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Thema 6. WORTBILDUNG

Gliederung:
1. Grundbegriffe der Wortbildung
2. Derivation (Ableitung)
2.1. Suffigierung
2.2. Präfigierung
2.3. Präfixal-suffixale Ableitung
2.4. Implizite (affixlose) Ableitung
3. Zusammensetzung (Komposita)
3.1. Strukturell-semantische Klassifikation der Zusammensetzungen
3.2. Semantisch-syntaktische Klassifikation der Zusammensetzungen
3.3. Morphologische Klassifikation der Zusammensetzungen
4. Besondere Arten der Wortbildung
4.1. Zusammenbildung (зрощення)
4.2. Konversion (Wortartwechsel)
5. Abbreviation (Abkürzung, Wortkürzung)
6. Wortbildungskonstruktionen (WBK) mit Halbaffixen
7. Okkasionalismen

1. Grundbegriffe der Wortbildung

Wortbildung bezieht sich auf die Bildung neuer Wörter aus bereits vorhandenen
Elementen (Morphemen).
Thea Schippan gibt folgende Übersicht der Klassifizierung der Morpheme nach
den Kriterien „Selbständigkeit“, „Bedeutung“, „Stellung“ und „Anordnung“:

Selbstständigkeit: freie gebundene

Bedeutung: Funktionswörter Basismorphem Wortbildungsmorph. gramm. Morphem

grammatische lexik.-begriffliche lexik.-grammatische grammatische


Bedeutung Bedeutung Bedeutung Bedeutung

Stellung: additiv implizit

Anordnung: vorgestellt nachgestellt

diskontinuierlich
(Matzke B., Römer Ch., S. 3)
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Die Wortbildung ist die wichtigste Quelle der Bereicherung und des Ausbaus des
Wortschatzes. Also, die Wortbildung besteht darin, dass aus den fertigen, in der Sprache
bereits vorhandenen Stämmen, Wurzeln, Suffixen und Präfixen mit Hilfe von bestimmten
Regeln, nach bestimmten Modellen neue Wörter gebildet werden.
Der Terminus „Wortbildung“ wird in zweifacher Bedeutung verwendet:
1) Schöpfung neuer Wörter;
2) Wortbildungslehre.
Die Grundlage für neue, durch Wortbildung entstehende Wörter bilden die
Wortwurzeln und Wortstämme. Sie sind Bausteine für Zusammensetzungen und
Ableitungen.
Eine Wurzel ist die kleinste semantisch vollwertige und morphologisch unteilbare
Einheit, der Hauptträger der Wortbedeutung. Die Wurzel kann als Ganzwort auftreten
(Mann, Sohn, gern, hier, fünf und so weiter).
Um die Wurzel eines Wortes freizulegen, muss man das Wort von allen
wortbildenden und formbildenden (grammatischen) Suffixen und Präfixen befreien, z.B.:
(Auf)bau
Bau(er)
(Ge)bäu(de) Wurzel: bau
(aus)bau(en)
(ver)bau(t)

Eine deutsche Wurzel besteht in meisten Fällen aus einem Vokal, um den sich
Konsonanten gruppieren. Am häufigsten haben die Wurzel eine dreilautige Struktur:
Konsonant – Vokal – Konsonant, z.B.: Tür, laut, gut und vierlautigen Strukturen
Konsonant – Vokal – 2 Konsonanten und 2 Konsonanten – Vokal – Konsonant, z.B.:
Macht, bunt, grün, Brot.
Unter Wortstamm wird der ganze Wortkörper mit Abzug der formbildenden
Suffixe (und der grammatischen Flexion) verstanden. Genauso wie die Wortwurzeln
werden auch die Wortstämme zur Bildung von neuen Wörtern als eine Ganzheit
verwendet, z.B.
Wurzel „fahr“ → (Ab)fahrt;
Wortstamm „Abfahrt“ → Abfahrt(s)(zeit).
Als Wortbildungsmittel dienen verschiedene Affixe (Suffixe und Präfixe),
sogenannte „innere Flexion“ (historischer Lautwechsel, Ablaut, Umlaut, Brechung),
Konsonantenwechsel (sehr selten). Die wortbildenden Suffixe und Präfixe sind
Bausteine, die zur Wortbildung gebraucht werden. Im Vergleich zu den Wurzeln und
Stämmen haben die Affixe keine selbständige Bedeutung.
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Morphembeschreibung: Stimmenmehrheit

Wort

Stamm

BM FE Stamm

Wurzel WBM

BM Suff

Stimme n mehr heit

(Matzke B., Römer Ch., S. 4)

Die Wortbildungsarten sind die Hauptverfahren bei der Bildung neuer Wörter.
Im Deutschen unterscheidet man folgende Wortbildungsarten:
– Zusammensetzung oder Komposition,
– Ableitung oder Derivation,
– Zusammenbildung,
– Abkürzung.
Was Worttypen betrifft, so unterscheidet man im Deutschen:
– einfache oder Wurzelwörter,
– zusammengesetzte Wörter (Zusammensetzungen, Komposita),
– abgeleitete Wörter (Ableitungen, Derivata),
– Zusammenbildungen
– Abkürzungen.
Wurzelwörter, Komposita und Derivata sind Haupttypen, die die Mehrheit der
deutschen Wörter ausmachen.
Unter Wortbildungskonstruktion (WBK) versteht man gebildete Wörter, die sich
von einfachen Wörtern (von den Wurzelwörtern, die auch Simplizia genannt werden)
dadurch unterscheiden, dass sie in der Regel ein Komplex aus verschiedenen Morphemen
darstellen, der zum Zweck der Nomination dient. Man unterscheidet auch den primären und
sekundären Stamm.
Der primäre Stamm ist das motivierende Wort, meist der einfachere Stamm, der die
Entstehung einer WBK strukturell und semantisch motiviert: Schule → Schüler.
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Der sekundäre Stamm (abgeleiteter Stamm, Derivat, motiviertes Wort, WBK) ist ein
infolge des Wortbildungsprozesses entstandenes Wort, dessen Struktur und Semantik vom
primären Wort (von motivierendem Wort) geprägt sind.
Unter Wortbildungsmodell wird Muster, Schema verstanden, nach dem neue,
sprachliche Einheiten gebildet werden:
1. Substantiv + Substantiv): Fensterbrett; Wandzeitung
2. Substantiv + Fugenelement + Substantiv: Erholungsheim; Arbeitszimmer
3. Adjektiv + Substantiv: Hochhaus;
4. Numerale + Substantiv: Fünfkampf usw.

