genau umgekehrt. Hier wird von Null ausgehend – also „Bottom-up“ – Schritt für
Schritt ermittelt, welche Pakete realisiert werden sollen (Budgetschnitt). Abbildung 4-65 soll
diesen Unterschied verdeutlichen.
Top
Down
Kosten-
Kostenschnitt
senkungsziel
Gemeinkosten- Zero-Base-
wertanalyse Budgeting
Bottom
up
Die ZBB-Methode findet seit Jahren eine breite Anwendung in den USA, vor allem in den
öffentlichen Verwaltungen, zunehmend aber auch im privatwirtschaftlichen Bereich. In
Deutschland gilt die Methode aufgrund des großen Arbeitsaufwandes, der für den exakten
Ablauf der Phasen betrieben werden muss, immer noch als begrenzt praxistauglich. Anderer-
seits sind die Akzeptanzprobleme geringer als bei der GWA, da das ZBB nicht primär auf die
Senkung von Personalkosten abzielt. Trotzdem kann es zu Motivationsproblemen kommen,
da das ZBB große organisatorische und auch personelle Veränderungen mit sich bringen
kann [vgl. STELLING 2005, S. 252].
4.5.5.3 Nachfolgeregelung
Mit der Regelung seiner Nachfolge muss sich jeder Unternehmer zwangsläufig früher oder
später befassen. Nachfolgeregelung wird als Synonym für den Begriff Unternehmensnach-
folge verwendet und beschreibt den Prozess der Übergabe der Leitung eines typischerweise
380 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Der Standardprozess für die beraterische Unterstützung der Nachfolgeregelung besteht in der
Regel aus folgenden fünf Phasen, die zusätzlich in Abbildung 4-66 aufgelistet sind [vgl.
NIEDEREICHHOLZ 2008, S. 241 ff.]:
In der Vorbereitungsphase sammelt der Berater zunächst sämtliche Informationen über das
Unternehmen, über den Unternehmer und sonstige beteiligte Personen. Mit dem Unternehmer
werden eine gemeinsame Definition der Ziele sowie ein Projektplan über das weitere Vorge-
hen festgelegt. Zusätzlich wird ein Beirat gebildet, der sich aus dem Unternehmer, den betrof-
fenen Familienangehörigen sowie Externen (Steuerberater, Rechtsanwalt, Berater) zusam-
mensetzt.
• Sammlung aller • Analyse der Stärken • Auflistung verschie- • Einarbeitung des • Berater als Coach
wichtigen Informa- und Schwächen dener Lösungs- Nachfolgers • Wahrnehmung der
tionen über Unter- alternativen (siehe
• Analyse der • Verbesserung der Beiratsfunktion
nehmer und Unter- detaillierte Aufstel-
Chancen und Unternehmens-
nehmen lung) • Ggf. Abbau emotio-
Risiken performance naler Spannungen
• Gemeinsame Fest- • Meinungsbild aller • Auswahl der besten • Umfassende Klä-
legung der Ziele Betroffenen einholen Lösungsalternative rung aller Rechts-
• Gemeinsame Fest- • Überprüfung von • Aufstellen Maßnah- und Steuerfragen
legung eines Pro- menkatalog
Nachfolge- • Ablösung des
jektplans mit zeit- alternativen • Aufbau vertrauens- Inhabers
lichen Eckwerten
bildender Maßnah-
• Einrichtung eines men inkl. Notfall-
Beirats Konzept für die
Übergangszeit
In der anschließenden Ist-Analyse werden die Stärken und Schwächen sowie die Chancen
und Risiken des Unternehmens unter dem besonderen Aspekt der Finanzkraft bzw. des Finan-
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 381
zierungspotentials analysiert. Darüber hinaus verschafft sich der Berater ein Meinungsbild
aller betroffenen Personen und stellt Nachfolgealternativen gegenüber.
Mit dem Soll-Konzept beginnt der konzeptionelle Teil des Prozesses. Zunächst werden - so-
fern der Nachfolger nicht bereits feststeht – die verschiedenen Lösungsalternativen zur Rege-
lung der Nachfolge aufgelistet. Neben der familieninternen Nachfolgeregelung gibt es eine
Reihe externer Alternativen (siehe auch Abbildung 4-67):
x Verkauf
x Verpachtung
x Vermietung
x Management-Buy-Out
x Management-Buy-In
x Stiftung
x Gang an die Börse
Nach Auswahl der besten Lösungsalternative wird ein Maßnahmenkatalog für den Über-
gangsprozess aufgestellt. Flankierend werden vertrauensbildende Maßnahmen festgelegt.
Auch sollte ein Notfallplan für den Fall aufgestellt werden, dass der Unternehmer vor Vollzug
der eigentlichen Nachfolgeregelegung verstirbt.
Die Umsetzungsphase ist geprägt von der Einarbeitung des Nachfolgers sowie vom Willen
aller Beteiligten, die Unternehmensperformance und damit die Attraktivität des Unterneh-
mens zu verbessern. Auf diese Weise lassen sich eine Verunsicherung und nachlassende Mo-
tivation der Mitarbeiter angesichts des bevorstehenden Inhaberwechsels vorbeugen. Schließ-
lich erfolgt die Ablösung des Inhabers, der auf eine weitere Einflussnahme verzichtet.
In der letzten Phase des Coaching/Nachbereitung übernimmt der Berater eine reine
Coachingfunktion. Auch sollte der Berater den Vorsitz des Beirats weiterhin wahrnehmen,
um damit bei evtl. aufkommenden emotionalen Spannungen besser eingreifen bzw. schlichten
zu können.
382 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Verkauf gegen • Aufteilung des Kaufpreises, die dem Nachfolger die Finanzierung erleichtert
Ratenzahlung • Zahlungen erstrecken sich über einen im voraus eindeutig festgelegten Zeitraum
• Ist der Unternehmer nicht oder noch nicht bereit, das Eigentum sofort an den
Verpachtung Nachfolger zu übertragen, besteht die Möglichkeit, das Unternehmen zu verpachten
• Dem Unternehmer können somit laufende Einnahmen gesichert werden.
• Dem Nachfolger werden lediglich die Betriebsräume zur Nutzung gegen Entgelt
überlassen
Vermietung
• Im Unterschied zur Verpachtung kauft der Nachfolger z. B. die Einrichtung und die
Maschinen
• Wird kein Nachfolger innerhalb der Familie gefunden, besteht die Möglichkeit, das
Management-
Unternehmen an das eigene Management zu veräußern
Buy-Out (MBO)
• Vorteil: Der neue Eigentümer kennt sich bestens im Unternehmen aus
• Charakteristisch ist die juristische Trennung des Stiftungsvermögens vom Stifter und
dessen Nachkommen
• Erben sind von Unternehmensnachfolge ausgeschlossen, also praktisch "enterbt"
Stiftung
• Das Unternehmen zerfällt nicht in einzelne Erbteile, sondern bleibt durch die Stiftung
erhalten
• Die Stiftung ist eine vielfältig ausgestaltbare Rechtsform mit steuerlichen Vorteilen
Im Falle des Eintritts in ein neues Geschäftsfeld oder der Ausweitung eines bestehenden Ge-
schäftsfeldes stellt sich die Frage, ob diese Wachstumsstrategien aus eigener Kraft oder durch
den Erwerb des bereits bestehenden Geschäfts eines anderen Unternehmens erfolgen sollen.
Damit erlangen Fragestellungen, die den Kauf von oder die Fusion mit anderen Unternehmen
oder deren Geschäftseinheiten betreffen, eine besondere Bedeutung. Spiegelbildlich gesehen
gilt das Gleiche für den Fall, dass – falls es das eigene Portfolio nahe legt – eine vorhandene
Geschäftseinheit aufgegeben bzw. veräußert werden soll. Alle Aspekte, die mit dem Erwerb,
dem Verkauf oder dem Zusammenschluss von Unternehmen oder Unternehmenseinheiten
zusammenhängen, werden dem angelsächsischen Begriff Mergers & Acquisitions (M&A)
zugeordnet. Neben Unternehmensberatern sind hier vor allem Investmentbanken sowie Wirt-
schaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften zur Unterstützung des jeweiligen Mana-
gements aktiv [vgl. FINK 2009, S. 157].
x Kauf oder Verkauf von Unternehmensteilen (z. B. im Rahmen einer Auktion oder eines
Carve-outs bzw. Spin-offs)
x Erwerb aus einer Insolvenz
x Beteiligungserwerb mit Mehr- oder Minderheitsbeteiligung im weiteren Sinne
x Börsengang
x Joint Venture.
Ähnlich wie das Beratungsprodukt Nachfolgeregelung lassen sich auch die M&A-Aktivitäten
durch einen standardisierbaren Prozess beschreiben. Folgende Phasen (siehe Abbildung 4-68)
sind dabei relevant [vgl. WÖHLER/CUMPELIK 2006, S. 455 ff.; SCHRAMM 2011, S. 5 ff.]:
Grundsätzliches Ziel einer M&A-Transaktion ist immer die nachhaltige Sicherung oder Stei-
gerung des Unternehmenswertes. Dazu können verschiedene Strategien (Wachstum, Kosten-
optimierung, Risikoreduktion) verfolgt werden. Ausgangspunkt des M&A-Prozesses ist die
Formulierung einer Strategie, die in einem Masterplan zur Weiterentwicklung des Unter-
nehmensportfolios ihren Niederschlag findet. Aus dem Masterplan geht hervor, welche Ge-
schäftseinheiten (engl. Business Units) verstärkt werden sollen und welche künftig nicht mehr
zum Kerngeschäft gehören und zu veräußern sind. Dabei ist M&A neben dem organischen
Wachstum oder einer Partnerschaft mit anderen Unternehmen immer nur eine Lösungsoption.
Im Mittelpunkt der nächsten Phase steht das Screening von attraktiven Kaufobjekten. Bei der
Suche kann das Unternehmen aktiv und systematisch vorgehen oder eher – falls Investment-
banker oder Berater mit möglichen Kaufoptionen an das Unternehmen herantreten – eine pas-
sive Rolle einnehmen. Wichtig bei diesem Prozess ist, dass alle Akquisitionsideen erfasst,
bewertet und die Höhe des Transaktionswertes überschlägig quantifiziert werden. Das Top-
Management entscheidet letztlich darüber, welche Ideen abgelehnt werden und welche im
Rahmen einer M&A-Shortlist weiter verfolgt werden sollen.
384 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Mit der Entscheidung über die Weiterverfolgung bestimmter M&A-Ideen bzw. -Projekte be-
ginnt der eigentliche Transaktionsprozess. Nachdem das Zielunternehmen identifiziert und
eine grobe Schätzung des Wertsteigerungspotentials vorgenommen wurde, erfolgt die An-
sprache des Zielunternehmens bzw. dessen Eigentümern. Ist eine Einigung über die gemein-
same Fortsetzung und über das Timing der Transaktion erzielt, wird mit der Durchführung
einer Due Diligence, die den Kern der Transaktionsphase darstellt, begonnen. Die Due Dili-
gence ist eine fokussierte Analyse eines Unternehmens oder Unternehmensteils, um einen
Gesamteindruck der wirtschaftlichen Lage, der Zukunftsaussichten und der Risiken zu be-
kommen. Sie dient vor allem einer Abschätzung der wertbestimmenden Faktoren, die den
Kaufpreis wesentlich beeinflussen, und bildet damit die Grundlage für den anschließenden
Verhandlungsprozess. Bei der Vertragsgestaltung werden die finanziellen, steuerrechtlichen
und rechtlichen Aspekte der Transaktion zusammengeführt. Die Vertragsunterzeichnung
(engl. Signing) dokumentiert die Übereinkunft mit dem Zielunternehmen. Mit dem rechtli-
chen Abschluss und dem juristische Inkrafttreten des Vertrags (engl. Closing) wird schließlich
ein Schlusspunkt hinter die Transaktion gesetzt.
Transaktions- Post-Merger-
Strategie Screening
prozess Integration
Wohin soll sich das Welche Zielunternehmen Ist das Zielunternehmen Wie können Synergien
Kernfrage: Unternehmen langfristig kommen grundsätzlich in kaufbar und wenn ja, zu gehoben und der Wert
entwickeln? Frage? welchem Preis? gesteigert werden?
Ansprache Verhandlung
Prozessplanung Due Diligence Closing
Target und Vertrag
Die Erkenntnisse, die in der Transaktionsphase gewonnen wurden, fließen in die Phase der
Post-Merger-Integration ein. Damit können die Zeiträume, innerhalb derer die Integration
stattfinden soll, die Integrationstiefe, die Integrationsreihenfolge sowie die begleitende Orga-
nisation leichter festgelegt werden. Das vielleicht wichtigste Thema in der Integrationsphase
ist die Analyse der Unternehmenskulturen. Hierbei trägt insbesondere eine konsistente und
zielgerichtete Kommunikation entscheidend zur Akzeptanz und Unterstützung der Transak-
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 385
tion durch die Führungskräfte und Mitarbeiter bei. Kulturelle Differenzen und Gemeinsam-
keiten (z. B. bei Werten, Führungsverhalten oder Anreizstrukturen) sollten umgehend benannt
und untersucht werden. Schließlich sind solche Führungskräfte auszuwählen, deren Verhalten
im Einklang mit der gewünschten Zielkultur stehen und die maßgeblich zur erwünschten Ver-
änderung beitragen können. Gerade in der Integrationsphase ist der Unternehmensberater be-
sonders stark eingebunden. Andere Externe (Investmentbanker, Wirtschaftsprüfer, Steuerbe-
rater) sind in dieser Phase so gut wie keine Konkurrenz (siehe Abbildung 4-69).
Wirtschafts-
Investment
Management Berater prüfer
Bank
Steuerberater
Strategieformulierung
Kommerzielle Beurteilung
Finanzielle Beurteilung
Das Geschäftsprozessmanagement – und damit die Prozessidee – hat über das Business Pro-
cess Reengineering von HAMMER/CHAMPY Eingang in die moderne Managementlehre gefun-
den. Die Prozessidee besteht darin, gedanklich einen 90-Grad-Shift der Organisation vorzu-
nehmen (siehe Abbildung 4-70). Durch den Wechsel der Perspektive dominieren bei der Pro-
zessorganisation nicht mehr die Abteilungen die Abläufe, sondern der Fokus liegt auf Vor-
gangsketten bzw. Prozessen, die auf den Kunden ausgerichtet sind.
Ein Prozess ist eine Struktur, deren Aufgaben durch logische Folgebeziehungen miteinander
verknüpft sind. Jeder Prozess wird durch einen Input initiiert und führt zu einem Output, der
einen Wert für den Kunden schafft. Innerhalb des Prozesses werden Vorgaben (= Input) in
Ergebnisse (= Output) umgewandelt.
386 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Vertikale
Betrach-
tungsweise
Horizontale
Betrach-
tungsweise
ge Organisationsformen, wie dies bei der Prozessorganisation der Fall ist [vgl. DOPPLER/
LAUTERBURG 2005, S. 37 und S. 55].
Die vier Grundaussagen (engl. Essentials) des Business Process Reengineering (BPR) sind:
Business Process Reengineering befasst sich mit den Arbeitsabläufen und versucht diese aus
Sicht des Geschäftes, d. h. aus Kundensicht zu optimieren. Business Process Reengineering
soll helfen, die traditionelle funktionsorientierte Organisationsentwicklung zu überwinden. Es
beschränkt sich nicht nur auf die Arbeitsabläufe in den klassischen betrieblichen Funktions-
bereichen, sondern es beschäftigt sich intensiv mit den Kundenbedürfnissen. Demzufolge
werden die Prozesse an den Anforderungen der (externen und internen) Kunden ausgerichtet
und nicht an den Anforderungen der Organisation [vgl. GADATSCH 2008, S. 12].
Kundenorientierung ist also die zentrale Leitlinie des Geschäftsprozessmanagements. Je
besser und effizienter ein Unternehmen seine Geschäftsprozesse beherrscht und die Kunden-
anforderungen erfüllt, umso wettbewerbsfähiger wird es sein. Beispiele für die wichtigsten
Geschäftsprozesse eines Industrieunternehmens liefert Abbildung 4-71. Die dort aufgeführten
Geschäftsprozesse haben jeweils einen Bezug zum Kunden.
tungsapparates (engl. Overhead) steht daher oftmals ganz oben auf der Liste des Handlungs-
bedarfs.
Anforderung Ergebnis
(von) (bis)
Kunden- Produkt-
Innovationsprozess
problem idee
Produkt- Pflichten-
Produktplanungsprozess
idee heft
Pflichten-
Externe Produktentwicklungsprozess Produkt
heft
Kunden Externe
(Liefe- Kunden
ranten) Kunden-
Produkt Vertriebsprozess
auftrag
Kunden-
Auftragsabwicklungsprozess Lieferung
auftrag
Lieferung
(problem- Serviceprozess Lösung
behaftet)
Vier zentrale Begriffe (die vier „R“) sind es, die die Regeln im Umfeld des Business Process
Reengineering vorgeben [vgl. SCHNIEDER 2004, S. 234 ff.]:
x Beim Renew (Erneuerung) geht es um verbesserte Schulung und organisatorische Ein-
bindung von Mitarbeitern in das Unternehmen. Neue Fähigkeiten sollen erworben und
die Motivation der Mitarbeiter verbessert werden.
x Revitalize (Revitalisierung) zielt auf die gesamte Überarbeitung und Neugestaltung der
Geschäftsprozesse ab. Ziel der Revitalisierung ist die Verbindung der Organisation zu ih-
rem Wettbewerbsumfeld sowie Wachstum in existierenden Geschäften und Innovation
neuer Tätigkeiten.
x Beim Reframe (Einstellungsveränderung) sollen herkömmliche Denkmuster abgelegt
werden und neue Wege bei der Prozessgestaltung beschritten werden. Neue Visionen und
Entschlusskraft stehen hierbei im Vordergrund.
x Restructure (Restrukturierung) hat die Neugestaltung bzw. Änderung des Aktivitäten-
portfolios zum Ziel. Mit der Restrukturierung soll ein wettbewerbsfähiges Niveau finan-
zieller Performance erreicht werden.
Amerikanische und deutsche Unternehmensberatungen trugen wesentlich dazu bei, das Pro-
zessbewusstsein zu verbreiten. So hat fast jedes Beratungsunternehmen zwischenzeitlich seine
eigenen Methoden und Techniken zur Prozessorganisation entwickelt. Es verwundert daher
auch nicht, dass sich für ein und dieselbe Idee eine ganze Reihe synonymer Begriffe etabliert
haben: Business Process Redesign, Business Reengineering, Process Innovation, Core Pro-
cess Redesign, Process Redesign und Business Engineering.
Im Gegensatz zu dieser Begriffsvielfalt rund um das Business Process Reengineering gibt es
aber noch weitere, teilweise ergänzende Ansätze, die sich im „magischen“ Dreieck von Quali-
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung 389
tät, Zeit und Kosten mit etwas anderen Zielsetzungen bei der Prozessbetrachtung bewährt
haben [siehe hierzu insbesondere die ausführliche Darstellung bei SCHMELZER/SESSELMANN
2006]. Eine Beschreibung dieser Beratungs- bzw. Managementansätze würde den hier vor-
gegebenen Rahmen sprengen. Stattdessen sind in Abbildung 4-72 einige Ansätze mit ihrer
zentralen Fragestellungen aufgeführt.
Business Process
Reengineering Total Quality
Six Sigma
Haben wir die richtigen Management
Wie kann ein Prozess im Prozesse?
Sinne des Kundennutzens Wie optimieren wir die
verbessert werden? richtigen Prozesse unter
dem Aspekt der Qualität?
Qualität
Target Cost
Kaizen
Management
Wie können Prozesse
ständig weiter verbessert Welche Kosten können wir
Kunde uns für Produkte und
werden?
Prozesse leisten?
Zeit Kosten
Geschäftsprozesse, die zu Prozessketten verknüpft sind und deren Output idealerweise einen
höheren Wert für das Unternehmen darstellt als der ursprünglich eingesetzte Input, werden als
Wertschöpfungsketten (Wertketten) bezeichnet. Zu den bekanntesten Wertschöpfungsketten
zählen:
x CRM (Customer Relationship Management) beschreibt die Geschäftsprozesse zur
Kundengewinnung, Angebots- und Auftragserstellung sowie Betreuung und Wartung.
x PLM (Product Lifecycle Management) beschreibt die Geschäftsprozesse von der Pro-
duktportfolio-Planung über Produktplanung, Produktentwicklung und Produktpflege bis
hin zum Produktauslauf sowie Individualentwicklungen.
x SCM (Supply Chain Management) beschreibt die Geschäftsprozesse vom Lieferanten-
management über den Einkauf und alle Fertigungsstufen bis zur Lieferung an den Kun-
den ggf. mit Installation und Inbetriebnahme.
Wichtige Beiträge für die organisatorische Gestaltung der Geschäftsprozesse leisten prozess-
orientierte ERP-Systeme (ERP = Enterprise Resource Planning). Hierbei handelt es sich um
integrierte Standardsoftwaresysteme, deren Teilsysteme zwar jeweils funktional ausgerichtet
sind, über eine gemeinsame Datenbasis aber die Integration dieser Teilsysteme ermöglichen.
Typische Einsatzfelder sind Produktionsplanung und -steuerung (PPS), Einkauf- und Materi-
alwirtschaft bzw. Logistik, Vertrieb, Kostenrechnung und Controlling sowie Personal. Das
bekannteste ERP-System ist SAP R/3, das sowohl in Deutschland als auch international in
diesem Anwendungsgebiet Marktführer ist.
390 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Abbildung 4-73 gibt einen Überblick über die Marktanteile im deutschen ERP-Markt.
Sonstige
31%
SAP
51%
Oracle
3%
Sage
4% Infor
5% Microsoft
Dynamics
6%
In Abbildung 4-74 ist der Zusammenhang zwischen internen und externen Informationssy-
stemen skizziert.
SCM
Kunde 1
Lieferant
Händler 1
Stufe 2
MIS Kunde 2
Management
Informations-
systeme Kunde 3
Lieferant
Händler 2
Stufe 3
Kunde 4
Lieferant
Stufe 1
ERP-Systeme Kunde 5
Lieferant
Händler 3
Stufe 4
FIBU KORE MAWI PPS … HR Kunde 6
Kunde 7
Lieferant Data Warehouse Händler
Stufe n Integrierte Datenbasis m
Kunde r
CRM
4.6.1 Projektmanagement-Tools
Das Projektmanagement befasst sich allgemein mit der Planung, Steuerung und Kontrolle von
Projekten und ist damit eine zentrale Aktivität im Beratungsgeschäft. Somit sind Tools für das
Projektmanagement zu wertvollen Instrumenten für jeden Projektmanager geworden. Mit
ihrer Hilfe lassen sich Projekte so strukturieren, dass der Projektfortschritt jederzeit abrufbar
ist und die individuellen Fortschritte aller Projektbeteiligten dokumentiert werden können.
Verzögerungen und/oder Budgetüberschreitungen werden rechtzeitig sichtbar gemacht, so
dass geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.
Angesichts der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Projektmanagement-Tools, die von
verschiedensten Unternehmen angeboten werden, soll hier jedoch auf eine Einzeldarstellung
verzichtet werden. Stattdessen sollen im Folgenden ein weit verbreiteter methodischer Ansatz
(PRINCE2) sowie eine Systematik (PMBOK), die eine „Zusammenfassung des Wissens der
Fachrichtung Projektmanagement“ enthält, herausgegriffen werden, um den derzeitigen
Stand der Projektmanagement-Anwendung und -Forschung skizzieren zu können. In einem
weiteren Unterabschnitt werden sodann noch einige wesentliche Aspekte aus der täglichen
Projektmanagement-Praxis beleuchtet. Zuvor sollen aber die Projektmanagement-Phasen im
Projektablauf kurz besprochen werden.
Der Prozess der Erstellung von Beratungsleistungen kann in einem Phasenablauf abgebildet
werden, der von der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Beratern und Mitarbei-
tern des Kundenunternehmens in einem Beratungsumfeld bestimmt wird. Diesen Ablauf un-
terstützt das Projektmanagement zeitlich und methodisch in den einzelnen Phasen. Ebenso
wie man den Ablauf eines Projektes (also das Was) als Phasenmodell darstellen kann, so lässt
sich auch das Projektmanagement (also das Wie) als Phasenablauf beschreiben.
Abbildung 4-75 liefert eine grafische Übersicht über die Ablaufphasen im Management von
Beratungsprojekten. Unterstützt werden die einzelnen Phasen von projektbegleitenden und
projektübergreifenden Maßnahmen wie Qualitäts-, Vertrags-, Risiko-, Änderungs- und Infor-
mationsmanagement.
392 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Projektbegleitende/-übergreifende Maßnahmen:
Q u a l i t ä t s m a n a ge m e n t
Ve r t r a g s m a n a g e m e n t
Risikomanagement
Ä n d e r un gs m a n a g e m e n t
I n f or m a t i o n s m a n a g e m e n t
4.6.1.2 PRINCE2
PRINCE2 (Projects in Controlled Environments) ist eine der bekanntesten und am weitesten
verbreiteten Projektmanagement-Methoden. So wurden bis Ende 2010 mehr als 750.000
PRINCE2-Zertifikate ausgestellt, davon allein 500.000 in Europa. In Großbritannien, wo die
Methode 1989 mit dem Namen PRINCE im Auftrag der Regierung speziell für IT-Projekte
entwickelt und 1996 als allgemeine Management-Methode mit der Bezeichnung PRINCE2
veröffentlicht wurde, hat sie sich zum De-facto-Standard für das Projektmanagement entwi-
ckelt. Die Weiterentwicklung der Methode erfolgt nach dem Best-Practice-Gedanken. Eigen-
tümer der Methode ist das Office of Government Commerce (OGC), das auch die Akkreditie-
rung für Prince2-Schulungsanbieter vornimmt. Die Verwendung der Methode steht jedem frei
[vgl. OGC 2013].
x Sieben Grundprinzipien, die das Fundament der Methode bilden und daher nicht verän-
dert werden dürfen;
x Sieben Themen, die auch als Wissensbereiche zu verstehen sind und jene Aspekte des
Projektmanagements beschreiben, die bei der Abwicklung eines Projekts kontinuierlich
behandelt werden müssen;
x Sieben Prozesse, die alle Aktivitäten definieren, die für das erfolgreiche Lenken, Mana-
gen und Liefern eines Projekts erforderlich sind;
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 393
7 Themen
• Business Case (Warum?)
• Organisation (Wer?)
• Qualität (Was?)
• Pläne (Wie? Wieviel? Wann?)
• Risiken (Was ist wenn?)
• Änderungen (Was sind die Auswirkungen?) • Anpassen der Themen
• Fortschritt (Wo gehen wir hin? Sollen wir
weitermachen?) • Anpassen der Terminologie
7 Grundprinzipien
• Fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung
• Lernen aus Erfahrungen
• Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten
• Steuern über Managementphasen
• Steuern nach dem Ausnahmeprinzip
• Produktorientierung
• Anpassen an die Projektumgebung
(1) Grundprinzipien
Die sieben Grundprinzipien, auf denen die gesamte Philosophie von PRINCE2 aufbaut, lassen
sich wie folgt zusammenfassen [vgl. OGC 2009, S. 11 ff.]:
x Steuern nach dem Ausnahmeprinzip, d. h. ein PRINCE2-Projekt definiert für jedes Pro-
jektziel bestimmte Toleranzen, die den Handlungsrahmen für delegierte Befugnisse fest-
legen, so dass bei Überschreiten der Toleranzgrenzen unverzüglich die nächst höhere
Managementebene informiert wird und über das weitere Vorgehen entscheiden kann.
x Produktorientierung, d. h. ein PRINCE2-Projekt ist auf die Definition und Lieferung von
Ergebnissen (=Projektprodukte) ausgerichtet, wobei der Schwerpunkt auf deren Quali-
tätsanforderungen liegt.
x Anpassen an die Projektumgebung, d. h. PRINCE2 wird jeweils an die Projektumge-
bung angepasst, um auf die speziellen Anforderungen eines Projekts hinsichtlich seiner
Umgebung, des Umfangs, der Komplexität, der Wichtigkeit, der Leistungsfähigkeit und
des Risikos eingehen zu können.
(2) Themen
Die sieben PRINCE2-Themen behandeln Aspekte, die jeder Projektmanager beachten muss,
um den Anforderungen seiner Rolle gerecht zu werden. Im Einzelnen handelt es sich um fol-
gende Themen [vgl. OGC 2009, S. 19]:
x Business Case, d. h. am Anfang des Projekts steht eine Idee, von der sich die Organisati-
on einen bestimmten Nutzen erhofft.
x Organisation, d. h. dieses Thema beschreibt die Rollen und Verantwortlichkeiten im
PRINCE2-Managementteam, das befristet für das effektive Management des Projekts ein-
gerichtet wird.
x Qualität, d. h. die ersten, zumeist noch nicht klar umrissenen Ideen müssen immer weiter
ausgearbeitet werden, bis allen Teilnehmern klar ist, welche Qualitätskriterien die zu lie-
fernden Produkte erfüllen müssen.
x Pläne, d. h. dieses Thema beschreibt als Ergänzung zum Thema Qualität die einzelnen
Schritte zur Planentwicklung und die anzuwendenden PRINCE2-Techniken. Dabei werden
die Pläne an die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Mitarbeiter auf den ver-
schiedenen Hierarchiestufen der Organisation angepasst.
x Risiken, d. h. dieses Thema beschäftigt sich damit, wie das projektmanagement mit den
Unsicherheiten in den Plänen und der sonstigen Projektumgebung umgeht.
x Änderungen, d. h. hier geht es darum, wie das Projektmanagement offene Punkte und
Änderungsanträge bewertet und behandelt, die potenziell Auswirkungen auf das Projekt
haben können.
x Fortschritt, d. h. dieses Thema befasst sich mit der fortlaufenden Kontrolle der Durch-
führbarkeit der Pläne und somit im Endeffekt um die Frage, ob und wie das Projekt fort-
geführt werden soll.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 395
(3) Prozesse
Den eigentlichen Kern eines jeden Projektes bilden sieben Prozesse. Sie definieren die Akti-
vitäten, die für das erfolgreiche Lenken, Managen und Liefern eines Prozesses erforderlich sind:
Wichtig ist nun die Trennung der o.a. sieben Prozesse von den Projektphasen (engl. Stages).
Eine Phase besteht aus mehreren Prozessen. Ein PRINCE2-Projekt muss aus mindestens zwei
Phasen bestehen: der Initiierungsphase und mindestens einer Managementphase (Ausfüh-
rungsphase). Die Initiierungsphase besteht aus den Prozessen Initiieren eines Projekts und
Managen eines Phasenübergangs, eine Managementphase aus den Prozessen Steuern einer
Phase, Managen der Produktlieferung und Managen eines Phasenübergangs. Wenn die Ma-
nagementphase die letzte ist, wird der Prozess Managen eines Phasenübergangs durch den
Prozess Abschließen eines Projekts ersetzt. Der Prozess Lenken eines Projekts bezieht sich
auf die gesamte Projektdauer. Typische Managementphasen eines Projekts können z. B. eine
„Konzeptphase“ und eine „Implementierungsphase“ sein. Abbildung 4-77 verdeutlicht diesen
Zusammenhang [vgl. OGC 2009, S. 131 ff.].
Phasen
Initiierungs- Nachfolgende
Manage- Vor dem Projekt Letzte Phase
phase Phase (n)
mentebenen
Vorbereiten
eines
Projekts
Managen Managen Abschließen
des Phasen- des Phasen- eines
übergangs übergangs Projekts
Managen
Initiieren eines Steuern einer Steuern einer
Projekts Phase Phase
Es mag etwas irritierend sein, dass immer wieder der Begriff „Produktlieferung“ verwendet
wird. Das liegt daran, dass PRINCE2 nach dem Grundprinzip der Produktorientierung arbeitet.
Ein Produkt kann ein körperlicher Gegenstand wie ein Dokument oder ein eher immaterieller
Gegenstand wie ein Dienstleistungsvertrag sein. Tatsächlich dienen die von der Methode
PRINCE2 definierten Produkte zur Steuerung des Projektes; es sind also „Managementproduk-
te“. Die Aktivitäten bspw. des Prozesses Managen der Produktlieferung sind Arbeitspaket
annehmen, Arbeitspaket ausführen und Arbeitspaket abliefern [vgl. OGC 2009, S. 2007 ff.].
Der wesentliche Vorteil der Methode liegt darin, dass sie für einen kontrollierten Start, Ver-
lauf und Ende von Projekten sorgt, die sich zudem durch ein einheitliches Vorgehen, einheit-
liches Vokabular und einheitliche Dokumente auszeichnen.
Als besondere Schwäche – insbesondere bei kleineren Projekten – wird der hohe Dokumen-
tenballast der Methode angeführt, der zu einem überproportional hohen Anteil an den Projekt-
managementkosten führen kann.
4.6.1.3 PMBOK
Der Project Management Body of Knowledge (PMBOK) ist ein international weit verbrei-
teter Projektmanagement-Standard. Er wird vom amerikanischen Project Management Institu-
te (PMI) herausgegeben und unterhalten. Seit der Erstausgabe von 1987 wurde PMBOK in
unregelmäßigen Abständen neue Versionen veröffentlicht. Die fünfte und jüngste Version
erschien im Januar 2013 und bildet die Grundlage aller PMBOK-Zertifizierungsprüfungen.
Vom Guide to the Project Management Body of Knowledge wurden über 3,5 Millionen Ex-
emplare verkauft [vgl. PMI 2013].
PMBoK beschäftigt sich mit der Anwendung von Fachwissen, Fertigkeiten, Werkzeugen und
Techniken, um Projektanforderungen zu erfüllen, und sieht sich als umfassende Wissens-
sammlung (engl. Body of Knowledge) auf dem Gebiet des Projektmanagements. Der PMBOK
Guide ist in drei Abschnitte unterteilt [vgl. PMI 2004, S. 9 und 41]:
(1) Projektmanagementrahmen
Der erste Abschnitt wird als Projektmanagementrahmen (engl. Project Management Frame-
work) bezeichnet. Der Projektmanagementrahmen bietet eine Grundstruktur zum Verständnis des
Projektmanagements mit
x einer allgemeinen Einführung in die Struktur des PMBOK Guide,
x einer Beschreibung der allgemeine Projektorganisation sowie
x einer Definition des Begriffs “Projektlebenszyklus”.
(2) Projektlebenszyklus
Der zweite Abschnitt ist der Standard für das Projektmanagementsystem eines Projekts mit
dem fünfstufigen Projektlebenszyklus im Mittelpunkt. Jede der fünf Stufen bildet eine Pro-
zessgruppe:
x Die Initiierungsprozessgruppe definiert das Projekt oder eine Projektphase und gibt
diese frei.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 397
x Die Planungsprozessgruppe legt die Ziele fest, verfeinert diese und plant den Ablauf
von Handlungen, die erforderlich sind, um die Ziele inhaltlich und umfänglich zu errei-
chen.
x Die Ausführungsprozessgruppe integriert das Personal und weitere Einsatzmittel, um
den Projektmanagementplan für das Projekt auszuführen.
x Die Überwachungs- und Steuerungsprozessgruppe misst und überwacht regelmäßig
den Fortschritt, um Abweichungen vom Projektmanagementplan zu identifizieren, so
dass gegebenenfalls notwendige Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden können, um die
Projektziele einzuhalten.
x Die Abschlussprozessgruppe bestätigt formell die Abnahme des Produkts, der Dienst-
leistung oder des Ergebnisses und bringt das Projekt oder eine Projektphase zu einem
ordnungsgemäßen Abschluss.
(3) Wissensgebiete im Projektmanagement
Der dritte Abschnitt befasst sich mit den Wissensgebieten im Projektmanagement. Es handelt
sich dabei um insgesamt neun Wissensgebiete (engl. Knowledge Areas), auf die insgesamt 44
Managementprozesse verteilt werden:
Abbildung 4-78 liefert eine Zuordnung der einzelnen Prozesse zu den neun Wissensgebieten.
• Personalbedarfsplanung
• Qualitätsplanung
• Kostenschätzung • Zusammenstellung des
• Durchführen der
• Kostenplanung Projektteams
Qualitätssicherung
• Steuerung der Kosten • Entwickeln des Projektteams
• Durchführen der Qualitätslenkung
• Leiten des Projektteams
Abb. 4-78: Die neun Wissensgebiete und zugehörige Prozesse von PMBOK
[Quelle: PMI 2005, S. 11]
Stellt man die Stärken und Schwächen von PMBOK gegenüber, so lässt sich auf der Haben-
seite feststellen, dass es dem verantwortlichen Projektmanagement sämtliche Werkzeuge,
Techniken und Verfahren zur Verfügung stellt, die es über den gesamten Lebenszyklus eines
Projekts hinweg benötigt. Damit ist zugleich aber auch die entscheidende Schwäche von
PMBOK angesprochen: Der Ansatz ist zu komplex für kleine Projekte.
Prozessgruppen
Inhalts- und Anforde- Inhalt und Produkt- Inhalt und Inhalt und
Umfangs- rungen Umfang strukturplan Umfang Umfang
management- sammeln definieren erstellen verifizieren steuern
prozesse
Betrachtet man die Organisation und Führung eines Projektes – und damit das Projektmana-
gement – unter dem besonderen Aspekt der Berater-Kunde-Beziehung, so lassen sich drei
Grundmodelle darstellen (siehe Abbildung 4-80):
Berater
Führungsmodell entscheiden
Partnerschaftsmodell Kunde und handeln Berater
sagt gemeinsam
Kunde
Kunde
Lenkungsausschuss Berater
handelt
Kernteam Kunde
Berater
sagt
• Erreichung gemeinsamer Projekterfolge durch gemeinsame Ziele und
Berater komplementäre Fähigkeiten
• Sicherstellung der Umsetzung der Konzepte durch Verankerung auf allen
handelt Organisationsebenen
• Fokus auf strategische Analyse und Konzeption unter unbedingter
Berücksichtigung der Umsetzbarkeit
ziert und zur Genehmigung vorgelegt werden. Ggf. führen Change Requests auch zu entspre-
chenden vertraglichen Anpassungen (siehe auch Unterabschnitt 3.3.3.3).
4.6.2 Qualitätsmanagement-Tools
Die Auswahl und Zusammenstellung der sieben Techniken der Qualitätssicherung (engl.
Seven Tools of Quality, auch Q7) gehen auf den Japaner KAORU ISHIKAWA zurück. Es handelt
sich dabei um eine Sammlung elementarer Qualitätswerkzeuge, die zur Unterstützung von
Problemlösungsprozessen eingesetzt werden kann. Zum einen dienen sie zur Problemerken-
nung und zum anderen zur Problemanalyse
eingesetzt. Sie liefern Informationen über Fehlerarten, -orte und -häufigkeiten und stellen die-
se grafisch dar.
gearbeitet. Mit diesen Tools werden Aussagen über Bedeutung und Ursachen von Fehlern,
deren Wechselwirkungen sowie über die Reihenfolge von Prozessabläufen ermöglicht.
4.6.2.1 Fehlersammelliste
In der Praxis werden verschiedene Begriffe für die Fehlersammelliste verwendet: Fehler-
sammelkarte, Datensammelblatt oder Strichliste. Mit ihrer Hilfe können betriebliche Daten
wie Fehleranzahl, -arten und -häufigkeiten oder die Anzahl fehlerhafter Produkte leicht er-
kannt, erfasst und übersichtlich dargestellt werden. Für die Festlegung der Fehlerarten kom-
men Produkte, eingesetzte Technologien und allgemeine betriebliche Gegebenheiten während
des Herstellungsprozesses (z. B. Ausschuss) bis zur Anlieferung beim Kunden (z. B. Rekla-
mationen) in Betracht.
In Abbildung 4-81 ist ein allgemeines Beispiel einer Fehlersammelliste dargestellt. Die Ge-
staltung der Fehlersammelliste wird in der Regel in den QM-Unterlagen festgelegt.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 401
Neben Fehlerarten können auch Klassen von Messwerten in übersichtlicher Form dargestellt
werden. Die Klasseneinteilung lässt sich dann später dazu nutzen, die Verteilung der Mess-
werte in einem Histogramm (siehe nächster Abschnitt) grafisch zu dokumentieren. Abbildung
4-82 fasst die wichtigsten Fakten der Fehlersammelliste noch einmal zusammen.
• Fehleranzahl
• Fehlerart
• Fehlerhäufigkeit
bei Produkten und
betrieblichen Prozessen
4.6.2.2 Histogramm
In einem Histogramm werden gesammelte Daten der Größe nach geordnet, zu Klassen zu-
sammengefasst und als Säulen dargestellt. Die Höhe der Säule entspricht dabei dem Wert der
402 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Klasse. Die Säulen müssen nicht notwendig gleich breit sein. Anders als im Stab- oder Bal-
kendiagramm werden bei der grafischen Darstellung der Verteilungen in den Klassen die rela-
tiven Klassenhäufigkeiten nicht durch die Höhen der Säulen, sondern durch die Flächeninhal-
te der Rechtecke beschrieben (siehe Abbildung 4-83).
