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Enzyklopädie der Neuzeit Online

Konfessionalisierung
(4,850 words)

1. Konzept und Forschungsstand


Article Table of Contents
1.1. Grundlagen, Erkenntnisinteressen und
1. Konzept und
Abgrenzungen
Forschungsstand
Der Begri f der K. bezeichnet ein Interpretationskonzept 2. Luthertum,
der frühnzl. Staats-, Politik- und Gesellschafts-Geschichte, Reformiertentum, römischer
Katholizismus: Die drei
das, ausgehend von den Arbeiten der Historiker Wolfgang
frühneuzeitlichen
Reinhard [30]; [31] und v. a. Heinz Schilling [36]; [37], seit Konfessionen
den 1980er Jahren zu einem maßgeblichen
3. Europäische Perspektiven
Deutungsmodell für die Erforschung der europ.
Geschichte weiterentwickelt worden ist. Das traditionelle 4. Entkonfessionalisierung
Epochen-Gefüge einer an die vornehmlich 5. Judentum
modernisierungstheoretisch gedeutete Reformation 6. Islam
anschließenden Frühen Neuzeit wurde durch das K.-
Konzept grundsätzlich in Frage gestellt. Im Zuge der
breiten interdisziplinären Diskussion des »K.-
Paradigmas« wurden sukzessive kirchen- und kulturgeschichtliche Aspekte sowie europ.
Perspektiven integriert, die zu einer Modi kation des Konzepts selbst führten, zugleich aber
dessen Elastizität, Stabilität und Produktivität unter Beweis stellten.

Die Studien E. W. Zeedens [53]; [54] und seiner Schüler [27]; [47] waren vornehmlich auf die
kulturellen Wirkungen der als Totalitäten gedeuteten bekenntnistheologischen Formationen
des »Luthertums«, des »röm. Katholizismus« und des Reformiertentums (Calvinismus)
fokussiert; sie untersuchten in konfessionskundlicher Perspektive die Prozesse der
»Konfessionsbildung« und nahmen die Ausformungen der Konfessionen in lebensweltlichen
Zusammenhängen in den Blick (z. T. mit konfessionskomparatistischen Akzenten). Die neuere
K.-Forschung hingegen ist vornehmlich religionssoziologisch und sozialgeschichtlich orientiert
[30]; [31]; [36]; [5] und widmet sich insbes. dem Zusammenhang von Staat, Gesellschaft und
Religion bzw. Kirche.

/
Ausgehend von territorialgeschichtlichen Untersuchungen zum Zusammenhang von
Konfessionskon ikten und Staatsbildungsprozessen wurden konfessionstheologische bzw.
Bekenntnis-Optionen primär als Re ex konkurrierender gesellschaftlicher und politischer
Geltungsansprüche interpretiert. Die Durchsetzung nzl. Staatlichkeit vollzog sich demnach
mittels konfessionell einheitlicher und durch die jeweilige Interpretation des »Christlichen«
voneinander abgrenzender Religions- bzw. Kirchensysteme, die einen unveräußerlichen
Beitrag zur sozialen Integration nzl. Untertanen-Verbände und zu deren
»Sozialdisziplinierung« leisteten.

Ein wesentlicher Grundimpuls der K.-Forschung bestand darin, die institutionellen und
sozialen Dimensionen der christl. Religion im Gesamt der Gesellschaft zu verorten und
dadurch eine – gegenüber traditionellen kirchengeschichtlichen Ansätzen –
sozialgeschichtlich erweiterte Perspektive auf die frühnzl. Varianten des Christentums zu
entwickeln. Gegenüber der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte der »Bielefelder Schule« (der
sog. Histor. Sozialwissenschaft), die für das »religiöse Feld« zunächst wenig Interesse erkennen
ließ und dem Faktor Religion bei gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen keine relevante
Bedeutung zuschrieb, etablierte die K.-Forschung die Konfession als eine Grundkategorie der
Frühnz.-Forschung, ohne die wesentliche Aspekte des Gesellschaftssystems insbes. des 16. und
17. Jh.s nicht zu verstehen sind [36]: Als maßgeblicher Faktor herrschaftspolitischer Integration
und sozialer Disziplinierung hätten die Konfessionen zum Au au nzl. Staatlichkeit und
insofern zur »Modernisierung« beigetragen. Gegenüber den Ansätzen der klassischen
Religionssoziologien Max Webers und Ernst Troeltschs, die vornehmlich im Protestantismus,
insbes. im Calvinismus, Modernisierungspotentiale wahrgenommen hatten, arbeitete die K.-
Forschung vergleichbare Entwicklungen in allen drei großen frühnzl. Konfessionen heraus und
trat der in eingespielten protest. Wertungstraditionen begründeten Vorstellung einer
strukturellen Modernitätsresistenz des Katholizismus entgegen (vgl. Katholische Au lärung).