Unter Wortbildungsbedeutung versteht man die Bedeutung des


Wortbildungsmodells, die in diesem Wort realisiert wird: Lehrer – handelnde Person,
Handarbeit – instrumentale Beziehungen, Dampfer – unbelebtes zählbares Ding usw.
Die Wortmotivation ist die Bedeutung, die durch Semantik des
Wortbildungsmodells und die lexikalische Bedeutung des primären Stammes bestimmt
wird: arbeiten → Arbeiter, Schule → Schüler, kaufen → Kauf, Lehrer →
Lehrerzimmer.
Das Wortbildungsnest enthält in der Regel die Wörter, die nicht nur etymologisch
(Wortfamilie), sondern auch semantisch verbunden sind: fahren (als Zentrum) – Fahrer,
Fahrt, Fahrerei, fahrbar, befahren, abfahren.

Man unterscheidet folgende Methoden der Wortbildungsanalyse:


– Morphemanalyse,
– Analyse nach den unmittelbaren Konstituenten (UK-Analyse),
– Transformationsanalyse.

Die kleinsten bedeutungstragenden Bestandteile eines komplexen Wortzeichens


nennt man Morpheme. Eine Wortbildungskonstruktion (WBK) lässt sich in zwei oder
mehrere Morpheme aufgliedern: Schreib-tisch, lang-frist-ig, ver-schreib-en, kränk-el-n.
Dabei unterscheidet man zwischen lexikalischen und grammatischen (formbildenden)
Morphemen. Die ersten konstituieren den lexikalischen Stamm (die lexikalische Basis)
des Wortes, die zweiten drücken die grammatische Bedeutung aus.
Die lexikalischen Morpheme können frei und gebunden sein. Im ersten Fall sind es
Wurzelmorpheme, im zweiten Fall lexikalische (wortbildende) Präfixe und Suffixe.
Die grammatischen Morpheme sind immer an den lexikalischen Stamm gebunden.
Trotz der Wichtigkeit der Morphemanalyse spielt sie nur eine untergeordnete,
vorbereitende Rolle für die allgemeine Wortanalyse, sie ermöglicht noch keinen Einblick
in die Wortbildungsstruktur einer Wortbildungskonstruktion (WBK).
Wie das Wort gebildet ist, wird es durch die Analyse nach unmittelbaren
Konstituenten (die UK-Analyse) ermöglicht. Dabei werden die unmittelbaren
Konstituenten ausgegliedert, aus welchen eine WBK gebildet ist: Schreib-tisch, langfrist-
ig, ver-schreiben, Groß-kundgebung, Beschäftig-ung, un-glaublich, sprachwissenschaft-
lich, hinaus-gehen. Bei der Ermittlung der UK werden also nicht alle Morpheme ermittelt,
sondern bestimmte Morphemkomplexe zusammengefasst. Dabei werden der primäre
(motivierende) Stamm (die Basis) und der sekundäre (motivierte Stamm) = die WBK
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unterschieden. In manchen Fällen gibt es zwei und mehr Möglichkeiten eine


Wortbildungskonstruktion in unmittelbare Konstituenten zu zerlegen: unglücklich: un-
glücklich, unglück-lich; Briefträger: Brief-träger, Briefträg-er; drogensüchtig: drogen-
süchtig, drogensücht-ig.
In der Regel handelt es sich um zwei UK, das heißt die meisten WBK werden in
zwei UK zerlegt. Ausnahme bilden zum Beispiel kopulative Komposita: schwarz-rot-
golden, deutsch-englisch-ukrainisch.

2. Derivation (Ableitung)

Das Wort Ableitung gebraucht man in der Lexikologie in zweifacher Bedeutung.


Es bedeutet
1. den Prozess der Bildung eines abgeleiteten Wortes und
2. das Resultat dieses Vorganges, das abgeleitete Wort selbst (Derivatum).

Die Ableitung geschieht in der deutschen Sprache durch:


1) Anhängen von Affixen (Präfixen und Suffixen) (explizite Derivation);
2) Suffixloses Verfahren (auch: implizite Derivation). Dazu gehört:
Wortartwechsel (Konversion), manchmal begleitet von Veränderung der Wortwurzel
durch innere Flexion (Umlaut, Brechung, Ablaut).

2.1. Suffigierung
Die Suffigierung ist eng mit der Morphologie verbunden. Die Suffixe besitzen außer
den wortbildenden noch grammatischen Eigenschaften: sie bestimmen die Wortart der
Ableitung und manchmal auch ihre grammatische Kategorie (das Geschlecht des
Substantivs, die Transivität der Verben). Daher spricht man von Substantiv-, Adjektiv-,
Verbal- und Adverbialsuffixen.
Unter Suffixen, die heute oft gebraucht werden, gibt es viele fremde, gewöhnlich
internationale Suffixe, die aus anderen Sprachen entlehnt worden sind.
Die Suffixe haben eine abstrakt-verallgemeinerte Bedeutung, mit deren Hilfe sie die
Bedeutung des Wortstammes (des primären Stammes) modifizieren, indem sie ihm die
kategoriale Bedeutung der jeweiligen Wortart und die Zugehörigkeit zu gewissen
semantischen Wortgruppen verleihen. Innerhalb dieser Wortart können die Suffixe dem
Wort gleiche semantische Bedeutung verleihen. So bestimmen die Suffixe -er, -lin, -ist
Namen der Personen männlichen Geschlechts; die Suffixe -schaft, -tum, -heit bilden
kollektive Namen usw.

