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MASTERARBEIT

Frau
Melissa Sandmeir

Agile verarbeitende KMU: Her-


ausforderungen und Chancen
einer digitalen Transformation

Mit einer Case Study zu einem


verarbeitenden Familienbetrieb

2022
Fakultät: Medien

MASTERARBEIT

Agile verarbeitende KMU: Her-


ausforderungen und Chancen
einer digitalen Transformation

Mit einer Case Study zu einem


verarbeitenden Familienbetrieb

Autorin:
Frau Melissa Sandmeir

Studiengang:
Industrial Management

Seminargruppe:
ZM18wS-DHS

Erstprüfer:
Prof. Dr. Sebastian Scharf

Zweitprüfer:
Dr. Monika Potkański-Palka

Einreichung:
München, 12.04.2022
Faculty of Media

MASTER THESIS

Agile manufacturing SMEs:


Challenges and opportunities
of digital transformation

With a case study on a


manufacturing family business

author:
Ms. Melissa Sandmeir

course of studies:
Industrial Management

seminar group:
ZM18wS-DHS

first examiner:
Prof. Dr. Sebastian Scharf

second examiner:
Dr. Monika Potkański-Palka

submission:
Munich, 04/12/2022
Bibliografische Angaben

Sandmeir, Melissa:

Agile verarbeitende KMU: Herausforderungen und Chancen einer digitalen


Transformation. Mit einer Case Study zu einem verarbeitenden Familienbetrieb.

Agile manufacturing SMEs: Challenges and opportunities of digital transforma-


tion. With a case study on a manufacturing family business.

85 Seiten, Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences,


Fakultät Medien, Masterarbeit, 2022

Abstract

Die Thesis befasst sich mit dem Einfluss der Digitalisierung auf kleine und mittlere
Unternehmen (KMU) des verarbeitenden Gewerbes. Im Fokus des Interesses
steht die Frage, welche Herausforderungen und Chancen sich durch eine digitale
Transformation für diese Unternehmen ergeben. Durch eine deduktive Literatur-
recherche wird die theoretische Grundlage für die darauffolgende Case Study
des Familienbetriebs Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH geschaffen. Ergebnis
der vorliegenden Arbeit ist, dass sich durch die disruptive Kraft der Digitalisierung
und digitale Transformation einige Herausforderungen für KMU ergeben, die es
für einen erfolgreichen Wandel zu meistern gilt. Demgegenüber überwiegt jedoch
eine Vielzahl an Chancen, durch die diese Hindernisse bewältigt werden können.
Für die Forschung empfiehlt es sich, eine genauere Analyse der verarbeitenden
KMU in Anbetracht der digitalen Transformation vorzunehmen, dabei aber darauf
zu achten, nicht selbst durch Neuerungen disruptiert zu werden.
Inhaltsverzeichnis V

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... V

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ VII

Tabellenverzeichnis ................................................................................................ VIII

1 Einleitung............................................................................................................. 1

1.1 Problemstellung und Relevanz ................................................................... 2

1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage .............................................................. 3

1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau.......................................................... 4

2 Digitale Transformation von KMU ...................................................................... 6

2.1 Begriffsdefinition: Digitalisierung ................................................................ 7

2.2 Begriffsdefinition: Verarbeitende KMU.......................................................14

2.3 Prozess der digitalen Transformation von KMU ........................................16

2.3.1 Analyse der digitalen Unternehmenssituation .......................... 19


2.3.2 Implementierung der digitalen Transformation ......................... 23
2.3.3 Design einer Digitalisierung...................................................... 37
2.4 Aktueller Forschungsstand ........................................................................44

3 Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU .....47

3.1 Herausforderungen der digitalen Transformation ......................................48

3.1.1 Herausforderungen durch die Digitalisierung ........................... 48


3.1.2 Allgemeine Herausforderungen der digitalen Transformation ... 53
3.1.3 Herausforderungen für KMU des verarbeitenden Gewerbes .... 60
3.2 Chancen der digitalen Transformation für KMU .........................................62

3.2.1 Allgemeine Chancen der digitalen Transformation ................... 62


3.2.2 Chancen für KMU des verarbeitenden Gewerbes .................... 65
3.2.3 Lösungsansätze für die digitale Transformation von KMU ........ 68
3.3 Case Study: Digitale Transformation der Sandmeir – exclusiv Stahlbau
GmbH .......................................................................................................73

3.3.1 Chancen für die Sandmeir – exklusiv Stahlbau GmbH ............. 74


3.3.2 Herausforderungen für die Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH
................................................................................................ 75
3.3.3 Lösungsansatz für die Sandmeir – exklusiv Stahlbau GmbH ... 76
4 Schluss ...............................................................................................................81

4.1 Fazit und Beantwortung der Forschungsfrage ...........................................81


Inhaltsverzeichnis VI

4.2 Limitation und kritische Würdigung ............................................................83

4.3 Ausblick für die Forschung ........................................................................84

Literaturverzeichnis .................................................................................................. IX

Anhang...................................................................................................................... XV

Anhang 1: Chancen und Hindernisse digitaler Technologien............................... XV

Anhang 2: Hype-Cycle Modell nach Gartner ...................................................... XIX

Anhang 3: Maßnahmen zur Umsetzung der Designprinzipien ............................. XX

Anhang 4: Hürden für den Einsatz digitaler Technologien ................................. XXII

Anhang 5: Alchimedus®-Potenzialanalyse Digital Transformation 4.0 KMU ...... XXIII

Eigenständigkeitserklärung .............................................................................. XXXIII


Abbildungsverzeichnis VII

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die vier industriellen Revolutionen ........................................................... 7
Abbildung 2: Beschäftigung und Umsatz von KMU und Großunternehmen in
Deutschland (2019) .....................................................................................................16
Abbildung 3: Konzept der organisationalen Ambidextrie ..............................................25
Abbildung 4: Business-Model-Innovation.....................................................................26
Abbildung 5: Digital Transformation Engine .................................................................27
Abbildung 6: Digitale Adaptionsfähigkeit von Organisationen ......................................38
Abbildung 7: Digitale Organisationsformen ..................................................................41
Abbildung 8: Entwicklung der Digitalisierungsaktivitäten von KMU im Zuge der Corona-
Pandemie ....................................................................................................................45
Abbildung 9: Digital Organizational Readiness ............................................................69
Abbildung 10: Handlungsbedarf Sandmeir - exclusiv Stahlbau GmbH ........................77
Abbildung 11: Einordnung digitaler Schlüsseltechnologien in Hype-Cycle Modell nach
Garnter ...................................................................................................................... XIX
Abbildung 12: Erschwerende Aspekte für den Einsatz digitaler Technologien .......... XXII
Tabellenverzeichnis VIII

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Größenklassen von Unternehmen ..............................................................15
Tabelle 2: Kraftausprägung der Sandmeir - exclusiv Stahlbau GmbH .........................74
Tabelle 3: Handlungsfelder der Sandmeir - exclusiv Stahlbau GmbH ..........................76
Tabelle 4: Chancen, Hindernisse und Lösungsansätze Cloud Computing .................. XV
Tabelle 5: Chancen, Hindernisse und Lösungsansätze IoT ....................................... XVI
Tabelle 6: Chancen, Hindernisse und Lösungsansätze Blockchain .......................... XVII
Tabelle 7: Chancen, Hindernisse und Lösungsansätze KI ....................................... XVIII
Tabelle 8: Phasen des Hype-Cycle Modells nach Gartner ......................................... XIX
Tabelle 9: Maßnahmen zur Umsetzung der fünf Designprinzipien ............................. XXI
Tabelle 10: Fragen zur Strukturkraft ....................................................................... XXVI
Tabelle 11: Fragen zur Ausbruchkraft..................................................................... XXIX
Tabelle 12: Fragen zur Gemeinschaftskraft ........................................................... XXXII
Einleitung 1

1 Einleitung
Es sind weder die Stärksten einer Art, die überleben, noch
die Intelligentesten. Es sind vielmehr diejenigen, die sich einem
Wandel am besten anpassen können. – Charles Darwin

Megatrends wie Digitalisierung, demografischer Wandel, Globalisierung, zuneh-


mende Komplexität und ansteigende Flexibilität stellen Unternehmen vor enorme
Herausforderungen, für deren Bewältigung es neuer Lösungsansätze bedarf. Be-
sonders an die Rahmenstrukturen einer Organisation werden durch die Digitali-
sierung und dem damit verbundenen Anstieg der Alltagskomplexität,
Informationsfülle und Veränderungsgeschwindigkeit neue Anforderungen ge-
stellt.1 Denn dieser Trend greift immer stärker um sich: Physische Gegenstände
digitalisieren und dematerialisieren sich. Egal, ob selbstständige Produkte (z. B.
Taschenlampe, Taschenrechner oder Kamera), Zugangskontrollen (z. B. Auto-
schlüssel, Flugtickets oder Eintrittskarten), Empfangskanäle (z. B. Radio, E-Mail
oder Fernsehen) oder allgemeiner Content, der früher haptisch erworben wurde
(z. B. Fotos, Zeitung oder Bücher) – alles kann mittlerweile mit nur einem Gerät,
dem Smartphone, konsumiert werden.2 Dabei sind die Grenzkosten, die sich ge-
gen „null“ bewegen, zu beachten. Wie oft eine Leistung vervielfältigt wird, spielt
demnach keine große Rolle mehr, da die Kosten dadurch nicht oder nur kaum
beeinflusst werden. Dies bedeutet aber auch, dass sich wertschöpfende Arbeits-
schritte und Logistikaufgaben und damit Arbeitsplätze dematerialisieren. 3 Durch
diese Dematerialisierung verändern sich nicht nur die Produkte und Dienstleis-
tungen. Unter dem Slogan Software eats the world müssen sich ganze Wert-
schöpfungsketten und Branchen einer digitalen Transformation unterziehen. 4
Dabei sind es nicht nur die Großkonzerne, die von diesem Trend betroffen sind,
sondern auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen sich den Heraus-
forderungen stellen, um der Marktdynamik aller Branchen gerecht zu werden.5

Im ersten Kapitel dieser Arbeit werden zunächst Problemstellung sowie Relevanz


des Themas weiter verdeutlicht. Im Anschluss werden Zielsetzung und

1 Vgl. Slogar 2020, 7.


2 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 1.
3 Vgl. ebd., 15.
4 Vgl. ebd., 3.
5 Vgl. Slogar 2020, 21.
Einleitung 2

Forschungsfrage beleuchtet, bevor auf das methodische Vorgehen sowie den


Aufbau der Thesis eingegangen wird.

1.1 Problemstellung und Relevanz

Durch die Digitalisierung hat die industrielle Revolution bereits ihr viertes „Up-
date“ erhalten. Die sogenannte vierte industrielle Revolution oder auch Industrie
4.0 fordert Agilität von den Unternehmen, um sich der Marktdynamik und dem
immer schneller werdenden (technologischen) Wandel anpassen zu können. 6
Diese Revolution bezieht sich nicht nur auf einzelne Branchen oder Abteilungen.
Um dem digitalen Wandel gerecht zu werden, bedarf es einer auf Veränderungen
ausgerichteten Unternehmenskultur sowie Geschäftsprozesse für eine schnelle
Reaktion.7 Der Umbruch in vielen Branchen bedeutet aber nicht, dass alle Unter-
nehmen mit dieser Entwicklung Schritt halten (können). „Wer sein Unternehmen
in die Zukunft führen will, braucht ein kundenzentriertes, zukunftssicheres Ge-
schäftsmodell, ein kanalübergreifendes Angebot und eine progressive IT, sodass
es sich schnell an neue Marktsituationen anpassen kann.“8 Klassische hierarchi-
sche Strukturen stehen den Unternehmen für eine digitale Transformation im
Weg, da sie nicht mehr ausreichend leistungsfähig und wirksam, sondern zeit-
aufwendig geworden sind. Zum einen verlangt die digitale Wirtschaftsdynamik
eine kurzfristige, kreative und ergebnisorientierte Entwicklung und Umsetzung
benötigter Ideen, Produkte und Dienstleistungen: Lange Entscheidungsprozesse
der hierarchiebasierten Organisationsstrukturen sind dafür jedoch zu träge und
administrativ. Es werden agile und interdisziplinäre Vorgehensmodelle benötigt,
die ein selbstorganisiertes, selbstverantwortliches und hierarchiefreies Arbeiten
der einzelnen Mitarbeiter erlaubt. Diese Eigenverantwortung und Entscheidungs-
kompetenz kann bei erfolgreichen Start-ups, vor allem aus dem Silicon Valley,
beobachtet werden, die auf Innovationen und disruptive9 Geschäftsmodelle set-
zen.10 Zum anderen steht die Verteilung spezialisierter Aufgaben der Transfor-
mation im Weg: Die Unternehmensfunktionen sind der Marktdynamik nicht mehr

6 Vgl. Ternès/Schieke 2018, VII f.


7 Vgl. ebd., 2.
8 Ebd. 2018, 3.
9 Disruption kommt ursprünglich aus dem Innovationsmanagement und beschreibt ein Phänomen, bei dem
aus technologischen Erneuerungen auch geschäftliche Veränderungen resultieren. Vgl. Reinhardt 2020,
17.
10 Vgl. Slogar 2020, 21.
Einleitung 3

gewachsen, da es ihnen an benötigter Flexibilität, Innovationsfähigkeit und Ab-


wicklungsgeschwindigkeit fehlt. Die immer kürzeren Veränderungszyklen verlan-
gen nach einer Umstrukturierung von Unternehmen, die auch grundsätzliche
Architekturprinzipien miteinschließt.11 Mit starren und traditionellen Prozessen
können agile Methoden, die bei der Reaktion auf ständige Veränderungen behilf-
lich sind, nicht durchgeführt und die Chancen der Digitalisierung nicht genutzt
werden. Eine Wettbewerbsdurchsetzung wird somit unmöglich.12 Das Bewusst-
sein für diesen Wandel ist bereits gemeinhin vorhanden, jedoch ergeben sich
gerade für KMU Umsetzungsschwierigkeiten. Angefangen mit der Frage, welche
Veränderungen auf das Unternehmen zukommen und welche Relevanz und Aus-
wirkung diese auf das organisationale, technologische und soziale Gefüge im
Unternehmen haben, fehlt es den KMU oft an Fachkenntnissen. Während Groß-
konzerne für eine digitale Transformation eine Projektgruppe beauftragen, man-
gelt es kleineren Unternehmen hierfür an finanziellen und personellen
Ressourcen.13 Zur Hilfestellung wird diese Arbeit konzipiert, deren Zielsetzung
und Forschungsfrage im folgenden Kapitel vorgestellt werden.

1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage

Zielsetzung der Masterarbeit ist es, durch eine Framework-Analyse einen Über-
blick über die Natur des digitalen Wandels in Gesellschaft und Wirtschaft zu ge-
ben. Dafür wird diskutiert, wie Unternehmen mit dem Unerwarteten in Form der
disruptiven Zerstörung bekannter Rahmenbedingungen umgehen sollten. Aus
diesem Grund werden sowohl die strategischen Denkmuster digitaler Organisa-
tionen, bezogen auf die digitalen Wirkungen in der Außenwelt als Geschäftsum-
feld einer Organisation, sowie deren Innenwelt, bezogen auf Mitarbeiter und
Arbeitsorganisation, genauer betrachtet. Besonders Unternehmen des verarbei-
tenden Gewerbes, deren Produkte nicht oder noch nicht vollständig der Demate-
rialisierung unterworfen sind, stellen die Rentabilität einer digitalen
Transformation in Frage. Stellvertretend wird eine Potenzialanalyse als Grund-
lage einer solchen Transformation durchgeführt mit dem Ziel, die Herausforde-
rungen und Chancen der Digitalisierung zu verstehen, für ein besseres
Verständnis in einer Case Study aufgezeigt. Dafür werden die Rahmenbedingun-
gen des Familienbetriebs Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH, das zu den KMU

11 Vgl. Slogar 2020, 22 f.


12 Vgl. Ternès/Schieke 2018, 3.
13 Vgl. Bosse/Zink 2019, V.
Einleitung 4

des verarbeitenden Gewerbes zählt, analysiert. Durch die Darstellung bestehen-


der Herausforderungen und Chancen einer digitalen Transformation soll die Re-
levanz dieser aufgezeigt werden. Zur Umsetzung dieser Zielsetzung wird
folgende Forschungsfrage formuliert:

Welche Herausforderungen und Chancen einer digitalen Transformation erge-


ben sich für verarbeitende KMU?

Die Forschungsfrage zielt darauf ab, KMU des verarbeitenden Gewerbes die di-
gitale Transformation näher zu bringen. Es sollen Herausforderungen aufgezeigt
werden, die auf die Unternehmen zukommen. Dadurch soll die Ungewissheit be-
züglich der Veränderungen und der Relevanz genommen werden. Ebenso erge-
ben sich viele Chancen, die genutzt werden müssen, um in einem dynamischen
Markt überlebensfähig zu sein. Beide Betrachtungsweisen werden für ein über-
greifendes Verständnis der digitalen Transformation innerhalb einer Framework-
Analyse erarbeitet.

1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau

Für diese Arbeit wird eine empirische Methode, die Case Study oder auch Fall-
studie, gewählt. Dabei handelt es sich um eine qualitative Forschungsmethode,
die durch detaillierte und ausführliche Untersuchung eines Falls Informationen
sammelt und interpretativ auswertet. Es wird das Ziel verfolgt, ein Thema im De-
tail zu erfassen und zu untersuchen. Dementsprechend geht es weniger um die
Quantität und dafür mehr um die Qualität der Ergebnisse. Der Fall, der in dieser
Thesis bearbeitet werden soll, ist die digitale Transformation der Sandmeir –
exclusiv Stahlbau GmbH, einem KMU des verarbeitenden Gewerbes. Mithilfe ei-
ner Framework-Analyse sollen sowohl Chancen, die durch die digitale Transfor-
mation ergriffen werden, als auch Herausforderungen, die gemeistert werden
müssen, dargestellt werden. Grundlage für die Case Study bildet eine deduktive
Literaturrecherche zur Definition wesentlicher Begriffe sowie der Darstellung des
Prozesses zur digitalen Transformation.14
Demzufolge gilt es in Kapitel 2, die Gesetzmäßigkeiten der vernetzten Wirtschaft
ganzheitlich zu begreifen und Prozesse der digitalen Transformation systema-
tisch zu betrachten. Dafür werden zunächst entscheidende Begriffe definiert: In

14 Vgl. Goldenstein/Hunoldt/Walgenbach 2018, 91ff.


Einleitung 5

Kapitel 2.1 wird auf die Digitalisierung sowie deren Auswirkungen auf die sozialen
und ökonomischen Strukturen eingegangen, bevor in Kapitel 2.2 beschrieben
wird, welche Organisationen den verarbeitenden kleinen und mittleren Unterneh-
men zuzuordnen sind. Daraufhin wird in Kapitel 2.3 der Versuch vorgenommen,
die digitale Transformation als Prozess mit allen Gestaltungsfeldern darzustellen.
Bevor in die Praxis übergegangen werden kann, wird der aktuelle Forschungs-
stand bezüglich der digitalen Transformation von verarbeitenden KMU darge-
stellt.
Nachdem die Theorie und der aktuelle Forschungsstand in Bezug auf die digitale
Transformation von KMU ausreichend dargelegt sind, kann dieses Wissen auf
die Praxis angewandt werden. Dafür wird in Kapitel 3 auf die Herausforderungen
und Chancen der digitalen Transformation eingegangen. Zunächst werden in Ka-
pitel 3.1 die Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung ergeben be-
leuchtet, bevor diejenigen, die sich für alle Unternehmen durch die digitale
Transformation ergeben, dargestellt werden. Daraufhin werden diese auf verar-
beitende KMU angewandt, bevor in Kapitel 3.2 auf die bestehenden Chancen
eingegangen wird. Dafür werden zunächst allgemeine Chancen der digitalen
Transformation dargelegt, um anschließend auf die der KMU des verarbeitenden
Gewerbes einzugehen. Dabei sollen einige Lösungsansätze geboten und die Bri-
sanz einer digitalen Transformation, unabhängig von Wirtschaftszweig und Un-
ternehmensgröße, dargelegt werden. Folgend wird in Kapitel 3.3 eine Case
Study durchgeführt, die anhand einer Framework-Analyse Herausforderungen
und Chancen beleuchten soll. Darauf aufbauend können erste Lösungsansätze
für das Unternehmen in Bezug auf den Umgang mit der Digitalisierung gegeben
werden.
Zuletzt wird in Kapitel 4 ein Fazit gezogen. Dafür wird zunächst die Forschungs-
frage beantwortet, bevor Limitationen der Arbeit dargelegt und die Arbeit kritisch
gewürdigt werden. Abschließend wird ein Ausblick für die Forschung gegeben,
um etwaige Lücken und weiteren Forschungsbedarf aufzuzeigen.
Digitale Transformation von KMU 6

2 Digitale Transformation von KMU


Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärts bewegen,
um das Gleichgewicht zu wahren. – Albert Einstein

Das Thema der Arbeit lässt sich der Betriebswirtschaftslehre (BWL) als Teilgebiet
der Wirtschaftswissenschaften zuordnen. Diese orientiert sich an der Knappheit
der Güter, welche wirtschaftliches Handeln nötig macht. Inhalte der BWL sind die
Planung, Organisation, Steuerung, Realisierung und Überwachung allen unter-
nehmerischen Handelns. Allgemein gesagt beschäftigt sie sich demnach mit al-
len innerbetrieblichen Teilbereichen eines Unternehmens.15 Da die digitale
Transformation die gesamte Organisation verändert und somit Einfluss auf alle
Teilbereiche des Unternehmens nimmt, kann diese Arbeit der BWL zugeordnet
werden.
Neue digitale Technologien zerstören bestehende normative Wettbewerbs- und
Marktstrukturen, indem sie meist günstigere kreative Innovationen mit sich brin-
gen. Der Ursprung ist weitgehend in Veränderungen gesellschaftlicher Subsys-
teme zu finden. Die immense Veränderungsgeschwindigkeit unserer
Gesellschaft bringt disruptive digitale Innovationen mit sich, die traditionelle Ge-
schäftsmodelle regelrecht zerstören.16 Die neuen Wettbewerbsstrukturen wirken
auf traditionelle Organisationen existenzbedrohend und eröffnen kleinen digita-
len Konkurrenten den Eintritt in den Markt.17 Unternehmen reagieren darauf oft-
mals mit einem Umbau oder Aufbau neuer Geschäftsmodelle, um den
technologischen Neuerungen gerecht zu werden. Auch von traditionellen und
konservativen Unternehmen wird verlangt, sich den disruptiven Entwicklungen
anzupassen. „Alle Maßnahmen aber verbindet die Erkenntnis, dass technologi-
sche Disruption nicht mehr nur durch Anpassung einzelner organisationaler Rou-
tinen bewältigt werden kann.“18 Diesem Handlungsdruck sind alle Unternehmen
ausgesetzt, deren Entscheidungen auch in der sehr dynamischen Umwelt gut
durchdacht und geplant sein müssen.19

15 Vgl. Rechnungswesen-verstehen: www.rechnungswesen-verstehen.de, [08.04.2022].


16 Vgl. Reinhardt 2020, 17.
17 Vgl. ebd., 93.
18 Ebd., 39.
19 Vgl. ebd., 19 f.
Digitale Transformation von KMU 7

Die Welt wird zu einem einzigen Netzwerk – die Gesetzmäßigkeiten der vernetz-
ten Wirtschaft gilt es nun ganzheitlich zu begreifen und die Prozesse der digitalen
Transformation systematisch zu betrachten. Darauf wird in Kapitel 2.3 näher ein-
gegangen. Nun sollen für ein besseres Verständnis die Begriffe Digitalisierung
und verarbeitende KMU definiert werden. Abschließend wird der aktuelle For-
schungsstand dargelegt, um darauf aufbauend die erlernte Theorie in die Praxis
zu überführen.

2.1 Begriffsdefinition: Digitalisierung

„Kompetenz in digitaler Unternehmensführung ist die Voraussetzung dafür, die


digitale Welt um die Organisation herum, ihre Marktdynamik, die neuen Techno-
logien aber auch gesellschaftliche Umbrüche zu verstehen und zu bewerten.“20
Um ein Verständnis für die neuen digitalen Organisationssysteme, Tools und An-
sätze zu erhalten, muss zunächst der Begriff Digitalisierung näher beleuchtet
werden:
„Digitalisierung
Beschreibt den mathematischen Prozess der Umwandlung von Informationen,
die in Form physischer Repräsentationsformen von realen Objekten vorliegen, in
ein digitales und computerlesbares Format, wodurch digitale Informationsüber-
tragung ermöglicht wird.“21
Die Digitalisierung hat solch einschneidende Veränderungen der Wirtschaft mit
sich gebracht, dass hierbei, wie eingangs erwähnt, auch von der vierten industri-
ellen Revolution gesprochen wird.

