Peter Hacks - Gedichte

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1. 8.

1973 Couplets der Galatea


1866 Oder Sagen Sie mal was gegen Couplets der Helena
Bismarck Couplets der Könige
Alphornballade Couplets des Agamemnon
Als ich kam durchs Oderluch Couplets des Orest
Als mein Mädchen zu Besuch kam Da ist ein Weg im städtischen Rasen
Alte Charité Dansa
Am Scheideweg Das Bad im Freien
Am Ziel Das Ende
Amor vincit Das Heimchen
An die Nachtigall Das Kind am Alexanderplatz
An die Tugend Das kleine Testament des Hauptmanns
Anlässlich der Wiedergewinnung des Macheath
Paradieses Das Lied vom schnellen Hasen
Anlässlich einer Mainacht Das lustige Vögelein
Anlässlich ihrer Autoreise in die Das musikalische Nashorn
nördlichen Provinzen Das Muttergottesbild
Anmut und Würde Das Pflaumenhuhn
Anruf Das Riesenquartett
Arie der Helena Das Schätzchen im Brunnen
Athen Das Wir, für J. R. Becher
Auf dem Abweg David, Junge!
Auf dem Bergarbeiterball in Bitterfeld Deianeira
Auf dem Hof zu spielen ist nur Demut der Liebe
Leiermännern gestattet Der alte König
Auf der Suche nach der weißen Göttin Der Begas-Brunnen
Auf Lauras Entjungferung Der blaue Hund
Aus der Weisheit des Bonzen Der Bluewater-Valley-Song
Aus Urgroßvaters Hutband Der Bulle
Ausblick Der Dichter, einem Schwanze verglichen
Ausflug mit Aphrodite Der Drachen
Ballade vom edlen Räuber Der Eilbrief
Ballade vom großen Hut Der elektrische Strom
Ballade vom Highway Man Der Fährmann von Mautern
Ballade vom schweren Leben des Ritters Der Gartenriese
Kauz vom Rabensee Der Geistergeburtstag
Beeilt euch, ihr Stunden Der Gletscherzwerg
Bei Arnims Der greise Chasseur
Beiseites Der großen Riesen langer Tag
Bescheidung Der Haarstern
Blumen schenkt mir die Liebste (1) Der Heine auf dem Weinbergsweg
Blumen schenkt mir die Liebste (2) Der Herbst steht auf der Leiter
Böse Menschen singen nicht Der Kahlbutz
Büchner Der König hat ein Doppelkinn
Capua-Song Der kranke Laubfrosch
Chor der Bauarbeiter Der Mensch kein Vogel
Chor der Vögel im Regen Der Monarch
Chor und Chanson des Orest Der Nachfolger
Choral Der Oder-Havel-Kanal
Chorlied an das Bett Der Renaissancemensch
Chorlied an die Muse Der Säbelkaiser
Der Salut von Memel Die Welt, schon recht
Der schüchterne Kasper Die Wildgänse
Der Schuldner Diomedes
Der sieche Fisch Dornröschen
Der Sieger Drei Übersetzungen
Der sterbende Sänger Du sanfte Liebe
Der Traum vom Umweltschutz Du sollst mir nichts verweigern
Der Trödelladen des Herrn Pätes Duett des Herakles
Der Vogel Turlipan Eber von Gottow
Der Walfisch Ein Gleichnis
Der Weltreisende Eine dicke Familie
Der Winter Einem Vermittler
Der Wunderhengst Caesario Ende gut
Des Feuers Glut, des Wassers feuchte Englische Eröffnung
Kühle Epilog zum Prolog der Münchner
Des Mannes Liebe wohnt im Herzen Kammerspiele
Detektivlied Erloschenes Herz
Die Begünstigten Ermunterung
Die Blätter an meinem Kalender Erster Mai
Die Braut des Deserteurs Erziehung der Gefühle
Die Dardanellen Es fiel ein Schnee
Die Datsche in Peredelkino Es ist wahr, was ich sag
Die drei Gewalten Es war ein kleiner Junge
Die Elbe Feigheit
Die Espen Fin de Millénaire
Die Feder Flugblätter
Die Flucht nach Astapowo Frage nicht, ob Liebe lohnet
Die Frau, zu der ich abends geh Frage
Die Gemme Frau Tausendfuß heut Wäsche hat
Die Glücksbringerin Freikörper
Die goldne Laus zu Bismark Freu dich, Liebe
Die Himmelstür Freundlichkeit
Die Hure Frieden
Die Hydra Fülle des Lebens
Die Kindermörderin G.
Die kleine Lokomotive Gartenkunst märkisch
Die kleinen Einhörner Gedicht des Laubfroschs
Die lächerlichen Unpreziösen Geh, müdes Herze
Die Lerche Genoveva
Die Liebe als Schulmeister Getane Arbeit
Die Mädchen aus Rochelle Goethe und Tischbein
Die Mädchen im grünen Leguan Göttergeburt
Die Mädchenhasser Heidelied
Die Oliven gedeihn Heile Welt
Die Portwein-Arie des Oberst Brocklesby Hermine
Die Rippe Hier, wo der Tann haltmacht, die Buche
Die Sonnenblumen endet
Die Spalte Himmelssachen
Die Tränen der Mädchen von Mayo Hochzeitslied
Die vierte Ekloge des Vergil Höhlenbewohner spielen
Die Weidenbank Hübsche Lady
Ich häng mein Flint Nachricht vom Leben der Spazoren
Ich sehe was, was du nicht siehst Nachtfrost
Ich trug eine Rose im Haar Nebel
Im Prospekt steht Neue Liebe
Im Zwiebelbeet Nicht Weisheit mangelt mir und nicht
Infamie Geduld
Irrtümer Nikolaus erzählt
Johann Meusel O Mr. Perkins
Johannes Tetzel O tiefe Neigung, ungenaue Kenntnis
Jona O tote Welt. Sehr schweigend siehst du zu
Jules Ratte oder selber lernen macht schlau O trübe, trübe
Kaffee-Einladung O Vorsicht der Frauen
Kanzone des Königs Salomon Ob Sonnen sterben, Monde sich verspäten
Kanzone Ode auf Berlin
Kartoffelfrauen Ohne Groll
Kiefern und Rosen Ohnmacht der Sprache
Kläffi und Flohi Oktober-Song
Klavierstück Orientalischer Tanz
Kleine Freundin vorm Spiegel Paris
Königsrondo Park im Frühling
Kurze Nacht Philomele
Ladislaus und Komkarlinchen Plagejahre
Lass mir deiner Blumen eine Plappern
Laster und Reue Pole Mole
Leben Neros Priapos
Lebensbeschreibung der morschen Eiche Produktionsverhältnis
Hulda Prokne
Lieb und Leiden Prolog der Münchner Kammerspiele zur
Lieb, o Liebe unbedacht Spielzeiteröffnung 1973-74
Lied der Ameisen beim Zweigleinheben Prolog zur Wiedereröffnung des Deutschen
Lied der geraubten und in die türkische Theaters
Sklaverei verkauften Kinder Regen
Lied des Merkur Rentners Abendlied
Lied mit Worten Richtigstellung
Lied von den Läusen Rote Traube von Korinth
Lobositzer Marsch Ruf der Nachtigall
Luna Sängers Höflichkeit
Lydia Sarg, Leichentuch und Grab
Malbrough Saturno
Männer, wenn sie lieben Schlimme Liebe
Märkische Wiesen Schlossmuseum zu Weimar
Marx Schlusschor
Mein Dörfchen Schneeflöckchen leise
Meine Katze Isabo Schneezeit
Melancholie Schneller, schneller
Menelaos’ Abschied Schule der Liebe
Missmut Schulstunde spielen
Moritat vom Vatermörder Christopher Schwabing 1950
Mahon Schweinelied
Morpheus Schwerer Himmel
Mozart auf der Reise nach Paris Scipio
Sehnsucht Zeitgedicht
Seit du dabist Zu Lessings Zeit
Selbsterkundung Zuflüchte
Shimmy in Grün Zumirfinden mit Landschaft
So, scheidend von der Liebe Leiden Zur Güte
Sommer Zwei Erfinder
Sonett Zwei Wälder
Spross der Olive, mordendes Gerät Zwischen den Stühlen
Streiklied
Süßer Ernst
Tages Arbeit
Taglied
Tannhäuser
Tastend
Theaterrede
Tiefe
Tod Lumumbas
Tränen
Traumstadt
Trip, trip, trop
Über das Angeln von Meerweibern
Über das Eingewöhnen von Meerweibern
Über die Liebe zu Meerweibern
Unter der Weide
Unterm Mohrenmond, ein Solo-Duett
Unterm Weißdorn
Valse Flamande
Vanitas
Vaqueyra
Verlorner Eifer
Vernunftreiche Gartenentzückung
Verschlossen ist des stillen Gartens Tor
Versöhnungschor
Viehaustrieb
Vogelweihnacht
Volksmoritat
Von den Helden Irlands
Von den Rechten des Weibes
Vorbehalt und Hoffnung
Wann geht endlich die Musik los
Was kann mich noch bewegen
Was meine Mutter, sagt sie, erlebte
Was träumt der Teufel
Wechsel
Weidenblatt und Muskatblume
Wenn Chronos schläft
Westwärts ho
Wie Sonnenschein im Märzen
Wiese, grüne Wiese
Wilhelm von Humboldt
Wo sind die andern Weiber
Peter Hacks
1. 8. 1973

Ulbricht leider ist tot und Schluss mit der Staatskunst in Deutschland.
Immer mächtiger treibts mich in den Goethe hinein.
Zieh jetzt, Freundin, dein Herz nicht zurück. Als letztes sonst bleibt mir,
Einzutrimmen die Kunst einer barbarischen Zeit.
Peter Hacks
1866 Oder: Sagen Sie mal was gegen Bismarck

- Bismarck, was hör ich, ein Krieg ist in Sicht?


Wer ist denn hier der König, den führ ich Ihnen nicht.

- Wenn es um Russland geht: der Zar


Ist mir gewogen ganz und gar.
Hinsichtlich jeder Zeiterscheinung
Sind er und ich stets einer Meinung.
Denn rechts des Niemen und rechts der Elbe
Das Dorfsystem ist fast dasselbe,
Der Barin zahlt wie der Baron
Viel lieber Prügel aus als Lohn,
(Nur sollen mir die leibeignen Seelen
Dereinst auch noch den Reichstag wählen).
Wir fühlen: jede Obrigkeit
Ist eine Gottgegebenheit,
Kurz, im Erhalten und Bewahren
Akkordier ich völlig mit dem Zaren.
Er hat mir versprochen, beim Kriegsgeschehn
Stillzuhalten und zuzusehn.

- Famos, lieber Graf. Famos, famos.


Doch bin ich noch die Skrupel nicht los,
Womit ich mich seit Tagen quäl.

- Wegen Viktor Emanuel?


Aber grad der hat als Genossen
Mich ins demokratische Herz geschlossen.
Ich bin der letztverbliebne Sohn
Der europäischen Revolution.
Die alten Reichsverfassungsstänker
Waren edle und tiefe Denker,
Haben nur das eine nicht bedacht,
Dass man Umsturz nicht in Kirchen macht.
Der König liebt mich. Er hat seine
Fürsten beseitigt wie ich meine,
Und böse sind wir im gleichen Grad
Mit dem Papst und seinem Staat.
Ich hab ihm Venetien angetragen.
Er wird sich tapfer mit uns schlagen.

- Sie haben noch immer nicht kapiert ...

- Majestät fürchten, Frankreich marschiert?


Doch nicht Napoleon. Bei dem Mann
Lernte ich alles, was ich kann:
Von Parlamenten und Parteien,
Nicht hinzuhören, was sie schreien,
Die Kunst des Staatsstreichs, des Volksbegehrens
Und des vom Volk die Straße Leerens;
Denn nur eine Kostenrechnung des Blutes
Verhindert Schlimmes und tut Gutes.
Wie alle Erfinder ist Bonaparte
In seinen Nachahmer vernarrt.
Er traut mir völlig. Ich bin da kühler.
Er ahnt nicht, dass am besten Schüler
Der beste Lehrer wird zuschanden.
Er ist vollkommen einverstanden.

- Nein, Bismarck, Sie sind ein Genie.


Ich weiß ja, sowas können Sie.
Ich wollte sagen: Mich verdrießt,
Wenn der Deutsche so auf den Deutschen schießt.

- Ach so, gottlob, ein Missverständnis.


Deutsche sind nach meiner Kenntnis
Ganz unbetroffen. Mein Eisen fressen
Sollen Nassauer, Hannoveraner, Hessen,
Auch Leute aus Württemberg oder Baden
Kämen allenfalls zu leichtem Schaden,
Doch sind sie geschossen nach Deutschland hinein,
Dann mögen sie ganz ruhig sein.
Ein Roland stell, in Erz gegossen,
Ich mich vor Reich und Kaiser hin.
Auf Deutsche, Sire, wird nicht geschossen,
Solange ich der Kanzler bin.

„Barin“ ist soviel wie Gutsherr. Mit den Kirchen, in denen man keinen Umsturz macht, meint Bismarck die Pauls-
kirche. „Kostenrechnung des Blutes“ ist eine Übersetzung von économie du sang.
Peter Hacks
Alphornballade

Die Herde, der Hund und der Hirt haben droben


Am Saumpfad sich gänzlich verirrt.
Nun stehn sie, vom Abendpurpur umwoben,
Die Herde, der Hund und der Hirt.

Die Herde, der Hirt und der Hund sind verschwunden


Im tiefen, im nächtlichen Grund.
Sie sind verschwunden und ungefunden,
Die Herde, der Hirt und der Hund.

Der Hirte, der Hund und die Herd, ach, sie ruhen
Nicht unter, nicht über der Erd.
Nachts höret mans rufen und bellen und muhen ...
Der Hirte, der Hund und die Herd.
Peter Hacks
Als ich kam durchs Oderluch

Als ich kam durchs Oderluch,


Weiden und saures Gras,
Unken schrein im Schierlingskraut,
Bruder, so war das,
Als ich kam durchs Oderluch.

Als ich kam zum zweiten Mal,


War versperrt mein Pfad,
Bagger und Planierraupen,
Gräben im Quadrat,
Als ich kam durchs Oderluch.

Komm ich heut durchs Oderluch,


Singen die Mädchen im Korn,
Hinten, wo die Sonne sinkt,
Und am Wege vorn,
Wenn ich komm durchs Oderluch.
Peter Hacks
Als mein Mädchen zu Besuch kam

Als mein Mädchen zu Besuch kam,


Unerwartet wie ein Lied,
Als ich sie dann auf das Tuch nahm,
Das mein Bette überzieht,
Als die Frösche und die Vögel
Munter quarrten in der Nacht,
Habe ich von Gottes Regel
Besser als zumeist gedacht.

Als mit Lachen und mit Stöhnen,


Als mit zärtlichem Gelüst
An der Schönheit meiner Schönen
Ich mich noch nicht sattgeküsst,
Als der Morgensonne Prangen
Aus den Wiesen sich erhob,
Wusste ich dem Unterfangen
Seiner ganzen Schöpfung Lob.

Diese Nacht war von den Nächten,


Wo der Mensch die Liebe spürt,
Wo die Knoten sich entflechten,
Die man ihm ums Herz geschnürt,
Als mein Mädchen zu Besuch kam,
Unerwartet wie ein Lied,
Und wo ich sie auf das Tuch nahm,
Das mein Bette überzieht.
Peter Hacks
Alte Charité

So viele Schwestern hatte ich noch nie.


Ich bin im Bett und außer Leibsgefahr.
In meinem Bauchfleisch steckt ein Stück Charpie.
Der Arzt stellt gerne seine Krankheit dar.

Durch hohe Fenster blick ich in den Westen.


Von Osten blick ich und von oben her:
Aus jenem üblen von den deutschen Resten
In den, worin mir noch viel übler wär.

Novemberbäume stehn besonnt und kahl,


Es sind die gleichen hüben oder drüben.
Natur kann weder retten noch betrüben.
Den Möwen ist die Mauer ganz egal.
Aus fernem Dunst taucht rötlich eine Eule.
Es ist die Nike auf der Siegessäule.
Peter Hacks
Am Scheideweg

Wenn Liebe mir am Leben zehrt,


Lieb ich doch immer fleißig.
Undeutlich ist des Lebens Wert.
Den der Liebe weiß ich.
Ich hab geackert vierzig Jahr,
Es ward mir bös gedankt.
Nun soll es sein die Nachwelt gar,
Die sehr nach mir verlangt.

Die Nachwelt rollt an mir vorbei


In weiß und rosa Kissen.
Da hab ich den Verdacht, als sei
Sie heute schon beschissen.
Mein Denkmal auf der Hacksallee,
Von Zukunfts-Volk umwühlt -
Wenn ich diese Kinder seh,
Schwant mir, was es fühlt.

Ich lieb nicht schlechter, als ich schreib,


Bin ja dasselbe Wesen.
Der Unter- wie der Oberleib
Hat seinen Marx gelesen.
Und wann ich den Entschluss gefasst?
Mein Engel, als ich fand,
Wie gut du mich begriffen
Mit deiner Engelshand.
Peter Hacks
Am Ziel

Voll mit Orden hängt und Wappen


Mein Portrait an jeder Wand.
Die auf Fehlern mich ertappen,
Bleiben lieber ungenannt.

Alle Erd- und Meeresteile


Gossen sich in meine Truhn.
Nichts gebricht mir mittlerweile.
Was ich wollte, hab ich nun.

Neckermann und Intourist


Schleusen Gruppen durch mein Haus.
Feine alte Fräuleins führen
Rangpersonen ein und aus.

Drinnen meine Werke haben


Kaum noch Stellplatz. Reih an Reih
Stehen sie in Prachtausgaben
Und vollkommen fehlerfrei.

Ruhm und Glanz sind mir gegeben.


Staunen brandet zu mir hin.
Teufel auch, das wird ein Leben,
Wenn ich erst gestorben bin.
Peter Hacks
Amor vincit

Das von der Welt und das von der Kunst und das von der Tugend.
Süßre Erwägungen lass endlich nun dehnen dein Herz.
Peter Hacks
An die Nachtigall

Wache auf, Gespielin mein.


Liebste mir von allen.
In des Mondes Silberschein
Mische du dein Dunkel ein.
Mir zur Gunst,
Mir zum Gefallen
Lasse dein Lied nun erschallen.
Wache auf, ich wache auch
In den Schattenhallen.
Füll mit Tönen Baum und Strauch.
Reiner Wonne Götterhauch
Lass schallen, lass schallen ...
Peter Hacks
An die Tugend

Tugend, keinen Dank bedarfs. Unstreitig,


Vieles Edle wirkte ich im Stillen.
Doch die Achtung wär nicht wechselseitig.
Nichts davon geschah um deinetwillen.