Suffixe der Substantive:


a) das männliche Geschlecht: -bold (Witzbold – дотепник, жартівник), -er, -
el, -er (-ler, -ner, -aner, -ianer, -enser, -iker), -icht, -ing, - ling, -rich, -sel; entlehnte: -al,
-an, -ant, -är, -at, -ent, -et, -eur (-ieur), -ler, -ismus, -ist, -it, -on, -or, -ian (Grobian) u.a.;
b) das weibliche Geschlecht: -e, -ei (-erei, -elei), -de, -heit (-keit, -igkeit), -icht,
-in (-erin, -nerin), -nis, -sal, -schaft, -t, -ung; entlehnte: -ade, -age, -el, -enz (-anz), -esse,
-isse, -ide, -ie (-erie), -iere, -ik, -ion (-ation), -ose, -tät, -ur;
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c) das sächliche Geschlecht: -chen, -el, -lein, -nis, -sal (-sel), -tum; entlehnte: -
al, -ament (-ement), -at (-iat), -är, -ent, -et, -eur, -ler.
Suffixe der Adjektive: -bar, -en (-ein), -er, -haft, -ig (-artig, -förmig, -haltig, -
malig, - mäßig), -isch, - lich, - sam; entlehnte: -abel, -al, -ant, -ell, -est, -iv, -os (-ös).
Suffixe der Verben: -el(n), -enz(en), -er(n), -ig(en), -itz(en), -ch(en), -s(en), -
sch(en), -tsch(en), -z(en); entlehnte: -ier(en), -ch.
Suffixe der Numeralien: -zig (-ßig), -t, -st, -tel (-stel), -erlei, -malig, -fach, -ens, -
faltig.
Suffixe der Adverbien: -lich, -sam, -wärts, -lei (-erlei), -s (-dings, -lings), -st

Lehrer

N
Wort
V AffSuff
Stamm

Wurzel WBM
Lehr er
BM Suff

Lehr er

(Matzke B., Römer Ch., S. 12)


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Mehrheitlichkeit

Wort
N
Stamm
AffSuff
Stamm WBM A
WBM AffSuff
Stamm
N

Wurzel WBM A AffSuff


Suff Suff
keit
Mehr heit lich
BM Suff

lich keit
Mehr heit

(Matzke B., Römer Ch., S. 12)

2.2. Präfigierung
Das Präfix, das dem Wort zugefügt wird, verändert dessen lexikalische Bedeutung, aber
es kann nicht den Redeteil der Ableitung oder dessen grammatische Kategorien eindeutig
bestimmen, wie es bei den Suffixen der Fall ist.
Man unterscheidet Nominalpräfixe, mit deren Hilfe Substantive und Adjektive,
und Verbalpräfixe, mit deren Hilfe Verben gebildet werden. Es gibt auch solche, die bei
allen drei Wortarten auftreten (ge-, miß-). Die Zahl der Präfixe im Deutschen ist
verhältnismäßig gering.
Präfixe der Substantive: deutsche und vollständig verdeutschte: erz-, ge-, miß-, un-
, ur-; entlehnte: a-, anti-, auto-, ex-, extra-, hyper-, in-, inter-, ko- (kon-), makro-, mini-,
mono-, poly-, pseudo-, re-, super-, ultra-, vize-.
Präfixe der Adjektive: deutsche und vollständig verdeutschte: erz-, ge-, miß-,
un-; entlehnte: a-, anti-, extra-, hyper-, in-, inter-, makro-, mikro-, mono-, poly-,
super-.
Präfixe der Verben: be-, ent-, emp-, er-, ge-, miß-, ver-, zer-; entlehnte: de-, dis-,
ex-, ko-, re- u.a.
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Unglück

N
Wort
AffPräf N
Stamm

WBM Wurzel
Un glück
Präf BM

Un glück
(Matzke B., Römer Ch., S. 10)

Mißverhältnis

Wort
N
Stamm
AffPräf N

WBM Stamm V AffPräf

Stamm WBM AffPräf V


Präf WBM Wurzel Suff

Miß ver hält nis


Präf BM

Miß ver hält nis

(Matzke B., Römer Ch., S. 11)


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langhaarig

Wort A
Stamm AffSuff
NP
Wortgruppe WBM

Wurzel Wurzel A N

Suff
BM BM
lang lich ig

lang haar ig

(Matzke B., Römer Ch., S. 13)

2.3. Präfixal-suffixale Ableitung


Die Derivata solcher Art lassen sich folgenderweise zerlegen: Präfix + primärer
Stamm + Suffix, oder: primärer Stamm mit einer diskoninuierlichen (перервний,
дискретний, розривний) gebundenen unmittelbaren Konstituente (ge...t, be...en, ge...e),
die sich weiter in Präfix und Suffix teilen lässt.
Präfixal-suffixale Substantive sind deverbative und denominative Strukturen mit
dem Präfix ge- und meist mit dem Suffix -e: Gebäude, Gebirge, Gelaufe.
Präfixal-suffixale Adjektive werden nach dem Modell der Partizipialformen der
schwachen Verben gebildet: gestiefelt, entmenscht, das heißt mit Hilfe des Suffixes -t und
des Präfixes ge-.
Präfixal-suffixale Verben: beerdigen, befriediegen (be...en).