Abbildung 1: Die vier industriellen Revolutionen22

20 Reinhardt 2020, V.
21 Ebd., 14.
22 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., 21.
Digitale Transformation von KMU 8

Abbildung 1 stellt die vier großen industrietechnologischen Wellen, deren Eigen-


schaft die nachhaltige Veränderung gesellschaftlicher Strukturen in nur kurzer
Zeit bedeutet, dar. Diese Wellen werden als Innovationszyklus oder umgangs-
sprachlich als wirtschaftliche Revolution bezeichnet.23
Die erste industrielle Revolution wurde von Kohle- und Dampfmaschinen einge-
leitet. Menschen wurden zum ersten Mal durch Eisenbahnen und Schifffahrt mit-
einander verbunden.24 Diese Revolution führte später zu einem
explosionsartigen Anstieg der industriellen Produktion, die zusammen mit der
Elektrizität die zweite industrielle Revolution einleitete. Durch elektrische Antriebe
und Antriebssysteme entwickelten sich Massenproduktion und Arbeitsteilung.
Die Arbeit wurde dezentralisiert und es entstanden gewerkschaftliche Strukturen,
die für gesunde und zufriedene Arbeitnehmer einstanden, um deren Produktivität
zu steigern.25 Die dritte industrielle Revolution war geprägt durch die Elektronik
und Mikroelektronik. Es wurden elektronische Informations- und Kommunikati-
onstechnologien eingesetzt, die eine Automatisierung der Produktionsprozesse
zuließen. Zudem rückten Kundenwünsche immer mehr in den Fokus des Ver-
triebs und Marketings, wodurch eine individualisierte Produktion hervorgerufen
wurde.26 Aufbauend auf den Technologien der dritten industriellen Revolution
werden in der vierten industriellen Revolution digitale Technologien universell ge-
nutzt. Wesentliche Innovationen sind der Nanotechnologie, neuen Energiesyste-
men, Biotechnologie oder Gentechnologie zuzuordnen, durch deren Anwendung
soziale, politische, kulturelle und wirtschaftliche Umbrüche eingeleitet werden.
Auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen werden durch technologi-
sche Innovationen, besonders durch digitale Technologien, verändert.27 Durch
die Geschwindigkeit, in der sich Innovationen entwickeln und die Tragweite, die
neue Durchbrüche mit sich bringen, entsteht ein Innovationsdruck über alle Bran-
chen und Industrien hinweg, der Auswirkungen auf das gesamte System hat. Da-
raus ergeben sich immense Veränderungen für Gesellschaften, Menschen und
Organisationen, die bereits Revolutionen zuvor mit sich gebracht haben. Aus die-
sem Grund kann das historische Geschehen als eigenständige Revolution und
nicht nur als „Verlängerung“ der dritten industriellen Revolution gesehen

23 Vgl. Reinhardt., 17 ff.


24 Vgl. ebd., 20.
25 Vgl. ebd.
26 Vgl. ebd.
27 Vgl. ebd.
Digitale Transformation von KMU 9

werden.28 Digitalisierung kann demzufolge nach drei Wirkungszonen beschrie-


ben und analysiert werden: Gesellschaft, Mensch und Organisation.
a. Digitale Wirkungen in der Gesellschaft
Die Gesellschaft befindet sich inmitten eines epochalen Evolutionssprungs:
Durch den digitalen Wandel und die damit verbundene Vielzahl an Kommunika-
tionsmöglichkeiten und Komplexität werden geltende gesellschaftliche Struktu-
ren aufgelöst – es entsteht eine Netzwerkgesellschaft, die synonym auch als
Mediengesellschaft, Kompetenzgesellschaft oder Digitalgesellschaft bezeichnet
werden kann. Diese Gesellschaftsform ergibt sich aus der vorangegangenen In-
formations- und Wissensgesellschaft.
„Während die Informationsgesellschaft den praktischen Ansatz im Umgang mit
digitalen Technologien darlegt, impliziert das Konzept der Wissensgesellschaft
neue Perspektiven im Umgang mit digital vernetztem Wissen im sozialen, kultu-
rellen, ökonomischen, politischen sowie institutionellen Kontext.“29
Die Netzwerkgesellschaft ergänzt diese Gesellschaftsformen durch das Streben
der Gesellschaftsmitglieder, „durch digitale Vernetzung, Kooperation und Zusam-
menarbeit ihre individuellen und organisationalen Fähigkeiten zu verstehen, sie
kontinuierlich zu optimieren, zu trainieren und zu verbessern“.30 Das Kommuni-
kationsmedium Internet kann dabei als Betriebssystem, aber auch als Werkzeug
dieser Gesellschaft gesehen werden, mit dessen Hilfe neue Kulturen, Lebens-
stile, Verhaltensmuster, aber auch eine neue Ökonomie entstehen. Dementspre-
chend richten sich auch die Organisations- und Gesellschaftsformen aus und
bilden einen Rahmen, in dem ein Wandel vom passiven hin zum aktiven, selbst-
gesteuerten Lernen stattfinden kann. Das Individuum sowie dessen Selbstbe-
stimmung und Selbstdisposition steht im Zentrum des Interesses der
Digitalgesellschaft. Diese soziale Revolution ruft rein digitale Märkte hervor, in
deren Mittelpunkt die Steigerung des Wissensaustauschs auf allen ökonomi-
schen gesellschaftlichen Stufen sowie die Ermächtigung von Individuen und Mit-
arbeitern stehen. Durch mehr Transparenz entsteht eine Macht- und
Einflussverschiebung in Politik, Wirtschaft und Medien, in denen gesellschaftli-
chen Stimmen der Dialog und die Beteiligung an der Entscheidungsfindung ge-
währt wird.31

28 Vgl. Reinhardt 2020, 17.


29 Ebd., 29.
30 Ebd., 30.
31 Vgl. ebd., 31.
Digitale Transformation von KMU 10

b. Digitale Wirkungen in der Organisation


Durch den Wandel der Gesellschaft entstehen neue ökonomische Arbeitsorgani-
sationen, die auf die Verarbeitung von Informationen und Wissen ausgerichtet
sind. Menschliche Fähigkeiten und Kompetenzen sowie deren Wissen werden
aufgewertet und stehen im Mittelpunkt des Wandels von Organisationen. Ökono-
misch gesehen ist Wissen zugleich Produktions- und Leistungsfaktor und ver-
langt hochqualifizierte, leistungsorientierte Arbeitsweisen. Dadurch wird dem
Arbeitnehmer, dessen Wissen als personengebundene Eigenschaft gesehen
wird, eine neue Rolle zugeteilt.32 Dadurch entstehen unter anderem neue Ausbil-
dungsformen, die zukünftige Anforderungen berücksichtigen. Dies betrifft sowohl
die Formen und Inhalte als auch die Art des Lernens. Ähnlich verhält es sich mit
neu entstehenden Berufsbildern bzw. der Weiterentwicklung heutiger Berufsfel-
der.33 Überdies fordert die Digitalisierung auch neue Verantwortlichkeiten aller
Akteure im Gesamtsystem der sozialen Marktwirtschaft. Dazu zählen neben Ver-
tretern der Arbeitgeberseite auch Sozialpartner und politische Interessengrup-
pen. Für die Nutzbarmachung der Potenziale der Digitalisierung müssen einige
Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Machtverhältnisse zwischen Ar-
beitnehmern und Arbeitgebern auszuloten. Besonders im produzierenden Ge-
werbe zeichnet sich eine zunehmende Automatisierung ab, welche die
Beschäftigungsstrukturen zwangsläufig in Richtung höher qualifizierter Arbeit
schiebt. Digitalisierung wirkt sich demnach auf alle Bereiche eines Unternehmens
aus und wird zur Herausforderung aller Beteiligten. Besonderen Einfluss nimmt
sie auf die Entstehung neuer Geschäftsmodelle und veränderter Wertschöp-
fungsketten durch digitale Kommunikationstechnologien, die neue Kompeten-
zen, sowohl von Individuen als auch von Unternehmen, fordern. Deshalb müssen
sich ganze Branchen diesen neuen sozialen, kulturellen und ökonomischen Mus-
tern anpassen. Nach dem Prinzip der Vernetzung auf Basis digitaler Infrastruktu-
ren entstehen neue Geschäftsmodelle. Demnach verändern sich die
Rahmenbedingungen für unternehmerischen Erfolg grundlegend.34 Gleichzeitig
wirkt sie disruptiv auf Markt- und Handelsstrukturen und führt so zu einer Disin-
termediation35 der Wertschöpfungsstufen.36 Aufgrund dieser

32 Vgl. Reinhardt 2020, 24 f.


33 Vgl. ebd., 51.
34 Vgl. Zukunftsinstitut (a): www.zukunftsinstitut.de, [08.04.2022].
35 Unter einer Disintermediation „wird die Ausschaltung von Handelsstufen in einer Wertschöpfungskette
verstanden, da Teile der Wertschöpfung direkt ins Internet verlagert werden. Dadurch kann z. B. auf Zwi-
schenhändler verzichtet und Transaktionskostenvorteile gewonnen werden.“ Reinhardt 2020, 53.
36 Vgl. ebd., 51.
Digitale Transformation von KMU 11

Argumentationsweise lässt sich der digitale Wandel mit der Verbreitung und
Durchdringung digitaler Technologien in der gesamten Gesellschaft und Wirt-
schaft begründen, die sich „in relativ kurzer Zeit dem progressiv wachsenden
technologischen Fortschritt der Digitalisierung anpassen muss“.37
c. Digitale Wirkungen auf den Menschen
Digitalisierung wirkt sich auf die sozialen Strukturen aus und beeinflusst so den
Menschen in seiner Arbeits- und Lebenswelt. Während sich die Halbwertszeit
von statischem Wissen rasant verkürzt, nimmt die Bedeutung von digitalen Kom-
petenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu. Diese stehen zusammen mit deren
Entwicklung im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns. Gleichzeitig än-
dern sich die Führungsverhältnisse: Kontrolle und Aufgabendelegation werden
durch kooperative Austauschprozesse ersetzt. Der Mitarbeiter sowie dessen Mo-
tivation und Mobilisierung stehen im Fokus, um durch mehr Freiräume experi-
mentelle Ideen entstehen zu lassen. Dadurch wird eine Trennung von Arbeitsort
und -leistung ermöglicht, die mehr Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Arbeitge-
ber verlangt und die Arbeitsgeschwindigkeit beschleunigt, während ein erhöhtes
Produktivitätsniveau gewünscht wird. Demensprechend lösen sich physische Ar-
beitsformen auf und werden von virtuellen Arbeitsorganisationen wie z. B. Netz-
werkorganisationen, Telekooperationen oder virtuellen Teams abgelöst. Diese
leben von digitalen Kollaborationswerkzeugen, die eine neue Form der Zusam-
menarbeit und des Austauschs hervorrufen.38 Doch auch die Art und Weise, wie
Menschen im privaten Umfeld interagieren und sich in der digitalen Gesellschaft
einbringen, ändert sich stark, da technologische Veränderungen alle Facetten
des menschlichen Alltags durchdringen. Dies bildet kein Symptom, sondern stellt
eher die Ursache von Digitalisierung dar. Gerade menschliche Grundbedürfnisse
wie Vertrauen und Sicherheit gewinnen in der digitalen Welt immer mehr an Be-
deutung. Das Individuum wird dabei enorm ermächtigt: Aus Konsumenten wer-
den Prosumenten, die ein Produkt nicht nur als Endverbraucher nutzen, sondern
bereits an dessen Entstehung mitwirken möchten und dementsprechend auch
professionelle Ansprüche an dieses haben. Außerdem verlieren Besitz und Ei-
gentum immer mehr an Bedeutung. An deren Stelle rückt die Sharing Economy,
deren Mittelpunkt die geteilte Nutzung und der Zugang von und zu Ressourcen
ist. Dementsprechend verfeinert sich auch der E-Commerce zu einem Social-
Commerce, dessen Fokus auf Empfehlungen und dementsprechend Kommuni-
kation der Kunden untereinander, der aktiven Beteiligung der Kunden an Produkt

37 Reinhardt 2020, 23.


38 Vgl. ebd., 54 f.
Digitale Transformation von KMU 12

oder Dienstleistung sowie persönlichen Beziehungen liegt. Dazu kommt die Acht-
samkeit der Nutzer gegenüber den digitalen Medien, die dazu führt, dass nicht
mehr jede Nachricht sofort geglaubt, sondern kritisch hinterfragt wird. Für Unter-
nehmen bedeutet dies, dass der Austausch mit den Kunden und die Transparenz
ihnen gegenüber, der Schlüssel zu einer erfolgreichen Beziehung sind.39 Durch
den Einfluss digitaler Technologien ändert sich die Entscheidungslogik der Men-
schen, was sich direkt auf die Routinen und Abläufe innerhalb der Organisation,
in der diese handeln, auswirkt.40
Aufgrund dieser einschlägigen Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirt-
schaft, wird bei der Digitalisierung auch von einem Megatrend gesprochen. Me-
gatrends weisen ein starkes Potenzial für das Management und die strategische
Planung in Unternehmen auf, da sie langfristig ganze Gesellschaften formen und
somit Branchen mit ihren Strukturen, Geschäftsmodellen, Prozessen, Angeboten
und Kommunikationstechnologien zur Neuausrichtung bewegen.41 In der Dyna-
mik des Wandels zeigen sie strategische Perspektiven auf, mit deren Hilfe kon-
krete Fragestellungen zu Zukunftsstrategien beantwortet werden können. Somit
geben sie Sicherheit und Orientierung, indem eine Richtung vorgegeben wird, in
die sich die Gesellschaft sozial, kulturell und wirtschaftlich bewegt. Das Zukunfts-
institut beschreibt Megatrends als „Lawinen in Zeitlupe“, da sie sich zwar lang-
sam entwickeln, aber enorme Auswirkungen auf alle Ebenen der Gesellschaft
haben.42 Megatrends weisen vier zentrale Merkmale auf:43
• Dauer: Ein Megatrend sollte eine Halbwertszeit von mindestens 50 Jahren
aufweisen.
• Ubiquität: Ein Megatrend ist allgegenwärtig und betrifft alle Lebensberei-
che.
• Globalität: Ein Megatrend ist ein weltweites Phänomen, auch wenn er sich
in verschiedenen Regionen und Kulturen unterschiedlich durchsetzt.
• Komplexität: Ein Megatrend ist mehrschichtig, mehrdimensional und ver-
liert seine Dynamik auch durch Wechselwirkungen nicht.
Dabei darf Digitalisierung nicht mit Technologie gleichgesetzt werden: Das heißt
nicht als „rein technologischer, sondern [als] ein soziotechnischer Prozess, in

39 Vgl. Zukunftsinstitut (a): www.zukunftsinstitut.de, [08.04.2022].


40 Vgl. Reinhardt 2020, 54 f.
41 Vgl. Zukunftsinstitut (b): www.zukunftsinstitut.de, [08.04.2022].
42 Vgl. Zukunftsinstitut (c): www.zukunftsinstitut.de, [08.04.2022].
43 Vgl. ebd.
Digitale Transformation von KMU 13

dem der Mensch eine immer wichtigere Rolle spielt“44, verstanden werden. Den-
noch werden die Impulse aus der Entwicklung der immer neueren digitalen Tech-
nologien gegeben, die im weltweiten Kontext alle Menschen erreichen und so
deren Lebensräume, Lebensweisen und auch ökonomische Arbeitswelten und
die damit verbundenen Regularien verändern.
„Aufgrund dieser ganzheitlichen Veränderungswirkung wird der anhaltende Pro-
zess der digitalen Transformation unserer Gesellschaft zur Determinante aller
Entwicklungen – die Neudefinition unserer Welt findet unter dem Vorzeichen der
Digitalisierung statt.“45
Durch den starken Einfluss der Digitalisierung auf die Umwelt kann von einem
Megatrend gesprochen werden. Die Zukunft von Menschen, Organisationen und
Gesellschaften wird so nachhaltig von ihr geprägt, dass Veränderungsprozesse
in allen Lebensbereichen stattfinden.46 Organisationen durchleben damit einen
Wandel, der alle Bereiche betrifft und bestehende organisatorische Routinen neu
bewertet. Voraussetzung eines erfolgreichen Umbruchs ist ein ganzheitlich-sys-
tematisches Verständnis dieses Wandels. Dabei müssen alle Aspekte der Digi-
talisierung – technologische, soziale wie auch kulturelle – erfasst werden, um
digitales Handlungspotenzial zu erkennen und zu aktivieren.47 Unternehmenser-
folg tritt demnach dann ein, wenn geschlossene Silos abgebaut werden und ein
reger Austausch mit der Umwelt entsteht. Zukunftsfähige Geschäftsmodelle, In-
novationen und wegweisende Arbeits- und Produktionsprozesse sind nicht mehr
nur Start-ups aus dem Silicon Valley vorbehalten. „Unter vernetzten Vorzeichen
sind diejenigen Unternehmen erfolgreich, die sich über ihr offenes Ökosystem
definieren, über die Lern- und Entwicklungsfähigkeit des gesamten Systems, das
von seinem Austausch mit der Umwelt lebt.“48 Die Digitalisierung wirkt sich offen-
sichtlich stark auf die Arbeitswelt aus, was sowohl Chancen als auch Herausfor-
derungen mit sich bringt. Zunächst soll jedoch eine Definition von verarbeitenden
KMU erfolgen, um den Betrachtungsbereich besser verstehen zu können.

44 Zukunftsinstitut (a): www.zukunftsinstitut.de, [08.04.2022].


45 Reinhardt 2020, 38.
46 Vgl. ebd.,38 f.
47 Vgl. Zukunftsinstitut (a): www.zukunftsinstitut.de, [08.04.2022].
48 Ebd.
Digitale Transformation von KMU 14

2.2 Begriffsdefinition: Verarbeitende KMU

Organisationen, die im Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ähnli-


che Produkte oder Dienstleistungen erbringen, gehören einem Wirtschaftszweig
bzw. einer Branche an. Diese sind in einem Ordnungssystem, der Klassifikation
der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008) gegliedert, um statistische Fak-
toren in allen amtlichen Statistiken geschlossen zu erfassen und vergleichbar zu
machen. Grundsätzlich lassen sich drei Sektoren unterscheiden:49
• Primärer Sektor (Land- und Forstwirtschaft, Tierhaltung und Fischerei)
• Sekundärer Sektor (Produzierendes Gewerbe)
• Tertiärer Sektor (Handel, Verkehr und sonstige Wirtschaftsbereiche sowie
Dienstleistungen)
In dieser Arbeit bewegen wir uns im sekundären Sektor. Diese Klassifikation ist
jedoch nicht ausreichend, weshalb durch die WZ 2008 zunächst 21 Wirtschafts-
abschnitte (A – U) definiert werden. Für diese Arbeit relevant ist der Abschnitt C:
verarbeitendes Gewerbe. Das verarbeitende Gewerbe
„umfasst die mechanische, physikalische oder chemische Umwandlung von Stof-
fen oder Teilen in Waren. Es handelt sich dabei um Roh- oder Grundstoffe aus
Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Fischzucht, Bergbau, Gewinnung
von Steinen und Erden sowie um Erzeugnisse dieses Abschnitts selbst.“50
Diese Branche fokussiert die wirtschaftliche Tätigkeit der Umwandlung von Stof-
fen in neue Waren mit dem Ergebnis neuer Erzeugnisse. Für den späteren Ver-
lauf der Arbeit wird ein weiterer Wirtschaftsunterabschnitt betrachtet. Der
Unterabschnitt 25: Herstellung von Metallerzeugnissen beschäftigt sich mit stati-
schen und unbeweglichen Waren. Da es sich im Rahmen der Case Study um die
Herstellung von Balkonen handelt, kann noch tiefer in 25.11.0: Herstellung von
Metallkonstruktionen gegliedert werden.51 2019 gehörten 97,5% der Unterneh-
men des verarbeitenden Gewerbes zu den kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU).52

49 Vgl. Destatis (a): www.destatis.de, [08.04.2022].


50 Destatis (c): www.destatis.de, [08.04.2022].
51 Vgl. ebd.
52 Vgl. Statista (a): www.statista.de, [08.04.2022].
Digitale Transformation von KMU 16

Wie in Abbildung 2 dargestellt, beschäftigen KMU mit 56,3% (2019) mehr als die
Hälfte aller Arbeitstätigen und haben mit 29,4% (2019) einen entscheidenden An-
teil am Gesamtumsatz in Deutschland.58 Dabei ist das verarbeitende Gewerbe
der sechst größte Wirtschaftszweig59 für KMU.60

Abbildung 2: Beschäftigung und Umsatz von KMU und Großunternehmen in Deutschland (2019)61

2.3 Prozess der digitalen Transformation von KMU

Neue Technologien, besonders die Informations- und Kommunikationstechnolo-


gie, werden als Innovationstreiber zur Erneuerung von Organisationen gesehen
– unabhängig von deren Größe. Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens
lässt diese den technologischen Veränderungen durch neue Ideen und Lösungen
entgegenwirken. Jedoch sind es nicht nur technologische Innovationen, die die
digitale Wirtschaft beeinflussen, sondern auch kundenzentrierte, organisatori-
sche und prozessuale.62 Im Diskurs um digitale Innovation stehen vor allem zwei
Indikatoren im Mittelpunkt: Der digitale Innovationsgrad und die Durchlässigkeit
von Organisationen für Innovationen.

58 Vgl. Jung/Kaus 2020, 77.


59 Nach wirtschaftlichen Dienstleistungen, Gastgewerbe, Baugewerbe, freiberufliche, wissenschaftliche
und technische Dienstleistungen sowie allen voran Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz.
60 Vgl. Statista (b): www.statista.de, [08.04.2022].
61 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd.
62 Vgl. Reinhardt 2020, 262.
Digitale Transformation von KMU 17

Der digitale Innovationsgrad unterscheidet wiederum zwischen inkrementellen


und radikalen Innovationen. Unter inkrementellen Innovationen werden kleinere
Veränderungen zur Weiterentwicklung bestehender Produkte, Geschäftsmodelle
und Prozesse verstanden, wobei der Innovationsgrad hierbei eher niedrig ist (z.
B. Prozessdigitalisierungen oder die Einführung neuer Plattformen als Teil einer
digitalen Infrastruktur). Deren Ziel können Effizienzvorteile, Erhöhung des Kun-
dennutzens, Neupositionierung oder Anpassung an veränderte Wettbewerbsbe-
dingungen sein. Radikale Innovationen hingegen sind grundsätzlich neue
Entwicklungen und haben daher einen hohen Innovationsgrad. Im Gegensatz zu
inkrementellen Innovationen ist der Wissensaufbau wesentlich höher und nach-
haltiger, da sie neu sowie einzigartig sein muss und für zukünftige Erfindungen
übernommen werden kann.63
Die Durchlässigkeit von Organisationen für Innovationen wird in geschlossen und
offen unterteilt. Bei geschlossenen Innovationen findet der gesamte Innovations-
prozess innerhalb der eigenen Organisationsgrenzen statt: Unternehmen sehen
ihr Wissen als schützenswerten Vermögenswert an, haben dafür aber aus-
schließlich das Knowhow der eigenen Mitarbeiter zur Verfügung. Dem gegenüber
stehen offene Innovationen, die ihre Wertschöpfungskette für externes Wissen,
Fachexpertise und geistiges Eigentum externer Akteure durchlässiger machen.
Der bewusste Wissensaustausch, meist mit Wissenschaftlern, Studierenden
oder Konsumenten, die so in den Entwicklungsprozess integriert werden, steht
im Fokus. Dadurch werden Kosten und Zeit bei der Realisierung von Innovati-
onsvorhaben minimiert, Organisationen transparenter gemacht und Innovations-
prozesse reformiert.64 Entgegen der Erwartung vieler etablierter Unternehmen
geht es dabei nicht um die Offenlegung aller Betriebsgeheimnisse. Vielmehr wird
kein konzeptioneller Unterschied mehr zwischen geschäftlichen sowie technolo-
gischen Interessen und IT- sowie Business-Interessen gemacht, die zu einem
offenen und innovativen Systemzustand koitieren.65 Um die Herausforderungen
der Digitalisierung zu meistern, müssen im Unternehmen zum einen Innovations-
fähigkeit aufgebaut und zum anderen bestehende Innovationen angenommen
werden.
Neue Strukturationsformen digitaler Organisationen bieten dafür Möglichkeiten
zur Entwicklung dieser, welche die Organisationsstruktur, die Unternehmenskul-
tur sowie das individuelle Verhalten der Organisationsmitglieder durch einen

63 Vgl. Reinhardt 2020, 265.


64 Vgl. ebd.
65 Vgl. ebd., 268 f.
Digitale Transformation von KMU 18

systematisch geplanten Wandel verändert. Ziel davon ist die Steigerung der Leis-
tungsfähigkeit der Organisation sowie die persönliche Entfaltung der Akteure.
Dafür wird eine Beteiligung möglichst aller Organisationsmitglieder am Verände-
rungsprozess für maximalen Erfolg angestrebt.66 Die Digitalisierung wandelt auch
das Leitbild von Organisationen und wird somit zur Hauptaufgabe der Unterneh-
mensführung. Dabei steht die effiziente Nutzung digitaler Technologien zur Ver-
änderung der Organisation im Mittelpunkt. Durch den Einfluss der Digitalisierung
müssen Unternehmen schneller, anpassungsfähiger, innovativer, kommunikati-
ver und flacher organisiert sein, um dem Wandel standhalten zu können. Diese
Einflüsse stellen vor allem Verschmelzung digitaler und physischer Organisati-
onsstrukturen, hierarchielose Netzbildung, digitale Wissens- und Vertrauens-
strukturen sowie invasive Auswirkungen neuer Technologien dar.67 Der dadurch
entstehende disruptive Wandel verlangt nach einem Umbruch im Organisations-
verständnis, da hier zumeist eine Diskrepanz zwischen Altem und Neuem wahr-
zunehmen ist.
Reinhardt (2020) definiert aufgrund einer Vielzahl an Ansätzen zur digitalen
Transformation aus der BWL und den Technologie- sowie Sozialwissenschaften
folgende Hauptziele der digitalen Organisationsentwicklung:68
• Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitsziel: Durch den Einsatz digitaler
Technologien sollen neue Geschäftsfelder erschlossen und Herstellungs-
sowie Vertriebskosten gesenkt werden. Die Kostensenkung führt zu einer
höheren Nachfrage, wodurch mehr Arbeitskräfte benötigt werden. Dies
führt wiederum zu einer höheren Produktivität.
• Erneuerungs- und Innovationsziel: Durch den Einsatz digitaler Technolo-
gien kann die Organisation erneuert werden. Dadurch ändern sich z. B.
auch Produkte, Prozesse, Marktangebote, Wertversprechen und Ge-
schäftsmodelle.
• Sozialisierungs- und Antizipationsziel: Die Akteure müssen sich an die zu-
künftigen Umweltentwicklungen anpassen, vorausschauend handeln und
zukunftsorientiert entscheiden. Für den Umgang mit der aus Komplexität
und Dynamik entstehenden Unsicherheit müssen Kompetenzen und Fä-
higkeiten entwickelt werden.

66 Vgl. Reinhardt 2020, 358 ff; Schulte-Zurhausen 2014, 4.


67 Vgl. Reinhardt 2020, 106 f.
68 Vgl. ebd., 112.
Digitale Transformation von KMU 19

Die digitale Transformation kann dabei als Lernprozess verstanden werden,


durch den die Digitalisierung ganzheitlich in das Unternehmen integriert wird.
Technologie-, Geschäfts- und Lernstrategien werden je nach Reifegrad und Fä-
higkeiten des Unternehmens in das Geschäftsmodell eingegliedert, um die digi-
tale Transformation erfolgreich zu gestalten. Durch den Aufbau von komplexen
Organisationsstrukturen kann unerwarteten und plötzlichen Veränderungen in
der Umwelt durch schnelle Entscheidungen entgegengewirkt werden.69 Soge-
nannte Reifegradmodelle bieten eine Lösung, um zunächst den digitalen Ent-
wicklungsstand – die Binnenkomplexität – des Unternehmens, auf dessen
Ergebnis hin konkrete Maßnahmen entwickelt werden können, zu erfassen.
Diese Art der digitalen Transformation wird auch als inkrementeller Verände-
rungsprozess bezeichnet, dessen Durchführung nicht mehr nur zentralen Ent-
scheidungsinstanzen obliegt. Vielmehr soll durch ein digitales Ökosystem und
den Einsatz digitaler Technologien die Leistung der Organisation radikal verän-
dert werden, um einen digitalen Fortschritt zur Verbesserung der Kundenbezie-
hung, Effizienzsteigerung interner Prozesse oder Produktivitätssteigerung der
Mitarbeiter zu erlangen.70 Eine systematische Vorgehensweise oder Methode zur
Durchführung der digitalen Transformation ist in der Literatur nicht zu finden.
Durch einen Vergleich verschiedener Handlungsgebiete und Reifegradmodelle
wird im Folgenden eine geeignete Methode zur Identifikation der digitalen Reife
von KMU dargelegt, durch die sich sowohl eine digitale Vision als auch eine Di-
gitalstrategie formulieren lassen. Im Anschluss wird die Implementierung anhand
des digitalen Geschäftsmodells vorgestellt, bevor auf das Design einer Digitalor-
ganisation eingegangen wird.

2.3.1 Analyse der digitalen Unternehmenssituation

Die digitale Binnenkomplexität ist ein „Ausdruck aus der Systemtheorie, der stell-
vertretend für die Varietät und Vielfalt der Möglichkeiten eines Unternehmens
steht, [um] Austauschbeziehungen mit anderen Marktakteuren über digitale
Wege oder mittels des Einsatzes digitaler Technologien herzustellen.“71 Sie bildet
eine fundamentale Grundlage zur Identifikation der digitalen Reife eines Unter-
nehmens. Auf ihr aufbauend können digitale Vision sowie Digitalstrategie formu-
liert werden.