Lieber als Gewissenslohn genieße


Pralle ich und liebesfeuchte Leiber.
Was ich für die Menschheit unterließe,
Tu ich immer gerne für die Weiber.
Peter Hacks
Anlässlich der Wiedergewinnung des Paradieses

Vorüber, Liebste, ist das Exil jetzt. Zieh


Jetzt deine dünnere Haut an, die für Glück
Durchlässigere, die sich leicht trägt. Die Luft
Ist sanfter. Anmut ist dir erlaubt. In das,
Aus dem sie dich geschmissen haben, das Land,
Kehr heim, wo nicht die Abgase giftig sind
Und nicht die Abwässer stinkend, wo der Wolf
Hin mit dem Lamm geht und mit dem Menschen selbst
Der andre Mensch, und Ratten kommen nicht vor.
Die furchtbare Zigarette, lass sie jetzt
Unangesteckt. Den Panzer aus Selbstaufsicht,
Der vor dem Feind dich schützt und, leider, dem Freund,
Dem Schmerz und, leider, dem Genuss, häng ihn weg,
Zieh deine dünnere Haut an. Vor dem Tor
Des Lands ja steh ich, und was dem Gabriel,
Dem büffelstirnigen Schließmann, zustieß, dass
Die Hölle sich ihm zwischen dem Stiefelpaar
Durchwürmte: nimmer, Liebste, geschieht mir das.
Peter Hacks
Anlässlich einer Mainacht

Wenn das Glück sein Füllhorn auskippt, erwarten


Sie nicht Birnen, Trauben noch Rosen. Nämlich
Hierin irren die Maler. Sondern das es
Ihnen um den Kopf haut, das Obst, sind Neid von
Freunden, Abfall von Bundsgenossen und die
Schoflen Bräuche alle dieser zum Leben
Kaum geschickten Rasse. Dennoch, und solches
Redet einer, der weiß, wovon er redet,
Suchen Sie kein Dach auf, wenn das Glück sein
Füllhorn auskippt. Treten Sie nicht unter.
Ganz im Bodensatz, hinten, im perlmuttnen
Dunkel einer engeren Windung, wo man
Es schon für leer hält, hebt das Horn das große
Glück für Sie auf, das dunkle Glück der Liebe,
Das kein Scherz ist und weit vor dem die Worte
Enden. Aber fragen Sie meine blonde
Liebste, die es auch weiß. Es ähnelt einem
Sturm, der stillsteht, einer Flut, die nicht abebbt.
Eine Ruhe ists, unendlich, aus Freude.
Peter Hacks
Anlässlich ihrer Autoreise in die nördlichen Provinzen

Dies, o einfallsreicher Daimler, war keine


Gute Idee. Vier Tage lang und Nächte
Hat mein Mädchen die Stadt verlassen. Hätt sie
Müssen zu Fuß gehn, wär sie zu Haus geblieben.
Wird sie mich nun vergessen? Nein, das wird sie
Sicher nicht. Sie ist mir ein treues Mädchen,
Und die Unrast jenes windreichen Landstrichs
Wird sich tief in ihr langes Aug nicht senken
Und an ihrem Ohr sein Brausen vorbeigehn,
Voll genug ja ist sie von mir. Vielleicht gar
Wächst ihr schönes Gefühl noch, unbehelligt
Von seinem Gegenstande. Dennoch: sind wir
Uns nicht fern schon in der Klammer des Kusses?
Muss, dass wir uns beständig zu verlieren
Und zu finden haben, so quälend fasslich
Sein und messbar an kalkbeworfnen Steinen?
Mein geliebtes, mein bestes Mädchen, muss es
So sehr wegsein, meine Haut so voll Sehnsucht?
Peter Hacks
Anmut und Würde

Du mein Ernst und meine Freude,


Du mein Schlendern und mein Ziel,
Meine Freiheit, mein Gebäude,
Mein Gewicht und mein Gespiel.

Weil dein Kuss, dein blühend reiner,


Weil dein reiner Blütenkuss
Mich gemahnt, dass endlich meiner
Ich mich wert erweisen muss,
Bist du meine strenge Freude,
Bist du mein vergnügtes Ziel,
Meine Freiheit, mein Gebäude,
Mein Gewicht und mein Gespiel.
Peter Hacks
Anruf

Was hast du heute erlebt, und was wirst du morgen erleben?


Sag es ausführlich; mich quält, dass mein Geschäft mir verwehrt,
Dich zu bewachen in deiner allzeit mangelnden Vorsicht.
Welche Gefahren dem Kind drohen, begreift es ja nie.
Gingst die Straße du langsam, die holprige? Hast keinen Tropfen
Meines Empfindens verschwappt du aus dem randvollen Krug
Deines Herzens? Trafst du Leute, vermutlich. Vermutlich
Wieder die falschen. Versteh, Schreckliche, alle sind falsch,
Wenn mit dem Schwamm sie ihrer laut und dringlichen Reden
Offnen Diebstahl begehn an deiner Seele Besitz.
- Derlei äußre und, schlimmer, fühl ich. Und bin doch kein Feigling.
Wie, wer irgend dich kennt, weiß ich, wie frech du dir hilfst.
Feinden wünsch ich den Galgen, mir selbst versprech ich nur Bestes.
Einzig mit Sorge füllt jedem die Liebe den Tag.
Peter Hacks
Arie der Helena

Wie waret ihr euch gut und teuer,


Adonis und Venus, ach, wie sehr.
Auch in uns brannt das süße Feuer.
Das Feuer, ach, es brennt nicht mehr.
Hör uns flehn, blonde Göttin,
Uns Liebe zu geben,
Denn das Leben ist Lieb,
Denn Lieben ist Leben.

Die Gegenwart ist nichts als prüde,


Leidenschaft schweigt, und das Herz bleibt stumm.
Die Küsse matt, die Triebe müde.
Verlangen bringet uns fast um.
Hör uns flehn, blonde Göttin,
Uns Liebe zu geben,
Denn das Leben ist Lieb,
Denn Lieben ist Leben.
Peter Hacks
Athen

Du, hinter mir gelegen,


O Vaterstadt Athen,
Auf allen meinen Wegen
Dich will ich nimmer sehn.
In deinen Marmortoren
Wird auch der Mensch ein Stein.
Ich muss in dir geboren,
Doch nicht gestorben sein.

Ihr, hinter mir geblieben,


Ihr Frauen von Athen,
Bei allem meinem Lieben
Euch will ich stets verschmähn.
Du rosige Gemeinde,
Geh, spiel dein Spiel allein.
Ihr solltet süße Feinde,
Nicht Mörderinnen sein.

In eines Faulbaums Krone


Da bau ich mir mein Nest,
Wo es sich ziemlich ohne
Beschwerden leben lässt.
Und ob der Ast auch schwanke,
Wenn raue Winde wehn,
Mich tröstet der Gedanke:
Ich bin nicht in Athen.
Peter Hacks
Auf dem Abweg

Ungeschlafen, vollgesoffen,
Ward ich unlängst angetroffen,
Mit verquollnen Lidern auch,
Auf den Wangen Bissemale
Und mit einem Damenshawle
Im Oktobermorgenrauch.

Froh bemerk ich, dass ich schlinger.


Weibsgeruch an Kinn und Finger
Zeugt vom Hergang dieser Nacht.
Ob ich gänzlich nun verwahrlos,
Zittrig, leberleidend, haarlos?
Seis! das Beste ist vollbracht.

Plötzlich in den grauen Massen


Schattentrüber Hintergassen,
Wo die Stadt am Strome spart,
Quergestreift entquillt ein Schimmer
Einem hohen Hinterzimmer
Neben einer Toreinfahrt.

Fetzen, die an schlaffen Strippen


Um ein Loch im Pflaster wippen,
Wehren meinem Eigensinn.
Aber weder Sumpf noch Schranke
Schreckt mich heute. Und ich wanke
Zu besagtem Fenster hin.

Durch die Gitterladenritzen


Seh ich einen Kahlkopf sitzen,
Tränenfeucht das Haupt gesenkt.
Zenon ists, mein alter Lehrer,
Der in Bitternis, in schwerer,
Seines besten Schülers denkt.
Peter Hacks
Auf dem Bergarbeiterball in Bitterfeld

Auf dem Bergarbeiterball in Bitterfeld


Tanzt die ganze Welt für ihr gutes Geld
Ins Wochenend hinüber,
Je länger, je enger, je lieber.

Auf dem Bergarbeiterball in Bitterfeld


Der Max die Hede in den Armen hält
Beim Tango und beim Schieber,
Je länger, je enger, je lieber.

Das Klavier,
Das stand schon früher hier.
Das gehörte dem Herrn Baron,
Aber nicht mehr seinem Sohn.
Auf dem Klavier,
Da spielen heute wir,
Wir aus Grube und Fabrik
Unsre eigne Bumsmusik.

Auf dem Bergarbeiterball in Bitterfeld


Wird die ganze Welt auf den Kopf gestellt,
Und die Nacht geht nie vorüber.
Je länger, je enger, je lieber.

Wars schön?
Wunderschön.
Wars voll?
Wundervoll.
Auf dem Bergarbeiterball in Bitterfeld.
Peter Hacks
Auf dem Hof zu spielen ist nur Leiermännern gestattet

Gehn die Lampen an den Masten


Eben aus,
Schieb ich meinen Leierkasten
Aus dem Haus.

Tief vermummt mit schwarzem Schlapphut,


Schwarzem Bart.
Und ich steure kühn in unsre
Hofeinfahrt.

Und ich plärr die schönen Lieder,


Durch die Früh,
Immerzu und immer wieder,
Dideldü.

Und kein Mieter rufet böse:


So ein Krach.
Nein, sie zahln für das Getöse,
Das ich mach.

Und der Hauswart, der die Kleinen


Sonst verjagt,
Hört mich singen und muss weinen,
Und er sagt:

Ach, Signor, noch eine Strophe


Voll Gefühl!
Und ich stehe auf dem Hofe,
Dideldumtü, auf dem Hofe,
Ha, und spiel.
Peter Hacks
Auf der Suche nach der weißen Göttin

Ich weiß sehr wohl: ich hab es nie erfahren,


Noch auch ein Kleineres dafür gehalten.
Das Wunder, weiß ich, war es nie. Es waren
Des Wunders bunt und fassliche Gestalten.
Doch stets war mir vergönnt, das Glück mit Frauen
So tief zu fühlen wie es zu durchschauen.

O gäb es sie, die, Weib zugleich und Kind,


Reife und Reiz und Innigkeit vereinte
In einer Laune: sie wärs, die ich meinte.
Denn so durch ihren Zweck vereinzelt sind
Im Reich des Stoffes alle Köstlichkeiten,
Dass auch die Gegenteile Lust bereiten.

Sie, die, nie ausgeschöpft, von keiner Art


Und aller, unbestimmt durch Wo und Wann,
Das Seltne bindet, das Entlegne paart,
Es gab sie einst, die es nicht geben kann.
Von Delphis Nabel zu den Cordilleren
Gebot sie auf umdüsterten Altären.

Durch jedes Weib von weiß und mildem Schimmer,


Mit dem ich mich auf einen Haufen schmiss,
Hab ich sie immer angerührt. Doch immer
War zwischen ihr und mir ein Hindernis.
Da war kein Freuen, das nicht sie gewährte,
Und war kein Freun, drin ich sie nicht entbehrte.

Drum wenn ich heute für die Dünnen singe,


So sollen sich die Dicken nicht beklagen.
Ich bin ihr Diener. Allerliebste Dinge
Will ich mit nächstem auch von ihnen sagen.
Diese zu ihrer Zeit und die zu ihrer.
Wer sich hier fester legt, ist hier Verlierer.

Ich glühte gern. Im Tun und in Gedanken.


In Daunen lag ich und in Röhrichten.
Der Liebe pflog ich nach der Art der Franken,
Der klugen Liebe und der törichten.
Und immer wieder eine tröstlich Nackte,
In welcher ich die weiße Göttin packte.

Wie ist die Welt? Die Welt ist wie ein Weib.
Wie ist ein Weib? Ein Weib ist wie ein Bette.
Sie alle wärmen keinem Mann den Leib,
Der sie nicht vorher erst erwärmet hätte.
Der Kalte lebt, liebt, liegt im Kalten eben.
Was er nicht hat, das wird ihm nicht gegeben.
Die Liebe wie das Dasein überhaupt
Verdienen, dass man an sie glaubt.
Man kann sie sicher widerlegen.
Man kann sich sicher auch den Kopf absägen.
Es liegt bei dir. Dies gilt im ranzigsten
Noch der Jahrhunderte, dem zwanzigsten.

Und dennoch bleibt: die reinste Neigung endet


In Überwürfnis oder unansehnlich.
Sie endet todgleich oder eheähnlich.
Die Lust ist nicht von Dauer, die sie spendet.
Verstehe denn beim Auseinanderweichen:
Sie alle ja sind Teile nur und Zeichen.

Aus der Bedeutung aber dieser Zeichen


Entnahm ich von der Sache ziemlich viel,
Und immer näher unterm Nichterreichen
Kam mir das Unerreichbare, das Ziel.
Wohl über Manche legte ich die Beine.
Und aus den manchen wurde fast die eine.

Und voll vom Abdruck, fröhlich vom Geruche,


Der sich in mir, der Frauen, überdeckte,
Erfuhr ich sie, die rätseltief Versteckte,
Die weiße Göttin. Ewig auf der Suche,
Erklär ich heute schon, dass ich sie fand.
Ich traf sie nie. Ich hab sie gut gekannt.
Peter Hacks
Auf Lauras Entjungferung

Wie ein bewachtes Land, plötzlich erstarkt,


Sich auftun kann, den Fremden einzulassen,
Und kann am andern Ich das eigne fassen
Und büßt von sich nichts ein bei diesem Markt,

Hast, Laura, du den stets verschlossnen Schoß


Mir aufgetan und dich. Und keine Grenze,
Allein dein Wert bestimmt noch deine Gänze.
Um frei zu werden, wardst du freistattlos.

Weißer als sonst, mein weißes, schönes Kind,


Liegt schwarz umrahmt dein Antlitz in den Kissen.
Die Mauer deiner Scham ist aufgerissen.
Und jene Träne, die ins Haar dir rinnt,
Gilt schon dem Schmerz nicht mehr in deiner Blöße
Der Ahnung gilt sie abverlangter Größe.
Peter Hacks
Aus der Weisheit des Bonzen

Yan und Yin,


Ran und rin.

1
Peter Hacks
Aus Urgroßvaters Hutband

Der Sturm, der jagt die Wolken, auf lodert der Kamin.
Es sitzt der Urgroßvater und zittert mit den Knien:
Die lieben, alten Lieder, die wackersten von allen,
Ich trug sie einst im Kopfe, sie sind mir längst herausgefallen.

So sieh in deinem Hut nach, sie müssen doch wo sein.


Er hob den Hut vom Schädel und blickte tief hinein:
Ei, ei, die alten Lieder, hier stecken sie, die lieben! –
Aus Urgroßvaters Hutband hab ich sie treulich aufgeschrieben.
Peter Hacks
Ausblick

Liebe und Roheit, zwei Schiffe, sie fahren


Über den Ozean der Zeit.
Die Roheit kommt abhanden mit den Jahren,
Die Liebe bleibt in Ewigkeit.
Peter Hacks
Ausflug mit Aphrodite

Pirol lässt sein Lied ertönen,


Und ich gehe mit der schönen
Aphrodite, ihre Hand
In der meinen, über Land.
Weg und Flur im Morgenscheine.
Vor uns her am Ackerraine
Wandelt eine Wachtel, die
Man nicht sieht, doch hört man sie.

Und der Wiesen Dunst verschwindet,


Wie die Sonne sich entzündet.
Mir auch, Göttliche, sodann
Fang ich zu erzählen an,
Mir auch in der weiten Ferne
Seufzt ein Herz und hat mich gerne.
Und sie nickt und lächelt leis,
Wie als wenn sie es nicht weiß.

Erntewagen, vollbeladen.
Roten Mohn und lila Raden
Hat das Roggenfeld im Haar.
Und sie steckt sich auch ein paar.
Celsius’ Säule steht auf dreißig.
Landmann, sei doch nicht so fleißig.
Komm in meine Arme her,
Küss mich, Mitarkadier!

Ah! die Brust schwillt vor Vergnügen.


Schwieg ich jetzt, es wäre Lügen.
Und an einem Rosenzaun
Muss ich ihr was anvertraun:
Himmlisch ist, von treuem Sehnen
Sich zu Recht umfasst zu wähnen.
Und sie nickt und lächelt leis,
Wie als wenn sie es nicht weiß.

Hesperos hebt seine Kerze


Über Berg und Waldesschwärze,
Hinter ihm ein Schimmer zeigt,
Wo Selene aufwärts steigt.
Abend fächelt. Und ich fühle
Seine höchst erwünschte Kühle,
Dass vor plötzlichem Genuss
Ich tief Atem holen muss.

Glücklich, spreche ich, ist jeder,


Den der Tod noch nicht am Leder
Hat und mit Gesetzes Kraft
Vor den Rhadamantys schafft.
Doch die Welt als Sitz der Wonnen
Kennt nur, wem du wohlgesonnen.
Darum will ich nie allein,
Stets von dir begleitet sein.
Peter Hacks
Ballade vom edlen Räuber

Ich trank den Roggenwhisky pur des Abends vor dem Herd,
Und wenn das eichene Fass leer war, dann stieg ich auf mein Pferd
Und ritt zu eines reichen Manns Haus in meinem edlen Sinn
Und ritt zu keines armen Manns Haus, da war kein Whisky drin.

Der König trinkt den Whisky pur, er trinkt das ganze Fass leer.
Und wenn des Königs Fass leer ist, dann hat er noch eins mehr.
Die armen Bauern rings im Land, die brennen früh bis spät,
Und wo ich keinen Whisky fand, findt ihn die Majestät.

Es hängt mein Kopf in Kupfer gestochen im Polizeirevier.


Des Königs Kopf in Kupfer gestochen, der hanget neben mir.
Dem König kann man nichts abschlagen, mir schlägt man ab das Haupt.
Ich glaub, ich bin noch edler, als die Polizei erlaubt.
Peter Hacks
Ballade vom großen Hut

Frau Zwerg kam übern Berg


Zur Stadt hinab gelaufen,
Um einen Hut zu kaufen
Für ihren Mann, Herrn Zwerg.

Sie ging ins Warenhaus,


Wo die Verkäufer dösten,
Und suchte von den größten
Den allergrößten aus.

Der Hut gefällt mir gut.


Der ist für einen Riesen.
Nein, nein, ich nehme diesen
Und keinen andern Hut.

Begeistert und bestaubt


Gelangt sie heim zur Tanne
Und setzte ihrem Manne
Den großen Hut aufs Haupt.

O Frau, der passt mir nie.


Es war ihm trüb zumute.
Die Krempe von dem Hute
Hing ihm bis um die Knie.

Pfui, welch ein kleiner Kopf.