1,0
0,05
28 %
19 % 19 %
16 % 19 %
0,01
Voraussetzung für die Erstellung eines Histogramms ist die Vorlage ausreichender und geeig-
neter Messdaten. Diese Messdaten sollten metrisch skaliert sein (ein Wert muss besser oder
schlechter sein als ein anderer und der Abstand beider voneinander muss messbar sein; z. B.
die Zahlen 2 und 4). In Ausnahmefällen sind auch ordinal skalierte Daten zulässig (ein Wert
muss besser oder schlechter sein als ein anderer, der Abstand ist jedoch nicht messbar; z. B.
die Bewertungen „gut“ und „sehr gut“) oder qualitative Merkmale (kein Wert ist besser oder
schlechter; z. B. die Geschlechter „Mann“ und „Frau“). Messdaten müssen die beabsichtige
Klassenbildung zulassen und es müssen sich genügend Klassen bilden lassen (mindestens
mehr als eine).
Abbildung 4-84 fasst Anwendungssituation und Beispiel für das Histogramm noch einmal
zusammen.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 403
4.6.2.3 Kontrollkarte
Die Kontrollkarte (Kurzbeschreibung für Qualitätsregelkarte (QRK) oder auch einfach Re-
gelkarte (engl. [quality] control chart)) wird vorwiegend im Qualitätsmanagement zur grafi-
schen Darstellung und Auswertung von Prüfdaten eingesetzt. Auf ihr werden statistische
Stichprobenkennzahlen (z. B. Stichprobenmittelwert und Standardabweichung) grafisch dar-
gestellt. Ebenso sind auf der Kontrollkarte Warn- und Eingriffsgrenzen eingezeichnet (siehe
Abbildung 4-85). Ziel ist es, Leistungsabweichungen zu erkennen und zu lokalisieren und
damit Problemstellen im Prozess zu identifizieren. Voraussetzung zur Kontrollkartenerstel-
lung sind eine auf Wiederholung angelegte Erhebungsmethode sowie umfangreiche, konsis-
tente Messdaten.
Die Kontrollkarte liefert ein datengestütztes, qualitatives Qualitätsbild eines Prozesses und
verdeutlicht kritische Problemfelder und Tendenzen. Der Aufwand zur Datengenerierung und
-aufbereitung darf jedoch nicht unterschätzt werden. Der Einsatz eignet sich ganz besonders
bei Verdacht großer Leistungsschwankungen innerhalb eines Prozesses.
12
• Tool zur Problemidentifikation
11
und Ursachenanalyse
• Ermittlung der Varianz von 10
Prozessschritten über die Zeit 9
Durchschnitt
• Ermittlung von Trends Warngrenzen
1 Eingriffsgrenzen
• Identifikation kritischer 0
Prozessteile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
• Soll-Ist-Abgleich
4.6.2.4 Ursache-Wirkungsdiagramm
Abbildung 4-87 zeigt ein konkretes Anwendungsbeispiel für die Struktur des Ursache-Wir-
kungsdiagramms.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 405
Mensch Material
Schlechte Papierqualität
Schlechte
Druckergebnisse
Methode Maschine
4.6.2.5 Pareto-Diagramm
Das Pareto-Diagramm wird zur Fokussierung auf wesentliche Faktoren des Problems einge-
setzt, wobei komplexe Daten nach ihrem Ergebnisbeitrag in Klassen zusammengefasst wer-
den. Um das Diagramm erstellen zu können, wird aus der absoluten Häufigkeit (beziehungs-
weise der entsprechenden Messgröße) jeder Kategorie deren prozentualer Anteil ermittelt. Die
Kategorien werden absteigend nach ihrer Bedeutung sortiert und dann auf der waagerechten
Achse von links nach rechts abgetragen. Über jeder Fehlerkategorie wird eine Säule gezeich-
net, deren Höhe der Häufigkeit des Auftretens entspricht. Werden die Säulen von links nach
rechts aufeinander gestapelt, ergibt sich die Pareto-Kurve, über die der summierte Prozentwert
abgelesen werden kann (siehe Abbildung 4-88).
406 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Fehlerhäufigkeit in % 100 %
98 %
100
92 %
80 %
55 %
50
55 %
25 %
6%
12 % 2%
Abbildung 4-89 zeigt die Anwendungssituation sowie ein weiteres Beispiel des Pareto-
Diagramms.
80% 5%
Fehlerart
Zustandes 15%
• Untersuchung wesentlicher A B C
Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren 15%
• Schwerpunktbildung 5%
• Untersuchung von Kon- A B C
zentrationen (Lokalisierung Kategorie Kategorie
von Abhängigkeiten)
4.6.2.6 Korrelationsdiagramm
Das Korrelationsdiagramm ist ein Streudiagramm, das grafisch die Abhängigkeit zweier
Größen darstellt. Dabei werden Datenpaare in einem Koordinatensystem als Punkte darge-
stellt. Die Korrelation gibt somit die Beziehung zwischen zwei (oder mehreren) quantitativen
statistischen Variablen an. Das funktioniert immer dann besonders gut, wenn beide Größen
durch eine „je … desto“-Beziehung miteinander zusammenhängen und eine der Größen nur
von der anderen Größe abhängt. Beispielsweise kann man unter bestimmten Bedingungen
nachweisen, dass der Umsatz eines Produktes steigt, wenn man die Werbeaufwendungen er-
höht. Hängt die Höhe des Produktumsatzes aber noch von anderen Einflussfaktoren ab (z. B.
Qualität des Produkts, Werbeanstrengungen des Wettbewerbs, saisonale Nachfrage etc.) ,
dann verwischt der kausale Zusammenhang in der Statistik immer mehr, falls nicht auch die
anderen Einflussvariablen gleichzeitig untersucht werden. Im Gegensatz zur Proportionalität
ist die Korrelation immer nur ein stochastischer Zusammenhang.
Das Maß für die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zweier Größen ist der Korrelati-
onskoeffizient r, der sich (nach BRAVAIS und PEARSON) nach folgender Formel berechnet:
ௌೣ σ
సభሺ௫ ି௫ҧ ሻሺ௬ ି௬
തሻ
r= =
ௌೣ ௌ σ మ തሻమ
సభሺ௫ ି௫ҧ ሻ σసభሺ௬ ି௬
Der Korrelationskoeffizient nimmt den Wert r = 1 bzw. r = -1 an, wenn alle Punkte auf einer
Geraden liegen. Je kleiner |r| wird, desto weniger wird eine Trendlinie erkennbar. Die Gerade
löst sich bei r = 0 zu einer strukturlosen Punktwolke auf, d. h. die Merkmale sind stochastisch
unabhängig. Während die Regressionsanalyse angibt, welcher Zusammenhang zwischen
zwei Größen besteht, steht bei der Korrelationsanalyse die Beantwortung der Frage im Vor-
dergrund, wie stark dieser Zusammenhang ist.
In Abbildung 4-90 sind beispielhaft die Verteilungen zweier Variablen mit den dazugehörigen
Korrelationskoeffizienten dargestellt.
y y ▪▪ y ▪
▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
▪▪ ▪ ▪▪
▪ ▪ ▪ ▪
▪ ▪ ▪ ▪
▪▪ ▪ ▪ ▪
x x x
r=1 r = -1 r≈0
y y ▪▪
▪
▪ ▪
▪
▪ ▪
x x
r ≈ 0,8 r ≈ - 0,7
Das Korrelationsdiagramm eignet sich zur Gewinnung eines ersten Eindrucks über Stärke und
Form des Zusammenhangs zweier Faktoren. Mit niedrigem Aufwand können so weiterfüh-
rende statistische Verfahren angestoßen und unnötige Analysearbeit vermieden werden. Das
Instrument ist jedoch nur bei metrisch skalierten Daten aussagekräftig.
Fazit: Das Korrelationsdiagramm liefert einen ersten Eindruck über die Beziehung zweier
Faktoren zueinander und regt zu komplexeren Folgeuntersuchungen an. In Abbildung 4-91
sind Anwendungssituationen und ein grafisches Beispiel zum Korrelationsdiagramm darge-
stellt.
4.6.2.7 Flussdiagramm
Mit dem Flussdiagramm wird das Prozessverständnis gestärkt, so dass Prozessbrüche leichter
erkannt, Schwachstellen identifiziert und Engpässe lokalisiert werden können. Das Diagramm
ist einfach anzuwenden, leicht zu erlernen und bietet eine gute Diskussionsgrundlage für die
gemeinsame Lösungsfindung. Auf der anderen Seite entsteht ein relativ hoher Aufwand,
wenn komplexe Prozesse dargestellt werden sollen. Auch nimmt die Unübersichtlichkeit in
solchen Fällen stark zu.
Fazit: Das Flussdiagramm wird zur Stärkung des Prozessverständnisses eingesetzt und liefert
den Einstieg in eine detaillierte Prozessanalyse (Warum-Fragestellung). Bei komplexen Pro-
zessen und unter Einbindung von Funktionen, Stellen und Medien ist die Darstellungsform
allerdings nur bedingt geeignet.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 409
ja
Ebenso wie der eigentliche Beratungsprozess sollte auch der Auftragsabschluss professionell
geplant und durchgeführt werden. Die abschließende Evaluierung eines Beratungsauftrags
sollte eine Antwort auf folgende drei Fragen geben:
Es liegt auf der Hand, dass die zur Evaluierung verfügbaren Tools ausschließlich aus Frage-
bögen bzw. Checklisten bestehen.
4.6.3.1 Kundenzufriedenheitsanalyse
Kundenzufriedenheit wird immer dann erreicht, wenn die Erwartungshaltung des Kunden
vom Erfüllungsgrad der angebotenen Leistung ge- oder sogar übertroffen wird. Dabei spielt
nicht die objektive Qualität der Beratungsleistung, sondern die vom Kunden subjektiv emp-
fundene bzw. wahrgenommen Leistung. Kundenzufriedenheit ist die beste Voraussetzung für
Nachfolgeaufträge und für Referenzen. Werden die Erwartungen des Kunden nicht erfüllt,
entsteht Kundenunzufriedenheit, die zu einem Anbieterwechsel führen kann.
410 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
Diese und ähnliche Kriterien sind zunächst nach dem Zufriedenheitsgrad zu beantworten.
Aufschlussreich ist darüber hinaus, für wie wichtig diese Kriterien für die Auftragsbewertung
angesehen werden. Neben der reinen Beurteilung der Kriterien sind aber noch weitere Fragen
von Bedeutung wie z. B.
4.6.3.2 Auftragsbeurteilung
Die Auftragsbeurteilung ist das Synonym für eine Zufriedenheitsanalyse aus Sicht des Bera-
tungsunternehmens selbst. Mit einem Satz von Checklisten wird der abgeschlossene Auftrag
zeitnah und umfassend sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht beurteilt [vgl.
NIEDEREICHHOLZ 2008, S. 350 ff.].
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung 411
Dabei steht zunächst die Wirtschaftlichkeit des Projekts auf dem Prüfstand. Gab es einen
selbstverschuldeten Mehraufwand (engl. Overrun) oder konnte der Auftrag im Rahmen der
Vorkalkulation zeit- und qualitätsgerecht durchgeführt werden? In der Gesamtbeurteilung
eines durchgeführten Auftrags spielen ferner die Qualität der abgelieferten Ergebnisse, die
Kompetenz der Projektleitung (Projektmanagement) und der eingesetzten Mitarbeiter sowie
das Engagement des verantwortlichen Partners bzw. Fachbereichsleiters eine Rolle. Darüber
hinaus können – insbesondere bei größeren Projekten – auch bestimmte Einzelaspekte für die
Evaluierung herangezogen werden [vgl. NIEDEREICHHOLZ 2008, S. 352 ff.]:
Ein weiterer wichtiger Evaluierungsaspekt ist, dass wichtige Ergebnisse, Erkenntnisse, Bau-
steine und Strukturen in einer Projektdatenbank festgehalten werden und anderen Teams für
spätere Angebote, Benchmarks etc. zur Verfügung stehen, damit ggf. das Rad nicht immer
wieder neu erfunden werden muss. Selbstverständlich ist dabei darauf zu achten, dass keine
vertraulichen Kundeninformationen weitergegeben werden.
4.6.3.3 Anschlussakquisition
Die Anschlussakquisition ist kein Tool im eigentlichen Sinn. Sie ist aber ein wichtiger Bau-
stein im Rahmen des Akquisitionsprozesses, da Anschlussaufträge – selbst bei nicht ganz
zufriedenen Altkunden – wesentlich leichter zu bekommen sind, als einen neuen Kunden zu
gewinnen. Hinzu kommt der inhaltliche Informationsvorsprung, den man im Zuge der Auf-
tragsdurchführung gegenüber dem Wettbewerb zwangsläufig gewonnen hat. Im Übrigen sei
hier auf die vielfältigen Kundenbindungsprogramme verwiesen, die dem Beratungsvertrieb
heutzutage zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt 3.7.4).
Mit Hinweis auf die bereits erwähnte Multipersonalität im B2B-Marketing ist es dabei wich-
tig, nicht nur eine Person des Kundenunternehmens, sondern mehrere Zielpersonen in solche
Kundenbindungsprogramme aufzunehmen.
412 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
LIPP, U./WILL, H. (2008): Das große Workshop-Buch. Konzeption, Inszenierung und Modera-
tion von Klausuren, Besprechungen und Seminaren, 8. Aufl., Weinheim und Basel 2008.
LIPPOLD, D. (2012): Die Marketing-Gleichung. Einführung in das wertorientierte Marketing-
management, München 2012.
MACHARZINA, K./WOLF, J. (2010): Unternehmensführung. Das internationale Management-
wissen. Konzepte – Methoden – Praxis, 7. Aufl., Wiesbaden 2010.
MEFFERT, H./BURMANN, C./KIRCHGEORG, M. (MEFFERT et al. 2008): Marketing. Grundlagen
marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele, 10.
Aufl., Wiesbaden 2008.
414 4. Leistungserstellung und Technologie der Unternehmensberatung
WEWEL, M. C. (2011): Statistik im Bachelor-Studium der BWL und VWL. Methoden, An-
wendung, Interpretation, München 2011.
WIMMER, F./ZERR, K./ROTH, G. (WIMMER et al. 1993): Ansatzpunkte und Aufgaben des
Software-Marketing, in; WIMMER, F./BITTNER, L. (Hrsg.): Software-Marketing; Grundla-
ge, Konzepte, Hintergründe, Wiesbaden 1993.
WISS-Autorenteam (WISS 2001): Prozessorganisation,
URL: http://bwi.shell-co.com/03-01-01.pdf.
Die Idee der Personalmarketing-Gleichung beruht auf zwei Grundüberlegungen. Zum einen
ist es die Darstellung und Analyse der Wertschöpfungs- und Prozessketten eines Unter-
nehmens, zum anderen ist es die enge Analogie zur Marketing-Gleichung im (klassischen)
Absatzmarketing (siehe hierzu ausführlich LIPPOLD 2011, S. 21 ff.).
Zwar zählt das Personalmanagement nach dem Grundmodell von PORTER zu den Sekundär-
oder Unterstützungsaktivitäten, die für die Ausübung der Primäraktivitäten die notwendige
Voraussetzung sind. Allerdings bezieht sich dieses Modell in seiner Systematik schwer-
punktmäßig auf die Wertschöpfungskette von Industriebetrieben. In der Beratungsbranche
zählt das Personalmanagement nicht zu den Sekundär-, sondern aufgrund seiner besonderen
Bedeutung für den Wertschöpfungsprozess zu den Primäraktivitäten (siehe auch Abschnitt
2.1.2). Abbildung 5-01 zeigt die Prozesshierarchie aus Sicht der personalen Wertschöpfungs-
kette.
Prozessstruktur
Sekundäre
Primäre
Aktivitäten
Unternehmensprozesse Aktivitäten
(Unterstützungs-
(Kernprozesse)
prozesse)
Personal- Personal-
Prozessphasen beschaffung betreuung
Auswahl/
Segmen- Positio- Signali- Kommuni-
Integration/
tierung nierung sierung kation
Einsatz
Prozess-
schritte
Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Beide Teilziele der personalen Wertschöpfungskette, also die Personalgewinnung und die
Personalbindung, lassen sich nur dann erreichen, wenn es dem Personalmanagement gelingt,
die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürfnisse vorhandener und potentieller Mit-
arbeiter (Bewerber) auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser Vorteile sind das Leis-
tungsportfolio, die besonderen Fähigkeiten, das Know-how, die Innovationskraft und auch die
Unternehmenskultur, kurzum: das Akquisitionspotenzial des Unternehmens.
Das Akquisitionspotenzial ist der Vorteil, den das Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb
hat. Dieser Wettbewerbsvorteil (an sich) ist aber letztlich ohne Bedeutung. Entscheidend ist
vielmehr, dass der Wettbewerbsvorteil auch von den Bewerbern (innerhalb der Prozesskette
Personalbeschaffung) und von den eigenen Mitarbeitern (innerhalb der Prozesskette Perso-
nalbetreuung) wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Bewerbermarkt und bei den Mit-
5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen 421
arbeitern sichert die Gewinnung bedarfsgerechter Bewerbungen einerseits und die Bindung
wertvoller personaler Ressourcen andererseits. Genau diese Lücke zwischen dem Wettbe-
werbsvorteil an sich und dem vom Bewerbermarkt und den eigenen Mitarbeitern honorierten
Wettbewerbsvorteil gilt es zu schließen. Damit sind gleichzeitig auch die Pole aufgezeigt,
zwischen denen die beiden Prozessphasen der personalen Wertschöpfungskette einzuordnen
sind. Eine Optimierung des Beschaffungsprozesses und des Betreuungsprozesses führt somit
zwangsläufig zur Schließung der oben skizzierten Lücke [vgl. LIPPOLD 2010, S. 3 f.].
Mitarbeitergewinnung
Mitarbeiterbindung
Aus den beiden Teilzielen der personalen Wertschöpfungskette (Personalgewinnung und Per-
sonalbindung) lassen sich zwei Zielfunktionen ableiten, eine zur Optimierung der Prozesskette
Personalbeschaffung und eine zur Optimierung der Prozesskette Personalbetreuung. Dieser
Optimierungsansatz lässt sich in seiner Gesamtheit auch – analog zur Marketing-Gleichung
im Absatzmarketing [vgl. LIPPOLD 2012, S. 31 ff.] – als (zweigeteilte) Personalmarketing-
Gleichung darstellen:
422 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
In dem Bewusstsein, dass sich der Arbeitsmarkt zu einem Käufermarkt für hochqualifizierte
Fach- und Nachwuchskräfte („High Potentials“) gewandelt hat, besteht der Grundgedanke des
hier skizzierten Personalmarketings darin, das Unternehmen als Arbeitgeber samt Produkt
Arbeitsplatz an gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter zu „verkaufen“.
Sicht von
außen Personalbeschaffung
Mitarbeiter-
gewinnung
Personal-
Externes Segmen- Positio- Signali- Kommuni-
auswahl u.
Personalmarketing tierung nierung sierung kation
-integration
Vom Bewerber
honorierter
Wettbewerbs- + Nutzen + Vorteil + Wahrnehmung + Vertrauen + Akzeptanz =
Wettbewerbs-
vorteil vorteil
• Produkte
• Leistungen
• Fähigkeiten
• Know-how Vom Mitarbeiter
• Kultur + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung = honorierter
Wettbewerbs-
vorteil
Internes
Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
Personalmarketing
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Mitarbeiter-
Sicht von bindung
innen Personalbetreuung
Personalbedarfsplanung
• Quantitativ • Qualitativ • Zeitlich • Räumlich
Makro- Segmentierungsdimensionen
segmentierung
(zielgruppen- • Vertikal (Branchen) • Regional (Geografie)
bezogen) • Horizontal (Funktionen) • Sonstige
Unternehmen
Segmentierungskriterien
Mikro-
segmentierung • Demografische Kriterien • Verhaltensbezogene Kriterien
(zielpersonen- • Sozioökonomische Kriterien • Motivbezogene Kriterien
bezogen) • Psychografische Kriterien …
Anforderungsprofil
Abgleich
5.2.1.1 Personalbedarfsplanung
Anzahl
Mitarbeiter
Neu- Zusatz-
bedarf bedarf
Vorauss. Ersatz-
Abgänge bedarf
Vorauss.
Zugänge
Soll-
Personalbestand
Ist-
Personalbestand
Periode
Besonders wichtig für viele Unternehmensberatungen ist in diesem Zusammenhang die Be-
obachtung und Analyse der Fluktuation, die sich in der Fluktuationsrate (engl. Attrition
Rate) ausdrückt:
Das Ziel der Fluktuationsanalyse besteht darin, Gründe und Motive für das Ausscheiden in
Erfahrung zu bringen und daraus zielgerichtete Maßnahmen zu entwickeln, um die Fluktuati-
on im Rahmen der betrieblichen Gegebenheiten und die damit verbundenen Kosten zu sen-
ken. Die besondere Bedeutung der Fluktuationsrate für den Erfolg einer Unternehmensbera-
tung zeigt das Rechenbeispiel in Insert 5-01.
Insert
Die Reduktion der Fluktuationsrate als Erfolgsfaktor
Unternehmen A Unternehmen B
• 800 Mitarbeiter • 1.600 Mitarbeiter
• 16 Mio. Euro Gewinn • 60 Mio. Euro Gewinn
Gesamt 8,0 Mio. Euro 4,8 Mio. Euro 4,8 Mio. Euro 2,4 Mio. Euro
Wiederbeschaffungskosten
Das Unternehmen A, eine Management- und Strate- Das Unternehmen B ist ein IT-Beratungs- und Ser-
gieberatung, beschäftigt 800 Mitarbeiter, erzielt einen viceunternehmen. Es beschäftigt 1.600 Mitarbeiter
Jahresgewinn von 16 Mio. Euro und weist eine Fluk- und erzielt einen Jahresgewinn von 60 Mio. Euro. Das
tuationsrate von 25 Prozent auf. Die Wiederbeschaf- Unternehmen weist eine Fluktuationsrate (engl
fungskosten für einen neuen Berater betragen 40.000 Attrition Rate) von 10 Prozent auf. Die Wieder-
Euro. Damit belaufen sich die Wiederbeschaffungs- beschaffungskosten für einen neuen IT-Berater betra-
kosten für 200 neue Berater auf insgesamt 8 Mio. gen 30.000 Euro. Um die Fluktuation ceteris paribus
Euro, um die Fluktuation auszugleichen. Lässt sich auszugleichen, belaufen sich die Wiederbeschaf-
diese Fluktuationsrate von 25 auf 15 Prozent senken, fungskosten) für 160 neue IT-Berater auf insgesamt
so verringern sich ceteris paribus die Wiederbeschaf- 4,8 Mio. Euro. Bei einer Absenkung der Fluk-
fungskosten für 120 Berater auf 4,8 Mio. Euro. Damit tuationsrate auf 5 Prozent, lassen sich in dem Fall die
ließen sich die Rekrutierungskosten allein durch diese Wiederbeschaffungskosten um 2,4 Mio. Euro ver-
Absenkung der Fluktuationsrate um 3,2 Mio. Euro ver- mindern. Bei einem angenommenen Gewinn dieses
mindern. Bei einem angenommenen Gewinn von 16 Unternehmens von 60 Mio. Euro p. a. bedeutet diese
Mio. Euro bedeutet dies eine Gewinnverbesserung für Reduzierung eine Gewinnverbesserung von vier Pro-
das Consulting-Unternehmen von 20 Prozent. Die Ab- zent. Die Reduktion der Fluktuationsrate um einen
senkung der Fluktuationsrate um jeweils nur einen Prozentpunkt führt hier also zu einer Gewinn-
Prozentpunkt führt in diesem Fall also zu einer verbesserung von rund einem Prozent.
Gewinnverbesserung von zwei Prozent.
Fazit: Angesichts der hohen Wiederbeschaffungskosten für hochqualifiziertes Personal kann die Reduktion der
Fluktuationsrate ceteris paribus einen sehr beachtlichen Erfolgsfaktor mit unmittelbarem Einfluss auf die
Gewinnsituation eines Unternehmens darstellen. Um die Fluktuationsrate nachhaltig abzusenken sind Mitarbei-
terbindungsprogramme erforderlich, die sich an den Kriterien Gerechtigkeit, Wertschätzung, Fairness sowie
Forderung und Förderung orientieren.
5.2.1.2 Personalbeschaffungswege
Personal-
beschaffungswege
Allgemein gilt der Grundsatz, dass vor einer Stellenbesetzung zunächst geprüft werden sollte,
ob und inwieweit vorhandene Mitarbeiterpotenziale genutzt werden können. Den Vorteilen
der internen Personalbeschaffung (z. B. geringeres Risiko einer Fehlbesetzung, höhere Moti-
vation bei interner Stellenbesetzung, Kosten- und Zeitersparnis), stehen aber auch einige
Nachteile (z. B. Gefahr der zunehmenden Betriebsblindheit, fehlende Impulse von außen)
gegenüber.
Obwohl augenscheinlich die Vorteile überwiegen, sollte der personalpolitische Grundsatz, auf
eine Beschaffungspriorität von innen zu setzen, allerdings nicht überzogen werden.
Ist die Entscheidung über eine externe Besetzung der Stelle gefallen, geht es im nächsten
Schritt darum, den Arbeitsmarkt im Hinblick auf die relevanten Zielgruppen zu analysieren.
Der Arbeitsmarkt ist der Ort, auf dem Arbeitskraft nachgefragt, angeboten und getauscht
wird. Solche Austauschbeziehungen kommen dann zustande, wenn die Austauschpartner –
also Bewerber und Unternehmen – jeweils einen individuellen Nutzenzuwachs wahrnehmen.
Laut Anreiz-Beitrags-Theorie ist dies immer dann der Fall, wenn von beiden Seiten jeweils
eine gewisse Gleichwertigkeit von Anreizen und Beiträgen verspürt wird [vgl. HIMMELREICH
1989, S. 25 ff.].
Für den Bewerber/Kandidaten bedeutet das konkret, dass die angebotenen Anreize, die mit
dem (neuen) Arbeitsplatz verbunden sind, die erwarteten zukünftigen Belastungen mindestens
kompensieren oder übersteigen. Seitens des Unternehmens ist der Beitrag des Bewer-
bers/Kandidaten in Form der erwarteten Aufgabenerfüllung mindestens gleich oder höher
einzuschätzen als die dafür notwendigerweise zu zahlende Vergütung. Nur wenn gleichzeitig
auf Unternehmens- und Kandidatenseite die so beschriebenen Gleichgewichtszustände vor-
herrschen, kommt ein Arbeitsverhältnis zustande. Andernfalls besteht von der einen und/oder
anderen Seite kein Interesse [vgl. RINGLSTETTER/KAISER 2008, S. 250 f.].
In Abbildung 5-08 sind die verschiedenen Varianten beim Zustandekommen von Arbeitsver-
hältnissen dargestellt.
Der Wettbewerb um besonders qualifizierte Bewerber ist umso härter, je knapper und bedeut-
samer die Arbeitskraft dieser Bewerber ist und je größer für diese die Auswahl zwischen den
Angeboten mehrerer Unternehmen ist. In einer derartigen Wettbewerbssituation ist der Be-
werber/Kandidat als ein potentieller Kunde des Unternehmens anzusehen. Der angebotene
Arbeitsplatz ist also das Produkt, das es dem potentiellen Kunden zu „verkaufen“ gilt. Darü-
ber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei einem Arbeitsplatzwechsel für den Bewerber eine
gewisse Risikoaversion auftritt, d.h. die neue Position muss vom Bewerber signifikant besser
eingeschätzt werden als die bisherige [vgl. RINGLSTETTER/KAISER 2008, S. 252 unter Bezug-
nahme auf LAMPERT 1994, S. 348].
430 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Beidseitiges
Beiträge Anreize Ungleichgewicht: Erhöhung der Wettbewerbsfähig-
< < keit auf beiden Seiten (eventuell)
Leistungen Belastungen Beidseitig kein Interesse und
jeweils Suche nach Alternativen
Für die einzelne Unternehmensberatung sind immer nur bestimmte Ausschnitte des Arbeits-
marktes von Bedeutung. Daher ist es notwendig, zunächst diese Ausschnitte (Segmente) zu
bestimmen, in denen das Unternehmen tatsächlich aktiv ist bzw. aktiv werden sollte. Zur Dif-
ferenzierung der unterschiedlichen Zielgruppen und Zielpersonen bietet sich – analog zum
Absatzmarketing – eine Segmentierung des Arbeitsmarktes in zwei Segmentierungsstufen
an: die Makrosegmentierung zur Auswahl und Ansteuerung der relevanten Segmentierungs-
dimensionen und die Mikrosegmentierung zur Festlegung der relevanten Segmentierungskri-
terien.
(1) Makrosegmentierung
In der Stufe der Makrosegmentierung, die den strategischen Aspekt der Arbeitsmarktsegmen-
tierung beinhaltet, wird der Arbeitsmarkt in seinen verschiedenen Dimensionen betrachtet und
in möglichst homogene Segmente aufgeteilt. Die wichtigsten Dimensionen sind:
Wichtig bei der Durchführung der Makrosegmentierung ist, dass sich das suchende Unter-
nehmen nicht nur in ein oder zwei Dimensionen festlegt. Erst eine mehrdimensionale Ar-
beitsmarktausrichtung, die sich beispielsweise auf eine Branche, auf einen oder zwei be-
triebliche Funktionsbereiche, auf ein oder zwei regionale Märkte sowie auf Führungskräfte
konzentriert, kann der Gefahr einer möglichen Verzettelung der knappen Personalmarketing-
Ressourcen vorbeugen.
(2) Mikrosegmentierung
Die darauf folgende (taktisch ausgelegte) Stufe der Mikrosegmentierung befasst sich mit den
Zielpersonen innerhalb der in der Makrosegmentierung ausgewählten Zielgruppen. Die Mik-
rosegmentierung basiert auf den Ausprägungen ausgewählter Segmentierungskriterien [vgl.
HOMBURG/KROHMER 2006, S. 487]:
x Demografische Kriterien wie Alter, Geschlecht, Familienstand;
x Sozioökonomische Kriterien wie aktuelles Einkommen, Ausbildungsniveau, Branchen-
erfahrung, aktuelle Position, Berufsgruppe, Stellung im beruflichen Lebenszyklus;
x Psychografische Kriterien wie Lebensstil, Einstellungen, Interessen oder auch bedürf-
nisbezogene Motive;
x Verhaltensbezogene Kriterien wie durchschnittliche Betriebszugehörigkeit, Häufigkeit
des Arbeitgeberwechsels;
x Motivbezogene Kriterien wie monetäre Motive, imagebezogene Motive, arbeitsinhaltli-
che Motive, karrierebezogene Motive bei der Stellensuche.
Die Segmentierung kann sich auf eine Kategorie von Segmentierungskriterien (z. B. verhal-
tensbezogene Kriterien) beziehen; es können aber auch verschiedene Gruppen von Segmen-
tierungskriterien miteinander kombiniert werden. Die Segmente können sich dann aus scharf
abgrenzbaren Zielgruppen oder aus Typen von Bedürfnisträgern zusammensetzen. Eine Ty-
penbildung ist immer dann sinnvoll, wenn eine bedürfnisindividuelle Ansprache einzelner,
potentieller Kandidaten aus ökonomischen Gründen nicht durchführbar scheint [vgl. RINGL-
STETTER/KAISER 2008, S. 257].
Abbildung 5-09 stellt beispielhafte Segmente als Typen von Bedürfnisträgern für die o. g.
Segmentierungskriterien gegenüber.
Unabhängig vom inhaltlichen Fokus der Segmentierung sind die einzelnen Ausprägungen der
Segmentierungskriterien und -dimensionen hinsichtlich Relevanz, Messbarkeit und Erreich-
barkeit zu prüfen [vgl. LIPPOLD 2011, S. 40 f., SCHAMBERGER 2008, S. 50 ff.].
432 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
• Alter
Demografische Junge Inter- Reife
• Geschlecht
Segmentierung nationale Erfahrene
• Familienstand
• Informationsverhalten
Verhaltensbezogene • Arbeitsverhalten Informierte Traditionelle Interessierte
Segmentierung • Verhalten bei der Job Hopper Loyale Loyale
Stellensuche
• Monetäre
• Imagebezogene
Motivbezogene Image- Karriere- Gehalts- Selbst-
• Karrierebezogene
Segmentierung orientierte orientierte orientierte beweisende
• Arbeitsinhalts-
bezogene Motive
5.2.1.5 Wettbewerbsintensität
Sind die relevanten Marktsegmente identifiziert und die Bedürfnisse, Ziele und Erwartungen
der anzusprechenden Zielgruppe (Bewerber/Kandidat) transparent, stehen Überlegungen an,
welche besonderen Herausforderungen in den jeweiligen Marktsegmenten vorherrschen. Ty-
pische Kennzeichen der besonderen Rivalität im Beratungsgeschäft beim „War for Talents“
sind Positionskämpfe in Form der Zahlung von Spitzengehältern, Zusatzleistungen oder der
Verbesserung von Weiterbildungsmaßnahmen oder Karrierechancen. In der Regel initiieren
solche Maßnahmen entsprechende Gegenmaßnahmen bei den Wettbewerbern, so dass letzt-
lich eine Veränderung der Rentabilität aller Wettbewerber die Folge ist [vgl.
RINGLSTETTER/KAISER 2008, S. 261].
In der Beratungsbranche hat diese besondere Rivalität dazu geführt, dass sich die Gehälter
nahezu aller Karrierestufen in der Höhe zum Teil deutlich von den entsprechenden Gehältern
anderer Branchen entfernt haben. Schließlich ist weiterhin zu berücksichtigen, dass insbeson-
dere Führungs- und Führungsnachwuchskräfte nur dann zu einem Arbeitsplatzwechsel zu
bewegen sind, wenn das neue Gehalt (und/oder Zusatzleistungen) deutlich über den bisheri-
gen Konditionen liegt. Häufig gilt hierbei das ungeschriebene Gesetz, dass ein Wechsel aus
einer gesicherten Position nur dann vorgenommen werden sollte, wenn das neue Gehalt min-
destens 20 Prozent über dem bisherigen liegt. Dies hängt nicht zuletzt auch mit der berechtig-
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 433
ten Risikoaversion zusammen, da der wechselbereite Kandidat letztlich erst die Probezeit bei
seinem neuen Arbeitgeber „überstehen“ muss.
Jede Personal suchende Unternehmensberatung tritt in ihren Segmenten in aller Regel gegen
einen oder mehrere Wettbewerber an, da – wie bereits erwähnt – besonders qualifizierte Be-
werber mit hohem Potenzial i. d. R. zwischen den Angeboten mehrerer potentieller Arbeitge-
ber auswählen können. In einer solchen Situation kommt der Positionierung des Unterneh-
mens als Arbeitgeber eine zentrale Rolle zu.
Die Positionierung ist das zweite wichtige Aktionsfeld im Personalbeschaffungsprozess und
beinhaltet die Optimierung des Bewerbervorteils:
Bewerbervorteil = f (Positionierung) → optimieren!
Die Positionierung verfolgt die Aufgabe, innerhalb der definierten Bewerbersegmente eine
klare Differenzierung gegenüber dem Stellenangebot des Wettbewerbs vorzunehmen. Die
Einbeziehung des Wettbewerbs mit seinen Stärken und Schwächen ist demnach ein ganz ent-
scheidendes Merkmal der Positionierung.
In dieser (Wettbewerbs-) Situation reicht es für das Unternehmen nicht aus, ausschließlich
nutzenorientiert zu argumentieren. Neben den reinen Bewerbernutzen muss vielmehr der Be-
werbervorteil treten. Das ist der Vorteil, den der Bewerber bei der Annahme des Stellenange-
bots gegenüber dem (alternativen) Stellenangebot des Wettbewerbers hat.
Wer überlegenen Nutzen (Bewerbervorteil) bieten will, muss die Bedürfnisse, Probleme, Zie-
le und Nutzenvorstellungen des Bewerbers sowie die Vor- und Nachteile bzw. Stärken und
Schwächen seines Angebotes gegenüber denen des Wettbewerbs kennen. Die wesentlichen
Fragen in diesem Zusammenhang sind:
x Wie differenziert sich das eigene Stellenangebot von dem des Wettbewerbs?
x Welches sind die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale (engl. Unique Selling Propositi-
on) aus Bewerbersicht?
Bei der Beantwortung geht es allerdings nicht so sehr um die Herausarbeitung von Wett-
bewerbsvorteilen an sich. Entscheidend sind vielmehr jene Vorteile, die für den Bewerber
interessant sind. Vorteile, die diesen Punkt nicht treffen, sind von untergeordneter Bedeutung.
Unternehmen, die es verstehen, sich im Sinne der Bewerberanforderungen positiv vom Wett-
bewerb abzuheben, haben letztendlich die größeren Chancen bei der Rekrutierung von geeig-
neten Bewerbern [vgl. LIPPOLD 2010, S. 10].
5.2.2.2 Positionierungselemente
Die Positionierung schafft eine klare Differenzierung aus Sicht des Bewerbers. Inhaltlich hat
die Positionierung die Aufgabe, die wichtigsten Ausprägungen des Bewerbervorteils heraus-
434 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
(1) Branchenimage
Gerade das Image der Beratungsbranche kann wie ein Filter auf die Wahrnehmung des Perso-
nalimages einer Organisation wirken. So kann bei weniger bekannten Beratungsunternehmen
das Branchenimage durchaus einen positiven Einfluss auf das Personalimage und die indivi-
duelle Stellenwahl haben. Schließlich ist das positive Image der Beratungsbranche bei den
Bewerbern vor allem durch die Wachstumsaussichten, durch die Ertragslage, durch die erwar-
teten Karrierechancen sowie durch das überdurchschnittliche Gehaltsniveau gekennzeichnet.
Positionierungselemente
(2) Unternehmensimage
Das Positionierungselement Unternehmensimage ermöglicht dem Beratungsunternehmen, das
positive Branchenimage noch weiter zu verstärken. Hauptkriterien zur Beurteilung des Unter-
nehmensimages sind die Bekanntheit des Unternehmens, seine Wirtschaftskraft sowie die
vorherrschende Unternehmenskultur. Die Bekanntheit eines Unternehmens steht in enger Be-
ziehung zum Image und der Bekanntheit seiner Produkte und Leistungen. Deshalb stehen Un-
ternehmen mit attraktiven Produkten und Dienstleistungen sowie prestigeträchtigen Marken
häufig an der Spitze der beliebtesten Arbeitgeber und sind somit auch die härtesten Wettbe-
werber der Beratungsunternehmen beim „Kampf um die Besten“[vgl. SCHAMBERGER 2006,
S. 69 und BECK 2008a, S. 33].
Insert
Rangfolge Rangfolge
High Potentials Sonstige Studierende
6. Karriereplanung 6. Unternehmenskultur
Nahezu alle der oben aufgeführten Merkmale wer- stuft werden (Priorität 11 bei den „High Potentials“
den bei der Stellenauswahl von den beiden Bewer- und Priorität 9 bei den „Sonstigen Bewerbern“).
bergruppen „High Potentials“ und „Sonstige Studie- Dies macht deutlich, dass bei weitem nicht immer
rende“ annähernd gleich gewichtet. Lediglich beim das Gehalt der entscheidende Faktor bei der
Merkmal „Karriereplanung“ zeigt sich ein signifikan- Stellenauswahl ist. Andererseits werden von den
ter Unterschied: Während dieses Merkmal von der beiden Bewerbergruppen gerade jene Merkmale
Gruppe „High Potentials“ auf Rang 6 in der Prioritä- besonders hoch eingestuft, deren tatsächliches
tenliste eingestuft wird, nimmt es bei den „Sonsti- Eintreffen sich erst nach der Einstellung heraus-
gen Studierenden“ mit Rang 15 nur eine unterge- stellen wird. Insofern ist es ganz besonders wichtig,
ordnete Position ein. Besonders augenfällig ist dass das vom Bewerber ausgewählte Unternehmen
überdies, dass das Merkmal „Attraktive Vergütung“ das in ihm gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht.
von beiden Bewerbergruppen relativ niedrig einge-
Der Employer Branding-Prozess verfolgt das Ziel, eine glaubwürdige und positiv aufgeladene
Arbeitgebermarke aufzubauen. Diese soll den Arbeitgeber gleichsam profilieren und von an-
deren Arbeitgebern differenzieren. Dabei nutzen Unternehmen ihre „Employer Value Proposi-
tion“ nicht nur für das Rekruting neuer Talente, sondern zunehmend auch um die Mitarbeiter-
bindung und -Identifikation zu stärken [vgl. KUNERTH/MOSLEY 2011, S. 19 ff.].