69 Vgl. Reinhardt 2020, 142.


70 Vgl. ebd., 68 f.
71 Ebd., 140.
Digitale Transformation von KMU 20

a. Digitale Reife
Dieser Reifegrad wird als beeinflussbare Variable verstanden, die mithilfe einer
Vielzahl an Modellen gemessen werden kann. Zumeist reduzieren Reifegradmo-
delle die digitale Binnenkomplexität auf wenige Einflussgrößen, wie z. B. Investi-
tionen in digitale Technologien und Aufbau von digitalen Führungskompetenzen,
was an der Wiederspiegelung der Interaktion eines Unternehmens mit der Um-
welt zweifeln lässt. Aus Vorangegangenem ist ersichtlich, dass diese technokra-
tische Business-Case-Perspektive nicht zu langfristigem wirtschaftlichem Erfolg
führt, da sie im Kontext der Digitalisierung zu kurz greift. Zudem sind Reifegrad-
modelle zumeist sehr formalisiert und eher auf größere Unternehmen zugeschnit-
ten.72
Allen Modellen geht zunächst eine Analyse des Wachstumspotenzials von Un-
ternehmen voran. Dabei werden Chancen und Risiken der Digitalisierung, die auf
Organisationen zukommen, betrachtet sowie das Potenzial, mit diesen umzuge-
hen. Eine Potenzialanalyse, die von Kugler und Anrich (2018) für KMU entwickelt
wurde, ist die Alchimedus®-Potenzialanalyse Digital Transformation 4.0 KMU.
Dabei werden mithilfe der Beantwortung von 20 Fragen in den Bereichen Werk-
zeug, Inspiration und Mensch Erfolgsfaktoren und Herausforderungen der digita-
len Transformation für Unternehmen abgeleitet. Als Werkzeug wird die
Strukturkraft bezeichnet, die Kontrolle, Prozesse, Methoden und planerisches
Handeln analysiert. Dadurch werden die Risikoanfälligkeit, Belastbarkeit und Si-
cherheit der Struktur sowie der Prozesse der Organisation darstellt. Unter Inspi-
ration fallen sowohl Strategien und Ziele als auch Markenauftritt, Innovationskraft
und Kreativität, die den Wiedererkennungswert und das Alleinstellungsmerkmal
eines Unternehmens widerspiegeln. Zuletzt ist der Mensch sowie dessen Enga-
gement, Bindung, Werteorientierung und Kommunikation zu betrachten. Ver-
trauen, gute Kommunikation, Corporate Social Responsibility sowie Authentizität
sind Erfolgsfaktoren für ein digitales Unternehmen und deshalb wichtiger Be-
standteil der Analyse.73 Grundlage des Modells bilden mehr als 180 Studien,
45.000 Unternehmensanalysen und 10.000 Unternehmensinterviews, die von
Kugler und Anrich (2018) durchgeführt wurden.74 Eine genauere Betrachtung der
Fragen sowie eine Durchführung finden in der Case Study in Kapitel 3.3 zur Iden-
tifikation der Herausforderungen und Chancen des Fall-Unternehmens statt.

72 Vgl. Reinhardt 2020, 139 ff.


73 Vgl. Kugler/Anrich 2018, 8f.
74 Vgl. ebd., 7f,
Digitale Transformation von KMU 21

b. Digitale Vision
Auf dieser Grundlage kann eine digitale Vision für das zu transformierende Un-
ternehmen entwickelt werden. Die Vision bildet die Grundlage für unternehmeri-
sches Handeln, aus der im späteren Verlauf konkrete Strategien, Ziele und
Maßnahmen abgeleitet werden. „Organisationsentwickler haben herausgefun-
den, dass Unternehmen langfristig erfolgreicher sind, wenn sie über eine kon-
krete und authentische Vision verfügen.“75 Schriftlich fixiert kann die Vision die
Kaufentscheidung von Kunden beeinflussen oder auch Mitarbeiter intrinsisch mo-
tivieren und bildet somit die Basis einer agilen Unternehmenskultur.76 Besonders
in einem Zeitalter voller Dynamik gibt die Vision ein klares Bild über die digitale
Zukunft für die Stakeholder des Unternehmens. „Zentraler Ausgangspunkt für
alle weiterführenden Überlegungen muss es also sein, eine unternehmerische
Vision abzuleiten, die das bestehende Wissen über Chancen und Risiken der
Digitalisierung in ein erfolgreiches Handeln integriert.“77 Dabei hat die Vision drei
Funktionen:78
• Identitätsfunktion: Formulierung einer richtungsweisenden Vision, an der
sich Mitarbeiter längerfristig orientieren können.
• Identifikationsfunktion: Formulierung einer sinnstiftenden Vision, die dem
Mitarbeiter die Sinnhaftigkeit seines Handelns aufzeigt, um das Zugehö-
rigkeitsgefühl zum Unternehmen zu steigern.
• Mobilisierungsfunktion: Formulierung einer anregenden Vision, die zur
Verfolgung eines gemeinsamen Zukunftsbilds durch ein Ziel anregt.
Digitale Visionen fokussieren die fortwährende Neuausrichtung der Customer Ex-
perience sowie des Wertversprechens des unternehmerischen Leistungsange-
bots und damit auch die Optimierung operationaler Prozesse und
Geschäftsmodelle. Unternehmen müssen prüfen, ob strategische Werte und un-
ternehmenseigene Stärken auch in Zukunft noch erfolgsbringend sind. Demnach
kann es in manchen Organisationen sogar sinnvoll sein, den Unternehmens-
zweck zu hinterfragen und damit die Unternehmens-DNA weiterzuentwickeln
oder neu auszurichten. Ausgangspunkt einer solchen fundamentalen Verände-
rung sind individuelle Chancen und Risiken der Digitalisierung.79

75 Kugler/Anrich 2018, 47.


76 Vgl. ebd.
77 Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 43.
78 Vgl. Hungenberg 2014, 419.
79 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 47 ff.
Digitale Transformation von KMU 22

c. Digitalstrategie
Ist die digitale Vision formuliert, kann eine entsprechende Strategie formuliert
werden. Die veränderte strategische Ausrichtung von Organisationen ist ein
wichtiges Gestaltungsfeld der digitalen Transformation, da Maßnahmen zur Er-
reichung gesetzter Ziele an dieser ausgerichtet werden. Ging es einst um das
Selektions-Prinzip, als das „Überleben des Stärksten“ im Markt, rückt nun das
Vererbungs-Prinzip im Sinne der Übertragung sozialer Charakteristika der Orga-
nisationsmitglieder von der alten in die neue Generation in den Mittelpunkt der
strategischen Betrachtung. Dabei geht es darum, diese zu erkennen, zu kodifi-
zieren und zu übertragen. Die Unternehmensstrategie muss so ausgerichtet sein,
dass sich Charakteristika den neuen Bedingungen anpassen können. Dabei han-
delt es sich um eine komplexe Transformation, um erfolgreich mit der Umwelt
interagieren zu können und sich ihr zu öffnen. Die Förderung von Methoden und
Vorgehensweisen sind z. B. Kooperation, Zusammenarbeit oder Durchlässig-
keit.80 Dennoch sehen viele Unternehmen den Sinn einer Strategie immer noch
darin, strategische Ziele und Zwecke zu formulieren, Ressourcen effektiv und ef-
fizient einzusetzen und zu verteilen sowie in der Koordination der Entscheidung
zum Einsatz dieser Ressourcen. Die digitale Transformation verlangt jedoch
nach Kernkompetenzen, Fähigkeiten und sozialen Erbanlagen. Digitale Ge-
schäftsstrategien und -modelle bieten Orientierung für die Entwicklung von Un-
ternehmen.81
Bharadwaj, El Sawy, Pavlou et al. (2013) fassen drei Aspekte digitaler Strategien
zusammen:82
• Scope und Reichweite: Digitalstrategien sind funktionsübergreifend und
können auch als Querschnittsstrategien bezeichnet werden. Diese besit-
zen die Eigenschaft, einzelne funktionsbezogene Strategien, Programme,
Projekte oder Initiativen zu bündeln und zu instrumentalisieren. Durch eine
übergreifende Strategieformulierung wird eine integrative Wirkung der
operativen Umsetzung bewahrt.83
• Skaleneffekte: Durch den technologischen Wandel fällt die Limitierung
durch physische Produktionsfaktoren beinahe gänzlich weg. Es entstehen
(fast) rein digitale Geschäftsmodelle, die sich auf weltweit verfügbaren di-
gitalen Infrastrukturen schnell und kostengünstig, unabhängig von der

80 Vgl. Reinhardt 2020, 194 ff.


81 Vgl. ebd.
82 Vgl. Bharadwaj/ El Sawy/Pavlou et al. 2013, 471 ff.
83 Vgl. Ebd.
Digitale Transformation von KMU 23

Nutzerzahl, skalieren lassen. Durch Wissenszunahme der Mitarbeiter so-


wie effizientere Arbeitsorganisationen entstehen Skaleneffekte, wodurch
die Kosten für die Organisation sinken. Dies kann über den Markterfolg
entscheiden und zum strategischen Differenzierungsmerkmal werden.
• Geschwindigkeit: Um der hohen Umsetzungsgeschwindigkeit der Märkte
gerecht zu werden, sind ein Abbau von Innovationsbarrieren, neue Orga-
nisationsformen und Geschäftsmodelle sowie eine veränderte Auffassung
des Strategiebegriffs notwendig. Zur Umsetzung bedarf es neuer Hand-
lungsmuster für eine effektive Steuerung der Transformation.
Demnach ist eine Trennung zwischen Geschäfts- und Digitalstrategie durch die
übergreifende Querschnittsstrategie nicht mehr sinnvoll. Vielmehr führt diese zu
einer Konvergenz und damit zur digitalen Transformationsstrategie.84 Diese Stra-
tegien beziehen alle digitalen Aktivitäten an den Schnittstellen der Organisation
zum Markt und zum Kunden mit ein. Damit geht sie über die Prozessoptimierung
hinaus und hat Einfluss auf Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle,
indem neue Technologien nach Nutzen und Adaptionsmöglichkeit integriert wer-
den. Gleichzeitig wird der Ersatz, die Erneuerung oder das Entfernen nicht mehr
benötigter Prozesse ermöglicht.85 Die digitale Transformationsstrategie bildet
das Fundament zur Digitalisierung der Organisation und muss im Sinne der Dy-
namik laufend kontrolliert und angepasst werden. Ist ein digitaler Systemzustand
erreicht, ist die Organisation in der Lage, „die Potenziale digitaler Technologien
unter Berücksichtigung von Skaleneffekten, neuen Wertschöpfungs-Systemen
und Kundenzufriedenheit auszuschöpfen.“86

2.3.2 Implementierung der digitalen Transformation

Unternehmen, die sehr unter dem Druck der digitalen Transformation stehen, re-
agieren oft radikal, indem sie das bisherige Kerngeschäft bzw. die organisatio-
nale Identität disruptieren. Ursache dafür kann die irrtümliche Auffassung sein,
ein digitales Geschäftsmodell sei wichtiger als die Verhaltensveränderung der
Akteure eines Unternehmens. Das bisherige Geschäftsmodell wird gänzlich auf-
gegeben, um sich radikal neu aufzustellen. Dieses Vorhaben droht meist auf-
grund von Fehleinschätzung der strategischen Situation zu scheitern, wenn sich
das digitale Geschäft nicht wie geplant entfaltet.

84 Vgl. Bharadwaj/ El Sawy/Pavlou et al. 2013, 471 ff.


85 Vgl. Reinhardt 2020, 203.
86 Ebd., 204.
Digitale Transformation von KMU 24

a. Digitales Geschäftsmodell
Digitale Geschäftsmodelle basieren weitestgehend auf digitalen, nicht-physi-
schen Ressourcen.87
„Ein digitales Geschäftsmodell ist ein unternehmensstrategisches Konzept, das
ergänzend zur langfristigen geschäftlichen Vision einer Organisation beschreibt,
wie durch die Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung ein neuer Wettbe-
werbsvorteil aufgebaut werden kann.“88
Demnach geht es weder darum, neue Technologien zum Kerngeschäft hinzuzu-
fügen oder zu ersetzen, noch diese zu entwickeln, sondern vielmehr um den kom-
plexen und nuancierten strategischen Umbau einer Organisation sowie das
Verstehen und Benutzen digitaler Technologien. Eine Veränderung des Unter-
nehmenskerns ist nur dann sinnvoll, wenn das bisherige Geschäftsmodell gänz-
lich unterbrochen ist.89 Eine Lösung, wie sowohl das Kerngeschäft beibehalten
als auch eine digitale Transformation durchgeführt werden kann, bietet die orga-
nisationale Ambidextrie. Dabei werden vorhandene Kompetenzen genutzt, um
neue Möglichkeiten zu erschließen und das Geschäftsmodell effizient und zu-
kunftsbezogen zu managen. Um diesen Umbau der Organisation durchführen zu
können, werden, wie in Abbildung 3 dargestellt, zweiseitige Fähigkeiten benötigt.
Exploration schließt alle Methoden mit ein, die den Aufbau und Einsatz neuer
Fähigkeiten begünstigen. Somit sollen im Unternehmen neue Wege der digitalen
Transformation verfolgt werden, indem alte Gewohnheiten infrage gestellt und
Synergien zwischen bestehenden und neuen Routinen gefunden werden. Re-
kombination und Experimentierfreudigkeit helfen dabei, neues Wissen zu gewin-
nen und vorhandenes zu erweitern. Auf der anderen Seite sollen durch die
Exploitation das Kerngeschäft erhalten bleiben und gleichzeitig bestehende Kom-
petenzen verfeinert und vertieft werden. Außerdem besteht ihr Kern darin, vor-
handenes Wissen zu verbreiten, zu materialisieren und zu monetarisieren.90 Das
Bewusstsein für die digitale Ambidextrie kann die radikale Abkehr vom Kernge-
schäft überwinden, um eine digitale Transformation zu ermöglichen. Als motiva-
tionale und kognitive Voraussetzung wird die Kreation neuer Rollenidentitäten
und -zuordnung gesehen mit dem „Selbstverständnis […], auch Neues wagen zu
dürfen, neue Überzeugungen annehmen zu können und sich neu Verhalten zu

87 Vgl. YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022].


88 Reinhardt 2020, 92.
89 Vgl. ebd.
90 Vgl. ebd., 93.
Digitale Transformation von KMU 25

dürfen.“91 Dafür muss den Akteuren einer Organisation die Möglichkeit gegeben
werden, neue Fähigkeiten zu erwerben, um sich im Sinne der Ambidextrie ver-
halten zu können.92

Abbildung 3: Konzept der organisationalen Ambidextrie93

Unternehmen, die dennoch eine Business-Model-Innovation (BMI) durchführen,


da beispielsweise das Kerngeschäft aufgelöst werden muss, können sich am Mo-
dell der University of St. Gallen orientieren. Wie in Abbildung 4 zu sehen ist, besteht
ein Geschäftsmodell grundsätzlich aus vier Fragen:
• Was wird dem Kunden angeboten? Hierbei wird die Leistung, die dem
Konsumenten angeboten wird, in den Mittelpunkt gestellt. Es kann sich
dabei um Produkte, Dienstleistungen oder Kombinationen beider handeln.
Aktuelle Trends und Interessen spielen dabei eine wichtige Rolle.
• Wie wird der Wert erzielt? Dafür müssen Einnahmen und Ausgaben ab-
gewogen und ein Erlösmodell entwickelt werden, um die Profitabilität der
Leistungserstellung zu identifizieren.
• Wie wird die Leistung erstellt? Die Frage bezieht sich sowohl auf die Part-
ner, Ressourcen, Kompetenzen als auch auf die Prozesse, die zur Leis-
tungserstellung benötigt werden.
• Wer ist der Zielkunde? Im Zentrum des Dreiecks steht die Frage nach dem
Zielkunden, an dem die Organisation ausgerichtet wird.

91 Reinhardt 2020, 93.


92 Vgl. ebd.
93 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., 94; YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022].
Digitale Transformation von KMU 26

Abbildung 4: Business-Model-Innovation94

Sobald mindestens zwei Dimensionen einem Wandel unterzogen werden, wird


von einer BMI gesprochen.95 Ziel der BMI sind eine gesteigerte Wertschöpfung
und Werterfassung, bei der Innovatoren zumeist nach dem Motto besser das ei-
gene Geschäftsmodell kannibalisieren, als von anderen gefressen zu werden
agieren.96 Dabei müssen Organisationen das Rad nicht neu erfinden. Eine Studie
der University of St. Gallen zeigt auf, dass nur 10% der disruptiven Geschäfts-
modelle wirklich neuartig sind. Die restlichen 90% ergeben sich aus Rekombina-
tionen bestehender Modelle. Dabei können 55 Muster identifiziert werden, die
von Unternehmen als Analogie zur systematischen Entwicklung der eigenen BMI
herangezogen werden können.97
Zur erfolgreichen Implementierung der digitalen Transformation in die Organisa-
tion eignet sich die Digital Transformation Engine der University of St. Gallen.
Wie in Abbildung 5 dargestellt, ist das primäre Ziel zunächst das Erlangen der
wichtigsten Fähigkeiten und Kompetenzen seitens der Akteure einer Organisa-
tion. Die zunehmende Bedeutung von Mitarbeitern sowie des digital Leaderships

94 Eigene Darstellung in Anlehnung an YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022].


95 Vgl. Reinhardt 2020, 93.
96 Vgl. ebd.
97 Vgl. YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022]; Vertiefend: Gassmann/Frankenberger/Choudury 2020.
Digitale Transformation von KMU 27

nehmen einen starken Einfluss auf die Unternehmenskultur, weshalb unter an-
derem auf diese beiden Felder anschließend eingegangen wird. Aber auch die
Implementierung der richtigen (Infra-)Struktur ist Kernkompetenz eines erfolgrei-
chen digitalen Unternehmens. Dabei sind sowohl Prozesse als auch Strukturen
der Organisation sowie integrierte Technologien entscheidend. Besonders auf
das Design der Digitalorganisation wird in Kapitel 2.3.3 eingegangen.

Abbildung 5: Digital Transformation Engine98

Zunächst wird jedoch der digital Customer, der sowohl im Zentrum der BMI als
auch der inkrementellen Transformation steht, genauer betrachtet.
b. Digital Customer

Für eine digitale Organisation müssen kundenzentrierte Strukturen aufgebaut


werden. Kundeninteraktion ist indes ein Schlüssel zum Erfolg. Dabei geht es um
den wechselseitigen Informationsaustausch zwischen Konsumenten und Unter-
nehmen. Kunden wollen, dass Produkte und Dienstleistungen ganz auf ihre Inte-
ressen zugeschnitten sind. Um ihre Bedürfnisse zu erkennen, wird der Aufbau
von Wissen über das Management der Kundenbeziehung entlang der gesamten
Wertschöpfungskette fokussiert. Somit können Marktentwicklungen verstanden
und bessere Entscheidungen getroffen werden. Digitale Fähigkeiten zur Analyse
von Kundenverhalten müssen erlangt werden, um Formen der Kundeninteraktion
gezielt einsetzen zu können. Dabei sind ausgeprägte Fähigkeiten im Multi-Chan-
nel-Management unerlässlich. Hierbei wird sowohl synchron99 als auch asyn-
chron100 kommuniziert, um eine konsistente Wahrnehmung beim Kunden zu
erzielen und durch die Datengewinnung neues Wissen über die Optimierung der
Kundenbeziehung zu gewinnen. Über die einzelnen Kanäle kommt der Kunde
mit dem Unternehmen in Kontakt (Touchpoints). Der Weg vom Erstkontakt bis

98 Eigene Darstellung in Anlehnung an YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022].


99 Direkte und ungefilterte Kommunikation (z. B. Live-Chats, Chatbots, Telefon, persönliche Besuche).
100 Weist typischerweise eine längere Antwortzeit auf (z. B. E-Mail, Telefonat, usw.).
Digitale Transformation von KMU 28

zum Kauf oder einer anderen angestrebten Interaktion wird Customer Journey
genannt, woraus sich ein Kundenerlebnis (Customer Experience) ergibt. 101 Der
Konsument möchte dafür in Echtzeit seine Bedürfnisse interaktiv, mehrdimensi-
onal und personalisiert über die verschiedenen Marketing-, Kommunikations- und
Vertriebskanäle hinweg befriedigt wissen und somit ein Teil der Unternehmens-
welt werden. Mithilfe von Digital Customer Experience Management kann dies
ermöglicht werden, indem durch digitale Technologien und neue Analysetechni-
ken dem Kunden individuelle Vorschläge angeboten werden. Durch die gewon-
nenen Daten können Bedürfnisse erkannt und Prognosen über das
Kundenverhalten erlangt werden. Somit sind ein individuelles Produkt- und Ser-
viceangebot sowie eine effektive Marketingkampagne möglich.102 Denn eine di-
gitale Produkt- und Serviceindividualisierung, auch bekannt unter dem Begriff
kundenindividuelle Massenproduktion, rückt immer mehr in den Fokus des Pro-
duktionsprozesses. Dabei werden bei der Produktion die Bedürfnisse des einzel-
nen Nutzers durch den Einsatz computergestützter Fertigungssysteme
berücksichtigt, um kundenspezifische Ergebnisse zu erzeugen. Wie die Bezeich-
nung vermuten lässt, geht es um eine Massenproduktion (große Stückzahlen)
bei gleichzeitiger Produktindividualisierung (geringe Stückzahlen). Die individu-
elle Datenerfassung und -analyse ermöglicht dies und bietet dem Konsumenten
so ein persönliches Kundenerlebnis. Digitale Unternehmen setzen daher Co-Cre-
ation ein: Externe Beteiligte, wie z. B. Kunden oder Handelspartner, werden in
Projekt- oder Produktgestaltungen miteinbezogen. Somit wird die Organisation
nicht nur transparenter, sondern die Konsumenten beteiligen sich bereits am Ent-
stehungsprozess und damit an der Wertschöpfung der Leistung. 103 Dieses Phä-
nomen wird vermehrt als Empowered customer bezeichnet – ein mündiger,
informierter und anspruchsvoller Kunde, der neue Unternehmensstrukturen, -pro-
zesse und -abläufe verlangt. Dabei rückt die kundenzentrierte Organisation im-
mer mehr in den Mittelpunkt. Sie versucht innerhalb der Kundeninteraktion
Wissen über die Kunden zu gewinnen und dieses Wissen für die Organisation
verfügbar zu machen. Diese Struktur erlaubt die Entwicklung dynamischer Fä-
higkeiten, um sich schnell an dynamische und digitalisierte Veränderungen an-
passen zu können. Darüber hinaus können so Wissensstrukturen innerhalb der
Organisation verankert werden.104

101 Vgl. Reinhardt 2020, 169 ff.


102 Vgl. ebd., 180 f.
103 Vgl. ebd., 188 f.
104 Vgl. ebd., 174 ff.
Digitale Transformation von KMU 29

c. Digitale Fähigkeiten und Kompetenzen


Der Mitarbeiter wird somit zum Bindeglied zwischen Kunden und Unternehmen,
wodurch sich aus Sicht der Organisationsgestaltung vor allem die Anforderungen
an ihn ändern. Die Weiterentwicklung antizipatorischer Fähigkeiten ist dabei die
Kernaufgabe einer kundenzentrierten Organisation. Für alle Stufen des Entschei-
dungsprozesses muss neues Wissen aufgebaut und gewonnen werden, damit
der Mitarbeiter so schnell wie möglich die Anliegen des Kunden berücksichtigen
und erfüllen kann. Je freier die Belegschaft bei der Gestaltung und Verbesserung
ihrer Arbeitsweise ist, desto innovativer kann die Kundenbeziehung gestaltet wer-
den.105 Lernprozesse zum Aufbau von Qualifikationen und digitaler Expertise
sind dafür grundlegend. Hierzu sind Eingriffe in die Organisationsstrukturen nö-
tig:106
• Mehr Handlungsspielraum für Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt (z.
B. bei Budgets, Richtlinien, Eskalationen)
• Neue Werteansätze mit Fokus auf der Unterstützung der Kunden
• Strukturelle Innovationen wie flache Hierarchien, um schnellere Entschei-
dungen treffen zu können
• Unternehmensweites CRM-System, um Zugang zu Wissen zu ermögli-
chen
• Entscheidungsverantwortung auf kundennahe Teams übertragen
Der Fokus liegt dabei auf der Dualität zwischen Technologieadaption und Anpas-
sung des Sozialverhaltens. „Erst die Entwicklung neuer sozialer Handlungsstruk-
turen liefert die Grundlage für technologischen Erfolg.“107 In der Praxis wird
jedoch erst eine neue Technologie eingeführt, auf deren Grundlage sich Mitar-
beiter anpassen sollen, wenngleich diese mittlerweile vielmehr als abhängige Va-
riable menschlicher Ziele und als Produkt menschlichen Handelns verstanden
wird. Unter diesem soziotechnologischen Gesichtspunkt steht die Zufriedenheit
der Mitarbeiter, Schnelligkeit der Technologieadaption sowie deren Wirkung auf
Rollen und Funktionen im Mittelpunkt des digitalen Transformationsvorhabens.108
Gerade traditionelle Unternehmen verfolgen hingegen oftmals keinen ganzheitli-
chen Ansatz zur Digitalisierung, sondern versuchen durch die Einführung neuer
Technologien die Produktivitätslücke zwischen technologischem Wandel und

105 Vgl. Reinhardt., 176 ff.


106 Vgl. ebd., 178 f.
107 Ebd., 74.
108 Vgl. ebd., 75 f.
Digitale Transformation von KMU 30

operativer Produktivität zu schließen. Erfolgreiche digitale Unternehmen bauen


die Organisation hingegen in allen Dimensionen um. Dies zeigt unter anderem
eine Studie der Deloitte Development LLC (2017).109 Deloitte setzt dabei die Trei-
ber der Technologisierung, Menschen, Organisationen und Politik in den Fokus.
Demzufolge sind die Menschen einer Organisation, die sich schneller an die ver-
änderten Bedingungen anpassen können, der größere Erfolgsfaktor als Investiti-
onen in neue Technologien. Das Consulting-Unternehmen sieht die größte
Chance der Unternehmen darin, Menschen zu mehr Flexibilität und Innovation
zu befähigen, beispielsweise in der Unternehmensplanung, Organisationsstruk-
tur, Arbeitsgestaltung, Zielplanung oder dem Management. In einer flexiblen Or-
ganisation ist es auch ihren Mitgliedern möglich, sich den Veränderungen besser
anpassen zu können und so die Organisation zu digitalisieren. Um diesen Zu-
stand zu erreichen, ist ein Umdenken in der Unternehmens- und Organisations-
entwicklung nötig: Es geht weniger um Effizienz und Effektivität, dafür mehr um
offene Lernstrukturen, Innovationen und Kundennähe.110
Das Empowerment des Mitarbeiters ist nur durch ein geändertes Verhalten der
Führungskraft möglich. Der Wandel beginnt also bei der dieser: Von traditioneller
zur digitalen Führung. Um strategische Chancen der Digitalisierung nutzen und
Risiken antizipieren zu können, muss eine Führungskraft digitale Kompetenzen
aufbauen und zum Digital Leader werden. Digital Leadership ist ein
„Gestaltungs- und Steuerungsansatz, der auf dem Ergreifen von Maßnahmen zur
Transformation digitaler Wertschöpfungsketten und Strukturen beruht. Einge-
setzt werden spezielle Maßnahmen der netzwerkbasierten sowie orts- und zeit-
unabhängigen Mitarbeiterführung.“111
Eine gezielte und systematische digitale Führungskräfteentwicklung zum Aufbau
neuer individueller und organisatorischer Fähigkeiten ist unerlässlich, um die pa-
radoxe und komplexe Situation der Digitalisierung zu bewältigen. Führungskräfte
müssen die digitale Dynamik verstehen, um Wachstumschancen erkennen und
fördern zu können und der digitalen Veränderungsgeschwindigkeit gerecht zu
werden. Kompetenzfelder der digitalen Führung, die gefördert werden müssen,
sind vor allem: 112

109 Vgl. Deloitte University Press 2017, 3 f.


110 Vgl. ebd.
111 Reinhardt 2020, 225.
112 Vgl. ebd., 242 ff.
Digitale Transformation von KMU 31

• Digitale Zusammenarbeit und Kollaboration: Diese findet über digitale und


IT-gestützte Plattformen zwischen Führungskräften und internen Interes-
sengruppen statt.
• Management digitaler Ökosysteme: Führungskräfte müssen erkennen,
wann es sinnvoll ist, IT-Lösungen selbst zu entwickeln, zuzukaufen oder
mit Partnern gemeinsam zu entwickeln.
• Innovation und strategische Neuausrichtung: Dies bedeutet ein digitales
Wachstum außerhalb des Kerngeschäfts zu fördern und bestehende Pro-
dukte und Dienstleistungen digital weiterzuentwickeln. Unternehmen for-
mieren sich zu digitalen und agilen Organisationen um und verhalten sich
wie Start-ups, um sich im dynamischen Markt neu positionieren und diver-
sifizieren zu können.
• Digitale Risikobewertung: Führungskräfte müssen eine gewisse Risikobe-
reitschaft mitbringen und sich opportunistisch verhalten, um auf Verände-
rungen reagieren zu können. Agiles Verhalten und agile Methoden sowie
die laufende Anpassung des digitalen Geschäftsmodells an veränderte
Rahmenbedingungen führen zum Erfolg. Führungskräfte müssen die Be-
deutung digitaler Bedrohungen verstehen, bekämpfen und vermeiden
können.
• Digitale Datenanalyse und Modellierung: Um schnell auf Veränderungen
im Kundenverhalten und Markttrends reagieren zu können, müssen Füh-
rungskräfte mit großen Datenmengen umgehen und diese analysieren
können. So können neue Wachstumschancen erkannt und durch Daten-
modelle mehr Sicherheit gegeben werden.
• Generationenkonflikt meistern: Führungskräfte müssen den Erwartungen
der verschiedenen Generationen gerecht werden, um nicht nur Digital Na-
tives, sondern auch alle Generationen mit ins digitale Boot zu holen.113
Zudem ändert sich, durch den Abbau von Hierarchien, das Verhältnis zwischen
Führungskraft und Mitarbeiter. Grund dafür ist der Machtverlust der Führungs-
kräfte durch inhaltliche und zeitliche Begrenzung digitaler Führung aufgrund der
Dynamik und Geschwindigkeit. Digital Leadership geht noch einen Schritt weiter,
indem eine Gruppe von Organisationsmitgliedern sich gemeinschaftlich laufend
neue Fähigkeiten und Kompetenzen aneignet, diese selbstorganisiert überprüft
und zur Bewältigung digitaler Herausforderungen einsetzt. Führung ist demnach
nicht mehr Aufgabe einer einzelnen Person und an keine Hierarchie gebunden.