2.4. Implizite (affixlose Ableitung)


Die affixlose Ableitung (Derivation) wird auch Konversion genannt und besteht
in Überführung eines Stammwortes ohne jede formale Änderung in eine andere Wortart.
Theoretisch kann ein Wechsel in jede Wortart geschehen, doch die häufigsten
Erscheinungen sind:
1) Die Substantivierung (Übertritt eines Wortes in die Wortart Substantiv): das
Lernen, das Lachen, das Werden, das Denken, der Abgeordnete, der Gelehrte, das Grün,
das Rot, der Ruf, der Lauf, der Sitz, der Sprung, der Wuchs, der Übergang, das Ich, die
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Drei, das Gestern, das Wenn, das Oder, das Ach, im Vorübergehen, das Essen, das
Ansehen, der Schwarze, der Fremde, das Blau, das Hundert, das Nichts, das Jenseits.
Es können also substantiviert werden nicht nur Verben, Adjektive, Partizipien,
sondern auch Pronomen, Zahlwörter, Partikeln, Interjektionen, Suffixe.
2) Die Adjektivierung:
a) ernst, schade, wert, laut (von Substantiven abgeleitet);
b) zufriedene Stimme, seltene Gabe, strafweise Vorsetzung (von den Adverbien
abgeleitet);
c) eine ausgezeichnete Leistung, die ausgestellte Ware (von den Partizipien
abgeleitet).
3) Verbalisierung ist sehr produktiv und geschieht durch ein Anhängen des
formbildenden Infinitivsuffixes -en an das Substantiv oder Adjektiv: filmen, landen,
salzen, roten, wärmen, kürzen.
Die Ableitung kann bei allen ihrer Arten mit oder ohne Veränderung des
Wurzelmorphems geschehen:
a) ohne Veränderung: kaufen – der Kauf, Trommel – trommeln, achten – Achtung;
b) mit Veränderung: krank – kränken, treiben – der Trieb, Garten – Gärtner.

3. Zusammensetzung (Komposita)

Die Zusammensetzung ist eine Wortbildungsart, wo ein Wort durch die


Verbindung von zwei oder mehreren Wurzeln bzw. Wortstämmen mit oder ohne
Bindeelement sowie durch das Aneinanderrücken von syntaktischen Strukturen gebildet
wird.
Die Zusammensetzungen werden im Deutschen nach verschiedenen Prinzipien
eingeteilt, und zwar:
 je nach der Herkunft und Struktur (strukturell-genetische Klassifikation);
 je nach den semantischen und syntaktischen Beziehungen zwischen den
Komponenten des Kompositums (semantisch-syntaktische Klassifikation) und
 je nach der Zugehörigkeit des Kompositums zur jeweiligen Wortart
(morphologische Klassifikation).

3.1. Strukturell-genetische Klassifikation der Zusammensetzungen


Nach der strukturell-genetischen Klassifikation der Zusammensetzungen
unterscheidet man
– echte (eigentliche) und
– unechte (uneigentliche) Komposita.
Die UK der echten (eigentliche) Komposita verbinden sich unmittelbar ohne
Fugenelement: Tischtuch, Deutschlehrer, wasserdicht, dunkelblau;
(укр. диван-ліжко, матч-реванш, лікар-терапевт, секретар-друкарка usw.).
Die unechten (uneigentliche) Komposita sind solche, deren Komponenten
miteinander durch ein Fugenelement (Interfix) verbunden sind. In der deutschen
Gegenwartssprache werden folgende Fugenelemente (Interfixe) verwendet:
-(e)s: Tageslicht, Bundeskanzler, willensstark
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-(e)n: Modenschau, Frauenkirche, Blumenstrauß


-ens: Frauensperson, Friedensfahrt, Herzensangst
-e: Tagelohn, Schweinefleisch, Wartesaal
-er: Bücherschrank, Bilderbuch, Völkerkunde
(yкp. землекористування, харчоблок, жовто-блакитний, соціально-
політичний і т.д.).
Das Fugenelement hat eine doppelte Funktion: es erleichtert die Artikulation des
Kompositums und es markiert die Grenzen der zusammengefügten Glieder. Für die
Bedeutung der Zusammensetzung ist die Fuge funktionsneutral (Rinderbraten-
Rindfleisch, Stabhochsprung-Stabsoffizier, Badfenster-Badeschuh, Gutshof-
Güterabfertigung, Landesfarben-Landebahn), aber in manchen Fällen dient sie zur
Sinnunterscheidung:
Landmann (Bauer) ↔ Land-s-mann (Heimatgenosse);
Wassernot (Mangel) ↔ Wasser-s-not (Überschwemmung);
Schiffsfahrt (Fahrt mit einem Schiff) ↔Schifffahrt (Verkehr von Schiffen);
Das Fugenelement -i- gibt es heute noch in zwei deutschen Wörtern Bräut-i-gam,
Nacht-i-gal (mit Elementen -gam und -gal, die nicht mehr als freie Morpheme auftreten.

An die unechten (uneigentlichen) Komposita schließen sich die sog.


Zusammenrückungen (зближення) an, d.h. die aus den syntaktisch organisierten
Wortgruppen zusammengezogenen Wörter, die die Struktur von Wortverbindungen und
sogar von abgeschlossenen Sätzen haben, z.B.: jederzeit, Vaterunser, Gottseidank,
Springinsfeld, Vergissmeinnicht, Kehraus, Schnappauf, Stelldichein usw. Die letzteren
Bildungen heißen auch imperativische Satznamen, weil sie aus den Imperativsätzen
entstanden sind. (Див. укр.: перекотиполе, горицвіт, пройдисвіт, зірвиголова,
гуляйполе).