Bei der Arbeitssuche werden meist folgende Faktoren evaluiert [vgl. WILDEN et al. 2010, S.
56 ff.]:
x die Arbeitgeberattraktivität (basierend auf der eigenen Erfahrung mit dem Unternehmen
und Erfahrungen, die in der Branche gesammelt wurden),
x die Klarheit, Glaubwürdigkeit und Konsistenz der Markensignale des potenziellen Ar-
beitgebers,
x das Arbeitgebermarkeninvestment sowie
x die eigene Wahrnehmung der Produkte oder Dienstleistungen des Arbeitgebers.
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 437
Employer Branding kann den Aufbau der Corporate Brand, also der Unternehmensmarke,
unterstützen. Corporate Branding ist jedoch durch die Ansprache aller Stakeholder-Gruppen
des Unternehmens weiter gefasst und überwiegend nach außen gerichtet.
Eine gute Positionierung ermöglicht es, Mitarbeiter und Führungskräfte auf die strategischen
Ziele des Unternehmens auszurichten und gleichzeitig ihr Bekenntnis (engl. Commitment)
zum, sowie ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Das Ergebnis ist ein höheres
Mitarbeiterengagement. In der Summe aller Effekte steigert ein fundierter Employer Bran-
ding-Prozess also die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Arbeitgebers, seine Repu-
tation bei allen Stakeholder-Gruppen und letztlich seinen Unternehmenserfolg insgesamt. Das
Ergebnis ist eine wettbewerbsfähige Arbeitgebermarke, deren Bedeutung insbesondere auch
von hochqualifizierten Bewerbern sehr hoch eingeschätzt wird (siehe Insert 5-03).
Insert
Wie wichtig ist die Repution eines Unternehmens bei der Wahl
des Arbeitgebers?
3% 4%
Wichtig
Eine starke Arbeitgebermarke ist bei hochquali- Lediglich sieben Prozent der MBA Studierenden
fizierten Bewerbern ein wichtiges Kriterium für die sind der Ansicht, dass die Unternehmensreputation
Auswahlentscheidung. So sind einer internationalen für ihre Arbeitgeberauswahl nicht wichtig ist. Befragt
Untersuchung von HILL & KNOWLTON zur Folge drei wurden 434 MBA Studierende an den 12 führenden
von vier MBA Studierenden der Meinung, dass die internationalen Business-Hochschulen in den USA,
Reputation eines Unternehmens für ihre Auswahl- Europa und Asien.
entscheidung extrem wichtig oder sehr wichtig ist.
Das Vorgehen zur Schaffung einer attraktiven Arbeitgebermarke entspricht im Prinzip dem
der Marketingabteilung, wenn es um die Verbesserung des Unternehmensimages geht: Ge-
sucht wird eine Positionierung der Unternehmensberatung als Arbeitgeber, nach den Medien
oder Kanälen, über die die gewünschten Bewerber bzw. Kandidaten am besten zu erreichen
sind, sowie nach der geeigneten Form der Ansprache. Doch diese Logik hat in der Praxis ihre
Tücken, weil an einem Projekt zur Verbesserung der Arbeitgeberpositionierung immer meh-
rere Bereiche beteiligt sind. Der Personalsektor hat naturgemäß das größte Interesse an der
Durchführung des Projektes, der Marketingbereich verfügt über die erforderliche methodische
Kompetenz und die Kommunikationsabteilung sorgt für die Inhalte [vgl. DAHRENDORF 2013,
S. 37].
438 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
(1) Arbeitgeberauftritt
Der Arbeitgeberauftritt beschreibt die Gesamtheit aller medialen Signale eines Arbeitgebers
(Anzeigen, Homepage, Broschüren, Messestand, Raumdesign u. v. m.). Die Gestaltung des
Arbeitgeberauftritts sichert einen einheitlichen Gesamteindruck über alle Medien hinweg und
sollte mit dem Corporate Design des Unternehmens übereinstimmen. Möglichst jede Maß-
nahme sollte auf das Konto der Arbeitgebermarke eingezahlt werden.
(2) Arbeitgebermarke
Ein Unternehmen wird als Arbeitgebermarke wahrgenommen, wenn es ein unverwechselba-
res inneres Vorstellungsbild erzeugt, das sich bei seinen Zielgruppen dauerhaft festsetzt. Die
Voraussetzungen dafür sind eine treffende, zugespitzte Arbeitgeberpositionierung sowie die
Unternehmensmarke, mit der die Arbeitgebermarke eng verzahnt sein sollte. Wer eine starke
Arbeitgebermarke etabliert und weiterentwickelt, kann der Herausforderung, Talente zu ge-
winnen und langfristig ans Unternehmen zu binden, leichter begegnen. Niedrigere Kosten in
der Anwerbung, Auswahl und Bindung von Mitarbeitern werden mit einem schlagkräftigen
Employer Branding in Verbindung gebracht. So kann die Arbeitgebermarke in den Bewer-
bermärkten wie ein Filter wirken, der gezielt die passenden Kandidaten anzieht und die ande-
ren fernhält. [Zur Employer-Branding-Strategie in der Praxis siehe insbesondere STEIN-
LE/THIES 2008.]
Eine weitere Möglichkeit zum Auf- und Ausbau einer Arbeitgebermarke bieten die netzwerk-
orientierten Internetplattformen (engl. Social Networks) wie XING, FACEBOOK, TWITTER
und LINKEDIN.
Positiv wirkt sich eine starke Arbeitgebermarke auch auf den Verbleib der Mitarbeiter im Un-
ternehmen aus. Eine geringere Mitarbeiterfluktuation wiederum sichert eine höhere Rendite
der Personalentwicklungsmaßnahmen (engl. Return on Development). Employer Branding
beugt vor allem auch der Abwanderung von Potenzial- und Leistungsträgern vor. Dieses Phä-
nomen tritt verstärkt auf, sobald die Chancen zum Wechseln zunehmen. Also meistens dann,
wenn die konjunkturellen Daten stimmen.
(3) Arbeitgeberattraktivität
Die Positionierung als Arbeitgebermarke steigert die Anziehungskraft eines Arbeitgebers für
Bewerber wie Mitarbeiter. Sie kann sich aus verschiedenen Quellen speisen und führt zu Vor-
teilen im Wettbewerb der Arbeitgeber um qualifizierte Arbeitskräfte sowie zu einem höheren
Mitarbeiterengagement. Arbeitgeberattraktivität ist umso nachhaltiger, je besser das nach au-
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 439
5.2.3.1 Signalisierungsinstrumente
(1) Arbeitgeber-Imageanzeigen
Im Bereich der Arbeitgeber-Imageanzeigen greifen hinsichtlich Werbegestaltung und Werbe-
botschaft prinzipiell die gleichen Mechanismen wie bei einer Unternehmens- oder Produktan-
zeige aus dem klassischen Absatzmarketing [siehe hierzu insbesondere LIPPOLD 2012, S.
178].
Die Werbegestaltung, die die Handschrift der Werbung kennzeichnet, kann auf eine mehr
rationale, d. h. sachargumentierende Positionierung oder auf eine mehr emotionale, d. h. er-
lebnisorientierte Positionierung als Arbeitgeber hinzielen (siehe hierzu Insert 5-04, das ein
gelungenes Beispiel für eine erlebnisorientierte Positionierung zeigt).
Zu den wichtigsten (und kreativsten) Aufgaben der Werbegestaltung zählt die Formulierung
der Werbebotschaft. Von den textlichen Gestaltungselementen verfügt die Überschrift (engl.
Headline) der Anzeige über die höchste physische Reizqualität. Bei der Vermittlung emotio-
naler Werbebotschaften steht häufig die Verwendung von Bildern im Vordergrund, denn Bil-
der werden besser erinnert als Wörter. Auch fällt in einer Bild-Text-Anzeige der Blick des
Lesers fast immer zuerst auf das Bild. Besonders die Testimonial-Werbung ist eine effektive
Methode, um eine Botschaft bildlich zu übermitteln. Als Testimonials einer Arbeitgeber-
Imageanzeige eignen sich besonders gut glaubwürdige und kompetente Mitarbeiter des Un-
ternehmens. Auf diese Weise sollen bei der Zielgruppe (also bei den Bewerbern) Prozesse
ausgelöst werden, die eine Identifikation mit der werbenden Person ermöglichen [vgl. LIP-
POLD 2012, S. 184 ff.].
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 441
Insert
Die Arbeitgeber-Imageanzeige von MCKINSEY zeich- eine vielschichtige Geschichte erzählt. Diese An-
net sich durch eine emotionale Gestaltungsart in zeige wirbt nicht konkret für eine vakante Stelle,
Verbindung mit einem erzählungsorientierten Wer- sondern für das Unternehmen als Arbeitgeber ins-
bemuster aus. Mit wenig gestalterischen Mitteln wird gesamt.
(2) Stellenanzeigen
Im Gegensatz zur Arbeitgeber-Imageanzeige wird mit einer Stellenanzeige unmittelbar für die
Besetzung von freien Stellen geworben. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei Stellen-
442 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Bei der typografischen Gestaltung einer Stellenanzeige geht es insbesondere um die räumli-
che Aufteilung, die Gliederung von Texten sowie um die Wahl geeigneter Schrifttypen.
Das Signalisierungsinstrument der Stellenanzeige hat durch den Einsatz des Internets zu ei-
nem Paradigmenwechsel im Personalmarketing geführt. Mittlerweile dominiert das Internet
bei der Bewerberansprache die klassischen Instrumente wie Stellenanzeigen in Zeitungen und
Zeitschriften deutlich. Insert 5-05 verdeutlicht diese Trendumkehrung.
(3) E-Recruiting
Das E-Recruiting (auch als E-Cruiting bezeichnet) als internet- und intranetbasierte Personal-
beschaffung und -auswahl hat sich also als das entscheidende Medium im Arbeitsmarkt etab-
liert. Lediglich noch sieben Prozent der Top 1.000-Unternehmen möchten von ihren Bewer-
bern eine papierbasierte Bewerbungsmappe per Post erhalten [vgl. RECRUITING TRENDS 2010,
S. 17]. Der Wirkungskreis des E-Recruiting reicht von der Personalakquisition in Stellenbör-
sen bis zur Abwicklung des kompletten Bewerbungsprozesses im Inter-/ oder Intranet.
Vier verschiedene Recruiting-Kanäle prägen den Stellenmarkt im Internet [in Anlehnung an
WEIDENEDER 2001]:
x Kommerzielle Stellenmärkte im Internet (Jobbörsen)
x Stellenmärkte von Tageszeitungs- und Zeitschriftenverlagen
x Nicht-kommerzielle Initiativen, Verbände, Behörden
x Unternehmen mit eigenem Internetservice.
Kommerzielle Stellenmärkte im Internet (Jobbörsen). Die Anzahl der Internet-Jobbörsen
wächst ständig. Neben den bundesweit tätigen Stellenbörsen wie STEPSTONE, MONSTER.DE
oder JOBPILOT haben sich auch regionale und branchenspezifische Jobbörsen etabliert. Inter-
net-Stellenbörsen machen Anzeigen mit Hilfe technischer Grundlagen des Internets und Da-
tenbanksystemen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Internet-Jobbörsen akquirieren Stel-
lenangebote und Bewerber und veröffentlichen diese über einen eigenen Server im Internet.
Die Dienstleistung betrifft neben der Einstellung ins World Wide Web, auch die Pflege und
teilweise Gestaltung der Daten. Jobbörsen haben aus Kostengründen und Effektivität in der
Informationsbereitstellung (24 Stunden, sieben Tage, globale Verfügbarkeit) sowie Schnellig-
keit und Funktionalität in der Prozessabwicklung nachhaltige Vorteile im Medienwettbewerb
und bei den E-Recruiting-Prozessen erreicht.
Stellenmärkte von Tageszeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Auf die zunehmende Domi-
nanz der Internet-Stellenbörsen haben die Printmedien, über die noch in den 90er Jahren der
größte Teil der offenen Stellen signalisiert wurde, nur sehr langsam reagiert. Der wachsende
Konkurrenzdruck hat mittlerweile die Verlage dazu veranlasst, ebenfalls den Weg ins World
Wide Web zu suchen. Daher bieten heute viele Printmedien ihren Inserenten eine unentgeltli-
che Parallelschaltung ihrer Anzeigen in einem Online-Stellenmarkt an.
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 443
Insert
Entwicklung papierbasierte vs. elektronische Bewerbung
100%
75%
80%
71%
70%
70%
67%
66%
62%
61%
55%
51%
60%
51%
47%
47%
37%
43%
38%
32%
34%
40%
30%
27%
24%
23%
20%
0%
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Während im Jahr 2002 nach der Studie RECRUITING Verhältnis zwischen den beiden gängigen elektro-
TRENDS 2013 noch mehr als Zweidrittel aller nischen Verfahren (Webformular vs. E-Mail-Bewer-
Bewerbungen (engl. Applications) als papierbasierte bung), so zeigt die Studie, dass aktuell noch mehr
Bewerbungsmappe eingereicht wurde, hat sich im Bewerbungen per E-Mail (53,3 Prozent) bei den
Jahr 2012 das Verhältnis mehr als umgekehrt: 75 befragten Top-1.000 Unternehmen eingehen als per
Prozent aller Bewerbungen sind auf elektronischem Webformular (46,7 Prozent). Mit Blick auf das Jahr
Wege bei den Unternehmen eingegangen. Damit hat 2017 prognostizieren die Teilnehmer an der Studie
der Anteil elektronischer Bewerbungsverfahren im jedoch wieder eine Umkehr dieses Verhältnisses mit
Bewerbungseingang seit 2002 um das 2,5-Fache mehr Webformular- als E-Mail-Bewerbungen im
zugenommen. Betrachtet man ausschließlich das Bewerbungseingang.
Insert
Die Bewerber-Flüsterer
von Matthias Kaufmann
Wer einen Job sucht, geht ins Internet. Für Arbeitgeber heißt das: Dort kann man junge Talente auf-
gabeln - wenn man es geschickt anstellt. Ein neues Ranking zeigt, welche großen deutschen Unter-
nehmen die beste Figur machen.
Aus der Sicht der Bewerber ist es ganz leicht: Ein
Platz FIRMA Punkte
Unternehmen muss auf allen möglichen Online-
Kanälen informieren, welche Jobs und Perspektiven 1 FRESENIUS 71,8
es bietet. Alle Informationen müssen leicht zu finden 2 ALLIANZ 71,6
sein. Habe ich Fragen, muss es schnell eine Antwort 3 OTTO 70,3
geben, und zwar eine brauchbare, keine Luftblasen. 4 ERNST & YOUNG 67,7
Kommentare und Kritik, etwa auf Facebook-Seiten
der Personalabteilungen, sollten ernst genommen 5 DEUTSCHE TELEKOM 66,7
werden. Der erste Bewerbungsschritt sollte online 6 BAYER 66,6
möglich sein, ohne dass ich dafür ein Informatik- 7 DEUTSCHE POST DHL 66,1
studium brauche und stundenlang damit beschäftigt 8 BERTELSMANN 65,9
bin.
9 ACCENTURE 64,8
Aus der Sicht der Unternehmen ist das ziemlich 10 PW C 64,7
schwer: Alle Online-Kanäle - das sind ziemlich viele. 11 BASF 63,0
Informationen, leicht auffindbar - wir sind doch nicht
GOOGLE. Fragen und Kritik - und zwar öffentlich - 12 AUDI 62,2
dafür war bisher die Pressestelle zuständig, und die 13 DAIMLER 62,0
ist gewohnt, nie etwas Konkretes zu sagen. Und das 14 ROCHE 61,6
mit der Online-Bewerbung ist zwar praktisch für die 15 THYSSENKRUPP 61,6
Personalabteilung, aber wieso bewerben sich
eigentlich so viele Leute, die unsere bürokratischen 16 IBM 61,1
Abläufe nicht verstehen? Kurz: Es war schon immer 17 BMW 59,2
eine heikle Sache, Bewerber und Unternehmen 18 PROCTER & GAMBLE 59,0
zusammenzubringen. Das Internet ist dabei zwar 19 ABB 59,0
eine große Hilfe, aber irgendwie werden die Dinge
20 SMA SOLAR TECHNOLOGY 58,6
trotzdem nicht einfacher.
21 MERCK KGAA 58,5
Die Entwicklung in diesem Bereich beobachtet die 22 POSTBANK 58,2
Beratungsfirma POTENTIALPARK, die auf Arbeitge-
bermarken spezialisiert ist, seit zehn Jahren. Gera- 23 SIEMENS 57,2
de hat sie wieder die Unter-nehmen weltweit gekürt, 24 EISMANN 57,1
denen die Online-Kommunikation mit potentiellen 25 EVONIK 57,1
Bewerbern am besten gelingt. Sieger in der deut- 26 CAPGEMINI 56,9
schen Auswahl diesmal: der Medizinkonzern
27 HENKEL 56,8
FRESENIUS, der Finanzmulti ALLIANZ und der OTTO-
Versand mit all seinen Tochtergesellschaften. 28 COMMERZBANK 56,8
29 ADIDAS GROUP 56,4
Für die Studie wurden rund 31.000 Studenten be-
fragt, gut 2000 in Deutschland. Von 2400 Online- 30 CONTINENTAL 56,2
Auftritten wurden je 200 Funktionen ausgewertet. In Quelle: POTENTIALPARK OTaC Study
Deutschland wurden 463 Auftritte begutachtet, nach
Kriterien wie Übersichtlichkeit, Handhabbarkeit, Wer Diskussionen auf den Profilseiten abwürgt, mit
Responsivität oder Vernetzung. Ob nun Sieger- PR-Geschwafel langweilt oder eine statische Seite
treppchen oder nicht: Die Entwicklung ist für die anbietet, vermittelt ein langweiliges Bild seiner Fir-
Bewerber eigentlich gut. Denn das Niveau steigt ma. Die Konzerne, die am erfolgreichsten kommu-
insgesamt. Viele Konzerne, aber auch mittelstän- nizieren, haben solche Fehler teils auch schon
dische Unternehmen, stecken viel Mühe und Geld in gemacht - aber dazugelernt. Das hebt Ziesing ganz
übersichtliche Karriereseiten, in eine flotte Bewer- besonders hervor: "Es ist typisch, dass sich die
berkommunikation und in eine gelungene Selbst- Unternehmen mit Versuch und Irrtum einer
darstellung bei FACEBOOK, TWITTER & Co. gelungenen Web-Präsenz annähern. “Das ist die
Inzwischen hat gut die Hälfte der untersuchten schlechte Nachricht für die Unternehmen: Für den
Unternehmen eine FACEBOOK-Seite. Gerade die Aufbau einer gelungenen Präsenz vergehen oft
sozialen Netzwerke sind eine große Herausforde- Jahre. Kleiner Trost: Selbst der aktuelle Sieger,
rung, weil sie den Druck erhöhen, "die Realität hinter FRESENIUS, ist nicht in jedem Bereich top. So hat
den Jobversprechen zu zeigen", sagt Julian Ziesing zum Beispiel THYSSENKRUPP ein besser gelungenes
von POTENTIALPARK. Da kann man freilich viele Feh- Online-Bewerbungssystem, findet Ziesing. "Aber
ler machen: FRESENIUS ist eben sehr stark auf allen Kanälen."
Insert 5-07 beantwortet die Frage, über welche Recruiting-Kanäle offene Stellen schwer-
punktmäßig veröffentlicht werden: Neun von zehn offenen Stellen werden von den deutschen
1.000 Top-Unternehmen in den Jahren 2009 und 2012 über die eigene Unternehmenswebseite
kommuniziert.
Insert
37%
40%
30%
27% 27%
22% 20% 18%
20% 15%
0%
Arbeitsagentur Printmedien Internetstellenbörse Unternehmenswebsite
Mehrfachnennungen
Der Paradigmenwechsel im Personalmarketing wird dieser Internet-Kanal am häufigsten von den befrag-
auch unterstrichen durch das Kommunikationsver- ten Unternehmen genutzt. An zweiter Stelle liegen
halten der Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt. So die Veröffentlichungen über eine Internetstellen-
boten die deutschen Top-1.000 Unternehmen im börse mit seit Jahren steigender Tendenz. Gleich-
Jahr 2012 neun von zehn offenen Stellen über die zeitig ist das entsprechende Angebot über Print-
eigene Unternehmenswebseite an. Damit wird medien deutlich zurückgegangen.
Insert 5-07: Veröffentlichte offene Stellen nach Recruiting-Kanälen 2003 bis 2012
In diesem Zusammenhang kommt dem Aufbau und der Gestaltung einer funktionierenden
HR-Website eine besonders wichtige Bedeutung zu. Für die Beurteilung von (Personal-)
Websites bietet die CUBE-Formel hilfreiche Anhaltspunkte. Diese Formel steht – ähnlich
dem AIDA-Modell für die generelle Werbewirkung – für die Analyse folgender Aspekte:
x Content (d. h. ein informatorischer und ständig aktualisierter Inhalt der Website),
x Usability (d. h. die Handhabbarkeit bzw. intuitive Erschließung der Stellenangebote),
x Branding (d. h. der Aufbau einer klaren Identität des Arbeitgeberunternehmens) und
x Emotion (d. h. der Besuch einer Website muss Spaß machen).
446 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Als Beispiel für die Karriereseite eines Consulting-Unternehmens ist in Insert 5-08 der deut-
sche Internetauftritt von ROLAND BERGER Strategy Consultants dargestellt.
Insert
5.2.3.2 Signalisierungsmedien
In den letzten Jahren übertrafen in der Beratungsbranche die Insertionskosten für die Perso-
nalsuche teilweise deutlich die Kosten für die Schaltung von (klassischer) Unternehmenswer-
bung. Daher sollen hier – und nicht im Kapitel Marketing/Vertrieb – die Fragen zur Auswahl
geeigneter Werbeträger behandelt werden. Für das Personalmarketing kommen in erster Li-
nie Printmedien und Online-Medien als Werbeträger in Betracht. Weitere Medien wie Fern-
sehen, Radio, Kino (also die klassischen elektronischen Medien) oder Außenwerbung werden
nahezu ausschließlich im Absatzmarketing eingesetzt und sind für das Personalmarketing
weniger relevant.
(1) Printmedien
Unter den Printmedien sind Zeitungen und Zeitschriften sowie Verzeichnis-Medien (Kom-
pendien und Fachbücher) für das Personalmarketing im Beratungsbereich von Bedeutung.
Zeitungen werden vorwiegend nach der Erscheinungshäufigkeit (täglich/wöchentlich) und
nach dem Verbreitungsgebiet (regional/überregional) differenziert. In Deutschland existieren
rund 380 Zeitungen, darunter 32 Wochen- bzw. Sonntagszeitungen, sowie etwa 2.000 Zeit-
schriftentitel, die in Publikums- und in Fachzeitschriften unterteilt werden.
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 447
(2) Online-Medien
Insert
100%
90%
80%
70%
60%
50% Online-Werbung
40% Tageszeitungen
30%
20%
10%
0%
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Die Marktanteile der Online-Medien haben sich in Höhe von 18,42 Mrd. (-3,2 %) Euro nimmt sich der
den letzten 10 Jahren sukzessive zu Lasten der Online-Werbemarkt mit 1.079 Mio. Euro (+9 %)
Tageszeitungen verschoben. Heute nehmen die allerdings immer noch recht bescheiden aus. Es
Online-Werbeangebote bereits rund 20 Prozent des muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Teil
Werbeaufkommens des Tageszeitungen ein. der Online-Werbung in der Statistik des ZENTRAL-
Angesichts der gesamten Netto-Werbeeinnahmen VERBANDES DER DEUTSCHEN W ERBEWIRTSCHAFT
aller erfassbaren Werbeträger in Deutschland in (ZAW) nicht erfasst wird.
Da der Siegeszug der Online-Medien schon seit längerer Zeit absehbar ist, sind die Anbieter
von Tageszeitungen und Publikumszeitschriften dazu übergegangen, neben ihrem Printmedi-
um auch ein aktuelles Online-Angebot vorzuhalten. In diesem Zusammenhang wird auch von
einem Kannibalisierungseffekt gesprochen, der die Substitutionsbeziehung zwischen ver-
schiedenen Angeboten eines Unternehmens der Medienbranche charakterisiert. Hauptvorteile
der Internet-Werbung sind die guten Individualisierungsmöglichkeiten und die exakte Er-
folgskontrolle in Form von Klickraten. Hinzu kommt, dass der Internet-Nutzer die Möglich-
keit zur direkten Interaktion mit dem stellensuchenden Unternehmen wahrnehmen kann [vgl.
LIPPOLD 2012, S. 212 f.].
Das Aktionsfeld Kommunikation dient als Weichenstellung für den Entscheidungsprozess des
Bewerbers und ist das vierte Aktionsfeld im Rahmen des Personalbeschaffungsprozesses. Ziel
448 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
der Kommunikation ist der Einstellungswunsch des Bewerbers und der Aufbau eines Vertrau-
ensverhältnisses. Bei der Kommunikation geht es somit um die Optimierung des Bewerber-
vertrauens:
Bewerbervertrauen = f (Kommunikation)→ optimieren!
Während die Signalisierungsinstrumente nur in eine Richtung wirken, betonen die Kommuni-
kationsinstrumente den Dialog. Es geht im Aktionsfeld Kommunikation also um den persön-
lichen Kontakt des Unternehmens mit dem Bewerber.
5.2.4.1 Kommunikationsmaßnahmen
Für die (persönliche) Kommunikation gibt es – ebenso wie für die (unpersönliche) Signali-
sierung – ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Es reicht über das Angebot von Praktika und
Werkstudententätigkeiten über Seminare und Vorträge an Hochschulen bis zur Durchführung
von Sommerakademien und Career Camps. Insgesamt werden diese Kommunikationsmaß-
nahmen dem Hochschulmarketing, das für Unternehmensberatungen eine zentrale Rolle
spielt, zugerechnet.
Eine Bestandsaufnahme des Hochschulmarketings macht deutlich, dass bei der Auswahl und
Entwicklung von Kommunikationsmaßnahmen der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind.
Oft reichen im Wettbewerb um den geeigneten Bewerber die klassischen Wege der Bewer-
beransprache nicht mehr aus. Entscheidend aber ist in jedem Fall, dass ein glaubwürdiger
Dialog im Vordergrund jeglicher Kommunikation steht. Nur über Glaubwürdigkeit lässt sich
das notwendige Vertrauen beim Bewerber aufbauen [vgl. LIPPOLD 2011, S. 63].
Kommunikations-
maßnahmen
Nach der Form der Kommunikation mit den Bewerbern sind folgende Maßnahmengruppen
zu unterscheiden [vgl. LIPPOLD 2010, S. 14]:
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 449
weise Wochenendworkshops, Sommerakademien oder Career Camps für High Potentials zum
Thema Consulting an (siehe Insert 5-11).
Insert
Zur Rekrutierung leistungsfähiger Young Profes- konkrete Problemstellungen aus der Praxis und
sionals, die bereits über eine gewisse praktische werden dabei von erfahrenen Mitarbeitern des
Erfahrung verfügen, haben sich in der Consulting- Unternehmens betreut und bewertet. Auf diese
branche Sommerakademien und Career Camps Weise verschaffen sich die Teilnehmer erste
etabliert. Die Teilnehmer bearbeiten im Team Einblicke in ein für sie neues Unternehmensumfeld.
Eine viel genutzte Möglichkeit der ersten Kontaktaufnahme mit potentiellen Hochschulabsol-
venten stellen Hochschulmessen dar. Durch die Präsenz vor Ort kann sich das Unternehmen
als zukünftiger Arbeitgeber präsentieren und so eine effiziente zielgruppengerechte Anspra-
che ermöglichen. Der Messeauftritt hat demzufolge sowohl eine Image- als auch eine Rekru-
tierungsfunktion. Insert 5-12 zeigt den Auftritt von STERIA MUMMERT Consulting auf der
Firmenkontaktmesse KISS ME an der LEIBNIZ Universität Hannover.
Neben den hochschuleigenen Messen haben sich kommerzielle Messen mit teilweise über
100 Ausstellern durchgesetzt. Hierbei treffen Unternehmen mit eigenen Recruitingständen auf
sehr viele Interessenten. Durch die hohe Präsenz der Zielgruppe erhoffen sich jene Arbeitge-
ber bessere Erfolgschancen, die jährlich größere Kontingente von Hochschulabsolventen ein-
stellen.
452 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Insert
Zu den typischen Formen der Hochschulmessen scheiden. Anhand bestimmter Kriterien wie Besu-
zählen Firmenkontaktveranstaltungen, die zumeist cherzahl, Besucherqualität, anwesende Konkurrenz-
von Studentenorganisationen (z. B. AIESEC) auf dem unternehmen und der Möglichkeit zur Selbstdar-
Campus selbst organisiert werden. Darüber hinaus stellung obliegt es dem Unternehmen, die geeigneten
haben sich verschiedene Arten von Hochschulmes- Messen auszuwählen. Das obige Beispiel zeigt den
sen etabliert, die sich vor allem durch den Durch- Messeauftritt von STERIA MUMMERT Consulting auf
führungsort, den Einsatz von Auswahlverfahren, die der KISS ME, der größten, ehrenamtlichen Firmen-
Anzahl und Qualifikation der Besucher sowie die kontaktmesse an der LEIBNIZ Universität Hannover.
Anzahl der teilnehmenden Unternehmen unter-
Eine weitere Möglichkeit zur direkten, kollektiven Kontaktaufnahme mit potentiellen Bewer-
bern sind themenbezogene Gastvorträge, zu denen Unternehmensberater während der Vorle-
sungszeiten gerne eingeladen werden. Die Verbindung von Praxis und Lehre sowie die Mög-
lichkeit, das Beratungsunternehmen mit seiner Leistungsfähigkeit zu präsentieren, kommen
beiden Seiten zugute.
Eine besonders effektive Möglichkeit, Theorie und Praxis zu „verlinken“ und damit lebens-
nahe Wissenschaft zu ermöglichen, ist die Übernahme von Lehraufträgen durch Unterneh-
mensberater. Besonders leistungsstarke Studierende können im Rahmen der Vorle-
sung/Übung frühzeitig identifiziert und angesprochen werden. Bei dieser Kommunikations-
maßnahme steht neben dem Wissenstransfer und der allgemeinen Imagefunktion besonders
die Recruitingfunktion im Vordergrund.
Die Ausschreibung von Förderpreisen zielt ebenfalls darauf ab, leistungsfähige Studierende
zu identifizieren. Die Auszeichnungen erfolgen zumeist durch eine finanzielle Prämierung
oder durch die Vergabe von attraktiven Praktikumsplätzen.
Eine Möglichkeit zur praxisbezogenen Themenbearbeitung stellen Unternehmensplanspiele
dar. Anhand einer konkreten Fragestellung wird versucht, innerhalb eines bestimmten Zeit-
raumes eine Lösung auszuarbeiten. Planspiele können entweder in der Hochschule, im Unter-
nehmen oder via Internet durchgeführt werden.
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 453
Betriebsbesichtigungen haben zum Ziel, Besucher mit dem Unternehmen bekannt zu ma-
chen. Durch die Kombination von Fachvorträgen, Diskussionen und Betriebsbegehungen
wird versucht, ein positives Arbeitgeberimage zu verankern.
(4) Internet-Kommunikation
Die Nutzung des Internets in der Personalbeschaffung beschränkt sich nicht nur auf den Be-
werbungseingang und die Bewerbungsabwicklung sowie auf die Veröffentlichung von Stel-
lenanzeigen auf der unternehmenseigenen Homepage oder in Jobbörsen (siehe E-Recruiting,
5.3.3.1). Seitdem Foren, Blogs und Social Networks bestehen, haben sich sowohl für Unter-
nehmen, als auch für Bewerber neue Potenziale eröffnet, wenn es um die Suche nach Infor-
mationen über die jeweils andere Seite geht.
454 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Die Kommunikation verlagert sich also zunehmend vom privaten in den öffentlichen Raum.
Zusammengefasst wird diese Entwicklung unter dem Schlagwort Web 2.0, dessen spezifische
Anwendungsformen (Applikationen) für das Personalmarketing mehr und mehr an Bedeutung
gewinnen.
x Podcasts sind selbstproduzierte Audioaufnahmen, die auf dem Computer direkt gehört
oder auf ein tragbares Gerät (z.B. APPLE iPod) überspielt werden können.
x RSS Feed (Kurzbezeichnung für Really Simple Syndication) ist eine Abonnement-
funktion, die neue Inhalte aus ausgewählten Blogs, Podcasts und anderen Informations-
quellen direkt in den Browser oder an das E-Mail-Programm des Nutzers sendet.
Im Mittelpunkt dieser Aufzählung stehen die Beziehungsnetzwerke, die aufgrund ihrer be-
sonderen Bedeutung für das Personalmarketing im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.
Letztlich sind es drei Zielgruppen, die das Personalmarketing in Verbindung mit der Nutzung
von sozialen Netzwerken berücksichtigen muss: die Bewerber, das Unternehmen in seiner
Gesamtheit sowie die eigenen Mitarbeiter.
(1) Nutzung von Social Media-Kanälen durch Bewerber
Eine Eingrenzung der Netzwerk-User auf die für das Personalmarketing relevanten Bewer-
berzielgruppen zeigt deutliche Unterschiede beim Nutzungsgrad der Social Media-Kanäle.
Insert 5-13 liefert eine Übersicht über die unterschiedlichen Nutzungsgrade nach Bewerber-
gruppen. So liegen bei den Bewerbergruppen mit weniger als drei Jahren Berufserfahrung
FACEBOOK und die VZ-Netzwerke in der Beliebtheitsskala deutlich vorn, während bei den
Bewerbern mit mehr als drei Jahren Berufserfahrung das Netzwerk XING am beliebtesten ist.
Generell lässt sich sagen, dass sich die Bewerber/Kandidaten bei der beruflichen Nutzung
noch in der Findungsphase befinden. Einerseits wollen sie Unternehmen ungern Einblicke in
ihre private Sphäre geben, andererseits lieben sie die persönliche Ansprache [vgl. PETRY/
SCHRECKENBACH 2010].
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 455
Insert
90%
81%
80% 76% 77%
bis 3 Jahre Berufserfahrung
70% 67%
über 3 Jahre Berufserfahrung
60% 54%
50% 46%
40% 35%
30% 30% 30% 29%
30% 24%
18%
20%
13%
9% 8%
10%
0%
Mehrfachnennungen
Quelle: TALENTIAL 2010, S. 16
Die Nutzungsgrade der beiden untersuchten Bewer- spielt in dieser Bewerbergruppe eine untergeordnete
bergruppen zeigen ein sehr unterschiedliches Bild. Rolle. Ganz im Gegenteil dazu das Nutzungsver-
Bei der Bewerbergruppe bis drei Jahre Berufser- halten der Bewerbergruppe mit mehr als drei Jahren
fahrung, die sich hauptsächlich aus Hochschul- Berufserfahrung: Hier liegt XING deutlich an erster
absolventen zusammensetzt, dominiert FACEBOOK Stelle, gefolgt von FACEBOOK und YOUTUBE.
vor den VZ-Netzwerk. Das soziale Netzwerk XING
Insert
Die untere Zeile der Einstiegsseite (oben) von auf die Möglichkeit hin, Podcasts oder Newsletter
ACCENTURE weist auf die Beteiligung an diversen zu erhalten. Der untere Teil zeigt die FACEBOOK-
sozialen Netzwerken (z. B. FACEBOOK, XING), Seite von ACCENTURE.
Arbeitgeberbewertungsportalen (KUNUNU) sowie
Insert 5-15 zeigt, inwieweit die deutschen Top-1.000-Unternehmen, die an der Studie
RECRUITING TRENDS 2010 teilgenommen haben, derartige Web 2.0-Netzwerkplattformen und
Suchmaschinen nutzen und wie sie deren Bedeutung einschätzen.
5.2 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung 457
Insert
Xing 30%
28%
Google 22%
20%
LinkedIn 12%
13%
Häufigkeit der Nutzung
StudiVz/MeinVz 8%
4% Bedeutung der gefundenen
Information
Facebook 5%
6%
Blogs 4%
5%
Drei von zehn der befragten Top-1.000-Unterneh- denen Informationen, so ergibt sich ein ähnliches
men nutzen die karriereorientierte Netzwerkplattform Bild: 27,6 Prozent der befragten Top-1.000-Unter-
XING häufig zur Informationssuche über Kandidaten. nehmen sind der Meinung, dass die mittels XING
Es folgen die Suchmaschine GOOGLE, die von 22,2 gefundenen Informationen über Kandidaten eine
Prozent oft genutzt werden und das berufsorientierte große Relevanz besitzen. Für etwas mehr als zwei
Netzwerk LINKEDIN mit 12,4 Prozent. Deutlich weni- von zehn Unternehmen sind die über GOOGLE
ger der antwortenden Unternehmen bestätigen eine erhaltenen Informationen wichtig. Deutlich geringer
häufige Suche in Blogs und den freizeitorientierten wird die Bedeutung von Informationen beurteilt,
Netzwerken STUDIVZ/MEINVZ und FACEBOOK. wenn sie aus freizeitorientierten Plattformen oder
Betrachtet man die Bedeutung der in den genannten aus Blogs stammen.
Web 2.0-Applikationen und Suchmaschinen gefun-
wichtig die Nutzung neuer Medien ist, um die interne Zusammenarbeit und die Verbindung
der Mitarbeiter mit ihrer eigenen Organisation (engl. Connectivity) zu verbessern.
Zukünftig werden also immer mehr Mitarbeiter freiwillig oder unfreiwillig zu Botschaftern
ihres Unternehmens bzw. der Unternehmensmarke. Auf diese (weitgehend unkontrollierba-
ren) Kommunikationswege müssen sich Arbeitgeber einstellen und vorbereiten. Employer
Branding wächst also auch „von innen heraus“.
Es ist also zu kurz gesprungen, wenn sich Unternehmensberatungen ausschließlich bei der
Zielgruppe der potentiellen Bewerber positionieren. Auch andere Zielgruppen wie Mitarbei-
ter, Analysten, Kunden, Journalisten, Lieferanten, Alumni und sonstige Interessierte (also die
Stakeholder eines Unternehmens) sind daran interessiert, wie sich das Unternehmen als Ar-
beitgeber präsentiert oder sich sozial engagiert. Hier müssen also PR-Arbeit und HR-Arbeit
Hand in Hand gehen, auch (oder gerade!) wenn ein Arbeitgeber schon längst keine vollstän-
dige Kontrolle mehr darüber hat, was über ihn veröffentlicht wird [vgl. JÄGER 2008, S. 64 f.].
5.3 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz 459
5.3.1 Personalauswahlprozess
Im Anschluss daran erfolgt eine Bewerbungsanalyse (Bewerberscreening) mit dem Ziel, den
bzw. die besten Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch, das ggf. mit einem Eignungstest
oder Assessment Center kombiniert wird, einzuladen. Zielsetzung des Vorstellungsgesprächs
ist es, die Könnens- und Wollenskomponenten des Bewerbers im Hinblick auf das Jobangebot
zu betrachten.
460 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Gezielte
Bewerbungsanalyse
Bewerbung (Screening) Zusage
Anforderungsprofil : Qualifikationsprofil
Abgleich (Scan)
Per Internet
oder Bewer- Einladung
bungs- Absage
per Brief zum
pool Gespräch
• Einscannen
• oder Retour Absage
Ggf. mehrere
Bewer- Bewerbungsgespräche,
Initiativ- Empfeh- Tests oder
bewer- lungsbe-
bungs- Assessment Center
bung werbung gespräch
Personalabteilung
Personalabteilung Personalabteilung
Fachabteilung
Das Interview dient darüber hinaus der Klärung von Details aus dem Lebenslauf. Letztlich
soll im Einstellungsinterview festgestellt werden, ob der Bewerber auch tatsächlich zum Un-
ternehmen passt, wobei emotionale Komponenten, aber auch rein äußerliche Merkmale
durchaus eine Rolle spielen. Das Einstellungsinterview soll auch die Bewerber über das Un-
ternehmen selbst, über die Anforderungen des Jobs und die Einsatzgebiete informieren.
Ist die endgültige Personalauswahlentscheidung (nach einem finalen Abgleich des Anforde-
rungsprofils mit dem Eignungsprofil des Bewerbers) getroffen, folgen Zusage und Vertrags-
unterzeichnung. Insert 5-16 zeigt beispielhaft konkrete Zahlen beim Bewerbungs- und Ausle-
seprozess bei CAPGEMINI.