Ich kann doch nichts dafüre.
Ich werf dich aus der Türe,
Du ungeschickter Tropf.

Herr Zwerg stand da allein.


Um ihn war alles finster.
So fiel er in den Ginster-
Und Unkenbach hinein.

Der Bach ging in den Strom.


Der Strom ging in die Meere.
In seiner Filzgaleere
Abschwamm der arme Gnom.

Beim Marakau-Atoll
Sah man zum letzten Male
Herrn Zwerg in seiner Schale,
Woraufhin er verscholl.

GELEIT:
Von manchem bittern Los
Soll das die Ursach sein:
Der Kopf ist nicht zu klein,
Der Hut ist nur zu groß.
Peter Hacks
Ballade vom Highway Man

Das ist die Glocke von St. Paul’s,


Und das dort ist Big Ben.
Wen führen sie zum Galgen?
Macheath, den Highway Man.

Die Kutschen, die sind sicher,


Die Straßen wieder gut,
Das Schiff im Meer hat zu fürchten nicht
Als von Taifun und Flut.

Ein stolzes Lächeln spielet


Um seine Lippen, denn
Sie können nur einmal hängen
Macheath, den Highway Man.

Und lustig, der Herr Henker,


Herr Pfaffe, kein Geflenn.
Der Tod ist ein alter Geschäftsfreund
Von Macheath, dem Highway Man.

Lebt wohl, ihr kleinen blauen Augen,


Ihr seht mich lächeln heut.
Mein Herz wird brechen morgen.
Ihr seht mich lächeln heut.
Peter Hacks
Ballade vom schweren Leben des Ritters Kauz vom Rabensee

Es war ein alter Ritter,


Herr Kauz vom Rabensee.
Wenn er nicht schlief, dann stritt er.
Er hieß: der Eiserne.

Sein Mantel war aus Eisen,


Aus Eisen sein Habit.
Sein Schuh war auch aus Eisen.
Sein Schneider war der Schmied.

Ging er auf einer Brücke


Über den Rhein - pardauz!
Sie brach in tausend Stücke.
So schwer war der Herr Kauz.

Lehnt er an einer Brüstung,


Es macht sofort: pardauz!
So schwer war seine Rüstung.
So schwer war der Herr Kauz.

Und ging nach solchem Drama


Zu Bett er, müd wie Blei:
Sein eiserner Pyjama
Brach auch das Bett entzwei.

Der Winter kam mit Schnaufen,


Mit Kälte und mit Schnee.
Herr Kauz ging Schlittschuh laufen
Wohl auf dem Rabensee.

Er glitt noch eine Strecke


Aufs stille Eis hinaus.
Da brach er durch die Decke
Und in die Worte aus:

Potz Bomben und Gewitter,


Ich glaube, ich ersauf!
Dann gab der alte Ritter
Sein schweres Leben auf.
Peter Hacks
Beeilt euch, ihr Stunden

Beeilt euch, ihr Stunden, die Liebste will kommen.


Was trödelt, was schleppt ihr, was tut ihr euch schwer?
Herunter da, Sonne, und Abschied genommen.
Verstehst du nicht, Tag, man verlangt dich nicht mehr.

Mit seinen Droschken und Schwalben und Hunden


Wird mir das ganze Leben zum Joch.
Schluss mit Geschäften. Beeilt euch, ihr Stunden.
Und wärt ihr Sekunden, ich hasste euch noch.

Ich kann nicht erwarten, den staunenden Schimmer


In ihrem zärtlichen Auge zu sehn.
Verschwindet, ihr Stunden, am besten für immer.
Die Liebste will kommen, die Welt soll vergehn.
Peter Hacks
Bei Arnims

Das ist die Jahreszeit, für die nichts spricht.


Die Sonne scheint nicht, und es schneit auch nicht.

Man strebt ins Freie, übrigens: wozu?


Im Badezimmer steht der Wetterschuh.

Ein Weib, sagt Achim, das im Bad entbinde,


Gebäre einen Fisch statt einem Kinde.

Und Goethe, sagt er, unterwirft sich hündisch


Dem fremden Joch und fühlt nicht tugendbündisch.

Ich trete durch die Flügeltür ins Nasse.


Feuchte Baluster säumen die Terrasse,

Wo, oft in Schwermut, selten in Gedanken,


Die deutschen Dichter alle Kaffee tranken.

Am Wegrand mein Apoll. So feist und kosig,


Und hat schon wieder eine Hälfte moosig.

Hiernach verliert sich die geharkte Spur


Vorzeitig, wie ich finde, in Natur.

Die beigen Tränen kolossaler Eichen


Liegen am Boden, um ihm bald zu gleichen.

Noch fehlt es in den Kronen am Gesang.


In diesem Lande bleibt kein Vogel lang.

Zwei Stiefel bin ich, die durch Pfützen patschen.


Aus jedem Busch hör ich Bettine quatschen.
Peter Hacks
Beiseites

Kleineres Übel
Herzlich schätz ich mein Land, das mich, und von Herzen, missbilligt.
Das ist fad. Und doch: fader wärs andersherum.

Die Partei
Mit der Partei geht zu leben. Mein Wunsch, hätt ein Recht ich zu wünschen,
Wäre, dass sie vielleicht etwas parteilicher war.

Vorlaut
Ungerufen dem König zu Hilfe! Der Mann ist kein Narr doch.
Mühlos im vorlauten Dienst spürt er den Aufruhr heraus.

VUPs
Very unimportant persons? Man rechne mit ihnen.
Wo es um Vorteile geht: überall treffe ich VUPs.

Verstiegen
Freiheit der Presse, na ja. Doch Wahrheit der Presse zu fordern,
Hat sich, seh ich das recht, vor mir noch keiner getraut.

Demokratische Presse
Diebe und Lügner, entnehm ich dem Blättchen, gibt es auch hier noch,
Doch Journalisten nicht. Die denn doch wenigstens nicht.

Der Beamte
Immer zur Selbstkritik forsch wie der Lutherpfaffe zur Buße.
Selbstlob zög ich noch vor; Selbstlob, versteht sich, mit Fug.

Erworbene Eigenschaften
Missgünstig sei der Mensch und einsam geboren? Ich glaubs nicht.
Am Sozialismus gewiss liegt es, der macht ihn dazu.

Ninive
Sinn enthält die Geschichte, nicht deren einzelne Läufte,
Außer natürlich den Sinn, den die Geschichte enthält.

Fortschreitend
82 wars, als mein Volk zur nichtschmierbaren Butter
Zusätzlich noch die nicht streichbare Streichwurst erfand.

Schönhauser Allee
Kleiner in meiner Straße ward schon die Umweltbelastung,
Seit der Smog kam. Den Lärm puffert er merklich doch ab.

Der Singvogelkommunist
Gütigen Herzens lehrt er die katzenlose Gesellschaft.
Grüne Rote, euch fällt wirklich das Dringlichste ein.
Paris 68; Rechtsphilosophie § 5
Mairauch und Wirren - das Wortpaar eben sachte geschüttelt,
Schon durch den linken Odeur schwadet das Christliche durch.

Amerika
Diesem Erdteil, weiß Herder, an größeren Raubtieren mangelts.
Doch die gerechte Natur schenkte ihm Bechtel dafür.

Kinorepubliken
Rama Rao in Haiderabad, in Washington Reagan.
Freie Wahlen, das meint: Herzensdiebe zur Macht!

CIA
- Finden Sie raus, was Gott kostet. Sicher doch ist er erpressbar.
Woytila haben wir; jetzt muss uns der Alte ins Garn.

Pragmatiker
Alles besteht er mit Schlauheit. Neulich erblickt ich ein Kätzchen,
Wie es vorm Hagel floh: schlau in die Spitze des Baums.

Hasennasen
Meilenweit wittern sie jedes Ereignis, das mit dem Wind kommt.
Naht es gegen den Wind, hat es sie prompt am Genick.

Weitsicht
Ihre Weitsicht reicht, und günstigstenfalls, bis zum Freitag.
Kommen sie Dienstag zu Geld, machen sie Mittwoch ein Kind.

Vorhut
Zuchtvoll arbeiten Roboter, sie sinds, die alles erzeugen.
Würdig, Genossen zu sein, acht ich im Grunde nur sie.

Volksherrschaft
Demokratisch, das sind wir. Die nichtarbeitende Mehrheit
Gibt die Gesetze dem Staat, gibt die Gesetze der Kunst.

Sozialismus
Einen letzten Fehler hat er: es hängt ihm die Herkunft
Aus dem Arbeiterstand wunderlich immer noch an.

Höllischer Plan
Kann man ein Volk in die Steinzeit zurückregieren? Man kanns nicht.
Aber schon der Versuch dünkt mich satanisch genug.

15. 6. 1983
Wieder ein Kaiser! Ganz wie in alten vernünftigen Zeiten.
Zittert, Könige. Völker, freuet euch mit.

Auf Etliche
Dies steht, lieben Feinde, euch offen: im andern Jahrtausend
Unerinnert im Nichts oder verachtet zu sein.
Staatstheaterintendanten
Einer die Nase am Hintern des andern wandelt der Lemming,
Nimmt die Klippe und stürzt über die Klippe sich ab.

Kritiker
Müssen wahre Spechtsgehirne haben, dass ihnen
Nach dem Gehacke auf mir niemals das Schädelchen brummt.

Literarischer Supermarkt
Hierin gleichen Rezensenten den Hausfraun: sie kaufen
Nur, was laut für sich wirbt. Ohne das kaufen sie nicht.

Hosenordnung
„Sinn und Form“, ein berliner Modejournal, auch intimste
Fragen löst es: Man trägt, wünschen die Schneider, ihn rechts.

Anmaßung des Gefühls


Mitleid, bleibe bei deinem Leisten! Konni ist keine
Indische Mutter, was gehn indische Kinder ihn an?

Verstandesleistung
Trottel als Häupter von Akademien? Gern, doch verständge!
Trottel, hier her! der Fürst riefs, und der Gundling verstand.

Unwiederbringlich
Nie gibt das Grab ihn heraus. In Tränen zerrinn ich, es reut mich
Jede Gelegenheit, wo ich, ihn zu hängen, versäumt.

Zuwahl
Eine reife Leistung. - Ja, eine irrenhausreife.
Sicher, der passt zu uns; wählt ihn nur schleunig herein.

Ein Kloakendichter
Übelriechend schreibt er. Exkremente und Worte,
Durch das nämliche Rohr scheidet er die aus und die.

Auf ...
Auch von Lombrosos Leuten einer. Er zeigt uns ja beides,
Nur den Wahnsinn, kann sein, deutlicher als das Genie.

Esel
Hautnah gibt er die Welt, das Fühlen Unzähliger trifft er:
Alles selber erlebt, alles ein Niemandsgeschick.

Der Pfeifenraucher
Als die Rahel sieht er des Neuen Berlin sich. Er ahnt nicht,
Dass er Varnhagen bloß, und bloß sein eigener, ist.

Der Angestrengte
Schwer hat er neu sein, der Kleine. Alle abscheulichen Stücke
Schrieb Heiner Müller bereits, alle erhabenen ich.

Die Welpe
Wenn das Hundel das Stuhlbein beknabbert, wenigstens rühmt es
Sich seiner Jugend nicht, nicht seines schönern Gefühls.

Sturm und Drang


Goethe schickt sich zu Gerstenberg, Leisewitz, Lenz oder Klinger,
Wie zum Falstaffschen Mob scheinbar Prinz Harry sich schickt.

Ruhlos
Mancher gibt nicht bei, er sucht und sucht nach der Wahrheit.
Minder zur Bürde fällt, der sie, in Maßen, schon hat.

Dämmerungen
Gelb und rosa erschien und wie Richard Wagner gekleidet
Gestern der Abend. Der Tag heute kommt gräulich, wie Brecht.

Schuld und Sühne


Brecht im Fegfeuer, schmorend. Und kein Erbarmen, solange
Eine Zeile von Münz noch oder Müller erscheint.

Deutsche Dichter
Brecht und Arno Schmidt, sie starben gar frühe am Herzleid.
Wollt ihr der Liebe euch weihn, schafft euch ein steinernes Herz.

Nackthunde
Jene Sorte von nackenden Hunden, die immerfort zittern.
Dichter sind so. Nicht klug sind sie, sie frieren nur leicht.

Der Unkündbare
Wer kommt gelaufen? - Schumacher. - Fragt, was er will. - Seinen Auftritt.
Einmal dein Clown, stets dein Clown! fordert das Arbeitsgesetz.

Bewerber, Bewerber
Und wer noch wieder? - Albert. - Was, der auch will mein Clown sein?
Nein, ich nehm den nicht. Der ist doch Schmiere, der Mann.

Unblutige Zeiten
Liegs an gewonnener Milde, liegs am vollendeten Stumpfsinn:
Xenien töten nicht mehr. Nicht einmal den, der sie schreibt.

Überfordert
Schöpfer, der Mensch? und sein eigner? Lasst mir die Leute in Ruhe.
Ganz missglückt, wie sie sind, solln sie noch schuld daran sein.

Schleiermacher
Ein stupender Kopf. Der letzte Ort wohl, auf den ich,
Gott zu suchen, verfiel, wäre das menschliche Herz.

Analogie
Spiel der Natur oder Absicht des Schöpfers: auffällt, wie deutlich
Doch das Menschengehirn einem Paar Arschbacken gleicht.

Endzeit
An der bröckelnden Kirchwand die alte Sonnenuhr. Lohnt es,
Hier zu flicken? Wer weiß, ob denn die Sonne noch hält?

Voreilig
Voreilger Tod, Verzweiflung. Ist nicht das grausamste Urteil
Erst ein künftiges noch, außer wir fügten uns drein?

Frühe Bestimmung
Meiner Wiege zu Häupten: der Schutzengel, ferner die Muse.
Und sie stritten sich sehr. Leider, die Muse gewann.

Auf der Höhe


Gut sei, hör ich, mein Deutsch, doch gar nichts Neues enthalt es.
Wenn es nur gut ist! und dann: wäre nicht das eben neu?

Missdeutung
Äußerst gewöhnlich ist folgendes: dass, wenn zurück aus nem Sackweg
Einer entschlossen noch kehrt, - dass man ihn Rückschrittler
nennt.

Postmoderne
Ich bin nicht postmodern. Ich schon nicht mehr. Als ich zur Welt kam,
Achtundzwanzig, schon da war die Moderne passe.

Mensch, Esel, Wolf


Nazis reden wie ich? Meine Meinung über Salami
Wird, dem Esel zum Gram, leider vom Wolfe geteilt.

Zukunftsvertrauen
Unbeängstigt seh ich dem drohenden Nachwuchs entgegen.
Söhne zeugte ich nicht. Enkel, die morden nicht mehr.
Hand- und Kopfarbeit
Was, gelehrter Freund, hättest je du mit Händen ergriffen?
- Wäre die Liebste nicht, sicher nur immer Papier.

Öffentlichkeit
Ehrenden Rummel erduld ich, doch geh ich gerne zur Arbeit.
Wo man sehr mich bedarf, erst unterhalte ich mich.

Ballaststoffe
Funkbilder schluckt mein Gehirn wie der Straußenmagen den Bimsstein.
Wenn es natürlich nicht nährt, aber es kräftigt doch sehr.

Das verschämte Geschlecht


Alle Frauen ziehn alle Männer aus mit den Blicken,
Weiß ich, und denk nicht viel dran. Etwas geniert es mich doch.
Leser meiner selbst
Freudlos meine Sachen les ich. Ich sehe nur Fehler.
Manchmal kommt wer und sagt, ‘s wären auch Schönheiten drin

Gattungsfrage
Anteilnahme der Zuschauer am Geschehen der Bühne
Ist gemeint und gewollt, Teilnahme außer Betracht.

Elohim, ich
Fabelhaft, wie der die Welt schuf, und war doch alleine und hatte
Einzig zum Anlass das Nichts. Freilich, man merkt es ihr an.

Enthaltung
Das gehudelte Gute sei besser als schöne Verderbnis?
Richtig scheint mir der Satz, aber verdrießlich die Wahl.

Das unbekannte Wesen


Ewig ein Rätsel bleibt dem Begabten der minder Begabte.
Ewig dem Künstler ein Sphinx haust der gewöhnliche Mensch.

Unfair?
Immer unter den Gürtel, warum? - Verzeihung, bei aller
Redlichen Absicht, warum sind Sie auch immer so groß?

Herakles
Steht nicht dein Pfeil am Himmel? - Freilich, neben der Schlange
Steht er, die er verdarb. Die steht am Himmel und er.

TV
Fernsehen, sieht denn das wer? Ich will doch die Massen erreichen.
Haben den Hamlet nicht längst mehr als den Durbridge gesehn?

Dramatik
Und die Dramatik? - Wer, die Dramatik? - Ja, die Dramatik!
- Nun, in Kürze, mir gehts, wie es so geht, schlechter nicht.
Peter Hacks
Bescheidung

Ich bins zufrieden. Die Zerwürfnisse


Mit mir und denen sind nicht überscharf.
Hab nur erfüllbare Bedürfnisse.
Schnaps, Liebe, Kunst sind, deren ich bedarf.

Des Fortschritts krümmster Weg ist so verschieden


Nicht vom schnellstmöglichen. Er schleppt und klimmt
Hinan, so wie er muss. Ich bins zufrieden
Und also nicht zum Lyriker bestimmt.
Peter Hacks
Blumen schenkt mir die Liebste

Blumen schenkt mir die Liebste und hat mich also verstanden
Und bezweifelt das nicht, dass ich empfinde wie sie.
Schlipse, so denkt sie, besitzt er, Zigarren kauft er sich, Hunger
Leidet sein Magen kaum, aber, wie meines, sein Herz.
Aber dass roherfühlend der Mann nicht sein als die Frau muss,
Woher weiß sie das denn? Weil sie stets gut ist, wohl sind
Alle stets gut zu ihr, und nicht durch Erfahrung verängstigt,
Gibt sie mir Liebe und gibt liebliche Tulpen und sich.
Peter Hacks
Blumen schenkt mir die Liebste (2)

Aber als, den Strauß im Arme, ich heimging, inmitten


Gähnte des städtischen Beets, seltsam dem ähnlich, ein Fleck.
Und die Gewissheit fuhr, die schlimme, durchs Hirn mir. Ich wandte
Auf dem Fuße mich um. Her, und zur Rede gestellt:
So ja geht das nicht! - Und warum nicht? - Nämlich, wenn alle …
- Dich überhäuften wie ich? Das also hättest du gern!
- Nein, du weißt, was ich meine. - Weiß ichs? Ist dir das Böse
Nicht besonders genehm, das dir mein Lieben bezeugt?
- Sicher, halb nur zürn ich. Nicht rauben nur, fühl ich, auch morden
Wolltest du herzlich für mich; sicher, ich lieb dich dafür.
Freilich mehr noch, als für das Schwerere, würd ich dich lieben,
Könntst du aus Neigung zu mir sacht der Gesittung dich nahn.
(Sprachs, und hatt es gesagt. Doch nimmer, wusst ich, gebessert
Wird durch Liebe das Weib, sondern gebessert durch nichts.)
Peter Hacks
Böse Menschen singen nicht

Was ist die Wirkung des Gesanges?