1.2. Historische Einordnung

Infolge der Aufnahme systemtheoretisch-komparatistischer Fragestellungen betonte die K.-


Forschung die funktionale Äquivalenz der drei frühnzl. Konfessionssysteme: Diese hätten nach
einer nachreformatorischen Formierungs- und Konsolidierungsphase seit dem letzten Drittel
des 16. Jh.s staats- und gesellschaftspolitische Modernisierungse fekte erzeugt, die es
rechtfertigten, dieser Phase des »konfessionellen Zeitalters« den Charakter einer »Vorsattelzeit
der Moderne« [36]; [37] zuzuschreiben. Im Zuge der K.-Forschung rückte die histor. Bedeutung
der Reformation in den Hintergrund; ein epochaler Charakter sei dieser nicht mehr
zuzusprechen, vielmehr stelle sie den Höhepunkt einer spätma. Reformepoche dar ([36];
dagegen: [19]; [49]; [2]). Der liberalprotest.-unionistische Leitbegri f des Protestantismus, dem
auch in den religionssoziologischen Analysen Troeltschs und Webers eine zentrale heuristische
Funktion zugekommen war, trat gegenüber der Deutungskategorie der »Konfession«
vollständig in den Hintergrund.

/
Hinsichtlich des Verständnisses der Konfessionen dominiert in der K.-Forschung die
Vorstellung doktrinal homogener, mit verp ichtenden Bekenntnissen, disziplinatorisch rigoros
eingeforderten Obliegenheiten und einem verbindlichen Ethos verbundener, relativ
geschlossener »Systeme«, die die Standards religiöser Verp ichtungen gegenüber dem SpätMA
steigerten und insofern zu einer intensivierten Christianisierung der zeitgenössischen
Gesellschaft beigetragen haben. Die sich um 1600 agonal steigernde Kon iktakzeleration, die
Züge eines »Konfessionsfundamentalismus« [35] angenommen habe, habe zunächst zur
zeitweiligen Verschärfung der interkonfessionellen Gegensätze geführt, mittelbar jedoch eine
Stärkung der säkularisierenden und pazi zierenden Potenzen des Rechts und der sukzessive
entkonfessionalisierten Politik befördert.

Die K.-These hat dazu beigetragen, das spezi sche religionssoziologische Pro l Europas insbes.
im Vergleich mit der islamischen, der »Neuen« Welt und den Christentumsvarianten der
Ostkirche (Orthodoxe Kirchen) dahingehend zu präzisieren, dass die zeitweilige
»Verstaatlichung« der konfessionalisierten Religion (Kirchenregiment; Geistliche Herrschaft;
Staatskirche) mittelbar die Unterscheidung von Staat und Religion und damit die nz.-
spezi sche Segmentierung der Religion als eines gesellschaftlichen Subsystems begünstigt
habe, ohne einen Ö fentlichkeitsanspruch der Religion prinzipiell zu diskreditieren.

1.3. Forschungsdiskussion

An der lebhaften wiss. Debatte über Bedeutung und Grenzen der K. haben sich alle wichtigen
Teildisziplinen der Frühnz.-Forschung beteiligt. Dabei wurden die jeweiligen Spezi ka und die
Gemeinsamkeiten der frühnzl. K. diskutiert, Elemente des Trans-, Inter- und
Nichtkonfessionellen identi ziert und kirchen-, religions- und kulturgeschichtliche
Forschungen zu religiösen Formationen jenseits distinkter konfessioneller Kirchlichkeit
initiiert. Insbes. im Humanismus, aber auch auf der Ebene der sog. Volksfrömmigkeit
existierten z. T. vorkonfessionelle Diskursformen und Praktiken während des konfessionellen
Zeitalters fort. Auch Bereiche der Naturerkenntnis blieben von konfessionellen
Deutungsprärogativen unberührt.

Gegenüber der K.-These wurden fünf Haupteinwände geltend gemacht: Die vornehmlich auf
die Funktion der Religion im konfessionellen Territorialstaat ausgerichtete Perspektive
nivelliere (1) tiefgreifende religionskulturelle Di ferenzen zwischen den drei Konfessionen [20];
[15]; sei (2) durch ihren modernisierungstheoretischen Ansatz einer einseitigen,
säkularisierungsteleologischen Tradition verhaftet und etatistisch ausgerichtet; trage (3) dem
»Eigensinn«, aber auch der Selbstdisziplinierung bzw. Selbst-K. [45]; [46] der Untertanen zu
wenig Rechnung; ignoriere (4) die binnenkonfessionellen Pluralitäten, aber auch die religiösen
Orientierungen außerhalb der konfessionellen Großgruppen oder bewerte (5) konfessionelle
Misch- und Übergangsverhältnisse gegenüber konfessionellen Monokulturen zu gering.