Die Lautnachahmung kann auch als Wortbildungsmittel auftreten. Es


gibt eine Gruppe von zusammengeschmolzenen Wortpaare – die so genannten
Reduplikationsbildungen, die nach besonderen Gesetzen der Rhythmik geschaffen
wurden und Komposita darstellen. Man unterscheidet hier drei Untergruppen:
1. Einfache Dopellungen, bei denen der gleiche Lautkomplex zweimal
gesetzt ist, wie: Mama, Wauwau, Pinkepinke, Blabla, jaja, soso, wortwörtlich,
2. Reimbildungen, bei denen die Anfangskonsonanten der doppelgesetzten
Wortteile variieren, wie: Larifari, Kuddelmuddel, Picknick, Klimbim, Hockuspockus,
Hockuspokus.
3. Ablautbildungen zeigen Vokalvariation (meist i-a), wie: Mischmasch,
Schnickschnack, Wirrwarr, Zickzack, biffbaff usw.

3.2. Semantisch-syntaktische Klassifikation der Zusammensetzungen


Von dem semantisch-syntaktischen Standpunkt aus unterscheidet man folgende
Arten von Komposita:
 attributive (determinative) bzw. Bestimmungszusammensetzungen; (укр.
підрядні);
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 kopulative Zusammensetzungen (укр. сурядні);


 syntaktisch erstarrte Zusammensetzungen (Zusammenrückungen).

Die determinativen Komposita haben subordinierende (підрядні)


Komponentenbeziehungen, wo die erste Komponente der Zusammensetzung ihre zweite
Komponente konkret bestimmt, z.B. „Tisch-lampe“ (was für eine Lampe?),
„wasserdicht“ (wogegen dicht?).
Die kopulativen Zusammensetzungen haben koordinierende (сурядні)
Komponentenbeziehungen, wo die beiden Komponenten des Kompositums gleichwertig
sind, z.B.: taubstumm, bittersüss, heißkühl, nasskalt, blaurot, Radiowecker usw.;
Kopulativkomposita mit einem Bindestrich, z.B.: deutsch-ukrainisch, römisch-
katholisch, Elsaß-Lothringen u.a.
укр.: студент-практикант, секретар-референт, сіро-зелений, диван-ліжко,
лікар-космонавт, гуси-лебеді, лисичка-сестричка, бізнес-центр, шеф- редактор,
інтернет-кафе, бізнес-ланч u.a.
Die syntaktisch-erstarrten Komposita bewahren formal die syntaktisch-seman-
tischen Beziehungen der Wortverbindung bzw. des Satzes, z.B.: der Springinsfeld, im
Handumdrehen, die Langeweile, der Taugenichts, der Dreikäsehoch u.a.

3.3. Morphologische Klassifikation der Zusammensetzungen


Nach dem morphologischen Prinzip werden die Komposita in
■ zusammengesetzte Substantive,
■ zusammengesetzte Adjektive,
■ zusammengesetzte Verben,
■ sonstige zusammengesetzte Wortarten eingeteilt.
Die zusammengesetzten Substantive sind im deutschen Wortbestand besonders
reich vertreten.
Die Komponenten der determinativen Komposita heißen das Bestimmungs- und
das Grundwort, wobei das Grundwort auch das grammatische Geschlecht des
Substantivs angibt, z.B.: das Gartenhaus, der Schreibtisch, das Wörterbuch, die Großmutter.
Das Bestimmungswort kann durch alle Wortarten ausgedrückt werden, z.B.:
Feuerwerk (Substantiv), Kleinbauer, Großvater (Adjektiv), Schreibtisch, Singvogel,
Zeigefinger (Verb), Viereck, Zwietracht, Siebenschläfer (Numerale), Niemandsland,
Ichsucht (Pronomen), Außenminister, Niederlage, Hinfahrt (Adverb), Nachhilfe,
Unterarm, Vorteil (Präposition) usw.

Als erste Komponente der substantivischen determinativen Zusammensetzungen


können auftreten:
1) Substantiv: Ackerbau, Tischlampe, Völkerrecht
2) Adjektiv: Hochschule, Feinmechanik, Schwerstarbeit, Warmwasser
3) Verbstamm: Sprühregen, Schlafzimmer
4) Numerale: Viereck, Dreikampf, Einbaum
5) Adverb: Außentemperatur, Aufwärtsdampfer
6) Pronomen: Ichform, Selbstverteidigung; Mehrzahl
7) Partikeln: Jastimme, Fürwort
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8) Eigennamen: Berlinreise, Herdermedaille


9) Präposition: Vorabend, Nachmittag, Gegenmaßname.

Unter den substantivischen Bestimmungszusammensetzungen unterscheidet man


eine besondere Gruppe, die sog. Bahuvrihi (altind. bahu = viel, vrihi = Reis). Die
Bahuvrihi (oder Possessivkomposita) stellen eine Art der Metonymie dar, die eine
Übertragung eines Teils auf das Ganze (pars pro toto) sind und nur Lebewesen (Personen)
nach einem charakteristischen Merkmal (nach einem Körperteil, Kleidungsstück u.a.)
bezeichnen, z.B.: Rotkäppchen, Glatzkopf, Grünschnabel, Blaustrumpf, Langfinger
(Taschendieb), Schneewittchen, Schlaukopf, Aschenputtel, Dornröschen, Dickkopf,
Geizhals, Schreihals, Pechvogel, Arbeitspferd, usw. (Пор. укр.: шибайголова,
відчайдух, жовтобрюх, скалозуб, бліднолиций і т.д.).

Für die deutsche Sprache sind lange Wörter typisch, die Schlangenwörter hei-
ßen: Sonntagsnachmittagslieblingsbeschäftigung, Unfallschadenkörperbehinderten-
beschäftigungstherapeut usw, was der Ausdruck der heutigen Entwicklungstendenz zur
Rationalisierung des Deutschen ist.