Im Wesentlichen sind es drei Ausleseschwerpunkte, die die Grundlage für die Entscheidung
bei der Auswahl externer Bewerber bilden [vgl. JUNG 2006, S. 154]:
x die detaillierte Prüfung der Bewerbungsunterlagen,
x die Durchführung von Bewerbungsgesprächen sowie ggf.
x die Durchführung von Einstellungstests.
5.3.2.1 Bewerbungsunterlagen
Zwar wird kaum eine Unternehmensberatung einen Bewerber ausschließlich aufgrund seiner
Bewerbungsunterlagen einstellen, dennoch sind Bewerbungsunterlagen – unabhängig davon,
ob sie schriftlich oder via Internet eingereicht werden – der Türöffner für das Vorstellungsge-
spräch.
Die formalen Bewerbungsunterlagen umfassen üblicherweise folgende Dokumente:
5.3 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz 461
x Bewerbungsanschreiben
x Bewerbungsfoto (nur im deutschsprachigen Raum)
x Lebenslauf (i. d. R. tabellarisch)
x Schul- und Ausbildungszeugnisse
x Arbeitszeugnisse
x Leistungsnachweise (Zertifikate)
Weitere Dokumente wie Personalfragebogen, Referenzen oder Arbeitsproben sind nicht im-
mer erforderlich. Das Bewerbungsschreiben, der Lebenslauf sowie beigefügte Arbeitszeug-
nisse haben dabei die größte Aussagekraft.
Insert
Beispiele für eine Bewerberpipeline
Consulting
1,6%
9%
33%
54%
ca. 12.000
ca. 1.100 Kandidaten 370 200
Bewerbungen
Technology
4,3%
15%
48%
53%
10.555
Bewerbungen 1.561 Kandidaten 755 400
Wie eine Auswertung der Bewerber-Pipeline von gen zeigt das Praxisbeispiel aber auch, dass die
CAPGEMINI aus dem Jahre 2007 für die Bereiche Chancen nach einem Vorstellungsgespräch deutlich
Consulting und Technology beispielhaft zeigt, wird zunehmen, einen Arbeitsvertrag zu erhalten (33
nur ein Bruchteil (9 bzw. 15 Prozent der eingegan- bzw. 48 Prozent). Insgesamt – so das Praxisbeispiel
genen Bewerbungen für ausreichend qualifiziert – kommt auf 60 Bewerbungen im Consulting nur ein
erachtet, um eine anschließende Einladung zu Arbeitsvertrag. Im Technology-Bereich ist jede 26.
einem Vorstellungsgespräch zu bekommen. Dage- Bewerbung erfolgreich.
Das Anschreiben sollte die Motivation bzw. Beweggründe der Bewerbung nachvollziehbar
widergeben. Mit der Analyse des Lebenslaufs sollen Informationen über die bisherigen Tä-
tigkeitsfelder des Bewerbers und dem damit verbundenen Erfolg eingeholt werden. Schul-
und Ausbildungszeugnisse sind – neben Auslandspraktika und Sprachkenntnissen – ein
wichtiges Selektionskriterium. Arbeitszeugnisse können Hinweise auf das Arbeitsverhalten
des Bewerbers geben und bestimmte Schlüsse auf die Eigenschaften des Bewerbers zulassen.
Das Screening, d. h. die strukturierte Analyse der Bewerbungsunterlagen liefert erste An-
haltspunkte über die fachliche und persönliche Eignung des Bewerbers. Dieser Profilabgleich
wird heutzutage zumeist anhand von Online-Formularen durchgeführt (Online-Profil-
abgleich). Einem sorgfältig durchgeführten Screening der Bewerbungsunterlagen kommt auch
deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil hier regelmäßig das größte Einsparungspotenzial
im Zuge des im Allgemeinen sehr zeit- und kostenaufwendigen Personalauswahlprozesses zu
finden ist. Daher verwundert es leider kaum, dass besonders die leicht quantifizierbaren Aus-
wahlkriterien wie Schul- und Examensnoten die dominierende Rolle beim Screening spielen
und somit – gerade in der Unternehmensberatung – immer nur sehr gute Noten als „Eintritts-
karte“ zum Vorstellungsgespräch dienen. Dies hat allerdings den Nachteil, dass „weiche“ Kri-
terien wie Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Motivation und Kreativität, die (erst) im
Rahmen des Vorstellungsgesprächs eine Hauptrolle spielen und letztlich die entscheidenden
Kriterien für einen „guten“ Kandidaten sind, in der Vorauswahl zwangsläufig unter den Tisch
fallen.
Überhaupt ist im Beratungsbereich der „Tunnelblick“ vieler Personalreferenten auf die Noten
vielfach weder gerechtfertigt noch zielführend für das personalsuchende Unternehmen. Natür-
lich sind (Abschluss-) Noten nicht unwichtig, sie aber als einziges Zulassungskriterium zum
persönlichen Vorstellungsgespräch zu missbrauchen, ist häufig kurzsichtig und wenig dien-
lich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche
Bestleistungen, ein selbstfinanziertes Studium, ein Engagement als Schul- oder Studierenden-
sprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechte-
ren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetra-
gen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten
mit der „Eins vor dem Komma“. Persönlichkeit kann man nicht lernen, Sprachen oder Ma-
thematik sehr wohl.
Es ist sicherlich legitim, dass jedes Unternehmen und ganz besonders jede Unternehmensbe-
ratung nur die Besten, also die sogenannten High Potentials einstellen möchte. Doch wer sind
die Besten? Und vor allem: Wer sind die Besten für das jeweilige Unternehmen? Und schließ-
lich: Wozu braucht man High Potentials? Eine distanzierte und durchaus kritische Einstellung
gegenüber den High Potentials zeigt HEINRICH WOTTAWA, der diese Zielgruppe mit den Con-
dottieri, den italienischen Söldnerführern des späten Mittelalters, vergleicht (siehe Insert 5-
17).
5.3.2.2 Bewerbungsgespräch
Ziele verfolgt: Das Unternehmen wird versuchen, die Einstellungen, Zielvorstellungen und
Werte des Bewerbers kennenzulernen und ggf. offengebliebenen Fragen aus den Bewerbungs-
unterlagen nachzugehen.
Insert
High Potentials – Die Condottieri unserer Zeit
von Hermann Wottawa
Hier geht es vor allem darum, über die offensichtlichen Eigenschaften des bzw. der Kandida-
ten wie Ausbildung, Noten, Erfahrung und Wissen hinaus möglichst tief in jene Eigenschaften
einzutauchen, die das Unternehmen erst später zu spüren bekommt. Dies sind u.a. so wichtige
Eigenschaften wie Interessen, Talente, Werte, Gewissenhaftigkeit, Teamorientierung, Intelli-
genz, Motivation, Loyalität und Lernfähigkeit.
Das Einstellungsgespräch ist mit einem Eisberg zu vergleichen: Bestimmte Eigenschaften des
Kandidaten sind offensichtlich, die Mehrzahl der Eigenschaften liegt aber unter der Oberflä-
che (siehe Abbildung 5-14). Die Aussagefähigkeit von Interviews lässt sich durch Steigerung
des Strukturierungsgrades sowie durch die Schulung und den Einsatz mehrerer Interviewer
erhöhen. Auch ist es durchaus üblich, mehrere Interviews mit unterschiedlichen Gesprächs-
partnern (auch an verschiedenen Tagen und Orten) durchzuführen. Selbst bei Einstiegspositi-
onen für Hochschulabsolventen sind durchschnittlich drei Bewerbungsgespräche üblich.
Erfahrung
Was das
Unternehmen Wissen
zu sehen Noten
bekommt Ausbildung
Interessen
Talente
Was das
Werte
Unternehmen
Gewissenhaftigkeit zu spüren
Teamfähigkeit bekommt
Intelligenz Motivation
Integrität/Loyalität
Lernfähigkeit
x „Wie hoch ist Ihre Bereitschaft, einen Teil Ihres Einkommens als variablen Teil zu ak-
zeptieren?“
x „Welche Hobbys betreiben Sie?“
Ebenso wird der Bewerber im Vorstellungsgespräch versuchen, sich ein genaues Bild über
das Unternehmen, die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsplatzgestaltung sowie über die Ent-
wicklungsmöglichkeiten zu machen. Da der besonders qualifizierte Bewerber zumeist die
Wahl zwischen Angeboten mehrerer Unternehmen hat, erwartet er konkrete und glaubwürdi-
ge Antworten auf seine Fragen [vgl. JUNG 2006, S. 168].
Während bei der Analyse der Bewerbungsunterlagen also generell mehr „harte“ (also quanti-
tative) Auswahlkriterien im Vordergrund stehen, sind es beim Bewerbungsgespräch überwie-
gend „weiche“ (also qualitative) Faktoren. Dies belegt auch eine Umfrage des Research-
unternehmens CRF INSTITUTE bei den Top-Arbeitgebern Deutschlands (siehe Insert 5-18).
Insert
Wichtige Einstellungskriterien beim Bewerbungsgespräch
Persönlichkeit 88%
Kommunikationsfähigkeit 73%
Sprachkenntnisse 27%
Auslandserfahrung/-aufenthalt 16%
Kreativität 14%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Die Darstellung zeigt die wichtigsten Einstellungs- sichtigen, dass es sich bei den Kandidaten um
kriterien, die Personaler beim Bewerbungsgespräch Bewerber handelt, die bereits die erste Stufe der
anlegen. Dabei überrascht es kaum, dass der kom- Selektion, nämlich das Screening erfolgreich
plexe Begriff der „Persönlichkeit“ das wichtigste Ein- bestanden haben. Bei einem solchen Screening
stellungskriterium darstellt. Es überrascht auf dem werden deutlich mehr „harte“ als „weiche“ Kriterien
ersten Blick aber sehr wohl, dass die Schul- und für die (Vor-)Auswahl herangezogen, wobei die
Abschlussnoten eine derart geringe Bedeutung Schul- und Abschlussnoten nach wie vor die „här-
beigemessen wird. Hierbei ist allerdings zu berück- testen“ Selektionskriterien darstellen.
Einige sehr radikale, aber durchaus ernst zu nehmende Empfehlung für den Personalauswahl-
auswahlprozess speziell von Führungs- und Führungsnachwuchskräften sind in Insert 2-24
(etwas verkürzt) wiedergegeben. Der Autor dieser Empfehlungen ist Partner und Geschäfts-
führer bei dem internationalen Beratungsunternehmen ACCENTURE.
466 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Insert
Radikalkur in der Personalauswahl
Von Thorsten Schumacher
Ein Schlagwort hat Geschichte gemacht: „War for talents“ ist ein Begriff, der zugleich Entschlos-
senheit, martialische Nachdrücklichkeit und Siegeswillen ausstrahlt. Doch ein realistischer Blick in
den Alltag des Personalgeschäfts lässt einen häufig erschaudern. Die Personalauswahl befindet sich
– so die Auffassung des Autors – in zu vielen Unternehmen in einem schlechten Zustand. Die fol-
genden sieben Empfehlungen stellen die Praxis der Personalauswahl auf den Kopf. Wer sie
beherzigt, wird nach Meinung des Autors eine weitgehend unentdeckte Quelle für Leistungs- und
Wettbewerbsfähigkeit in der Personalbeschaffung erschließen.
1. Empfehlung: Glaubwürdigkeit statt Übertreibung Praxis lautet die Leitfrage: „Was fällt Ihnen leicht?“
Fragt man die Personalrecruiter nach den Eigen- Die wesentliche Gestaltungsaufgabe besteht darin,
schaften, die eine Führungskraft auf sich vereinigen vorhandene Aufgaben mit individuellen Stärken
sollte, so hören sich die Antworten regelmäßig wie weitgehend zur Deckung zu bringen.
das „Einmaleins zum Universalgenie“ an, zum 4. Empfehlung: Kanten statt Rundungen
Beispiel: unternehmerisch denken, teamorientiert, Statt Leute mit ausgeprägten Stärken für Führungs-
emphatisch, sensibel, durchsetzungsstark, entschei- aufgaben einzusetzen, werden die Kandidaten mit
dungsfreudig, visionär, kommunikativ, begeiste- den geringsten Schwächen ausgewählt. So sind die
rungsfähig, begeisternd, sozial ausgerichtet, multi- Unternehmen voller „abgerundeten Persönlichkeiten“
kulturell. Die in den Personalabteilungen vorherr- – dermaßen abgerundet, dass keine Idee und kein
schende Meinung, dass Top-Leute eine Mischung wirksamer Vorschlag an einer Kante hängenbleiben.
aus Nobelpreisträger für Mathematik, Oberstleutnant Mittelmäßigkeit ist programmiert. Entscheiden Sie
und Show-Master sein müssten, ist allerdings nicht sich auch und gerade in der Personalauswahl für
nur auf Führungskräfte beschränkt, sondern auch Vielfalt statt Konformität.
bei Hochschulabsolventen liegt die Latte für den
Wunschkandidaten ziemlich hoch: 25 Jahre, hat in 5. Empfehlung: Performance statt Potentiale
zwei Ländern studiert, diverse Praktika absolviert, Potentiale, die bei der Besetzung von Führungs-auf-
spricht natürlich verhandlungssicheres Englisch (99 gaben eifrig aufgespürt werden, sind zunächst nur
Prozent der Absolventen haben noch nie eine vage Erwartungen; Hoffnungen auf Leistungen, die
Verhandlung in englischer Sprache führen können), der Kandidat später einmal erbringen könnte. Oder
ist in verschiedenen Institutionen sozial, kulturell auch nicht. Woraus aber wird das abgeleitet? Kon-
oder sonst wie engagiert und hat natürlich eine zentrieren Sie sich bei der Auswahl für Führungs-
erste zwei- bis dreijährige berufliche Praxis erfolg- aufgaben auf die tatsächlichen Leistungen, die der
reich hinter sich gebracht. Drehen wir mal den Spieß Kandidat bisher erbracht hat, und überlassen Sie die
herum. Für mich scheinen diejenigen Unternehmen Potentialeinschätzung Ihren Wettbewerbern. Achten
glaubwürdig, die diese Immer-schneller-höher-wei- Sie dabei auf die (maximal zwei Prozent) Bewerber,
ter-Spirale nicht mitmachen und ambitionierte, aber die einen Lebenslauf schreiben, der Ergebnisse und
eben auch realistische Erwartungen formulieren. nicht Positionen in den Mittelpunkt stellen. Dies sind
2. Empfehlung: Assignments statt Stellen die besonders wirksamen Führungskräfte.
Die Personalauswahl wird in der Praxis auf Basis 6. Empfehlung: Einstellungen statt Sachkenntnisse
einer falschen Fragestellung durchgeführt. Diese Immer noch werden in der Mehrzahl der Auswahl-
lautet: Welcher Kandidat passt am besten zu der verfahren die falschen Fragen gestellt. Gefragt wird
offenen Stelle und der dazugehörigen Stellenbe- nach den fachlichen Fähigkeiten des Bewerbers.
schreibung? Ich habe in meiner Arbeit kaum etwas Seine Sachkompetenz, die inhaltliche Überzeugung
finden können, das so überflüssig und nichtssagend stehen im Mittelpunkt. Darauf kommt es jedoch
ist wie Stellenbeschreibungen. Schon der Begriff ist primär nicht an. Wichtiger als Sachkenntnisse sind
vielsagend: eine Stelle steht, ist unbeweglich, starr Einstellungen, Sensibilitäten, Verhaltensmuster und
und statisch. Entsprechend sind auch die Stellenbe- Prägungen, Grundannahmen und innere Einstellun-
schreibungen statisch und zudem unverständlich. gen, insbesondere zur Selbstverantwortung.
Statt dessen empfehle ich, den Blick auf Assign- Hierdurch entscheidet sich, ob die Führungskraft
ments zu lenken. Also: welche spezifische Aufgabe einen substantiellen Beitrag zur Weiterentwicklung
stellt sich für den nächsten überschaubaren Zeitho- des Unternehmens liefern wird.
rizont und welche Ergebnisse sind zu erwarten? 7. Empfehlung: Professionelle Auswahl statt Re-
3. Empfehlung: An Stärken orientieren paraturzirkus Personalentwicklung
Wenn die Mitarbeiter ihre individuellen Stärken nicht Schichten Sie Geld und Zeit um von der Personal-
zur Geltung bringen können, hat dies vier fatale entwicklung hin zur Personalauswahl. Investieren
Folgen: die Stärken werden relativ schwächer, die Sie mehr Zeit und Geld in die Auswahl Ihres
Motivation geht in den Keller, Zynismus droht um wichtigsten Assets. Je erfolgreicher eine Organi-
sich zu greifen, und schließlich verlassen die besten sation bei der Personalauswahl ist, desto weniger
Leute das Unternehmen. Die hiermit einhergehen- Zeit, Energie und Geld ist für spätere, oft mühsame
den Kosten sind „verdeckt“; ihre Größenordnung Maßnahmen für Personalentwicklung, Trainings,
wird in den meisten Fällen unterschätzt oder gar Anpassungsmaßnahmen, Umorganisationen oder,
nicht erkannt. Für eine Umkehr der betrieblichen nicht selten, vorzeitigen Trennungen erforderlich.
Mit der Einstellung von neuen Mitarbeitern sind erhebliche Investitionen verbunden. Da die
Ergebnisse des Vorstellungsgesprächs u. U. nicht die notwendige Entscheidungssicherheit
beispielsweise über Fragen der Einordnungsfähigkeit in ein Team oder Fragen der Persönlich-
keitsentwicklung gewährleisten, führen Unternehmensberatungen Testverfahren durch, die
eine bessere Bewerberbeurteilung erlauben sollen.
Ein besonders differenziertes Auswahlverfahren, in dem mehrere eignungsdiagnostische In-
strumente und Techniken bzw. Aufgaben zusammengestellt werden und das vornehmlich bei
Hochschulabsolventen, Nachwuchsführungskräften und Führungspersonal eingesetzt wird, ist
das Assessment Center (kurz auch als AC bezeichnet). Das Assessment Center hat sich (mit
unterschiedlicher Intensität) in nahezu allen größeren Unternehmensberatungen etabliert,
wenn auch teilweise unter alternativen Bezeichnungen wie Personalauswahlverfahren,
Recruiting Center, Bewerbertag, Potenzialanalyse-Tag, Development Center oder Personal
Decision Day. Teilnehmern an einem Assessment Center traut man die fachliche Bewältigung
des neuen Aufgabenbereichs zu. Nun möchte der potenzielle Arbeitgeber erfahren, ob der
Teilnehmer sein Wissen auch anwenden kann und die notwendige soziale Kompetenz für den
neuen Job mitbringt. Darunter fallen vor allem zwischenmenschliche, analytische und admi-
nistrative Fähigkeiten sowie das Leistungsverhalten [vgl. HAGMANN/HAGMANN 2011, S.
9 ff.].
Die Teilnehmer eines Assessment Center müssen zahlreiche Aufgaben und Übungen absol-
vieren und Prüfungen erfolgreich bestehen, damit auch alle notwendigen Qualifikationen ab-
gefragt werden können. Die Teilnehmer werden dabei von mehreren Beobachtern (Verhältnis
2:1) beurteilt bzw. bewertet (engl. to assess). Verhaltensorientierung, Methodenvielfalt, Mehr-
fachbeurteilung und Anforderungsbezogenheit sind Aspekte, die ein Assessment Center zur
aufwendigsten und anspruchsvollsten Form des Gruppengesprächs machen. Eingesetzt wird
das Verfahren auch für die (interne) Personalbeurteilung, Laufbahnplanung, Potenzialbeurtei-
lung und Trainingsbedarfsanalyse. Individuelle Arbeitsproben, Gruppendiskussion mit oder
ohne Rollenvorgabe, Präsentationen, Rollenspiele, Fallstudien, Schätzaufgaben, Postkorb-
übungen, Planspiele, Konstruktionsübungen, Selbst- und Fremdeinschätzung, Interviews so-
wie Fähigkeits- und Leistungstests sind häufig eingesetzte Bausteine im Assessment Center.
Trotz aller Weiterentwicklung und zahlreicher psychologischer Begleitstudien steht das
Assessment Center weiterhin in der Kritik. Dabei werden aber nicht das Auswahlverfahren
und die eingesetzten Bewertungsbausteine an sich kritisiert. Beanstandet wird vielmehr, dass
das Verfahren die in ihm gesetzte Erwartung nicht erfüllt und somit eine Trefferquote und
Sicherheit bei der Auswahl suggeriert, die nicht unbedingt zutreffen muss [vgl. HAG-
MANN/HAGMANN 2011, S. 9].
bung steht. Um diesen externen Anforderungen der Bewerber einerseits und den internen An-
forderungen an die Messung der Prozessqualität andererseits gerecht zu werden, setzen viele
Unternehmen verstärkt IT-gestützte Systeme für das Bewerbermanagement ein.
Auch bei der Karriereförderung lassen sich Unterschiede zwischen Strategie- und IT-
Beratungen ausmachen. Das vorherrschende Karriereprinzip bei MCKINSEY, BOSTON CON-
SULTING und Co. ist das Up-or-Out-Prinzip. Danach soll die nächsthöhere Karrierestufe (engl.
Grade) innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums erreicht werden, ansonsten muss der Berater
das Unternehmen verlassen. Der IT-Berater hingegen orientiert sich eher am Prinzip Grow-
or-Die, d. h. der Mitarbeiter entwickelt sich mit dem Unternehmen weiter und steigt in der
Hierarchie nach oben. Andernfalls bleibt der Berater auf der erreichten Stufe stehen, ohne
dass eine zwangsweise Freisetzung erfolgt [vgl. NISSEN/KINNE 2008, S. 100].
In Abildung 5-15 sind wichtige personalpolitische Merkmale von Strategieberatung und IT-
Beratung gegenübergestellt.
5.3 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz 469
Intensität der
Größenabhängig Größenabhängig
Rekrutierungsinstrumente
Komplexität des
Komplex, aufwändig Einfacher gehalten
Auswahlverfahrens
Überwiegend
Studienfächer Sehr gemischt
BWL und Informatik
5.3.4 Personalintegration
Der Übergang zwischen den Phasen der Personalbeschaffungskette und der Phasen der Perso-
nalbetreuungskette wird durch die Personalintegration gekennzeichnet. Hier treffen Bewerber
und Unternehmen nach einem positiv verlaufenen Auswahlprozess aufeinander, um das ge-
schlossene Arbeitsverhältnis in eine für beide Seiten gedeihliche Zusammenarbeit umzuset-
zen. Die Personalintegration beschreibt die Einarbeitung des Mitarbeiters in die Anforderun-
gen des Unternehmens. Sie ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür, dass der Neueinsteiger
von Beginn an die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt. Gleichzeitig erwartet aber auch der
Mitarbeiter, dass seine im oben skizzierten Auswahl- und Entscheidungsprozess aufgebaute
Erwartungshaltung gefestigt wird. Die Erfahrungen der Integrationsphase entscheiden sehr
häufig über die zukünftige Einstellung (Loyalität) zum Unternehmen und prägen den weiteren
Werdegang als Mitarbeiter. Daher sollte dem Neueinsteiger gerade in der ersten Zeit ein ho-
hes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt werden [vgl. DGFP 2006, S. 80].
Wie Erfahrungen in der Praxis allerdings immer wieder zeigen, lässt sich bei vielen Unter-
nehmen gerade in der Integrationsphase ein großes Verbesserungspotenzial erkennen. Hier
geht es vor allem darum, der besonderen Situation des neuen Mitarbeiters an seinem “ersten
Tag“ gerecht zu werden. Da der neue Mitarbeiter in aller Regel mehrere Optionen bei der
Wahl seines Arbeitgebers hatte, wird er Zweifel hegen, ob er die richtige Entscheidung getrof-
fen hat. Dieses in der Sozialpsychologie als kognitive Dissonanz bezeichnete Phänomen tritt
immer dann verstärkt auf, je wichtiger die Entscheidung, je ähnlicher die Alternativen, je
dringlicher der Entschluss und je niedriger der Informationsstand ist. Somit kommt dem Ar-
beitgeber die Aufgabe zu, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die kognitive Dissonanz
des Mitarbeiters aufzulösen bzw. zu beseitigen. Unzufriedene und enttäuschte Neueinsteiger
neigen dazu, das Unternehmen bereits in der Probezeit zu verlassen und dadurch hohe Fluk-
tuationskosten zu verursachen [vgl. DGFP 2006, S. 80].
470 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Die Vorbereitung und Aushändigung eines Einarbeitungsplans, der Termine mit wichtigen
Gesprächspartnern, bestehende Arbeitsabläufe, Organigramme, Informationen über Standorte
und Abteilungen etc. enthält, sollte für jeden neuen Arbeitgeber obligatorisch sein.
Eine der wirksamsten Maßnahmen ist es, den neuen Mitarbeiter am ersten Tag nicht direkt an
seinen neuen Arbeitsplatz „zu setzen“, sondern ihn im Rahmen eines Einführungsseminars
zusammen mit anderen neuen Mitarbeitern willkommen zu heißen und über die besonderen
Vorzüge des Unternehmens nachhaltig zu informieren. Das speziell für neue Mitarbeiter aus-
gerichtete Einführungsseminar wird von international orientierten Unternehmen sehr häufig
als Onboarding bezeichnet. Ein solches Onboarding kann durchaus mehrere Tage umfassen
und sollte von der Geschäftsleitung und dem Personalmanagement begleitet werden. Es ver-
mittelt Kontakte über die Grenzen der eigenen Abteilung hinaus und fördert ein besseres Ver-
ständnis der Zusammenhänge von Personen und Prozesse im Unternehmen. Die neuen Mitar-
beiter erfahren dadurch eine besondere Anerkennung, werden in ihrer Auswahlentscheidung
bestärkt und für die weitere Arbeitsphase motiviert.
In Abbildung 5-16 sind die einzelnen Phasen und Vorzüge einer motivierenden Einarbeitung
und Einführung neuer Mitarbeiter dargestellt.
Im Anschluss an das Onboarding ist es sinnvoll, dem Neueinsteiger einen Paten (Mentor) an
die Seite zu stellen, der die Einarbeitungszeit systematisch begleitet und bei Fragen und Prob-
lemen entsprechende Hilfestellung leistet. Ein Mentorenprogramm sollte mindestens bis
zum Ablauf der Probezeit befristet sein.
Erkennt das Unternehmen oder der neue Mitarbeiter, dass die Erwartungshaltungen nicht er-
füllt worden sind bzw. der Mitarbeiter nicht für den Job geeignet ist, so ermöglicht die Probe-
zeit eine sinnvolle Vereinfachung des Trennungsverfahrens [vgl. JUNG 2006, S. 183].
Onboarding / Einführungsseminar
Einführung in
Vorbereitung Begrüßung das Unterneh- Einführung in Periodische
auf den neuen des neuen men und in die den Aufgaben- Fortschritts-
Mitarbeiter Mitarbeiters Organisations- bereich kontrolle
struktur
5.3.5 Personaleinsatz
Eine besondere Form der Personalintegration ist der Personaleinsatz (engl. Staffing), der ge-
rade bei Unternehmensberatungen eine wichtige Rolle spielt. Bei dieser Form der Integration,
die auch als Workforce Management bezeichnet wird, geht es nicht um den (Erst-) Einstieg
in das Beratungsunternehmen, sondern um die Integration bzw. den Einsatz des (ggf. neuen)
Mitarbeiters in einem Beratungsprojekt. Aus Unternehmenssicht geht es also letztlich darum,
den richtigen Mitarbeiter mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Ein-
satzort im richtigen Projekt verfügbar zu machen.
Wettbewerbs- Mitarbeiterkriterien
vorteil
Vom Mitarbeiter
• Produkte honorierter
• Leistungen + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung = Wettbewerbs-
• Fähigkeiten vorteil
• Know-how
• Kultur Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Internes
Personalmarketing
Mitarbeiter-
Aktionsfelder bindung
Sicht von
innen Personalbetreuung
© Dialog.Lippold
Die Gestaltung des Vergütungssystems zählt zu den zentralen Herausforderungen des Perso-
nalmanagements. Für eine Unternehmensberatung sollte ein effektives und effizientes Vergü-
tungssystem folgenden Funktionen gerecht werden [vgl. STOCK-HOMBURG 2008, S. 328 f.
und LOCHER 2002, S. 17 ff.]:
Der Wirkungsgrad der hier aufgezeigten Funktionen kann durch eine entsprechende Zusam-
mensetzung und Ausgestaltung der Komponenten des Vergütungssystems beeinflusst werden.
Die Gesamtvergütung (engl. Total Compensation) eines Mitarbeiters setzt sich aus folgenden
grundlegenden Komponenten zusammen:
x Fixe Vergütung,
x Variable Vergütung und
x Zusatzleistungen.
Eine Systematisierung dieser Komponenten liefert Abbildung 5-18. Für das Personalmana-
gement in der Unternehmensberatung ist es nun wichtig zu erkennen, welche dieser Kompo-
nenten besondere Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber anderen Arbeitgebern bieten.
474 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Besonders bei den Zusatzleistungen lassen sich „Goodies“ entwickeln, die sich teilweise als
„Zünglein an der Waage“ für die Gewinnung und Bindung von hochmotivierten und leis-
tungsstarken Mitarbeitern herausstellen können.
Consulting 86%
Vertrieb 77%
Buchhaltung/Controlling 69%
EDV/IT 68%
Personal/HR 66%
Einkauf 65%
Fertigung/Produktion/Logistik 60%
Marketing/Werbung/Marktforschung 60%
Technik 58%
PR/Kommunikation 45%
Konstruktion/Design 42%
Abb. 5-19: Anteil der Führungskräfte mit variablen Gehaltsanteilen nach Funktionsberei-
chen
[Quelle: MM-Gehaltsreport, Online-Umfrage im Juli/August 2009]
Die variable Vergütung von Führungskräften und Mitarbeitern zählt aber nach wie vor zu den
intensiv diskutierten Bereichen der Personalvergütung. Eine Reduktion der fixen Personalkos-
ten sowie eine erhöhte Attraktivität für leistungsstarke, ziel- und risikoorientierte Mitarbeiter
und Führungskräfte sind sicherlich die Vorteile der variablen Vergütung. Demgegenüber ste-
hen ein höheres finanzielles Risiko bei persönlichen Leistungsausfällen oder Verfehlen von
Unternehmenszielen sowie die Gefahr eines lethargischen Mitarbeiter- und Führungsverhal-
tens, wenn frühzeitig erkannt wird, dass die persönlichen oder Unternehmensziele nicht
(mehr) erreicht werden können [vgl. STOCK-HOMBURG 2008, S. 335].
(3) Zusatzleistungen
Diese dritte Komponente der Personalvergütung lässt sich in Sozialleistungen und sonstige
Leistungen unterteilen.
Zu den gesetzlichen Sozialleistungen, die vom Gesetzgeber unter dem Sammelbegriff der
Sozialversicherung zusammengefasst werden, zählen die Unfall-, Kranken-, Pflege-, Arbeits-
losen- und Rentenversicherung. Während die Beiträge zur Unfallversicherung allein vom Ar-
beitgeber getragen werden, wird die Finanzierung der übrigen Sozialversicherungen jeweils
zur Hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernommen.
Tarifliche Sozialleistungen verpflichten Unternehmen zu bestimmten Zahlungen, die in Ta-
rifverträgen geregelt sind. Darüber hinaus gewähren manche Unternehmensberatungen be-
stimmte freiwillige Sozialleistungen (z. B. Zuschüsse für die Altersvorsorge, Ausbildungszu-
schüsse, Jubiläumsgelder, Umzugsgeld).
476 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Unter den sonstigen Zusatzleistungen wird in jüngerer Zeit das Sabbatical besonders disku-
tiert. Hierbei handelt es sich um eine mehrmonatige, teilweise sogar über ein Jahr hinausge-
hende Unterbrechung der Berufstätigkeit. Da immer mehr Unternehmen ihren Führungskräf-
ten (bis hin zu Vorständen) längere Auszeiten anbieten, gewähren zunehmend auch Unter-
nehmensberatungen ihren Leistungsträgern eine berufliche Auszeit. Unter dem speziellen
Aspekt der Work-Life-Balance kann das Sabbatical somit zu einem strukturellen Bestandteil
einer aktiven und vorausschauenden Personalpolitik werden.
Im Zusammenhang mit den freiwilligen Sozialleistungen hat sich mit dem Cafeteria-System
ein Konzept etabliert, das dem einzelnen Berater innerhalb eines vom Arbeitgeber vorgegebe-
nen Budgets erlaubt, zwischen verschiedenen Zusatzleistungen gemäß seinen eigenen Be-
dürfnissen auszuwählen, ähnlich der Menüauswahl in einer Cafeteria [vgl. EDINGER 2002,
S. 7].
Das Cafeteria-System besteht aus
x einem Wahlbudget, das sich häufig an dem Betrag orientiert, den das Unternehmen bis-
lang für freiwillige Sozialleistungen ausgegeben hat,
x einem Wahlangebot mit mehreren Alternativen (z. B. Firmenwagen, Gewinnbeteiligung,
Arbeitgeberdarlehen, Kindergartenplatz, Fortbildung, Urlaubstage u. ä.) und aus
x einer periodischen Wahlmöglichkeit, da sich die Bedürfnisse des Mitarbeiters im Zeitab-
lauf ändern können [vgl. JUNG 2006, S. 901 f.].
Die häufigste Ausprägung des Cafeteria-Modells in deutschen Unternehmen sind sogenannte
Flexible Benefits. Flexible Benefits-Programme sind Pläne, in deren Rahmen die Mitarbeiter
aus einem Angebot verschiedener Zusatzleistungen oder durch Gehaltsumwandlung bestimm-
te Zusatzleistungskomponenten oder -niveaus auswählen können. Betriebliche Altersvorsor-
ge, Hinterbliebenenrente, Todesfallkapital, Berufsunfähigkeitsleistungen, Firmenwagen oder
Extraurlaub sind die häufigsten Zusatzleistungen im Rahmen von Flexible Benefits-
Programmen [vgl. RAUSER TOWERS PERRIN 2006, S. 3 und 17 f.].
Eine besonders attraktive Variante der Zusatzleistungen ist das Modell der Deferred
Compensation, bei dem der Arbeitnehmer auf einen Teil seiner Gesamtvergütung zugunsten
einer Altersvorsorgezusage verzichtet. Die aufgeschobene Auszahlung unterliegt damit nicht
der sofortigen Versteuerung. Der angesammelte Betrag wird erst bei Eintritt in den Ruhestand
besteuert. Als Durchführungsweg bietet sich für den Arbeitgeber die Pensionskasse, der Pen-
sionsfonds oder die Direktversicherung an. Deferred Compensation bietet sowohl dem Ar-
beitgeber als auch dem Arbeitnehmer erhebliche Vorteile. Für das Unternehmen eröffnen sich
neue Möglichkeiten im Rahmen seines Anreiz- und Vergütungssystems, ohne dass zusätz-
liche Kosten entstehen. Im Gegenteil, durch die aufgeschobene Auszahlung entsteht ein zu-
sätzlicher Innenliquiditätseffekt. Für den Berater senkt sich die heutige Steuerlast, denn der
5.4 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit 477
Bei der Konzeption von Vergütungssystemen, die sowohl Unternehmens- als auch Mitarbei-
terinteressen berücksichtigen sollte, steht ein Kriterium im Vordergrund, das als Grundvor-
aussetzung für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern gilt: Gerechtigkeit. Die „faire Vergütung
im Vergleich zu Kollegen“ zählt zu den Top-3-Treibern der Mitarbeiterbindung (engl. Reten-
tion) und ist zweifellos der entscheidende Hygienefaktor aller Anreiz- und Vergütungssyste-
me [vgl. TOWERS PERRIN 2007].
Bei Fragen der Vergütung empfindet der Mitarbeiter sein Gehalt ganz subjektiv als gerecht
oder auch ungerecht. Eine Aussage über die absolute Gerechtigkeit einer Vergütung kann
nicht getroffen werden, lediglich eine Aussage über die relative Gerechtigkeit (im Vergleich
zu den Kollegen, zum Branchendurchschnitt, zur Leistung, zum Alter oder auch zur Ausbil-
dung) ist sinnvoll [vgl. TOKARSKI 2008, S.63].
5.4.3.1 Gerechtigkeitsprinzipien
Marktgerechtigkeit
Anforderungsgerechtigkeit Leistungsgerechtigkeit
Erfolgsgerechtigkeit Verteilungsgerechtigkeit
Qualifikationsgerechtigkeit
Angesichts dieser Vielzahl von nicht überschneidungsfreien Prinzipien ist es nahezu unmög-
lich, einen allgemein als gerecht empfundenen Maßstab für die Vergütungsdifferenzierung zu
finden. Letztendlich sind es aber drei Kernprinzipien der Entgeltgerechtigkeit, die für die
Zusammensetzung der Gehaltsstruktur maßgeblich sind [vgl. LIPPOLD 2010, S. 18]:
478 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
5.4.3.2 Gerechtigkeitsdimensionen
Anforderungs- Aushandeln der jeweils Transparent machen von Festlegen der generellen
gerechtigkeit passenden Karrierestufe Karrierestufen Karrierestufen
Der erste Schritt der Gehaltsfindung bezieht sich auf die Anforderungsgerechtigkeit. Sie ori-
entiert sich an den Anforderungen des Jobs (Ausbildung, Erfahrung, Kompetenz, Ver-
antwortung etc.). Aus diesem Grund haben viele Unternehmen ein Karrierestufen-Modell
(engl. Grading System) aus Rollen und Kompetenzen entwickelt, das jeder Karrierestufe
(engl. Grade) ein bestimmtes Zieleinkommen (100%-Gehalt) zuordnet. Das Grading-System
dient einerseits der grundsätzlichen Einstufung des Mitarbeiters in Abhängigkeit vom Anfor-
derungsgrad seines Jobs (Position/Rolle) und andererseits zur Festlegung des (relativen) vari-
ablen Gehaltsbestandteils, d. h. je größer die Anforderung an die Position/Rolle und damit die
Verantwortung des Beraters ist, desto höher ist der variable Gehaltsanteil.
In Abbildung 5-22 ist ein sechsstufiges Karriere-Modell am Beispiel des Beraters dargestellt.
Jeweils eine Rolle/Position ist dabei einem Grade zugeordnet. Grundlage der Zuordnung ist
ein rollenbezogenes Kompetenzmodell (engl. Competency Model), in dem die erforderlichen
fachlichen, sozialen und methodischen Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen für jede
Karrierestufe aufgeführt sind. Wie aus dem beispielhaften Grading-System weiter zu entneh-
men ist, wird für jede Karrierestufe eine Aufteilung des Zielgehalts (100%) in Fixgehalt und
variables Gehalt vorgenommen. Ein solches Karrierestufen-Modell bildet den Orientierungs-
rahmen sowohl für die anforderungsgerechte Einstufung der Berater als auch für die entspre-
chende Entgeltfindung. Darüber hinaus zeigt es den Beratern zugleich die Entwicklungsmög-
lichkeiten im Rahmen der persönlichen Laufbahnplanung.
6 Partner 60 % 40 %
5 Principal 70 % 30 %
4 Manager 75 % 25 %
3 Senior Consultant 80 % 20 %
2 Consultant 85 % 15 %
1 Analyst Consultant 90 % 10 %
Der zweite Schritt der Gehaltsfindung bezieht sich auf die Marktgerechtigkeit. Hier geht es
in erster Linie darum, das relative Vergütungsniveau im Vergleich zu anderen Unternehmen
festzulegen [vgl. BROWN et al. 2003, S. 752]. Es ist in erster Linie an der Vergütungsstruktur
der Branche bzw. des Wettbewerbs sowie im internationalen Bereich zusätzlich an Kaufkraft-
kriterien ausgerichtet. Um grundsätzlich bei der Gewinnung und Bindung strategisch wichti-
ger Führungskräfte und Mitarbeiter entsprechend flexibel reagieren zu können, bietet sich die
480 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Grade
6 -25% +25%
25%
5 -25% +25%
25%
4 -25% +25%
25%
3 -25% +25%
25%
2 -25% +25%
25%
1 -25% +25%
Jahresziel-
Einkommen
[Euro]
Der dritte Schritt der Gehaltsfindung zielt auf die Leistungsgerechtigkeit ab. Dieses Gerech-
tigkeitsprinzip wird vorzugsweise durch die Gestaltung variabler Vergütungskomponenten
realisiert.
Als Bemessungsgrundlagen der variablen Vergütung können die individuellen Leistungen des
Beraters und/oder die Leistungen des Unternehmens- bzw. eines Unternehmensbereichs (kol-
lektive Leistung) herangezogen werden.
Die individuelle Leistung kann am Zielerreichungsgrad, am Potenzialabgleich sowie im Mit-
arbeitervergleich (Kalibrierung) gemessen werden, wobei die Ergebnisse der Personalbeurtei-
lung (vgl. Hauptabschnitt 5.6) hierzu die Grundlage bilden. Besonders wichtig ist, dass die
betroffenen Berater ihre Leistungen direkt beeinflussen können und diese auch messbar sind.