Die Worte einen sich zum Klang,
Bis mittels holden Götterzwanges
Der Sinn sich reinigt im Gesang.
Gutes spricht, wer Schönes spricht.
Böse Menschen singen nicht.
- Und Nero?
- Böse Menschen, Nero einmal ausgenommen,
Singen nicht.

Was ist die Zaubermacht des Tanzes?


Die Schritte fügen sich zum Kranz,
Der Geist wird mit dem Leib ein Ganzes,
Die Glieder seelenvoll im Tanz.
Wohllaut wird verkörperlicht.
Böse Menschen tanzen nicht.
- Nun, indessen Caligula?
- Böse Menschen, den Caligula einmal beiseit gelassen,
Tanzen nicht.

Kunst hat Gewalt, die Welt zu heilen


Von Eigensucht und Vorurteil.
Die Schönes baut aus schlechten Teilen,
Führt den Charakter auch zum Heil.
Einer, der Gesetze bricht,
Geht doch in die Oper nicht.
- Wirklich? Und diese?
- Böse Menschen, hier von allen denen einmal abgesehen,
Gehen in die Oper nicht.
Peter Hacks
Büchner

Den einsichtsvollen Danton, den müden, den


Der bürgerlichen Klasse Zusammenbruch
So gründlich im voraus lebenden, den viel
Wissenden, aber nicht weiterwissenden,
Ich fass ihn, Büchner, fass Ihre Langweile,
Nur nicht die Jaegle, Büchner. Die fass ich nicht.
Sie sehens ja, Ihren Aretino hat
Sie Ihnen kaputtgemacht, die Brandstifterin,
Dies hassenswerteste Weib der neuern Zeit.
Doch wie hieß, der ihn ihr in die Hand gedrückt?
Gabs denn nicht schöne Hintern und Busen mehr,
Musste das auch noch fromm sein? Der letzte Freund
Verließ Sie; nahmen Sie, was Sie kriegten, jetzt
Zur Freundin: das Tochtermensch des Hauptmieters?
O diese Gretchenkletten immer an
Den deutschen Fäusten. Was für bucklige
Witfrauen hinterlasst, Titanen, ihr.
Peter Hacks
Capua-Song

Groß war der Mut. Das Horn zum Angriff blies.


Und wie ein Löwe kämpfte Marschall Traun.
Da wurde mir ein Loch ins Fleisch gehaun
Von einem Feinde, der auch Mut aufwies.
Das war bei Capua, als es so kam,
Dass nun mein Bein von mir den Abschied nahm
Und lag, ein fremder Knochen, da.
Was war mir Capua?

So sitze ich, gelehnet an mein Grab,


Den man nicht fragen muss, was ihm wohl fehlt.
Ein neidischer Rest, der sich ums Graubrot quält,
Weil er sein Kostbarstes für nichts hingab.
Das war bei Capua, als es so ging.
Dass nun mein Glück nicht mehr von mir abhing
Und mir die schwere Not geschah.
Was war mir Capua?

Groß war der Mut. O Jüngling, bleib timid.


Groß war der Mut. Viel größer ist die Reu.
Folg nicht dem Kalbfell. Folg nur deiner Scheu.
Welch kleiner Schritt vom Held zum Invalid.
Das war bei Capua am fernen Ort.
Doch wo du mutig bist, bist du schon dort
Und spürst den Wurm in Gloria
Und hast dein Capua.

Gott schuf den Mensch mit hundert Gliedern.


Gott ist ein Mann, der selten irrt.
Solln wir ihm was von Capua erwidern,
Wenn er uns einmal milde ansehn wird?
Peter Hacks
Chor der Bauarbeiter

Aus den Schwaden bereits raget das Baugeschehn,


Wächst die Rundung des Walls, türme- und torereich.
Alles schafft, was das Leere
Zu durchmessen befitticht ist.

Erst des starken Geästs tragendes Grobgeflecht,


Dann das kleine Gestrüpp, Zweiglein und Blätterchen,
Bis aus Laub, Moos und Hälmlein
Steht im heimischen Stil das Werk.

Durch den dünneren Dunst steigend zum dünnesten,


Stellen, heilig erregt, mitten ins Blaue wir
Wolkenkuckucksheims Feste,
Die dem Luftreich gebietende.
Peter Hacks
Chor der Vögel im Regen

Wehe, es regnet. Erbarmen, es nahet die schlechte Zeit.


Ach, des Busches bewegliches Haus, erbauet für freundliche Tage,
Hält da nicht stand. Auf der Vielzahl der Dächer
Steigt das Unglück zu uns wie auf Treppen herab.
Durch die Wände, leider wie Türen jetzt, in die Kammer
Dringt es mitten herein, die einst heitre. All unser Treiben,
Ach, auf freundliche Tage berechnet, hält nicht stand.
Unser Gefieder, wärmend in freundlichen Tagen,
Ist durchnässt. Wir schüttelns aus in der Nässe.
Pochen sieht man unsre fröstelnden Herzen nun.
Regen kühlt die Beeren, die roten der Berberitze
Und die schwarzen des Faulbaums, und machet Wasser uns kauen,
Mehr als uns lieb ist. Unsre Lieder mit
Klebenden Federn, erdacht für freundliche Tage,
Schwingen sich nimmer empor. Ach, vertrieben
Aus der schweigenden Welt das Summen des Essenswerten. Wehe, es regnet.
Missgestimmt sind wir, nimmer in uns beruhigt Vögel mehr.
Peter Hacks
Chor und Chanson des Orest

Schmückt die Locken mit Rosenkränzen,


Kühlet den Wein,
In den Orkus mit Narrentänzen
Tanzet hinein.
Unser Leben währet eben
Höchstens achtzig Jahre lang,
Und war es ein gutes Leben,
War es Freud und Müßiggang.

Venus, welch verzehrend Feuer


Hast du in uns angefacht,
Allenthalben hört man heuer,
Wies in Bett und Ehe kracht.
Doch der Mann, das Ungeheuer,
Kommt und stört die Liebesnacht.
In die Wüste, heißt es dann.
In die Wüste mit dem Mann.

Der Menelaos, mein Herr Vetter,


Hat der Göttin Macht gespürt.
Paris hat ihm, Donnerwetter,
Seine Suppe umgerührt.
Besser still geschwiegen hätt er,
Nun kriegt er, was ihm gebührt.
In die Wüste, in den Bann.
In die Wüste mit dem Mann.
Peter Hacks
Choral

Ein irischen Glauben,


Ein irische Mutter,
Ein irischen Esel
Mit irischem Futter
Und die Kühnheit der Welt
Hat ein irischer Held.
Peter Hacks
Chorlied an das Bett

O gesegnet das Bett


Und gesegnet der weißliche Ahorn,
Von nervigen Händen gefällt, geschnitzt unter Liedern,
Und gesegnet die Daunen von mancherleifarbgem Gevögel
Und die Füße, gedrechselt vom Zahn des libyschen Untiers.
Schön steht es da in der blendenden Sonne des Mittags,
Und wie Silber schimmerts im Mond, der mählich vom Meer kommt.
Gesegnet sei es, das breite und lange, das bräutliche, ungeduldige.
O gesegnet, gesegnet das Bett.
Peter Hacks
Chorlied an die Muse

Wenn du den Krieg rühmst, Muse, als Trossweib dann wirst du reisen,
Ausgeschlaucht, syphilitisch, dem schmutzigsten Landsknecht zu Willen,
Zu deinem Publikum von Krüppeln.
Morgens trommelst, abends am Schindanger endest du.
Aber im Dienste des Friedens, Himmlische,
Der Götter Hochzeiten singend, der Männer Festmahl,
Klingen süß deine Lieder wie die der Schwalbe im jungen Lenz,
Machst du die Menschen freundlich und bauest in ihren Herzen dir
Eine unvergängliche Wohnung.
Peter Hacks
Couplets der Galatea

Ein Mann von Geist,


Wenn er verreist
Und aber heimkehrt vor der Zeit,
Er gibt erst Kunde
Von Tag und Stunde,
So fordert es die Schicklichkeit.
Die Gattin gern
Empfängt den Herrn
Mit Dank und Lob und Liebesfleiß.
Auf ihn, den Mann,
Kommt alles an:
Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.

Ein alter Narr


Liebt die Gefahr
Und tritt ins Zimmer unverhofft.
Der Kerl ist sechzig,
Der Vorwitz rächt sich,
Die Folgen sind abscheulich oft.
Geschrei und Krach
Im Schlafgemach,
Verloren ist das Paradeis.
Auf ihn, den Mann,
Kommt alles an:
Denn was er weiß, das macht ihn heiß.
Peter Hacks
Couplets der Helena

Dem Herzen folgen gilt als Sünde.


Der Liebe Weg ist dornenvoll.
Doch gibt es, ach, die besten Gründe
Immer für das, was man nicht soll.
Wie ging es meiner Mutter Leda
Mit meinem Väterchen, dem Schwan?
Sein Herz war schwarz, weiß war die Feder.
Sie musste tun, was sie getan.

Ach, Venus, glaub, wenig froh ist, der liebt,


Solang es Götter, ja Götter noch neben dir gibt.

Gescheiter wär, die Triebe dämpfen


Und klüglich meiden, was gefällt.
Sonst heißt es gegen Götter kämpfen,
Ja, gegen Götter und die Welt.
Zweideutig ist der Schönheit Gabe
Und schwer, anders als andre sein.
Weil ich so viel Verehrer habe,
Bin ich so sehr mit mir allein.

Ach, Venus, glaub, wenig froh ist, der liebt,


Solang es Götter, ja Götter noch neben dir gibt.
Peter Hacks
Couplets der Könige

Wir sind die ehernen Eichen,


Ajax eins und zwei.
Wir tun uns unerhört gleichen
Wie ein Ei dem Ei.
Vier Arme, die nimmer weichen,
Und kein Kopf dabei.
Wir sind die ehernen Eichen,
Ajax eins und zwei.

Ich bin der Erste im Kampfe,


Bin der Held Achill.
Bevor von Blut ich nicht dampfe,
Wird mein Herz nicht still.
Provinzen ich niederstampfe,
Wenn ich ausgehn will.
Ich bin der Erste im Kampfe,
Bin der Held Achill.

Bin Menelaos, der Gatte


Von der Helena.
Als ich das Weib noch nicht hatte,
Wie gut gings mir da.
Allein lieg ich auf der Matte,
Jede Nacht beinah.
Man wird nicht ungestraft Gatte
Von der Helena.

Will meinen Namen nicht nennen,


Bin Agamemnon.
Ein jeder Grieche muss kennen
Meinen Bariton.
Die Fürsten Europas flennen
Unter meinem Thron.
Brauch keinen Namen zu nennen,
Bin Agamemnon.
Peter Hacks
Couplets des Agamemnon

An Hellas’ unbescholtner Küste


Brach Völlerei wie Pocken aus.
Venus Astarte zeigt die Brüste.
Priapus nimmt sich auch was raus.
Und keiner lebt mehr, wie er müsste,
Jeder wälzt sich in Saus und Braus.
Herr, versteht,
Dass das aus dem Ton nicht weitergeht.

Statt die Gavotte hübsch zu tanzen


Oder den Ländler frisch, fromm, froh,
Tanzen die schwarzbestrumpften Pflanzen
Tänze von niedrigstem Niveau:
Abscheuliche Extravaganzen,
Unbeschreiblich, doch etwa so ...
Herr, versteht,
Dass das aus dem Ton nicht weitergeht.
Peter Hacks
Couplets des Orest

Kennen Sie schon die schärfste Nachtbar


Zwischen Parnassos und Korinth?
Die Fraun kaum achtbar,
Doch sehr betrachtbar,
Dort in der Bar zum Labyrinth.
Parthenis hier, Leaena da,
Tsching la la, tsching la la,
Oia kephale, kephale, o lala.

Papa belächelt meine Schwächen,


Zeiget mir stets die offne Hand.
Wer wird am End die Zechen blechen?
Das brave Volk von Griechenland.
Parthenis hier, Leaena da,
Tsching la la, tsching la la,
Oia kephale, kephale, o lala.
Peter Hacks
Da ist ein Weg im städtischen Rasen

Da ist ein Weg im städtischen Rasen,


Wo ich getreten bin.
So oft bin ich gegangen
Zu meiner Liebsten hin.
Es wird mich nie gereuen,
An ihr mich zu erfreuen.
Drum führt ein Weg im städtischen Rasen
Zu meiner Liebsten hin.

In ihrem Bett, von sechzig,


Sechs Federn sind entzwei.
So oft hab ich gelegen
Meiner Liebsten bei.
Es wird mich nie verdrießen,
Ihr Wohltun zu genießen.
Drum bis die letzte Feder hin ist,
Will ich ihr liegen bei.

Wohl eher oft als selten


Hab ich ein Weib gekürt.
Jetzt stehen sie und schelten
Und bleiben unverführt.
Doch sollt ich mir versagen,
Bei ihr mich zu behagen?
Die Treue lass ich gelten,
Die aus der Liebe rührt.
Peter Hacks
Dansa

Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an,
Hab einen Mann, den ich nicht leiden kann.
Solo: Sprecht, alte Damen, die ihr einst gern küsstet,
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an?
Solo: Bin ich mit Amors Waffen nicht gerüstet?
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an?
Solo: Ists nicht mein Recht, wenn mich nach Kampf gelüstet,
Ehe mein bisschen Jugend ganz verrann?
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an,
Hab einen Mann, den ich nicht leiden kann.
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an,
Hab einen Mann, den ich nicht leiden kann.
Solo: Drum will ich meine Ehrbarkeit besiegen.
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an?
Solo: Schön ist mein Liebster, herzhaft und verschwiegen.
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was fang ich mit dir an?
Solo: Es liegt bei mir, so will ich bei ihm liegen,
Ehe mein bisschen Jugend ganz verrann.
Chor: Liebreiz, ach Liebreiz, was anders fang ich an
Mit einem Mann, den ich nicht leiden kann?
Peter Hacks
Das Bad im Freien

Zwischen Haselstrauch und Tanne,


Vor des Zauns bemoosten Streben
Stehet Chloes Silberwanne.
Chloe steht daneben.
Himmel blau und Wolken weiß.
Mandelröschen sommerheiß.
Chloe tunkt ein Fingerlein
Prüfend in das Nass hinein.

Bald schon wagt sie ein paar Spritzer.


Da sie sich vornüber leget,
Wird ihr Busen etwas spitzer,
Als er sonsten pfleget.
Jetzt so hockt sie sich. Und jetzt
Hat sie sich hineingesetzt.
Wenn der Inhalt überschwappt,
Hat das seinen Grund gehabt.

Mit den Knien säuberlich


Auf dem Rand, die Wädchen drüber,
Hat sie die Natur, hab ich
Chloen gegenüber.
Ihrer Füße Lilienhaut
Ist vom Waldweg angegraut,
Und ich fühle: Freundespflicht
Leistet, der ihr davon spricht.

Freilich, wie zu dem Behufe


Ich mich hilfreich ihr geselle,
Was empfängt mich? Klagerufe,
Püffe, Wasserschwälle.
Warten muss ich fern und still,
Bis sie plötzlich wieder will,
Frauenherz, wer dich begreift,
Dass man ihr den Rücken seift.

1
Peter Hacks
Das Ende

Gern beschwörst du das Ende unsrer Beziehung. Warum nur?


Weil meinen Wankelmut du oder den deinigen kennst?
Weil dies Äußerste, meinst du, nicht währen kann, oder einfach,
Weil mein beteuernder Kuss so deinen Lippen behagt?
Was da nun sei und davon sich denken ließe, das Zeichen
Nennen will ich dir jetzt, wann es vorbei ist bei mir:
Wenn ich je schlecht oder gut zu dir war. Will sagen, sobald ich
Etwas aus anderem Grund je als aus Liebe dir tat.
Peter Hacks
Das Heimchen

Das Heimchen nun ist eine Grille


Von ganz besonders schriller Schrille.
Man kann es hören, aber kanns nicht orten.
Ob rechts, ob links, ob hüben oder dorten,
Ob unter der Kommode, hinterm Bild,
Die Stelle bleibt geheim, von der es schrillt.

Wir rächen uns mit einem Reimchen


Auf unser Heiminsekt, das Heimchen.
Peter Hacks
Das Kind am Alexanderplatz

- Armes Kind, was weinest du?


- Hab mein Streichhölzlein verloren.
- Ei, wer wird denn gar so schrein
Wegen einem Streichhölzlein!

- Reibeflächlein hab ich schon,


Schwefelfädlein hab ich schon,
Bömbchen liegt schon unterm Alex,
Fehlt mir nur das Streichhölzlein.

(Die Gedichte. Edition Nautilus. Hamburg 2000. © Eulenspiegel Verlag, Berlin)

Der politisch und ästhetisch unberechenbarste Dichter der DDR war wohl Peter Hacks
(1928-2003). Mit seinen Dramen hat er sehr viel ästhetische Energie in die klassizistische
Denkmalspflege des real existierenden Sozialismus investiert, ohne freilich das Misstrauen
der SED-Kulturpolitiker immer dämpfen zu können. Im Zweifelsfall entschied er sich für stets
für die Provokation des Zeitgeists - und für einen linksaristokratischen Fundamentalismus.

Im Gewand des Kinderverses spricht Hacks hier von einer Ungeheuerlichkeit - von einem
potenziellen Terroranschlag im Zentrum des sozialistischen Staats. Mit den unschuldig daher-
kommenden Diminutiven („Streichhhölzlein“, „Bömbchen“) tarnt der Dichter den fast un-
denkbaren Schrecken. Hacks steigert die Irritation, indem er ein Kind zum möglichen Attentä-
ter stilisiert. In einer Anmerkung zu dem 1988 entstandenen Text spricht Hacks von einer
„mythischen Fabel“.
Peter Hacks
Das kleine Testament des Hauptmanns Macheath

In dieser dumm und tristen Welt,


Wenig dauernd,
Tu ich genau, was mir gefällt,
Nichts betrauernd.

Und manches vollgefressnen Narrn


Beutel fegend,
Entleer ich meinen Hohn und Harn
In die Gegend.

Der Mensch hat seinen Wert als Fraß


Für die Raben,
So wird doch wer von meinem Aas
Etwas haben.

Herr Gay sagt, dass in unsrer Erd


Doch ein Sinn ist.
Wissen werd ich, wenn ich drin sein werd,
Ob was drin ist.
Peter Hacks
Das Lied vom schnellen Hasen

Es war einmal ein Hase,


Der konnte so schnell laufen,
So geschwind, so geschwind
Wie der Wind, der Wirbelwind,
Wie die Saiten der Gitarre.