Die Protagonisten der K.-Forschung haben einige dieser Anfragen aufgenommen und im Sinne
einer Weiterentwicklung des Interpretationskonzepts unter Aufnahme kulturgeschichtlicher
Perspektiven genutzt, andere Anfragen hingegen um der für die K.-These als unveräußerlich
angesehenen Verbindung mit der Entwicklung nzl. Staatlichkeit willen abgewiesen [32].
/
Thomas Kaufmann

2. Luthertum, Reformiertentum, römischer Katholizismus: Die drei


frühneuzeitlichen Konfessionen

2.1. Bekenntnisbildungen

Die Formulierung verbindlicher Lehrbekenntnisse (lat. confessiones) bildete die histor. und
sachliche Voraussetzung der K. Allerdings vollzog sie sich in den drei großen frühnzl.
Konfessionen in durchaus unterschiedlicher Weise; die dem K.-Paradigma inhärente
Vorstellung einer Funktionsäquivalenz zwischen den drei Konfessionen ist mit diesem Befund
nur schwer vereinbar. Das Luthertum formulierte mit der Confessio Augustana
(»Augsburgisches Bekenntnis«; CA invariata, 1530) sein grundlegendes Bekenntnis-Dokument;
dessen religionspolitische und -rechtliche Rezeption seit den 1530er Jahren – v. a. im Passauer
Vertrag (1552) und im Augsburger Religionsfrieden (1555) – machte es sowohl möglich als auch
nötig, dass sich »lutherische« Positionen in seinem theologischen Rahmen artikulierten. Im
Gegensatz dazu war die reformierte Bekenntnisbildung ( Calvinismus) zunächst polymorph
bzw. disparat (Confessio Tetrapolitana von Martin Bucer und Wolfgang Capito, 1530: das »Vier-
Städte-Bekenntnis« von Straßburg, Konstanz, Lindau und Memmingen; Fidei ratio Ulrich
Zwinglis, 1530).

Aufgrund der reichsrechtlichen Bedeutung der CA wurde es in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s
üblich, dass sich reformierte Theologen und Reichsstände auf die sog. CA variata (1540)
beriefen. Dabei handelte es sich um eine von Philipp Melanchthon abgefasste Revision der CA,
die v. a. in der Abendmahlslehre von der CA invariata abwich (Sakrament), indem sie
dissimulierende Formulierungen aus der Abendmahlskonkordie mit den oberdt. Theologen
(Wittenberger Konkordie 1536) aufnahm und gegenüber dem oberdt. Lager (Martin Bucer)
vermittlungstheologisch integrativ angelegt war. Melanchthon und ihm nahestehende
Theologen versuchten, die über der Abendmahlsfrage entstandene innerprotest. Spaltung, die
den Nukleus der Formierung einer lutherischen und einer reformierten Konfession bildete, zu
überbrücken; sie scheiterten aber an den unversöhnlichen theologischen Gegensätzen
zwischen beiden Lagern, die auch mit politischen Spannungen einhergingen.

Zwar fanden die Reformierten im Alten Reich unter dem Dach der CA formale
religionspolitische Duldung – was seitens der lutherischen Kräfte zumeist politisch akzeptiert,
aber theologisch problematisiert und auch von kath. Seite moniert wurde –, doch entwickelten
sie innerhalb der einzelnen dt. Territorien und der europ. Länder eine theologisch ebenso
vielfältige und uneinheitliche wie dauerhaft unabgeschlossene Bekenntnisproduktion. Eine
abschließende theologische Integration und textuelle Kodi kation reformierter Bekenntnisse,
in dem dt.-reformiert-melanchthonische, zwinglianische, bucerianische und calvinistische
Positionen vermittelt worden wären, hat es nicht gegeben.

Demgegenüber fand die lutherische Bekenntnisentwicklung ihren de nitiven Abschluss: Die


Konkordienformel von 1577, ein theologisch hochkomplexes Lehrbekenntnis, pazi zierte die
nach Martin Luthers Tod einsetzenden binnenlutherischen Kontroversen über zahlreiche /
Grundfragen reformatorischer Theologie – Rechtfertigungslehre ( Andreas Osiander), Glaube
und gute Werke ( Georg Major), Mitbeteiligung des freien Willens und Erbsünde ( Matthias
Flacius) im Horizont einer Auslegung der CA invariata. Das Konkordienbuch von 1580 ist eine
Sammlung der verbindlichen Bekenntnisdokumente.

Die rechtliche Geltung der protest. Bekenntnisse basierte auf der Inanspruchnahme des Ius
reformandi weltlicher Obrigkeiten, die als praecipua membra ecclesiae (»vornehmste
Mitglieder der Kirche«) den in ihrem Herrschaftsbereich verbindlichen Glauben de nierten
(Cuius regio, eius religio; Kirchenregiment; vgl. Abb. 1). Dies unterscheidet sie in formaler
Hinsicht grundlegend von den Dekreten des Trienter Konzils (1545–1563), welche die durch die
Reformation aufgeworfenen theologischen Fragen (zu Rechtfertigung, Sakramenten, Schrift
und Tradition, Heiligen-Verehrung, Ablass etc.) lehramtlich de nitiv klärten; denn diese kath.
Dekrete beanspruchten aufgrund päpstlicher Approbation universalkirchliche Geltung.
Sukzessive, z. T. erst im 18. Jh., wurden sie in der gesamten röm.-kath. Konfessionskirche
rezipiert. Die Professio Fidei Tridentina, die bekenntnismäßige Loyalitätsverp ichtung des
röm.-kath. Klerus, war aufgrund einer Promulgation des Papstes (1564) bei Amtsantritt des
kath. Geistlichen abzulegen; sie wies funktionale Ähnlichkeiten zu Lehrverp ichtungen
protest. Amtsträger auf, die in der Regel in den territorialen bzw. lokalen Kirchenordnungen
de niert waren und sich häu g auf bestimmte Bekenntnisschriften oder -sammlungen
(Corpora doctrinae, z. B. Konkordienbuch) bezogen.