5.4 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit 481
Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass vorzugsweise im Vertrieb die individuelle Leistung
(z. B. der erzielte Auftragseingang (engl. Bookings)) als Bemessungsgrundlage für die variab-
le Vergütung herangezogen wird. In Bereichen, in denen die Leistungen der Mitarbeiter und
Führungskräfte nur begrenzt quantifiziert und nicht eindeutig zugeordnet werden können (z.B.
in den zentralen Support-Bereichen), müssen quantifizierbare Hilfsgrößen herangezogen wer-
den (z. B. die Attrition-Rate zur Bemessung der Leistungen des Personalmanagements). An-
dernfalls kann die Einführung einer leistungsbezogenen variablen Vergütung in bestimmten
Bereichen zu Umsetzungs- und Akzeptanzproblemen führen.
Bestimmungsgrund für die kollektive Leistung ist zumeist die Jahresperformance (Gewinn,
Umsatz, Deckungsbeitrag o. ä.) des Unternehmens bzw. relevanter Teilbereiche. Im Vergleich
zur Messung der individuellen Leistung sind die Bestimmungsfaktoren der Unternehmensleis-
tung i. d. R. deutlich einfacher zu quantifizieren.
In der Praxis haben sich im Wesentlichen drei Grundformen der Zusammensetzung der vari-
ablen Vergütungsbestandteile durchgesetzt (siehe Abbildung 5-24):
100 %
Unternehmens- Unternehmens-
Unternehmens- Individuelle
leistung leistung
leistung Leistung
+ x
Individuelle Individuelle
Leistung Leistung
Fixe
Vergütung
Fixe Fixe
Vergütung Vergütung Fixe Fixe
Vergütung Vergütung
Sicherheits-
orientierung Leistungsorientierung
x Der variable Anteil wird ausschließlich durch die Ergebnisse der individuellen Leistung
bestimmt.
x Nur die Leistung des Unternehmens bzw. relevanter Unternehmensteile wird zur Be-
stimmung des variablen Anteils herangezogen.
482 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
x Es wird sowohl die individuelle Leistung als auch die Unternehmensperformance berück-
sichtigt. Bei dieser Mischform gibt es zwei Varianten, die sich auf die Verknüpfung der
beiden variablen Gehaltsanteile beziehen. In der einen Variante werden der individuelle
Anteil (auch als individueller Faktor (IF) bezeichnet) und der Unternehmensanteil (auch
als Unternehmens- oder Businessfaktor (BF) bezeichnet) addiert. Bei der zweiten Varian-
te wird der individuelle Faktor mit dem Businessfaktor multiplikativ miteinander ver-
knüpft, so dass unter bestimmten Umständen (z. B. bei vollständiger Schlechtleistung des
Unternehmens oder des Mitarbeiters und damit BF=0 bzw. IF=0) kein variables Gehalt
ausgezahlt wird.
Alle drei beschriebenen Varianten sollten eine Deckelung des variablen Anteils bei 200 Pro-
zent vorsehen, d. h. selbst bei einer deutlichen Planüberfüllung des Unternehmens und des
Mitarbeiters kann der auszuzahlende variable Anteil demnach das Zweifache seiner (100%-)
Zielgröße nicht überschreiten. Auf diese Weise können exorbitant hohe Beratergehälter ver-
mieden werden.
Grade (Karrierestufe)
Zielart Bewertung 6 5 4 3 2 1
Unternehmensziele Ergebnisziele
Bereichsziele Ergebnisziele
Sales Auftragseingang
Delivery Auslastung
Im modernen Personalmanagement setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Vergü-
tungssysteme die Potenziale der Mitarbeiter und Führungskräfte nur dann optimal nutzen,
wenn sie individualisiert sind [vgl. LOCHER 2002, S. 1]. Ein Ausdruck dieser Individualisie-
rung sind ausdifferenzierte Zielkataloge für Berater, die aus mehreren Zielarten pro Grade
bestehen. Damit wird den unterschiedlichen Anforderungen, den spezifischen Kenntnissen
und Fähigkeiten sowie den individuellen Zielsetzungen der Berater Rechnung getragen. Ein
5.4 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit 483
modellhaftes Beispiel für die verschiedenen Zielarten in der Beratungsbranche liefert Abbil-
dung 5-25. Danach werden jedem Grade sowohl Unternehmens- als auch persönliche Ziele
zugeordnet. Je nach unternehmerischer Zielsetzung lassen sich die Ziele zusätzlich gewichten,
wobei durchaus zu berücksichtigen ist, dass mathematische Scheingenauigkeiten den eigentli-
chen Nutzeffekt überlagern können.
5.4.6.4 Praxisbeispiel
Als Beispiel für ein praktiziertes Anreizsystem, das die drei Gerechtigkeitsprinzipien (Anfor-
derungs-, Markt- und Leistungsgerechtigkeit) vollumfänglich umgesetzt hat, soll hier ab-
schließend ein Vergütungsmodell vorgestellt werden, das das Beratungsunternehmen
CAPGEMINI als „Salary Split Model“ weltweit für seine strategischen Geschäftseinheiten
Consulting, Technology und Outsourcing eingeführt hat (siehe Insert 5-20).
Insert
Der erste Schritt der Gehaltsfindung bei CAPGEMINI gehälter in der Consulting-Disziplin zum Teil deutlich
bezieht sich auf die Anforderungsgerechtigkeit. Der über denen der anderen Disziplinen liegen.
Anforderungsgrad der Position/Stelle bestimmt die
Einstufung in das Grading-System und zugleich des Der dritte Schritt der Gehaltsfindung zielt sowohl auf
relativen variablen Gehaltsanteil. die kollektive als auch auf die individuelle Leistungs-
gerechtigkeit ab. Bestimmungsgrund für die kollek-
Der zweite Schritt bezieht sich auf die Marktgerech- tive Leistung ist die Jahresperformance (Gewinn,
tigkeit. Die hierzu festgelegten Gehaltsbandbreiten Umsatz) des Unternehmens bzw. relevanter Teil-
sind an der Vergütungsstruktur der Branche und im bereiche. Sie bestimmt als Business Faktor (BF) den
internationalen Bereich an Kaufkraftkriterien ausge- ersten Teil des variablen Gehalts. Die individuelle
richtet. Die Bandbreiten sind nicht nur den Hierar- Leistung wird am Zielerreichungsgrad, am Potential-
chiestufen zugeordnet, sondern sind zudem auch an abgleich sowie im Mitarbeitervergleich (Kalibrierung)
den drei Disziplinen Consulting, Technology und gemessen und in einem individuellen Faktor (IF)
Outsourcing ausgerichtet; d. h. jede Hierarchiestufe ausgedrückt. Der individuelle Faktor bestimmt den
verfügt über drei unterschiedliche Bandbreiten. Dies zweiten Teil des variablen Gehaltsanteils. Beide
ist auch deshalb erforderlich, weil die Durchschnitts- Faktoren sind multiplikativ miteinander verknüpft.
„Führung ist zielbezogene Einflussnahme. Die Geführten sollen dazu bewegt werden, be-
stimmte Ziele, die sich meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten, zu erreichen.“
Die grundsätzlichen Aufgaben eines Managers sind es, ein Unternehmen bzw. eine Organisa-
tion zu leiten und die Menschen in diesem System zu führen. Der Bereich der Unternehmens-
führung beinhaltet dabei die „klassischen“ sachbezogene Führungs-, Leitungs- und Verwal-
tungsaufgaben aus der Betriebswirtschaftslehre. Mitarbeiterführung ist dagegen die personen-
bezogene, verhaltenswissenschaftliche Komponente des Managements, die auch als Perso-
nalführung (engl. Leadership) bezeichnet wird [vgl. STAEHLE 1999, S. 72].
Wettbewerbs- Mitarbeiterkriterien
vorteil
Vom Mitarbeiter
• Produkte honorierter
• Leistungen + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung = Wettbewerbs-
• Fähigkeiten vorteil
• Know-how
• Kultur Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Internes
Personalmarketing
Mitarbeiter-
Aktionsfelder bindung
Sicht von
innen Personalbetreuung
© Dialog.Lippold
In der Personalführung zeichnet sich in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel ab. Wäh-
rend bislang Mitarbeiter in erster Linie mit Aufgaben bzw. mit Aufträgen geführt wurden,
orientieren sich Führungsentscheidungen heute mehr und mehr an den Ergebnissen. Mitarbei-
5.5 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung 485
ter werden früh in die Planungs- und Entscheidungsprozesse ihrer Unternehmen eingebunden
und bekommen Handlungsspielraum. Damit werden die Unternehmensziele zu Zielen der
Mitarbeiter [vgl. SCHRÖDER 2002, S. 2].
Der damit angesprochene Trend zur dezentralen Selbststeuerung der Mitarbeiter trifft bei
diesen auf einen fruchtbaren Boden. Zum einen sind viele Mitarbeiter heute beruflich qualifi-
zierter als früher und deshalb in der Lage, dispositive Aufgaben im Sinne einer Ergebnisorien-
tierung zu übernehmen. Zum anderen haben vor allem die Vertreter der jüngeren Generation
eine andere Einstellung zu ihrem Beruf: Ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Handlungs-
spielraum gehören zu ihren wichtigsten Motivationsfaktoren. Dementsprechend verlagern
sich die Aufgaben der Führungskräfte im Wesentlichen in drei Richtungen [vgl. DOPP-
LER/LAUTERBURG 2005, S. 67 f.]:
5.5.2 Führungsprozess
Im Rahmen des Personalführungsprozesses sind folgende Phasen angesprochen, die bei der
Wahrnehmung der eigentlichen Führungsaufgaben immer wieder durchlaufen werden müssen
[vgl. JUNG 2006, S. 441 ff.]:
x Zielsetzung (engl. Target Setting),
x Planung (engl. Planning),
x Entscheidung (engl. Decision)
x Realisierung (engl. Realization) und
x Kontrolle (engl. Controlling).
486 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Führungs-
aufgaben
Zielvereinbarung
Delegation
Weisung
Problemlösung
Information
MA-Kontrolle Kooperativ
Anerkennung/Kritik
Führungsstil
Konfliktsteuerung
Autoritär
Führungsprozess
(1) Zielsetzung
Der Mechanismus der Zielsetzung ermöglicht eine Fokussierung der Handlungsthemen, die
zum Gegenstand konkreter Pläne gemacht werden sollen [vgl. STEINMANN/SCHREYÖGG 2005,
S. 146]. Ziele erzeugen so etwas wie eine „Sogwirkung“. Sie helfen Arbeitsabläufe, Arbeits-
aufgaben sowie die Zusammenarbeit der Organisationseinheiten und der Mitarbeiter unter-
einander transparent zu machen.
Mitarbeiter wollen motiviert und wertgeschätzt werden. Freundlichkeit, Engagement, Identi-
fikation, Motivation und Begeisterung lassen sich nicht verordnen. Man kann jedoch Spielre-
geln der Kooperation entwickeln, von denen alle Beteiligten profitieren und eine Art „Win-
Win-Situation“ erzeugen. Hierzu sind Ziele eine entscheidende Voraussetzung [vgl. EYER/
HAUSSMANN 2005, S. 12].
(2) Planung
Die Planung gibt eine Orientierung dessen an, was zu tun ist, um die definierten Ziele zu er-
reichen. Sie befasst sich mit den Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur Zielerreichung. Pla-
nung ist kein einmaliger, in sich abgeschlossener Akt, sondern ein rollierender Prozess. Unter
den vielfältigen Aspekten der Planung, die sich durch eine starke Analysetätigkeit auszeich-
net, soll hier lediglich der zeitliche Gesichtspunkt erwähnt werden. Während die strategische
Planung den grundsätzlichen und damit zumeist längerfristigen Handlungsrahmen für zentra-
le Unternehmensentscheidungen vorgibt, zielt die operative Planung darauf ab, eine konkre-
te Orientierung für das Tagesgeschäft zu gewinnen [vgl. STEINMANN/SCHREYÖGG 2005,
S. 163].
5.5 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung 487
(3) Entscheidung
(4) Realisierung
Das Setzen von Zielen, ihre Umsetzung in Pläne und das Treffen der Entscheidungen reichen
aber nicht aus, um den Erfolg der Maßnahmen zu gewährleisten. Wichtig ist die praktische
Umsetzung des Gewollten. Es ist nicht Aufgabe der Führungskräfte, die erforderlichen Akti-
vitäten zur Zielerreichung selbst auszuführen. Vielmehr geht es in dieser Phase darum, gene-
relle organisatorische Regelungen zu treffen und durch Einwirken auf die Mitarbeiter (z. B.
durch Veranlassen, Unterweisen bzw. Einweisen) dafür zu sorgen, dass der Plan umgesetzt
wird [vgl. JUNG 2006, S. 446].
(5) Kontrolle
Erst durch eine Kontrolle der umgesetzten Maßnahmen ist es möglich, dass eine für die Rege-
lung des Unternehmensgeschehens erforderliche Rückkopplung (engl. Feedback) stattfindet.
Die Kontrollfunktion, die Soll-Größen der Planung mit den Ist-Größen der Realisierung ver-
gleicht, gibt Auskunft über den Grad der Zielerreichung.
5.5.3 Führungsaufgaben
Die konkrete Anwendung des Führungsprozesses erfolgt durch die Wahrnehmung der Füh-
rungsaufgaben, wie z. B. Ziele und Zielvereinbarungen erarbeiten, Mitarbeiter auswählen,
beurteilen und entwickeln, Projekte managen, Teams bilden, entwickeln und lenken. Im Zuge
einer stärkeren Systematisierung können diese Führungsaufgaben unterteilt werden in die
teilweise formalisierten Sachaufgaben wie Personalvergütung, Personalbeurteilung oder Per-
sonalentwicklung, die in diesem Buch jeweils in eigenen Abschnitten behandelt werden, und
den mehr situations- und personenbezogenen Aufgaben wie [vgl. JUNG 2006, S. 449 ff.]
x Zielvereinbarung,
x Delegation,
x Weisung,
x Problemlösung,
x Information,
x Mitarbeiterkontrolle,
488 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Die Zielvereinbarung ist ein besonderer Aspekt des Führungsmodells „Führen mit Zielen“
(engl. Management by Objectives – MbO). In einem Zielvereinbarungsgespräch werden aus
den Unternehmenszielen, den Zielvorstellungen des Vorgesetzten und des einzelnen Mitarbei-
ters gemeinsame Mitarbeiterziele, deren Zielerreichungsgrad und Maßnahmen zur Zielerrei-
chung vereinbart und schriftlich fixiert. Wichtig ist, dass die Zielvereinbarung nicht aus einem
reinen Aufgabenkatalog besteht, sondern vielmehr konkrete Ziele und messbare Ergebnisse
enthält. Damit gewinnt jenes Führungsverhalten an Bedeutung, das den (beteiligten) Mitarbei-
ter in seiner komplexen und vernetzten Arbeitswelt am besten würdigt (wertschätzt) [vgl. LIP-
POLD 2010, S. 21].
Der Vorteil einer Zielvereinbarung gegenüber einer reinen Zielvorgabe liegt darin, dass der
aktiv beteiligte Mitarbeiter einen konkreten Orientierungsrahmen erhält und damit seine Iden-
tifikation mit den Zielen seiner Tätigkeit erhöht wird. Nachteilig ist der zweifellos höhere
Zeitaufwand [vgl. JUNG 2006, S. 450].
(2) Delegation
Um seine Führungsaufgaben erfüllen zu können, muss ein Vorgesetzter Tätigkeiten mit genau
abgegrenzten Befugnissen (Kompetenzen) und Verantwortlichkeiten zur selbständigen Erle-
digung an geeignete Mitarbeiter übertragen. Die Vorteile der Delegation sind im Wesentli-
chen [vgl. JUNG 2006, S. 451; STOCK-HOMBURG 2008, S. 457]:
x Zeitersparnis und Entlastung der Führungskraft,
x Vergrößerung des Freiraums der Führungsperson für strategische Fragestellungen,
x Erfüllung der Mitarbeiterbedürfnisse nach Anerkennung und Selbstverwirklichung,
x Nutzung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter und
x Ausbau der Fähigkeiten potenzialstarker Mitarbeiter.
Demgegenüber stehen folgende Verhaltensweisen, die ein Delegieren erschweren [vgl. JUNG
2006, S. 451]:
x Geringes Zutrauen der Führungskraft in die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter,
x Nichtanerkennung brauchbarer Vorschläge der Mitarbeiter und
x Scheuen des Erklärungsaufwands bei der Übertragung anspruchsvoller Aufgaben.
(3) Weisungen
x Der Befehl. Diese Form der Weisung ist heutzutage in den wenigsten Fällen als Mittel zur
Führung geeignet. Der Befehl schließt Mitdenken und Eigenverantwortlichkeit aus.
x Die Anweisung. Eine Anweisung ist dann erforderlich, wenn genau vorgeschrieben ist,
wie eine Arbeit erledigt werden soll. Eine Anweisung wird zumeist schriftlich fixiert.
x Der Auftrag. Wesentlich zeitsparender als die Anweisung ist der Auftrag. Hierbei wird
dem Mitarbeiter nur ein grober Rahmen vorgegeben, so dass es ihm weitgehend überlas-
sen bleibt, wie und womit er den Auftrag ausführt.
(4) Problemlösung
„Führung durch Anerkennung“ ist eine häufig praktizierte Maxime, wenn es darum geht, Füh-
rungspositionen zu besetzen. Eine Führungskraft erwirbt sich vor allem dann bei ihren Mitar-
beitern Anerkennung, wenn sie neben dem formalen Führungsverhalten auch entsprechende
Problemlösungskompetenz nachweisen kann.
Dabei geht es manchmal gar nicht so sehr darum, dass die Führungskraft auftretende Pro-
bleme selber löst. Vielmehr muss sie in der Lage sein, Probleme rechtzeitig zu erkennen, ihre
Ursachen zu analysieren, sie zu vermeiden bzw. Lösungswege aufzuzeigen, um gemeinsam
mit den Mitarbeitern eine Problemlösung zu erarbeiten [vgl. JUNG 2006, S. 454].
(5) Information
Eine der wichtigsten Führungsaufgaben ist es, Mitarbeiter hinreichend mit Informationen zu
versorgen, damit sie bereit und in der Lage sind, Mitverantwortung zu übernehmen. Ein gut
informierter Mitarbeiter ist zugleich auch immer ein guter Mitarbeiter.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Informationen, die für die Aufgabenerfüllung
erforderlich sind, und aufgabenunabhängigen, aber wünschenswerten Informationen. Die
Auswertung vieler Mitarbeiterbefragungen zeigt, dass die Informationsversorgung zu den
wichtigsten zu verbessernden Maßnahmen zählen. Fehlende, falsche, unzureichende oder
missverständliche Informationen über den (wahren) Geschäftsverlauf oder die Kostensituation
führen häufig zu Unverständnis für manch unternehmerische Entscheidung und heizen die
„Gerüchteküche“ an. Motivations- und Vertrauensverluste sind häufig die Folge. Gerade in
prekären Situationen ist das Management gut beraten, offen, ehrlich und vertrauensvoll zu
informieren, statt zu dementieren [vgl. auch JUNG 2006, S. 456].
(6) Mitarbeiterkontrolle
Mit der Mitarbeiterkontrolle ist nicht die allgemeine Kontrollfunktion aus dem Führungspro-
zess (siehe 3.3.3) angesprochen. Hier geht es vielmehr um die Kontrolle der konkreten Um-
setzung einer Aufgabe, die dem Mitarbeiter vom Vorgesetzten zugewiesen wurde. In der Re-
gel handelt es sich bei der Mitarbeiterkontrolle um eine Ergebniskontrolle, d. h. es wird ge-
prüft, mit welchem qualitativen oder quantitativen Ergebnis der Mitarbeiter die ihm übertra-
gene Aufgabe durchgeführt hat. Eine solche Art der Kontrolle wird von den Mitarbeitern
nicht nur hingenommen, sondern im Sinne einer Information und Bestätigung auch ge-
wünscht. Ohne Kontrolle lassen sich Ziele nicht zuverlässig erreichen. Zu viel Kontrolle wird
490 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
allerdings nicht nur als lästig empfunden, sondern viele Mitarbeiter sehen dahinter auch Miss-
trauen in ihre Fähigkeiten [vgl. JUNG 2006, S. 457 f.].
Das durch die Mitarbeiterkontrolle gegebene „Feedback“ ist daneben auch für die Führungs-
kraft eine gute Möglichkeit, dem Grundbedürfnis des Mitarbeiters nach Anerkennung nach-
zukommen. Anerkennung ist ein ganz entscheidender Motivationsfaktor – nicht nur im Ar-
beitsleben. Auf der anderen Seite ist der Vorgesetzte aber auch verpflichtet, die Schlechtleis-
tung seines Mitarbeiters sachlich zu kritisieren, denn ohne Kritik und der daraus folgenden
Einsicht ist keine Veränderung möglich [vgl. JUNG 2006, S. 459 ff.].
Damit der Mitarbeiter Fehler einsieht und bereit ist, sein Verhalten zukünftig zu verändern,
sollten bei der negativen Kritik einige Regeln eingehalten werden [vgl. JUNG 2006, S. 461 f.]:
x Fehlerhaftes Verhalten sollte möglichst sofort angesprochen werden, da sonst Fehler zur
Gewohnheit werden.
x Der Vorgesetzte sollte nicht persönlich werden, sondern ausschließlich die Sache kriti-
sieren (konstruktive Kritik).
x Die Kritik sollte nur „unter vier Augen“ ausgesprochen werden, da sonst die Gefahr des
„Gesichtsverlusts“ besteht.
x Kritik sollte nicht hinter dem Rücken des betroffenen Mitarbeiters ausgeübt werden.
(8) Konfliktsteuerung
„Wo immer es menschliches Leben gibt, gibt es auch Konflikt“ [DAHRENDORF 1975, S. 181].
Die Ursachen für Konflikte im Unternehmen können ebenso vielfältig sein wie ihre Gestal-
tungsformen. Nachteilig können Konflikte sein, wenn sie zur Instabilität führen und das Ver-
trauen erschüttern. Vorteilhaft sind Konflikte dann, wenn sie Energien und Kreativität freiset-
zen und zu gewünschten Veränderungen führen [vgl. JUNG 2006, S. 462 f.].
Neben Konflikten zwischen Personen sind in der betrieblichen Praxis vor allem Konflikte
zwischen verschiedenen Gruppen (insbesondere Organisationseinheiten) anzutreffen. Konflik-
te zwischen Organisationseinheiten entstehen häufig nach Fusionen oder Unternehmensüber-
nahmen und können sehr lange andauern. Konfliktursache ist hier das „Aufeinanderprallen“
unterschiedlicher Unternehmenskulturen, d. h. Menschen mit unterschiedlichsten Kenntnis-
sen, Fähigkeiten und Werthaltungen treffen aufeinander, so dass Konflikte immer wahr-
scheinlicher werden. Können solche Konflikte nicht bewältigt werden, führt dies zur Enttäu-
schung und Frustration bei den Betroffenen. Die Konfliktbewältigung nach Unternehmenszu-
sammenschlüssen ist deshalb besonders wichtig, weil ansonsten die mit einer Fusion ge-
wünschten Synergieeffekte zunichte gemacht werden können.
Es gehört zu den Aufgaben einer Führungskraft, Bedingungen zu schaffen, die zur Konflikt-
vermeidung beitragen oder eine entsprechende Lösung herbeiführen. Daher ist es wichtig, die
Entstehung eines Konfliktes richtig „einordnen“ zu können.
Die praktische Bedeutung, wie Führungserfolg erklärt und wie gute Führung erreicht werden
kann, lässt sich allein an der Vielzahl von jährlich erscheinenden Führungsratgebern erken-
nen. Allerdings kann auch die Wissenschaft hierzu bislang keine generell gültige Führungs-
theorie und damit keine allgemein akzeptierte Sichtweise vorlegen. Es gibt weder die Füh-
rungskraft, noch den Führungsstil oder die Führungstheorie. Es ist – zumindest bis heute –
nicht möglich, anhand eines Modells das Führungsverhalten allgemeingültig zu erklären.
Es lassen sich im Zeitablauf aber bestimmte Perspektiven in der Entwicklung von Führungs-
theorien erkennen, die Aussagen über die Bedeutung von Führungseigenschaften, Führungs-
verhaltensweisen und Führungssituationen im Hinblick auf den Erfolg von Führungskräften
treffen. Kenntnisse über menschliche und zwischenmenschliche Prozesse sowie über die Me-
chanismen bestimmter Führungsansätze und -theorien erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass
sich eine Führungskraft in einer bestimmten Situation richtig bzw. erfolgreich verhält. Solche
Ansätze und Theorien aus verschiedenen Wissenschaften (vor allem der Psychologie und So-
ziologie) werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Die Begriffe Führungsansatz und Führungstheorie werden in der Fachliteratur mit unter-
schiedlichen Bedeutungen belegt. Hier wird „Ansatz“ als übergeordneter Begriff für Theorien
und Modelle gewählt. Er beschreibt ein grundsätzliches Konzept, das den Theorien und Mo-
dellen innerhalb eines Ansatzes zugrunde liegt.
Eigenschafts-
Eigenschaften der Führungskraft Erfolg
ansatz
Verhaltens-
Führungsstil Erfolg
ansatz
Situation 1 Führungsstil A
Situativer
Situation 2 Führungsstil B Erfolg
Ansatz
Situation 3 Führungsstil C
Abb. 5-28: Schema des eigenschafts-, des verhaltens- und des situativen Ansatzes
[in Anlehnung an NEUBERGER 2002]
Eine weitere Unterteilung der verschiedenen Führungstheorien kann anhand der Anzahl der
verwendeten Kriterien zur Beschreibung des Führungsverhaltens vorgenommen werden [vgl.
BRÖCKERMANN 2007, S. 343 f.]:
Eigenschaftsorientierte Verhaltensorientierte
Situative Führungsansätze
Führungsansätze Führungsansätze
DISG-Konzept Drei-D-Modell
[MARSTON 1928; GEIER 1958] [REDDIN1981]
Eindimensionaler
Forschungsansatz Reifegradmodell
Zweidimensionaler
[HERSEY/BLANCHARD1988]
Forschungsansatz
Mehrdimensionaler
Forschungsansatz
5.5.5 Führungsinstrumente
Zu den Führungsinstrumenten zählen die Formen der Führungskommunikation sowie die ver-
schiedenen Führungstechniken, die unter der Bezeichnung „Management by …“ – Konzepte
im deutschen Sprachraum weit verbreitet sind und teilweise auch als Führungsprinzipien be-
zeichnet werden.
5.5.5.1 Führungskommunikation
geblich auch über die Körpersprache, also Gestik, Mimik, Körperhaltung und Bewegungen,
sowie auch über Aussehen und Kleidung kommunizieren. Kommunikation ist also ein Verhal-
ten, das anderen etwas mitteilt [vgl. JUNG 2006, S. 466; BRÖCKERMANN 2007, S. 365].
Manager müssen permanent kommunizieren, sei es mit Kollegen oder Mitarbeitern, mit wich-
tigen (Schlüssel-) Kunden (engl. Key Accounts), mit Aufsichtsgremien oder Analysten. Kurz
gesagt: Kommunikation ist die Kernaufgabe des Managements [vgl. BUSS 2009, S. 246].
Kommunikation in Führungssituationen findet im Wesentlichen mündlich oder schriftlich
statt. Zu den Gesprächen als Mittel der mündlichen Kommunikation zählen
x das Mitarbeitergespräch als Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter unter
vier Augen, um wichtige Entscheidungstatbestände oder bedeutsame Vorgänge im Ar-
beitsablauf zu erörtern und
x die Besprechung als Zusammenkunft mit mehreren Mitarbeitern gleichzeitig, um diese
Personengruppe im Hinblick auf einen zu erreichenden Zustand zu überzeugen, zu akti-
vieren und zu motivieren [vgl. JUNG 2006, S. 478 ff.].
In der schriftlichen Führungskommunikation hat sich die E-Mail als nahezu einziges
Kommunikationsmittel durchgesetzt. Ihre leichte Handhabung hat allerdings auch dazu ge-
führt, dass sie zunehmend andere Kommunikationsformen verdrängt. Es ist zu beobachten,
dass viele Manager dazu übergegangen sind, nahezu ausschließlich per E-Mail zu kommuni-
zieren („Management by E-Mail“). Hier ist vor allem auch die richtige Dosierung der Infor-
mationsmenge angesprochen.
Besonders hinzuweisen ist auf die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Kom-
munikation. Während die formelle Kommunikation dem Informations- und Gedankenaus-
tausch hinsichtlich der Aufgabenerfüllung dient, ist die informelle Kommunikation an keine
Regelung gebunden. Sie wird vornehmlich als Lückenbüßer für Mängel in der formellen
Kommunikation benutzt und schlägt sich häufig in der sogenannten „Gerüchteküche“ nieder
[vgl. BRÖCKERMANN 2007, S. 364].
5.5.5.2 Führungstechniken
Eine weitere Gruppe von Führungsinstrumenten zielt auf die bessere Koordination des Ver-
antwortungsbereichs einer Führungskraft ab. Die wichtigsten Führungstechniken (= Prinzi-
pien) für die Koordination der Personalführung sind:
x Führen durch Ziele (engl. Management by Objectives – MbO)
x Führen durch Delegation (engl. Management by Delegation) und
x Führen durch Partizipation (engl. Management by Participation).
Management by Objectives. Das Führen durch Ziele bzw. Zielvereinbarungen ist das be-
kannteste Führungsprinzip. Auf die Bedeutung der Zielvereinbarung wurde bereits im Zu-
sammenhang mit der Wahrnehmung von Führungsaufgaben eingegangen (vgl. Abschnitt
5.5.3).
5.5 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung 495
Grundgedanke dieses Führungsprinzips ist die Frage: Wie stellt die Führungskraft sicher, dass
der geführte Mitarbeiter das Richtige tut (Effektivität) und dass er es richtig tut (Effizienz)?
Voraussetzung beim MbO ist, dass die Mitarbeiter eine Vorstellung von dem haben, was von
ihnen erwartet wird. Den Orientierungsrahmen geben Ziele vor, die in einer Zielvereinbarung
festgelegt werden.
Beim MbO werden nicht bestimmte Aufgaben, die nach festgelegten Vorschriften zu erledi-
gen sind, sondern grundsätzlich Ziele vorgegeben. Im Sinne einer besseren Umsetzungswahr-
scheinlichkeit werden die Ziele gemeinsam von Vorgesetzten und Mitarbeitern erarbeitet,
nicht jedoch Regelungen darüber getroffen, wie diese Ziele zu erreichen sind. Insgesamt for-
dert das MbO einen eher kooperativen Führungsstil, da sich sowohl die Führungskraft als
auch die Mitarbeiter den erarbeiteten Zielen verpflichtet fühlen sollten [vgl. JUNG 2006,
S. 501; BRÖCKERMANN 2007, S. 330].
Management by Delegation. Der Grundgedanke des Führens durch Delegation ist die weit-
gehende Übertragung von Aufgaben, Entscheidungen und Verantwortung auf die Mitarbeiter-
ebene. Die Notwendigkeit dieses Führungsprinzips ergibt sich aus der Überlegung, dass eine
Führungsperson unmöglich alle Aufgaben selbst erledigen kann. Dies führt im schlimmsten
Fall zum Erlahmen aller Prozesse im Verantwortungsbereich der Führungskraft [vgl. STOCK-
HOMBURG 2006, S. 457].
x Die Mitarbeiter sind aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in der Lage, zur Ent-
scheidungsfindung beizutragen.
x Die Mitarbeiter haben ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Selbstbestimmung.
Alle drei aufgeführten Führungsprinzipien sind nicht isoliert zu betrachten, d. h. sie schließen
sich nicht gegenseitig aus. Dies zeigt sich besonders am Führungsprinzip Management by
Objectives, das eine Zusammenarbeit und Partizipation (bei der Zielvereinbarung) sowie eine
Delegation (bei der Aufgabenerfüllung) bewusst vorsieht.
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer, weitgehend selbsterklärender Führungsprin-
zipien wie
x Führung durch Eingriff in Ausnahmefällen (engl. Management by Exception – MbE),
x Management durch Systemsteuerung (engl. Management by Systems – MbS),
x Management durch Motivation (engl. Management by Motivation – MbM) und
x Management by Walking Around.
Gerade das Management by Walking Around, bei dem der häufige direkte Kontakt zwi-
schen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern im Vordergrund steht, wird aufgrund der ho-
hen Zeitbelastung des Managements zunehmend vernachlässigt. Dabei zählt dieses Führungs-
prinzip zu den effektivsten überhaupt, um Mitarbeiter zu guten Leistungen zu motivieren und
damit zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen.
5.6 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness 497
Wettbewerbs- Mitarbeiterkriterien
vorteil
Vom Mitarbeiter
• Produkte honorierter
• Leistungen + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung = Wettbewerbs-
• Fähigkeiten vorteil
• Know-how
• Kultur Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Internes
Personalmarketing
Mitarbeiter-
Aktionsfelder bindung
Sicht von
innen Personalbetreuung
© Dialog.Lippold
x Hinzu kommt noch die Informationsfunktion für die Mitarbeiter, denn nach § 82 II
BetrVG können Arbeitnehmer verlangen, dass mit ihnen die Leistungsbeurteilung und die
Möglichkeiten der weiteren beruflichen Entwicklung im Unternehmen erörtert werden.
Damit wird deutlich, dass das Aktionsfeld Personalbeurteilung eine gewisse Querschnitts-
funktion darstellt. So werden die Ergebnisse der Personalbeurteilung zugleich auch für die
Personalgewinnung (Personalbedarfsplanung, interne Personalbeschaffung) sowie in den Ak-
tionsfeldern Personalentwicklung, Personalfreisetzung, Personalvergütung und Personal-
führung verwendet.
Die Anlässe für die Durchführung einer Personalbeurteilung sind vielfältig. Beurteilungen
können u. a. erstellt werden
x bei Jahres-/Halbjahresbeurteilungen,
x nach Ablauf der Probezeit,
x beim Wechsel des Vorgesetzten,
x bei Versetzung sowie
x bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Im Rahmen dieser Darstellung soll lediglich auf den (periodischen) Aspekt der Jahres- bzw.
Halbjahresbeurteilung eingegangen werden.
Die häufigste Form der Personalbeurteilung ist die Mitarbeiterbeurteilung. In der Regel ist
der Beurteilende der direkte Vorgesetzte des Beurteilten. Da das aktuelle Arbeitsverhalten
Gegenstand der Beurteilung ist, hat i. d. R. nur dieser ausreichende Beurteilungsinformatio-
nen. Bei mehreren Vorgesetzten (z. B. in einer Matrixorganisation) kann eine gemeinsame
Beurteilung in Betracht gezogen werden. Im Rahmen von Assessments für bestimmte Positi-
onen kann aber auch ein Review-Team die Rolle des Beurteilenden einnehmen. Ein solches
Review-Team besteht aus Mitarbeitern bzw. Führungskräften, die mindestens eine Hier-
archiestufe über der zu beurteilenden Person angesiedelt sind. Zeitweise werden Review-
Teams auch aus externen Beratern gebildet, um so ein höheres Maß an Neutralität und Objek-
tivität zu gewährleisten. Neben der Mitarbeiterbeurteilung existieren weitere Formen der Per-
sonalbeurteilung:
x Vorgesetztenbeurteilungen sind Verfahren, bei denen Mitarbeiter das Arbeits- und Füh-
rungsverhalten sowie die Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer direkten Vorgesetzten nach
qualitativen Beurteilungskriterien bewerten. Vorgesetztenbeurteilungen können konkrete
Hinweise auf notwendige bzw. aus Sicht des Mitarbeiters wünschenswerte Änderungen
des Führungsverhaltens geben [vgl. BRÖCKERMANN 2007, S. 224].
x Die Selbstbeurteilung wird häufig in Zusammenhang mit der Zeugniserstellung durch-
geführt. Der betroffene Mitarbeiter wird gebeten, sein Arbeitszeugnis vorzuformulieren.
Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses ist bei Ausscheiden des betroffenen Mitarbeiters
obligatorisch. Sie wird aber auch regelmäßig bei einem Vorgesetztenwechsel oder bei
Versetzungen vorgenommen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die sogenannte
5.6 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness 499
5.6.2 Beurteilungsfehler
Grundsätzlich sollten alle Beurteilende über Kenntnisse und Erfahrungen in der Personalbeur-
teilung verfügen. Dadurch lassen sich Beurteilungsfehler zwar nicht vollständig vermeiden,
jedoch erheblich reduzieren. Jeder Beurteilende unterliegt einer Reihe von subjektiven Ein-
flüssen, die dazu führen, bestimmte Aspekte stärker oder verfremdet zu sehen und andere eher
auszublenden. Diese Wahrnehmungsverzerrungen werden durch intrapersonelle, interperso-
nelle und sonstige Einflüsse hervorgerufen (siehe Abbildung 5-31).
• Tendenzfehler • Recency-Effekt
Intrapersonelle Einflüsse lassen sich unmittelbar auf den Beurteilenden zurückführen bzw.
liegen in der Persönlichkeitsstruktur des Beurteilenden begründet. Hierzu zählt zunächst die
selektive Wahrnehmung, bei der der Betreffende aus einer Vielzahl von Informationen nur
einen kleinen Ausschnitt bewusst oder unbewusst auswählt und diese zur Grundlage seines
Urteils macht. Vorurteile und Vermutungen beruhen auf positiven oder negativen Erfah-
rungen, die der Beurteilende mit ähnlichen Personen gemacht hat. Sie überdecken die tatsäch-
lichen Fakten und Zusammenhänge. Der Hierarchieeffekt liegt dann vor, wenn die Beurtei-
lung umso besser ausfällt, je höher die hierarchische Position des Beurteilten ist [vgl. STEIN-
MANN/SCHREYÖGG 2005, S. 799].
Beurteiler können durch die Projektion ihres persönlichen Wertesystems zu einer Fehl-
einschätzung gelangen. In diesem Fall übertragen sie Vorstellungen und Erwartungen, die sie
bei sich selbst wahrnehmen, unreflektiert auf andere.
Zu den intrapersonellen Einflüssen zählen schließlich noch Tendenzfehler, die aus den unter-
schiedlichen Beurteilungsgewohnheiten des Beurteilenden resultieren:
x Bei der Tendenz zur Milde (Milde-Effekt) neigt der Beurteilende dazu, generell keine
negativen Aussagen über die Beurteilten zu machen. Der Milde-Effekt tritt empirischen
Untersuchungen zur Folge dann verstärkt auf, wenn die Beurteilung für Beförderungs-
zwecke durchgeführt wird [vgl. STEINMANN/SCHREYÖGG 2005, S. 799].
x Im Gegensatz dazu steht die Tendenz zur Strenge (Strenge-Effekt), bei der der Beurtei-
lende aufgrund seines sehr hohen individuellen Anspruchsniveaus gute oder sehr gute
Leistungen als normal ansieht.
x Eine Tendenz zur Mitte (Zentraltendenz) liegt dann vor, wenn bei der Beurteilung einer
Person positive und negative Extremurteile vermieden werden. Der vorsichtige Beurtei-
lende nimmt eine Maßstabsverschiebung derart vor, dass er überproportional häufig mitt-
lere Urteilswerte über seine Mitarbeiter abgibt.
Interpersonelle Einflüsse liegen in der Beziehung zwischen den Beteiligten der Personalbeur-
teilung begründet und können ebenfalls zu Wahrnehmungsverzerrungen führen. Diese Ein-
flüsse können sich als Sympathie oder Antipathie bemerkbar machen [vgl. JUNG 2006, S. 764
f.].
x Bedeutsam ist der sogenannte Halo- oder Überstrahlungseffekt, bei dem die beurteilen-
de Person von einer prägnanten Eigenschaft bzw. einem spezifischen Verhalten auf ande-
re Merkmale des Beurteilten schließt.
x Der Kontakt-Effekt besagt, dass die Beurteilung eines Mitarbeiters umso besser ausfällt,
je häufiger er Kontakt mit dem Beurteilenden hat.
x Der Recency-Effekt drückt aus, dass der Beurteilende bei der Bewertung speziell auf
Ereignisse, die erst kürzlich stattgefunden haben, abzielt.
5.6 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness 501
Zu den vorbereitenden Maßnahmen einer Personalbeurteilung gehört die Auswahl und Fest-
legung der Beurteilungskriterien. Unter der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Beurtei-
lungskriterien lassen sich folgende Hauptgruppen einteilen (siehe Abbildung 5-31):
x Systematisierung nach den Bezugsgrößen,
x Systematisierung nach dem zeitlichen Horizont und
x Systematisierung nach dem Grad der Quantifizierung.