Als erste UK der adjektivischen Zusammensetzungen können auftreten:


1) Substantiv: leistungsstark, wasserdicht, formbeständig
2) Adjektiv: frühreif, leichtkrank, blassgelb
3) Verbstamm: rutschfest, gleitsicher
4) Initialwort: Nato-intern, BRD-spezifisch.
Als adjektivische Komposita sind auch die WBK mit einem Partizip als zweite UK
anzusehen: naheliegend, frohgestimmt.
Als erste UK der verbalen Zusammensetzungen können auftreten:
1) Verb: stehenbleiben, liegenlassen, sitzenbleiben
2) Substantiv: formgeben, maschinenschreiben, schlittenfahren
3) Adjektiv/Adverb: festmachen, kaltbleiben, kurzarbeiten
4) Adverbiale Partikeln: dableiben, hinterherlaufen, nebenherlaufen, hingehen,
hinausgehen, davonlaufen
5) Partizip II: verlorengehen, gefangennehmen.
4. Besondere Arten der Wortbildung

4.1. Zusammenbildungen (зрощення)

Die Zusammenbildungen sind Wortgebilde, die den Zusammensetzungen sehr


ähnlich sind. Sie entstehen aber durch Zusammensetzung und Ableitung (Suffigierung
und Substantivierung): rotwangig (rote Wangen), Freilassung (frei lassen), Besserwisser
(besser wissen), Stubenhocker (in der Stube hocken), Eisbrecher (Eis brechen),
frühmorgentlich (früher Morgen), Außerachtlassung (außer Acht lassen); das
Abschiednehmen, das Alleinsein, das Türöffnen u.a.
4.2. Konversion (Wortartwechsel)
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Die einfachste Form der Wortbildung ist der Übergang eines Stammwortes ohne
jede formale Änderung in eine andere Wortart. Das neue Wort erhält dann die
kategorialen Eigenschaften der neuen Wortart.
Der Wortartwechsel, oder die Konversion (noch die Konvertierung, die
Transposition), ist in der deutschen Sprache produktiv.
Theoretisch kann ein Wechsel in jede Wortart geschehen, doch die häufigsten
Erscheinungen sind:
1) die Substantivierung (Übertritt eines Wortes in die Wortart Substantiv);
2) die Adjektivierung (Übertritt eines Wortes in die Wortart Adjektiv);
3) die Verbalisierung (Übertritt eines Wortes in die Wortart Verb).
Praktisch und theoretisch kann jedes Wort substantiviert werden. Sehr verbreitet
ist die Substantivierung der Infinitive (das Lernen, das Lachen, das Werden, das Denken),
der Partizipien (der Abgeordnete, der Delegierte, der Gefangene, der Gelehrte), der
Adjektive (das Grün, das Rot). Auch andere Redeteile können ohne weiteres
substantiviert werden (das Ich, die Seinigen, die Drei, die Sieben, das Gestern, das Wenn,
das Oder, das Ach).
Besonders produktiv ist heute die Substantivierung der Verben (das Leben, das
Denken, das Wesen, das Essen, das Dasein).
Alle substantivierten Infinitive haben neutrales Geschlecht.
Auch substantivierte Adjektive (bzw. Partizipien) können gelegentlicher und
fester Art sein (gelegentlich sind z. B.: das (die, der) Interessante, der (die, das) Schwarze,
der Bessere, der Liebste).
substantivierte Pronomen: das Ich, das Du, das Mein und Sein (verwechseln), das
Nichts, das Selbst;
substantivierte Zahlwörter: eine Eins, eine Fünf, das Hundert; substantivierte
Präpositionen: das Für und Wider; substantivierte Konjuktionen: das Wenn und Aber;
substantivierte Adverbien: in einem Nu;
substantivierte Partikeln: das Jenseits, das Aus (im Sport); substantivierte
Interjektionen: mit Ach und Krach, das Weh und Ach; substantivierte Suffixe: der Ismus;
Buchstaben: das scharfe S, das A und O, das stumme H.
Besonders häufig sind die Ableitungen von präfigierten und zusammengesetzten
Verbalstämmen (das Aufgebot, der Umfang, der Aufstieg, der Verstand, der Übergang,
der Beginn).
Auch von schwachen Verben können auf gleiche Art Substantive abgeleitet
werden (der Traum, der Verkauf, der Gruß, der Unterricht), doch es ist nicht immer so
einfach und manchmal sogar unmöglich – wie bei den starken Verben – festzustellen,
welches von den beiden Wörtern primär und welches abgeleitet ist, das Verb oder das
Substantiv; vgl. die Arbeit – arbeiten; der Brauch – brauchen; der Raub – rauben.
Die abgeleiteten Substantive dieser Art werden heute nicht mehr neu gebildet, doch
die bereits geschaffenen Ableitungen sind sehr verbreitet und gebräuchlich.

Die Adjektivierung ist im Deutschen zwar möglich, doch nicht verbreitet.


Von Substantiven abgeleitet sind: ernst, angst, schade, jmdm. freund (feind) sein,
wert, laut. Dazu kommen noch undeklinierbare Adjektive, abgeleitet von Stadt- und
Ländernamen: Münchner Bier, Berliner Tiergarten, Leipziger Messe, Wiener Walzer.
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Auch die Adjektivierung der Adverbien ist wenig produktiv: zufriedene Stimme,
seltene Gabe, bange Hoffnung.