2.2. Gemeinsamkeiten der Konfessionen

Es bestanden grundlegende kirchenverfassungsrechtliche


(Kirchenrecht) und theologische (Theologie)
Unterschiede zwischen der lutherischen, der
reformierten und der kath. Konfession (vgl. Abb. 2 bis 4):
etwa in Hinblick auf die kirchliche Hierarchie und ein
geistlich-jurisdiktionelles Lehramt, die Rolle der Synoden,
der Bibel und ihrer gegenüber den kirchlichen
Obrigkeiten eigenständigen Auslegung; die Priesterehe
(Zölibat) und zahlreiche andere Aspekte der
theologischen Lehre, aber auch der lebensweltlichen
Praxis (so wurde die Gregorianische Kalenderreform von
1582 in protest. Territorien z. T. erst im 18. und 19. Jh. Abb. 1: Hans Troschel d. J.,
übernommen). Christo Soteri Veritatis Vindici,
Lucis Evangelicae Restitutori
Dennoch können einige Gemeinsamkeiten in Hinblick (Kupferstich, Flugblatt von 1617).
auf die Normierungs-, Disziplinierungs- und Auf dem Kupferstich zum 100-
Vereinheitlichungsversuche der Kirchentümer der drei jährigen Jubiläum des
großen Konfessionen identi ziert werden: Thesenanschlags halten die
Reformatoren Martin Luther
(1) die Einführung verbindlicher katechetischer
und Philipp Melanchthon in der
Lehrwerke ( Katechismus), durch die den
Mitte des Altars die Bibel mit
Kirchengliedern unterschiedlicher Bildungsstufen ebenso
/
wie den Geistlichen die unverbrüchlichen Inhalte der dem Grundsatz »Das Wort
eigenen und die Di ferenzen gegenüber den »fremden« Gottes bleibt in Ewigkeit«. Dass
Konfessionen nahegebracht und eingeschärft werden sie von den sächs. Kurfürsten
sollten, sowie der Auf- und Ausbau eines konfessionellen Friedrich III. dem Weisen (der
Bildungswesens, das Katechesierung auf die Reformation in Sachsen
unterschiedlichen Lernniveaus ermöglichte (Katechetik; einführte) links und Johann
Erziehung); (2) die Verbreitung obrigkeitlicherseits Georg I. (dem Herrscher zur Zeit
approbierter religiöser Gebrauchsliteratur und die des Jubiläums) rechts ankiert
Einschärfung konfessionsspezi scher religiöser Praktiken und geschützt sind, betont die
und P ichten bzw. die Bekämpfung abweichender enge Verbindung zwischen
Vorstellungen und Handlungsweisen; (3) die Landesherrschaft und
Professionalisierung geistlicher Funktionseliten mittels Konfession. Schwert und Bibel
universitärer bzw. universitätsähnlicher Institutionen als Insignien der beiden
(bischö icher Priesterseminare; vgl. Pfarrerausbildung); Landesherren stehen für deren
(4) die Förderung konfessionsspezi scher religiöser geistlichen Führungsanspruch
Ausdrucksformen und Identi kationsangebote (z. B. und deren weltliche Herrschaft.
Heilige) in Kunst und Literatur und ihre Vermittlung auch
in die häusliche praxis pietatis (Frömmigkeitskulturen);
(5) die Produktion distinkter Feindbilder der Anhänger
fremder Religionen (Judentum; Islam) und Konfessionen
und die Einübung von Identi kationen mit Personen,
Repräsentanten und Institutionen des eigenen »Lagers«,
der regierenden Dynastie, der »Nation«, der kirchlichen
Hierarchie usw.
Abb. 2: Lutherus triumphans
Die Vergleichbarkeit der Ziele, Strategien und Mittel der (Holzschnitt, Titelblatt einer
K. in den drei frühnzl. Konfessionen lässt es als Flugschrift von 1568). Ein
gerechtfertigt erscheinen, das »konfessionelle Zeitalter« beliebtes Motiv der protest.
als histor. Epoche einer spezi schen Intensivierung Polemik war das Umstürzen des
christl. Prägungen, einer christianisation du christianisme Papststuhls. Papst Leo X. sitzt
(Jean Delumeau), zu bezeichnen. Die konfessionellen auf einem kippenden Thron,
Konkurrenzen zwischen Luthertum, Reformiertentum dessen Stützen (Bücher des
(Calvinismus) und röm. Katholizismus spielten sich in Kirchenrechts) wegbrechen.
einem komplexen Gefüge politischer, rechtlicher und Auch die päpstlichen Insignien,
ökonomischer Kon ikte ab, z. B. im außereurop. Handel, Schlüssel und Schwert, zerfallen
innereurop. Seehandel oder in konfessionell bestimmtem in seinen Händen; er wird
Konsumverhalten in paritätischen Reichsstädten. Diese lediglich durch die Heugabeln
Konkurrenzen trugen wesentlich dazu bei, dass breitere der Jesuiten unten links noch
Bevölkerungskreise intensiver mit Inhalten des christl. gestützt. Oberhalb der Jesuiten
Glaubens konfrontiert wurden als jemals zuvor. Auch tragen Dominikaner Schwert
wenn antikonfessionelle Devianzen und nicht- und Fackel, die auf die Rolle des
konfessionelle Haltungen neben, in, mit und unter Ordens bei der Inquisition
konfessionellen Identitäten existierten, die K. der verweisen. Darüber sind kath.
konfessionellen Gesellschaft also niemals »total« war, Kleriker mit Reliquien,
/
stellten die konfessionalisierten kirchlichen Kreuzeszeichen und Fahnen
Christentumsvarianten die weithin selbstverständliche gruppiert, eine Anspielung auf
Form dar, in der die überwiegende Mehrheit des frühnzl. die von den Protestanten
Europa ihr Christsein praktizierte. abgelehnte Reliquienverehrung.
Luther steht rechts oben als ein
Unter den Bedingungen des Religionssystems des zweiter Mose mit der
Augsburger Religionsfriedens bzw. des Westfälischen aufgeschlagenen Bibel, die er
Friedens entwickelten sich im Alten Reich (etwa in den dem Papst entgegenhält. Unter
paritätischen Reichsstädten) z. T. erst im 18. Jh. ihm stehen, ebenfalls erhöht,
konfessionell di ferente Kulturen; die »unsichtbare weitere Protestanten, als
Grenze« [6] zwischen Bevölkerungsgruppen Vorderster Philipp Melanchton.
unterschiedlicher Konfession stellt einen Der in der Mitte zwischen
mentalitätsprägenden Sachverhalt der »langen Dauer« Katholiken und Protestanten
dar. platzierte Konvertit Friedrich
Staphylus ist als »Iudas«
Thomas Kaufmann
bezeichnet.
3. Europäische Perspektiven