Verhaltensorientierung Vergangenheitsbezogen
Quantitative Kriterien
(Leistungen, Ergebnisse)
Leistungsorientierung
Zukunftsbezogen (Potentiale) Qualitative Kriterien
Erfolgsorientierung
Gegenstand der
Arbeitsverhalten Arbeitsleistung Arbeitsergebnis
Beurteilung
Besondere Aufmerksamkeit sollte das Personalmanagement den „Solid Performers“ und den
„Promotable Performers“ widmen. Bei diesen Personengruppen besteht offensichtlich der
größte Personalentwicklungsbedarf. Die „Solid Performers“ erbringen zwar eine gute Leis-
tung im Hinblick auf die an sie gestellten Anforderungen; sie verfügen aber über keine hohe
Entwicklungsfähigkeit. „Promotable Performers“ verfügen über ein hohes Entwicklungs-
potenzial, das aber durch das bisherige Aufgabengebiet nicht ausgeschöpft wird.
Durch geeignete Entwicklungsmaßnahmen, die einerseits den Bindungswillen erhöhen und
andererseits Karrieremöglichkeiten aufzeigen, ließen sich beide Personengruppen entspre-
chend motivieren. Insgesamt ermöglicht die Leistungs-Potenzial-Matrix eine Analyse der Ist-
Situation über die Leistungs- und Potenzialträger im Unternehmen. Vorhandene und zukünf-
tig zu erwartende quantitative und qualitative Ungleichgewichte in der Mitarbeiterstruktur
lassen sich auf diese Weise aufzeigen [vgl. KOSUB 2009, S. 112].
Die oben beschriebene Matrix ist auch gleichzeitig Teil umfassender Performance-
Measurement-Systeme, die zwischenzeitlich Einzug in viele, vor allem größere Unterneh-
men gehalten haben. In solche Systeme fließen neben den Leistungs- und Potenzialbeurtei-
lungen der Mitarbeiter auch Projekt- und Kundenbeurteilungen sowie eine Vielzahl von
Kennziffern (z. B. über Fluktuation, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit u. ä.) ein. Sie die-
nen neben der Performance-Messung von Mitarbeitern auch zur Beurteilung der Leistungsfä-
higkeit von Abteilungen und Unternehmensbereichen [zur grundsätzlichen Ausgestaltung von
Performance-Measurement-Systemen siehe GRÜNING 2002].
Als zentrales Element der Personalbeurteilung gilt die Jahresendbeurteilung (engl. Year-
End-Review). Sie ist in vielen Unternehmen Grundlage für die Bestimmung der Höhe des
variablen Gehaltsanteils, für evtl. Vergütungserhöhungen sowie für Beförderungen (engl.
Promotions) im Rahmen des Grading-Systems.
Leistung
(Performance)
Leistungsschwache
gering Entwicklungspotenzialträger
Mitarbeiter
(Promotable Performer)
(Marginal Performer)
gering hoch
Potenzial
Als Praxisbeispiel soll hier die Vorgehensweise und Struktur des Year-End-Reviews des Be-
ratungsunternehmens CAPGEMINI angeführt werden. Neben der Performance- und der Poten-
zialbeurteilung als Soll-Ist-Vergleich wird bei diesem Year-End-Review mit dem sogenann-
ten Skill-Level, das die Verweildauer des Mitarbeiters auf einer Karrierestufe (engl. Time in
504 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Insert
Grundlage für den Jahresendprozess (engl. Year • Performance mit den Ausprägungen „excellent“
End Review) ist die Zielvereinbarung, die Anfang (1), „exceeds“ (2), „met expectations“ (3),
eines jeden Geschäftsjahres zwischen Mitarbeitern „improvement desired“ (4) und „did not meet
und Vorgesetzten verabschiedet wird. Sie orientiert expectations“ (5),
sich an den vorgegebenen Standardzielen pro Grade • Potential mit den Ausprägungen „high potential“ (A),
(Karrierestufe). Diesen Standardzielen liegen – ne- „steady growth“ (B), „steady“ (C) und „at risk“ (D) und
ben individuellen Zielen wie Auslastung, Sales-Bei- • Time in Grade mit den Ausprägungen „mastery“,
trag, Delivery-Volumen etc. – vier Verhaltensdimen- „skilled“ und „entry“.
sionen zu Grunde: Nur diejenigen Mitarbeiter, die in dieser Darstellung
• Managementverhalten, gleichzeitig den Bereichen Mastery, Performance 1
• Führungsverhalten, bis 3 und Potential A und B zugeordnet sind, können
• Teamverhalten und befördert und beim nächsten Review im Grade n+1
• kundenorientiertes Verhalten. geführt werden. Bei der Kalibrierung ist ferner darauf
Die Führungskraft (der Vorgesetzte/Mentor) verdich- zu achten, dass die zu beurteilenden Mitarbeiter hin-
tet diese Kriterien zu einem Gesamteindruck, der sichtlich der Performance-Beurteilung gleichverteilt
dann im Year-End-Review einem Peer-Vergleich eingestuft werden. D. h. der Performance-Wert muss
gestellt wird. In diesem Peer-Vergleich werden alle für alle Mitarbeiter im Durchschnitt dem Normal-Wert
Mitarbeiter der gleichen Karrierestufe (Grade) gegen- „Met expectations“ (= 3) entsprechen. Die derart vor-
einander kalibriert (siehe Abbildung). Dies geschieht genommene Kalibrierung wirkt in drei Richtungen:
anhand einer vorbereiteten Matrixdarstellung mit den Sie ist maßgebend für die Berechnung des variablen
drei Dimensionen Gehaltsanteils, für eine evtl. strukturelle Gehaltser-
höhung sowie für die Möglichkeit einer Beförderung.
Eine weitere Systematisierung kann anhand der Unterscheidung zwischen quantitativen und
qualitativen Kriterien erfolgen. Quantitative Beurteilungsgrößen sind eindeutig und objek-
tiv messbare Größen. Bei der objektiven Messung werden operationalisierbare und empirisch
überprüfbare Indikatoren verwendet, die eindeutig quantifizierbar sind. Beispiele für eine
Führungskraft bzw. einen Mitarbeiter im Vertriebsbereich sind:
x Erzieltes (Bereichs-)Ergebnis,
x Anzahl akquirierter Kunden,
x Anzahl durchgeführter Kundenbesuche,
x Erzielter Auftragseingang,
x Erzielter Umsatz,
x Anzahl Reklamationen,
x Fehlzeiten u.v.a.m.
In der Praxis werden Unternehmensziele zunehmend mit der von KAPLAN/NORTON [1992]
entwickelten Balanced Scorecard, in der quantitativ bewertbare Beurteilungskriterien formu-
liert werden, systematisiert und dann sukzessive auf Bereichs-, Abteilungs- und Mitarbeiter-
ebene herunter gebrochen (siehe auch 4.4.2.4). Grundgedanke der Balanced Scorecard ist die
Umsetzung von Visionen und Strategien des Unternehmens in operative Maßnahmen. Das
dazu entwickelte Kennzahlenraster der Balanced Scorecard umfasst insgesamt vier Dimensio-
nen:
x Finanzwirtschaftliche Dimension (Sicht des Aktionärs bzw. Investors),
x Kundenbezogene Dimension (Sicht des Kunden),
x Prozessbezogene Dimension (Sicht nach innen auf die Geschäftsprozesse) und
x Potenzialbezogene Dimension (Sicht aus der Lern- und Entwicklungsperspektive).
Für den Personalbereich besonders relevant ist die Lern- und Entwicklungsperspektive. Die
daraus resultierende Verbindung der klassischen Zielvereinbarung mit der Balanced Score-
card führt zwangsläufig dazu, auch in die Zielvereinbarung verstärkt quantitative Ziele als
sogenannte Key Performance Indicators (KPIs) zu übernehmen.
Durch die ganzheitliche Zielentwicklung kann jeder einzelne Mitarbeiter seinen Anteil am
Erreichen der Team-, Bereichs- und Gesamtunternehmensziele verfolgen. Wenn das strate-
gische Ziel des Unternehmens z.B. die Steigerung der Kundenzufriedenheit ist, könnte ein
Servicemitarbeiter als persönliches Ziel die Erhöhung der Anzahl seiner Kundenkontakte
ableiten.
Mit dieser Kopplung von Führungs- und Anreizsystemen ist eine wichtige Voraussetzung für
die Einführung von variablen, leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen gegeben. In
Kombination mit einem garantierten fixen Vergütungsanteil kann der variable Vergütungsan-
teil die erbrachten Leistungen angemessen honorieren. Die Höhe des variablen Entgeltbe-
standteils hängt dabei vom Ausmaß ab, mit dem die in der Balanced Scorecard definierten
Zielvorgaben bzw. Kennzahlen erreicht werden. Das variable Entgelt ist bei der beschriebe-
nen Vorgehensweise sowohl vom Grad der individuellen Zielerreichung als auch vom Erfolg
506 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
auf Gruppen- und Unternehmensebene abhängig. Die Kennzahlen der Balanced Scorecard
liefern dabei für alle drei Ebenen die entsprechenden Erfolgsindikatoren.
Eine Vielzahl von Untersuchungsmerkmalen bei der Bewertung von Führungskräften und
Mitarbeitern bezieht sich auf deren Fähigkeiten und Verhalten. Hierbei handelt es sich um
qualitative Bewertungskriterien, die sich einer eindeutigen und objektiven Messbarkeit ent-
ziehen. Die Beurteilung solcher qualitativen Größen unterliegt subjektiven Einflüssen, d. h.
die Bewertung kann von Beurteilendem zu Beurteilendem erheblich variieren [vgl. STOCK-
HOMBURG 2008, S. 311].
sen bzw. Entwicklungen seit der letzten Beurteilung begonnen werden. Die Besprechung ne-
gativer Ergebnisse sollte immer auf Grundlage gesicherter und sachlicher Informationen be-
ruhen und für den Beurteilten transparent sein. Schwächen dürfen nicht als unüberwindbar,
sondern immer nur in Verbindung mit Förderungsmöglichkeiten dargestellt werden. Als
Grundsatz gilt: keine negative Kritik ohne anschließende Handlungsimplikation. Ziel ist es,
zwischen den Beteiligten eine Einigung zu erzielen. Gelingt dies nicht, sollte dem Beurteilten
die Gelegenheit gegeben werden, seinen Widerspruch, der anschließend in schriftlicher Form
in die Personalakte eingeht, zu formulieren. Am Schluss des Gespräches sollten die wesentli-
chen Ergebnisse und die geplanten Aktionen noch einmal zusammengefasst werden. Der
Vorgesetzte sollte darauf achten, das Gespräch einvernehmlich ausklingen zu lassen.
508 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Die Qualifizierung von Mitarbeitern und Führungskräften stellt eine zentrale Voraussetzung
für Unternehmensberatungen dar, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Berater mit der
richtigen fachlichen Qualifikation und den richtigen sozialen und kommunikativen Kompe-
tenzen sowie die Managementqualitäten einer Führungskraft sind wesentliche Erfolgsfakto-
ren.
Somit gilt es, die Personalentwicklung und hier speziell die Führungskräfteentwicklung (engl.
Leadership Development) als viertes Aktionsfeld im Rahmen der Prozesskette Personalbin-
dung im Hinblick auf die Mitarbeiterforderung und -förderung zu optimieren (siehe Abbil-
dung 5-35):
Forderung und Förderung = f (Personalentwicklung) → optimieren!
Inhalte der Personalentwicklung sind zum einen die Vermittlung von Qualifikationen im Sin-
ne einer unternehmensgerechten Aus- und Weiterbildung (Forderung) und zum anderen Maß-
nahmen zur Unterstützung der beruflichen Entwicklung und Karriere (Förderung).
Wettbewerbs- Mitarbeiterkriterien
vorteil
Vom Mitarbeiter
• Produkte honorierter
• Leistungen + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung = Wettbewerbs-
• Fähigkeiten vorteil
• Know-how
• Kultur Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Internes
Personalmarketing
Mitarbeiter-
Aktionsfelder bindung
Sicht von
innen Personalbetreuung
© Dialog.Lippold
In Abbildung 5-36 ist der Zusammenhang zwischen Inhalten und generellen Zielen der Perso-
nalentwicklung dargestellt.
Bei Unternehmen lassen sich nach JUNG [2006, S. 250 f.] im Allgemeinen zwei Ansätze der
Personalentwicklung beobachten. Die eine Vorgehensweise versucht, die aktuellen Arbeits-
5.7 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung 509
Personalentwicklung
Bildung Karriere
Inhalt
Leadership
Ausbildung Weiterbildung Karriereplanung
Development
Die oben beschriebenen Ziele der Personalentwicklung können erst dann erreicht werden,
wenn die Leistungsanforderungen des jeweiligen Projektes den Qualifikationen des Beraters
entsprechen. Folglich ist eine genaue Kenntnis der Qualifikationen notwendig, um die Berater
in den richtigen Projekten einsetzen und gezielte Fördermaßnahmen durchführen zu können.
Da sich die Anforderungen an die funktionelle Flexibilität der Berater zunehmend erhöhen, ist
neben der fachlichen Qualifizierung ein besonderer Wert auf die Förderung der überfach-
lichen Qualifizierung zu legen, um die Berater mit umfassender Handlungskompetenz auszu-
statten.
In diesem Zusammenhang kommt dem Kompetenzmanagement eine besondere Bedeutung zu.
Es legt fest, welche Fähigkeiten und Verhaltensweisen verändert bzw. entwickelt werden sol-
len. Das Kompetenzmanagement weist in zwei Richtungen. Zum einen geht es darum, was
das Unternehmen oder die Unternehmenseinheit können muss, um seine/ihre Ziele zu errei-
chen (organisationale Kompetenz). Zum anderen sind die Fähigkeiten, Kenntnisse und Ver-
haltensweisen gefragt, die der Berater benötigt, um seine individuellen Anforderungen (im
Sinne der gesetzten Ziele) zu bewältigen (rollenbezogene Kompetenz). Im Allgemeinen wer-
den dabei folgende drei Kompetenzfelder angesprochen: fachliche, soziale und methodische
Kompetenzen [vgl. LIPPOLD 2010, S. 25].
Unter der fachlichen Kompetenz werden alle Fähigkeiten und Kenntnisse eines Beraters zu-
sammengefasst, die sich auf ein bestimmtes Aufgabengebiet beziehen. Hierzu zählen spezifi-
sche Branchenkenntnisse ebenso wie funktionale Kenntnisse im Bereich des Rechnungswe-
sens, des Marketings etc. Die fachliche Kompetenz ist also stark vom jeweiligen Umfeld der
Beratungsprojekte abhängig.
Die soziale Kompetenz beschreibt, in wieweit ein Berater in der Lage ist, sich in die Organi-
sation durch Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft positiv einzubringen.
Teamfähigkeit und Einfühlungsvermögen sind weitere Indikatoren für eine hohe Sozialkom-
petenz, die für die berufliche Entwicklung auf allen Unternehmensebenen von Bedeutung ist.
Methodische Kompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit, bestimmte Aufgabenstellungen mit
einem methodisch-systematischen Vorgehen zu bewältigen. Projektmanagement, Präsentati-
ons- und Moderationstechniken aber auch die Fähigkeit, innovative Ideen einzubringen sind
beispielhaft für diese Kategorie zu nennen.
Aufbauend auf diesen Kompetenzfeldern entwickeln Unternehmensberatungen eigene Kom-
petenzmodelle, die den jeweiligen spezifischen Organisationsanforderungen entsprechen.
5.7 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung 511
Ebenso sind die Kompetenzfelder inhaltliche Grundlage für die Darstellung von Rollen, Kar-
rierepfaden und Leadership Development-Programmen.
Die Personalentwicklung greift bei der Ermittlung des Entwicklungsbedarfs zwangsläufig auf
die Ergebnisse der Personalbeurteilung zurück. Qualifikations- und Kompetenzdefizite, die in
der Beurteilung aufgezeigt werden, sind der Ausgangspunkt für die Entwicklungsziele und -
inhalte. Lag bislang in vielen Unternehmensberatungen der Schwerpunkt im Bereich der Aus-
bildung, wird heute auch der Weiterbildung eine angemessene Priorität eingeräumt. Zu die-
sem Zweck gründen vor allem größere Unternehmensberatungen eigene Trainingszentren.
5.7.3 Führungskräfteentwicklung
In Abbildung 5-37 ist beispielhaft eine Typologie weiblicher und männlicher Führungs-
kräfte aufgeführt. Nach diesem Ansatz werden berufliche, persönliche und familiäre Kriteri-
en zur Typenbildung herangezogen [vgl. STOCK-HOMBURG, S. 204 ff.].
Die Führungskräfteentwicklung ist bei vielen Unternehmen in den Mittelpunkt aller Personal-
entwicklungsmaßnahmen, teilweise sogar des gesamten Personalmarketings gerückt. Ob als
Talents, High Potentials oder als Leaders of Tomorrow bezeichnet, nahezu alle größeren und
international agierenden Unternehmen entwerfen derzeit Programme, um die Zielgruppe der
Führungsnachwuchskräfte adäquat fördern und binden zu können.
Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Führungskräfteentwicklung kommt dem Aus-
landseinsatz zu. Er wird gewählt, wenn eine Karriere durch den Aufbau internationaler beruf-
licher Erfahrung angestrebt wird. Im Vordergrund stehen der Erwerb und die Vertiefung von
Sprachkenntnissen und das Kennenlernen ausländischer Geschäftspraktiken und Verhaltens-
weisen. Je nach Zielsetzung kann der Auslandseinsatz zwischen wenigen Wochen und mehre-
ren Jahren dauern.
Im Rahmen der Vermittlung von Führungsverhaltensweisen sind folgende feedbackbasierte
Methoden zur Persönlichkeitsentwicklung zu nennen:
x Coaching und
x Mentoring.
5.7.3.1 Coaching
Coaching ist ein Mittel zur Förderung der Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern
und vereinfacht in der Regel dadurch angestoßene Veränderungsprozesse. Es wird auf Basis
einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz gekennzeichneten Beratungsbeziehung –
gesteuert durch einen dafür qualifizierten Coach (m/w) - in mehreren freiwilligen und vertrau-
lichen Sitzungen abgehalten. Der Coach zieht für die einzelnen Sessions diverse Gesprächs-
techniken und seine professionelle Erfahrung heran, um den Coachee (m/w) dabei zu unter-
stützen, dessen gesetzten Ziele zu erreichen. Klassisches Coaching wird immer als Begleit-
prozess verstanden. Der Coachee als Partner auf Augenhöhe legt seine Ziele selbst fest und
führt Lösungen (Veränderungen) eigenständig herbei. Ein professioneller Coaching-Prozess
ist jederzeit transparent zu gestalten. Der Coach bespricht mit dem Coachee die Vorgehens-
weise, erklärt Techniken und Tools und beendet jede Sitzung mit der Möglichkeit zu beidsei-
tigem Feedback. Ein Coaching kann generell nur dann erfolgreich sein, wenn der Wunsch
nach Unterstützung und die Änderungsbereitschaft beim Coachee vorhanden sind.
Ging man in der Vergangenheit überwiegend von defizitär veranlassten Coachings aus (Nega-
tivanlass: Behebung einer bestimmten Problemsituation und dadurch Erreichung von gesetz-
ten Leistungsstandards) setzen sich heute verstärkt der Potential- sowie der Präventivansatz
durch. Unter dem Potenzialansatz versteht man die effektive Nutzung vorhandener, aber
noch nicht ausgeschöpfter Potenziale, oder sogar erst deren Entdeckung. Beim Präventivan-
satz des Coachings sollen bestimmte, als störend empfundene Verhaltensweisen oder Situati-
onen in Zukunft vermieden werden.
5.7.3.2 Mentoring
Im Gegensatz zum Coaching ist Mentoring geprägt durch seinen losen Beziehungscharakter,
d.h. es besteht kein wie auch immer gearteter Vertrag zwischen den Gesprächsparteien. Der
5.7 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung 513
Mentor zeichnet sich durch einen gewissen Erfahrungsvorsprung gegenüber dem Mentee
(m/w) aus und berät diesen losgelöst von disziplinarischer Weisungsbefugnis. Für die konkre-
te Auswahl eines passenden Mentors für einen neu an Bord kommenden Mitarbeiter bedeutet
dies, dass der Vorgesetzte nie gleichzeitig auch Mentor sein kann. Der Vorteil an dieser Kons-
tellation liegt darin, dass der Mentee so immer eine Anlaufstelle hat, falls es Probleme oder
Herausforderungen gibt, die nicht mit dem Vorgesetzten besprochen werden können oder
wollen. Mentoring zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Mentee und Mentor freiwillig
miteinander arbeiten. Beim Mentoring handelt es sich um einen langfristig angelegten Ent-
wicklungsprozess, während das klassische Coaching nach einem halben, maximal einem Jahr
seinen Abschluss findet. Im Idealfall arbeiten Mentor, Mentee und Vorgesetzter konstruktiv
miteinander, tauschen sich aus, beraten sich und bringen das Potenzial des Mentees gemein-
sam zur Entfaltung.
Mentoring als unterstützende Lernbeziehung hat das Ziel, Wissen und Erfahrung auszutau-
schen und weiterzugeben. Ferner hilft Mentoring beim Ausbilden von Führungsqualitäten und
der Leistungssteigerung. Die Partnerschaft zwischen Mentor und Mentee ist idealerweise ge-
prägt von professioneller Freundschaft, der Mentee empfindet das Mentoring als geschützten
Raum, indem er auch seine Ängste und Nöte preisgeben kann. Nicht zuletzt ist der Mentor
aufgerufen, seinem Mentee ein Stück weit den Weg zu ebnen, indem er ihn z.B. seinem per-
sönlichen Netzwerk zuführt oder ihn mit erfahrenen, langjährigen Firmenmitgliedern bekannt
macht.
Es ist eine Tatsache, dass Frauen aus familiären Gründen häufiger Abstriche in Bezug auf den
eigenen Beruf und die eigene Karriere machen als Männer. Besonders die High Potentials
unter den weiblichen Arbeitnehmern werden immer wichtiger und damit begehrter für die
Unternehmensberatungen. Um Frauen an das Unternehmen zu binden und besser zu integrie-
ren, sollten Beratungsunternehmen neben einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeits-
zeiten gezielt auf die Förderung der Karriere von weiblichen Arbeitnehmern achten.
Es geht aber nicht nur darum, auf welche Personalentwicklungsmaßnahmen Frauen am besten
ansprechen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass mehr Frau-
en die Teilnahme an solchen Maßnahmen ermöglicht wird. So werden Weiterbildungen häu-
fig nicht für Teilzeitstellen angeboten, obwohl gerade diese vielfach von Frauen besetzt sind.
Fortbildungen, die weit entfernt vom Arbeitsplatz oder Wohnort durchgeführt werden oder
gar eine Übernachtung erfordern, sind zumeist Ausschlusskriterien für berufstätige Mütter.
514 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Wettbewerbs- Mitarbeiterkriterien
vorteil
Vom Mitarbeiter
• Produkte honorierter
• Leistungen + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung = Wettbewerbs-
• Fähigkeiten vorteil
• Know-how
• Kultur Personal- Personal- Personal- Personal- Personal-
vergütung führung beurteilung entwicklung freisetzung
Internes
Personalmarketing
Mitarbeiter-
Aktionsfelder bindung
Sicht von
innen Personalbetreuung
© Dialog.Lippold
Die Freisetzung personeller Kapazitäten kann verschiedene Ursachen haben. Einige von ihnen
lassen sich weitgehend vorhersagen und ermöglichen somit eine frühzeitige und antizipative
Planung des Freisetzungsbedarfs. Im Rahmen einer solchen antizipativen Personalfreisetzung
wird versucht, das Entstehen von Personalüberhängen frühzeitig zu prognostizieren und ent-
sprechende Maßnahmen einzuleiten. So können vorübergehende oder vorhersehbare Auf-
5.8 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung 515
tragsrückgänge verstärkt für Aktivitäten im Bereich der Personalentwicklung sowie für Ur-
laub oder Betriebsferien genutzt werden. Andere Entwicklungen sind weitgehend unvorher-
sehbar wie z. B. konjunkturelle Einbrüche oder die Nichtverlängerung von Großaufträgen und
erlauben nur eine reaktive Planung der Personalfreisetzung [vgl. SCHOLZ 2011, S. 490].
Neben diesen unternehmens- oder konjunkturell bedingten Ursachen existieren grundsätzlich
aber auch mitarbeiterbezogene Gründe der Personalfreisetzung. Diese Ursachen können im
Verhalten oder in der Person (z. B. mangelnde Fähigkeiten) des Mitarbeiters begründet sein
[vgl. JUNG 2006, S. 315].
Notwendige Maßnahmen der Personalfreisetzung sind in jedem Fall möglichst frühzeitig ein-
zuleiten. Nur so lässt sich eine bestmögliche Anpassung der bestehenden Arbeitsverhältnisse
an die veränderten Rahmenbedingungen erreichen. Auf einschneidende Maßnahmen sollte
dabei möglichst verzichtet werden. Kann allerdings auf schwerwiegende Einschnitte nicht
verzichtet werden, ist auf die sozialverträgliche Ausgestaltung der Freisetzung zu achten, so
dass negative Folgen für den betroffenen Arbeitnehmer gemildert werden können. Eine früh-
zeitige Information der betroffenen Mitarbeiter und des Betriebsrats ist gemäß § 102 BetrVG
obligatorisch. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirk-
sam [vgl. SCHOLZ 2011, S. 496].
Personalfreisetzung ist nicht in jedem Fall gleichzusetzen mit einer Kündigung; sie besagt
lediglich, dass ein weiterer Verbleib des Stelleninhabers auf seiner jetzigen Position auszu-
schließen ist. So sind Personalfreisetzungen auch über die Änderung bestehender Arbeits-
rechtsverhältnisse realisierbar. Man kann somit zwischen einer Personalfreisetzung mit und
ohne Personalabbau unterscheiden. Eine Freisetzungsmaßnahme mit Personalabbau ist z. B.
die Entlassung von Mitarbeitern. Der Abbau von Überstunden oder die Einführung der Kurz-
arbeit stellt dagegen eine Maßnahme ohne Bestandsreduktion dar (siehe Abbildung 5-39).
Personalflexibilisierung
Anpassung personeller Ressourcen
an einen bestimmten Personalbedarf
Indirekte Direkte
Versetzung Arbeitszeitverkürzung
Personalfreisetzung Personalfreisetzung
Änderung bestehender Änderung bestehender Keine Änderung beste- Beendigung beste-
Arbeitsverträge Arbeitsverträge hender Arbeitsverträge hender Arbeitsverträge
• Horizontale Versetzung • Teilzeit • Einstellungsstopp • Aufhebungsvertrag
• Vertikale Versetzung • Abbau von Mehrarbeit/ (Abfindung)
• Nicht-Verlängerung
Überstunden • Vorruhestand
befristeter
• Altersteilzeit
• Kurzarbeit Arbeitsverträge
• Kündigung
• Nicht-Verlängerung
von Personalleasing-
Verträgen
5.8.2.1 Versetzung
5.8.2.2 Arbeitszeitverkürzung
Darüber hinaus bekommt die Teilzeitbeschäftigung wegen der Diskussion über die Frauen-
quote eine neue Qualität. Für Frauen, die in Führungspositionen drängen, muss die Balance
zwischen Beruf und Privatleben (Kindererziehung) verbessert werden. Hier bietet die Teilzeit
häufig die einzige Möglichkeit.
Teilzeitarbeit ist ein Mittel für Arbeitgeber, schnell auf unterschiedliche Arbeitsaufkommen
zu reagieren. Mit diesen Schwankungen richtig umzugehen, wird immer häufiger zu einer
wettbewerbsentscheidenden Frage. Zudem ermöglicht Teilzeitarbeit vielen Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmern, mehr Zeit mit der Familie, mit Freunden, Hobbies, ehrenamtli-
chen Tätigkeiten und sozialem Engagement zu verbringen.
Die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ist die traditionelle und bisher immer noch am meis-
ten praktizierte Form der Teilzeitarbeit. Bei dem aus den USA stammenden Job Sharing wird
Teilzeitarbeit geschaffen, indem sich zwei oder mehrere Arbeitnehmer einen Vollzeitarbeits-
platz teilen. Von der klassischen Form der Teilzeitarbeit unterscheidet sich Job Sharing da-
durch, dass der Arbeitnehmer innerhalb bestimmter Grenzen über seinen Tagesablauf frei ver-
fügen kann. So sind feste Einsatzzeiten lediglich für das Job Sharing-Team als Ganzes vorgege-
ben [vgl. BISANI 1995, S. 39].
Als besonders attraktive Form der Arbeitszeitflexibilisierung ist das Zeitwertkonto einzustu-
fen. Hierbei handelt es sich um ein Arbeitszeitkonto, in das der Berater Arbeitsentgelt oder
Arbeitszeit einbringen kann, um es damit beispielsweise zur Verlängerung des Erziehungsur-
laubs, für eine Fortbildung, für einen vorzeitigen Ruhestand oder für die Teilzeitarbeit zu nut-
zen. Auch die Umwandlung des Wertguthabens in eine betriebliche Altersversorgung kommt
bei einer entsprechenden Vereinbarung in Betracht. Einer repräsentativen Umfrage aus dem
Jahr 2008 zur Folge gaben 12 Prozent aller befragten Unternehmen (n = 1.710) an, Langzeit-
konten für ihre Mitarbeiter zu führen [vgl. HILDEBRANDT et al. 2009, S. 54].
Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler
Arbeitszeitregelungen („Flexi II“), das am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, haben Zeit-
wertkonten weiter an Attraktivität und Verbreitung gewonnen. Nicht nur der Arbeitnehmer
sondern auch der Arbeitgeber profitiert von einer flexibleren Ausgestaltung der Arbeitszeiten
über einen längeren Zeitraum hinweg. Betriebsbedingte Kündigungen und die damit einher-
gehenden Kosten für Abfindungen und Sozialpläne lassen sich so leichter vermeiden [siehe
auch KÜMMERLE et al. 2006, S. 1 f.].
518 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Bei Kurzarbeit wird die betriebsübliche Arbeitszeit ebenfalls vorübergehend reduziert. Sie
stellt somit eine Abkehr vom Normalzustand dar und führt zu einer Verringerung der Perso-
nalkosten einerseits und zu unfreiwilligen Verdiensteinbußen der Beschäftigten andererseits.
Eine Reduktion des Mitarbeiterbestandes findet dagegen nicht statt. Kurzarbeit ist eine Frei-
setzungsmaßnahme, bei der zahlreiche rechtliche Grundlagen zu beachten sind und die durch
das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geregelt wird. Neben rechtlichen Voraussetzungen bedarf
es zur Einführung von Kurzarbeit der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 BetrVG). Um
den betroffenen Mitarbeitern ihre Arbeitsplätze zu erhalten, wird der Einkommensausfall der
Arbeitnehmer gemäß § 63 AFG in Form von Kurzarbeitergeld teilweise von der Bundesagen-
tur für Arbeit ausgeglichen) [vgl. STOCK-HOMBURG 2008, S. 227].
Lässt sich eine Personalbestandsreduktion nicht vermeiden, so hat der Arbeitgeber prinzipiell
die Wahl zwischen indirekten und direkten Personalfreisetzungsmaßnahmen. Die indirekte
Freisetzung zielt auf einen Personalabbau ab, ohne dass bisherige Arbeitsverhältnisse davon
berührt werden. Die direkte Personalfreisetzung ist dagegen immer mit einer Beendigung be-
stehender Arbeitsverhältnisse verbunden.
Zu den Maßnahmen der indirekten Personalfreisetzung, bei denen es sich um eine Personal-
flexibilisierung durch Umgehung der Arbeitgeberverantwortung handelt, zählen
x Einstellungsbeschränkungen,
x Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge sowie
x Nichtverlängerung von Personalleasing-Verträgen.
Kann eine Unternehmensberatung trotz des Einsatzes arbeitsverkürzender Maßnahmen seine
Arbeitnehmer im bestehenden, zahlenmäßigen Umfang nicht halten, so bietet es sich an, die
natürliche Fluktuation durch Einstellungsbeschränkungen zu nutzen. Einstellungsbeschrän-
kungen können einen generellen Einstellungsstopp, einen qualifizierten Einstellungsstopp
(Begrenzung auf bestimmte Bereiche) oder einen modifizierten Einstellungsstopp (besonders
intensive Prüfung der Einstellung neuer Mitarbeiter) bedeuten [vgl. STOCK-HOMBURG 2008,
S. 235].
Einstellungsbeschränkungen werden i. d. R. befristet angesetzt, da ansonsten negative Aus-
wirkungen zu erwarten sind. So besteht die Gefahr des Imageverlustes als Arbeitgeber, der
Verschlechterung der Alters- und Qualifikationsstruktur sowie einer allgemeinen Verunsiche-
rung bei den Mitarbeitern, die dazu führen kann, dass qualifizierte Mitarbeiter einen Unter-
nehmenswechsel anstreben und weniger qualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen verbleiben
[vgl. JUNG 2006, S. 324].
Eine weitere indirekte Maßnahme der Personalfreisetzung ist die Nichtverlängerung befris-
teter Arbeitsverträge. Sie stellt ebenfalls eine Möglichkeit dar, die Flexibilität im Personal-
bereich zu erhöhen. Befristete Arbeitsverhältnisse räumen dem Arbeitgeber grundsätzlich
Flexibilitätsspielräume ein. Beide Vertragsparteien vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis
5.8 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung 519
nach einer bestimmten Zeit automatisch endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Inner-
halb der Befristung sind Kündigungen von beiden Seiten nur bei schwerwiegenden Gründen
möglich. Ein befristetes Arbeitsverhältnis bedarf eines sachlich gerechtfertigten Grundes. Es
kann zwischen einer Zeit- und einer Zweckbefristung unterschieden werden. Eine Zeitbefris-
tung liegt vor, wenn die Dauer des Arbeitsverhältnisses auf einen begrenzten Zeitraum be-
schränkt ist (z.B. Zeitarbeitsvertrag für Saisonarbeit im Gaststättengewerbe). Bei einer
Zweckbefristung ergibt sich die Dauer des Arbeitsverhältnisses aus der Erfüllung einer Ar-
beitsleistung (z.B. zweckbestimmter Arbeitsvertrag für die Dauer eines IT-Umstellungs-
projektes) (§15 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG). Generell können befristete
Verträge bis zu einer Dauer von zwei Jahren geschlossen werden. Bis zu dieser Gesamtdauer
ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig
[vgl. SPRINGER/SAGIRLI 2006, S. 39].
Eine weitere Maßnahme der indirekten Personalfreisetzung ist die Nichtverlängerung von
Personalleasing-Verträgen. Beim Personalleasing stellt der Leasing-Geber Leiharbeitneh-
mer („Leiharbeiter“) – unter Aufrechterhaltung eines geschlossenen Arbeitsvertrages – einem
Dritten (Leasing-Nehmer) zur Verfügung (§1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG). Der
Leasing-Geber erhält für die zeitlich befristete Bereitstellung von Leiharbeitnehmern eine
entsprechende Vergütung vom Leasing-Nehmer. Der Leasing-Geber übernimmt als Arbeitge-
ber sämtliche Arbeitgeberpflichten, insbesondere übernimmt er die Vergütung und den Ar-
beitgeberanteil an der Sozialversicherung. Der Leasing-Nehmer schließt mit dem Leasing-
Geber einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Mit diesem Vertrag erhält der Leasing-
Nehmer ein Weisungsrecht gegenüber dem Leiharbeitnehmer. Gleichzeitig meldet der Lea-
sing-Nehmer Beginn und Ende der Leiharbeit bei der Krankenkasse des Leiharbeitnehmers
an. Im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und im Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers sind
die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben und die zulässigen Einsatzorte anzugeben. Für den Lea-
sing-Nehmer ist die Kündigung oder die Nichtverlängerung eines Leasingvertrages eine rela-
tiv problemlose Freisetzungsmaßnahme. Für den Leiharbeitnehmer bedeutet diese Maßnahme
keine Entlassung, da er mit dem Leasing-Geber einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat [vgl.
STOCK-HOMBURG 2008, S. 237 f.].
Für die Unternehmensberatung kommt eine Zusammenarbeit mit Personalleasing-Firmen zu-
meist nur bei der Besetzung von Stellen in den zentralen Diensten (engl. Enabling) in Be-
tracht.
Direkte Maßnahmen der Personalfreisetzung zielen darauf ab, einen relativ kurzfristigen Per-
sonalabbau herbeizuführen. Im Vordergrund steht dabei die Beendigung bestehender Arbeits-
verhältnisse. Folgende Maßnahmen sollen näher betrachtet werden:
x Aufhebungsvertrag,
x Outplacement,
x Vorruhestand/Altersteilzeit sowie
x Entlassung/Kündigung.
520 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Lässt sich eine Personalbestandsreduktion nicht vermeiden, so ist eine positive Förderung des
freiwilligen Ausscheidens durch einen Aufhebungsvertrag einer arbeitgeberseitigen Kündi-
gung in aller Regel vorzuziehen. Bei einer Aufhebungsvereinbarung verständigen sich Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer in gegenseitigem Einvernehmen, den Arbeitsvertrag zu einem
bestimmten Zeitpunkt aufzulösen. Die Initiative geht hierbei i. d. R. vom Arbeitgeber aus und
muss begründet werden. Das Einverständnis eines Arbeitnehmers zu einem Aufhebungsver-
trag wird in der Regel über die Vereinbarung einer Abfindungssumme erreicht. Das Unter-
nehmen kann Aufhebungsverträge gezielt anbieten, so dass die Möglichkeit besteht, die Al-
ters- und Qualifikationsstruktur zu lenken und zu verbessern [vgl. JUNG 2006, S. 326].
Im Rahmen der Aufhebungsvereinbarung kann auch ein Outplacement vereinbart werden,
das zusätzliche Leistungen wie Beratung und Hilfe bei der Suche nach einer neuen Stelle be-
inhaltet. Outplacement, das im angloamerikanischen Raum bereits seit Ende der 60er Jahre
praktiziert wird, findet in Deutschland erst seit einigen Jahren zunehmende Verbreitung. Häu-
fig wird ein Beratungsunternehmen mit der Betreuung der direkt betroffenen Arbeitnehmer
beauftragt. Der Schwerpunkt des Outplacement-Prozesses liegt auf der beruflichen Neuorien-
tierung und Weiterentwicklung des betroffenen Mitarbeiters. Die Beratung kann auf einen
Arbeitnehmer beschränkt sein, sie kann aber auch für mehrere Personen erfolgen. Ein Grup-
pen-Outplacement bietet die Möglichkeit, eine qualifizierte Trennungsberatung zu einem rela-
tiv günstigen Preis für einen größeren Adressatenkreis nutzbar zu machen. Ein individuelles
Outplacement wird i. d. R. bei Führungskräften bevorzugt. Das Outplacement bringt aber
auch einige wesentliche Vorteile für das Unternehmen mit sich. So können zeit- und kosten-
aufwendige Arbeitsgerichtsprozesse ebenso vermieden werden wie ein etwaiger Imageverlust
des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Auch unterbleiben beim Outplacement zumeist nega-
tive Auswirkungen auf die verbleibenden Mitarbeiter [vgl. STOCK-HOMBURG 2008, S. 230].
Der Vorruhestand bzw. die vorgezogene Pensionierung soll älteren Arbeitnehmern das vor-
zeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ermöglichen und damit Arbeitsplätze für junge
Arbeitnehmer freimachen. Neben dem Abbau von Überkapazitäten kann somit auch eine Her-
absetzung des Durchschnittsalters erreicht werden. Der Vorruhestand ist für die Betroffenen
nur dann von Interesse, wenn für sie dadurch keine wesentlichen materiellen Nachteile er-
wachsen. Vor diesem Hintergrund setzen Unternehmen Anreize in Form von Abfindungen
bzw. betrieblicher Altersvorsorge [vgl. JUNG 2006, S. 326 und STOCK-HOMBURG 2008,
S. 229].
Eine besonders bevorzugte Form des „sanften“ Vorruhestands ist die Altersteilzeit, die so-
wohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber eine ganze Reihe von (primär steuerlichen) Vor-
teilen beinhaltet. Die Altersteilzeit, deren Durchführung im Altersteilzeitgesetz (AltTZG) ge-
regelt wird, soll Beschäftigten, die mindestens das 55. Lebensjahr vollendet haben, einen glei-
tenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Mit dieser Regelung ist
gleichzeitig eine neue Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitslose verbunden, die für den
freiwerdenden Arbeitsplatz eingesetzt werden [vgl. JUNG 2006, S. 325].