Der Hase lief zum Bäcker,


Um sich ein Brot zu kaufen,
So geschwind, so geschwind
Wie der Wind, der Wirbelwind,
Wie die Saiten der Gitarre.

Da kam der böse Rotfuchs,


Der wollt den Hasen raufen.
Doch der findt, wie geschwind
Manches Mal die Hasen sind,
Wie die Saiten der Gitarre.

Da kam ein großes Wasser,


Darin sollt er ersaufen.
Das beginnt und bleibt hint,
Denn der Hase, der gewinnt
Wie die Saiten der Gitarre.

Da sprach der Oberjäger:


Ich schieß ihn übern Haufen
Doch der Hase entrinnt
Noch der Kugel von der Flint
Wie die Saiten der Gitarre.
Peter Hacks
Das lustige Vögelein

Ein uralter Griesgram


Ging ich schlafen zur Nacht.
Als ein lustiges Vöglein
Bin ich wieder erwacht.
Tirili tirili
Tirila.

Jetzt kann ich fliegen, wohin ich mag,


Bis nach Gomorrha, der Stadt,
Da wohnt mein herzlieber Bruder,
Der mich verraten hat.
Er sitzt mit meinem Herrn Henker
Beim roten Wein zuhaus.
Da pick ich lustiges Vöglein
Ihnen die Augen aus.
Wer lebt leichter, wer lebt froher als ein Vögelein?
Nichts ist besser, nichts vergnügter als geflügelt sein.

Ich fliege zu meiner Schön-Hannchen,


Die denkt mein in Begier.
Und wenn Schön-Hannchen mir treulos war,
Flieg ich ins Fensterlein ihr.
Sie liegt mit mei’m herzlieben Bruder
Und Bein mit Bein verschränkt.
Da stehl ich ihr die goldne Uhr,
Die ich ihr gestern geschenkt.
Wer lebt leichter, wer lebt froher als ein Vögelein?
Nichts ist besser, nichts vergnügter als geflügelt sein.
Peter Hacks
Das musikalische Nashorn

An einem heißen Ort der Erde, Die Bullen eilten umzuschaun


Da lebte eine Nashornherde. Nach ihren Kindern oder Fraun,
Sie gingen schläfrig auf der Weide. Die in der Väter Schutz und Gatten
Sie waren stark, doch ohne Zorn. Sich vor dem Feind verborgen hatten.
Sie taten keinem was zuleide, Jedoch wie groß war ihr Entsetzen,
Und nur dem Räuber droht ihr Horn. Als mitten auf den tiefsten Plätzen
Des Hörnerrings sich wer? befand -
Nun aber wuchs in ihrer Schar Wahrhaftig: unser Musikant.
Ein Jüngling auf, der anders war.
Er schwärmte früh für alles Schöne, Der Oberbulle sprach mit Schnauben:
Insonderheit die Kunst der Töne, „Wenn ichs nicht säh, ich könnts nicht glauben.
Und stellte eines Tages fest, Ein strammer Kerl von festen Knochen
Dass auf dem Horn sich blasen lässt. Hat sich beim Kälbervolk verkrochen.
Wer Angst hat“, sprach er, womit er schloss,
Und wenn sie gut geweidet hatten, „Wird nie ein rechtes Rhinozeros.“
Im Herzen Ruh und Gras im Magen,
Und malvenblaue Mondenschatten „Ich hatte doch nicht Angst um mich“.
Wie Bänder auf der Steppe lagen, Verteidigt unser Nashorn sich.
Stand unser Musensohn allein „Nur um mein Horn. Der Kunst bestimmt,
Im apfelroten Abendschein Im Kriege leicht es Schaden nimmt.
Und blies voll Schmelz und ohne Härte Ihr hört doch alle, will ich schwören,
Die allbeliebten Hornkonzerte. Gern meine Nachtmusik.“ - „Wir hören“.
Versetzt der Bulle ohne Spaß,
Doch eines Nachts aus Urwalds Tiefen „Nur schlecht, wenn uns der Löwe fraß.“
Kamen die Löwen. Die Nashörner schliefen.
Nur des Künstlers feines Ohr Dann ward von den Rhinozerossen
Richtet voll Misstraun sich empor. Ein harter Urteilsspruch beschlossen:
Allein greifst du die Löwen an.
Und näher kamen die Löwen geschlichen. Allein jetzt stehst du deinen Mann.
Und immer näher. Wenn sie dich fressen, sei dein Trost:
Dem fürchterlichen Es ist die Strafe, dass du flohst.
Löwen, der an der Spitze ging,
Schon die Spucke am Maul hing. „Ich kämpfe“, sprach der Musikus,
„Nicht weil ich möchte, weil ich muss.
Da hat unser Nashorn das Horn genommen. Doch bis zum nächsten Vollmond scheiden
Alarm! Das hieß: die Löwen kommen. Lasst mich zuvor und haltet still,
Da ist ein Hornkonzert von Haydn,
Auf wachten da die Bullen all Das ich noch fertig üben will.
Und stellten sich zu einem Wall. Dann tue ich, wie ihr begehrt.“
Die Hintern hinten, die Nasen vorn. Der Bulle sprach: „Es ist gewährt.“
Und immer Horn an Horn an Horn.
Was aber war in Wahrheit dann,
Die Löwen sahen sich ertappt Was unser schlauer Freund begann?
Und hättens lieber leicht gehabt. Er gab ein Päckchen auf die Post
Sie strichen in lautlosen Kreisen und Schleifen Ans Löwenrudel Süd-Süd-Ost.
Und wagten doch nicht anzugreifen
Und sind zuletzt in langem Bogen,
Die Schwänze einwärts, abgezogen.
Die Löwen, als sie die Schnur abbanden, Die fünfzig Löwen springen auf.
Im Päckchen 50 Kämme fanden Und rennen weg.
Samt 50 seidnen Blatt Papier. „Nur keinen Biss!“
Sie sprachen: „Wozu soll das hier?“ Befahl ihr König, der auch ausriss.
Doch lag ein gedruckter Zettel bei, „Der Schneidezahn, der Kunst bestimmt,
Wie Blatt und Kamm zu brauchen sei: Zu leicht im Kriege Schaden nimmt.“
„Du legst es an die Schneidezähne
Und singst hinein, dann gibt es Töne.“ „Halt, Freunde, halt!“ rief der Hornist.
Das Instrument ist leicht gemeistert. „Nicht komm ich im Bösen. Die Absicht ist,
Die Löwen waren wild begeistert. Dass ich euch allerhöflichst lade
Zu meiner Mondscheinserenade.“
Und als die sandig gelbe Flur „Was spielt man?“ –
Des Mondes Fülle schräg beschien, „Das Konzert von Haydn“
Da sah man auf der Löwen Spur - „Das mögen wir besonders leiden.“
Die Nashornherde schweigend ziehn.
Das Rudel lag auf einer Lichtung. Auf stieg der Mond zu seiner Stunde.
Man hörte aber aus der Richtung Ein Wind ging lau von den Oasen.
Ein süßes Zirpen oder Summen. Der Künstler hob das Horn zum Munde,
Was ist das? Doch kein Löwenbrummen! Sein Glück sich aus dem Hals zu blasen.
Die Löwen schnurrten auf dem Kamm.
Das Nashorn senkt das gepanzerte Haupt Das Publikum saß rings im Schlamm.
Und hebt das Schwänzlein verwegen. Und Tränen höchster Lust entflossen
Der Boden, er bebet, die Steppe, sie staubt. Den staunenden Rhinozerossen.
So stampft es dem Feinde entgegen.
So und nicht anders kam zustande,
Ernst nickt die Herde hinterdrein: Dass dort in jenem heißen Lande
Er wird nicht als Feigling gestorben sein. Kein Löwe je noch Festres fraß
Als Erbsmus oder Ananas.
Dem Ziel jetzt naht der Donnerlauf.
Peter Hacks
Das Muttergottesbild

An Papst Pii Heiligkeit


Vom geringsten seiner Diener,
Frommerbötig allezeit,
Cosimo, dem Florentiner.
- Lieber Piccolomini,
‘s ist nur eines Possens wegen,
Doch dem Bankhaus Medici
Ist ein wenig dran gelegen.

Es betrifft den Buhlverkehr


Einer Ordensfrau aus Prato
Mit dem Künstler Lippi, der
Auch ihr Prior war bis dato.
Jener Lippi nämlich ist
Karmeliter, ein beschuhter,
Kaum empfehlenswert als Christ,
Doch als Maler ein sehr guter.

Zum Fall selbst. Die Nonnengild


Von der Santa Margherita
Ordert ein Marienbild
Bei besagtem Karmeliter,
Und die jüngste hat er schnell
Und die allerschönste Nonne
Ausbedungen zum Modell
Für die liebliche Madonne.

Großer Gott! im zartsten Lenz


Musst man ihn ins Kloster schieben,
Anders wäre in Florenz
Keine Unschuld heilgeblieben.
Dieser, mein Filippo, nun
Steckt mit der in einer Zelle,
Und schon macht er sich zu tun
An dem himmlischen Modelle.

Heute zählt Anatomie


Jeder zu den Kunstgeboten.
Aufhebt und bis übers Knie
Er den Saum, den blau und roten.
Und wie er so aufhebt, jäh
Strömt ein Duft aus ihrem Fleische,
Jener so geschlechtliche
Und noch so liebkindlich keusche.

Als er sahe, was er roch,


Überbraust ihn das Verlangen.
Ists dem Hl. Geiste doch
Nicht viel anders einst gegangen.
Ruchbar wird auch, ganz wie in
Nazareth, der Jungfrau Wehstand;
Mein Filippo immerhin
Zeigt sich voll bereit zum Ehstand.

Mein Eneo Silvio!


Klugheit und ein Meer von Gründen
Raten, die verfluchten zwo
Der Gelübde zu entbinden,
Und gerettet ist das Paar
Und das Bild. Von Lippis Werken
Fast das beste ists und gar
Dienlich, Gottes Ruhm zu stärken.

Denn der Glauben, Heiligkeit,


Und die Kunst, sie sind nur scheinbar
Eins, doch in der Wirklichkeit
Sind sie häufig schwer vereinbar.
Und ich denke mit Vergunst,
Tun wir Lippi nichts zu Leide:
Denn den Glauben und die Kunst,
Beide wollen wir doch beide.

Die Briefpartner sind Eneo Silvio Piccolomini (der Papst Pius II) und Cosimo Medici (der Vater des Vaterlan-
des). Das Modell war die Nonne Lucretia Buti. Der Vorfall ereignete sich in Lippis fünfzigstem Lebensjahr, kurz
nach Mitte des Quattrocento, und hatte den Filippino Lippi zur Folge, welcher ebenfalls gut malte. - Die
beschuhten Karmeliter sind die duldsamere Richtung jenes ursprünglich sehr strengen Bettelordens; sie tragen
schwarze Kutten und weiße Hüte.
Peter Hacks
Das Pflaumenhuhn

In Pleischte lebte einst ein Huhn, Die Eier waren zweifellos


Das Ärgernis erregte, Im Plauschter Land die besten.
Weil es (was Hühner sonst nicht tun) Sie waren frisch und weiß und groß
Statt Eier Pflaumen legte. Und hingen an den Ästen.

Es gackerte und legte froh Doch reiften herbstlich ringsherum


Die Pflaumen rot und dicklich. Die Äpfel, Birnen, Feigen,
Doch schien den Dorfbewohnern so Dann fielen, plim, dann fielen, plum,
Ein Pflaumenhuhn nicht schicklich. Die Eier von den Zweigen.

Sogar die Bäurin fand es dumm Sie fielen Mädchen auf den Kopf
Und briet bei großen Feiern Und Buben auf die Mützen.
Verdrießlich und mit viel Gebrumm Und oftmals trat ein dummer Tropf
Rührpflaumen statt Rühreiern. In tiefe Gelbeipfützen.

Der Bauer sagte rundheraus, Und kurz und gut und jedenfalls
Sehr unbekömmlich schmeckten Und ganz im allgemeinen:
Gekochte Pflaumen, die, o Graus, Der arme Eierbaum fand, als
Im Eierbecher steckten. Er Freunde brauchte, keinen.

Und kurz und gut und jedenfalls Der Tischler meint, ein Eierbaum
Und ganz im allgemeinen: Verderbe gute Sitten.
Das arme Pflaumenhuhn fand, als Er hat ihn für den Frühstücksraum
Es Freunde brauchte, keinen. Zu Möbelholz zerschnitten.

Die Köchin, die in ihrem Sinn, So büßten sie und litten sie,
Was sie nicht kennt, verachtet, Weil es die Ordnung heischte:
Die hat mit einem Dolch aus Zinn Der Eierbaum aus Plauschte wie
Das Pflaumenhuhn geschlachtet. Das Pflaumenhuhn aus Pleischte.

In Plauschte stand ein Pflaumenbaum Und nie ward jemals einem kund,
An einem alten Weiher, Wer diese zwei vertauschte:
Der trug (ich wags zu sagen kaum), Das Pflaumenhuhn aus Pleischte und
Der trug statt Pflaumen Eier. Den Eierbaum aus Plauschte.
Peter Hacks
Das Riesenquartett

In fernem Land, in alter Zeit, Vier neue Pfarrer aus dem Dom,
In einem Schloss aus Stein, Vier Kutscher aus dem Stall,
Da herrschten tausend Meilen weit Vier Könige aus Prag und Rom
Drei Riesen im Verein. Und Wien und Senegal.
Die waren nicht gut, die waren nicht nett, Es hatte ein Landmann fünf Söhne kühn,
Die spielten mit lebenden Menschen Quartett. Mit vieren sah man sie nordwärts ziehn.

In ihren Fingern, grob und groß, Der fünfte Bruder aber schlich
Hielten sie immer vier: Sich mit ins Riesenhaus
Vier Köche und vier Piccolos, In eines Riesen Ärmel sich
Vier Knecht und vier Barbier. Und schaute dort heraus.
Und hauten zum Beispiel mörderisch Da riefen die andern zwei Riesen: Betrug!
Vier Amtsvorsteher auf den Tisch. Du spielst mit fünf Bauern, und vier sind genug.

Und wenn ein Amtmann aufgeschrien Da fing der erste Riese auch
Und tat der Steiß ihm weh, Zu toben an und schrein
Dann lachten sie und kniffen ihn Und warf ihnen den Tisch vorn Bauch
Und triebens mehr denn je. Und wurde handgemein.
Wer gibt, wer mischt? Wer mischt, wer gibt? Sie schlugen sich tot zwölf Tage lang,
Der Staub wie Rauch zur Decke stiebt. Bis dass das Schloss in Trümmer sank.

Und wenn ein Kartenspiel verschliss, In fernem Land, in alter Zeit,


Dann fragten sie nicht viel Da trug sich solches zu.
Und ritten durch die Finsternis Jetzt hat schon vor der Riesenheit
Nach einem neuen Spiel. Die brave Menschheit Ruh. r
Der Boden, er bebet, der Wald, er kohlt. Ich weiß die Geschichte von einem Notar,
Und die sich verbergen, sie werden geholt. Dessen Großvater selbst ein Quartettblatt war.
Peter Hacks
Das Schätzchen im Brunnen

Ein großes Unglück, liebe Leut,


Hojo
Mein Schätzchen fiel in den Brunnen heut
Hojo
Zieht am Strick, zieht am Strick,
Schätzchen ist mein Tag und mein Glück.

Der Brunnen, in dem Schätzchen liegt,


Hojo
Ist hunderttausend Klafter tief.
Hojo
Zieht am Strick, zieht am Strick,
Schätzchen ist mein Tag und mein Glück.

Aus Schätzchens Aug die Tränen rolln,


Hojo
Der Brunnen ist schon halb voll.
Hojo
Zieht am Strick, zieht am Strick,
Schätzchen ist mein Tag und mein Glück.

Und kann sie nicht gerettet sein,


Hojo
Spring ich zu ihr in den Brunnen hinein.
Hojo
Zieht am Strick, zieht am Strick,
Schätzchen ist mein Tag und mein Glück.

Und rettet ihr das Schätzchen mein,


Hojo
Soll sie auch euer Schätzchen sein.
Hojo
Zieht am Strick, zieht am Strick,
Schätzchen ist mein Tag und mein Glück.
Peter Hacks
Das Wir, für J. R. Becher

Du bist, und ich, wir beide sind wir: wir.


Ich kann mich noch - kann sein, zum Vorteil - ändern,
Wenn ich mein altes Selbst samt Kern und Rändern
Im nahen Jenseits deines Leibs verlier.

Dass du mir dienst, wie ich bedarf, verlang ich.


Dir sei gedient nach meinen Fähigkeiten.
Wo zwei einander ganz sich unterbreiten,
Wird alles Einsambleiben nebenrangig.

Komm, lass uns uns im Wechselwirken üben.


Zum angenehmen Knäuel fest umschlungen,
Haut sehr an Haut, zum Teil auch eingedrungen,
Lieg ich mit dir. Solch überbrücktes Drüben
Macht uns mehr frei und bindet täglich enger.
Das galt einst auch im Staat. Und gilt nicht länger.
Peter Hacks
David, Junge!

Ein König war in Israel,


Von allem Volk der längste.
Streng war sein Sinn, hart sein Befehl.
Doch plagten ihn die Ängste.
Es rasete in ihm, zumeist
Vorm Schlafengehn, ein böser Geist.
Da kam ein Knab im Schäferhut,
Der schlug die Harfe stark und gut,
Und wie er her die Harfe nimmt,
Da rief der Geist ganz missgestimmt:

Lass ruhn, lass ruhn dein Saitenspiel,


David, Junge!
- Ich spiel, ich spiel, so viel ich will, Böser Geist.
- Ich mag nicht raus aus meinem Haus,
David, Junge!
- Aus deinem Haus spiel ich dich raus,
Böser Geist.
- Mein Haus ist morsch, mein Haus ist faul.
- Dein Haus, das ist mein König Saul.
- Und heilst du ihn, dann hängt er dich.
- Eh er mich hängt, verdrück ich mich.
- Ach, du blöder David-Junge!
- Ach, du blöder böser Geist.

Da wich der Geist von Saul geschwind.


Still ward sein Haupt, sein krankes.
Dem Knaben gab sein Königskind
Zur Frau er voll des Dankes.
Und übte noch denselben Tag
Auf David einen Mordanschlag.
Da leckt der böse Geist sein Maul,
Da zog er wieder rein in Saul,
Da schrie der Saul nach David dann,
Da fing das Lied von vorne an.

- Lass ruhn, lass ruhn dein Saitenspiel,


David, Junge!
- Ich spiel, ich spiel, so viel ich will,
Böser Geist.
- Er jagt dich wieder, du wirst sehn,
David, Junge!
- Kann wieder in die Berge gehn,
Böser Geist.
- Und wenn du erbst sein Königreich?
- Sing ich ein Klaglied ihm sogleich.
- Und wenn du König bist wie er?
- Dann plagt mich kein Gewissen mehr.
- Ach, du blöder David-Junge!
- Ach, du blöder böser Geist.