3.1. Neuer Blick auf Epochenzäsuren

Dem Konzept der K. wohnt die Tendenz inne, die


Prozesse der bekenntnistheologischen Ausformung, der
religionspolitischen Umsetzung und der
gesellschaftlichen Implementierung der konfessionellen
(d. h. durch ein bestimmtes Bekenntnis de nierten) Lehr-
und Lebensgestalten des Christentums – der
Konfessionen also – als Kardinalvorgang im Werden der Abb. 3: Geistlicher Rau andel
europ. Neuzeit und in der Ausbildung ihrer (Radierung, Flugblatt von 1619).
religionssoziologischen Besonderheiten zu interpretieren. Ganz klar werden hier die
Der »Vorgeschichte« der K., der Einführung der Kon ikte und Streitereien der
Reformation bzw. deren kämpferischer Abwehr in der Konfessionen kritisiert, wenn
Gegenreformation (Katholische Reform) wird dabei sich links Martin Luther,
lediglich transistorische Bedeutung zugemessen. Johannes Calvin und der Papst
vor dem Altar (mit Darstellung
Insofern tendiert die K.-These dazu, eine epochale Zäsur des Gekreuzigten) raufen. Als
eher im späteren 16. Jh. anzusetzen und dem durch K. positives Gegenbild ist rechts in
geprägten »konfessionellen Zeitalter« stärkeres Gewicht idyllischer Umgebung die
einzuräumen als dies in der vornehmlich auf die einfache Frömmigkeit als
Reformation fokussierten älteren Historiographie der Fall »Einfalt« dargestellt, die im
war. Für die nachhaltig durch Leopold von Ranke freien Feld betet, aber nicht
bestimmte Geschichtsschreibung, die ältere protest. Partei ergreift. Darin drückt sich
Deutungstraditionen aufnahm, galt die Reformation als wohl die theologische Position
Ende einer unter der Herrschaft des Papsttums der Irenik aus, die die
»verdunkelten« Epoche des MA und als Anbruch einer
/
»neuen Zeit« sowohl in der Kirchengeschichte als auch in Gemeinsamkeiten der christl.
der allgemeinen Geschichte. Im Zuge der K.-Forschung Konfessionen hervorhob und zu
hingegen ist die Reformation als Abschluss und vermitteln suchte.
Höhepunkt einer vormodernen Reformära bestimmt
worden [36]; die eigentliche Modernisierungsphase sei
mit der – seit den 1570er Jahren in ein dynamisches
Stadium getretenen – K. verbunden, die demzufolge als
»Vorsattelzeit der Moderne« gewertet wird. Nicht nur
Kirchenhistoriker [20]; [49], sondern auch
Allgemeinhistoriker [2]; [5] sind diesem Epochenkonzept
entgegengetreten.

