Bfu - Glas in Der Architektur
Bfu - Glas in Der Architektur
Bfu - Glas in Der Architektur
Beatrix Jeannottat
Dipl. Ing. Arch. HdK mit CAS in bewegungsbasierter
Altersarbeit und spezialisiert in gerontologischer
Architektur. Seit 2012 bei der BFU als Beraterin Haus
und Produkte. Arbeitsschwerpunkt: Wohnen im Alter.
Glas in der Architektur
Bauliche Massnahmen zur Unfallprävention
Glas als Stilmittel in der Architektur erfüllt die Bedürf- Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Archi-
nisse des Menschen nach Witterungsschutz, natürli- tektenvereins (SIA) regelmässig rechtlich relevant.
chem Licht oder behaglicher Wärme. Dank seiner
Lichtdurchlässigkeit, der hohen Belastbarkeit sowie 3. Rechtliche Relevanz von Normen, Richtlinien
seiner Vielseitigkeit kann Glas als Abschluss von In- und Empfehlungen
nen- und Aussenbereichen fast ohne Einschränkung Technische Normen, z. B. jene des SIA, sind für sich
verwendet werden. allein nicht rechtsverbindlich; ihre rechtliche Bedeu-
tung hängt von entsprechenden Regelungen auf Ge-
Bauteile aus Glas müssen zum einen bei Bruch setzes- und Verordnungsstufe ab. Wenn man baut,
Schnittverletzungen und zum anderen Abstürze sind zuerst immer die relevanten rechtlichen Vorga-
durch Fensterelemente und über Balkonbrüstungen ben zu beachten (eidgenössisches, kantonales und
verhindern. Unfälle, die sich trotzdem ereignen, sind kommunales Recht). Wenn die Frage «Wie baue ich
vorwiegend auf die Verwendung von ungeeigneten konkret möglichst sicher?» damit nicht oder nur un-
Glasarten und nicht fachgerecht montierten Halte- vollständig beantwortet werden kann, kommen die
rungen zurückzuführen. Sicherheit hat bei Glasbau- einschlägigen technischen Normen ins Spiel. Bei der
teilen absolute Priorität. Um die oben genannten Planung sind diese in ihrer Gesamtheit zu konsultie-
Schutzziele zu erreichen, sind entsprechende Mass- ren. Wenn für ein Bauvorhaben eine bestimmte tech-
nahmen schon im Planungs- und Bauprozess zu in- nische Norm massgebend ist, damit aber eine kon-
tegrieren. krete Frage zum Glaseinsatz nicht oder nicht ab-
schliessend beantwortet wird, kommen die Richtli-
1. Geltungsbereich nien des Schweizerischen Instituts für Glas am Bau
Die vorliegenden Empfehlungen gelten für Wohnbau- (SIGAB) oder Empfehlungen von Fachorganisationen
ten, Industrie-, Gewerbe- und Bürobauten, Einkaufs- wie der BFU zum Tragen.
läden und Einkaufszentren, Schulen, Freizeit- und
Sportanlagen, Bäder, kulturelle Bauten, Heime, Spi- 4. Produktesicherheit im Sinne des Baupro-
täler und dergleichen. duktegesetzes (BauPG)
Glasprodukte im Bau sind Bauprodukte im Sinne des
2. Verantwortung Bauproduktegesetzes (BauPG) [2]. Dieses Gesetz re-
Das Recht regelt: Wer einen gefährlichen Zustand gelt das Inverkehrbringen von Bauprodukten und de-
schafft, muss die zur Vermeidung eines Schadens ren Bereitstellung auf dem Markt. «Bauprodukte dür-
notwendigen und zumutbaren Vorsichtsmassnah- fen nur in Verkehr gebracht oder auf dem Markt be-
men treffen. Ereignet sich ein Schaden aufgrund ei- reitgestellt werden, wenn sie im Sinne des Artikels 3
nes Mangels, wird insbesondere die Werkeigentü- Absatz 1 PrSG [Produktesicherheitsgesetz] sicher
merhaftung gemäss Art. 58 OR [1] angewendet: «Der sind und daher bei normaler oder bei vernünftiger-
Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen weise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und
Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den dieses in- die Gesundheit der Verwenderinnen und Verwender
folge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder oder Dritter nicht oder nur geringfügig gefährden.»
von mangelhafter Unterhaltung verursacht.» Der (Art. 4 Abs. 1 BauPG) [2]. Bei Produkten, bei denen
Werkeigentümer hat also zu garantieren, dass Zu- die Sicherheit nicht über das BauPG [2] geregelt wird,
stand und Funktion seines Werks niemanden und kommt das PrSG [3]zur Anwendung .
nichts gefährden. Wenn Gestaltung und Funktion
nicht sicher sind, liegt ein Werkmangel vor. Bei Ge- Mehr zu Sicherheit mit Glas: Richtlinie 002 des
richtsentscheiden über Werkmängel werden auch die SIGAB [4] und auf bbl.admin.ch [5].
Abbildung 1
Helle sowie dunkle Markierungen auf Glaselementen
Wichtig zu beachten
Um sich betreffend Glasqualität abzusi-
chern, sollte beim Hersteller oder beim
Lieferanten ein schriftlicher Nachweis zum
gelieferten bzw. eingebauten Glasprodukt
verlangt werden.