Das Modell der Altersteilzeit sieht vor, dass die bisherige Arbeitszeit des Arbeitnehmers hal-
biert wird. Wie dann die Arbeitszeit während der Altersteilzeit verteilt wird, können Arbeit-
nehmer und Arbeitgeber frei vereinbaren. Grundsätzlich werden zwei Modelle praktiziert:
Das Gleichverteilungsmodell sieht eine schrittweise Reduktion der Arbeitszeit vor (z.B. erstes
5.8 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung 521
Jahr 100 Prozent Arbeitszeit, zweites Jahr 80 Prozent, drittes Jahr 60 Prozent usw.). Bei der
neueren und heute fast ausschließlich genutzten Form des Block-Modells werden zwei gleich
lange Zeitblöcke gebildet: eine Vollarbeitszeitphase und eine anschließende Freistellungspha-
se. Während der gesamten Altersteilzeit zahlt der Arbeitgeber 50 Prozent des bisherigen Ge-
halts plus gesetzlich geregelte Aufstockungsbeträge, unabhängig davon, wie die Arbeitszeit
verteilt wird (siehe Abbildung 5-40).
Arbeitszeit in %
Bruttovergütung in %
Vollarbeitszeitphase
100%
100%
Arbeitszeit im Blockmodell
80%
70%
60% Aufstockungsbetrag
(mind. 20%)
50%
40% Grundvergütung
(50%)
Arbeitszeit im
Gleichverteilungsmodell
(Beispiel) 20%
0% Zeit
Freistellungsphase
Lässt sich eine Aufhebungsvereinbarung nicht ermöglichen, so ist die Kündigung der letzte
in Betracht kommende Weg zum Personalabbau. Die Kündigung stellt die bedeutsamste Art
der Beendigung von Arbeitsverhältnissen dar. Bestehende Arbeitsrechtsverhältnisse sind in
Deutschland durch Vorschriften in verschiedenen Gesetzen sowie durch Tarifverträge und
Betriebsvereinbarungen geschützt. Bei Personalfreisetzungen durch Aufhebung des Arbeits-
verhältnisses sind besonders das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und Teile des Betriebs-
verfassungsgesetzes (BetrVG) von Bedeutung. Grundsätzlich ist eine Entlassung von Arbeit-
nehmern, die mindestens seit sechs Monaten im Unternehmen beschäftigt sind, nur dann mög-
lich, wenn gewichtige Gründe in der Person bzw. im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen
oder wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen
[vgl. SPRINGER/SAGIRLI 2006, S. 23].
Vor jeder Kündigung ist der Betriebsrat schriftlich über die Gründe der Kündigung zu unter-
richten. Ohne Anhörung des Betriebsrates sind ausgesprochene Kündigungen unwirksam (§
102 BetrVG). Der Betriebsrat kann der Kündigung innerhalb einer Woche widersprechen,
wenn soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt wurden (§ 1 KSchG) oder ein
Verstoß gegen betriebliche Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) vorliegt. Eine Kündigung ist
aber trotz Widerspruch des Betriebsrats möglich. Der Arbeitnehmer hat in diesem Falle die
522 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Aufhebungs-
ja vertrag
Beendigung Lösung
des Arbeits- im Einver- Außer-
verhältnisses nehmen? ordentliche
nein
Kündigung
Personenbedingte
Kündigung/ Einhaltung Kündigung
nein
Änderungs- Kündigungs-
kündigung fristen? Verhaltensbedingte
Kündigung
ja Ordentliche Betriebsbedingte
Kündigung Kündigung
Eine ordentliche Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit keines sachlichen Grundes, wenn
sie durch den Arbeitnehmer ausgesprochen wird. Dagegen bedarf es bei der Kündigung durch
den Arbeitgeber eines Grundes, der sozial gerechtfertigt ist. Grundsätzlich ist bei folgenden,
als besonders schutzbedürftig eingestuften Personen eine ordentliche Kündigung ausgeschlos-
sen bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: Schwerbehinderte, Auszubildende,
Schwangere bzw. Personen in Erziehungsurlaub, Betriebsratsmitglieder, Abgeordnete sowie
Wehr- und Zivildienstleistende. Eine ordentliche Kündigung kann gemäß Kündigungsschutz-
gesetz (§ 1 KSchG) bei folgenden Gründen durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden:
x Betriebsbedingte Gründe (z.B. bei Rationalisierung, Umstellung oder Einschränkung der
Produktion),
x Verhaltensbedingte Gründe (z.B. bei Fehlverhalten, Vertragsverletzung),
x Personenbedingte Gründe (z.B. bei Krankheit, mangelnder Eignung, Nachlassen der Ar-
beitsfähigkeit).
5.8 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung 523
Nach § 1 des KSchG muss bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl statt-
finden. Der mit dem Betriebsrat abzustimmende Kriterienkatalog orientiert sich primär am
Grundsatz der sozialen Angemessenheit (§ 1 KSchG). Eine betriebsbedingte Kündigung ist
nur dann gerechtfertigt, wenn unter vergleichbaren und in ihrer Funktion austauschbaren Ar-
beitnehmern dem sozial am wenigsten hart Betroffenen gekündigt wird. Der Arbeitgeber
muss daher unter vergleichbaren Arbeitnehmern eine Interessenabwägung vornehmen, eine
soziale Auswahl treffen und diese begründen. Die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer
basiert i. d. R. auf einem Punktesystem [siehe hierzu die Darstellung bei JUNG 2006, S. 335].
Verhaltensbedingt ist eine Kündigung, wenn sie im willentlichen Verhalten des einzelnen
Mitarbeiters begründet liegt. Folgende Verhaltensweisen können zu einer verhaltensbedingten
Kündigung führen [vgl. JUNG 2006, S. 333]:
524 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Grundsätzlich ist bei einer Pflichtverletzung im Leistungsbereich eine Kündigung nur nach
einer vorherigen Abmahnung möglich. Eine Abmahnung, die sozusagen eine „gelbe Karte“
darstellt, ist die Erklärung eines Arbeitgebers, dass er ein bestimmtes Verhalten des Arbeit-
nehmers missbilligt. Die Abmahnung sollte ereignisbezogen formuliert sein und zum Be-
standteil der Personalakte werden. Der Arbeitgeber verbindet damit den Hinweis, dass im
Wiederholungsfall Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind. Dieser Hin-
weis, d.h. die Androhung einer arbeitsrechtlichen Konsequenz, muss für den betroffenen Ar-
beitnehmer hinreichend bestimmt und deutlich erteilt werden [vgl. SCHOLZ 2011, S. 499].
Bei einer personenbedingten Kündigung liegt der Freisetzungsgrund in den mangelnden Fä-
higkeiten des Mitarbeiters zur Erbringung der geforderten Arbeitsleistung. Im engeren Sinne
ist hier der Umstand der Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit zu verstehen. Krankheitsbe-
dingte Kündigungen als Unterfall der personenbedingten Kündigung (§ 1 KSchG) können bei
häufigen Kurzerkrankungen oder lang andauernden Erkrankungen ausgesprochen werden. Die
Berechtigung zur krankheitsbedingten Kündigung resultiert aus einer umfassenden Kette von
Prüffragen, nämlich die
x ungünstige Zukunftsprognose, die besagt, dass auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzei-
ten des Arbeitnehmers aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs zu rechnen ist,
x Maßgeblichkeit, d. h. kommt es durch den Ausfall zu Störungen im Betriebsablauf,
x fehlende Alternativbeschäftigungsmöglichkeiten, d. h. kann der Arbeitnehmer ggf. auf
einer anderen Position im Unternehmen weiterbeschäftigt werden sowie
x Interessenabwägung, d. h. was ist dem Unternehmen und was ist dem Mitarbeiter zuzu-
muten [vgl. SCHOLZ 2011, S. 494 f.].
Die Entlassung von Mitarbeitern gehört zu den schlimmsten Pflichten, die eine Führungskraft
wahrnehmen muss. Entlassungen gehören zum Führungsgeschäft dazu. Die Frage ist aller-
dings, wie eine solche Aufgabe anzugehen ist. Das Einfachste ist, die Aufgabe dem Perso-
nalmanagement zu überlassen und sich zurückzuziehen oder sich hinter dem Sozialplan zu
verstecken. Doch wer seine Führungsaufgabe ernst nimmt und dem Image des Unternehmens
nicht schaden will, muss sich persönlich mit dem Betroffenen einlassen – so schwer es einem
auch fällt, denn Entlassungsgespräche gehen unter die Haut [vgl. DOPPLER/LAUTERBURG
2005, S. 44 f.].
Werden sie aber fair, aufrichtig und ohne geliehene Autorität mit der Intension geführt, dass
der Betroffene sein Gesicht nicht verliert, dann wird die für das Aktionsfeld Personalfreiset-
5.8 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung 525
zung angestrebte Erleichterung nicht eine ironische Attitüde, sondern im beidseitigem Inte-
resse die Zielsetzung eines seriösen Freistellungsprozesses.
Kommt es im Unternehmen zu einer Personalfreisetzung, so sind auch vom Personal-
management verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Neben der Erstellung eines Arbeits-
zeugnisses sollte der ausscheidende Mitarbeiter mit Hilfe eines Austrittsinterviews (engl.
Exit Interview) zu charakteristischen Merkmalen des Unternehmens, zu Stärken und Schwä-
chen in der Personalführung sowie zu seiner subjektiven Bewertung dieser Aspekte befragt
werden. Kündigt der Berater, so bietet ein Austrittsinterview zudem die Gelegenheit, Gründe
für das geplante Ausscheiden zu erheben. Darüber hinaus dient ein Exit-Interview meist auch
praktischen Angelegenheiten wie der Information des Arbeitnehmers über weitere Rechte und
Pflichten oder der Rückgabe firmeneigener Gegenstände. Mit einem Austrittsinterview lassen
sich verschiedene Problembereiche in einem Unternehmen identifizieren. Die erhobenen Da-
ten bilden somit eine wesentliche Grundlage für die Formulierung von Personalentwick-
lungsmaßnahmen.
Austrittsinterviews können schriftlich oder mündlich durchgeführt werden, es sind dabei freie
oder strukturierte Formen der Interviewdurchführung denkbar. Als Interviewer sollte ein un-
beteiligter Dritter fungieren (z.B. ein Mitarbeiter des Personalbereichs), nicht der unmittelbare
Vorgesetzte oder ein Mitglied der eigenen Arbeitsgruppe. Austrittsinterviews finden in der
betrieblichen Praxis bislang nur wenig Anwendung. Eine Ursache hierfür könnte in der mög-
lichen Informationsverfälschung durch den ausscheidenden Mitarbeiter liegen. So besteht bei
einer Kündigung die Gefahr, dass der Mitarbeiter Merkmale des Unternehmens übertrieben
negativ bewertet oder sich mit seinen Antworten an Vorgesetzten und Kollegen rächt. Kün-
digt der Mitarbeiter selbst, so könnte er versuchen, sich durch harmlose Antworten der lang-
wierigen Frageprozedur zu entziehen.
Diese Probleme lassen sich durch eine Standardisierung der Interviews reduzieren. So stellt
ein einheitlich formulierter Interviewleitfaden sicher, dass alle relevanten Themen behandelt
werden und nicht nur bestimmte Fragestellungen im Mittelpunkt des Gesprächs stehen. Die
Standardisierung der Interviewfragen kann auch über sogenannte Imagekarten erfolgen. Der
ausscheidende Mitarbeiter ordnet dabei Karten mit Imagefaktoren (gutes Betriebsklima, gute
Sozialleistungen, gute Arbeitsplatzgestaltung etc.) verschiedenen Kategorien zu (z.B. im Un-
ternehmen verwirklicht, im Unternehmen nicht verwirklicht). Im Anschluss wird die Ein-
schätzung des Unternehmens mit dem Mitarbeiter besprochen. Im Rahmen von Entlassungen
erleiden sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber i. d. R. materielle und ideelle Schäden.
Der möglichst weitgehende Verzicht auf betriebsbedingte Personalfreisetzungen liegt somit
auch im Interesse des Unternehmens. So geht mit der Entlassung eines Mitarbeiters auch
wertvolles Know-how verloren, welches bei einem Anstieg des Personalbedarfs durch auf-
wendige Beschaffungs- oder Entwicklungsmaßnahmen neu erworben werden muss. In der
Beratungsbranche müssen für die reinen Kosten der Ersatzbeschaffung (engl. Replacement
costs) eines neuen Mitarbeiters etwa die Höhe eines halben Jahresgehaltes angesetzt werden
[vgl. LIPPOLD 2010, S. 27].
526 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
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528 5. Personalmanagement der Unternehmensberatung
Im Mittelpunkt des 6. Kapitels, das darüber hinaus ein wenig als „Sammelbecken“ für weitere
Themen dient, die bislang noch nicht oder in ausreichenden Umfang angesprochen werden
konnten (z. B. Change Management) zählen
Vor allem sind leistungsfähige Controlling-Systeme eine Voraussetzung dafür, die Rentabili-
tät von Geschäftsbeziehungen und Branchenstrategien sowie die eigene Marktposition in aus-
gewählten Segmenten zu ermitteln und zu bewerten. Solche Informationen sind wiederum
erforderlich, um profunde Geschäfts- oder Kundenstrategien bspw. in Form einer Einstiegs-,
Ausbau-, Konsolidierungs- oder Ausstiegsentscheidung zu treffen [vgl. FOHMANN 2005,
S. 65].
Im Gegensatz zum deutschen Sprachgebrauch darf der Begriff „to control“ oder „Controlling“
nicht einfach mit „kontrollieren“ oder „Kontrolle“ übersetzt werden, sondern bedeutet sinn-
gemäß Beherrschung, Lenkung oder Steuerung eines Vorgangs. Zwar existiert nach wie vor
keine einheitliche Definition des Controlling-Begriffs, dennoch gibt es drei grundlegende
Perspektiven, die dem modernen Controlling-Ansatz zugrunde liegen [vgl. WEBER/SCHÄFFER
2008, S. 4]:
x Das zeitlich gesehen erste Grundverständnis des Controllings besteht darin, dass es
eine betriebswirtschaftliche Transparenz- und Informationsfunktion erfüllt. Konkret han-
delt es sich dabei um die Informationsversorgung mit Rechengrößen, die aus dem inter-
nen Rechnungswesen stammen. Im Gegensatz zur Kosten- und Leistungsrechnung, die
darauf ausgerichtet ist, die richtigen Kosten einer Kostenstelle zuzuordnen oder das rich-
tige Ergebnis eines Produkts oder eines Projekts zu ermitteln, zielt das Controlling darauf
ab, dass mit diesen Informationen die richtigen unternehmerischen Entscheidungen ge-
troffen werden.
x Das zweite Grundverständnis bezieht sich auf die Aufgabe des Controllings, die zielbe-
zogene, erfolgsorientierte Planung und Kontrolle des Unternehmens wahrzunehmen.
Diese Aufgabe reicht vom Management des Planungsprozesses bis hin zur periodischen
Überprüfung der Zieleinhaltung.
x In dem Bestreben, dem Controlling eine eigenständige Funktion zuzuweisen, ist das drit-
te Grundverständnis entstanden. Nicht die Informationsversorgung, Planung und Kon-
trolle selbst, sondern ihre Koordination und ihre Verbindung zu anderen Bereichen
6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung 533
macht das Besondere des Controllings aus. Daraus folgt die Aufgabe des Controllings,
das gesamte Führungssystem des Unternehmens zu koordinieren.
Sucht man nach einem „Bild“ für die Funktion des Controllings, so wird häufig die Assoziati-
on mit der eines Navigators an Bord eines Schiffes, der dem Kapitän Empfehlungen hinsicht-
lich Kurs und Fahrt des Schiffes gibt oder mit der eines Rallye-Copiloten, der dem Fahrer
Informationen hinsichtlich der nächsten Kurven, Hügel etc. gibt, herangezogen. Die letztend-
liche Entscheidung und das Lenken obliegen jedoch grundsätzlich dem führenden Kapitän
bzw. Piloten [vgl. JENTZSCH 2008, S. 27 f.].
Controlling lässt sich als Koordination des Regelkreises der Managementfunktionen Planung,
Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle beschreiben. Dieser Funktionsumfang,
der auch als Fünferkanon der modernen Managementlehre bezeichnet wird, ist in Abbildung
6-01 dargestellt. Als Regelkreis lässt er sich auf das Gesamtunternehmen oder auf einzelne
Bereiche bzw. Profit-Center herunterbrechen. Erfolgreiches Controlling ist abhängig von ei-
ner genauen Formulierung der Unternehmens- und Bereichsziele. Die Zielvorgaben sollten
dabei möglichst in Form von Kennzahlen erfolgen.
Definieren Kommunizieren
Analysieren
Entwurf
einer Basis-
Sollordnung tätig- Soll-Ist-
keiten Vergleich
Funktionen
Aktivitäten
Controlling als Koordination von Führungs- bzw. Managementfunktionen lässt sich aber nicht
nur auf Bereiche, sondern auch auf (zeitlich begrenzte) Projekte anwenden. Zu den Grundla-
gen des Projektmanagements, das ja nichts anderes als eine spezielle Führungskonzeption zur
Lösung komplexer, terminierter Aufgaben darstellt, zählen ebenfalls die dispositiven Tätig-
keiten Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle. Folgende Prozesslo-
gik ist damit verbunden [vgl. STEINMANN/SCHREYÖGG 2005, S. 10 ff.]:
534 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
x Planung (engl. Planning): In der Projektplanung, dem logischen Ausgangspunkt des Pro-
jektmanagementprozesses, wird der Projektgegenstand analysiert, die Projektziele fest-
gelegt sowie ein detaillierter Zeit- und Ressourcenplan aufgestellt.
x Organisation (engl. Organizing): Im Rahmen der Projektorganisation wird ein Hand-
lungsgefüge hergestellt, das die Gesamtaufgabe spezifiziert, in Teilaufgaben zerlegt und
so aneinander anschließt, dass eine Umsetzung der Pläne sichergestellt ist. Auch die Ein-
richtung eines Kommunikationssystems, das alle Beteiligten und Betroffenen mit den
notwendigen Informationen versorgt, ist Bestandteil der Projektorganisation..
x Personaleinsatz (engl. Staffing): Im Rahmen des Personaleinsatzes werden eine anforde-
rungsgerechte Besetzung des Projektes mit Personal sowie eine Zuordnung von Aufga-
ben, Kompetenzen und Verantwortung vorgenommen.
x Führung (engl. Directing): Im Führungsprozess geht es um die Koordination aller am
Projekt beteiligten Akteure, um das Durchsetzen von Entscheidungen während der Pro-
jektabwicklung sowie um die Einleitung gegensteuernder Maßnahmen bei Planabwei-
chungen. Motivation, Kommunikation und Konfliktsteuerung sind weitere Themen dieser
Projektmanagementfunktion.
x Kontrolle (engl. Controlling): Die Kontrolle stellt logisch den letzten Schritt des Pro-
jektmanagementprozesses dar. Sie besteht im Wesentlichen aus dem Soll/Ist-Vergleich
der Leistungen, Kosten und Termine und zeigt, ob es gelungen ist, die Pläne zu verwirk-
lichen.
6.2 Unternehmenscontrolling 535
6.2 Unternehmenscontrolling
Das Besondere am Controlling für Unternehmensberatungen ist nicht das Unternehmenscon-
trolling, sondern das Controlling für Projekte. Dennoch sollen zunächst einige Aspekte des
Unternehmenscontrollings beleuchtet werden. Hierbei soll die Besonderheit der Honorarhöhe
von Unternehmensberatungen im Vordergrund stehen. So befindet sich die Unternehmensbe-
ratung seit Jahren in dem Ruf, teuer zu sein, wobei gleichzeitig eine hohe Unsicherheit über
den eigentlichen Wert der Beratungsleistung besteht. Besonders die Höhe der Tagessätze steht
immer wieder in der Kritik.
Aus diesem Grunde stellen sich die Fragen, wie die Tagessätze der Unternehmensberatung
gebildet werden, wie hoch ein etwaiger Verhandlungsspielraum ist und wie sich mögliche
Unterschiede zwischen den Beratungsunternehmen erklären. Zur Beantwortung der Fragen
müssen zunächst die Kostenstrukturen von Beratungsunternehmen betrachtet werden [vgl.
SOMMERLATTE 2004].
Wesentlich für das Verständnis der Kostenstruktur von Beratungsunternehmen ist die (nicht
überraschende) Erkenntnis, dass die Personalkosten in der Regel nicht nur den größten Kos-
tenblock, sondern deutlich mehr als die Hälfte aller Kosten einer Unternehmensberatung aus-
machen. Zwar halten die Beratungsunternehmen ihre Kostenstrukturen strikt geheim, doch die
BDU-Benchmarkstudie von 2011 zeigt aussagekräftige Durchschnittswerte. Den zweitgrößten
Kostenblock bilden die Fremdleistungen, die im Mittel etwa ein Achtel (15,9 Prozent) aller
Kosten ausmachen. Es folgen mit großem Abstand die Reisekosten (6,6 Prozent), die Kosten
für den Fuhrpark (6,3 Prozent), die Raumkosten (5,7 Prozent) sowie die Kosten für Marketing
und Kommunikation (3,3 Prozent). In den verbleibenden weiteren betrieblichen Aufwendun-
gen (4,6 Prozent) sind Kosten u. a. für Fortbildung, Versicherungen, Wartung und Instandhal-
tung enthalten (siehe Abbildung 6-02).
3,3% 0,4%
Personalkosten (54,0%)
3,3%
4,6% Fremdleistungen (15,9%)
Fuhrpark (6,3%)
6,3%
Raumkosten (5,7%)
6,6% 54,0%
Marketing- und Kommunikationskosten (3,3%)
Abschreibungen (3,3%)
Zinsen (0,4%)
Personalkosten
17,2%
Fremdleistungen
26,4% 26,9%
54,0% Sonstige betriebliche
51,9% 61,0%
19,6% Aufwendungen
Abschreibungen
15,9% 17,0%
Zinsen
1 Partner/Vice President 1
2 Principal/Senior Manager 2 3
3 4 Manager 4 5 6
5 6 Senior Consultant 7 8 9 10
7 8 9 Consultant 11 12 13 14 15 16
Schmale Pyramide Breite Pyramide
Während in dem Beispiel in Abbildung 6-04 bei der schmalen Pyramide auf einen Partner
insgesamt acht Manager bzw. Consultants kommen, ist das Beispielverhältnis bei der breiten
Pyramide eins zu fünfzehn. Im Folgenden dienen die beiden Pyramiden als Grundlage für die
Darstellung der Kosten- und Ergebnisstruktur für die Strategieberatung einerseits und für die
IT-Beratung andererseits. Um die Komplexität ein wenig zu reduzieren, sollen die nachfol-
genden Beispielrechnungen lediglich mit drei Hierarchieebenen durchgeführt werden (siehe
auch BDU-Benchmarkstudie 2011, S. 78]:
x Partner (erfüllt mindestens einen der folgenden Punkte: Anteilseigner einer Firma
und/oder vollverantwortlich für Projektakquisition und Kundenbeziehung und/oder ver-
antwortlich für einen Geschäftsbereich, die Firma, ein Büro oder eine Niederlassung)
x Projekt Manager (erfahrener Berater, der mindestens für ein Projekt verantwortlich ist,
den Consultants seiner Projektteams die erforderliche Anleitung gibt und z. T. auch die
Verantwortung für Kunden und Geschäftsentwicklung trägt)
x Consultant (Mitarbeiter vom Einstieg in die Beraterlaufbahn bis hin zur angehenden
Projektleitungsfähigkeit, der in der Regel auf einem Projekt eingesetzt ist und teils Modu-
le selbständig erledigt).
So können lediglich die Consultants aufgrund ihrer hohen Auslastung eine Überdeckung ihrer
direkten und anteiligen Kosten erzielen. Die Unterdeckung bei den Partnern entsteht dadurch,
dass diese nur einen wesentlich geringeren Teil ihrer verfügbaren Arbeitstage auf Kundenpro-
jekte verrechnen können, da sie eine höhere Zahl von Arbeitstagen für Führungsaufgaben
sowie Marketing- und Vertriebsaktivitäten einsetzen müssen. Gleichwohl ist die Überdeckung
bei den Consultants erforderlich, um die Unterdeckung bei den Partnern zu kompensieren,
während sich die Projekt Manager in dieser Modellrechnung gerade selber tragen. Umgekehrt
ist die hohe Auslastung der Consultants nur darstellbar, wenn die Partner (und teilweise auch
die Manager) ein für alle ausreichendes Auftragsvolumen akquirieren. Aus dieser wechselsei-
tigen Abhängigkeit (Consultants finanzieren mit ihrer hohen Auslastung die erforderlichen
Arbeitsbeschaffungsaktivitäten der Partner und Manager) ergibt sich zwangsläufig ein Pyra-
midenmodell [vgl. SOMMERLATTE 2004, S. 6].
x Modell 1 zeigt eine schmale Pyramide mit lediglich sechs Mitarbeitern und einer Auslas-
tung, die auf den Annahmen der kalkulatorischen Auslastungspositionen in Abbildung 6-
05 beruht, d. h. für einen Partner können 100, für einen Manager 125 und für einen Con-
sultant 175 Tage fakturiert werden. Die aus diesen Parametern resultierende Umsatzren-
dite liegt bei knapp zehn Prozent.
x Modell 2 beruht ebenfalls auf der Annahme, dass die verbleibenden Arbeitstage voll, d.h.
zu 100 Prozent fakturiert werden. Im Unterschied zu Modell 1 handelt es sich hier aber
um eine relativ breite Pyramide mit insgesamt 12 Personen. Dabei wird deutlich, dass
diese Pyramidenstruktur mit 12,7 Prozent Umsatzrendite etwas profitabler ist.
x Modell 3 weist wiederum eine schmale Pyramidenstruktur mit insgesamt sechs Personen
auf. Allerdings ist hier die Auslastung 10 Prozent geringer als in den Modellen 1 und 2.
6.2 Unternehmenscontrolling 539
Das führt im Modell 3 dazu, dass die Kosten durch die Umsätze nicht mehr ganz gedeckt
werden können.
x Modell 4 zeigt eine breite Pyramide, die nicht einmal ganz ausreicht, um die um 10 Pro-
zent geringere Auslastung gegenüber Modell 1 zu kompensieren.
Insgesamt machen die verschiedenen Modellvarianten deutlich, dass vor allem über eine brei-
tere Pyramide sowie über eine hohe Auslastung eine tragfähige Umsatzrendite erzielt werden
kann. Besonders problematisch sind Auslastungsdefizite, die aufgrund fehlender oder rück-
läufiger Aufträge jederzeit auftreten können und kurzfristig so gut wie gar nicht kompensiert
werden können. Das ist auch der Grund dafür, warum viele Unternehmensberatungen mit
Neueinstellungen in schwierigeren Zeiten sehr zurückhaltend sind.
Die Kosten- und Ergebnisstruktur bei Vollkostenrechnung für IT-Berater zeigt ein ähnliches
Bild wie für Strategieberater (siehe Abbildung 6-07). Zwar sind insgesamt die Kostenpositio-
nen in allen drei Hierarchiestufen bei den IT-Beratern gehaltsbedingt etwa 10 bis 20 Prozent
niedriger als bei den Strategieberatern, dafür sind aber auch die Umsatzpotenziale pro Person
nicht so hoch wie bei den Strategieberatern.
Die grundlegenden Unterschiede bezüglich der Kosten- und Ergebnisstruktur gegenüber der
Strategieberatung liegen bei der IT-Beratung vor allem in einer deutlich breiteren Pyramiden-
struktur, in einem insgesamt niedrigeren Kostenniveau sowie in einer besseren Auslastung.
540 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
x Modell 1 zeigt eine für IT-Verhältnisse recht schmale Pyramide mit lediglich 10 Mitar-
beitern und einer Auslastung, die auf den Annahmen der kalkulatorischen Auslastungspo-
sitionen in Abbildung 6-07 beruht, d. h. für einen Partner können 120, für einen Manager
140 und für einen Consultant 180 Tage fakturiert werden. Die fakturierte Auslastung liegt
damit höher als bei der Strategieberatung. Die aus diesen Parametern resultierende Um-
satzrendite liegt bei 13,7 Prozent.
x Modell 2 zeigt im Unterschied zu Modell 1 eine deutlich breitere Pyramidenstruktur mit
insgesamt 20 Personen. Diese Verdopplung führt unter sonst gleichen Annahmen zu einer
Umsatzrendite von 15,9 Prozent.
x Modell 3 weist wiederum eine schmalere Pyramidenstruktur mit insgesamt 10 Personen
auf. Allerdings ist hier die Auslastung 10 Prozent geringer als in den Modellen 1 und 2.
Das führt im Modell 3 dazu, dass die Umsatzrendite gegenüber Modell 1 um etwa 10
Prozentpunkte zurückgeht. Dennoch trägt sich dieses Modell immer noch selbst.
x Modell 4 zeigt wieder die breite Pyramide mit 20 Personen, die ausreicht, um die um 10
Prozent geringere Auslastung gegenüber Modell 1 zur Hälfte zu kompensieren.
Um die hier behandelten Modellfälle herum gibt es selbstverständlich eine Vielzahl von Vari-
anten, wobei die wesentlichen Stellschrauben folgende Parameter sind [vgl. SOMMERLATTE
2004, S. 9 ff.]:
x Pyramidenstruktur: Je breiter die Pyramide ist, desto wirtschaftlicher ist in der Regel
die Beratungseinheit. Damit sind aber auch die Beratungsprojekte eingekreist, bei denen
eine breite Pyramide überhaupt wirtschaftlich funktionieren kann: große Projekte mit
6.2 Unternehmenscontrolling 541
größerer Anzahl von relativ jungen Consultants, wie dies sehr häufig in der IT-Beratung
der Fall ist. Beratungsboutiquen dagegen, die durch sehr schmale Pyramiden gekenn-
zeichnet sind, können ihre Wirtschaftlichkeit häufig nur dadurch erreichen, dass Partner
und Manager selber stärker in die Projekte involviert sind und auch deutlich weniger ver-
dienen, als im Modellfall ausgewiesen.
x Auslastung: Die Anzahl der fakturierten Tage ist sicherlich der stärkste Hebel für den
Wirtschaftlichkeitsnachweis von Beratungseinheiten. Wichtig sind dabei allerdings nur
jene Tage, die nach Abzug von Schulung, Weiterbildung, Methoden- und Know-how-
Entwicklung sowie nicht-konvertierbarer Angebotserstellung zur Fakturierung übrig blei-
ben. Der Spielraum in diesem Bereich ist nicht sehr groß und hängt in erster Linie von
der Auftragslage ab. Allerdings lässt sich immer wieder feststellen, dass in Zeiten hoher
Auslastung sehr häufig die vertrieblichen Aktivitäten für Anschluss- oder Neuaufträge
vernachlässigt werden.
x Kostenstruktur: Die Kostenstruktur eines Beratungsunternehmens wird durch die Per-
sonalkosten dominiert. Diese werden wiederum durch die Höhe der Gehälter und Boni
bestimmt. Zweifellos zählt das Gehaltsniveau in der Beratungsbranche über alle Hier-
archiestufen hinweg zu den höchsten im Branchenvergleich. Doch auch hier ist der Spiel-
raum nicht sehr groß, denn es bringt sicherlich nicht sehr viel, wenn die Beratungsunter-
nehmen ihren Beratern auf Consultant-Niveau geringere Gehälter anbieten. Der Berater-
beruf würde an Reiz verlieren und ein Großteil der engagierten, klugen, hochqualifizier-
ten und überzeugenden Professionals würde die Branche verlassen. Wenn, dann liegt der
Spielraum eher auf Partner-Niveau, denn ein Beratungspartner mit einer Personalverant-
wortung von 10 bis 20 Mitarbeitern verdient häufig mehr als ein angestellter Geschäfts-
führer eines mittelständischen Unternehmens mit 500 und mehr Mitarbeitern.
x Nicht-konvertierte Angebote: Jeder Berater verbringt im Jahr durchschnittlich 20 Tage
mit der Bearbeitung nicht-konvertierter Angebote, d. h. mit Angeboten, die nicht zum
Auftrag führen. Geht man davon aus, dass im Durchschnitt nur etwa jedes dritte oder
vierte Angebot zu einem Auftrag führt, so entspricht dies einer Konvertierungsrate
(engl. Conversion rate) von 3:1 bzw. 4:1. Eine Reduktion der Konvertierungsrate lässt
sich strategisch vor allem durch Konzentration auf Projekte mit einer hohen Laufzeit,
durch Konzentration auf Ausschreiben, an denen bspw. nicht mehr als vier Anbieter teil-
nehmen, sowie durch Konzentration auf Ausschreibungen mit einem potenziellen Auf-
tragsvolumen (inklusive Folgeprojekte) von z. B. mehr als 300.000 Euro darstellen [vgl.
SOMMERLATTE 2008, S. 12].
Fazit: Die Analysen zeigen, dass die Tagessätze der Beratungsunternehmen nicht aus der
„Luft gegriffen“ sind, sondern durchaus ihre kalkulatorische Grundlage mit relativ wenig
Spielraum haben. Ausnahmen bestehen lediglich im Honorarbereich und in der Gehaltshöhe
auf Partner-Niveau, die ein überragendes Qualitäts- und Leistungsniveau voraussetzen.
542 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.3 Projektcontrolling
Im Mittelpunkt des Controllings für Unternehmensberatung steht – wie bereits erwähnt – das
Projektcontrolling als Fundament der projektorientierten Organisation in Beratungsunter-
nehmen. Da jedes Projekt einzigartig und damit anders als jedes andere Projekt ist, lassen sich
Projekte auch als Individualprodukte eines Beratungsunternehmens ansehen. Sie verfolgen
das Ziel, die im Leistungsverzeichnis eines (externen oder internen) Auftrages definierten
Projektergebnisse (engl. Deliverables) innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu erstellen.
Um die Projektergebnisse im Zeitablauf ermitteln und überwachen zu können, bedarf es einer
Projektergebnisrechnung, die als Kosten- und Leistungsrechnung die erbrachte Projektleis-
tung den angefallenen Kosten des Projektes periodengerecht gegenüberstellt [vgl. FOHMANN
2005, S. 61 ff.].
Ein Kosten- und Leistungsrechnungssystem für Projekte sollte folgende Anforderungen bzw.
Kalkulationsschritte erfüllen [vgl. FOHMANN 2005, S. 64]:
Über das Ergebnis der einzelnen Projekte hinaus benötigt das Beratungsunternehmen das ku-
mulierte Ergebnis eines komplexen Großprojektes, das sich aus einzelnen Teilprojekten zu-
sammensetzt. Ein Rechnungssystem, das diese Anforderungen über die vier Kalkulations-
schritte hinweg erfüllt, wird als Projektergebnisrechnung bezeichnet.
Das praktische Umfeld der Projektergebnisrechnung in Beratungsunternehmen ist durch fol-
gende Besonderheiten gekennzeichnet [vgl. FOHMANN 2005, S. 66 f.]:
x Im Beratungsunternehmen sind die einzelnen Projekte die Kostenträger.
x Die Projektleistung als Anzahl geleisteter fakturierbarer Projekttage bzw. Projektstunden
muss zur Einstellung in die Ergebnisrechnung bewertet werden.
x Während in der Kostenstellen- und Profitcenterrechnung die Kosten für die festangestell-
ten Mitarbeiter fixe Kosten und die Beschäftigung von freien Mitarbeitern und von Sub-
unternehmern proportionale Personalkosten darstellen, sind aus Sicht der Projektergeb-
nisrechnung alle Personalkosten proportionale Kosten. Personalkosten sind, da Mitarbei-
ter häufig in mehreren Projekten gleichzeitig eingesetzt werden, nur entsprechend der an-
gefallenen Projekttage/Projektstunden auf die einzelnen Projekte verrechenbar.
6.3 Projektcontrolling 543
Die Gestaltung der Projektergebnisrechnung hängt maßgeblich davon ab, welches Kosten-
rechnungssystem eingesetzt wird. FOHMANN, der sich intensiv mit der Prüfung verschiedener
Projektergebnisrechnungen befasst hat, schlägt folgende vier Varianten vor, die hier kurz vor-
gestellt werden sollen [siehe ausführlich FOHMANN 2005, S. 69 ff.]:
x Kosten von Management und Sekretariat des Profitcenters, zu dem das Projekt gehört,
x Kosten von Services dieses Profitcenter (z. B. Grafikservice),
x Kosten zentralen Unternehmensbereiche (z. B. Marketing, Human Resources) und
x Kosten der Unternehmensleitung (Top-Management).
Zur Verrechnung der verschiedenen Gemeinkostenarten auf die einzelnen Projekte werden
aussagekräftige Schlüssel benötigt, deren konkrete Ausprägung den vom Projekt zu tragenden
Gemeinkostenanteil festlegt. Als Gemeinkostenverteilungsschlüssel für die Management-
und Sekretariatskosten des Profitcenters wird häufig die Zahl der Projektmitglieder herange-
zogen. Bei der Frage nach einem Schlüssel für eine möglichst verursachungsgerechte Vertei-
lung der zentralen Bereiche und der Unternehmensleitung wird die sachliche Problematik der
Gemeinkostenverteilungsschlüssel besonders deutlich: Je weiter die Gemeinkostenebenen von
den einzelnen Projekten entfernt sind, desto schwerer wird eine trag- und akzeptanzfähige
Kostenverrechnungsgröße zu finden sein. Lediglich bei der Verrechnung von Servicekosten
lässt sich mit dem Umfang der Inanspruchnahme ein akzeptabler Verteilungsschlüssel darstel-
len.
Die rechnerische Verteilung der Gemeinkosten täuscht eine Genauigkeit über Ergebnisse und
Renditen der einzelnen Projekte vor, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Damit wird dem Pro-
jektverantwortlichen die Gesamtverantwortung für ein Projektergebnis zugewiesen, auf das er
in erheblichem Umfange – nämlich hinsichtlich der Projektgemeinkosten – keinen Einfluss
hat. Die Lösung kann demnach nur in einem Projektergebnis auf Teilkostenbasis liegen.
544 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Um die Schwäche des Vollkostensystems (Variante 1) zu vermeiden, werden bei der Projekt-
ergebnisrechnung als Proportionalkostenrechnung alle Projektkostenarten in proportionale
und fixe Kosten aufgeteilt und sodann die fixen Gemeinkosten aus der Projektergebnisrech-
nung eliminiert. Proportionale Projektkosten sind hauptsächlich:
Allerdings ist mit der reinen Einzelkostenrechnung nunmehr der große Block der Gemeinkos-
ten vollständig aus dem Blickfeld der Projektergebnisrechnung verschwunden. Es ist daher
wünschenswert, dass einerseits die Projektergebnisse nur mit direkt zurechenbaren Kosten
6.3 Projektcontrolling 545
belastet werden und andererseits die tatsächlich vorhandene und ausgeübte Verantwortung für
den Gemeinkostenblock transparent gemacht wird. Die Lösung sieht FOHMANN [2005, S.
99 ff.] in einer Projektergebnisrechnung als gestufte Deckungsbeitragsrechnung auf Einzel-
kostenbasis.
In der Projektergebnisrechnung als Einzelkosten (Variante 3) werden also alle Kosten eines
Projekts in Einzelkosten und Gemeinkosten aufgelöst und die Projekteinzelkosten der Pro-
jektebene, d. h. der Ebene 1 zugeordnet und auf dieser Grundlage der einzelkostenbasierte
Deckungsbeitrag des Projekts ermittelt.
Aufbauend auf diesem Auflösungsverfahren lassen sich hinsichtlich der Stufung zwei Blick-
winkel betrachten. Der erste Aspekt bezieht sich auf die Organisation des Beratungsunter-
nehmens und sieht vor, den Block der Projektgemeinkosten in Teilblöcke aufzulösen, und
zwar in
x die Menge der Teilblöcke der Projektgemeinkosten der Geschäftsstellen oder Profit Cen-
ter (Ebene 2), so dass sich daraus der Deckungsbeitrag pro Geschäftsstelle oder Profit
Center ergibt, und
x den Teilblock der Projektgemeinkosten der obersten Unternehmensebene (Ebene 3), so
dass sich nach Abzug der Kosten für Unternehmensleitung und zentrale Servicebereiche
von der Summe der Projektdeckungsbeiträge aller Geschäftsstellen bzw. Profit Center
das Projektergebnis des Gesamtunternehmens ergibt.
Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Projektgröße. So bestehen große Projekte in der Regel
aus mehreren Teilprojekten. Vereinfacht können demnach folgende Projektebenen unter-
schieden werden:
x Projektebene 1 mit den einzelnen Teilprojekten, jeweils bestehend aus Teilprojektleiter
und Teilprojektteam, und
x Projektebene 2, bestehend aus Gesamtprojektleitung, Projektsekretariat, Projekt-Control-
ling, Risk Manager und Qualitätsbeauftragten des Projektes.