3.2. Die Konfessionalisierung in den europäischen


Staaten

Die zunächst an Fallstudien zu dt. Territorialstaaten


entwickelte und substantiierte K.-Forschung wird man
freilich nur dann als ein tragfähiges Modell einer
Gesamtinterpretation der religions- und
Abb. 4: Die Fahne der Heiligen
gesellschaftsgeschichtlichen Entwicklungen in
Inquisition, 17. Jh. (Kupferstich).
verschiedenen europ. Staaten anerkennen, wenn man
Ein Dominikaner, erkennbar am
einen machtpolitischen Austrag von
weißen Habit und schwarzen
Konfessionskon ikten nicht für die unabdingbare
Mantel, hält Ölzweig und
Qualität einer K. hält. Denn in Staaten wie England
Schwert in Händen, welche die
(Suprematsakte, 1534), Dänemark (Beginn des Au aus
auf dem Spruchband genannten
eines dän. Staatskirchentums seit 1537) oder Schweden
Tugenden symbolisieren:
(seit 1527) entstanden im Laufe des 16. Jh.s
misericordia et justitia
religionskulturell weitgehend homogene,
(»Barmherzigkeit und
monokonfessionelle Formationen anglikanischer oder
Gerechtigkeit«). Wahrscheinlich
lutherischer Ausrichtung. Die Einführung oder
ist der Gründer des
Etablierung dieser Staatskirchentümer – traditionell als
Dominikanerordens, Dominikus
Reformation bezeichnet – stellt strukturell nichts anderes
(um 1170–1221), dargestellt. Dafür
dar als die K., die in anderen Zusammenhängen in
sprechen die Wolke als Zeichen
kon iktreichen Auseinandersetzungen durchzusetzen
für die himmlische Sphäre, in
war. Darin, dass diese Kirchentümer über ein
die der Heilige entrückt ist,
einheitliches, von den weltlichen Obrigkeiten in Kraft
sowie seine darauf sichtbare
gesetztes Lehrbekenntnis verfügten, stimmten sie mit
Attribute: der schwarz-weiße
sonstigen konfessionellen Kirchentümern des protest.
Hund mit einer Fackel im Maul,
Lagers überein.
der nach der Legende
Während die religionsrechtliche Konstruktion des Dominikus’ Mutter erschienen
Augsburger Religionsfriedens von 1555 (Anerkennung der sein soll, um das Kind als
CA-Verwandten; reichsständisches Ius reformandi) im Fackelträger der Wahrheit
Alten Reich die Grundlage der K. bildete und anzukündigen, und dahinter die
/
konfessionelle Konkurrenzen ein wirkungsvolles Medium von Dominikus mehrfach
des politischen Kon iktaustrags etwa zwischen verschmähte Bischofsmütze.
Landständen und Territorialherren sein konnten, stellten Spruchband und Symbole
sich die Verhältnisse in Frankreich anders dar: Das Edikt bringen das Selbstverständnis
von Nantes (1598) beendete eine jahrzehntelange Phase der hauptsächlich vom
der Religionskriege, blutiger Kon ikte zwischen dem Dominikanerorden getragenen
kath. Hochadel und calvinistischen Adelsfamilien (die Inquisition zum Ausdruck: An
sich mit Teilen des städtischen Bürgertums verbanden), denen, die in der Häresie
indem es auf der Basis eines gallikanischen verharren, wird Gerechtigkeit
Staatskirchentums (Gallikanismus) die partielle vollzogen; denen jedoch, die
Koexistenz beider Konfessionen auf der Grundlage der abschwören, wird
politischen Durchsetzungsfähigkeit des Königtums Barmherzigkeit zuteil.
zusicherte. Nach der Au ebung des Edikts (1685) unter
Ludwig XIV. und der Vertreibung der Hugenotten fand das monokonfessionelle
Staatskirchentum in Fortsetzung und Vollendung spätma. Tradition seinen Abschluss
(Absolutismus). K. stellte sich in Frankreich demnach als von der Krone initiierte und
abhängige absolutistische tridentinisation dar, d. h. als Gestaltung des Kirchenwesens nach
Maßgabe der Beschlüsse und Reformdekrete des Trienter Konzils.

Ähnlich wie in Frankreich hingen auch in anderen kath. Ländern und Territorien Rhythmus
und Geschwindigkeit der Umsetzung des Tridentinums von den jeweiligen geistlichen Eliten
und den politischen Obrigkeiten ab. Vielfach gelang die tridentinisation erst, als ein
tridentinisch gesinnter Klerus zur Verfügung stand.

In den Niederlanden standen die konfessionellen Auseinandersetzungen im Zeichen des


politischen Abwehrkampfes der repressiven Fremdherrschaft des kath. Spanien. Die
Calvinisierung der Widerstandskräfte in den Nordprovinzen erwies sich als wichtiger
politischer Dynamisierungsfaktor. Nachhaltige gesellschafts- und kulturgeschichtliche
Wirkungen der nach heftigen internen dogmatischen Kontroversen seit der Synode von
Dordrecht (1618/19) innerlich konsolidierten calvinistischen Orthodoxie wurden in einem von
konfessioneller Pluralität geprägten Staatswesen wirksam.

Ob man die anglikanische Staatskirche als Konfession bezeichnen kann, ist umstritten. In
Lehre und Bekenntnis von reformierten, in gottesdienstlichem Ritus und episkopalistischer
Kirchenverfassung von kath. Traditionen bestimmt, war der Anglikanismus als eigener Typus
eines Staatskirchentums zunächst v. a. durch die außenpolitische Pro lierung gegenüber dem
kath. Spanien und durch die innenpolitische Auseinandersetzung mit dem Puritanismus
geprägt.