113 Vgl. Reinhardt 2020, 220 ff.


Digitale Transformation von KMU 32

Reinhardt (2020) erwähnt: „Führung ist als ein ausdifferenzierter und spezialisier-
ter sozialer Prozess zu verstehen, der auf mehrere Personen verteilt ist.“114 Es
findet ein Perspektivwechsel von einer personifizierten und verhaltensbasierten
hin zu einer systemischen und sozialen Führung statt. Darüber hinaus sind Pro-
zesse, Abläufe, Verantwortlichkeiten, Kooperationen, Kommunikation und Füh-
rungsaufgaben nicht mehr dauerhaft. Durch diese temporäre Sichtweise werden
Strategien schneller entwickelt und umgesetzt, wodurch auch schnellere Ergeb-
nisse erzielt und Strukturen abgebaut werden. Auf diese Weise entsteht der
höchste Flexibilisierungsgrad.115 Zum Aufbau dieser Kompetenzen empfiehlt sich
ein dynamisiertes Kompetenzmodell, bei dem die zu vermittelnden Kompetenzen
in einem systematisierten Ansatz beschrieben und in die Führungskräfteentwick-
lung integriert werden. Somit werden die Kompetenzen automatisch mit der Un-
ternehmensstrategie, den Unternehmenswerten, der digitalen Vision sowie der
Personalstrategie verbunden. Es existiert bereits eine Vielzahl digitaler Kompe-
tenzmodelle, die alle wichtigen Kompetenzanforderungen aufführen und die Per-
sönlichkeit der Führungskraft integrieren. Welche Kompetenzen in einem solchen
Modell gebündelt werden, muss jedes Unternehmen auf Grundlage der eigenen
digitalen Vision entscheiden.116
Das Modell der Organisationskultur muss für einen solchen Kompetenzaufbau in
vielen Unternehmen neu durchdacht werden. Führungskräfte haben darauf mit
ihrem Führungsverhalten einen großen Einfluss. Dieses beschreibt bewusste
und unbewusste Maßnahmen einer leitenden Person zur Mitarbeitermotivation
und Sinngebung der gemeinschaftlichen Arbeit in der Organisation. Daher beein-
flusst es nicht nur Mitarbeiter, sondern auch die Zusammenarbeit, das Wertesys-
tem sowie die Einstellung der Mitarbeiter gegenüber der Digitalisierung. 117
Dadurch entsteht ein Digital Mindset: Das Verständnis der Digitalisierung sowie
eine positive und vorausschauende Einstellung ihr gegenüber. Eine Innovations-
kultur, die den Mitarbeitern mehr Spielräume schafft und sie nach dem Motto
think outside the box experimentieren lässt, ist ausschlaggebend für eine digitale
Transformation.118 Die neue risikobehaftete Umweltsituation – geformt von der
Digitalisierung – macht eine Kultur der Risikoakzeptanz unumgänglich. Mitglieder
der Organisation müssen sich in dieser so wohl fühlen, dass sie Neues

114 Reinhardt 2020, 237.


115 Vgl. ebd., 228 f.
116 Vgl. ebd., 248.
117 Vgl. ebd., 222.
118 Vgl. YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022].
Digitale Transformation von KMU 33

ausprobieren, ohne Angst vor dem Scheitern haben zu müssen. Eine Fehlerkul-
tur und Risikokultur im Führungskader ist demnach Voraussetzung, um diese
auch auf Mitarbeiterebene zu etablieren. Dafür müssen Führungskräfte ihre Ver-
haltensweisen anpassen und zum risikoaffinen Leader werden, um Risiken recht-
zeitig erkennen zu können: Sie fördern Fehler, ohne dass Mitarbeitern negative
Konsequenzen drohen.119 Der Fokus des digitalen Zeitalters liegt auf der Kultur:
Culture eats Strategy – Früh und damit günstig Fehler zu machen fördert eine
Lernkultur, die die Herausforderungen der Digitalisierung antizipiert und durch
die Chancen genutzt werden können.120
d. Digitale (Infra-)Struktur
Innerhalb dieser Arbeit wird mehrfach die Dringlichkeit der Anpassung aller Pro-
zesse eines Unternehmens dargelegt, um der durch die Digitalisierung entste-
henden Dynamik gerecht zu werden. Dabei sind es nicht ausgewählte, sondern
alle strategischen, taktischen und operativen Unternehmensprozesse, die einer
Verschlankung bedürfen, da starre und traditionelle Prozesse den agilen Metho-
den der Digitalisierung nicht mehr gerecht werden. Während der digitalen Trans-
formation werden nicht mehr benötigte Prozesse deshalb ersetzt, erneuert oder
ganz entfernt. Einen besonders starken Einfluss auf dieses Phänomen haben
digitale Technologien. So wie die digitale Transformation ohne digitale Techno-
logien nicht denkbar ist, ist das Beherrschen genau dieser ein entscheidender
Gestaltungsbereich für digitale Organisationen. Sowohl für Produkte und Dienst-
leistungen als auch für die Unternehmensprozesse ist neue Technologie ein
wichtiger Erfolgsfaktor, um den Kundenwert zu steigern und mehr Effizienz zu
erzielen. Reinhardt (2020) beschreibt technologischen Fortschritt sogar als eine
wichtige Ursache für Wirtschaftswachstum.121 So ist es nicht verwunderlich, dass
die Entwicklung digitaler Technologien auch die Digitalisierung der Organisation,
die sich in digitale Infrastruktur und digitale Anwendungen unterteilen lässt, be-
schleunigt. Durch Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht die
digitale Infrastruktur erst digitale Anwendungen. Dabei lassen sich hybride Infra-
strukturen, die traditionelle physische Infrastrukturen mit digitalen Komponenten
beschreiben, von dedizierten digitalen Infrastrukturen, die gänzlich aus digitalen
Komponenten bestehen, unterscheiden. Digitale Anwendungen hingegen sind
Softwareprogramme, die bestimmte nützliche Aufgaben als Mehrwert ausführen.
Sie werden z. B. von einem Computer, einer mobilen Vorrichtung, einem Tablet

119 Vgl. Reinhardt 2020, 220 ff.


120 Vgl. YouTube: www.youtube.de, [08.04.2022].
121 Vgl. Reinhardt 2020, 285 f.
Digitale Transformation von KMU 34

oder einem Produktionssystem verwendet und sind beliebig oft multiplizierbar.


Die Grenzen zwischen digitaler Infrastruktur und digitaler Anwendung ver-
schwimmen immer mehr, bis es irgendwann zu einer Konvergenz kommt. Bei-
spiele für digitale Technologien, die beide Aspekte beinhalten, sind:122
Cloud-Computing: Von dieser, derzeit stark diskutierten, Technologie wird das
höchste Produktivitätspotenzial erwartet. Dabei handelt es sich um ein „informa-
tionstechnologisches Servicemodell, bei dem bestimmte IT-Infrastrukturen und
Softwaren dafür genutzt werden, den Datenabruf aus dem Internet durch die Nut-
zer unabhängig vom Gerät und vom Ort über ein ‚Selbstbedienungs-Netzwerk‘
zu steuern.“123 Dieses Servicemodell erlaubt Unternehmen jeder Größe, mit ei-
nem rapiden Wachstum in Kombination mit hoher Volatilität der Nutzerzahlen und
der dadurch entstehenden Spitzenlastzeiten Performance-Probleme souverän
umzugehen. 124 Es werden drei Formen von Servicemodellen unterschieden:125
• Infrastructure as a Service (IaaS): Eine IT-Infrastruktur wird über das In-
ternet zur Verfügung gestellt (beispielsweise Amazon Web Service).
• Platform as a Service (PaaS): Ein Framework für Anwendungen wird im
Internet zur Verfügung gestellt, das vom Kunden angepasst und erweitert
werden kann. Benötigte Tools werden von der Plattform bereitgestellt (bei-
spielsweise Microsoft Azure).
• Software as a Service (SaaS): Eine vollwertige Anwendung, die der Kunde
im Internet auf Anfrage nutzen kann (beispielsweise Salesforce).
Internet of Things (IoT): Durch IoT werden Alltagsgegenstände über das Inter-
net durch Chips, Sensoren, Datenspeicher oder Softwaresysteme miteinander
vernetzt, wodurch ein Datenaustausch mit einem oder mehreren anderen Objek-
ten entstehen kann. Organisationen sind somit in der Lage, enorme Datenmen-
gen zu produzieren, in Informations- und Kommunikationssystemen zu speichern
sowie zu verarbeiten und damit softwarebasierte Anwendungssysteme in ver-
ständlicher und analytischer Form zu präsentieren. Durch das IoT entsteht ein
Wandel vom Verkauf von Produkten zur Erbringung von Dienstleistungen. Auch
wenn für Endkunden bereits einige Anwendungen auf dem Markt akzeptiert sind,
besteht immer noch eine mangelhafte Interoperabilität126 sowie

122 Vgl. Reinhardt 2020, 291 ff.


123 Ebd., 295.
124 Vgl. ebd., 298.
125 Vgl. ebd.
126 Interoperabilität beschreibt die systemübergreifende Zusammenarbeit von IoT, die nur dann möglich ist,
wenn gemeinsame technologische Standards eingehalten wurden. Vgl. ebd., 302 f.
Digitale Transformation von KMU 35

Sicherheitsbedenken. Organisationen hingegen haben IoT bereits akzeptiert und


teilweise schon in die Infrastruktur inkludiert. So können Geschäftsmodelle durch
prädiktive Wartung, bessere Anlagenauslastung und eine gesteigerte Produktivi-
tät optimiert oder sogar neu geschaffen werden.127 Es werden vier Anwendungs-
bereiche für das IoT unterschieden:128
• Konsum: Smart Home, Wearables, Gaming, Entertainment
• Gewerbe: Smart Health, Connected Building, Connected Car
• Industrie: Smart Supply Chain, Smart Agriculture
• Infrastruktur: Smart City, Smart Energy, Smart Water
Blockchain: Bisher wird für die Datenübermittlung ein Drittanbieter z. B. als zent-
rales Computersystem benötigt, der nicht nur Kosten verursacht und Prozesse
verlangsamt, sondern dem auch bezüglich der Sensibilität im Umgang mit Daten
vertraut werden muss. Da Transaktionen hier zentral abgewickelt werden, kön-
nen Angreifer über diesen zentralen Angriffspunkt leichter an sensible Daten
kommen, was ein bedeutendes Sicherheitsrisiko ergibt. Eine Blockchain kann
diesem Problem entgegenwirken, indem zentrale Überwachungsparteien durch
dezentrale Systeme ersetzt werden. Transaktionen finden hierbei über die Com-
puter der Netzwerkteilnehmer der Blockchain statt. Eine Blockchain ist demnach
eine dezentrale Datenbank, auf die von allen ihren Mitgliedern zugegriffen wer-
den kann. Eingesetzt werden kann die Technologie überall dort, wo dritte Par-
teien zur Validierung und Sicherung von Informationen benötigt werden. Neben
der Kryptowährung ist dies die Versicherungswirtschaft, die Industrie, der Lo-
gistikbereich, das öffentliche System oder die Energiewirtschaft.129
Big Data und künstliche Intelligenz (KI): Durch den enormen Anstieg an gene-
riertem Datenvolumen wurde der Begriff Big Data geprägt. Darunter sind so
große Datenmengen zu verstehen, die zu umfangreich sind, um in ihnen mit her-
kömmlichen Analysemethoden Trends oder Muster zu erkennen. Um den großen
Mengen Herr zu werden, ist eine automatisierte Datenverarbeitung unerlässlich.
Eine der neuesten, dafür wertvollen, Technologien ist die KI, die aufgrund Simu-
lation menschlicher Intelligenz schneller Probleme lösen kann als der Mensch.
Mussten zu Beginn Wissen und Merkmale noch manuell editiert werden, kann
ein Software-System heute immer mehr Wissen automatisch aus Daten ablesen.
Es entsteht eine Art neuronales Netzwerk, welches durch die zunehmende

127 Vgl. Reinhardt 2020, 299 ff.


128 Vgl. ebd., 302.
129 Vgl. ebd., 303 ff.
Digitale Transformation von KMU 36

Rechenleistung von Prozessoren entsteht. Wie ein menschliches Gehirn kann


die KI Bild- und Spracherkennung erlernen sowie eigene Prognosen und Ent-
scheidungen treffen.130 Dabei werden drei Technologien unterschieden:131
• Prozessautomatisierung: Software Roboter, die digital und physisch repe-
titive Aufgaben durch Nachahmung menschlichen Verhaltens überneh-
men. Organisationen können dadurch interne und externe Prozesse
optimieren und menschliche Arbeitskraft durch diese ersetzen.
• Kognitive Erkennung: Durch maschinelles Lernen können Muster erkannt
und Datensätze interpretiert werden, weshalb die Technologie für Daten-
analysen zur Zukunftsprognose, Bild- und Spracherkennung sowie pro-
grammatische Werbung eingesetzt wird. Dadurch können schnelle
Entscheidungen getroffen, Leistungsfähigkeit von Produkten sowie Ser-
vices verbessert und Empfehlungsalgorithmen gestaltet werden.
• Kognitive Interaktion: Interaktionen finden durch intelligente Helfer wie
Chatbots statt, die mit Mitarbeitern oder Kunden mithilfe von Bild- und
Spracherkennung kommunizieren.
Zu erwarten ist jedoch, dass eine angemessene Datenqualität Grundlage für die
Nutzung von KI ist, wodurch Smart Data anstelle von Big Data immer mehr in
den Fokus rückt.132 Chancen und Hindernisse der vorgestellten digitalen Tech-
nologien können den Tabellen im Anhang 1 entnommen werden.
Die Halbwertszeit einzelner Technologien wird stark diskutiert, da der schnelle
und rasante Wandel technologischer Innovationen eine Zeitpunktbetrachtung er-
schwert. Ein technologisches Reifegradmodell zur Auskunft über die Entwicklung
neuer technologischer Segmente sowie deren Marktreife ist das Hype-Cycle-Mo-
dell des amerikanischen Forschungs- und Beratungsunternehmens Gartner. Die-
ses Modell bietet eine Momentaufnahme der relativen Marktförderung und des
wahrgenommenen Werts von Innovationen. Sie heben überbewertete Bereiche
hervor, schätzen ab, wann Innovationen und Trends ausgereift sein werden und
bieten umsetzbare Ratschläge, um Unternehmen bei der Entscheidung zu unter-
stützen, wann sie diese übernehmen sollten.133 Jedes Jahr erstellt Gartner mehr
als 100 Hype-Cycles in verschiedenen Bereichen, damit Kunden die Innovations-
reife und das zukünftige Potenzial verfolgen können. Dessen fünf technologische

130 Vgl. Reinhardt 2020, 309 ff.


131 Vgl. ebd., 310 ff.
132 Vgl. ebd., 313.
133 Vgl. Gartner Research: www.gartner.com, [08.04.2022].
Digitale Transformation von KMU 37

Phasen werden in Anhang 2 zusammen mit den oben genannten vier großen
Technologien des digitalen Zeitalters dargestellt.
Um die Digital Transformation Engine zu komplettieren, muss die Organisations-
struktur näher betrachtet werden. Dies geschieht im folgenden Kapitel. Ein be-
kanntes Modell zur Implementierung der Engine ist das Business Model Canvas,
das alle wichtigen Aspekte eines Geschäftsmodells beinhaltet. Durch die Visua-
lisierung der Handlungsfelder „ist es möglich, das Geschäftsmodell übersichtlich
zu skizzieren, im Team weiterzuentwickeln und durch kreatives
Auseinandersetzen mit dem Modell auch völlig neue Ansätze zur Realisierung
von Geschäftsmodell-Innovationen zu erzeugen.“134 Dabei werden sowohl die
Ressourcen eines Unternehmens als auch die marktgerichtete Geschäftslogik für
eine Balanced-Based View betrachtet.135 Um den Rahmen der Arbeit nicht zu
sprengen, wird nicht näher auf das Business Model Canvas eingegangen.

2.3.3 Design einer Digitalisierung

Die Entwicklung geht hin zu Digitalorganisationen, die Veränderungssignale aus


der Umwelt wahrnehmen und daraufhin sofort Entscheidungen treffen können.
Durch die schnelle Anpassung ist vor allem der hierarchische Aufbau nicht mehr
möglich: Wissensnetzwerke werden wichtiger als Machtrefugien, die Arbeits-
strukturen sind nicht mehr funktional, sondern projekt- und teamorientiert und der
Fokus liegt auf einem neuen Designansatz für operative Strukturen.136 Auf diese
Weise soll das Unternehmen langfristig mit digitalen Herausforderungen umge-
hen und Chancen nutzen können. Dafür müssen sich Organisationen auf zwei
Ebenen weiterentwickeln:137
• Individuelle Ebene: Neue Kompetenzen und Fähigkeiten im Umgang mit
der Digitalisierung werden von den Mitarbeitern erlernt, um Befugnisse zu
erlangen und Kompetenzstrukturen zu entwickeln.
• Organisationale Ebene: Neue Strukturen und Instrumente werden für den
strategischen und taktischen Umgang mit der dynamischen Umwelt in der
Gesamtorganisation etabliert, um neue Fähigkeitsstrukturen aufzubauen.

134 Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 65.


135 Vgl. ebd.
136 Vgl. Reinhardt 2020, 130.
137 Vgl. ebd., 110.
Digitale Transformation von KMU 38

Je nach Adaptionsfähigkeit der beiden Ebenen ergeben sich die in Abbildung 6


dargestellten Arten von Organisationen:138

Abbildung 6: Digitale Adaptionsfähigkeit von Organisationen139

• Stabile und starre Organisationen: Die digitalen Fähigkeitsstrukturen der


Mitarbeiter sind homogen ausgeprägt, während sich die unternehmeri-
schen Routinen nicht verändern. Diese Adaptionsfähigkeit ist nicht negativ
zu bewerten, da es Industrien (z. B. Bergbau) gibt, die in einem sehr stabi-
len Wirtschaftsumfeld agieren und von digitalen Technologien nur wenig
beeinflusst werden.
• Träge und reaktive Organisationen: Unternehmen, die sich in einem dyna-
mischen Umfeld befinden und die Kompetenzstrukturen der Mitarbeiter für
eine Teilnahme am Markt noch stark ausbaufähig sind.
• Innovationsorientierte Organisationen: Diese Unternehmen setzen sich
bereits mit der Digitalisierung auseinander und verfügen über heterogen

138 Vgl. Reinhardt 2020, 110 f.


139 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., 111.
Digitale Transformation von KMU 39

ausgeprägte Fähigkeiten. Jedoch müssen Organisationsstrukturen erst an


die neuen Umweltbedingungen angepasst werden.
• Digital transformative Organisationen: Die strategischen und taktischen
Strukturen einer Organisation sind so stark ausgeprägt, dass die digitalen
Fähigkeiten und Kompetenzen der Organisation und Mitarbeiter eine
schnelle Bewältigung der Umweltveränderungen zulassen.
Für einen wirkungsvollen Aufbau digitaler Organisationen in Bezug auf Form und
Funktion kann sich an fünf Designprinzipien orientiert werden: Systemoffenheit,
Ganzheitlichkeit, Disruptivität, Dynamik und Komplexität.
Systemoffenheit: Unternehmen, die keinem festgelegten Entwicklungspfad fol-
gen, sind systemoffen. Sie entwickeln sich ergebnis- und handlungsoffen und
werden auch als progressive Organisation bezeichnet. Zukünftige Herausforde-
rungen stehen hierbei im Mittelpunkt. Demgegenüber stehen reaktive Organisa-
tionen, die einer organisationalen Pfadabhängigkeit folgen. Dies bildet ein großes
Hindernis für die digitale Transformation, da nicht schnell genug auf Veränderun-
gen reagiert und Routinen und Handlungsmuster nicht geändert werden können
oder wollen. Hürden bestehen vor allem in der verzerrten Wahrnehmung und
Verleugnung der Digitalisierung und ihren Herausforderungen seitens des Mana-
gements, gekoppelt mit der dürftigen Motivation, sich verändern zu wollen. Auch
fehlgeschlagene Reaktionen auf die Digitalisierung in der Vergangenheit oder
(politische) Deadlocks können ein Hindernis für Systemoffenheit sein. Dieses
Phänomen wird auch als organisationale Trägheit beschrieben. Meist müssen
Veränderungsprozesse von Akteuren der Organisation angetrieben werden.
Technologische Neuerungen reichen hier nicht aus, vielmehr muss mit neuen
Handlungsstrukturen experimentiert werden.140
Ganzheitlichkeit: Vorausgehend wird verdeutlicht, wie wichtig die ganzheitliche
digitale Transformation ist, um sich erfolgreich am Markt als Digitalorganisation
zu platzieren. Dabei werden die Tiefenstrukturen der Organisation und nicht nur
einzelne Bereiche verändert. Dementsprechend findet die Transformation auf
mehreren, meist zusammenhängenden Ebenen parallel statt. Diese Verände-
rung der ganzheitlichen Transformation ist ein typisches Merkmal der Digitalisie-
rung, woraus Chancen für die Organisation entstehen können, sich aber auch
Hürden für das Management bilden (siehe hierzu Kapitel 3.1 und 3.2).141

140 Vgl. Reinhardt 2020, 149.


141 Vgl. ebd., 152 f.
Digitale Transformation von KMU 40

Disruption: Der disruptive Wandel ist ein schleichender Prozess, der ein Ge-
schäftsmodell oder einen Markt durch eine technologische Innovation ablöst. Im
Gegensatz zu normalen Innovationen ist dieser ungeplant. Somit werden beste-
hende Strukturen, Denkweisen oder Kulturen und nicht nur Technologien zer-
stört. Dass die Disruption sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringt, wird
in Kapitel 3.1 und 3.2 weiter beleuchtet.
Dynamik: In Bezug auf die digitale Transformation beschreibt Reinhardt (2020)
die Dynamik als „Begriff, der eine von innen aus der Organisation heraus entwi-
ckelte, auf Veränderungen ausgerichtete zielstrebige Kraft […], der aus dem Sys-
tem der Organisation selbst entspringt.“142 Auch als dynamische
Fähigkeitsentwicklung bezeichnet, stellt dieses Designprinzip die Transparenz
vorhandener und Akquisition neuer Fähigkeiten dar. Dadurch können strategi-
sche Routinen so verändert werden, dass neue Ressourcenkombinationen ent-
stehen. Dies passiert durch eine dynamische Vernetzung der Fähigkeiten
anhand von Lernprozessen, sowohl menschlicher als auch künstlicher Art (z. B.
Zusammenspiel von künstlichen und menschlichen Intelligenzen).143
Adaptivität: Adaptive Unternehmen können ihre Handlungs- und Aktivitätsstruk-
turen an die Präferenzen des jeweiligen Nutzers, aufgrund von Interaktionsdaten,
anpassen. Benutzer- und Lernfreundlichkeit erlauben situationsadäquates Han-
deln und die schnelle Entwicklung von Problemlösungen. Durch den Aufbau von
Adaptivität entsteht eine Hyperkomplexität mit einer besonders hohen Binnendif-
ferenzierung. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, schnell Störungen und
Umwelteinflüsse durch ihre strukturelle Variationsbreite und Vielfalt an Reakti-
onsmöglichkeiten zu bewältigen. Strukturen werden ständig angepasst und aus-
gebaut, um das Überleben zu sichern. Jedoch ist die Steuerung solcher Systeme
durch den großen Möglichkeitsraum und die Erfassung der daraus entstehenden
Folgen erschwert.144
Dem Anhang 3 ist eine beispielhafte Liste angefügt, die mögliche Maßnahmen
zur Umsetzung der fünf Designprinzipien beschreibt. Während Unternehmen
diese Designprinzipien in die Organisation integrieren, helfen verschiedene Or-
ganisationsformen als „Zwischenschritte“ dabei, sich zu einer vollwertigen Digi-
talorganisation zu bilden. Diese sind in Abbildung 7 dargestellt und werden folgend
kurz beschrieben.