Die Verbalisierung vervollständigt immer noch die Klasse der deutschen


schwachen Verben. Dieser Prozess ist heute sehr produktiv, wobei die Zahl der
Ableitungen durch Substantivierung und Adjektivierung von der Zahl dieser Ableitungen
weit übertroffen wird.
Besonders groß ist die Zahl der Ableitungen aus einfachen und zusammengesetzten
Substantiven (pflügen, filmen, landen, trommeln, hämmern, salzen, chatten, klicken,
downladen, updaten, fernsehen, radfahren).
Die von Adjektiven abgeleiteten Verben haben in der Regel Umlaut: (ver)bläuen,
röten, wärmen, kürzen.
Die Adverbialisierung ist im Deutschen relativ selten: Weg → weg, Heim → heim.
Häufiger wird die Präpositionierung beobachtet, d.h. Übergang der Substantive in die
Klasse der Präpositionen (kraft, dank, statt usw.).

5. Abbreviation (Abkürzung, Wortkürzung)

Die Kürzung ist die Wortbildungsart, mit deren Hilfe, die schon in der Sprache
existierenden Zusammensetzungen und Wortverbindungen zu einem Komplex abgekürzt
werden. Die Kurzwortbildung ist eine außerordentlich produktive Wortbildungsart. Das
Tempo unserer Zeit verlangt Kürze. Verkürzte Wörter erleichtern besonders in
Wissenschaft und Technik die Arbeit. Sie sind übersichtlicher und vielfach international
verbindlich. Die in der deutschen Sprache gebräuchlichen Verkürzungen werden auf
mehr als 50 000 geschätzt.
Alle Abkürzungen werden in zwei Gruppen eingeteilt:
– in schriftliche (graphische), z.B. u.a., usw. und
– mündliche Abkürzungen, z.B. die BRD, UNO.
In der deutschen Sprache wie auch in der ukrainischen Sprache gibt es mehrere
Arten der Abkürzungen:

a) Kopfwörter, bei denen das erste Stück des Vollwortes für das Ganze verwendet
wird. Sie sind im Deutschen wohl am häufigsten: Akku, Abo (Abonnement), Philo
(Philosophie), Info, Abi, Labor, Uni, Auto, Prof, Foto, Lok, Kondi, Limo, Ober, Anarcho
(Anarchismus), Deko (Dekoration), Demo (Demonstration), Zoo, Diss(ertation),
Soli(darität), Schoko(lade), Steno(grafie), Dia(positiv) usw.

b) Schwanz- oder Endwörter, bei denen der Anfang getilgt wird: Bus, Cello, Rad,
Funk, Bahn (Schnellbahn), Eisen (Bügeleisen), Schnitt (Durchschnitt), Achim (Joachim),
Thea (Dorothea), Gitte (Brigitte)

c) Rumpfwörter ‒ eine Vollform des Wortes wird auf einen mittleren Teil
verkürzt: Lisa (Elisabet), Basti (Sebastian)
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Es gibt noch eine kombinierte Wortbildungsmethode im Übergangsbereich von


Kürzung und expliziter Ableitung, wo gleichzeitige Kürzung und Suffigierung erfolgt,
weil die Kurzform allein nicht existiert:
Assi, Ami (Amerikaner), Profi, Drogi, Nervi (der auf die Nerven geht), Pulli
(Pullover) u.a.
Besonders ist diese kurzwortbildende Kreativität bei der Jugend zu beobachten.
Bei partiellen Kurzwörtern wird das Wort, ein Determinativkompositum, nur
teilweise gekürzt, und zwar nur der determinierende Teil (d.h. l. UK). Das Determinatum
(d.h. 2. UK) bleibt von dem Kürzungsprozess unberührt:
O-Bus (Oberleitungsomnibus), U-Bahn, D-Zug, U-Boot, S-Bahn, E-Werk,
(Elektrizitätswerk), FH-Tür (feuerhemmende Tür), V-Mann (Verbindungsmann), E-Mail
(Electronic Mail), E-Musik (ernste Musik), U-Musik (Unterhaltungsmusik).
Zu den partiellen Kurzwörtern gehören auch die sogenannten „Kopf-Schwanz-
Wörter“ oder „Klammerwörter“:
Polit(isches)büro; Auto(mobilomni)bus; Fern(sprech)amt; Mo(torho)tel;
Euro(päische) (Tele)vision; Inform(ations)büro; Op(toelek)tronik; Atom(wäffen) krieg;
Deo(dorant)spray.
Polysegmentale Kurzwörter stellen die Gruppe von Kürzungen dar, die aus
mehreren, nicht zusammenhängenden Segmenten der Vollform bestehen bzw. deren
komplexe Vollform (Wort, Wortgruppenlexem) nicht nur teilweise, sondern in allen ihren
Bestandteilen reduziert wird. Nach dem Grad der Kürzung können die meisten
multisegmentalen Kurzwörter weiter eingeteilt werden in:
a) Initialkurzwörter (літерні), die aus den Anfangsbuchstaben der
vollständigen Wörter bestehen.
Diese Vollform kann eine Zusammensetzung sein (z.B. LKW – Lastkraftwagen,
die BRD; die UNO, NATO, GUS, USA, DAAD, TÜV (Technischer
Überwachungsverein), RTL (Radio Television Luxemburg), UNESCO, LP
(Langspielplatte), PLZ (Postleitzahl), PR (Publik Relation), PC.
b) Silbenkurzwörter (складові):
Gewi = Gesellschaftswissenschaften
Arak = Atomrakete
BuBa = Bundesbahn
Kripo = Kriminalpolizei
Stasi = Staatssicherheit
Soko = Sonderkomission
Moped = Motor + Pedal – Fahrrad
Mofa = Motorfahrzeug
Klako = Klassenkonferenz
Mifri = mittelfristig
Wema = Werkzeugmaschinenfabrik
Benelux = Belgien, Niederlande, Luxemburg
Kita = Kindertagesstätte
c) Mischkurzwörter, sie stellen in geringer Zahl eine Kombination von Initial-
und Silbenkurzwörtern dar:
Edeka → Einkaufsgenossenschaft deutscher Kolonialwarenhändler
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5. Wortbildungskonstruktionen (WBK) mit Halbaffixen