Im Widerstand der kath. Iren gegen die protest. Herrenschicht und gegen die Fremdherrschaft
der anglikanischen Krone artikulierten sich – ähnlich wie im Selbstbehauptungsstreben des
schott. Calvinismus – religiös legitimierte nationale und politische Kon iktlagen, die auch mit
einer Steigerung konfessioneller Identitätsmuster verbunden sein konnten. Sie dokumentieren
die Allgegenwart der Religion, jedoch keine K. im spezi schen Sinne.
/
In Polen-Litauen waren reformatorische Gesinnungen mit ständisch-»adelsrepublikanischen«
Handlungsmotiven (Adelsnation) gegen die Machtansprüche der Krone verbunden. Die
zeitweilige Gewährung allgemeiner Toleranz für alle Konfessionen – unter Einschluss des
antitrinitarischen Sozinianismus (Warschauer Konföderation, 1573) – bildete ein im
»konfessionellen Zeitalter« einzigartiges Modell, das nach Veränderung der Machtverhältnisse
einer konsequenten Rekatholisierung weichen musste.

In den unter habsburgischer Oberhoheit stehenden Ländern Böhmen und Ungarn bildeten
protest. Gesinnungen zumeist ein Moment ständischen Selbstbehauptungsstrebens, das im
Zuge der Durchsetzung nzl. Staatlichkeit auf die erbitterte konfessionell-kath. Gegenwehr der
Habsburger stieß. Die z. T. unentwirrbare Verquickung konfessioneller und politischer Faktoren
bestimmte die innen- und außenpolitischen Verhältnisse im »konfessionellen Zeitalter« sicher
stärker als in den Jahrzehnten und Jahrhunderten vor 1550 und nach 1650; insofern mag es
berechtigt sein, in der K. einen wesentlichen Grundzug des Zeitalters zu sehen.

3.3. Übergreifende Aspekte

Die K. ist somit ein Moment historisch variantenreicher kultureller Praxis. Freilich sollte man
nicht jeden sich konfessioneller Motive und Argumentationslogiken bedienenden Kon ikt
zwischen einzelnen Staaten oder politischen Interessengruppen schon per se für einen
Konfessionskon ikt und insofern für ein Moment der K. halten. In der Konfrontation mit dem
Osmanischen Reich konnte sich das »Abendland« bzw. das »christl. Europa« gemeinchristlich-
integralistischer Deutungsmuster und Ideologeme bedienen. So beschwor etwa die
habsburgische Publizistik die Eintracht Europas, um die konfessionell und politisch
konkurrierenden Reichsstände unter der Führung des Kaisers zu gemeinsamen militärischen
Aktionen gegen die Türken zu veranlassen ( Türkenkriege). Auf der Ebene der Reichstage
wurde die politische Organisation der Türkenabwehr zu einem integrierend wirkenden Faktor
der Reichspolitik [48].

Übergreifende Auswirkungen der europ. K.-Prozesse ergaben sich einerseits daraus, dass die
gegenreformatorische Missions- und Kolonialpolitik (Kolonialismus) dezidiert im Zeichen der
Kompensation von in Europa an die Reformation verlorengegangenem Terrain betrieben
wurde. Aber auch die bescheideneren protest. Missionen der Frühen Nz. bewahrten sich
teilweise ein konfessionelles Gepräge, das allerdings unter dem Ein uss des Pietismus
sukzessive abgeschli fen wurde.

Andererseits spielte die K. auch insofern eine umfassende Rolle, als die marginalisierten,
gegenüber den Konfessionskirchen benachteiligten protest. »Dissenters« in die nordamerikan.
Kolonien auswanderten und dort ein Gesellschaftssystem au auten, in dem allgemeine
religiöse Toleranz gewährt und die Trennung von Staat und Kirche konsequent vollzogen
wurde.

Thomas Kaufmann

4. Entkonfessionalisierung
/
Entkonfessionalisierende, d. h. die Bedeutung konfessioneller Handlungs- und
Argumentationslogiken o fen bekämpfende, stillschweigend aushöhlende oder strukturell
außer Kraft setzende Gesinnungen und Handlungsweisen waren schon in, mit und unter den
Prozessen der K. selbst wirksam, traten aber seit der Mitte des 17. Jh.s o fener und insofern
mittelbar wirkungsreicher hervor. In rechtlicher und politischer Hinsicht gewannen Positionen
an Plausibilität, die die religiösen Bindungen eines Bürgers nicht länger von der
Entscheidungsvollmacht einer politischen Obrigkeit abhängig sehen wollten; im wiss.
Kommunikationsnetz der Gelehrtenrepublik wurde über konfessionelle Grenzen hinweg und
unter Umgehung konfessionstheologischer »Richtigkeiten« über histor.-philologische oder
naturwiss. Probleme etc. diskutiert; in der Frömmigkeitsliteratur wurden
konfessionsübergreifend Bestseller – wenn auch z. T. unter Camou ierung der konfessionellen
Herkünfte – vertrieben und gelesen. Dies galt für puritanische Erbauungsbücher, die im
lutherischen Deutschland verbreitet wurden, für die jesuitische Gebetsliteratur oder für die
Schriften der Lutheraner Johann Arndt und Johann Gerhard, die eine gesamteurop. Rezeption
erfuhren (Erbauungsliteratur). Auch ein zunächst konfessionell geprägtes Gesangbuch wie der
Hugenotten-Psalter wirkte auf die kirchenmusikalische Entwicklung in Luthertum und röm.
Katholizismus ein.