142 Reinhardt 2020, 157.


143 Vgl. ebd., 155 f.
144 Vgl. ebd., 158.
Digitale Transformation von KMU 41

Abbildung 7: Digitale Organisationsformen145

Computergestützte Organisation: 146


• Grundlage der digitalen Organisationsform
• Nutzung formaler Rechenmodelle zum besseren Umgang mit der digitalen
Umwelt
• Vernetzung individueller und computerbasierter Fähigkeiten einer Organi-
sation zur Identifikation des optimalen Modells für Problemlösungen (Kon-
vergenz von menschlicher und technologischer Intelligenz für volle
organisationale Leistungsfähigkeit)
• Ermöglichung schneller Entscheidungsfindungen sowie spontaner Maß-
nahmen zur Bewältigung spezifischer Situationen
Virtuelle Organisation: 147
• Vorläufer zur Diskussion heutiger digitaler Organisationsformen
• Entstehung eines Verbundes verschiedener Kernkompetenzen unter-
schiedlicher Organisationen zur Befriedigung von Marktbedürfnissen
durch digitale Kommunikationstechnologien (z. B. E-Commerce-Plattfor-
men)
• Vorteile: Marktdifferenzierung durch geringere Transaktionskosten, die ein
einziges Unternehmen nicht finanzieren bzw. erreichen könnte; schnelle
Prozessanpassung, geringe Formalisierung und ausgeprägte Teamorien-
tierung durch hohe Flexibilität
• Beibehalten der bestehenden Formen der einzelnen Organisationen

145 Eigene Darstellung in Anlehnung an Reinhardt 2020, 114 ff.


146 Vgl. ebd., 114.
147 Vgl. ebd., 115 ff.
Digitale Transformation von KMU 42

Systemische Organisation: 148


• Adaptive und systematische Lernverfahren zur Anpassung an die dynami-
schen und komplexen Umweltentwicklungen
• Anpassung der Beziehungen zwischen Teilelementen einer Organisation
durch De- und Rekonstruktion an Umweltbedingungen zur Behebung di-
gitaler Probleme (zumeist in Wissens-, Informations-, Produktmanage-
ment-, Führungs- oder Planungssystemen der Unternehmen)
Fraktale Organisation: 149
• Selbstorganisierte, hierarchiefreie und wachstumsstarke Organisation;
schnelle Absorbierung der Umweltveränderungen durch Informationen
und Vernetzung
• Ständige Weiterentwicklung und Anpassung der Fraktale einer Organisa-
tion; Entstehung hoher Agilität
• Große Informationstransparenz, mehr Weiterentwicklungsmöglichkeiten
und ein neues Verständnis der Ressourcenknappheit
• Fraktale Modelle meist bei innovativen Lernmodellen, dem Aufbau von
Unternehmensuniversitäten und Innovationsprozessen vorhanden
Dezentralisierte Autonome Organisation: 150
• Erste rein digitale Organisation
• Über ein dezentrales Peer-to-Peer-Netzwerk verteilte Computersoftware;
Verwendung von Blockchain: smart contracts (digitale und smarte Ver-
träge) zur Entscheidungsfindung auf Grundlage dieser Verträge
• Bestehen des Unternehmens ohne Management und Mitarbeiter möglich
(Eigentum z. B. Ideen und Patente)
• Verbuchung von Einnahmen und Ausgaben in Form von Kryptowährung
Für die digitale Transformation muss ein Unternehmen eine digitale Fähigkeits-
und Kompetenzperspektive als wichtigen Erfolgsfaktor aufweisen. Zur Integration
dieser in die Organisation lassen sich zwei Herangehensweisen unterscheiden:
Core Extension eignet sich, wenn die Ziele der digitalen Strategie noch unklar
sind oder Technologien erst getestet werden sollen. Dabei geht es um die Kom-
petenzerweiterung eines Unternehmens, um digitale Kompetenzen, und

148 Vgl. Reinhardt 2020, 117 ff.


149 Vgl. ebd., 121 f.
150 Vgl. ebd., 123 f.
Digitale Transformation von KMU 43

demnach den Aufbau spezifischer Fähigkeiten der Digitalisierung bei den Mitar-
beitern. Die Vorteile dieser operativen Variante sind die Umsetzung der Strategie
innerhalb einer kontrollierten Umgebung sowie die Minimierung von Fehlerkos-
ten. Jedoch ist es ein langwieriger Prozess, Fachwissen aufzubauen, und dar-
über hinaus mangelt es häufig an Kreativität und Skalierungsmöglichkeiten. Ein
Beispiel für Core Extension sind Intrapreneurship-Programme, wo Mitarbeiter
von den eigentlichen Aufgaben entbunden werden, um sich mit der Digitalisie-
rung zu beschäftigen.151
Demgegenüber steht der Greenfield-Ansatz, bei dem neben dem Kerngeschäft
ein gleichwertiges digitales Geschäftsmodell gegründet wird, das später dabei
hilft, das Kerngeschäft in das Digitalgeschäft zu überführen. Durch diesen Ansatz
kann die Umsetzung der Digitalstrategien schneller erfolgen und es entstehen
weniger Kosten für das Anlernen bisheriger Mitarbeiter, da für das digitale Ge-
schäftsmodell Experten rekrutiert werden. Jedoch kommt es oftmals zur Abwehr-
reaktion gegenüber dem neuen Modell, da es zwangsweise zum Teil zur
Kannibalisierung bestehender Geschäftsfelder kommt.152 Ein Beispiel ist das
Corporate Venture Building, bei dem spezielle Dienstleister den Aufbau des digi-
talen Geschäftsmodells durchführen und später in die Kernorganisation überfüh-
ren. Eine weitere Möglichkeit sind Digital Labs, Accelerators oder Inkubators, die
jeweils als Suborganisationen aufgebaut werden. Die Organisation stellt dabei
Strukturen und Ressourcen für Gründer oder Ideengeber zur Verfügung, um sys-
tematisch Ideen bis zur Marktreife zu entwickeln.153
Welcher Weg der richtige für eine Organisation ist, hängt von den Zielen ab. Grö-
ßere Unternehmen haben, im Gegensatz zu KMU, die Möglichkeit, mehrere
Wege gleichzeitig einzuschlagen. Um bei der digitalen Transformation nicht zu
scheitern, sind eine genaue Festlegung der strategischen Ziele, dynamisches
Denken im Top-Management, flexible Formen der strategischen Anpassung und
Planung sowie der Aufbau einer Lernkultur unerlässlich.154
Ein jeder digitale Transformationsprozess muss laufend von Controlling-Syste-
men begleitet werden, um das Scheitern eines Digitalisierungsvorhabens zu ver-
meiden. Zudem ist dieser Prozess nicht abschließend zu betrachten. Sobald die
Implementierung vollzogen ist, müssen digitale Herausforderungen erneut ana-
lysiert und im Kontext des Unternehmens betrachtet werden.

151 Vgl. Reinhardt 2020, 208.


152 Vgl. ebd., 209.
153 Vgl. ebd., 211.
154 Vgl. ebd., 213.
Digitale Transformation von KMU 44

Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand zur digitale Transformation von


KMU des verarbeitenden Gewerbes näher betrachtet, um darauf aufbauend die
in diesem Kapitel erlernte Theorie in die Praxis zu überführen und Herausforde-
rungen und Chancen der digitalen Transformation zu identifizieren.

2.4 Aktueller Forschungsstand

Der amerikanische Informatiker und Professor des Massachusetts Institute of


Technology, Nicholas Negroponte, erkannte bereits 1995, dass Computer einen
starken Einfluss auf die Gesellschaft und die Wirtschaft haben und so völlig neue
dezentrale Formen entstehen werden.155 Er prognostizierte das Ende der ne-
oklassischen Unternehmenstheorie, da diese nicht mehr zu den Rahmenbedin-
gungen des digitalen Zeitalters passen würde. Durch die Betrachtung früherer
Big Player (wie beispielsweise Quelle, Nokia oder Kodak) ist zu erkennen, dass
Negroponte recht behalten sollte und herkömmliche Strukturen den Herausfor-
derungen der Digitalisierung nicht gewachsen sind.156 So sagte auch Gordon
Moore 1965 mit dem Mooreschen Gesetz voraus, dass sich ca. alle zwei Jahre
die digitale Rechenleistung verdoppelt – diese Prognose hat sich bisher immer
bewahrheitet. Dies bedeutet aber auch, dass uns die größten Produktivitätsfort-
schritte noch bevorstehen: Kreutzer, Neugebauer und Pattloch (2017) sprechen
hier sogar von unvorstellbaren Quantensprüngen. Die Veränderungsdynamik
nimmt demnach immer weiter zu und ihr sind keine Grenzen gesetzt. 157
Aus diesem Grund setzen viele Unternehmen bereits Digitalstrategien zur Über-
windung der durch die Digitalisierung entstehenden Herausforderungen ein. In
einer Studie von Bitkom Research gaben 83% der 602 befragten Unternehmen
(ab 20 Beschäftigten in Deutschland) an, dass sie eine zentrale oder in einzelnen
Unternehmensbereichen angewandte Strategie zur Bewältigung des digitalen
Wandels einsetzen. Es geht ebenfalls daraus hervor, dass bereits 95% dieser
Organisationen die Digitalisierung als Chancen sehen und nur noch 4% als Risiko

155 „It means the enterprise of the future can meet its computer needs in a new and scalable way by popu-
lating its organization with personal computers that, when needed, can work in uni son to crunch on com-
putationally intensive problems. Computers will literally work both for individuals and for groups. I see the
same decentralized mind-set growing in our society, driven by young citizenry in the digital world. The tra-
ditionalist centralist view of life will become a thing of the past“. Negroponte 1995, 67 f.
156 Vgl. Reinhardt 2020, 2.
157 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 8 ff.
Digitale Transformation von KMU 45

für das Unternehmen.158 Wenngleich diese Entwicklungen positiv sind, werden


Defizite der Digitalisierung in Deutschland offengelegt: Beim Indikator The Digital
Economy and Society Index (DESI) der EU landet Deutschland lediglich auf Rang
12 von 28 EU-Ländern, in Bezug auf die Integration digitaler Technologien in der
Wirtschaft nur auf Platz 18.159 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima-
schutz betont zudem, dass KMU einen deutlich niedrigeren Digitalisierungsgrad
aufweisen als Großunternehmen. Außerdem ist gerade im Osten Deutschlands
sowie in ländlichen Regionen Nachholbedarf zu finden.160 Dennoch messen 60%
der KMU den Digitaltechnologien eine mittelgroße bis sehr große Bedeutung
bei.161 Besonders die Corona-Pandemie löste einen Anstieg der Digitalisierung,
auch mittelständischer Unternehmen, aus. 33% der KMU hat diese bis Januar
2021 ausgeweitet, was den Vorteilen digitaler Informations-, Kommunikations-
technologien sowie Arbeitsabläufe zuzuschreiben ist.162

Abbildung 8: Entwicklung der Digitalisierungsaktivitäten von KMU im Zuge der Corona-Pandemie163

158 Vgl. Bitkom: www.bitkom-research.de; [08.04.2022].


159 Vgl. DESI 2019.
160 Vgl. BMWi: www.bmwi.de, [08.04.2022].
161 Vgl. BMWi 2017, 29.
162 Vgl. KfW Bankengruppe 2021, 3.
163 Ebd., 7.
Digitale Transformation von KMU 46

Abbildung 8 zeigt, dass die Anzahl der KMU, die im Zuge der Pandemie Digitali-
sierungsaktivitäten gesteigert oder aufgenommen haben, um 10% gestiegen ist,
wenngleich die Mittelständler, die weiterhin keine solchen Aktivitäten durchfüh-
ren, ebenfalls bei 33% liegen, damit aber um 3% gesunken sind. Darunter sind
es vor allem die Unternehmen, die spürbar, wenn auch nicht existenziell von der
Pandemie betroffen sind, die die Digitalisierung vorantreiben. Demgegenüber ha-
ben existenziell betroffene KMU kaum Digitalisierungsaktivitäten durchgeführt,
was der ohnehin schlechten finanziellen Lage zuzuschreiben ist.164 Damit ver-
schärft sich die Spaltung zwischen kleinen und großen Unternehmen sowie For-
schungs- und Entwicklungstreibenden KMU und die ohne eine solche Abteilung.
Kurzfristig geplante Maßnahmen, die während der Pandemie eingeführt wurden,
müssen in strategische Digitalisierungsvorhaben übersetzt werden, um Chancen
wie Flexibilität, Initiative und Unternehmergeist langfristig zu sichern und weiter-
zuentwickeln. Herausforderungen, die auf KMU laut des KfW Mittelstandspanel
zukommen, sind:165
• Liquiditätslage und während der Krise gestiegener Verschuldungsgrad
• Zielkonflikt zwischen stärkerer Krisenfestigkeit und Wettbewerbsfähigkeit
• Behinderung des Digitalisierungsvorhabens durch fehlende Fachkräfte
und IT-Knowhow
• Lückenhafte Infrastruktur in Deutschland
• Datenschutz und -sicherheit als Hindernis aufgrund fehlenden Knowhows
und europäischer Dimension
Vor allem das verarbeitende Gewerbe investierte im Jahr 2019 mit 56,9 Tsd. €
am meisten finanzielle Mittel von allen KMU in Deutschland in die Digitalisierung.
Diese Ressourcen finden sich vor allem in IT-Strukturen und neuen Anwendun-
gen, gefolgt von der Digitalisierung des Kontakts zu Kunden und Zulieferern wie-
der. Aber auch die Verknüpfung der IT zwischen den Funktionsbereichen wird
von fast der Hälfte der KMU des verarbeitenden Gewerbes durchgeführt. Ferner
investieren 39% in digitale Marketing- und Vertriebskonzepte. Ein Aufbau von
Knowhow oder die Reorganisation von Workflows wird nur von ca. einem Drittel
umgesetzt. Lediglich 16% der verarbeitenden KMU investieren in die Digitalisie-
rung von Produkten und Dienstleistungen, was vor allem der Beschaffenheit die-
ser zugeschrieben werden kann.166

164 Vgl. KfW Bankengruppe 2021, 7.


165 Vgl. ebd., 23 f.
166 Vgl. ebd., 15.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 47

3 Herausforderungen und Chancen der


digitalen Transformation für KMU
Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat,
die im Moment gefragt sind. – Henry Ford

Aufgrund des stark wachsenden Netzwerks wird immer mehr Menschen der Zu-
gang zum Internet gewährt. Unterstützt wird dies durch die sinkenden Kosten der
dafür notwendigen Hardware. Aber nicht nur der Zugriff zur Technik, sondern
auch die Steuerung wird immer mehr vereinfacht. Sprach- oder Gestensteuerung
erleichtern die Benutzung von Hardware und machen diese immer menschen-
ähnlicher. Durch die Kombinatorik können Daten nach Bedarf in Echtzeit ausge-
wertet werden (z. B. Google Maps mit Navigationssystem).167 Dieser Raum an
Möglichkeiten muss von Unternehmen genutzt werden, um die Chancen der Di-
gitalisierung ergreifen zu können. Das Problem: „Unternehmenslenker und damit
Unternehmen sind häufig erst dann bereit, sich zu ändern, wenn Krisen bereits
eingetreten sind.“168 Die Konsequenz daraus ist, dass (neue) Wettbewerber die
entstehenden Lücken nutzen können, ihre Produkte oder Dienstleistungen auf
den Markt auszurichten. Durch geringe Markteintrittsbarrieren haben Start-ups
die Möglichkeit, mit einem neuen Geschäftsmodell den Markt kostengünstig zu
erobern. Aber auch disruptive Technologien und Geschäftsmodelle können diese
Lücken hervorrufen. Unternehmen dürfen dann nicht an alten Geschäftsmodellen
oder Leistungen festhalten, sondern müssen sich weiterentwickeln.169 Um sich
den disruptiven Umweltveränderungen anpassen zu können, müssen sich Unter-
nehmen nicht selten einer vollumfänglichen Transformation der organisationalen
Routinen unterziehen, durch deren Prozess mikroökonomische Organisations-
strukturen gewandelt werden, um Veränderungen in konstruktive Chancen um-
zuwandeln und gleichzeitig Risiken zu supprimieren.170 Demnach geht es bei der
Umsetzung der digitalen Transformation immer darum, Chancen durch schnelle
Digitalisierung zu sichern und Risiken zu eliminieren. Eine Analyse beider

167 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 11 f.


168 Ebd., 12.
169 Vgl. ebd., 18.
170 Vgl. Reinhardt 2020, 39.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 48

Aspekte gibt Aufschluss darüber, wie sinnvoll eine digitale Transformation für das
Unternehmen ist.171
Im Folgenden werden deshalb zunächst ein Überblick über Herausforderungen
und Chancen der Digitalisierung und digitalen Transformation, unter anderem für
KMU des verarbeitenden Gewerbes gegeben, sowie Lösungsansätze dargestellt.
Zuletzt werden in einer Case Study durch eine Potenzialanalyse Chancen und
Herausforderungen für die Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH identifiziert und
anschließend in eine digitale Vision und Digitalstrategie überführt.

3.1 Herausforderungen der digitalen Transformation

Durch die Digitalisierung stehen Unternehmen vor den Herausforderungen einer


digitalen Transformation, um damit den Wandel in ihrer Branche aktiv mitzuge-
stalten oder sich mindestens diesem anzupassen. Die Herausforderungen, die
aus der Digitalisierung heraus entstehen, sind zugleich vielfältig, komplex und
von vielen Faktoren abhängig. Im Folgenden soll demnach zunächst ein Über-
blick über die Herausforderungen, die durch die Digitalisierung entstehen, gege-
ben werden, bevor auf allgemeine Herausforderungen der digitalen
Transformation sowie auf spezielle für KMU des verarbeitenden Gewerbes ein-
gegangen wird.

3.1.1 Herausforderungen durch die Digitalisierung

Ein Modell, das die Charakteristika der neuen, vernetzten und digitalen Umwelt
beschreibt, ist die VUCA-Welt. VUCA steht für: Volatilität, Unsicherheit, Komple-
xität sowie Ambiguität und stammt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Mi-
litär. Diese Faktoren stellen besondere Herausforderungen dar:172
Volatilität: Der aus der Statistik bekannte und vor allem an Börsen eingesetzte
Begriff beschreibt einen Schwankungsbereich innerhalb eines Zeitraums. Für die
Wirtschaft sind durch die globale Verflechtung Auswirkungen der Digitalisierung
zunehmend unvorhersehbar. Dies wirkt auf Mitarbeiter und Führungskräfte be-
unruhigend. Um nicht impulsiv oder unkoordiniert im dynamischen Markt zu agie-
ren, ist der Schlüssel der Volatilität, kritische Veränderungen vorherzusehen und
Szenarien für verschiedene Auswirkungen zu entwickeln.

171 Vgl. Ternès/Schieke 2018, 21.


172 Vgl. Reinhardt 2020, 234 f.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 49

Unsicherheit: Die dynamische Umwelt wirkt verunsichernd und bedrohend auf


Führungskräfte. Bestehende mentale Modelle und Paradigmen sind jedoch un-
zureichend und zu einfach, um sie auf die erwarteten Herausforderungen und
Risiken anzuwenden. Führungskräfte müssen deshalb neue mentale Modelle er-
gründen oder alte verändern.
Komplexität: Wie bereits erwähnt, ist eine Folge des digitalen Wandels die stei-
gende Komplexität, die vor allem das soziale, wirtschaftliche und technologische
Umfeld prägt. Unternehmen müssen die Umwelt als interaktiven Veränderungs-
raum verstehen, um das neue Geschäftsumfeld begreifen zu können.
Ambiguität: Dies beschreibt die Mehrdeutigkeit der Umwelt. Führungskräfte
müssen sowohl Chancen als auch Risiken aus verschiedenen Perspektiven be-
trachten, da Daten oft widersprüchlich oder zweideutig sein können. Inkremen-
telle Lösungen benötigen zu viel Zeit und sind nicht mehr angebracht, weshalb
Führungskräfte neue Kompetenzen und Fähigkeiten benötigen.
Um in der VUCA-Welt zurechtzukommen, sind „Pragmatismus, schnelles Lernen
und Experimentieren sowie spezifische Fähigkeiten zur Datenanalyse und stra-
tegische Planung […] dabei konkrete Anforderungen an die digitale Führungs-
kraft.“173

Aus der VUCA-Welt ergeben sich einige Herausforderungen, die direkten Ein-
fluss auf Organisationen nehmen und eine digitale Transformation anstoßen.

a. Empowered customer
Auch der Empowered customer treibt diese voran, indem er Ansprüche an Un-
ternehmen stellt. Aufgrund des anspruchsvollen Kunden, der neue Unterneh-
mensstrukturen, -prozesse und -abläufe verlangt, entstehen einige
Herausforderungen für Organisationen. Beispielsweise muss die Komplexität von
Kaufprozessen erkannt und reduziert werden, um dem Kunden ein optimales
Kauferlebnis zu ermöglichen.174 Zudem verlangt er eine „nahtlose Integration“
sämtlicher Anwendungen zur Bewältigung verschiedener komplexer Schnittstel-
len (z. B. iCloud: Apple Music, iMac, MacBook, iPhone, iPad, Apple TV sind mit-
einander kompatibel, deren Schnittstelle die iCloud ist, auf der alle Daten der
einzelnen Anwendungen gespeichert werden).175 Eine letzte große Hürde, die
vom Konsumenten ausgeht, ist das Verlangen nach kundenindividueller

173 Reinhardt 2020, 235.


174 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 160.
175 Vgl. ebd., 32.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 50

Massenfertigung, bei der Kunden Produkte erwerben, die ihren individuellen Vor-
stellungen entsprechen, und dies zu Kosten, die der einer Massenfertigung
gleichkommen.176
b. Empowered employee

Neben dem informierten Konsumenten gewinnen auch Mitarbeiter und vor allem
Fachkräfte an Macht in Organisationen. Gerade die Digital Natives oder Millenni-
als sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und bilden damit eine Chance für
viele Unternehmen.
„Millennials
Bezeichnet eine Generation, die ungefähr zwischen 1979 und 1994 geboren wurde
und deren gemeinsame Lebenserfahrung und Werteverständnis zu Präferenzbildun-
gen führt, die vor allem auf die digitale Welt ausgerichtet sind. Das Präferenzmuster
dieser Generation unterscheidet sich von anderen früheren Generationen, u. a. den
Baby Boomern oder der Generation X.“177

Bereits im Jahr 2025 gehören 75% aller Mitarbeiter der Millennials-Generation


an, die über veränderte Werte- und Bedürfnisstrukturen verfügen.178 Diese Ge-
neration kommt nun in Unternehmen, die von starren Hierarchien, unflexiblen
Karrieresystemen und intransparenten Entscheidungen geprägt sind. Paradox-
erweise wird von ihnen erwartet, innerhalb der organisationalen Strukturen inno-
vativ und produktiv zu arbeiten. Unternehmen sind gefordert, auf diese
Bedürfnisse zu reagieren: Denn die Einstellung von Millennials allein richtet eine
Organisation nicht digital aus. Vielmehr muss auf Bedürfnisse reagiert und Be-
dingungen geschaffen werden, die innovationsfördernd sind und Produktivität vo-
rantreiben. „Nur das richtige Zusammenspiel zwischen der technologischen
Veränderung und der inneren Anpassung und Reformation der Organisationsele-
mente führt im Ergebnis zur Entwicklung einer digitalen DNA der Organisa-
tion.“179 Den Millennials gegenüber stehen die Baby Boomer und Generation X,
die oftmals Angst vor Veränderungen und Auswirkungen der digitalen Technolo-
gie auf die Beschaffenheit und den Bestand ihres Arbeitsplatzes haben. Durch
die digitalen Einflüsse entsteht eine ganz neue Wertschöpfungsorganisation, die
disruptiv auf Markt- und Handelsstrukturen wirkt. Die Disintermediation der Wert-
schöpfungskette führt zum Bedeutungsverlust ehemals wichtiger Akteure inner-
halb der Wertschöpfung. Einst physische Wertschöpfungsprozesse, werden

176 Vgl. Obermaier 2019, 17.


177 Reinhardt 2020, 59
178 Vgl. ebd., 6.
179 Ebd., 7.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 51

digitalisiert wodurch Kosten durch das Wegfallen einzelner Handelsstufen einge-


spart werden. Ängste erstrecken sich dabei vom steigenden Druck auf die eige-
nen Qualifikationen und Fähigkeiten bezüglich der neuen Medien und
Technologien bis hin zum Misstrauen, dass Technologien die Aufgaben des Men-
schen irgendwann teilweise oder sogar ganz übernehmen und ihn selbst in der
Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Dennoch zeigt eine Studie von Müller, Böhm,
Schröer et al. (2016), dass nur 13% der befragten Unternehmen die mangelnde
Motivation der Mitarbeiter als Transformationshemmnis wahrnehmen.180 Vertre-
ter dieser Annahmen fordern beispielsweise Einschränkungen und Hürden für
die Digitalisierung.181

c. Politische Herausforderungen
Innovationshemmende gesetzliche Rahmenbedingungen erschweren die digitale
Transformation deutscher Unternehmen. Um im internationalen Bereich langfris-
tig wettbewerbsfähig zu sein, müssen auch auf Bundesebene einige Hemmnisse
abgebaut werden:
Rechtliche Hemmnisse: Zu detaillierte regulatorische Rahmenbedingungen,
die zumeist noch nicht auf digitale Standards angepasst wurden, bremsen die
Weiterentwicklung deutscher Unternehmen. Aber auch neue Gesetzgebungen
haben eine innovationshemmende Wirkung. Ein Abbau dieser kann innovations-
fördernd wirken und die Nutzung digitaler Technologien erleichtern sowie Ge-
schäftsmodellinnovationen begünstigen (z. B. autonomes Fahren). 182 Ein
weiteres Schlagwort, das in diesem Zusammenhang vermehrt folgt, ist der Da-
tenschutz. „Unter Datenschutz wird der Schutz der digitalen Daten verstanden,
unter anderem vor der gewaltsamen Zerstörung oder der ungewollten Über-
nahme durch andere Benutzer oder Cyberattacken.“183 Insbesondere die Samm-
lung und Verwertung von Daten über Personen, Organisationen oder Anlässe
werden diskutiert. Dabei stehen vor allem rechtliche und prozessuale Aspekte
der Verarbeitung und Speicherung von personenbezogenen Informationen im
Mittelpunkt. Die massive Zunahme der digitalen Endgeräte, mit denen Daten er-
fasst werden können, verschärft diese Thematik. Umso wichtiger wird der Aufbau
einer robusten digitalen Infrastruktur, um den technischen Wandel meistern zu

180 Vgl. Müller, Böhm, Schröer et al. 2016, 76.


181 Vgl. Reinhardt 2020, 47.
182 Vgl. Müller, Böhm, Schröer et al. 2016, 81 f.
183 Reinhardt 2020, 49.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 52

können. Im Vergleich zu anderen Regionen der Welt, wird die deutsche Bundes-
regierung dafür kritisiert, dass dieser Aufbau zu langsam vorankommt.184

Hemmnisse digitaler Infrastruktur: Besonders in der digitalen Infrastruktur be-


steht Aufholbedarf, um eine langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit zu
erzielen. „Nur wenn die digitale Infrastruktur stark genug ist, um jederzeit schnelle
Internet-Verbindungen mit kurzen Latenzzeiten zu ermöglichen, ist es für potenzielle
Kunden interessant, Geschäfte online abzuwickeln.“185 Während Ende 2019 bereits
97,4% der Städte eine Verfügbarkeit von schnellem Internet (≥ 50 Mbits/s) aufwie-
sen, konnte in ländlichen Gemeinden lediglich eine Breitbandabdeckung von 72,8%
festgestellt werden.186 Gerade für KMU, die sich größtenteils auf dem Land befinden,
erschwert dies eine digitale Transformation. Für eine flächendeckende Verfügbar-
keit des LTE- und Breitbandnetzes muss Deutschland Anreize zur Investition in
diese schaffen.
Hemmnisse durch (Schul-)Bildung: Digitale Kompetenzen sollten bereits in
Schulen vermittelt werden, um den Berufseinstieg zu erleichtern und digitale
Fachkräfte „heranzuziehen“. Denn auch im Bildungssystemvergleich schneidet
Deutschland in Bezug auf den Aufbau von digitalen oder Informatik-Kompeten-
zen sowie das Erlernen des Umgangs mit digitalen Technologien im Gegensatz
zu anderen europäischen Ländern eher schlecht ab. Dies zeigt sich auch in der
mangelnden Ausstattung und Nutzung digitaler Medien für den schulischen Un-
terricht.187 So zählt die Mußmann und Hardwig (2021) 33% der in einer Studie
untersuchten Schulen zu den digitalen Nachzüglern, die in Bezug auf die digitale
Bildung (digitale Ausrüstung und Kompetenzen) einen starken Handlungsbedarf
aufweisen.188 „Weil sich unsere Gesellschaft in der digitalen Transformation be-
findet, müssen alle Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen digitale Kompe-
tenzen erwerben, um gleichberechtigt am beruflichen und gesellschaftlichen
Leben teilhaben zu können.“189

184 Vgl. Reinhardt 2020, 49.


185 Müller, Böhm, Schröer et al. 2016, 87.
186 Vgl. Statista 2021, 41.
187 Vgl. Müller/Böhm/Schröer et al. 2016, 89.
188 Vgl. Mußmann/Hardwig 2021, 24.
189 Ebd., 43.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 53

3.1.2 Allgemeine Herausforderungen der digitalen Transforma-


tion

Ein grundlegendes Hindernis für die digitale Transformation ist ein fehlendes Be-
wusstsein für die Digitalisierung bzw. ein mangelnder Wille, sich mit dieser aus-
einanderzusetzen.190 Durch die aus der Digitalisierung entstehende disruptive
Kraft wird es auch branchenfremden Unternehmen ermöglicht, in den Markt ein-
zutreten und sich Marktanteile etablierter Unternehmen anzueignen. Bisher gül-
tige Abgrenzungen zwischen Industrien werden dadurch nahezu nichtig. Umso
wichtiger ist die Konzeption einer digitalen Transformationsstrategie, um dem
entgegenzuwirken. „Doch die Entscheidung darüber wann, wie und was transfor-
miert werden muss, um zumindest mit der Konkurrenz Schritt zu halten, ist eine
große Herausforderung.“191 Verdeutlicht wird dies durch die in einer Studie be-
fragten Unternehmen, von denen 37% angaben, keine eindeutige Digitalstrategie
definiert zu haben.192 Dadurch werden Projekte auch ohne klar definierte Vision
zur Transformation durchgeführt, wodurch kurzfristige Maßnahmen geplant und
langfristige Ausrichtungen ignoriert werden. Gerade in konventionellen Unterneh-
men verhindern die Beharrungskräfte, meist im Management, eine erfolgreiche
Initiierung und Steuerung der digitalen Transformation. Uneinigkeiten über stra-
tegische Ausrichtung, Rollen und Vorgehensweisen verhindern einen Change-
Prozess, wodurch Konflikte, Verzögerungen oder sogar der Abbruch eines Digi-
talisierungsvorhabens entstehen können.193 Hier fehlt oftmals eben dieses Be-
wusstsein für die Digitalisierung oder der Anspruch, sich damit
auseinanderzusetzen. Laut der Studie von Müller, Böhm, Schröer et al. (2016)
sehen knapp ein Viertel der deutschen Unternehmen keine Notwendigkeit zur
Digitalisierung, was die Gefahr mit sich bringt, dass Veränderungen im Wettbe-
werb erst spät erkannt werden. Widergespiegelt wird dies unter anderem in dem
geringen Budget für Digitalisierungsvorhaben (41% der befragten Organisationen
geben dies als Hemmnis an).194
Jede Phase der digitalen Transformation bringt neue Herausforderungen mit
sich, weshalb im Folgenden auf die einzelnen Handlungsfelder eingegangen
wird.