Unter Halbaffixen (Halbpräfixen und Halbsuffixen) werden Kompositionsglieder


der Komposita verstanden, die nicht vereinzelt, sondern serienweise gebraucht werden,
und somit die Funktion der Wortbildungsmittel erfüllen, ohne dabei ihre lautliche wie
auch semantische Verbindungen mit den ihnen entsprechenden Lexemen zu verlieren.
Die Halbaffixe werden auch „Affixoide“, „relative Affixe“ genannt. Einige Halbaffixe
stehen den Komponenten der Zusammensetzung, die anderen den Affixen näher. Zu den
Kriterien, nach denen die Halbaffixe ausgesondert werden, gehören:
1) der Seriencharakter der Lexeme, die sie erhalten;
2) ihre formelle Identität und etymologische Verwandtschaft mit frei gebrauchten
Wörtern;
3) semantische Verschiebung, denen sie als Wortbildungselemente unterliegen,
ohne dass die semantische Verwandtschaft mit freien Wurzelmorphemen vollständig
verlorengeht.
Zu den Halbaffixen werden gezählt:
1) Halbsuffixe:
a) Halbsuffixe der Substantive: -mann (-leute, - männer), -frau, -bild, -person, -
hans, -liese, - peter, -meier, -stück, -werk, -zeug, -mut, -sinn, -lust, -sucht, -gier, -kunde,
-wesen. Z.B.: Pelzwerk, Uhrwerk, Mundwerk, Zuckerwerk; Klatschliese, Gaffliese,
Bummelliese; Gaffhans, Prahlhans; Bumelfritze; Fachmann, Landsmann, Staatsmann.
b) Halbsuffixe der Adverbien: -weise, -maßen, -dings, -willen, -seits, -weg. Zum
Beispiel: haufenweise, schrittweise, probeweise, zeitweise, fallweise.
2) Halbpräfixe:
a) Halbpräfixe der Substantive und Adjektive: riese(n)-, mord(s)-, blitz-, (höchst-),
grund-, stock-, hoch- über-, all-, ab-, vor-, neben-. Zum Beispiel: Grundwort,
Grundstück, Grundfarbe, Grundfehler, Grundgehalt, Grundfläche, grundfalsch,
grundgelehrt, grundhässlich.
b) Halbpräfixe der Verben: ab-, an-, auf-, aus-, bei-, ein-, mit-, nach-, vor-, zu-,
hinter-, über-, unter-, wider-. Zum Beispiel: widerfahren, widerhallen, widerklingen,
widerlegen, widerrufen, widerraten, widersprechen.

7. Okkasionalismen

Unter den Okkasionalismen werden einmalige Bildungen verstanden. Meistens


sind sie in der schönen Literatur zu finden. Einmalige Bildungen werden von vielen
Schriftstellern gebildet, um einen mehr oder weniger greifbaren stilistischen Effekt im
Text zu verursachen. Beispiele:
Die Okkasionalismen von E. Strittmatter: Kleinleute-Zeiten, Zweizentnerengel,
Gedankenflugzeug, Feuerbiß, Hühnermusik, Wortpeitsche, Bürokratentag, Wutzittern,
Gedankengeschwätz, Vertrauenshase, Siegesgeheul, Freßmaschine, Neugiernase,
Halbmensch, Eissturmtote, Immersäüfer, Fischmensch, Herumfragen, Hühnermutter,
Allesmacher, blumentoll, schweinsblond, schneebetäubt, schweißdurchtränkt,
sonnenverträumt, dummgut, neugirigzitternd, glasaügig, gelbgeärgert, millionenfenstrig,
naßerdig.
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Okkasionalismen von W. Borchert: Ziegenbockmensch, Lippenfaulheit,


Gemüseleute, Klarinettschrei, Ziegenmecker, Hoffnungsgrünerfindermann,
Märchenbuchliebergott, meermüde, sternüberstrickt, pflastermüde, meerhungrig,
zigarettenfingerig, tintenblütig, karpfenmäulig, violettwüttig, Winterbeine,
Grünpulvermann, mundharmonikablechüberzittert.

Fragen zur Selbstkontrolle:


1. Was wird unter dem Terminus „Wortbildung“ verstanden?
2. Nennen Sie Grundbegriffe der synchronen Wortbildung und erklären Sie
diese Begriffe.
3. Welche Methoden der Wortbildungsanalyse kennen Sie?
4. Wodurch unterscheidet sich die Morphemanalyse von der UK-Analyse?
5. Wodurch unterscheiden sich die lexikalischen und grammatischen
Morpheme?
6. Was wird unter den „freien“ und „gebundenen“ Morphemen verstanden?
7. Welche Wortbildungsarten kennen Sie?
8. Welche Worttypen unterscheidet man im Deutschen?
9. Was wird unter impliziter und expliziter Ableitung verstanden?
10. Worin besteht die Suffigierung?
11. Worin besteht die Präfigierung?
12. Was bedeutet präfixal-suffixale Ableitung?
13. Nennen Sie die wichtigsten Suffixe und Präfixe verschiedener Wortarten.
14. Was versteht man unter Halbaffixen?
15. Was wird unter dem Terminus „Konversion“ verstanden?
16. Worin besteht die Zusammensetzung?
17. Welche Arten der zusammengesetzten Wörter kennen Sie?
18. Was bedeutet eigentliche und uneigentliche Komposita?
19. Wodurch unterscheiden sich Zusammenrückungen von Zusammen-
bildungen?
20. Was wird unter Abkürzungen verstanden und welche Arten von Kurzwörtern
gibt es?
21. Nennen Sie Beispiele von den Abkürzungen in der ukrainischen Sprache.
22. Was versteht man unter Halbaffixen?
23. Definieren Sie den Terminus „Okkasionalismus“.

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