Die Erfahrungen insbes. des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) als des letzten großen
mitteleurop. Konfessionskrieges (Religionskrieg) hatten in weiten Kreisen der Bevölkerung die
Glut konfessionell motivierter Gewaltbereitschaft abkühlen lassen. In den religionsrechtlichen
Bestimmungen des Westfälischen Friedens (1648) waren konfessionelle Bestandsgarantien
zugesprochen worden, die das religiös-konfessionell gesteigerte Pathos eines Jahrhunderts in
die ebenso verdienstvolle wie kleinteilige Logik paritätischer Ansprüche und umsichtig
terminierter (Normaljahr 1624), gleichwohl kontingenter Zugehörigkeiten überführten. Die
politischen Handlungsträger ließen sich in der Verfolgung ihrer Ziele immer weniger von orth.
Theologen beein ussen, leisteten einer Autonomisierung des Politischen Vorschub und traten
als Förderer religiöser und kultureller Bewegungen wie des Pietismus oder der Frühau lärung
auf, die ökumenische Gesinnungen oder anti- bzw. überkonfessionelle Werthaltungen
propagierten.

Auch weithin selbstverständlich werdende Professionalisierungstendenzen bei der Ausbildung


akademischer und administrativer Funktionseliten beförderten pragmatische
Verhaltensweisen, die die Gefahr einer kon iktfördernden Prinzipialisierung konfessioneller
Di ferenzen reduzierten. Die Dualität der kalendarischen Systeme in Europa
(Julianischer/Gregorianischer Kalender), die im 16. und 17. Jh. mit massiver konfessioneller
Kamp ereitschaft verfochten wurde, verlor ab etwa 1700 auch in den meisten protest. Ländern
– z. T. aus nüchternem ökonomischen Kalkül (Markttage; Mobilität) – an Plausibilität und wich
nach und nach bis zum Ende des 18. Jh.s dem konfessionsübergreifend einheitlichen Kalender
(vgl. Kalenderreform).

In den »kleinräumigen Lebenswelten« freilich, bei der Wahl der Vornamen der Kinder etwa, in
der Nahrungs- und Bekleidungspraxis, im Heiratsverhalten, in der katechetischen
Unterweisung (Katechismus) etc., blieben konfessionskulturelle Milieudi ferenzen insbes. in
/
denjenigen Landschaften und Kontexten, in denen konfessionelle Gruppen näher
zusammenlebten als anderswo, noch jahrhundertelang intakt: Insofern bildete die frühnzl. K.
eine der vitalen Grundgegebenheiten insbes. der dt. Geschichte. Die Aktivierung
konfessioneller Deutungs- und Verhaltensmuster im 19. Jh., das als »zweites konfessionelles
Zeitalter« [1] beschrieben worden ist, setzt die mentalitätsprägende Persistenz
konfessionskultureller Normierungen voraus (Konfessionalismus).

Hinsichtlich der relativen Stabilität konfessioneller Milieus stellt die dt. Gesellschaft einen in
der paritätischen Kräfteverteilung der Frühen Nz. gründenden »Sonderfall« dar. Die
konfessionellen Konkurrenzen in Deutschland scheinen – insbes. im Vergleich mit den
dynamischen Säkularisierungs-Prozessen in Italien und Frankreich – eine im Ganzen
gegenüber dem Christentum freundlichere Variante der Au lärung und eine im Ergebnis
nachhaltigere Sicherung kirchlichen Ein usses in der Ö fentlichkeit befördert zu haben. In den
monopolistischen Strukturen des »religiösen Marktes« in Teilen Europas (Körperschaftsstatus
ö fentlichen Rechts der Kirchen; paritätische Rechtstitel der Kirchen im ö fentlichen Raum;
Kirchensteuer etc.) wirken bis heute nzl. Privilegierungen der Konfessionskirchen nach. Den
nicht-christl. Religionen und den täuferischen (Täufer) und radikalprotest. Gruppen
(Freikirchen) wurden zumeist erst seit dem 18. Jh. rechtliche Möglichkeiten erö fnet, wie sie
die Konfessionskirchen im Zeichen der K. schon seit dem 16. Jh. besaßen.

Verwandte Artikel: Bekenntnis | Calvinismus | Katholische Reform | Katholizismus | Kirche |


Kirche und Staat | Konfessionalismus | Luthertum

Thomas Kaufmann

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Cite this page

Kaufmann, Thomas, “Konfessionalisierung”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in
Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst
/
Poeschel Verlag GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-0248_edn_COM_295718>
First published online: 2019

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