190 Vgl. Böhm/Müller/Krcmar et al. 2018, 51.


191 Hoberg/Welz/Oswald et al. 2018, 68.
192 Vgl. ebd.
193 Vgl. Oswald/Krcmar 2018, V ff.
194 Vgl. Müller/Böhm/Schröer et al. 2016, 79.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 54

a. Digitales Geschäftsmodell
Während der digitale Wandel unendliche Möglichkeiten für Unternehmen bietet,
um neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, kann die Entwicklung
von hybriden und digitalen Angeboten auch Risiken mit sich bringen. Es herrscht
ein schneller und aggressiver Wettbewerb, der zum einen traditionellen Unter-
nehmen Wettbewerbsvorteile verwehrt und zum anderen digitalen Unternehmen
einen Markt mit niedrigen Eintrittsbarrieren und -kosten, Deregulierungen sowie
hoher Innovationsgeschwindigkeit bietet. Somit kommt es zu einem Verdrän-
gungswettbewerb um die Kunden.195 „Wir sind im Zeitalter des Geschäftsmodell-
wettbewerbs angekommen, und der Erfolg eines Unternehmens ist von dessen
Fähigkeit, das Geschäftsmodell zu digitalisieren oder gar „digital“ zu innovieren,
abhängig.“196 Gassmann und Sutter (2019) sehen als Herausforderung aufgrund
der hohen Reife digitaler Technologien weniger die Adaption als vielmehr die
Entwicklung des richtigen Geschäftsmodells. Dabei wird das Unternehmen vor
die Herausforderung gestellt, alle Geschäftsmodelldimensionen entlang der ge-
samten Wertschöpfungskette zu innovieren, um mit den digitalen Modellen von
Konkurrenten Schritt halten zu können.197 Eine geringe Veränderungsbereit-
schaft bildet ein großes Hindernis der Transformation, die ihren Ursprung in der
organisatorischen Trägheit findet. Diese Trägheit meint eine Gefangenschaft in
den eigenen Routinen, die durch partielle Anpassung einzelner betrieblicher Be-
reiche nicht erfolgreich überwunden werden kann. Nach Reinhardt (2020) sind
die „digitalen Umweltveränderungen […] als multiperspektives Phänomen zu be-
greifen, das nicht durch Einzelmaßnahmen bewältigt werden kann“.198 Er sieht
eine fundamentale Systemänderung als erforderlich an.
b. Digitale Fähigkeiten und Kompetenzen
Durch die neuen digitalen Technologien werden besonders an Personalentwick-
lung und -recruiting neue Ansprüche gestellt: Nicht mehr die Datengewinnung,
sondern die Dateninterpretation wird für Organisationen zur Herausforderung.
Dadurch entstehen auch neue Berufsbilder wie z. B. Data Scientist oder Chief
Digital Officer, deren Notwendigkeit überdacht werden muss. Denn das Re-
cruiting digitaler Experten stellt eine unverzichtbare Herausforderung dar, die die
Organisation zum Wandel zwingt, um eben dieses Personal an sich zu binden.199

195 Vgl. Reinhardt 2020, 166.


196 Gassmann/Sutter 2019, 20.
197 Vgl. ebd., 20 ff.
198 Reinhardt 2020, 39.
199 Vgl. Oswald/Soto Setzke/Riasanow/Krcmar 2018, 19; Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 112.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 55

In der Studie von Müller, Böhm, Schröer et al. (2016) stellten die Autoren fest,
dass 38% der an der Studie teilnehmenden Unternehmen mangelnde Fähigkei-
ten als Grund für eine fehlende Digitalisierung nennen.200 Um die Potenziale der
digitalen Transformation nutzen zu können, müssen demnach Fähigkeiten bei
Führungskräften und Mitarbeitern entwickelt werden. Dieses Vorhaben ist zu-
meist sehr zeitaufwendig sowie kostspielig und ein schneller Erfolg nicht immer
garantiert. Finanzielle und personelle Ressourcen sind oft begrenzt, weshalb Or-
ganisationen im Vorfeld wissen müssen, wo Investitionen zu tätigen sind. Füh-
rungskräfte müssen in der Lage sein, die durch die Digitalisierung entstehenden
Chancen und Risiken zu bewerten, Potenziale neuer Technologien zu beurteilen
und zielgerichtet abzuschätzen, um daraus Einführungsstrategien zu entwickeln
und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gerade produktorientierte Unterneh-
men besitzen oftmals nicht die Kompetenzen, um entstandene Daten auszuwer-
ten, weshalb sich eine Kooperation mit Partnern bezüglich eines Servicesystems
empfiehlt. Dabei entsteht eine Kernherausforderung: Diese Systeme müssen in
vorhandene Strukturen eingegliedert werden, um kontinuierlich innovieren zu
können.201
Eine Studie der Bitkom über IoT und Industrie 4.0 bestätigt, dass der hohe Inves-
titionsbedarf sowie das fehlende Fachpersonal zu den größten Hindernissen der
Digitalisierung zählen. Demgegenüber wird vielen Unternehmen der wirtschaftli-
che Nutzen immer bewusster: Nur noch 25% der befragten Unternehmen geben
an, dass ihnen dieser unklar wäre.202
Unternehmen sehen besonders den Aufbau von Fähigkeiten in der digitalen Si-
cherheit (88%), in mobilen Technologien (87%) und im Change-Management
(84%) als besonders wichtig für die digitale Transformation an.203 Dennoch ist
das Bewerten der Chancen und Risiken digitaler Technologien eine große Her-
ausforderung für viele Unternehmen, wofür Fähigkeiten, z. B. durch die Zusam-
menarbeit mit externen Dienstleistern oder spezialisierten
Forschungseinrichtungen, aufgebaut werden müssen, um nicht nur auf den Markt
zu reagieren, sondern ihn mitgestalten zu können.204 Der Aufbau dieser Kompe-
tenzen wird jedoch durch die hohe Veränderungsgeschwindigkeit im Markt zur
Herausforderung für viele Unternehmen. Eine Studie der Bitkom aus dem Jahr

200 Vgl. Müller/Böhm/Schröer et al. 2016, 79.


201 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 40.
202 Vgl. Bley/Gudat/Mütze 2017, 26.
203 Vgl. Hoberg/Welz/Oswald et al. 2018, 70.
204 Vgl. Böhm/Müller/Krcmar et al. 2018, 88.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 56

2017 nennt Geschwindigkeit als die größte Herausforderung der Digitalisie-


rung.205 Gewonnenes Wissen, Best Cases aus der Vergangenheit sowie Erfah-
rungswerte werden durch neue Technologien systematisch inflationiert, weshalb
in vielen Unternehmen ein Widerstand gegen die Transformation besteht.206 Es
wird zur laufenden Aufgabe von Unternehmen, digitale Technologien auf ihren
Wertschöpfungsbeitrag für das eigene Unternehmen zu prüfen und diese bei Be-
darf in die eigenen Prozesse zu integrieren.207 Permanentes Lernen kann dabei
ein Schlüssel für Erfolg sein. Jedoch stellt die Prämisse Lernen heißt auch Fehler
zu machen für viele Unternehmenskulturen eine große Herausforderung dar.
Früh Fehler zu machen oder zu Scheitern erlaubt schnelles Lernen, durch das
Kompetenzen aufgebaut werden können.208
Infolgedessen steht aktuell ein Großteil aller Führungskräfte vor der Herausfor-
derung, dass ihre Erfahrungen, Denkweisen oder Führungsansätze nicht mehr
auf digital induzierte Herausforderungen anwendbar sind. Sie sind konfrontiert
mit einer völlig neuen Führungswelt. Digitale Werkzeuge, Prozesse und neue
Wertesysteme müssen zügig in den Führungsalltag integriert werden, bevor die
digitale Wirklichkeit sie einholt. Damit steigt der Anpassungsdruck von Führungs-
kräften enorm. Dieser wirkt sich direkt auf die Transformationsfähigkeit von Un-
ternehmen aus: Es dominieren Ängste, der neuen Welt nicht gewachsen zu sein.
Die Bedenken führen zu Demotivation und Abwehr. Die Bereitschaft, die Heraus-
forderungen progressiv anzugehen, sinkt.209 Durch das Gefühl des Machtverlusts
seitens der Führungskräfte kann von Paradoxien der digitalen Transformation
gesprochen werden. Dabei können fünf unterschiedliche Paradoxien der digita-
len Führung unterschieden werden:210
1. Paradox: Geschwindigkeit gegen Achtsamkeit Im digitalen Zeitalter müs-
sen schnelle Entscheidungen getroffen werden. Viele Führungskräfte treffen
diese immer noch mit zu viel Bedacht, wodurch eine Spaltung zwischen Schnel-
ligkeit und fundierter Entscheidungsfindung entsteht.
2. Paradox: Autonomie gegen Interaktion Durch digitale Technologien wird
dem Einzelnen durch verschiedene Werkzeuge ein hohes Maß an Autonomie
übertragen. Diese Werkzeuge sind vorwiegend für den transaktionalen

205 Vgl. Bley/Gudat/Mütze 2017, 5.


206 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch 2017, 21.
207 Vgl. ebd., 226.
208 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 14.
209 Vgl. Reinhardt 2020, 229.
210 Vgl. ebd., 231 ff.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 57

Austausch von Informationen, der eher von kurzer Dauer, sachlich und formell
ist. Eine Organisation ist jedoch ein soziales System, das von Interaktion als Per-
formance-Treiber lebt. Aus individueller Sicht hat Interaktion eine höhere Priorität
als formeller Informationsaustausch.
3. Paradox: Kontrolle gegen Zusammenarbeit Trotz Digitalisierung sind viele
Unternehmen noch hierarchisch aufgebaut: Entscheidungen werden vom Top-
Management getroffen und von den formalen Strukturen mit getrennten Aufga-
benfeldern umgesetzt. Experten werden nur eingesetzt, um Probleme zu verste-
hen, zu kommunizieren und zu bewältigen. Konstruktive Lösungen erfordern
jedoch eine Expertise im Führungsstand. Um diesem Dilemma entgegenzuwir-
ken, werden digitale Technologien eingesetzt, damit Entscheidungen kollaborativ
und dezentral getroffen werden können.
4. Paradox: Detailblick gegenüber Gesamtbild Informationsverarbeitung ist
heute so schwer wie nie zuvor. Die Führungskraft muss die Menge an Informati-
onen verarbeiten, sondieren und daraus Entscheidungen und Prioritäten ablei-
ten. Informationen müssen selektiv und effektiv bearbeitet werden und
miteinander in einen Kontext gebracht werden. Dabei dürfen keine Details fokus-
siert werden, sondern das Gesamtbild muss betrachtet werden, um Muster er-
kennen zu können.
5. Paradox: Flexibilität gegenüber Stabilität Inmitten eines kontinuierlichen
Wandels müssen Führungskräfte eine gemeinsame Richtung und Zielsetzung re-
alisieren. Ihre Aufgabe ist es, Richtungskontinuität in einer Arbeitswelt geprägt
von Fusionen, Übernahmen, Allianzen und Verkleinerungen mit ständig wech-
selnden Kollegen zu geben.
c. Digitale (Infra-)Struktur
Um die Vorteile einer Digitalorganisation nutzen zu können, müssen Unterneh-
men die bestehenden Prozesse innerhalb ihrer Unternehmensstruktur gänzlich
neu aufsetzen. Dadurch kann eine übergreifende Vernetzung entstehen, für die
es jedoch zunächst gilt, einheitliche Standards und Systeme aufzubauen. Dies
kann für viele Unternehmen zum Hindernis werden.211
Eine weitere Herausforderung liegt in der Einschätzung der Bedeutung neuer di-
gitaler Technologien für die Wertschöpfung und das gesamte Unternehmen. „Die
mit dem Einsatz digitaler Technologien im Unternehmen verbundenen Chancen
richtig einzuschätzen und durch eine digitale Transformation erfolgreich

211 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 26.


Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 58

auszunutzen, ist eine große Herausforderung für Unternehmen.“212 Dafür müs-


sen einerseits, wie in Kapitel 2.3.2 Punkt c. aufgeführt, neue Kompetenzen bei
Führungskräften und Mitarbeitern entwickelt, andererseits verschiedene Fachab-
teilungen miteinander vernetzt werden. Welche Hindernisse neue Technologien
wie Cloud Computing, IoT, Blockchain und KI mit sich bringen, aber auch Chan-
cen sowie passende Lösungsansätze dafür, werden in den Tabellen im Anhang
3 dargestellt. Laut einer Studie von Böhm, Müller, Krcmar et al. (2018) sehen
Unternehmen die Investition in digitale Technologien im Vergleich zu traditionel-
len Investitionen als schwieriger durchzuführen, zu bewerten und vor allem ris-
kanter an, wodurch auch 45% der Befragten die Rechtfertigung gegenüber
Vorgesetzten und Mitarbeitern als große Herausforderung wahrnehmen. Zurück-
zuführen ist dies unter anderem auf die mangelnden Erfahrungen mit transfor-
mativen Projekten und fehlenden Kompetenzen der Akteure. Jedoch bewerten
immerhin über 60% der Unternehmen digitale Investitionen als transformativer im
Vergleich zu traditionellen.213 Dabei rückt vor allem der Aufbau einer IT-
Infrastruktur in den Mittelpunkt der Herausforderungen, da digitale Prozess- oder
Produktplattformen sowie die damit verbundene Datenanalysefähigkeit benötigt
wird.214 Um schnelle Entscheidungen treffen zu können, müssen Unternehmen
eine gewisse Prognosefähigkeit aufweisen, für die es einer Vielzahl an qualitati-
ven Informationen bedarf, um Eintrittswahrscheinlichkeiten errechnen und Hand-
lungsempfehlungen tätigen zu können. Das dafür benötigte Erfahrungs- und
Expertenwissen stellt häufig eine große Herausforderung dar.215
d. Digitalorganisations-Design
Um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können, müssen zunächst starre
Unternehmensstrukturen überwunden werden, da diese enorme Herausforde-
rungen für die Initiierung, Durchführung und Steuerung digitaler Vorhaben dar-
stellen.216
Wie bereits erläutert, verlangt der disruptive Wandel einen Umbruch im Organi-
sationsverständnis, da hier zumeist eine Diskrepanz zwischen Altem und Neuen
wahrzunehmen ist. Die Begründung hierfür ist in den immer noch vorherrschen-
den Praktiken des Industriezeitalters zu finden. Demnach werden Organisations-
strukturen und Prozesse anhand linearer Geschäftsabläufe, Materialflüsse und

212 Müller/Böhm/Welpe et al. 2018, 87.


213 Vgl. Böhm/Müller/Krcmar et al. 2018, 53.
214 Vgl. Obermaier 2019, 43.
215 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 76.
216 Vgl. Hoberg/Welz/Oswald et al. 2018, 69.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 59

Produktionsfaktormengen beurteilt und geografische Grenzen zur Gewinnung


neuer Fähigkeiten sowie binäre Kommunikationswege für den Austausch von
Wissen genutzt. Auch Produktions- und Vertriebswege werden anhand eindi-
mensionaler Wertschöpfungsketten gestaltet und Prosumenten außer Acht ge-
lassen.217 Daraus resultieren organisatorische Mängel aufgrund fehlender
Organisationsentwicklung:218
• Überlastung der Führungskräfte: Durch den Fokus auf operative Maßnah-
men rücken strategische Entscheidungen und der direkte Kontakt zu Mit-
arbeitern in den Hintergrund.
• Informationspannen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern: Wichtige
Beschlüsse und Informationen sowie Anfragen und Vorschläge werden
nicht weitergegeben.
• Abgrenzungskonflikte zwischen Abteilungen: Aufbau von internen Silos
behindert eine fach- oder personenübergreifende Zusammenarbeit. Dabei
entsteht ein Kampf um Zuständigkeiten und Ressourcen vor allem bei un-
klarer Auftragserteilung. Deshalb sollten Unternehmen End-to-End-Daten-
lösungen anstatt Datensilos aufbauen, um so neben Zusammenhalt auch
mehr Kundenwert und Kostenvorteile zu erzielen.
• Geringes Mitarbeiterengagement: Mitarbeiter handeln wegen großer Un-
sicherheit nicht selbstständig. Meist bestehen hier hohe Krankheitsstände
und Fluktuation.
• Bürokratisierung von Entscheidungen: Bereits Routinearbeiten erfordern
eine umfangreiche Absprache, wodurch sogar kleine Zwischenfälle zu
großen Störungen führen. Fundamentale Veränderungen sind kaum um-
zusetzen.
• Leistungsschwäche am Markt: Durch die übermäßige Bürokratisierung
können Termine nicht eingehalten werden und Projekte scheitern. Es ent-
steht ein übermäßiger Ressourcenverbrauch aufgrund von Nacharbeiten
sowie ein Rückgang der Kundenzufriedenheit. Interne und externe Be-
schwerden können nicht mehr bearbeitet werden.
Digitale Transformation ist als kontinuierlicher Prozess zu verstehen, „der Unter-
nehmen immer wieder vor Herausforderungen, aber auch neue Möglichkeiten

217 Vgl. Reinhardt 2020, 106 ff.


218 Vgl. ebd., 108 f.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 60

stellt.“219 Aus diesem Grund darf diese Auflistung der derzeit geltenden Heraus-
forderungen nicht als abschließend betrachtet werden.

3.1.3 Herausforderungen für KMU des verarbeitenden Gewer-


bes

Neben den bereits erwähnten allgemeinen Herausforderungen ergeben sich für


alle KMU sowie die des verarbeitenden Gewerbes zusätzliche Hindernisse und
Hemmnisse für eine digitale Transformation.
Für mittelständische Unternehmen ergeben sich vor allem Herausforderungen in
der Abhängigkeit von Funktionsverlässlichkeit, der Problematik der Schnittstel-
lendefinition, der Datensicherheit und der Verfügbarkeit von Fachwissen und Per-
sonal. Reinhardt (2020) beschreibt in Bezug auf Zugang und Anwendung
digitaler Technologien zwei Herausforderungen für KMU: Zum einen ist ein zu-
verlässiger und erschwinglicher Zugang zu digitalen Netzen und Diensten eine
Voraussetzung für den digitalen Wandel, zum anderen sieht er die realistische
Einschätzung der Möglichkeiten digitaler Applikationen sowie die Gewährleistung
der IT-Sicherheit als Herausforderung.220 Diese Ansicht wird durch verschiedene
Studien bestätigt: Die Probanden einer Studie von Becker, Ulrich und Botzkowski
(2019) sehen die größten Herausforderungen für den Mittelstand in der Qualifi-
zierung der Mitarbeiter (60%), der Datensicherheit (56%) und der Definition von
Industriestandards (52%). Auch werden die vollständige Digitalisierung der Wert-
schöpfungskette (44%), die Umsetzung (39%) und Identifizierung von digitalen
Projekten (37%) sowie der Datenschutz (37%) genannt. Weniger große Heraus-
forderungen bilden das Change-Management (28%), die Digitalisierung des Pro-
dukt- und Serviceangebots (22%) sowie die Einführung neuer Geschäftsmodelle
und die Ermittlung des Wertbeitrags (22%).221 Ähnliche Zahlen werden von
Saam, Viete und Schiel (2016) bestätigt:222

Mangelnde IT-Kompetenzen der Beschäftigten: Die befragten Unternehmen


sehen diesen Bereich als größte Hürde zur digitalen Transformation (67%). Da-
runter nennen 21% die fehlenden Kompetenzen als stark und 46% als etwas er-
schwerend. Dies mit IT-Kräften auszugleichen, sehen ebenfalls 21% der

219 Oswald/Krcmar 2018, 187.


220 Vgl. Reinhardt 2020, 144.
221 Vgl. Becker/Ulrich/Botzkowski 2019, 104.
222 Vgl. Saam/Viete/Schiel 2016, 52; siehe hierzu auch Anhang 4.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 61

befragten Unternehmen als sehr schwer an, während 35% den Mangel an Fach-
kräften nur etwas kritisch betrachten. Demensprechend sind auch ähnliche Zah-
len bei der Umstellung bzw. Anpassung der bisherigen IT-Systeme (54%) sowie
der Anpassung der Unternehmens- und Arbeitsorganisation (57%) zu finden.

Datenschutz bzw. Datensicherheit: Das zweitwichtigste Hemmnis für KMU bil-


det der Studie zufolge der Datenschutz bzw. die Datensicherheit (62%). Dabei
sehen 21% diesen Aspekt als sehr erschwerend und 41% als etwas erschwerend
an. Dies spiegelt sich unter anderem im Mangel an geeigneten IT-Kräften wider.
Cyber-Kriminalität stellt vor allem wegen der verschärften Bedingungen durch die
EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine erhöhte Verantwortung und so-
mit große Herausforderungen für KMU dar. „Was früher der Einbruch war, ist
heute der Datendiebstahl.“223 Ein Schutz allein durch Sicherheitssysteme ist oft-
mals nicht ausreichend, da das größere Risiko bei den Anwendern und Sys-
temadministratoren zu finden ist.
Hohe Investitionskosten: Die hohen Investitions- bzw. Betriebskosten sehen
21% der Unternehmen als stark und 38% als etwas hinderlich für eine digitale
Transformation an. Erschwerend kommt hinzu, dass 54% die fehlende Informa-
tion über die Anwendungsmöglichkeiten und den Nutzen beklagen, für 52% eine
Unsicherheit der zukünftigen digitalen Standards sowie für 47% die zukünftige
digitale Entwicklung und somit das Kosten-Nutzen-Verhältnis oft unklar ist. Dem-
gegenüber sehen lediglich 32% mangelnde geeignete Finanzierungsmöglichkei-
ten als Herausforderung an, was die anfängliche These unterstützt. Saam, Viete
und Schiel (2016) gehen aber davon aus, dass sich dieser Umstand mit steigen-
den Digitalisierungsaktivitäten ändern wird und Finanzierungsmöglichkeiten,
dann auch für Unternehmen des Mittelfelds und Nachzügler der Digitalisierung,
zum Hindernis werden.224
Geschwindigkeit der Internetverbindung: Zuletzt ist die Geschwindigkeit der
Internetverbindung zu nennen, die, wie bereits erwähnt, besonders im länglichen
Gebiet zur Herausforderung wird. Das Breitbandnetz wird von 58% der Unter-
nehmen als Hindernis wahrgenommen, darunter bezeichnen mit Abstand die
meisten Unternehmen (31%) dieses als besonders stark.

KMU des verarbeitenden Gewerbes (ausgenommen Forschungs- und Entwick-


lungsintensives (FuE) verarbeitendes Gewerbe) sehen die Notwendigkeit einer
Transformation vor allem im steigenden Druck der flexiblen Reaktion auf

223 Kugler/Anrich 2018, 86.


224 Vgl. Saam/Viete/Schiel 2016, 57.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 62

Kundenwünsche (42%), im zunehmenden Preisdruck (29%) oder der Gefahr,


dass Kunden zu digitalen Produkten wechseln (19%). In Start-ups oder markt-
fremden Unternehmen, die zu Konkurrenten werden können, wird kaum ein Hin-
dernis gesehen (9%).225 Diese Zahlen deuten darauf hin, dass besonders
Unternehmen, die sich im Mittelfeld oder als Nachzügler der Digitalisierung plat-
zieren, die zukünftige Entwicklung des Wettbewerbs unterschätzen, was zu einer
großen Herausforderung werden kann. Dies spiegelt auch das Digitalisie-
rungscluster von Saam, Viete und Schiel wider, das zeigt, dass nur 13% der ver-
arbeitenden Unternehmen (ohne FuE-intensives verarbeitendes Gewerbe) zu
den Vorreitern zählen, 42% sich im Mittelfeld befinden und sogar 45% als Nach-
zügler gelten.226

3.2 Chancen der digitalen Transformation für KMU

Computer sind nicht nur schneller und leistungsfähiger geworden, sondern auch
günstiger, und können im Arbeits- und Privatleben eingesetzt werden. Zudem
werden auch Datenspeicher immer günstiger und größer, wodurch sich neue Ge-
schäftsmodelle mit vereinfachten Tätigkeitsbereichen und schlankeren Unter-
nehmensprozessen entwickeln. Die digitalen Technologien führen zudem zu
mehr Mobilität durch neue Formen der Datenübertragung und damit zu schnelle-
ren Arbeitstechniken und weltweiter Kommunikation. Smartphones und mobile
Endgeräte vereinfachen dies immens und bieten mit installierten Plattformen die
Möglichkeit, sich ständig, unabhängig von Ort und Zeit, mit anderen Menschen
zu vernetzen.227 Daraus ergibt sich eine Vielzahl an Chancen für Unternehmen.
Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die allgemeinen Chancen der
digitalen Transformation sowie über Spezielle für KMU des verarbeitenden Ge-
werbes gegeben. Daraufhin wird eine Auswahl an Lösungsansätzen zur Bewäl-
tigung der zuvor aufgezeigten Herausforderungen dargelegt.