Die Stufung nach Projektebenen hat den Vorteil, dass es insbesondere bei Festpreisprojekten
im IT-Bereich für die Projektleitung, das Projekt-Controlling und die Unternehmensleitung
von Interesse ist, nicht nur das Ergebnis des Gesamtprojektes zu kennen, sondern auch, wie
sich das Gesamtergebnis aus den einzelnen Teilbereichen zusammensetzt.
Insgesamt kommt FOHMANN zu dem Ergebnis, dass die Projektergebnisrechnung auf der
Grundlage von Einzelkosten und Projektebenenstufung die „interessanteste“ Variante der Pro-
jektergebnisrechnung darstellt.
546 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Ohne allzu tief in die theoretische Organisationslehre einsteigen zu wollen, lassen sich Orga-
nisationsstrukturen grob in klassische und in moderne Organisationsansätze unterscheiden.
Klassische Organisationsformen sind in erster Linie funktional oder divisional strukturierte
Organisationen sowie die Matrixorganisation. Zu den moderneren Organisationsansätzen zäh-
len vor allem Projektorganisationsformen, modulare Organisationsstrukturen sowie Netz-
werk- und Clusterorganisationen.
Funktionaler Ansatz
Unternehmensleitung
Sparten
Region 1 Region 2 Region 3 Region 4
Divisionen
Technology services
Technology services
Technology services
Technology services
Consuting Services
Consuting Services
Consuting Services
Consuting Services
Support Functions.
Support Functions.
Support Functions.
Support Functions.
Sales
Sales
Sales
Sales
Eine funktionale Gliederung liegt vor, wenn die zweitoberste Hierarchieebene des Unter-
nehmens eine Spezialisierung nach den betrieblichen Funktionen (z. B. Vertrieb, Leistungser-
stellung/Projekte, kaufmännischer Bereich) vorsieht. Im kaufmännischen Bereich sind i. d. R.
unterstützende Funktionen wie Finanzierung, Controlling oder Personal integriert. Eine ob-
jektorientierte Gliederung liegt dagegen vor, wenn die zweitoberste Hierarchieebene eine
Orientierung an Objekten vorsieht. Hier bilden Geschäftsbereiche (engl. Business Units), Ser-
vice-Lines, Branchen (engl. Industries), Kundengruppen oder Regionen/Märkte das Speziali-
sierungskriterium. Häufig wird die Objektorientierung einer Organisation auch als divisionale
Organisation, Spartenorganisation oder Geschäftsbereichsorganisation bezeichnet. Un-
terhalb der Spartenebene erfolgt der Organisationsaufbau häufig nach funktionalen Kriterien
(siehe Abbildung 6-09).
Bei der (zweidimensionalen) Matrixorganisation (siehe Abbildung 6-10) werden genau zwei
Leitungssysteme miteinander kombiniert. Die Mitarbeiter stehen dementsprechend in zwei
Weisungsbeziehungen, d. h. sie sind gleichzeitig dem Leiter eines horizontalen Verantwor-
tungsbereichs (z. B. Vertriebsmanager) und dem Leiter eines vertikalen Verantwortungsbe-
reichs (z. B. Service-Line-Manager) unterstellt. Die Besonderheit bei der Matrixorganisation
liegt darin, dass bei Konflikten oder Meinungsverschiedenheiten keine organisatorisch be-
stimmte Dominanz zugunsten der horizontalen oder der vertikalen Achse geschaffen ist. Die
Befürworter dieses Strukturtyps vertrauen vielmehr auf die besseren Argumente und die Be-
reitschaft zur Kooperation [vgl. LIPPOLD 2011, S. 178 ff.].
Unternehmensleitung
Product Industries
Service Industries
Public Services
Im Gegensatz dazu sind bei den meisten modernen Organisationsformen die Befugnisse
stärker dezentralisiert. Entscheidungen können dort getroffen werden, wo die inhaltliche
Kompetenz liegt. Das verbessert die Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit. Die Steuerung
durch gemeinsame Wert- und Zielvorstellungen, deren einheitliche Ausrichtung häufig durch
eine starke Unternehmenskultur gefördert wird, und das Vertrauen in das Verantwortungsbe-
wusstsein und die Kompetenz der Mitarbeiter lösen die Hierarchie und die Kontrollmecha-
nismen der klassischen Organisationsform ab. Über Zielvereinbarungssysteme und Ergebnis-
controlling wird schließlich die Leistung überwacht [vgl. KLATT 2004, S. 7].
Erste Unterschiede zwischen einer klassischen Führungsstruktur und der Führung von Netz-
werken liefert Abbildung 6-11.
Entscheidungs- Konstante
Klassisches Management spitze zur Führungs-
Willensbildung beziehungen Willensdurchsetzung
mittels hierarchischer
Koordination
Dynamische
Management von Netzwerken Veränderung der
Einflussposition
Beteiligung mehrerer
Akteure an der
Willensbildung
Autonome
Implementierung
kooperationsbezogener
Maßnahmen
x Da sich Berater, die sich durch fachliche und soziale Kompetenz sowie durch einen ho-
hen Interaktionsgrad mit den Kunden auszeichnen, selbständig und verantwortlich arbei-
ten wollen und sollen, sind flache Hierarchien und weitgehend autonom handelnde, de-
zentrale Organisationseinheiten in den operativen Bereichen erforderlich.
x Trotz dieser Spielräume müssen Führung, Forderung und Förderung der Mitarbeiter so-
wie die Entwicklung der Wissensplattform sichergestellt werden. Daher sind eine klare
Zuordnung der Consultants zu Führungskräften, zu regionalen Home Units und eine
Einbindung in die Gesamtstruktur des Unternehmens nötig.
x Die Arbeit in Teams, die grundsätzlich projektbezogen, aber über unterschiedlich lange
Zeiträume durchgeführt wird, erfordert eine hohe Flexibilität hinsichtlich personeller und
zeitlicher Besetzung von Teams.
x Da das Beratungsgeschäft in hohem Maße wissensbasiert ist, muss eine Beratungsorgani-
sation den Austausch von Wissen zwischen den Beratern sowie die Speicherung von
Wissen sicherstellen.
x Administrations-, Support- und Backoffice-Tätigkeiten sowie Standard-Beratungsaufga-
ben müssen effektiv, arbeitsteilig und mit hoher Zuverlässigkeit durchgeführt werden.
Daher muss eine Beratungsorganisation eine arbeitsteilige, stabile Bearbeitung der
administrativen und unterstützenden Prozesse sicherstellen.
Fast man diese Überlegungen zusammen, so kommt man zu dem Schluss, dass weder die
klassische funktionale oder divisionale Organisationsform sowie die Matrixorganisation noch
die modernen Netzwerk- oder Projektorganisationen alleine alle geforderten Anforderungen
erfüllen. Eine flache, flexible, wenig formalisierte, dezentralisierte, gleichzeitig aber verbind-
liche und klare Organisationsstruktur ist nur als Mischform, d. h. als Kombination verschie-
dener Strukturmerkmale der einzelnen Modelle zu erreichen [vgl. KLATT 2004, S. 9].
Gesucht wird also eine Mischform, die alle jeweils geeigneten Merkmale der verschiedenen
Organisationsmodelle kombiniert. Die optimale Ausgestaltung der Unternehmensorganisation
sollte dabei anhand verschiedener Kriterien erfolgen [vgl. KLATT 2004, S. 7 ff. und RICHTER/
SCHMIDT/TREICHLER 2005, S. 3 ff.]:
Ein hoher Strukturierungs- und Formalisierungsgrad, der für die klassischen Organisati-
onsformen typisch ist, ist verbunden mit einer klaren Hierarchie und gilt als „chaossicher“, ist
allerdings unflexibel und langsam bei Änderungen. Weniger strukturierte Organisationsfor-
men sind dagegen flexibel, kommunikationsfördernd und erleichtern übergreifende Abstimm-
prozesse. Andererseits sind sie anfälliger für Fehler und langsamer in „normalen“ Situationen.
Zentrale Strukturen korrelieren eher mit einem funktionalen Modell, dezentrale Struktu-
ren eher mit einem divisionalen Modell. Die Matrixorganisation vereinfacht sogar noch die
Einbindung einer weiteren Führungsdimension, ohne dass dadurch die hierarchische Steue-
rungsfunktion beeinträchtigt wird.
Die Arbeits- und Projektumgebung eines Beraters muss einerseits genügend Spielraum für
eigenständiges Handeln und andererseits eine eindeutige Ergebniszuweisung ermöglichen.
Hierfür bietet sich die Form der reinen Projektorganisation ebenso wie Projektgruppen inner-
halb lateraler Netzwerke als innovationsfördernde Alternative an.
Eine zuverlässige Bereitstellung der Support-Funktionen für die Berater erfordert eine klar
geregelte, arbeitsteilige und hierarchisch aufgebaute funktionale Gliederung, wobei in diesem
Zusammenhang auch an eine Ausgliederung (engl. Outsourcing) bestimmter Teilaspekte der
administrativen Aufgaben in Betracht gezogen werden kann.
Schließlich soll noch die Eigentümer- bzw. Governance-Struktur als Kriterium für Füh-
rung und Kontrolle von Strukturorganisationen angeführt werden: Eigentümergesellschaften
haben ein ähnliches Selbstverständnis wie die Angehörigen freier Berufe (Ärzte, Rechtanwäl-
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen 551
te, Steuerberater etc.). Sie organisieren sich häufig als Partnerschaften, in denen die Partner an
Gewinn und Verlust ihres Unternehmens teilhaben und selbst Einfluss auf die Führung und
Kontrolle nehmen. Im Vergleich dazu verstehen sich die Mitglieder des Managements, das
eigens zur Führung von Beratungsunternehmen eingesetzt wird, in erster Linie als Mitarbei-
ter. Sie erhalten häufig leistungsbezogene Anreize wie z. B. Stock Options, ohne allerdings
über nennenswerte Mitsprache- und Kontrollfunktionen zu verfügen.
Im Folgenden soll in enger Anlehnung an KLATT [2004] eine Modellorganisation für eine
größere, international operierende Unternehmensberatung entwickelt und vorgestellt werden.
Dabei wird versucht, die Vorzüge der klassischen mit den Vorzügen der modernen Organisa-
tionsformen im Sinne der Anforderungen von großen Beratungsunternehmen zu kombinieren.
6.4.3.1 Kern-Matrix-Struktur
Eine der genannten Dimensionen wird jeweils als „führend“ bestimmt. In internationalen Be-
ratungsunternehmen ist dies zumeist die Dimension Region, die sich aus mehreren Ländern
zusammensetzt. Eine Region wird häufig auch als strategische Geschäftseinheit (SBU) be-
zeichnet. Für Beratungsunternehmen, die weitgehend die gesamte Bandbreite aller Bera-
tungsdisziplinen (z. B. Consulting Services, Technology Services und Outsourcing Services)
anbieten, spielt die Beratungsart eine wichtige Rolle und kann zuweilen die Region als füh-
rende Dimension ablösen. Unternehmen dagegen, die nicht über ein solch breites Angebots-
profil verfügen, werden eher die Branche (z. B. Financial Services, Automotive, Public Ser-
vices) oder bestimmte Funktionsbereiche (z. B. Marketingberatung, Controllingberatung, Lo-
gistikberatung) als strukturbestimmende, führende Dimension auswählen. Darüber hinaus ist
es möglich, innerhalb einer Dimension (z. B. Beratungsart bzw. Services) nach unterschiedli-
chen Kriterien zu gliedern. So kann z. B. eine Beratungsart bzw. Service-Line nach Branchen
und eine andere Service-Line nach Funktionen untergliedert werden.
In Abbildung 6-12 ist eine solche Kern-Matrix am Beispiel der strategischen Geschäftseinheit
„Zentral- und Osteuropa“ von CAPGEMINI aus dem Jahr 2006 mit unterschiedlichen Gliede-
rungskriterien für einzelne Beratungsarten dargestellt.
552 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Die meisten Unternehmensberatungen ändern ihre generelle Grundausrichtung mit einer ge-
wissen Regelmäßigkeit. So hatten drei von fünf befragten international ausgerichteten Bera-
tungsunternehmen die Ausrichtung ihrer Kern-Matrix innerhalb der zurückliegenden zwei
Jahre geändert – und zwar in unterschiedliche Richtungen [vgl. KLATT 2004, S. 14].
1. Dimension: Disciplines
Abb. 6-12: Beispiel einer Kern-Matrix von CAPGEMINI Zentral- und Osteuropa 2006
Neben den operativen Linienfunktionen, die in der Kern-Matrix abgebildet sind, existiert in
jedem größeren Beratungsunternehmen eine Reihe von permanenten Service- und administra-
tiven Funktionen, die den Beratern den Rücken freihalten bzw. diese bei ihren operativen Tä-
tigkeiten unterstützen sollen. Im angelsächsischen Sprachgebrauch werden diese wichtigen
Funktionen – durchaus zu Recht – auch als Enabling Functions (und nicht despektierlich als
Overhead Functions) bezeichnet. Zu den zentralen Funktionen zählen u. a. das Rechnungswe-
sen und das Controlling, die Steuer- und Rechtsabteilung, die Öffentlichkeitsarbeit, die IT-
Abteilung, der Einkauf und vor allem die Personalabteilung. Aber auch Back-Office-Bereiche
wie die Research- oder Grafikabteilung können ein wichtiger Bestandteil der zentralen Diens-
te sein.
Die genannten Funktionen sind in der Regel entweder hierarchisch funktional oder objekt-
orientiert gegliedert. Die funktionale Gliederung geht zumeist einher mit einer zentralen Or-
ganisation, während die objektorientierte bzw. divisionale Gliederung eher dezentral organi-
siert ist. Am Beispiel des Personalsektors sollen die funktionale und die objektbezogene
Perspektive der Enabling-Bereiche kurz skizziert werden [vgl. LIPPOLD 2011, S. 190 ff.]:
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen 553
Bei der funktionalen Perspektive erfüllt der Personalsektor seine Aufgaben entsprechend der
personalwirtschaftlichen Funktionen wie z. B. Personalplanung, Personalbeschaffung, Perso-
nalbetreuung oder Personalentwicklung. Diese Organisationsform ist gekennzeichnet durch
eine zentrale Ausrichtung, d. h. eine Leitungsperson (Personalchef) koordiniert die direkt un-
tergeordneten Abteilungen und hat die zentrale Entscheidungsgewalt über alle personalwirt-
schaftlichen Fragen. Vorteile dieser funktionalen Ausrichtung sind die hohe Spezialisierung
einerseits und die eindeutig geregelten Zuständigkeiten anderseits. Nachteilig wirkt sich aller-
dings aus, dass die Kunden des Personalsektors (Mitarbeiter, Führungskräfte etc.) unter-
schiedliche Ansprechpartner haben und damit bei komplexen und organisationsübergreifen-
den Fragen keine zielgerichtete Kommunikation stattfinden kann. Auch führt die klare Res-
sortabgrenzung im Personalsektor häufig zu Ressortegoismen und „Silodenken“. Generell
lässt sich feststellen, dass die funktionale Organisation des Personalsektor eher in kleineren
und mittleren Unternehmen zum Tragen kommt [vgl. BARTSCHER et al. 2012, S. 157 f.].
Im Rahmen der objektbezogenen Perspektive wird die Personalarbeit nach Objekten aufge-
teilt und zugeordnet. Objekte sind vor allem Unternehmensbereiche oder Service-Lines.
Auch hier werden die einzelnen Organisationseinheiten von einem Personalleiter koordiniert.
Bei dieser organisatorischen Ausrichtung haben interne Kunden in der Regel einen festen
Ansprechpartner, der auf die besonderen Bedürfnisse jeder einzelnen Objektgruppe ausgerich-
tet ist. Die Gefahr der objektbezogenen Struktur liegt darin, dass sich die einzelnen Personal-
bereiche verselbständigen und eigenständige Konzepte, Instrumente und Lösungen entwi-
ckeln. Die Gefahr ist immer dann besonders groß, wenn die Objektbereiche sehr unterschied-
lich sind und eine besondere Stellung für sich beanspruchen. Die objektbezogene Ausrichtung
der Personalaktivitäten kommt naturgemäß eher in größeren, zumeist auch international agie-
renden Unternehmen zur Anwendung [vgl. BARTSCHER et al. 2012, S. 159].
In Abbildung 6-13 sind die einzelnen Aufgaben der drei Organisationsmodule zu Aufgaben-
bereichen zusammengefasst und im Überblick dargestellt.
Gliedert man diese personale Organisationsstruktur in eine Gesamtorganisation ein, die nach
Geschäftsbereichen strukturiert ist, so bietet es sich an, die zentralen Organisationsmodule auf
der hierarchischen Ebene der Unternehmensleitung anzubinden. Das für das Personal zustän-
dige Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied hätte dann unmittelbare Weisungsbefugnis
sowohl für das Corporate Center als auch für das Shared Service Center. Die Business Part-
ner-Organisation ist dagegen dezentral organisiert, d. h. jedem Geschäftsbereich sind die zu-
gehörigen HR-Business Partner direkt zugeordnet.
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen 555
Die oben gezeigte Dreiteilung gilt nicht nur für den Personalsektor. Die gleiche Modellstruk-
tur lässt sich auch auf den Marketing-Bereich übertragen. Auch hier kann zwischen Strategic,
Relationship und Transactional Marketing unterschieden werden (siehe Abbildung 6-14).
Organisations-
Competence Center Business Partner Service Center
modul
Organisation Zentral (als Corporate Dezentral (Zuordnung zu Zentral (als Service Center)
Center) Geschäftsbereichen)
Beim Shared Service Center handelt sich um interne, zentrale Organisationseinheiten, die ihre
Dienstleistungen nun für alle Unternehmensbereiche an verschiedenen Standorten anbieten.
Sie versprechen für die Durchführung der Prozesse messbare wirtschaftliche Vorteile und ein
höheres Maß an Kundenorientierung. Im Gegensatz zur klassischen Zentralisierung von un-
terstützenden Funktionen wird das Shared Service Center als eigenständige Einheit geführt.
Im Zuge der Einrichtung von Shared Service Centern bietet es sich – nicht zuletzt unter Kos-
tengesichtspunkten – an, auch über eine rechtliche und/oder geografische Auslagerung, also
über das Outsourcing von zentralen Diensten nachzudenken.
6.4.3.3 Arbeitsstruktur
Die als Arbeitsstruktur (engl. Working Structure) bezeichnete Organisationsform ist der Teil
der Consulting-Organisation, in der die eigentliche Beratungsleistung erbracht wird. Hier ar-
beiten die Berater innerhalb einer Projektorganisation in hierarchisch gemischten Teams und
teilweise mit Kundenbeteiligung. Gelegentlich sind auch einige in der Support-Struktur ange-
siedelten Einheiten wie die Grafik-Abteilung oder Research an den Projekten direkt beteiligt.
Diese Beraterteams, die räumlich gesehen sowohl im eigenen Unternehmen als auch beim
Kunden angesiedelt sein können, werden jeweils für Kundenaufträge aufgestellt und sind da-
her nur temporäre Organisationseinheiten. Die Leitung der Teams übernehmen Projektleiter,
die aber nicht unbedingt in der Kern-Matrix die höchste Rangposition der beteiligten Berater
einnehmen müssen. Nach Projektabschluss lösen sich die Teams wieder auf und ihre Mitglie-
der nehmen vorübergehend in der Kern-Matrix ihre Position wieder ein, wo sie Routineauf-
gaben (Führungsaufgaben, Projektdokumentation, Schulung, Weiterbildung, Recruiting, An-
gebotserstellung etc.) wahrnehmen [vgl. KLATT 2004, S. 16].
Die so beschriebene Arbeitsstruktur stellt demnach so etwas wie eine virtuelle Organisation
dar, die die Kern-Matrix überlagert, sobald sie in Kraft tritt. Ist das Projekt beendet, ver-
schwindet die Arbeitsstruktur aus der Matrix. Die gleiche Vorgehensweise gilt auch für inter-
ne Projekte sowie für die Neu- und Weiterentwicklung von Beratungsprodukten und -metho-
den. Diese temporären Research & Development-Teams sind fachliche Kompetenzzentren
(engl. Practices), deren Mitglieder aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen und Kenntnisse
und weitgehend ungeachtet ihrer Hierarchiestufe in der Kern-Struktur zusammengestellt wer-
den.
In Abbildung 6-15 ist die oben skizzierte Working Structure mit den Ausprägungen Kunden-
projekte, interne Projekte und Practices als Überlagerung einer dreidimensionalen Kern-
Matrix dargestellt.
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen 557
Unternehmensleitung
Shared
Technology Consulting Outsourcing
services Technology Consulting Outsourcing
Technology Consulting Outsourcing 3. Dimension
Technology Consulting Outsourcing
1.1.Dimension
Dimension
2. Dimension
Arbeitsstruktur
- Kundenprojekte
Arbeitsstruktur
- Interne Projekte
Arbeitsstruktur
- Practices
Genauso wie Berater ihren Kundenunternehmen immer wieder bei der erfolgreichen Bewälti-
gung des Wandels unterstützen, so muss sich auch der Berater selbst bzw. sein Unternehmen
ständig mit der Veränderung auseinandersetzen – nicht zuletzt auch im Umgang mit veränder-
ten Unternehmensstrukturen; denn die wichtigsten Gründe für Veränderungen in Unterneh-
men sind Reststrukturierungs- bzw. Reorganisationsmaßnahmen (siehe Insert 6-01).
Insert
Restrukturierung/Reorganisation 49%
Wachstumsinitiativen 38%
Kostensenkungsprogramme 32%
Welches sind die häufigsten Gründe für Verände- Unternehmen eine zentrale Rolle. An dritter Stelle
rungen in Unternehmen? In der Change Manage- der Veränderungsgründe liegt ein Wechsel der
ment-Studie 2008 von CAPGEMINI geben die Hälfte Unternehmensstrategie gefolgt von Kostensen-
der befragten Unternehmen Restrukturierung bzw. kungsprogrammen. Die obige Abbildung fasst die
Reorganisation als wichtigsten Veränderungsgrund Ergebnisse der Change Management-Studie zu-
an. Wachstumsinitiativen spielen in zwei von fünf sammen.
Jede Veränderung löst Verunsicherung, teilweise sogar Ängste und das Gefühl von Kontroll-
verlust bei den Mitarbeitern aus. So sind Widerstände gegen Veränderungen ganz normale
und unvermeidliche Begleiterscheinungen von Veränderungsprozessen. Widerstände lassen
6.5 Change Management 559
sich oftmals auf fehlende Akzeptanz und Perspektiven zurückführen. Die Zufriedenheit mit
der aktuellen Situation oder auch sachliche, persönliche oder machtpolitische Gründe können
für das Nicht-Wollen vorliegen. Widerstände können aber auch auf fehlender Qualifikation
beruhen. Aus Angst vor Versagen nimmt man am Veränderungsprozess nicht teil oder ver-
sucht ihn zu unterlaufen. Häufig ist es auch fehlendes Verständnis für den Veränderungs-
druck. Mangelnde oder falsche Informationen über die Gründe und Notwendigkeit der Verän-
derung sind zumeist auf fehlerhafte Kommunikation zurückzuführen [vgl. LIPPOLD 2011, S.
203 unter Bezugnahme auf REGER 2009, S. 18 f.].
Generell sind es drei Voraussetzungen, die den Erfolg von Change Management-Projekten
bestimmen [vgl. REGER 2009, S. 14]:
x Veränderungsbedarf, d. h. die grundsätzliche Erkenntnis und Überzeugung, dass eine
Veränderung zu einer besseren Ausgangssituation führt und damit wettbewerbsrelevant
ist,
x Veränderungsfähigkeit, d. h. das Potenzial von Führungskräften und Mitarbeitern, die
Veränderung erfolgreich umzusetzen und
x Veränderungsbereitschaft, d. h. den Willen aller Beteiligten und Betroffenen zur Um-
setzung.
Nur wenn alle drei Voraussetzungen zusammen kommen, hat das Change Management
„leichtes Spiel“.
1
Reformstau
Fähigkeitsdefizite
Veränderungsbedarf
Willensbarrieren Unbefriedigter
Veränderungsdrang
2 4
7 5
Veränderungsfähigkeit
eit Veränderungsbereitschaft
3
Fehlgeleitete
Aktivitäten
Ungenutztes
Fähigkeitspotenzial
Entscheidend für den Erfolg einer notwendigen Umsetzungsmaßnahme ist, wie gut und wie
schnell sich Mitarbeiter an die Veränderung anpassen und ihre Arbeit daran ausrichten. Füh-
rungskräfte und Mitarbeiter müssen zielgerichtet mobilisiert und motiviert werden, damit sie
die bevorstehenden Veränderungen mitgestalten und vorantreiben. Flexibilität und Verände-
rungsfähigkeit ist demnach ein wichtiger Erfolgsfaktor im Wettbewerb.
Konkret muss das Unternehmen Sorge dafür tragen, dass der Mitarbeiter durch Erfüllung der
gestellten Aufgabe auch seine eigenen Ziele erreichen kann. Des Weiteren ist die Motivation
der Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel auszurichten, um den Abbau von Blockaden zu er-
leichtern. Auch eine gezielte Steuerung der Erwartungen sowie eine entsprechende Qualifizie-
rung der Mitarbeiter sind Grundlagen für einen erfolgreichen Change Management-Prozess.
Jede Veränderung ist ein Prozess, der zweckmäßiger Weise in folgenden fünf Phasen ablaufen
sollte [vgl. KRÜGER 2002, S. 49]:
x Initialisierung, d. h. der Veränderungsbedarf wird festgestellt und die Veränderungsträ-
ger müssen informiert werden,
x Konzipierung, d. h. die Ziele der Veränderung sind festzulegen und die entsprechenden
Maßnahmen zu entwickeln,
x Mobilisierung, d. h. das Veränderungskonzept muss kommuniziert und Veränderungsbe-
reitschaft und Veränderungsfähigkeit geschaffen werden,
x Umsetzung, d. h. die priorisierten Veränderungsvorhaben sind durchzuführen und Folge-
projekte anzustoßen,
x Verstetigung, d. h. die Veränderungsergebnisse müssen verankert und Veränderungsbe-
reitschaft und -fähigkeit abgesichert werden.
Ein wichtiger Bestandteil des Change Management ist eine klare, konsequente und konsisten-
te Kommunikation. Führungskräfte und Mitarbeiter werden sich nur dann für den Wandel
einsetzen, wenn sie ausreichend über das Veränderungsvorhaben informiert sind und den Ge-
samtzusammenhang zur Unternehmens- bzw. Marktstrategie kennen. Alle Beteiligten und
Betroffenen müssen mit geeigneten Kommunikationsmitteln und -maßnahmen angesprochen
werden, um ein konsistentes Bild der Veränderung zu erzeugen.
Jedes Change Management-Team muss sich darüber im Klaren sein, dass sich ohne Ziele,
Aktionspläne, Ressourcen, Fähigkeiten, Anreize und Informationen die gewünschte Verände-
rung kaum einstellen wird. Im Gegenteil, fehlt bereits eine dieser Komponenten, so ist Aktio-
nismus, Chaos, Frustration, Angst oder Verwirrung vorprogrammiert.
6.5 Change Management 561
Kaum
Ohne Anreize Ziele + Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten + ? + Information = Veränderung
Gewünschte
Ziele + Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten + Anreize + Information = Veränderung
Abbildung 6-17 zeigt sehr anschaulich, was das Fehlen einzelner Komponenten im Change
Management-Prozess bewirken kann. Besonders deutlich werden diese Effekte, wenn man die
Ursachen fehlgeschlagener Change Management-Projekte analysiert. In Insert 6-02 sind die
häufigsten Ursachen für IT-Projekte, die die Erwartungen nicht erfüllt haben, aufgelistet. Da-
ran wird deutlich, dass es im Wesentlichen immer wieder an der Vernachlässigung mindes-
tens einer der o. g. Komponenten liegt, wenn Projekte nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Insert
Die Anzahl der parallel durchgeführten Projekte wird sourcen sowie eine unklare fachliche Zielsetzung.
als Hauptgrund für das Scheitern von IT-Projekten Letztlich lassen sich also nahezu alle Gründe auf
angegeben. Dies weist auf das Fehlen von Priori- das Fehlen der in Abbildung 6-17 aufgeführten
täten-Plänen hin. Weitere Gründe sind die mangeln- Komponenten zurückführen.
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564 6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3-62: Die Betreuung als sechstes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung .................... 262
Abb. 3-63: Instrumente im After-Sales-Geschäft .................................................................. 271
Abb. 3-64: Phasen des Kundenlebenszyklus ......................................................................... 273
Abb. 4-40: Kosten-Erfahrungskurve bei linear und logarithmisch eingeteilten Ordinaten ... 349
Abb. 4-41: Der Produktlebenszyklus ..................................................................................... 350
Abb. 4-42: Lebenszyklusanalyse bei verspätetem Markteinstieg.......................................... 352
Abb. 4-43: Theoretische Grundlagen der Marktanteils-Marktwachstums-Matrix ................ 353
Abb. 4-44: Ableitung eines Portfolios für ein Beispiel-Unternehmen .................................. 354
Abb. 4-45: Normstrategien und alternative Handlungsempfehlungen für die BCG-Matrix . 355
Abb. 4-46: Normstrategien der 9-Felder-Matrix von MCKINSEY ......................................... 356
Abb. 4-47: Normstrategien der 20-Felder-Matrix von ARTHUR D. LITTLE ........................... 357
Abb. 4-48: Der Ronagraph .................................................................................................... 358
Abb. 4-49: Produkt-Markt-Matrix nach ANSOFF ................................................................... 360
Abb. 4-50: Grundlagen der Marktdurchdringungsstrategie ................................................... 361
Abb. 4-51: Grundlagen der Marktentwicklungsstrategie ...................................................... 362
Abb. 4-52: Grundlagen der Produktentwicklungsstrategie ................................................... 362
Abb. 4-53: Stoßrichtungen der Diversifikationsstrategie ...................................................... 363
Abb. 4-54: Konstellationen von Marktbarrieren ................................................................... 365
Abb. 4-55: Strategien in schrumpfenden Märkten ................................................................ 366
Abb. 4-56: Unterschiede zwischen Qualitäts- und Preiswettbewerb..................................... 369
Abb. 4-57: Die „Stuck-in-the-Middle“-Position.................................................................... 370
Abb. 4-58: Wettbewerbsstrategien nach PORTER .................................................................. 370
Abb. 4-59: Strategisches Spielbrett ....................................................................................... 371
Abb. 4-60: Typische Markteintrittsmuster ............................................................................ 372
Abb. 4-61: Beispiele für Innovationsführer und Innovationsfolger in der ITK-Branche ...... 373
Abb. 4-62: Interne und externe Markteintrittsstrategien ....................................................... 375
Abb. 4-63: Ablauf der Gemeinkostenwertanalyse................................................................. 377
Abb. 4-64: Der Zero-Base-Budgeting-Prozess ...................................................................... 378
Abb. 4-65: Unterschiedliche Vorgehensweisen von GWA und ZBB ................................... 379
Abb. 4-66: Prozessphasen der Nachfolgeregelung ................................................................ 380
Abb. 4-67: Varianten der Nachfolgeregelung ....................................................................... 382
Abb. 4-68: Ganzheitlicher M&A-Prozessansatz ................................................................... 384
Abb. 4-69: Die Rolle des Unternehmensberaters im M&A-Transaktionsprozess ................ 385
Abb. 4-70: Der 90-Grad-Shift................................................................................................ 386
Abb. 4-71: Geschäftsprozesse in Industrieunternehmen mit Serienprodukten ..................... 388
Abb. 4-72: Beratungsansätze (Auswahl) bei der Prozessgestaltung ..................................... 389
Abb. 4-73: Marktanteile im deutschen ERP-Markt 2008 ...................................................... 390
Abb. 4-74: Zusammenhang zwischen internen und externen Informationssystemen ........... 390
Abb. 4-75: Ablaufphasen im Management von Beratungsprojekten .................................... 392
Abb. 4-76: Die vier integrierten Bausteine von PRINCE2 ...................................................... 393
Abb. 4-77: Diagramm zu PRINCE2-Prozessen ....................................................................... 395
Abb. 4-78: Die neun Wissensgebiete und zugehörige Prozesse von PMBOK ...................... 398
Abb. 4-79: Überblick der Inhalts- und Umfangsmanagementprozesse ................................. 398
Abb. 4-80: Grundmodelle der Kunde-Berater-Beziehung..................................................... 399
Abb. 4-81: Beispiel einer Fehlersammelliste......................................................................... 401
Abb. 4-82: Anwendungssituation und Beispiel für die Fehlersammelliste ........................... 401
Abb. 4-83: Beispiel für ein Histogramm ............................................................................... 402
Abb. 4-84: Anwendungssituation und Beispiel für das Histogramm .................................... 403
570 Abbildungsverzeichnis
Abb. 4-85: Anwendungssituation und Beispiel für die Kontrollkarte ................................... 403
Abb. 4-86: Anwendungssituation und Beispiel für Ursache-Wirkungsdiagramm ................ 404
Abb. 4-87: Beispiel für ein Ursache-Wirkungsdiagramm ..................................................... 405
Abb. 4-88: Beispiel für ein Pareto-Diagramm ....................................................................... 406
Abb. 4-89: Anwendungssituation und Beispiel für Pareto-Diagramm .................................. 406
Abb. 4-90: Beispiele für Verteilungen zweier Variablen ...................................................... 407
Abb. 4-91: Anwendungssituation und Beispiel für Korrelationsdiagramm .......................... 408
Abb. 6-01: Die Abfolge von Managementfunktionen als Regelkreis ................................... 533
Abb. 6-02: Kosten nach Kostenarten über alle Unternehmensberatungen ............................ 535
Abb. 6-03: Kostenstruktur der Unternehmensberatungen nach Beratungsfeldern ................ 536
Abb. 6-04: Schmale und breite Beratungspyramide .............................................................. 536
Abb. 6-05: Kosten- und Ergebnisstruktur pro Strategieberater ............................................. 537
Abb. 6-06: Modellrechnungen für Strategieberatungen ........................................................ 538
Abb. 6-07: Kosten- und Ergebnisstruktur pro IT-Berater ..................................................... 539
Abb. 6-08: Modellrechnungen für IT-Beratungen ................................................................. 540
Abb. 6-09: Funktional und objektorientiert strukturierte Unternehmen ................................ 546
Abb. 6-10: Matrixorganisation .............................................................................................. 547
Abb. 6-11: Klassische vs. netzwerkorientierte Führungsstruktur .......................................... 548
Abb. 6-12: Beispiel einer Kern-Matrix von CAPGEMINI Zentral- und Osteuropa 2006 ........ 552
Abb. 6-13: Aufgabenbereiche der drei personalen Organisationsmodule ............................. 555
Abb. 6-14: Aufgaben- und Kompetenzzentrum eines
Marketing-Service-Delivery-Modells ................................................................. 555
Abb. 6-15: Vollständiges Modell der Organisationsstruktur einer Unternehmensberatung . 557
Abb. 6-16: Zusammenhang von Veränderungsbedarf, -fähigkeit und -bereitschaft ............. 559
Abb. 6-17: Komponenten der gewünschten Veränderung .................................................... 561
Insertverzeichnis 573
Insertverzeichnis
Insert 4-01: Sind Porters Five Forces noch gültig? .............................................................. 321
Insert 4-02: Benchmarking Betreuungsquote ....................................................................... 328
Insert 4-03: Umsatz- und Gewinnentwicklung APPLE 1981 bis 2011 .................................. 374
Insert 5-07: Veröffentlichte offene Stellen nach Recruiting-Kanälen 2003 bis 2012 .......... 445
Insert 5-08: Die Karriereseite von ROLAND BERGER Strategy Consultants ......................... 446
Insert 5-09: Marktanteilsverschiebungen zwischen Tageszeitungen und Online-Medien ... 447
Insert 5-10: Das duale Studienangebot von PwC ................................................................. 450
Insert 5-11: Einladung zum Career Camp der CAPGEMINI Consulting ................................ 451
Insert 5-12: Hochschulmesseauftritt von STERIA MUMMERT Consulting ............................ 452
Insert 5-13: Nutzung von Social Media-Kanälen nach Bewerbergruppen ........................... 455
Insert 5-14: Homepage und FACEBOOK-Seite von ACCENTURE ........................................... 456
Insert 5-15: Bedeutung von Netzwerkplattformen zur Informationssuche über Kandidaten ...... 457
Insert 5-16: Praxisbeispiel zum Bewerbungs- und Ausleseprozess bei CAPGEMINI ............ 461
Insert 5-17: High Potentials – die Condottieri unserer Zeit.................................................. 463
Insert 5-18: Einstellungskriterien bei Hochschulabsolventen und Young Professionals ....... 465
Insert 5-19: „Radikalkur in der Personalauswahl“ ............................................................... 466
Insert 5-20: Praxisbeispiel für ein Anreiz- und Vergütungssystem ...................................... 483
Insert 5-21: Die Skill-Level/Potential/Performance-Matrix von CAPGEMINI....................... 504
Sachwortverzeichnis
Mediadimension ....................................206 N
Mediaselektion ......................................207
Mediensponsoring .................................221 Nachfolgeregelung ................................ 380
Megatrends ............................................109 Nachfolgerstrategie ............................... 372
Mehrarbeit .............................................517 Nachkalkulation .................................... 542
Mehrkanalsysteme .................................231 Netto-Nutzen-Vorteil ............................ 189
Meinungsführer .....................................453 Network Transformation ........................ 67
Menschenführung ..................................485 Neubedarf ............................................. 425
Mentee ...................................................513 Neugeschäft .......................................... 238
Mentor .............................................25, 513 Neukundengewinnung .......................... 292
Mentorenprogramm ...............................470 Neukundenmanagement ....................... 272
Mentoring ......................................512, 513 Niedrigpreisstrategie ............................. 196
Merger ...........................................133, 154 Nikolaus-Effekt..................................... 501
Mergers & Acquisitions (M&A) Nischenspezialisierung ......................... 187
..............................................30, 45, 383 Nischenstrategie .................................... 371
Merkmals-/Nutzen-Argumentation .......252 Non-Price Competition ......................... 367
Messebesuchsberichte ...........................225 Normstrategien ..................................... 354
Messebeteiligung ...................................224 Nutzen, funktionaler ............................. 191
Messeeinladungen .................................225 Nutzenargumentation ............................ 252
Messekosten ..........................................225 Nutzenvorstellung ................................. 169
Messen ...................................................223
Methode 635 ..........................................345 O
Methode der gleitenden Durchschnitte .311
Methode der kleinsten Quadrate............312 Objektdimension ................................... 206
Microsite................................................213 Öffentlichkeitsarbeit ............................. 219
Mikrosegmentierung .............181, 430, 431 Onboarding ........................................... 470
Mikro-Umfeld .......................................123 Online-Befragungen ............................. 306
Milchkühe..............................................353 Online-Datenbanken ............................. 303
Milde-Effekt ..........................................500 Online-Fragebogen ............................... 306
Mitarbeiterbefragung .............................489 Online-Käufe ........................................ 447
Mitarbeiterbeurteilung ...........................498 Online-Kommunikation ........................ 201
Mitarbeiterbindung ........................477, 511 Online-Profilabgleich ........................... 462
Mitarbeiterfluktuation ...........................438 Online-Stellenmarkt .............................. 442
Mitarbeiterforderung .....................420, 508 Online-Werbeformen .................... 211, 212
Mitarbeiterförderung .............420, 508, 511 Online-Werbemarkt .............................. 447
Mitarbeitergespräch ...............................494 Online-Werbung ................... 211, 213, 215
Mitarbeiterkontrolle ..............................489 Order Qualifications ............................. 241
Mitarbeiterzeitschrift .............................439 Organisation, divisionale ...................... 547
Mitbestimmung .....................................518 Organisations- und Prozessberatung. 54, 63
Mittelpreisstrategie ................................196 Organisationsentwicklung ...................... 65
Mittel-Zweck-Schema ...........................336 Organisationsentwicklungsfunktion ....... 80
Mobile Payment ......................................48 Organizing ............................................ 534
Mobilisierung ........................................560 Original Equipment Manufacturer
Moderator ................................27, 300, 301 (OEM) .............................................. 234
Morphologischer Kasten .......................347 Outgrowing ............................................. 30
Motivationsfaktor ..................................490 Outplacement ........................................ 520
Motivationsfunktion ..............................473 Outsourcer............................................. 111
Multi-Channel .......................................231 Outsourcing........... 50, 53, 54, 79, 114, 556
Overconcentration................................. 187
Overhead Functions .............................. 552
Oversegmentation ................................. 187
584 Sachwortverzeichnis