Abbildung 5
Verbund-Sicherheitsglas VSG
Glasfassaden*
Ungeeignet Geeignet Geeignet
Bei Gefährdung durch
Absturz ist ein Schutze-
lement gemäss Norm
SIA 358 [6] notwendig.
Glas in Sporthallen*
Ungeeignet Geeignet Geeignet
Bei Gefährdung durch VSG kann ballwurfsicher
Absturz ist ein Schutze- ausgelegt werden. Der
lement gemäss Norm Versatz zur Rahmen-
SIA 358 [6] notwendig. oberfläche sollte mög-
Der Versatz zur Rah- lichst gering sein.
menoberfläche sollte
möglichst gering sein.
Glasdächer, Überkopfverglasungen
Ungeeignet Ungeeignet Geeignet
Ausnahme: Mittlere oder
obere Scheibe bei Mehr-
scheibenisolierglas
* Für diese Glaselemente wird das Sichtbarmachen empfohlen bzw. es gelten die Anforderungen der Norm SIA 500 [7].
Abbildung 6
Fenster mit Floatglas
Begriffe
Personenschutz: Schutz vor Schnittverletzungen und
Absturz
3.1 Schutz vor Schnittverletzungen und Absturz 3.2 Schutz vor Schnittverletzungen
Legende
Grob brechendes Glas (Float-, Gussglas, TVG)
Sicherheitsglas (ESG oder VSG)
Verbund-Sicherheitsglas (VSG)
11. Ballwurfsicherheit
In Sportstätten und Sporthallen oder an Orten, wo mit
Ballspielen zu rechnen ist – wie Kindergärten und
Schulen – sind ballwurfsichere Gläser einzusetzen.
Wichtig zu beachten
Folien können Spannungen in den Schei-
ben verursachen, was in Ausnahmefällen
zu Glasbruch führen kann. Im Zweifelsfall
ist der Glashersteller zu kontaktieren.
Abbildung 9
Helle sowie dunkle Markierungen auf Glaselementen
(Masse in cm)
16 Personenschutz
5. Klemmschutz
Um das Einklemmen von Fingern oder Zehen bei
Weiterführende Informationen
Ganzglastüren zu vermeiden, sollten zwischen
Glastür und Seitenteil entlang der Nebenschliess- • Richtlinie 002 des SIGAB
kante (unmittelbar neben der Drehachse) Klemm- • Feuerpolizeiliche Aspekte: Vereinigung
schutzsysteme eingesetzt werden. Dies gilt vor allem Kantonaler Feuerversicherungen (VKF),
für Kindertagesstätten und Freizeitanlagen. vkf.ch
• Vogelschutz: vogelwarte.ch
6. Prinzip der «glatten Wand»
• Strahlenschutz: admin.ch
Verglasungen in Sportstätten sind hallenseitig bis zu
einer Höhe von 2,7 m ab begehbarer Fläche ebenflä-
chig auszubilden. Dies bedingt, dass Fensterfronten,
Griffe, Türdrücker und Beschläge bündig mit der Hal-
lenwand ausgeführt werden müssen. Hallenseitig
müssen Gläser mit möglichst geringem Versatz zur
Rahmenoberfläche eingebaut werden.
7. Sonnenschutz
Die Beschattung von verglasten Bauteilen verhindert
Blendung und beeinflusst die thermische Behaglich-
keit.
Abbildung 10
Glasbrüstung aus VSG
Bei Treppen spielen die Wahl der Glasart und die Di-
cke sowie die Befestigung eine wichtige Rolle. Trep-
penstufen sind wie begehbare Verglasungen zu be-
messen, damit auch schwere Gegenstände (z. B. Mo-
biliar) über die Treppe transportiert werden können.
Treppengläser müssen die gleichen rutschhemmen-
den Eigenschaften wie Bodenbeläge aufweisen.
20 Quellenverzeichnis
Fachdokumentationen
Nr. 2.026
Kleingewässer – Leitfaden für Planung, Bau und Un-
terhalt
Nr. 2.027
Bodenbeläge – Leitfaden für Planung, Bau und Un-
terhalt von sicheren Bodenbelägen
Nr. 2.032
Anforderungsliste Bodenbeläge – Leitfaden: Anfor-
derungen an die Rutschhemmung in öffentlichen
und privaten Bereichen
Nr. 2.034
Rechtliches zur Sturzprävention im Hochbau – Ein
Überblick über Vorgaben für bauliche Massnahmen
Sämtliche Publikationen sind kostenlos und auf bestellen.bfu.ch zu finden – direkt zum Herunterladen oder
zum Bestellen. Einige Fachdokumentationen sind nur in deutscher Sprache erhältlich, mit Zusammenfassun-
gen auf Französisch und Italienisch.
22 Impressum
Die BFU macht Menschen sicher.
Als Kompetenzzentrum forscht und berät sie,
damit in der Schweiz weniger folgenschwere
Unfälle passieren – im Strassenverkehr, zu
Hause, in der Freizeit und beim Sport. Für diese
Aufgaben hat die BFU seit 1938 einen öffent-
lichen Auftrag.
2.006.01 – 12.2020; © BFU