3.2.1 Allgemeine Chancen der digitalen Transformation

Die Organisation for Economic Co-operation and Development (DECO) liefert in


einem Bericht sieben strukturelle Dimensionen digitaler Gemeinschaften, welche
die Verhältnisse und digitale Wirkung in der Gesellschaft aufzeigen. Diese

225 Vgl. Saam/Viete/Schiel 2016, 56.


226 Vgl. ebd., 25.
227 Vgl. Reinhardt 2020, 15.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 63

sogenannten Vektoren sind eng miteinander verflochten und bedingen sich ge-
genseitig. Außerdem bieten sie eine Möglichkeit, digitale Transformationsvorha-
ben analytisch zu bewerten und Chancen für Unternehmen herauszuarbeiten.
Dahingehend können zukünftige Strategien bewertet werden.228 Diese sieben
Vektoren sind:229
Skalierung: Digitale Produkte weisen geringe Grenzkosten auf und ermöglichen
es, mit globaler Reichweite und nur wenigen Mitarbeitern weltweit lukrative Ge-
schäftsmodelle aufzubauen.
Panorama-Wirkung: Durch neue Technologien werden komplexere Produkte
entwickelt, welche Funktionen bisheriger Produkte versionieren, rekombinieren
und individualisieren. Dies führt zur Disruption ganzer Produktkategorien und
Branchen.
Zeitliche Dynamik: Märkte beeinflussen das Verhalten der Konsumenten, noch
bevor es Institutionen tun. Diese können jedoch Daten aus der Gegenwart einfa-
cher erfassen und Daten aus der Vergangenheit erforschen, indexieren, umwan-
deln und weiterverkaufen.
Neue Quellen der Wertschöpfung: Immaterielle Produkte, wie z. B. Software
und Daten, nehmen an Bedeutung zu. Durch Sensoren können physische Pro-
dukte mit einbezogen werden.
Transformation des Raumes: Durch die neue Wertschöpfungsquelle können
Ressourcen gespeichert und überall genutzt werden. So nimmt die Bedeutung
von Territorialität ab und räumliche Interoperabilität kann für zukünftige Strate-
gien positiv genutzt werden.
Stärkung der Ränder: Durch das End-to-End Prinzip des Internets können Nut-
zer eigene Netzwerke und Communities aufbauen sowie soziale Netzwerke in-
novieren, gestalten und etablieren. Dezentrale Ansätze sollten deshalb stärker in
der Datensicherheit und Arbeitspolitik berücksichtigt werden.
Digitale Plattformen und Ökosysteme: Durch diese Netzwerke besteht eine
direkte Beziehung zwischen Akteuren sowie die Möglichkeit, diese zu integrieren
und mit ihnen zu interagieren. Dabei entstehen bei geringen digitalen Transakti-
onskosten mehr Transparenz und Datenaustausch.
Durch eine ganzheitliche Digitalisierung und die damit verbundene neue strate-
gische Ausrichtung können viele Chancen für Unternehmen entstehen. Diese ge-
hen über partielle Lösungen hinaus, wie z. B. die Erschließung neuer

228 Vgl. OECD, 1ff.


229 Vgl. Ebd.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 64

Geschäftsfelder, eine Umsatzverschiebung in das Servicefeld oder durch neue


Technologien mehr Kundenbedürfnisse stillen.230 „In einer von Wandel geprägten
Welt ist es wichtig, als Unternehmen wandlungsfähig zu sein.“ 231 Unternehmen
müssen sich den sich ständig ändernden Kundenbedürfnissen anpassen und mit
einer offenen Einstellung bestehende Produkte dementsprechend anpassen.
Eine Vielseitigkeit und Flexibilität der Arbeitsplätze (z. B. Gestaltung von Büro-
räumen, Verfügbarkeit von Technologie sowie Organisationsstruktur und -kultur)
kann sowohl für Motivation der Belegschaft als auch für einen positiven Außen-
auftritt bei Kunden sowie potentiellen Mitarbeitern sorgen.232
Effizienzsteigerung und Generierung neuer Umsatzkanäle gehören zu den größ-
ten Chancen, die durch eine digitale Transformation generiert werden können.233
Eine Studie von Krcmar (2018) nennt die Wettbewerbsfähigkeit als größten Vor-
teil, der aus den Digitalisierungsaktivitäten hervorgeht, dem rund drei Viertel der
befragten deutschen Unternehmen zustimmen. Kostenreduktion, Umsatzsteige-
rung sowie Imagesteigerung werden von mehr als 60% der befragten Unterneh-
men als weitere Chance der digitalen Transformation in ihren eigenen Vorhaben
wahrgenommen. Immerhin weit mehr als die Hälfte der Befragten sehen auch
eine Expansion in andere Märkte als großen Vorteil der Digitalisierungsaktivitä-
ten.234 Besonders die Einführung digitaler Technologien wird in vielen Unterneh-
men als große Chance zur Bewältigung der Digitalisierung gesehen. Wie in
Anhang 1 dargestellt, ergeben sich durch das Cloud Computing besondere
Chancen durch den Verzicht auf eigene Rechenzentren und damit mehr Flexibi-
lität und IT-Effizienz. Durch IoT wird eine Konnektivität zwischen virtueller und
realer Welt ermöglicht, um so Daten zu produzieren, zu speichern und zu verar-
beiten. Durch KI-Technologien wird es möglich, diese Daten automatisch abzu-
lesen und daraufhin Probleme zu lösen sowie Prognosen und Entscheidungen
zu treffen. Für sichere und lückenlose Transaktionen sorgt die Blockchain mit
ihrer dezentralen Architektur. Dadurch werden Risiken und Sicherheitslücken
durch Ausfall sowie Cyber-Kriminalität minimiert und gleichzeitig Kosten und Zeit
durch den Wegfall von Drittanbietern gespart.235

230 Vgl. Reinhardt 2020, 152.


231 Dienes 2020, 164.
232 Vgl. ebd.
233 Vgl. Biallas/Alan 2020, 46.
234 Vgl. Böhm/Müller/Krcmar et al 2018, 55.
235 Vgl. Anhang 1.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 65

Um die Vorteile einer Digitalorganisation nutzen zu können, müssen Unterneh-


men die bestehenden Prozesse innerhalb ihrer Unternehmensstruktur gänzlich
neu aufsetzen. Dadurch kann eine übergreifende Vernetzung entstehen, für die
es jedoch zunächst gilt, einheitliche Standards und Systeme aufzubauen. Dies
kann für viele Unternehmen zum Hindernis werden.236

3.2.2 Chancen für KMU des verarbeitenden Gewerbes

In einer Studie von Saam, Viete und Schiel (2016) gaben bereits 55% der befrag-
ten KMU an, dass sie mit ihrer Digitalstrategie auf die Verfügbarkeit neuer digita-
ler Technologien reagieren.237 Gerade Unternehmen des übergeordneten
produzierenden Gewerbes verbinden mit der Digitalisierung aber noch große
Herausforderungen, wodurch die Chancen in den Hintergrund geraten. Dabei
wäre gerade der Mittelstand in der Lage, es mithilfe der Nutzung seiner Expertise
und Ressourcen zu den industriellen Wertschöpfungsketten sowie durch seine
Flexibilität mit den IT-Unternehmen aufzunehmen.238 Durch die Verknüpfung in-
telligenter Daten kann am digitalen Wettbewerb teilgenommen werden, wodurch
einige Chancen – gerade für KMU des verarbeitenden Gewerbes – entstehen.
a. Daten steuern Prozesse und Produkte
Vor allem die Vernetzung von Produktionssystemen mithilfe neuer Technologien
wie z. B. IoT ermöglichen es zum einen, Prognosen zu stellen und zum anderen,
effizienter und flexibler zu produzieren. „Durch die Vernetzung der Informationen
unterschiedlicher Aufgaben, Funktionen und Domänen lassen sich Handlungs-
empfehlungen fundieren, wobei eine unüberschaubare Anzahl relevanter Para-
meter berücksichtigt wird.“239 Mithilfe der entstehenden zuverlässigen Prognosen
können robuste Planungsergebnisse erzielt und Ausfälle minimiert werden. Dafür
integrieren Unternehmen Informationstechnologien in ihre Produktion, um
Schwachstellen sowie ungenutzte Potenziale durch Datenerzeugnisse zu erken-
nen. Die rasante Technologieentwicklung sowie die sinkenden Hardwarepreise
begünstigen dies. Dennoch bedarf es dafür einer technischen Infrastruktur sowie
Mitarbeitern mit fundierten IT-Kompetenzen und technischem Verständnis zur
zielgerichteten Einbindung und Integration neuer Technologien. Dadurch lassen
sich sowohl unternehmensinterne Daten, wie die zur Optimierung von

236 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 26.


237 Vgl. Saam/Viete/Schiel 2016, 21.
238 Vgl. Hartinger D./Hartinger P. 2015, 39.
239 Gassmann/Sutter 2019, 60.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 66

Produktionsprozessen, als auch externe, wie z. B. die Kundenerwartungen, ge-


nerieren. Wichtig sind eine integrative Datengenerierung und Informationsverar-
beitung sowie Vernetzung über alle Unternehmensbereiche hinweg, um neue
Potenziale identifizieren und schaffen zu können.240 Durch die Einbindung digita-
ler Technologien in die Produktion wird sowohl eine „Reduzierung der Produkti-
onskosten durch Einsparungen oder Effizienzsteigerungen in kostenrelevanten
Bereichen der Herstellung“241 als auch eine Minimierung des durch die Globali-
sierung und Transparenz entstehenden Kostendrucks erwartet.
b. Daten generieren Wissen
Eine Erschließung neuer Umsatzpotenziale z. B. durch kundenzentrierte Mas-
senproduktion und eine Verkürzung der Time-to-Market stellen ebenfalls Chan-
cen dar. Um den Datenmengen Herr zu werden, empfiehlt sich der Einsatz von
Big-Data-Anwendungen, damit diese in Echtzeit verarbeitet und gezielt verteilt
werden können. Apps geben jedem Mitarbeiter die Möglichkeit, die für ihn rele-
vanten Informationen zu filtern und flexibel zu nutzen. Durch eine unternehmens-
weite und mobile Nutzung solcher Anwendungen können Daten übergreifend für
Informationsversorgung und vernetzte Entscheidungsunterstützung sorgen. Mit-
arbeiter werden dadurch reaktionsfähiger, neue Produkte können entwickelt oder
datenbasierte Dienstleistungen und Geschäftsmodelle auf individuelle Kunden-
bedürfnisse angepasst werden. Die Verfügbarkeit und Qualität der Daten sind
entscheidend, um die Potenziale nutzen zu können. Dafür müssen Daten konti-
nuierlich analysiert und aufbereitet werden, um für Transparenz im Unternehmen
zu sorgen. Ein ausgewogenes Wissensmanagement, das für Informations- und
Wissensbereitstellung interner und externer Wissensträger sorgt, ist die Grund-
lage dafür. „Durch eine einheitliche Beschreibung und Strukturierung der Daten
kann eine hohe Datenqualität gewährleistet werden, die zuverlässig genug ist,
um Datenanalysen für historische Auswertungen und Prognosen durchzufüh-
ren.“242 So kann die Prognosefähigkeit im Unternehmen verbessert und es auf
mögliche zukünftige Zustände sowie deren Eintrittswahrscheinlichkeit ange-
wandt werden. Damit können die Chancen der Reduktion von unerwarteten Er-
gebnissen sowie robuste Betriebsabläufe genutzt werden. Somit kann der
Maschinenzustand so wie in einem prognostizierten Zustandsverlauf überprüft
werden und Ausfälle und Fehlerursachen minimiert werden bzw. den Störungen
frühzeitig entgegengewirkt werden. Zudem können Wartungsmaßnahmen in

240 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 59 ff.


241 Ebd., 62.
242 Ebd., 66.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 67

günstigen Betriebszeiträumen geplant werden. Eine hohe Informationsqualität


begünstigt dabei die Prognosequalität, deren Zuverlässigkeit wiederum das Ver-
trauen der Nutzer beeinflusst. Auf Grundlage der Auswertung hinreichender Da-
ten können Abhängigkeiten, Wirkungszusammenhänge sowie Prognosen
erkannt werden und eine Selbstoptimierung durch ständige Adaption dieser Er-
kenntnisse erzielt werden.243 Das Ziel der Selbstoptimierung ist erreicht, wenn
das Unternehmen in der Lage ist, „Entscheidungen mit den größten positiven
Auswirkungen in kürzester Zeit zu treffen und die daraus resultierenden Maßnah-
men umzusetzen.“244
c. Daten flexibilisieren den Fertigungsprozess
Einer der größten Nutzen für KMU des verarbeitenden Gewerbes findet sich in
der Fähigkeit, eine flexible Regelung der Produktion zu etablieren, um den Ab-
hängigkeitsverhältnissen zur Planung entgegenzuwirken. Dafür müssen KMU
stabil, schnell und effektiv auf neue Ereignisse reagieren, was durch eine tiefgrei-
fende Integration der Informations- und Produktionssysteme ermöglicht werden
kann.245 Dadurch entstehen eine höhere Produktivität, neue innovative Ge-
schäftsmodelle und eine bessere Kontrolle der Wertschöpfungskette als große
Chancen für mittelständische Unternehmen. „Was sich zunächst als ein sehr ho-
her Aufwand anhört, ermöglicht produzierenden Unternehmen insbesondere
durch Daten die Entwicklung zu einer ressourceneffizienteren, produktiveren und
flexibleren Fertigung.“246 Demnach ist es für Unternehmen unerlässlich Fähigkei-
ten aufzubauen, um Veränderungen der organisatorischen Strukturen durch den
Einsatz digitaler Technologien zu erkennen und Aussagen darüber zu treffen,
welche digitalen Technologien einen nachhaltigen Kundenwert schaffen. Ferner
müssen Software und Organisationsstrukturen entsprechend schnell und agil an-
gepasst werden können.247 „Anhaltspunkte können ein hoher Standardisierungs-
grad, eine beherrschbare Prozesskomplexität und eine hohe Wiederholhäufigkeit
sein, die durch eine autonome Regelung begünstigt werden.“248

243 Vgl. Gassmann/Sutter 2019, 77.


244 Ebd.
245 Vgl. ebd., 80.
246 Ebd., 79.
247 Vgl. Reinhardt 2020, 290.
248 Gassmann/Sutter 2019, 79.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 68

3.2.3 Lösungsansätze für die digitale Transformation von KMU

Um den Herausforderungen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben,


zu begegnen, müssen KMU die Potenziale der Digitalisierung auf ihr Unterneh-
men angepasst nutzen. Besonders hilfreich dafür können ein Digital-first Mindset,
ausgeprägtes Wissensmanagement sowie eine Digital Workforce sein. Außer-
dem muss den Risiken, die sich aus der Cyber-Kriminalität ergeben, entgegen-
gewirkt werden. Als Hilfestellung seitens des Staats können Fördermaßnahmen
bei der digitalen Transformation helfen, aber auch an die Politik selbst müssen
Anforderungen gestellt werden. Eine genauere Beschreibung dieser Lösungsan-
sätze zur Bewältigung der digitalen Herausforderung durch Nutzung digitaler Po-
tenziale wird folgend durchgeführt.
a. Digital-first Mindset etablieren
Die Herausforderungen, die sich aus der VUCA-Welt ergeben und sowohl den
Konsumenten als auch Mitarbeiter bestärken sowie die Paradoxien, die auf Füh-
rungskräfte wirken, können durch ein Digital-first Mindset minimiert werden.
Meist liegt der Fokus von Unternehmen ausschließlich auf der Technologie: In
der Unternehmensführung besteht die Annahme, dass mit der Einführung tech-
nologischer Innovationen die digitale Transformation von alleine beginnt. Hierbei
spricht man vom technologischen Imperativ – Technologisierung und Verhaltens-
veränderung werden gleichgesetzt.249 Für eine gezielte digitale Transformation
ist aber vielmehr der Aufbau von Fähigkeiten der Entscheider sowie der Einbezug
und die Sensibilisierung der Mitarbeiter wichtig, um Technologien erfolgreich an-
tizipieren zu können. Der Fokus auf die Technologie führt zumeist zu Misserfolg
und Fehlinvestitionen. Um diesem Missverständnis der digitalen Transformation
entgegenzuwirken, bietet die Digital-first Denkweise einen Lösungskorridor. Da-
bei soll die Gewissheit der Organisation über die Leistungsziele der Digitalisie-
rung gesteigert werden, um mit einer positiven Einstellung der Akteure
gegenüber den digitalen Möglichkeiten diese nutzen zu können. Eine Grundlage,
wie die Digital-first Denkweise umgesetzt werden kann, bietet die Digital Orga-
nizational Readiness. Dabei sollen, wie in Abbildung 9 zu sehen, die Bereitschaft
der Organisation und des Managements sowie die operative Bereitschaft zur
Identifizierung, Förderung und Überprüfung von Verhaltensveränderungen etab-
liert werden. Durch den Einsatz von Schlüsselpersonen und Multiplikatoren kann
die Bereitwilligkeit zur digitalen Transformation und damit die Adaptionsfähigkeit
des Einzelnen auf allen Ebenen überprüft und positiv beeinflusst werden.

249 Vgl. Reinhardt 2020, 79.


Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 69

„Verändert werden individuelle Interessenlagen, Werte, Positionen sowie das


Verständnis für neue Methoden und Werkzeuge, die beim digitalen Wandel un-
terstützen.“250 Digitale Transformation ist demnach abhängig von der organisati-
onalen Bereitschaft zur Veränderung. Für einen erfolgreichen digitalen Wandel
muss die Veränderungsbereitschaft auf den drei Ebenen identifiziert und bewer-
tet werden. Daraufhin können Lücken erkannt und Handlungsfelder bestimmt
werden, um eine Planung zur Veränderung zu entwickeln.251

Abbildung 9: Digital Organizational Readiness252

b. Etablierung von Wissensmanagement


Seit das World Wide Web für private Nutzer in den 1990er Jahren weltweit eröff-
net wurde, verbreiteten sich digitale Organisationsformen, institutionelle Infra-
strukturen und digitale Anwendungen mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Diese
Schnelligkeit gekoppelt mit der starken Wirkung der Digitalisierung führt zu einer
Schockstarre, die bereits in vorherigen evolutionären Prozessen wie der Entwick-
lung der Dampfmaschine beobachtet werden konnte.253 Um diese kognitive

250 Reinhardt, 81.


251 Vgl. ebd., 82.
252 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., 79.
253 Vgl. ebd., 83.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 70

Dissonanz zu überwinden, sollte unter anderem ein Wissensmanagement ange-


wandt werden. Hierbei geht es um den optimalen Umgang mit Wissen, um dieses
unternehmensweit nutzen zu können. Kooperationen mit externen Stakeholdern,
eine Fehlerkultur sowie eine auf das Vererbungs-Prinzip gerichtete Digitalstrate-
gie sind Ansätze, um Wissen zu generieren. Außerdem empfiehlt es sich, wich-
tige Entscheider im Unternehmen reale Erfahrungen mit digitalen Praktiken
machen zu lassen. Je mehr digitale standort- und abteilungsübergreifende Werk-
zeuge eingesetzt werden, desto mehr Informationen zur Entscheidung in allen
Unternehmensbereichen stehen zur Verfügung. Durch diese datengestützte Ent-
scheidungsfindung, den Erfahrungsaustausch und den Einsatz von Algorithmen
entsteht eine Umgebung des kollaborativen Lernens, das die digitale Transfor-
mation der gesamten Organisation verbessert. Dadurch entsteht ein kollektives
Bewusstsein für digitale Praktiken und die Umsetzung digitaler Ziele.254 Digitale
Technologien wie IoT in Kombination mit KI erlauben eine Generierung von
Smart Data, die in Cloud Computing Anwendungen von allen Akteuren eingese-
hen und verwendet werden kann. Die neuen Technologien fungieren demnach
als Unterstützer für den Menschen, helfen bei der Qualifizierung des Personals
und bauen eine digitale Wissensstruktur im Unternehmen auf.
c. Kompetenzaufbau durch Digital Workforce
Laut einer Studie bewältigen nur 12% aller Unternehmen die digitale Transfor-
mation erfolgreich.255 Begründet werden kann dies meist durch innerorganisatio-
nale Fehler: Erfahrungsgemäß überschätzen Entscheider ihre Kompetenzen
bezüglich der Umsetzungschancen digitaler Transformationsvorhaben. Der Man-
gel an IT-Kompetenzen, fehlendes Fachpersonal sowie die Qualifizierung von
Mitarbeitern kann zum großen Problem für transformierende Organisationen wer-
den. Unternehmen müssen einen eigenen Fahrplan zur digitalen Transformation,
der an die Bedürfnisse der Organisation angepasst ist, entwickeln. Dabei muss
neben Prozess- und Technologieaspekten besonderes Augenmerk auf die nicht-
technologischen Herausforderungen, wie die Anpassung der Entscheidungs-
muster, die Gestaltung der kooperativen Umgebung abseits von Hierarchien und
Machtzentren, den Aufbau neuer innovativer Digital-Zellen oder die Etablierung
einer Digital-Leadership-Führungskultur, gelegt werden. „Bleiben Strukturen,
Prozesse, Führungssysteme, Kompetenzmodelle, Leistungsgrößen und Vernet-
zungsformen auf dem Niveau der Industrialisierung stehen, drohen

254 Vgl. Reinhardt 2020, 85 f.


255 Vgl. ebd., 4.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 71

Digitalisierungsvorhaben zu scheitern.“256 Die moderne Organisationsentwick-


lung bietet einige Konzepte zur digitalen Transformation organisationaler Struk-
turen (beispielsweise Agilität, Design Thinking, Kundenzentrierung, Disruption,
usw.). Dabei muss darauf geachtet werden, dass eines dieser Formate zu einer
Mikrotransformationen führt und erst die Kombination mehrerer Ansätze einen
digitalen Wandel veranlasst. Durch die Nutzung der verfügbaren Technologien
werden innovative Möglichkeiten der Kommunikation und Entwicklung eröffnet,
die digitales Handeln und Denken ermöglichen. Jedoch können diese Vorteile
der Digitalisierung erst dann genutzt werden, wenn die Strukturen den neuen Er-
kenntnissen und Erfordernissen des digitalen Zeitalters angepasst wurden. „Das
Wissen über die Digitale Transformation einer Organisation liefert die Grundlage,
damit die vielen Konzepte adaptiert werden und auch traditionelle Unternehmen,
Mittelständler und Institutionen so agil wie ein Start-up agieren und sich entwi-
ckeln.“257 Akteure einer Organisation sowie die Organisation selbst müssen ihre
Fähigkeiten und Kompetenzen anpassen und dafür ihre Komfortzone verlassen.
Eine Digital Workforce bietet die Möglichkeit, über alle Unternehmensebenen hin-
aus digitale Kompetenzen aufzubauen. Die Grundlage, um digitale Herausforde-
rungen meistern zu können, bildet das Vertrauen der Führungskräfte gegenüber
Mitarbeitern sowie die Möglichkeit zur Selbstorganisation. Externe Datenexper-
ten sind zwar eine Option, den akuten Talentmangel zu kompensieren, doch erst
der Aufbau digitaler Fähigkeiten im gesamten Unternehmen führt zur digitalen
Reife. Sobald ein Unternehmen diese Reife erlangt hat, stehen auch mehr Res-
sourcen und Möglichkeiten zur Förderung der digitalen Fähigkeiten zur Verfü-
gung, was die Chancen zur neuen Talentgewinnung erhöht.258
d. Staatliche Fördermaßnahmen für KMU
Besonders KMU müssen für die Potenziale einer digitalen Transformation sensi-
bilisiert werden und benötigen eine Unterstützung bei der Identifikation von Ideen
oder Förderung von Innovationspartnerschaften. Ihnen fehlt oft das grundle-
gende Verständnis für die digitale Transformation, den Aufbau von digitalen Ge-
schäftsmodellen, die Verfügbarkeit von Fachwissen und demnach auch das
Wissen über Anwendungsmöglichkeiten digitaler Technologien. Sinnvolle För-
dermaßnahmen und Subventionen seitens des Staats können KMU dabei helfen:
Beispielsweise hat das Bundeswirtschaftsministerium die Projekte Mittelstand-
Digital sowie Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren initiiert, die KMU sowohl über

256 Reinhardt 2020, 6.


257 Ebd., 7.
258 Vgl. ebd., 89.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 72

Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung informieren als auch an De-


monstrationsorten durch ein Unternehmensnetzwerk Beispielprojekte mit KMU
durchführen.259 Diese Zentren bieten eine Plattform zum Knüpfen von Kontakten
für KMU untereinander oder mit etwaigen Investoren. Die Studie von Müller,
Böhm, Schröer et al. (2016) zeigt, dass gerade KMU Informationen über Poten-
ziale (54%) sowie Ideen und Ansätze (61%) von Digitalisierungsvorhaben als hilf-
reich erachten. Aber auch Trainingsprogramme zur digitalen Entwicklung sowie
zur Nutzung digitaler Technologien sehen ca. die Hälfte der befragten Unterneh-
men als innovationsfördernd an. Dafür benötigen diese Unternehmen aber eine
bessere Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern (50%) sowie den Einsatz
von Freiberuflern (58%) zur Realisierung dieser Digitalisierungsmaßnahmen.
Eine Möglichkeit, wie dies für KMU umzusetzen ist, sind Fördermaßnahmen in
Form von Subventionen (50% der befragten Unternehmen bewerten diese als
wichtige Maßnahme), die auch als Beratungsgutscheine erbracht werden kön-
nen.260 Denn die organisationale Trägheit entsteht auch durch die hohen Investi-
tionskosten, deren Kosten-Nutzen-Verhältnis von KMU oftmals nicht identifiziert
wird oder werden kann.
e. Cyber-Kriminalität: Vorausschauend entgegenwirken
Wie bereits zuvor dargelegt, stellt Cyber-Kriminalität eine große Herausforderung
für KMU dar. Da das Hauptrisiko bei den Anwendern und Systemadministratoren
zu finden ist, sind Sicherheitssysteme oftmals nicht mehr ausreichend. Zum ei-
nen kann ein geschultes Personal dieser Herausforderung gegenwirken, zum an-
deren eine Cyber-Versicherung. Durch die Vielfalt an Vorfällen muss im Krisenfall
situativ und dynamisch auf den Cyber-Angriff reagiert werden. Dabei kann eine
derartige Versicherung als Krisendienstleister und Serviceanbieter dabei helfen,
sowohl Kosten zu decken als auch Soforthilfemaßnahmen zu bieten.261
f. Anforderungen an die Politik
Besonders für mittelständische Unternehmen im ländlichen Raum stellt der be-
schränkte Internetzugang ein großes Problem dar, da keine robuste digitale Inf-
rastruktur gegeben ist. Diese ist jedoch Voraussetzung, um mit den
Entwicklungen der Weltwirtschaft Schritt halten zu können.262 Für die Politik gilt
es, den Breitbandausbau weiter voranzutreiben, gesetzliche Rahmenbedingun-
gen zum Datenschutz und zur IT-Sicherheit anzupassen sowie Weiterbildungen

259 Vgl. Lungborg/Schrade 2020, 282.


260 Vgl. Müller, Böhm, Schröer et al. 2016, 85.
261 Vgl. Kugler/Anrich 2018, 89.
262 Vgl. Reinhardt 2020, 50.
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 73

zu fördern, um den Mittelstand zu transformieren. Zwar leiten viele Unternehmen


erste Maßnahmen zur Digitalisierung ein, diese sind jedoch meist nur wenig stra-
tegisch und oft in kleinen Schritten geplant. Saam, Viete und Schiel (2016) beto-
nen, dass auch kleinere Digitalisierungsprojekte, gerade bei KMU des Mittelfelds
oder der Nachzügler, bereits erste Erfolge bringen können. Dennoch nehmen
viele Unternehmen eine durchdringende Digitalisierung als noch nicht notwendig
wahr. „Die weite Verbreitung von Digitalisierungsprojekten stellt somit ein Poten-
zial dar, an das politische Maßnahmen erfolgreich anknüpfen müssen, um eine
tiefergehende und stärker voranschreitende Digitalisierung zu fördern.“ 263

3.3 Case Study: Digitale Transformation der


Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH

Die Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH zählte Ende 2021 insgesamt 38 Mitar-
beiter und erzielte einen Jahresumsatz von 6,35 Mio. €. Nach Empfehlung der
Europäischen Kommission kann die Organisation demnach zu den kleinen Un-
ternehmen gezählt werden. 1995 gegründet, war zunächst die Produktion, Mon-
tage und der Handel von und mit Stahlbau-Erzeugnissen aller Art der
Unternehmenszweck. Durch den Trend der Urbanisierung wird sich seit 2018 auf
die Herstellung und den Vertrieb von Balkonanlagen mit Zubehör, wie z. B. Bo-
denbelag, Überdachungen oder Gartentreppen, fokussiert.264 Um Prozesse zu
verschlanken und die Herstellungszeit zu verkürzen, wurde 2020 in neue Tech-
nologien investiert:265
• 3D-Planung und 3D-Scanning
• CNC-Fertigung: CNC-Schneidanlage und -Kantmaschine
• Virtueller 3D-Konfigurator für Kunden
Nun soll mittels der in Kapitel 2.3.1 vorgestellten Alchimedus®-Potenzialanalyse
Digital Transformation 4.0 KMU von Kugler/Anrich (2018) der digitale Reifegrad
des Unternehmens erfasst werden. Die Beantwortung der insgesamt 60 Fragen
in den Bereichen Werkzeug, Inspiration und Mensch wurden von einem Team
aus Geschäftsführung, IT-Verantwortlichem, Personalabteilungsleiter/Buch-hal-
tung und Marketing-Manager durchgeführt. Dabei wurde das Unternehmen auf
einer Skala von eins bis zehn bewertet, wobei eins für „sehr

263 Saam/Viete/Schiel 2016, 58.


264 Vgl. Sandmeir (b): www.sandmeir.de, [08.04.2022].
265 Vgl. Sandmeir (a): www.sandmeir.de, [08.04.2022].
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 74

wenig/unwahrscheinlich/geringe Ausprägung“ und zehn für „perfekt/sehr wahr-


scheinlich/sehr hohe Ausprägung“ steht. Die ausgefüllten Bögen sind dem An-
hang 4 zu entnehmen und die durchschnittlichen Kraftausprägungen der
folgenden Tabelle:

Strukturkraft Aufbruchkraft Gemeinschaftskraft


Wert: 7,5 Wert: 7,15 Wert: 8,85

Tabelle 2: Kraftausprägung der Sandmeir - exclusiv Stahlbau GmbH266

Interpretation der Werte:


• Mittelwert pro Kraft > 8: Spitzenleister
• Mittelwert pro Kraft ≥ 6,5: Prosperierende Unternehmen
• Mittelwert pro Kraft zwischen 4 und 6,4: Durchschnittlich erfolgreiche Un-
ternehmen mit einem Defizit bei mindestens einem Sechstel der Kriterien
• Mittelwert pro Kraft < 4: Unzulängliche Unternehmen
Demnach kann das Unternehmen mindestens als prosperierendes Unterneh-
men, bei der Gemeinschaftskraft sogar als Spitzenleister eingeordnet werden.