Eine Versifikation von 1. Samuel 9. bis 31. und 2. Samuel 1


Peter Hacks
Deianeira

Sie hat sich, und auf fast erlaubte Weise,


In seine Dinge etwas eingemengt.
Er war entgleist. Sie hat ihn still gelenkt
Und vorwurflos aufs alte Ruhmgeleise.
Er hat geliebt, wo er nicht hätte sollen.
Sie hat ihn nur zur Klarheit bringen wollen.

Das alles geht ganz fürchterlich dann aus,


Auch wenn noch falsche Boten Gutes melden.
Die Gattin hängt und Mörderin des Helden
Sich, was nichts quittmacht, auf im Wäschehaus,
Indes er schreiend wegschmort in dem Hemde,
Das sie ihm anzog, die zu wenig Fremde.

Den Mann, so wird gezeigt, lässt Gott den Nöten


Entrinnen, die ihm zugemessen scheinen.
Doch kehrt ins Sippenhaus er zu den Seinen
Nach Trachis wieder, satt vom Feindetöten,
Dann kleiden sie ihn dort in Feuerwesten:
Weil sie ihn lieben und zu seinem Besten.
Peter Hacks
Demut der Liebe

Du fragst dich, du, die liebe, süße, heile,


So sanft an Seele du wie reich an Geist,
Ob du verdientest, dass ich bei dir weile,
Und ob du meiner Achtung würdig seist.

Du putzt dein Zimmer, bis es mir genüge.


Du blickst mit Sorge, ob du deine Brust
Trägst, wie sie eine, die ich schönfänd, trüge.
Du liest, wovon mich, meinst du, dünkt, du musst.

Vernimm denn: alles, was ein Recht, die seicht


Und dumme Welt mit Spott mir gab zu kränken,
Seit ich dich liebe, frag ich, ob es reicht.
Und dies ist das unschätzbarste vielleicht
Von deiner Neigung Zeichen und Geschenken:
Dass du mich lehrst, mich minder hoch zu denken.
Peter Hacks
Der alte König

Eine letzte Kerze blakte,


Als die Königin Sophie Aus dem Bette kam und fragte:
Sire, worüber grübeln Sie?
Ob ich unsern Fritz nicht erschießen lasse?
Davon wird mein Schnurrbart grau, ja so grau.
Tu ichs nicht, ists dumm,
Tu ichs, nimmt mans krumm,
Sprach der alte König zu seiner Königsfrau.

– O Sie rabenschwarzer Gatte,


Der dem Sohn ins Herze zielt,
Weil er manchmal mit dem Katte,
Manchmal an der Flöte spielt!

Kronprinz Friedrich ward gefänglich


In die Burg Küstrin gebracht.
Doch im kalten Schlosse bänglich
Schlief der König keine Nacht.
Von dem ungewohnten Denken
Färbt sich seine Stirne fahl,
Gicht wühlt ihm in den Gelenken
Und im Busen Vaterqual.
Und er wälzt sich im Gebete
Und berechnet seine Pflicht:
Wenn es doch ein andrer täte,
Aber der, der darf das nicht.

Kurz, es fehlte äußerst wenig,


Beinah war es schon so weit.
Doch dann tat dem alten König
Sein Sohn Fritz schon wieder leid.
Aber der dies Lied gesungen,
Wird der Sache selbst nicht froh,
Wacht nachts auf, das Hemd Zerrungen,
Fährt empor und rätselt so:
Hätt er seinen Fritz solln erschießen lassen?
Davon wird der Schnurrbart mir heute noch grau.
Fritz zog in den Krieg,
Flog von Sieg zu Sieg …
Hätt er sollen oder nicht, wer weiß das so genau?
Peter Hacks
Der Begas-Brunnen

Ach, die schönen, fetten, grünen Weiber aus Bronze.


Aus der Erinnerung hoch steigen sie plätschernd,
Aber dein schmaler Kopf; er lag mir nämlich am Halse.
Denn nach zweierlei Maß urteilen Herz und Geschmack.
Beifällig sah ich ihre triefend und prallesten Schenkel,
Während den Rücken ich dir zärtlich, den knochigen, hielt.
Peter Hacks
Der blaue Hund

Geh ich in der Stadt umher,


Kommt ein blauer Hund daher
Wedelt mit dem Schwanz so sehr
Nebenher,
Hinterher
Und verlässt mich gar nicht mehr.

Wedelt mit den blauen Ohren,


Hat wohl seinen Herrn verloren.
Peter Hacks
Der Bluewater-Valley-Song

Hör, liebes Weib, zu weinen auf,


Die Trommel ruft mich vom Kamin.
Des blauen Wassers Lauf, ja Lauf
Hinan jetzt muss ich ziehn
Ins Bluewater Valley,
Ins Bluewater Valley,
Ins liebliche Blauwassertal.

Der Feind, uns zu beleidigen,


Will sich aus seiner Stadt nicht trolln.
Nun müssen wir verteidigen,
Was wir erobern wolln,
Das Bluewater Valley,
Das Bluewater Valley,
Das fruchtbare Blauwassertal.

Hör, liebes Weib, zu knien auf


Mit deinen lilienweißen Knien.
Schüttet der Feind sein Pulver auf,
Ist Zeit genug zu fliehn
Aus dem Bluewater Valley,
Aus dem Bluewater Valley,
Dem blutigen Blauwassertal.
Peter Hacks
Der Bulle

Er schirmt den After, und er wahrt die Augen,


Den mit dem Wedel, diese mit den Ohren.
Natur hat Bremsen, um an ihm zu saugen,
Ihn wieder, um sie abzutun, geboren.

Anstatt des Grases frisst er, das er soll,


Den Apfelbaum, an den man ihn gekettet.
Er malmt und schadet, tiefen Friedens voll.
Zum Hemiglob schon ist der Baum geglättet.

Ich lieb es sehr, den Bullen zu betrachten


Mit seinen seelenlosen schönen Mienen.
Was immer ist, muss meiner Liebe dienen.
Du wirst mich küssen, und ihn wird man schlachten.
Die weite Wiese, heiß und ungemäht.
Ein Himmel, woran sehr viel Sonne steht.
Peter Hacks
Der Dichter, einem Schwanze verglichen

Er wird die Gesetze


Der Welt nicht sprengen.
Erst muss er stehen,
Dann muss er hängen.
Peter Hacks
Der Drachen

Der Drachen ist ein komisches Geflügel.


Er schaukelt überm Feld und überm Hügel.
Das Kind macht ihn aus Florpapier und Stäben
Im Pustewind kann er sich hoch erheben.

Ein luftiger Schlawiner,


Fliegt er durch die Natur.
Er flöge gern nach China,
Doch hängt er an der Schnur.

Er dreht sich mit den anderen im Tanze.


Sie wedeln ungeheuer mit dem Schwanze.
Sie sind des Herbstes hochwillkommne Boten.
Am allerliebsten mag das Kind die roten.

Der Himmel ist voll Tupfen,


Die du oft kaum noch siehst.
Das Kind bekommt den Schnupfen
Und geht nach Haus und niest.
Peter Hacks
Der Eilbrief

Die Post geht langsam und das Leben schnell.


Ich schreib dir einen Eilbrief, und ich sag,
Wie sehr ich dich erwäg, und an dem Tag,
Wo du ihn kriegst, wird mir der Morgen hell

In deinem süßen Bett. Der alte Mann,


Der ihn besorgt, ist atemlos, denn du
Wohnst hoch, und er verdient sich was dazu.
Der Brief, der stak im Postamt nebenan.

Nun zur Verallgemeinerung. Erfahrung


Ist solch ein Hinkfuß, der den Sachverhalt,
Nach unvertretbar langer Aufbewahrung,
Vor Eifer keuchend, in den Briefschlitz knallt.
Der Text der Welt wird stets zu spät gelesen.
Und nur im Vorgriff packt der Geist das Wesen.
Peter Hacks
Der elektrische Strom

In den elektrischen Dosen


Da fließt der elektrische Strom.
Durch seine Stromschnellen tosen
Viel hunderttausend Atom.

In seinen Fluten zittern


Die Zitterrochen fahl,
Und auf bei großen Gewittern
Steigt der elektrische Aal.

An seinem elektrischen Riffe


Geht manches Schiff entzwei.
(Man hat heut elektrische Schiffe,
Das Dampfschiff ist vorbei).

Er fließt, von elektrischen Birnen-


Und Apfelbäumen umringt,
Hinan zu den Gestirnen,
Die er zum Leuchten bringt.

In großen Sommern und Hitzen,


Umweht von elektrischen Böen,
Sieht man ihn oben blitzen
Und hört sein Donnergetön.

Ich würd gern auf ihm reisen,


Ich fürchte eines bloß:
Dass ich im Bügeleisen
Mir den Kopf anstoß.
Peter Hacks
Der Fährmann von Mautern

Hol über! rufen die Reisenden, Die hatte er gesammelt


Wenn sie wollen gefahren sein Flussauf, flussab auf dem Grund
Von der Stadt Stein nach Mautern In Kreuzern und Hellern und Pfennigen
Oder von Mautern nach Stein. Und eingewechselt zu Passau

Dann kommt der alte Fährmann Anblickt der Fährmann die Taler.
Und setzt sie über den Fluss, Der Fisch steigt auf das Floß.
Den Reiter, den Kaufmann, jeden, Einsteckt der Fährmann die Taler
Der zahlt und weiter muss. Und macht los.

Und wieder schallts: Hol über! Und stakt in des Flusses Silber
Eines Tags von der Steiner Seit. Hinein mit nervigem Arm,
Und wie der Fährmann hinschaut, Und der Fisch lässt sich bescheinen
Da ists ein Fisch, der schreit. Von der Sonne warm.

Ein Fisch mit runden Augen Und klatscht mit dem Schwanze
Und steht am Landesteg Vor Fröhlichkeit,
Und wartet in der Sonne, Bis sie beide aufstoßen
Dass die Fähre anleg. Auf der Mauterner Seit.

Heiliger Christophorus! Da geht der Fisch von der Fähre,


Der Fährmann sprichts voll Grimm, Da steht er oben am Damm
Und spricht: Ein Fisch hat Flossen, Und springt ins Wasser und schwimmt zurück
Wer Flossen hat, der schwimm. Dorthin, wo er her kam.

Das wurd noch nie gehöret, Dem Fährmann stockt der Atem.
Dass ein Fisch Fähre fuhr, Bleich wird sein Gesicht.
Das duld ich nicht, das leid ich nicht, Sein weißer Bart war weißer
Das kränket die Natur. Als sein Antlitz nicht.

Ich will meine Zähne verlieren Er wendet sich vom Flusse


Und alle Haare dazu, Und legt sich zu Bette, und stumm
Und wegsterben solln mir die Hände, Dreht er nach vier Tagen
Wenn ich das tu. Zur schattigen Wand sich um.

Der Fisch spuckt auf die Bank Die Fähre zu übernehmen,


Aus seinen Kiemenfalten Wollt kein andrer Fährmann sich traun.
Einen Berg von Talern, Sie mussten von Stein nach Mautern
Teils jahrhundertalten. Eine teure Brücke baun.
Peter Hacks
Der Gartenriese

Als unsres Gartens schönste Zier


In einem roten Rock
Und weißen Hosen steht er hier:
Der Gartenriese Gog.

Er wiegt beinah so viele Pfund


Wie der Chan-Tengri-Berg.
Er ist ja auch ein Riese und
Nicht bloß ein Gartenzwerg.

Er ragt gen Himmel, ernst und still


Und gänzlich aus Granit,
Ein Igel, der drum rumgehn will,
Braucht 70000 Schritt.

Durch seinen Bart die Wolken ziehn,


Und ziehn nach Nord und Süd.
Zu seinem Fuß steht der Jasmin
Und duftet, wenn er blüht.

Zu seinem Fuß stehn Azaleen


Und lämmerweißer Phlox.
Und Primeln und Levkojen stehn
Am großen Fuße Gogs.

Und Rosen stehn an seinem Saum


In sanfter Poesie.
Es reicht ihm selbst der Pfirsichbaum
Nicht mehr als bis zum Knie.

Die Spatzen aber, nicht zu zähln,


Die uns im Sommer keck
Die allerbesten Samen stehln,
Die scheucht er einfach weg.

Ein Blick voll Macht und Güte quillt


Aus seinem Haargelock.
Er ist der Tugend Ebenbild,
Der Gartenriese Gog.
Peter Hacks
Der Geistergeburtstag

Vorm Bühneneingang her und hin


Bin ich einmal gegangen,
Man soll von einer Künstlerin
Nicht Pünktlichkeit verlangen.
Ich schlenderte und roch mit Lust
Den mitternächtlichen August
Und kam im Unversehen
Vor einem Haus zu stehen.

Ein schönes Haus, so klassisch treu,


So einfältig erlesen,
Es ist gewiss wohl einmal neu
Und dennoch schön gewesen.
Die Tür war auf. Der Hausflur klang
Durchtönt von Männerchorgesang,
Ein Herr hat mich gebeten,
Gefälligst einzutreten.

- Wer ist, der hier noch singt so spat,


Der Kreis fidel und kregel?
- Wir feiern den Geburtstag grad
Von dem Professor Hegel.
Ich bin der Dichter Raupach. Ich
Vernehm ja, dass Sie über mich
Sehr nett geschrieben haben.
Salut am Kupfergraben.

Doch still, der Alte! - (Ich berichts,


Weil es nicht ohne Reiz war):
Er selbst, sprach Hegel, geh ins Nichts,
Die Jugend folg. Es sei zwar
Die heutge Jugend blöd wie nie,
Doch sei, dass ausgerechnet die
Des Fortschritts Werk verrichte,
Der Witz der Weltgeschichte.

Da schlug es zwölf. Und stracks erhob


Die Runde sich, die frohe.
Jetzt fordert, rief man, unser Lob
Der andre Zeitheroe.
Am Rand jetzt zwischen Tag und Tag
Begehen wir auf einen Schlag
Die göttergleich Erhöhten,
Hegeln zugleich mit Goethen.

Ich auch trank auf den Anlass viel,


Ein volles Glas Burgunder,
Und sprach zu Raupach: Mein Vergil,
Sprach ich, es nimmt mich wunder,
Dass Sie nach all den Jahren hier
Bei Scherz und Lied, bei Punsch und Bier
Als Gaukelwerk sich regen. -
Er sprach: Unter Kollegen,

Uns wieder wundert, dass Sie, ein


Lebendger, uns beehren,
Wir glaubten, dass nur wir allein
Der Nachricht teilhaft wären,
Wer, seit man teutsche Männer findt,
Von denen die zwei größten sind,
Wer erst kommt und wer dann kommt,
Kurzum, auf wen es ankommt.

Der FW III zum Beispiel hat


In ziemlich rüden Noten
Der Presse die Berichterstat-
tung über uns verboten.
Auch in der Macht ja wohnt Idee,
Wir übersehn nicht, dass die Spree,
Die hier so still vorbeifließt,
In Richtung Stadtvogtei fließt.

Daher, solang nicht breit genug


Geteilt wird unser Denken,
Muss sich auf balladesken Spuk
Die Weltvernunft beschränken.
Und bis er sich nicht frisch erweist
Im Volksgemüt, behält der Geist
Etwas Gespensterhaftes.
Ich hoff, die Menschheit schafft es. -

Drauf ich: Ich seh die Sache doch


Nicht so durchaus verpfuscht noch,
Die Zeitung zwar schweigt immer noch,
Und meine Liebste duscht noch,
Doch grade von dem Goethe wie
Sogar vom Hegel heget sie
Als geistige Erscheinung
Die allerhöchste Meinung.

So zählten wir schon zwei bereits;


Will mich auch gern verbinden,
Der großen Wahrheit meinerseits
Noch Anhänger zu finden.
Doch es wird eins und für Sie Zeit,
Ich danke für die Gastlichkeit. -
Der Raupach sagte bieder:
Erwähnen Sie mich wieder.
Hegel wohnte Am Kupfergraben 4a. Hegels Geburtstag war der 27. August, Goethes der 28. August. Die
„Zusammenfeier“ beider Ehrentage wurde von Hegel und seinen Freunden am 27. August 1826 veranstaltet -
übrigens, wie hier zum entschiedenen Nachteil der Wirklichkeit festgestellt werden muss, nicht in Hegels Woh-
nung, sondern in den Beyermannschen Festsälen Unter den Linden. Hegels Rede ist treu wiedergegeben. FW III
ist Friedrich Wilhelm der Dritte. Das Berichterstattungsverbot an die Oberzensurbehörde erging in Wahrheit erst
nach dem Ereignis, auf Grund des Berichts der Vossischen Zeitung über dasselbe. - Stadtvogtei: das Gefängnis.
„Salut“, gesprochen „Salüh“.
Peter Hacks
Der Gletscherzwerg

In der Gletscherspalte Bis es als Lawine


Auf dem Gletscherberg Zu den Dörfern strebt,
Lebt versteckt der alte, Dächer und Kamine
Gute Gletscherzwerg. Unter sich begräbt.

Er ist klein, ich glaube, Aber eh das kalte


Keinen Finger groß. Unheil kommt zu Werk,
Schnee ist seine Haube Hastig aus der Spalte
Und sein Bart ein Moos. Schlüpft der Gletscherzwerg.

Weiß sind dort die Weiten Und er fängt das Bällchen,


Seit uralter Zeit, Wenn es noch gering,
Weils auf den beschneiten Dass es irgendwelchen
Fels stets wieder schneit. Schaden nie vollbring.

Läuft im Silberfellchen Stille wieder ruht es


Eine Maus im Schnee, Auf dem Gletscherberg.
Kratzt sie wohl ein Bällchen Gute tuen Gutes
Ab mit ihrem Zeh. Auch mit kleiner Stärk.

Und es rollt zu Tale, Und die Dörfer wahren


Dreht im Schnee sich um, Friedlich Feuer und Licht,
Wird mit jedem Male Wissen von Gefahren,
Mächtiger darum. Von dem Retter nicht.

Ist nach kurzem Rollen Weder Magd noch Bauer


Schon ein dicker Ball, Sah ihn bis zur Stund,
Tut mit dumpfem Grollen Bloß ein gütiggrauer
Seinen Niederfall. Bernhardinerhund.
Peter Hacks
Der greise Chasseur

Mein alter Stutzen rostete


Und auch mein altes Hassen.
Als ob das Zeug nichts kostete,
Hab ich es hängen lassen.
Ich muss sie wieder putzen,
Den Hass und auch den Stutzen,
Ich muss die Stunde nutzen,
Der Kaiser ging an Land.