3.3.1 Chancen für die Sandmeir – exklusiv Stahlbau GmbH

Angesichts der Strukturkraft kennzeichnet das Unternehmen vor allem Stärken


durch die (zugekauften) digitalen Technologien, die bereits einführend erwähnt
wurden. Aber auch Finanz- und (Wissens-)Managementsysteme sowie Systeme
zur Unterstützung der IT-Sicherheit und des Datenschutzes weist die Organisa-
tion auf.
Besonders das Werteversprechen und die Kernkompetenz der Sandmeir – exclu-
siv Stahlbau GmbH sind Stärken der Aufbruchkraft, die kontinuierlich an der klar
definierten Zielgruppe ausgerichtet und mit ihr zusammen verbessert werden.
Durch das breite Angebot an Balkonzubehör haben Kunden die Möglichkeit, alle
benötigten Produkte von ein und demselben Unternehmen zu erhalten, die viel-
fältig kombinierbar sind. Diese Alleinstellungsmerkmale und die Corporate Iden-
tity sind Mittelpunkt des (digitalen) Marketings und werden stetig kommuniziert.
Zudem wird den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, Neues auszuprobieren,
um Produkte ständig zu verbessern. Beispielweise wurde das bisherige

266 Eigene Darstellung in Anlehnung an Kugler/Anrich 2018, 22.


Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 75

Kerngeschäft (Erzeugnis von technisch und optisch anspruchsvollen Produkten


im Stahlbaubereich) aufgegeben, um einen Balkon in Modulbauweise zu entwi-
ckeln, der den Trend des kundenindividuellen Massenprodukts erfüllt.
Die meisten Stärken weist die Organisation in der Gemeinschaftskraft auf: Da es
sich um ein kleines, familiengeführtes Unternehmen handelt, kann ein starkes
persönliches Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter und eine Ver-
trauenskultur erkannt werden. Ferner wird bei der Einstellung neuer Mitarbeiter
nicht nur darauf geachtet, dass diese die erforderlichen Fähigkeiten mit sich brin-
gen, sondern auch zum Team passen. Außerdem haben Beschäftigte die Mög-
lichkeiten, sich innerhalb einer Vielzahl interner und externer Schulungen (auch
digital) weiterzuentwickeln. Durch regelmäßige Feedback-Gespräche wird si-
chergestellt, dass Mitarbeiter alle benötigten Arbeitsmittel haben, passend zu ih-
ren Fähigkeiten eingesetzt werden, ihre Tätigkeit als sinnstiftend erachten und in
ihrer Arbeit gewürdigt werden. Die interne und externe Kommunikation ist dabei
immer auf Augenhöhe, freundlich und persönlich. Reklamationen oder Be-
schwerden werden angenommen, im Team diskutiert und zusammen mit dem
Kunden gelöst.

3.3.2 Herausforderungen für die Sandmeir – exclusiv Stahlbau


GmbH

Dennoch ergeben sich aus den Fragebögen gewisse Handlungsfelder. Vor allem
folgende Fragen wurden nur unzureichend/weniger erfolgreich (1 – 6) bewertet:
Ein grundlegendes Problem findet sich in dem fehlenden Verständnis der digita-
len Transformation. Zwar handelt das Unternehmen in den meisten Fällen digital,
dies ist jedoch eher unbewusst. Dementsprechend sind weder eine digitale Vi-
sion noch eine Digitalstrategie etabliert und auch Prozesse selten digital unter-
stützt oder agil. So sind beispielsweise Entscheidungsprozesse oft noch
hierarchisch angelegt und externe Kommunikation baut auf keinem Prozess auf,
sondern findet eher spontan statt. Folglich fehlen auch Anreizsysteme für Emp-
fehlungen seitens der Mitarbeiter und Kunden.
Bezüglich des Innovationsmanagements werden für die Ideengenerierung zwar
sämtliche Stakeholder, wie vor allem Mitarbeiter und Kunden, mit eingebunden,
eine Entwicklung mit Wettbewerbern findet jedoch bisher nicht statt. Auch die
Einführung von Neuheiten basiert auf keinem schnellen Zyklus und klarem Time-
to-Market-Prozess, sondern ist eher langwierig angelegt. Zurückzuführen ist dies
vor allem auf die hohen Sicherheitsstandards und ausgedehnte Prüfung von Sta-
tiken eines Balkons. Kleine Fehler in der Konstruktion können gravierende
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 78

Während sich für das Wissensmanagement kein zeitnaher Handlungsbedarf


ergibt, weisen die Markterschließung sowie Integration und Kundenfokus je nur
einen notwendigen Tätigkeitsbereich auf. Für die digitale Vision, Wertschöp-
fungsstrategie sowie Kommunikation des Unternehmens bedarf je ein Hand-
lungsfeld einer sofortigen Umsetzung, während die Daten- und IT-Sicherheit
sowie Innovation je ein dringendes und ein notwendiges aufweisen. Am meisten
Maßnahmen müssen für Geschäftsprozesse sowie Bindung und Branding des
KMU ergriffen werden: So ergeben sich jeweils ein dringender und zwei notwen-
dige Bereiche. Aufgrund dieser Auswertungen können folgende Handlungsemp-
fehlungen gegeben werden:
Digitale Vision: Obwohl das Unternehmen durch die vorhandene Vertrauenskul-
tur und gemeinsamen Werte der Mitarbeiter und Führungskräfte besondere Vor-
teile aufweist, ergibt sich aus der nicht vorhandenen digitalen Vision ein zentrales
und unbestreitbares Handlungsfeld, das einer sofortigen Umsetzung bedarf. Da
die digitale Vision im Mittelpunkt einer jeden systematisch geplanten digitalen
Transformation steht, empfiehlt es sich z. B. in einer Projektgruppe diese zu for-
mulieren und intern sowie extern zu kommunizieren.
Wertschöpfungsstrategie: Der Wert des Unternehmens ergibt sich, nicht wie
vor einigen Jahren, ausschließlich aus dem Nutzen sowie dem Image eines Un-
ternehmens. Zusätzlich spielt die digitale Technologie eine zentrale Rolle. 269 Aus
diesem Grund ist die fehlende Digitalstrategie, welche sich aus der digitalen Vi-
sion ableitet, ein sofort umzusetzendes Handlungsfeld, nachdem die Vision for-
muliert und kommuniziert wurde.
Geschäftsprozesse: Der fehlende Jahresplan führt dazu, dass im Unternehmen
der Soll-Ist-Vergleich ausbleibt. Demzufolge stellt sich eine Datengewinnung und
-auswertung als stark erschwert bis nicht möglich dar. Aus diesem Grund ergibt
sich hier ein dringendes Handlungsfeld. Außerdem sind die Entscheidungspro-
zesse im Unternehmen agiler und digitaler sowie eine stabile und digitale Ablau-
forganisation zu gestalten.
Markterschließung: Die Bewertung der Kundengewinnungsstrategie fällt mit 6
Punkten zwar, z. B. durch den virtuellen 3D-Konfigurator, der den Kunden selbst
sein individuelles Produkt zusammenstellen lässt, nicht negativ aus, im Sinne des
Customer Experience Managements und der Customer Journey ist diese Strate-
gie aber noch weiter ausbaufähig.

269 Vgl. Kugler/Anrich 2018, 52.


Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 79

Integration und Kundenfokus: Produkte werden auf die Zielgruppe abgestimmt


und der Kunde in die Produktentwicklung integriert, eine kontinuierliche Datener-
hebung und -bewertung der Kundenzufriedenheit bleibt jedoch aus. Da hierbei
wichtige Erkenntnisse über den Kunden und dessen Bedürfnisse verloren gehen,
muss ein Prozess zur Kundendatengewinnung etabliert werden.
Daten- und IT-Sicherheit: Allgemein fällt auf, dass das Unternehmen zwar digi-
tale Technologien einsetzt, eine der größten Chancen der Digitalisierung, die Da-
tengewinnung und -auswertung, jedoch nachrangig betrachtet. Analysen finden
im Unternehmen eher unregelmäßig statt und die Ergebnisse werden nur unzu-
reichend analysiert und bewertet. Hier ergibt sich ein großer Handlungsbedarf:
Es empfiehlt sich, regelmäßig Analysen, z. B. Markt- und Wettbewerbsanalysen,
Datenauswertungen und Webanalysen durchzuführen und dafür auch einen Ex-
perten in Form eines Data Scientists (z. B. als Freelancer) in Betracht zu ziehen.
Wissensmanagement: In diesem Bereich ergeben sich derzeit keine Hand-
lungsfelder, sofern sich das Unternehmen hier kontinuierlich weiterentwickelt.
Bindung und Branding: So wie keine Analysen der Kundenzufriedenheit durch-
geführt werden, sind auch Anreizsysteme für Empfehlungen im Unternehmen
stark vernachlässigt. Um dieses Potenzial zu nutzen empfiehlt es sich, ohne Ver-
zug, Anreizsysteme auch für Mitarbeiterempfehlungen zu schaffen. In diesem
Sinne ist die Belegschaft für die Digitalisierung zu sensibilisieren. Außerdem
ergibt sich in diesem Bereich ein besonderes Hindernis: Zwar führt das Unter-
nehmen digitale Prozesse und Technologien ein, ist sich aber nicht im Klaren
darüber, was genau unter einer digitalen Transformation zu verstehen ist. Diese
Thesis sowie die erwähnten Fördermaßnahmen des Staates können diesem
grundlegenden Problem schnell Abhilfe schaffen.
Kommunikation: Die Kommunikation erfolgt grundsätzlich im Sinne der Digitali-
sierung, es fehlen aber jegliche interne und externe Kommunikationsprozesse.
Um eine Einheitlichkeit zu schaffen, empfiehlt es sich, diese umgehend einzufüh-
ren.
Innovation: Das Unternehmen bezieht Mitarbeiter und Kunden in die Entwick-
lung neuer Produkte mit ein. Jedoch findet bisher keine Zusammenarbeit mit
Wettbewerbern statt. Dies könnte neue, digitale Innovationen hervorrufen sowie
Synergieeffekte schaffen und wird deshalb empfohlen. Wie im vorherigen Kapitel
aufgeführt, herrscht eine Trägheit der Innovationszyklen sowie der Einführung
neuer Produkte in den Markt. Diesem Problem kann beispielsweise durch eine
Prototyp-Planung mithilfe der bereits vorhandenen CAD-Technologie entgegen-
gewirkt werden. Neue Produkte können vor einer Realisierung in diesem
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation für KMU 80

Programm zunächst gezeichnet und virtuell getestet werden. Darüber hinaus


spart dieser Vorgang Kosten und Zeit.
Das Unternehmen möchte nun Industriestandards setzen, um den Herausforde-
rungen der Digitalisierung entgegenzuwirken. Die dargestellten Handlungsfelder
mit den zugehörigen Empfehlungen geben dafür Anreize. Allen voran ist es für
das Management der Sandmeir – exclusiv Stahlbau GmbH nun wichtig, die digi-
tale Transformation und dessen Auswirkungen vollumfänglich zu begreifen, um
anschließend eine digitale Vision und eine Digitalstrategie zur Umsetzung dieser
formulieren zu können. Die vorliegende Thesis gibt dafür einen wichtigen An-
haltspunkt, der durch Fördermaßnahmen des Staates, wie z. B. Mittelstand-Digi-
tal sowie Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren unterstützt werden kann.
Schluss 81

4 Schluss
Nichts ist so beständig wie der Wandel. – Charles Darwin.

Die neoklassische Unternehmenstheorie basiert auf Angebot und Nachfrage. Da-


bei stehen die Verteilung und optimale Nutzung knapper Ressourcen, bei gleich-
zeitiger Maximierung des individuellen Nutzens, im Vordergrund. Hierarchische,
zentralistische und bürokratische Strukturen mit Top-down-Zielvorgaben oder 5-
Jahres-Strategieplänen sind dem dynamischen Markt nicht mehr gewachsen.
Um den digitalen Innovationen und Technologien Herr werden zu können, rückt
die Verhaltensökonomie immer mehr in den Mittelpunkt der Wirtschaftswissen-
schaften. Diesem Phänomen kann nicht mehr allein durch Anpassung einzelner
Unternehmensbereiche entgegengewirkt werden. Vielmehr bedarf es eines
ganzheitlichen systematischen Verständnisses des Wandels, um die gesamte
Organisation digital zu transformieren. Dieses Wissen ist grundlegend für einen
erfolgreichen Wandel, da die Ursache für das Scheitern digitaler Transformatio-
nen nicht nur in technologischen Entwicklungen, sondern vor allem in den Anfor-
derungen an die Organisationsstruktur sowie kulturellen Veränderungen liegt.
In dieser Arbeit wird deshalb ein Verständnis für die digitale Transformation ge-
schaffen, in dessen Mittelpunkt die Herausforderungen und Chancen vor allem
für KMU des verarbeitenden Gewerbes stehen. Es wird abschließend ein Fazit
gezogen sowie die Forschungsfrage beantwortet. Im Anschluss werden die Limi-
tationen aufgezählt und die Arbeit kritisch betrachtet, bevor ein Ausblick für die
Forschung gegeben wird.

4.1 Fazit und Beantwortung der Forschungsfrage

Durch den Einfluss der Digitalisierung müssen Unternehmen schneller, anpas-


sungsfähiger, innovativer, kommunikativer und flacher organisiert sein, um dem
Wandel standhalten zu können. Diese Einflüsse stellen vor allem Verschmelzung
digitaler und physischer Organisationsstrukturen, hierarchielose Netzbildung, di-
gitale Wissens- und Vertrauensstrukturen sowie invasive Auswirkungen neuer
Technologien dar. Der dadurch entstehende disruptive Wandel verlangt nach ei-
nem Umbruch im Organisationsverständnis, da hier zumeist eine Diskrepanz zwi-
schen Altem und Neuem wahrzunehmen ist. Die digitale Transformation kann
dabei als Lernprozess verstanden werden, durch den die Digitalisierung ganz-
heitlich in das Unternehmen integriert wird. Technologie-, Geschäfts- und
Schluss 82

Lernstrategien werden je nach Reifegrad und Fähigkeiten des Unternehmens in


das Geschäftsmodell eingegliedert, um die digitale Transformation erfolgreich zu
gestalten. Durch den Aufbau von komplexen Organisationsstrukturen kann uner-
warteten und plötzlichen Veränderungen in der Umwelt durch schnelle Entschei-
dungen entgegengewirkt werden. Digitale Fähigkeiten, die zum Erfolg führen,
sind dabei eine überdurchschnittliche Aufmerksamkeit der Mitarbeiter und Füh-
rungskräfte eines Unternehmens für externe und interne Einflüsse, Gelegenhei-
ten und Chancen. Darauf aufbauend müssen schnelle und evidenzbasierte
Entscheidungen getroffen und diese schnell umgesetzt werden. Unternehmens-
erfolg tritt demnach dann ein, wenn geschlossene Silos abgebaut werden und
offene Ökosysteme entstehen, die lern- und entwicklungsfähig sind und vom
Austausch mit der Umwelt leben. Gerade für KMU des verarbeitenden Gewerbes
entstehen dabei einige Herausforderungen, aber auch Chancen, die über die Re-
levanz der digitalen Transformation für die Organisation entscheiden und bei der
Definition einer geeigneten digitalen Vision helfen.
Zu den größten Herausforderungen können gezählt werden:
• Fehlendes grundlegendes Verständnis der digitalen Transformation sowie
der Brisanz für das eigene Unternehmen
• Mangelnde IT-Kompetenzen und Verfügbarkeit von Fachwissen, Qualifi-
zierung von Mitarbeitern und fehlendes Fachpersonal
• Hohe Investitionskosten: mangelndes Verständnis des Kosten-Nutzen-
Verhältnisses und der Anwendungsmöglichkeiten
• Geschwindigkeit der Internetverbindung
• Datenschutz und -sicherheit
Zu den größten Chancen können gezählt werden:
• Vernetzung von Produktionssystemen
• Erschließung neuer Umsatzpotenziale
• Flexibilisierung von Fertigungsprozessen
• Erhöhung der Prognosefähigkeit durch Smart Data
Aus dem Chance-Risiko-Verhältnis lassen sich folgende Lösungsansätze für
KMU ableiten:
• Etablierung eines Digital-first Mindsets
• Etablierung von Wissensmanagement
• Kompetenzaufbau durch Digital Workforce
• Nutzung staatlicher Fördermaßnahmen zur Digitalisierung von KMU
Schluss 83

• Cyber-Kriminalität vorausschauend begegnen (z. B. Versicherungen)


Bezüglich der Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit sowie das ausbau-
fähige Breitbandnetz ist ein dringendes Einschreiten der Politik nötig, um KMU
bei Digitalisierungsvorhaben zu unterstützen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Chancen einer digitalen Transforma-
tion den Herausforderungen überliegen und geeignete Lösungsansätze gegeben
sind, um Risiken zu eliminieren. Die Digitalisierung ist bereits so fortgeschritten,
dass sie in den kommenden Jahren immer weitere disruptive Geschäftsmodelle
und Innovationen hervorbringen wird, die das Management eines jeden Unter-
nehmens zur Transformation zwingt.
„Digitale Transformation ist eines der Themen, das die Management-Agenda vieler
Unternehmen auf lange Zeit beherrschen wird. Es handelt sich nicht um eine Mo-
deerscheinung, sondern um einen dauerhaften Trend, der ständig durch neue Ge-
nerationen digitaler Technologien erneuert wird.“270

4.2 Limitation und kritische Würdigung

Da aufgrund der Individualität einer digitalen Transformation in der Literatur keine


allgemeingültige systematische Vorgehensweise, Methode oder Prozess zum
Wandel zu finden ist, kann auch in dieser Arbeit keine Allgemeingültigkeit gese-
hen werden. Es werden beispielhafte Beschreibungen der notwendigen Hand-
lungsfelder für eine erfolgreiche digitale Transformation für KMU (des
verarbeitenden Gewerbes) gegeben, die aber von jeder Organisation individuell
geplant werden müssen. Dennoch wird im Rahmen einer Framework-Analyse ein
Überblick über die Natur des digitalen Wandels in Gesellschaft und Wirtschaft
gegeben. Dafür wird diskutiert, wie Unternehmen mit dem Unerwarteten in Form
der disruptiven Zerstörung bekannter Rahmenbedingungen umgehen sollten.
Hierbei stehen die strategischen Denkmuster digitaler Organisationen, bezogen
auf die digitalen Wirkungen in der Außenwelt als Geschäftsumfeld einer Organi-
sation, im Fokus. Aber auch deren Innenwelt, bezogen auf Mitarbeiter und Ar-
beitsorganisation, ist Mittelpunkt des Interesses. Besonders Unternehmen des
verarbeitenden Gewerbes, deren Produkte nicht oder noch nicht vollständig der
Dematerialisierung unterworfen sind, stellen die Rentabilität einer digitalen
Transformation infrage. Durch die Darstellung bestehender Herausforderungen

270 Oswald/Krcmar 2018, 9.


Schluss 84

und Chancen einer digitalen Transformation kann die Relevanz dieser aufgezeigt
werden.
Ein ganzheitliches, systematisches Verständnis des digitalen Wandels ist dem-
nach grundlegend für die Transformation eines jeden Unternehmens. Aus die-
sem Grund wird innerhalb dieser Thesis großer Wert auf das Framework der
digitalen Transformation gelegt und die einzelnen Schritte sowie deren Bedeu-
tung für das zu wandelnde Unternehmen dargestellt. Dabei handelt es sich je-
doch ausschließlich um eine theoretische Fundierung, deren praktische
Umsetzung und Maßnahmen nur in wenigen Fällen beschrieben werden. Grund
hierfür ist zum einen der begrenzte Rahmen dieser Arbeit, zum anderen das Ziel
der Thesis, die Herausforderungen und Chancen für verarbeitende KMU darzu-
legen. Da eine Umsetzung von Transformationsmaßnahmen individuell für jedes
Unternehmen geplant werden müssen, kann hierfür keine Empfehlung gegeben
werden. Die im Zentrum stehenden Herausforderungen und Chancen der digita-
len Transformation können bereits in der Planungsphase dieser identifiziert wer-
den, da sie die Grundlage der digitalen Vision und Digitalstrategie sowie der
fortwährenden Implementierung bilden.
Zur Unterstützung der digitalen Transformation in KMU werden vom Staat einige
Fördermaßnahmen und Subventionen angeboten, die ihnen dabei helfen. Pro-
jekte des Bundeswirtschaftsministeriums, wie Mittelstand-Digital sowie Mittel-
stand 4.0-Kompetenzzentren, informieren KMU über die Anwendungs-
möglichkeiten der Digitalisierung. Demonstrationsorte ermöglichen es darüber
hinaus, ein Netzwerk aufzubauen und Beispielprojekte durchzuführen. Diese
Liste an Möglichkeiten ist nicht abschließend und es wird empfohlen, sich bei
Bedarf weiter darüber zu informieren.

4.3 Ausblick für die Forschung

Da durch die Digitalisierung eine große Dynamik herrscht, erweist es sich als
schwierig, einen genauen Ausblick für die Forschung zu geben. Dennoch bildet
genau dieses Phänomen den größten Forschungsbedarf.
Für die Wissenschaft kann die bereits im aktuellen Forschungsstand erwähnte
Corona-Pandemie einen weiteren Forschungsbedarf hervorrufen. Ein Interes-
senbereich wäre beispielsweise, wie sich diese auf die Geschäftsmodelle von
KMU (des verarbeitenden Gewerbes) ausgewirkt hat und noch weiter auswirken
wird. Die Auswirkungen dieses unerwarteten Ereignisses können erst jetzt und
auch nur zum Teil analysiert und in Forschungen dargestellt werden. Dieses Phä-
nomen bildet ein Paradebeispiel für die Disruption digitaler Innovationen,
Schluss 85

wenngleich die Pandemie natürlich ein ungeplantes Szenario bildet, das auch
hypothetisch nicht in diesem Ausmaß vorhergesehen werden konnte. Dennoch
zerstört auch der Megatrend Digitalisierung ganze Geschäftsmodelle durch neue
Innovationen. Damit die Wissenschaft sich nicht selbst in sehr kurzen Abständen
in ihren Aussagen und Modellen zur digitalen Transformation disruptieren muss,
sollte die Forschungsweise angepasst werden. Überarbeitete Auflagen sind zu
manuell und nicht digitalisiert und widersprechen damit dem Auftrag der Digitali-
sierung, autonome Lösungen zu formulieren. Aus diesem Grund bildet eine zu-
künftige Aufgabe für die Forschung in diesem Bereich, in ihrer eigenen Struktur
agiler zu werden. Universelle und umfassende Aussagen, die leicht angepasst
werden können und nicht sofort durch neue Innovationen ungültig werden, könn-
ten ein Lösungsansatz sein. Ziel der Forschung im Gebiet der digitalen Transfor-
mation muss es also sein, auch für Ausnahmesituationen wie die Corona-
Pandemie agil zu agieren.
Eine digitale Transformation flexibilisiert Unternehmen auch für derartige Situati-
onen. Doch obwohl KMU zumeist wegen ihrer Größe flexibel sind, sehen sie oft-
mals die Notwendigkeit für diesen großen Wandel nicht und geraten durch
Disruption, Dynamik und Komplexität aus den Fugen. Gerade unvorhersehbare
Situationen, wie die Pandemie es war, machen eine digitale Transformation und
die dadurch entstehende Agilität zum Wettbewerbsvorteil für KMU. Wer sich am
Anfang der Pandemie anpassen konnte, war den anderen meilenweit voraus.
Denn wie bereits eingangs erwähnt, sagte schon der Forscher Charles Darwin:
Es sind weder die Stärksten einer Art, die überleben, noch die Intelligentesten.
Es sind vielmehr diejenigen, die sich einem Wandel am besten anpassen kön-
nen.
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Anhang XXII

Anhang 4: Hürden für den Einsatz digitaler Technolo-


gien

Abbildung 12: Erschwerende Aspekte für den Einsatz digitaler Technologien278

278 Saam/Viete/Schiel 2016, 52.


Eigenständigkeitserklärung XXXIII

Eigenständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter Verwen-
dung der angegebenen Literatur und Hilfsmittel angefertigt habe. Stellen, die wörtlich
oder sinngemäß aus Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.
Diese Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbe-
hörde vorgelegt.

München, 12.04.2022

Ort, Datum Unterschrift

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