Den Kampf, den keine Hoffnung lohnt,


Den wird man satt zu kämpfen.
Doch glaubt nicht, dass der Feind uns schont,
Wenn wir die Hiebe dämpfen.
Es lebt der Mensch auf Erden,
Sein Wohlsein zu gefährden.
Was Recht ist, muss Recht werden.
Der Kaiser vor Lyon.

Dich, Schlaf, du trübes Nachtgefühl,


Wird Adlerschrei verjagen.
Den Graukopf gilts im Schlachtgewühl
Ans Vaterland zu wagen.
Von Ehr allein gezwungen.
Um keinen Sold gedungen.
Die Alten vor den Jungen.
Der Kaiser ruft. Zu Pferd!
Peter Hacks
Der großen Riesen langer Tag

Im Winter da schlafen die Riesen,


Bewegen keinen Zeh.
Aus ihren Nasen kommen Wolken,
Die falln herunter als Schnee.

Im März erwachen die Riesen


Und setzen auf die Brill
Und ziehen an den Schlafrock.
Sie frühstücken im April.

Im Mai gehn sie spazieren


Nach Japan oder China.
Wenn sich zwei bei Lappland treffen,
Sagen sie: Ihr Diener.

Im Juni essen die Riesen


Gefüllte Ochsenbrust.
Sie halten Mittagsschläfchen
Von Juli bis August.

Im September ist Zirkus.


Da lässt sich sehen für Geld,
So groß als wie ein Kirchturm,
Der kleinste Riese der Welt.

Nach dem Oktoberbrot


Verdauen sies.
Sie rauchen braune Zigarren
Und sprechen das und dies.

Sie haben unschnelle Gedanken,


Einen in der Woch.
Fangen sie an zu zanken,
Zanken sie Pfingsten noch.

Sie saufen Grog im November,


Da wird es für sie Nacht.
Sie tanzen, dass die Erde dröhnt.
Sie sind halt nicht geschlacht.

Wenn der Dezember kommt,


Legen sie sich aufs Ohr
Und kommen vor dem Frühjahr
Nicht wieder vor.

So leben, so leben die Riesen


9000 Jahr.
Aber ein bisschen langsam,
Das ist schon wahr.
Peter Hacks
Der Haarstern

Mein Gott, das hört nicht auf. Ich hab mich doch
Dein Feind zu sein entschlossen, und ich bins.
Woher die Qual jetzt noch des Anbeginns?
Im Überdruss, woher die Süße noch?

Da sind Gestirne, lese ich in leicht


Und so auch mir verständlichen Artikeln,
Die derart in den Weltgang sich verwickeln,
Dass ihr Gesetz für uns dem Zufall gleicht.

Bist du von denen, Frau? Wie ein Komet,


Der seine bleich und gernvergessnen Brände
Nach Allumirrungen, die Stirn verweht,
In meinem Bett ... Hier ist das Bild zu Ende.
Man muss nicht Halley heißen, um zu wissen:
Du holst mich ein aus fernsten Finsternissen.
Peter Hacks
Der Heine auf dem Weinbergsweg

Der Heine auf dem Weinbergsweg


Hat einen goldnen Zeh
Und einen goldnen Daumen.
Der Zeh tut ihm nicht weh.

Die Kinder, wenn sie steigen


Aufs Knie dem Dichtersmann,
Fassen sie erst die Zehe
Und dann den Daumen an.

O deutsches Volk, erobere


Dir deiner Meister Knie.
Dann wetzt du ab die Patina
Vom Gold der Poesie.
Peter Hacks
Der Herbst steht auf der Leiter

Der Herbst steht auf der Leiter


Und malt die Blätter an,
Ein lustiger Waldarbeiter,
Ein froher Malersmann.

Er kleckst und pinselt fleißig


Auf jedes Blattgewächs,
Und kommt ein frecher Zeisig,
Schwupp, kriegt der auch nen Klecks.

Die Tanne spricht zum Herbste:


Das ist ja fürchterlich,
Die andern Bäume färbste,
Was färbste nicht mal mich?

Die Blätter flattern munter


Und finden sich so schön.
Sie werden immer bunter.
Am Ende falln sie runter.
Peter Hacks
Der Kahlbutz

Wenn Sie bei Bückwitz links halten


Auf der Kyritzer Chaussee,
Da liegt der Ritter Kahlbutz
In seiner Schaubude.
Er liegt da schon dreihundert Jahr
Und wird und wird nicht faul.
Der Virchow und der Sauerbruch,
Die stehn mit offnem Maul.

— Herr Ritter, du hast mir den Liebsten erschlagen.


— Mein schönes Kind, sowas soll man nicht sagen.
— Du hast erschlagen den Liebsten mein.
— So will ich gern selber dein Liebster sein.

— Herr Richter, mein Liebster ward dem Kahlbutz zur Beute.


— So hässlich, alter Freund, spricht die Jugend heute.
— Er war der Mörder, ich weiß es genau.
— Wer hat mich gesehen, wie gehts Ihrer Frau?

— Herr Ritter, du warst es, drauf sollst du mir schwören.


— Ich war es bei Gott nicht, kannst du nicht hören?
— Der lügt unterm heiligen Eid sogar!
— Mein Leib soll nicht verwesen, wenn ich es war.

Der Eintritt kostet eine Mark,


Für Kinder fünfzig Pfennge.
Dafür liegt Kahlbutz dann im Sarg
In seiner ganzen Länge.
Heut ist kein Ritter blutig mehr.
Die Zeiten sind vorbei.
Die Jungfern sind nicht mutig mehr
Und auch nicht mehr so treu.
Peter Hacks
Der König hat ein Doppelkinn

Der König hat ein Doppelkinn.


Bumsti.
Der König hat zwei Bärte.
Er ist höchst abwegig behaart,
An jedem Kinne einen Bart,
Einen schwarzen und einen weißen.

Der König hat einen Doppelbart.


Bumsti.
Der König hat zwei Kämme.
Und klinget es auch wundersam,
An jedem Barte einen Kamm,
Einen roten und einen goldnen.

Der König hat einen Doppelkamm.


Bumsti.
Der König hat zwei Läuse.
Es ist ein Übel und ein Graus,
An jedem Kamme eine Laus,
Eine gelbe und eine graue.

Der König hat eine Doppellaus.


Bumsti.
Das war das End vom Spiel.
Die Läuse sehr vermessen
Haben den König gefressen.
Es war eine zuviel.
Peter Hacks
Der kranke Laubfrosch

Der Laubfrosch hockt so matt


Dort unter dem Spitzwegerich.
Der Laubfrosch ist bettlägerig,
Weil er die Grippe hat.
Es spricht der Doktor Pilz:
Du bleibst auf jeden Fall bei Tee,
Am besten ist der Salbeitee,
Vielleicht liegts an der Milz.

Des Abends kommen sacht


Die Kröten von der Sippe an
Und sehn sich seine Grippe an
Und quaken in die Nacht.

Der Laubfrosch quakt nicht mehr. Er quäkt.


Das macht: die Zunge ist belegt.
Peter Hacks
Der Mensch kein Vogel

Ich lag mit dir, und im Begriff, zu Bette,


Mich stark nach unsres Hierseins Sinn zu fragen,
Da hört ein Klatschen ich und Flügelschlagen.
Zwei Tauben balzten auf dem Fensterbrette.

Wie ganz erfasst! Wie aufgerührt vom Drange!


Doch jetzt, wieso? Sie gehn zur Feuerleiter
Und scharren dort und kennen sich nicht weiter.
Es war nicht schlecht. Nur währt es wohl nicht lange.

Der Tauber gähnt und kratzt sich an der Haube


Und hatte kurze Not, sich abzukühlen.
Ich sprach: viel Redlichkeit, doch wenig Taube.
Die Liebe, die ich nur zu fühlen glaube,
Ist zehn Mal mehr, als was die Bestien fühlen.
Und ich begann, mich gern in dich zu wühlen.
Peter Hacks
Der Monarch

Herr Ludewig von Frankreich,


Bekannt vor langer Zeit,
Der hielt nicht für belangreich
Die Kunst der Reinlichkeit.

Er hatte goldene Kleider


Und Puder im Gesicht,
Doch ein Stück Seife, leider,
Das hatte Ludwig nicht.

Im Schlosse zu Versailles
Schritt er von Raum zu Raum,
Ansehnlich einesteiles,
Doch andernteiles kaum.

Denn wenn er kam, dann bückten


Die Herrn sich bis zum Schuh,
Und wenn er ging, dann drückten
Sie sich die Nase zu.

Er war ein großer König,


Genennet war sein Nam,
Doch liebte ihn halt wenig,
Wer ihm näher kam.

Zwei Doktorn der Sorbonne


Beschrieben ihn genau:
Erglänzte wie die Sonne,
Er roch wie eine Sau.
Peter Hacks
Der Nachfolger

In diesem Armengrabe liegt ein Sohn,


Der, was der Vater sparte auf dem Thron,
Vergeudete. Ein Schild sagt den Besuchern:
Er hat geerbt. Er war zu dumm zu wuchern.
Peter Hacks
Der Oder-Havel-Kanal

Erfand man seinethalb das Breitwandkino?


Der zieht und zieht sich, Wasser und Granit.
Ein leerer Pole tuckert Richtung Finow.
Gewisse Eichen schwinden zögernd mit.

Hässliche Eichen: blatt- und kostenlose.


Ich kenne bessre. Diese sind die hier.
Ich bin recht wohl in meiner Streusanddose.
Ich dank euch, Jutrbog und Bjelbog, ihr

Verschontet mich mit Alpen. Flach geschrägt


Wirft eine kurze Böschung schmale Schatten.
Das Ganze hält sich im vernünftig Platten.
Er flutet grau und völlig unerregt.
Am Horizont bewegt sich Kuh an Kuh.
Die Furchen eilen einem Fluchtpunkt zu.
Peter Hacks
Der Renaissancemensch

Ein Mann von deinen, durch gestrengen Bannspruch


Aus deiner Näh entfernt und Herrlichkeit,
Hasst und verfolgt mich, weil ich seinen Anspruch,
Den er seit Jahren nicht mehr hat, bestreit.

Ein rabiater Mensch. Er droht mit Schlägen.


Er harrt in vielen Schatten, fahl und stumm.
Gebt einen roten Mantel, einen Degen,
Ein Quattrocento ihm: er bringt mich um.

Die deutschen Gluten sind halt kaum die wärmsten.


Da nehm ich mich nicht aus und dich nicht, Liebes.
Und nun ein Satan, fähig solchen Triebes!
- Ach, nur zum Münzfernsprecher treibts den Ärmsten.
Und dir am Busen hör ich aus der Muschel
Leicht irritiert sein greinendes Getuschel.
Peter Hacks
Der Säbelkaiser

Es lebte Kaiser Wilhelm


Im Schlosse zu Berlin,
Den sah man nachts am Schnurrbart
Und tags den Säbel ziehn.

Der Schnurrbart wurd allmählich


Wien Hundeschwanz so groß,
Doch heut im Lied erzähl ich
Euch von dem Säbel bloß.

Mit diesem Säbel nämlich


Rasselt er allezeit.
Ihr meint, dies wäre dämlich?
Wie frech ihr Kinder seid.

So wie der Hagel prasselt,


So wie die Kette klirrt,
Hat der Monarch gerasselt,
Wie überliefert wird.

Und schlief ein Mensch in stillem


Behagen unterm Dach,
Dann kam der Kaiser Willem
Und rasselte ihn wach.

Bis über Ulm und Kassel,


Bis London und Paris
Hörten sie das Gerassel,
Und ungern hörten sies.

Da warn selbst die Berliner


Halb taub von all dem Blech
Und sagten: Lieber Kaiser,
Steck mal die Plempe wech.

Und sagten: Lieber Kaiser,


Nu rassel doch mal leiser,
Und zu der guten Letzt
Habn sie ihn abgesetzt.

Da zog der Wilhelm grollend


(Und war nun nicht mehr kühn)
Ins Königreich von Holland,
Woselbst die Tulpen blühn.

Er starb wie alle Kaiser


In irgendeinem Jahr.
Jetzt steht er im Geschichtsbuch,
Zehn Zeilen lang sogar.
Peter Hacks
Der Salut von Memel

- Luise, liebes Kind, ich muss ...


- Wohin, wohin, wohin?
- Nach Tilsit fort zum Friedensschluss,
Weil ich geschlagen bin. -
Der König geht. Der König spricht:
Die Ruhe ist die erste Pflicht,
Drum reize mir den Kaiser nicht,
Das hat jetzt keinen Sinn.

Luise wollte tanzen gehn,


Wohin, wohin, wohin?
Zu einem Britenkapitän,
Der kam bei Tagbeginn.
Schon hüpft sie fröhlich in das Boot,
Der Busen weiß, die Wangen rot,
Ein alter Maat von echtem Schrot,
Der roch nach Teer und Gin.

Luise an der Bordwand schwebt,


Wohin, wohin, wohin?
An schwankem Seil ein Kran sie hebt,
Dass sie das Deck gewinn.
Ein Hochruf donnert von den Rahn,
Im Seewind knattert Englands Fahn,
Luise hängt an ihrem Kran,
Es knarrt die Ruderpinn.

Luise steigt der Magenbrei,


Wohin, wohin, wohin?
Aus Mund und Nase ein Gespei,
Es schießt ihr übers Kinn.
Das schöne Kleid aus Musselin,
Das hat sie völlig vollgespien.
Luise speit wie ein Delphin
Und wünscht sich sonstwohin.

Kanonen feuern den Salut.


Wohin, wohin, wohin?
Sie feuern gut, sie treffen gut,
Es warn noch Kugeln drin.
Halb Memel lag in Schutt im Nu.
Napoleon murmelt: Quel dégoût.
Der Wilhelm schreit: Verdammte Kuh.
Gott schütz die Königin!

Die ausführlichste Nachricht über den missglückten Ausflug zu der Fregatte Astraea am 1. Juli 1807 hat die
Nachwelt von dem Ruppiner Landrat Friedrich Christian Ludwig Emilius v. Zieten aus Wustrau; die Nachricht
von dieser Nachricht aber dankt der Verfasser seinem Freund Gotthold Gloger, der ihm den Stoff in selbstloser
Kollegialität zur Verfügung überließ. - Die Königin befand sich im vierten Monat. Der Vorwurf, falls Dichtung
Vorwürfe erhebt, gilt nicht ihrem Magen.
Peter Hacks
Der schüchterne Kasper

Wenn ich lache, lachst du wieder,


Wenn ich nahe, nahst du dich,
Gerne sitzt du bei mir nieder,
Gretel, das ermutigt mich.

Wenn ich deinen Arm berühre,


Sagst du sanft und mütterlich:
Ich verschließ nur rasch die Türe.
Gretel, das ermutigt mich.

Wenn ich noch das Leibchen freileg,


Machst du schon die Beine breit.
Ob ichs wag und mich dir beileg?
Herrlich ist Verwegenheit!
Peter Hacks
Der Schuldner

Du hast zu mir die Lieb empfunden,


Die einem wie ein Blitz geschieht,
Die alle früh und späten Stunden
Mit Hochbedeutung überzieht.
Ich lieb dich minder. Doch ich sage,
Ich lieb dich sehr, auf deine Frage
Und schau dich voll des Dankes an,
Dass ich dir hierin dienen kann.
Peter Hacks
Der sieche Fisch

Ein Fisch, aus einem flutenden Kanale


Gewahrt er sich in einen Teich verbracht,
Den ein Gewirr von Erlen, jedem Strahle
Des Tages Einhalt bietend, überdacht.

Der Pflanzen Grün geht dort in Fäulnis über.


Der Boden steigt, der Raum für Taten sinkt.
Die Aussicht wird von Mond zu Monat trüber.
Es stinkt um ihn. Dann ists er selbst, der stinkt.

Er fragt im Dämmer jener Erlengruppen


Nicht, was beginnen. (Und es wäre: nichts.)
Mit wundem After steht er, blutgen Schuppen,
Ein schräger Spiegel eines kalten Lichts.
So traf ich und betracht ich ihn, in Kenntnis
Des Weltzusammenhangs und mit Verständnis.
Peter Hacks
Der Sieger

Mit langen Schritten eilet nach Haus der Sieger


Vom Lager weg der Besiegten. Wohlgefällig
In seinem Ohre tönet ihr Röcheln wider.
Genug ja stritt er. Hinsank Bollwerk um Bollwerk
Vorm Donnersturm des eisenköpfigen Tieres,
Bis da nichts stand mehr hielt, nicht Gürtel noch Brustwehr,
Und da nichts mehr zu retten war und nur Flehen
Um Gnade möglich. Wo wenn nicht hier für lebt man?
Und all dies köstlich erinnernd, einverstanden
Mit sich, der Welt und den Göttern, eilt er. Nicht, ach,
Der Tor, bedenkt er vieler Sieger Verhängnis,
Wie sie zu sättigen hatten den Besiegten,
Um ihn zu Kräften zu bringen, wie sie trösten
Den schwer Gekränkten mussten, eingehn auf seine,
Des nicht zu missenden - denn ohne ihn freilich
Warn sie nicht Sieger mehr - besondere Artung,
Wie keinem Tag sie fluchten gleich jenem, da sie
Im Jubel fuhrn durch die bebänderte Pforte,
Durchaus Geschlagne selbst, in Ketten selbst: Sieger.
Peter Hacks
Der sterbende Sänger

Als Preußen, Russland und Österreich


Gegen Frankreich und Deutschland stritten,
Da ist ein Jüngling, schwarzlockig und bleich,
Mit in den Tod geritten.
Lasst Mutter, Braut und Geliebte zurück! -
So hatte er gedichtet
Im „Josef Heydrich“. Ein schönes Stück
Und stark gegen Frankreich gerichtet.

Und wie er lag ins Moos gerafft,


Da traten starr und geisterhaft
Vors Aug ihm hin, das brechende,
Drei Frauen, sichtbar sprechende.

Die Mutter sprach: O Theodor,


In dir wuchs uns ein Gott empor.
Der Vater zahlte die Verleger.
Was willst du bloß als Schwarzer Jäger?
Nichts ist, das dich zu Preußen zwingt,
Du bist ein Wiener aus Dresden.
Man tut nicht alles, was man singt.
Der Tod, der tut am wehsten.

Die Zeit war knapp, das Bild entschwand,


Die Braut Antonie vor ihm stand.

Die Toni sprach, die schöne Braut:


Noch ist nicht unser Haus gebaut,
Fort aus der Ringstraße in Wien
Kann nur ein Narr zum Lützow fliehn.
Bleib, mein Verlobter. Bleib und schreib
Mir weiter schöne Rollen,
Ich spiel dir jedes Heldenweib
Auch vor der Burg, der vollen.

Dann gab mit einem Bühnenfluche


Sie Platz dem dritten Nachtbesuche.

Die Frau Bankier Pereira sprach:


Napoleon, das ist die Schmach.
Der Völkervogt, es hassen ihn
Die Israelitinnen von Wien.
Die Fanny Arnstein spendet Geld,
Die Rahel hat sich beigesellt.
Wir sind nicht blond, doch blond und licht
Sind unsre Seelen. Unsre Pflicht
Ist euer Mut. So fühlen es
Sogar die Damen Eskeles.
Drum wenn du mich liebst wie ich dich,
Sei tapfer und verlasse mich.
Nimm dieses Buch zum Liebespfand.
Die Leier stickt mit eigner Hand
Ich in die grüne Seide. Du
Zieh hin und füg das Schwert hinzu.

Sie sprach noch viel im selben Ton,


Die zarte Henriette.
Des Sängers Geist war längst entflohn,
Da stand die Halluzination
Noch redend an der Stätte.

Von Gadebusch zog gen Schwerin


Ein Sarg unter Trommelschlägen.
Zwei Eichen rauschen bei Wöbbelin,
Dort ist sein Grab gelegen.
Ihr schönen Wiener Jüdinnen,
Ihr ließt ihm keine Ruh.
Und hätt doch können werden
Ein zweiter Kotzebue.
Der kaiserlich-königliche Hoftheaterdichter Theodor Körner kam am 26. August 1813 ums Leben. Das Zitat
heißt wörtlich: „Lasst Vater und Mutter, Weib und Kind, Freund und Geliebte entschlossen zurück“. - Arnstein,
Pereira, Eskeles: Wiener Bankiers. Damen spielten im Kampf gegen Napoleon eine große Rolle; gegenbonapar-
tistische Propagandanester europäischen Ausmaßes waren die Salons der Germaine Staël in Coppet, der Luise
Radziwill in Berlin und der Franziska Arnstein in Wien.
Peter Hacks
Der Traum vom Umweltschutz

Jüngst, so habe ich geträumt,


War die Erde aufgeräumt.
Nur Erkenntnis und Natur
Walteten an Rhein und Ruhr.
Abgezogen war der Dunst,
Den die bürgerliche Kunst
Wie ein Krater seinen Gischt
In das deutsche Klima mischt.
(Durch das Auge und das Ohr
Dringt er zum Gehirne vor,
Lähmt es und erzeugt darin
Einen Stumpf- und Freiheitssinn.)
Dieser Nebel war wie fort
Jetzt gefegt. Mit einem Wort:
Durch das Industriegeschehn
War schon wieder durchzusehn.
Nichts mehr sonderte sich ab,
Was die Umwelt macht zum Grab.
Kein Kriegsfahrzeug oder Tank
Dröhnte uns die Nerven krank
Und zerwühlte den Asphalt,
Und kein Überknall erschallt.
Die Chausseen still und leer
Dienten wieder dem Verkehr.
Im kristallnen Strome schwamm
Lediglich ein Wahlprogramm;
Seit es sich darin befand,
Hob sich auch der Fischbestand.
Und ich saß - in jenem Traum -
Unter einem Ahornbaum.
Golden schien sein Astgeflecht,
Ich erwähne es trotz Brecht,
Und die milde Luft, es war
Im September, äußerst klar
Bis zum fernen Waldbeginn
Zog sich eine Wiese hin.
Auf der Wiese ging ein Faun
Und mit zweien seiner Fraun,
Und er sprach zu ihnen: seht,
Unser Bruder, der Poet.
An dem Himmel aber stand -
Ach, wir hattens nie gekannt -
Majestätisch, nackt und wild
Ein erhabnes Flammenbild.
Und es lächelte, als wärs
Jene Sonne noch Homers.
Peter Hacks
Der Trödelladen des Herrn Pätes

Im fünften Hof, in einem Berg


Verstaubten Hausgerätes,
Da wohnt ein wunderlicher Zwerg,
Der Trödler Adam Pätes.
Der hatte nur Verdrehtes.

Er hatte eine große Uhr,


Die konnte leise gehen.
Sie ließ sich manchmal auf dem Flur
Auf hohen, spitzen Zehen
Beim Leisegehen sehen.

Und weil die Uhr auch schlagen tat,


Bekamen einst zwei Diebe
Von ihr, es war grad zwölfe spät,
Mit rasselndem Getriebe
Zwölf fürchterliche Hiebe.

Ein Rabe saß auf einem Thron,


So grau wie die Geschichte.
Der kannte noch Napoleon
Und schrieb bei Kerzenlichte
Erlogene Berichte.

Die Tarnkappe, wie jeder glaubt,


Hätt eine Menge Kunden.
Man stülpte sie aufs Marmorhaupt
Von Kunibert dem Runden.
Sie sind leider verschwunden.

Ein Goldfisch schwamm auf einem Tisch


In einer Goldfischvase.
Der Kopf aus Gold, der Schwanz aus Fisch.
Der Tisch aus weißem Glase.
Aus Ebenholz die Vase.

Und gäbs ein Ding, recht rar und knapp,


Ein nirgends sonst erspähtes,
Das du nicht hast und ich nicht hab:
Beim Trödler Adam Pätes,
Da steht es.
Peter Hacks
Der Vogel Turlipan

An der Schul zu Salamanca,


Da lehrte ein Dekan,
Der suchte wie ein Kranker
Den Vogel Turlipan,
Den bunten Vogel Turlipan.

Die anderen Professoren


Verzogen das Gesicht:
Der Vogel ward nie geboren,
Den Vogel gibt es nicht,
Den bunten Vogel Turlipan.

Er sprach: Ich muss ihn finden,


Und reiste weit landein.
Da fand er hinter den Winden
Einen Berg aus Edelstein.
Doch nicht den Vogel Turlipan.

Da stieg er gleich zu Schiffe,


Fuhr über die sieben Meer.
Die Zimt- und Pfefferriffe
Entdeckte er.
Doch nicht den Vogel Turlipan.

Und steht er nicht auf dem Lande,


Und schwimmt er nicht im Meer,
So fliegt er im Federgewande
Wohl in der Luft umher,
Der bunte Vogel Turlipan.

Da hat er das Luftschiff erfunden,


Das noch nicht erfunden war,
Und fuhr den Himmel erkunden
Vergeblich zehen Jahr.
Fand keinen Vogel Turlipan.

Sprachen die Professoren:


Sein Leben ist vertan.
Es wissen selbst die Toren,
Es gibt keinen Turlipan.
Es gibt wirklich keinen Turlipan.
Peter Hacks
Der Walfisch

Der Walfisch ist kein Schoßtier,


Er ist ein viel zu groß Tier.
Er misst zweihundert Ellen
Und macht gewaltige Wellen.
Er redet nicht, er bellt mehr.
Er stirbt von keinem Schuss.
Er rudert durch das Weltmeer
Als Flossenomnibus.

Ein Zaun sind seine Zähne,


Die Nase ne Fontäne,
Der Schwanz sogar ein Plättbrett
Aus seinem Leib man Fett brät.
Das Wasser kräuselt bläulich
Sich um den schwarzen Kloß.
Der Walfisch ist abscheulich
Groß.
Peter Hacks
Der Weltreisende

Guten Morgen, Schwestern,


Verreist war ich gestern,
Guten Abend, Brüder,
Morgen komm ich wieder
Aus Mailand
In Thailand,
Das ist ein Papageiland.
Und als ich hinkam, da stand ein goldener Baum,
Und da gingen zehn alte Greise herum,
Die hießen: Kaspar, Balthasar und Heiner,
Thymian, Kümmel, Erbspüree,
Goliath und Andromache,
Hat-dich-deine-Mutter-fallen-lassen-Gustav
Und noch einer,
Und hatten zehn weiße Haare
Und hatten keinen Kamm
Und gingen schon zehn Jahre
Und kamen nicht um den Stamm.
Und jeder Zweig
War ein Reich.
Und jedes Blatt
War eine Stadt.
Und jedes Ästlein war bestaubt
Mit einem Staatsoberhaupt,
Mit Kurfürsten und Königen.
Da fragt ich den von Armenien:
Herr Majestät, wieviel ist Quark mal sieben?
Ist mir die Antwort schuldig blieben.
Peter Hacks
Der Winter

Im Winter geht die Sonn


Erst mittags auf die Straße
Und friert in höchstem Maße
Und macht sich schnell davon.

Ein Rabe stelzt im Schnee


Mit graugeschneitem Rücken,
In seinen Fußabdrücken
Sieht man jeden Zeh.

Der Winter ist voll Grimm.


Doch wenn die Mutter Geld hat
Und viel Briketts bestellt hat,
Dann ist er nicht so schlimm.
Peter Hacks
Der Wunderhengst Caesario

Und jippi-ee und jippio,


Das ist ein Lied für Männer,
Das Lied vom Hengst Caesario,
Dem apfelbraunen Renner.

Caesario lebt nicht eingezäunt,


Er ist voll Stolz und Feuer.
Es machten ihn zu meinem Freund
Viel tausend Abenteuer.

Er trug mich durch die Sahara,


Die Hufe schlugen Funken,
Wir warn nach dreißig Tagen da.
Er hatte nicht getrunken.

Er trug mich durch den Atlas, wo


Es Wölfe gibt in Haufen.
Wer andres als Caesario
War ihnen noch entlaufen?

Ich rettete ein Fräulein schlank


Vor ihrem Sklavenhalter,
Und mein Caesario übersprang
Die Straße von Gibraltar.

Er bringt mich sicher stets ans Ziel.


Sein Stammbaum ist erlesen.
Der Vater ist ein Besenstiel,
Ein Besenstiel gewesen.

Auch sonst entspross Caesario


Dem allerbesten Blute.
Die Mutter nannt sich Wisch von Stroh,
War eine schöne Stute.
Peter Hacks
Des Feuers Glut, des Wassers feuchte Kühle

Des Feuers Glut, des Wassers feuchte Kühle


Umarmen sich im goldnen Rebentrank.
Drum lernt vom Wein, ihr streitenden Gefühle.
Ein Tropfen Frohsinn stillet Hass und Zank.
Dass stets von G’müt zu G’müt der Becher wander,
Dies wünscht der Lityerses vom Maiander.

Und hat die Nacht die Sonne ausgetrunken,


Geht desto voller auf der Schoppen Wein.
Zwei Feinde, untern gleichen Tisch gesunken,
Solln mir die liebsten aller Freunde sein.
Geht her, seid nett: zu euch und zu einander.
So meint der Lityerses vom Maiander.
Peter Hacks
Des Mannes Liebe wohnt im Herzen

Des Mannes Liebe wohnt im Herzen,


Dort ist er ihrer sich bewusst.
Drum kann er mit der Liebe scherzen.
Wer reißt das Herz ihm aus der Brust?

Des Weibes Liebe wohnt in Worten,


In Seufzern und dem Augenschein.
Drum aller Weilen aller Orten
Muss sie der Lieb versichert sein.

Dem Mann, ihm sind die Zweifel ferne,


Dran es dem Weibe nie gebricht.
Drum sagt das Weib zum Mann so gerne:
Treuloser, ach, du liebst mich nicht.
Peter Hacks
Detektivlied

Wer Schelme fangen will, muss früh aufstehn,


Darf schlafen nicht zu lang.
Gar oft ist einer dran, ein Ding zu drehn
Vor Mondenuntergang.

Wenn der schlau ist, sind wir schlauer.


Und wir geben mächtig acht.
Und wir liegen auf der Lauer,
Auf der Lauer
In der Nacht.

Wer Schelme fangen will, muss früh aufstehn,


Dass er nicht alles glaubt.
Nur wer gelernt hat, durch die Nacht zu spähn,
Entdeckt, was unerlaubt.

Und wir merken voller Trauer:


Mancher Mensch ist bös gemacht.
Und wir liegen auf der Lauer,
Auf der Lauer
In der Nacht.
Peter Hacks
Die Begünstigten

Der Genien würdigste sind uns gewogen.


Kühnheit, uns floh sie nicht. Witz blieb nicht ferne.
Die Schönheit trat hinzu mit ihrem Sterne.
Kunst hat uns, und vergebens nicht, erzogen.

Und auch sie selbst, die Liebe, hat unendlich


Hoch uns bevorzugt. Im Vermögen gleichen
Wir uns zur Lust, und die geheimen Zeichen
Sind unsrer Sehnsüchte uns wohl verständlich.

So stehen sie gar huldreich oder fliegen


Um unser breit und königliches Bette.
(Weltklugheit aber hat uns diese Stätte
Und Wohlstand zugesprochen). Und wir liegen,
Zum Glück entschlossen, und verlangen mehr
Als Sterbliche. Und haben es sehr schwer.
Peter Hacks
Die Blätter an meinem Kalender

Die Blätter an meinem Kalender,


Die sind im Frühling klein
Und kriegen goldene Ränder
Vom Märzensonnenschein.

Im Sommer sind sie grüner,


Im Sommer sind sie fest,
Die braunen Haselhühner
Erbaun sich drin ihr Nest.

Im Herbst ist Wolkenwetter,


Und Sonnenschein wird knapp,
Da falln die Kalenderblätter,
Bums, ab.
Im Winter, wenn die Zeiten hart,
Hat es sich auskalendert.
Ich sitze vor der Wand und wart,
Dass sich das Wetter ändert.
Peter Hacks
Die Braut des Deserteurs

Und als der Husar gefangen war


Und bleich am Richtplatz stand,
Und der Fall war klar und die Hoffnung rar,
Da kam das Mädchen mit feuchtem Haar
Zu dem Herrn Leutenant.
Weil ich den Soldaten lieb,
Wurd der Soldat so schlecht.
Ihr müsstet ja mich töten,
Eh ihr ihn schuldig sprecht.

Der Leutnant voll Hohn tritt zur Schwadron:


Ergreifet das Gewehr!
Der um süßen Lohn aus dem Heer entflohn,
Hat nach der Mortifikation
Keinen Kopf zum Küssen mehr.
Das tat deine große Lieb
Und dass dein Herz nicht schwieg.
Das Glück ist für den Frieden.
Der Tod ist für den Krieg.
Peter Hacks
Die Dardanellen

Wohl in den Dardanellen,


Die unweit Stambul sind,
Macht schändlich große Wellen
Der Dardanellenwind.

Er peitscht in seinem Zorne


Das Dardanellenmeer.
Er kommt zugleich von vorne
Und von hinten her.

Mein Boot war schnell zerbrochen.


Verloren ging das Heck.
Nach etwa sieben Wochen
Schwamm auch der Bug hinweg.

Das Meer wie schwarze Tinten,


Ich unbeweglich drauf.
Der Wind hört nicht von hinten
Und nicht von vorne auf.

Durch die Kajütenscheiben


Fiel gar mein Bett von Bord.
Der Wind, er sah es treiben
Und legte sich sofort.

Mein Bart war lang geworden.


Ich band ihn um das Boot
Und kam noch heil nach Norden
Und bin drum noch nicht tot.

Jedoch von Schiffsunfällen


Rede besser nur,
Wer durch die Dardanellen,
Die Dardanellen fuhr.
Peter Hacks
Die Datsche in Peredelkino

- Genosse Berija, nicht zum ersten Male


Betracht ich meine Generale.
Sie haben ernstlich zu glauben begonnen,
Sie hätten mir den Krieg gewonnen,
Und seit der Frieden nun nicht mehr klappt,
Sind sie vollends übergeschnappt.
Am gefährlichsten scheinen mir die begabten
Und dann, nächst denen, die unbegabten.
Und weil ich drauf komme. Mir missfällt
Der alte Gaulschreck und Steppenheld
Budjonny. Was ist denn ein Kavallerist
Als ein quadrupedischer Anarchist?
- Wird veranlasst.

In der Laube schnarchend liegt der


Siebzigjährige. Sein Prachtbart
Wie zwei Engelssilberschwingen
Wärmt ihm die gegerbte Wange.
Manche Nächte, wenn er schlecht schläft,
Träumt er den Ukrainefeldzug.
Diesmal schläft er gut. Er träumt von
1921.
***

- Aufwachen, Väterchen! Der Feind!


- Was sagt das Wort?
- Was es meint.
Drei unbeleuchtete Limousinen
Stehn vor der Basilika. Aus ihnen,
Wie ich durchs Duster späh, entfalten
Sich ganz eigene Gestalten.
Sie kennen die Sorte. So Kerle mit
Chromlederstiefeln und Bürstenschnitt.
- Wie gehen sie vor?
- Vom Friedhof her.
- Pfuscher. Es gibt keine Taktik mehr.
Dann mal los, Iwan. Du machst den Tee
Und ich mich oben ans MG.
Schlau, dass ich das Ding aufhob.

Auf das Dach steigt er bedächtig,


Putzt bedächtig blank die Brille,
Setzt sie sich vors Adlerauge,
Legt sich hinter die Maschine.
Die Erfindung war von Maxim,
Das Schießpulver war von Nobel
Und der Gussstahl von Putilow,
Gute alte Friedensware.
***

- Jossip Wissarionowitsch?
Hier spricht Semen Michailowitsch.
Melde fernmündlich, dass ich in
Kampfhandlungen begriffen bin
Mit einer von diesen Banditenbanden.
Erbitte Entsatz.
- Meldung verstanden.
Ihre Stellung befindet sich wo?
- Im Gartenverein Peredelkino.
- Sie sind bewaffnet?
- Selbstverständlich.
- Mit Munition versehn?
- Unendlich.
- Besatzung?
Klein, aber treu. Iwan
Heißt der Lümmel, stammt aus Astrachan.
- Halten Sie durch, Marschall!

Auf den Maitribünenstufen


Schreiten die Sowjetmarschälle,
Vor der Gruppe her Budjonny
Als der älteste im Range.
Stalin packt ihn um die Schulter,
Küsst ihn zärtlich, drückt ihn an die
Weiße Brust. Das Volk bejubelt
Zwei bewährte Kampfgefährten.

Semen Michailowitsch Budjonny, Marschall der Sowjetunion. 1919 bis 1921 Befehlshaber der 1. Reiterarmee, 1939
bis 1941 stellvertretender Verteidigungskommissar. -
“Quadrupedisch“ heißt vierfüßig.
Peter Hacks
Die drei Gewalten

Der Staat will deinen Schaden nur,


Er möge säuseln oder toben,
Er bleibt dein Gegner von Natur.
Der Feind steht oben.

Regierung, Parlament,
Justiz, die drei Gewalten,
Sind, was man Diebstahl nennt,
In drei Gestalten.

1990

Die Gedichte. Eulenspiegel Verlagsgruppe, Berlin 2003

In seiner polemischen Schlichtheit wird das Gedicht des bekennenden Kommunisten und
Klassizisten Peter Hacks (1928-2003) auch bei Lesern Anklang finden, die mit den politischen
Ordnungs-Ideen des Dichters wenig im Sinn haben. Fundamentalistische Staatskritik erhält
meist die Akklamation empörungsbereiter Zeitgenossen jedweder politischer Couleur - was in
diesem Fall nicht unbedingt für die Gedankenschärfe des Textes spricht, der nach der Wende
1989/90 entstand.

Das Gedicht dekretiert die simple Feinderklärung, wonach alles Etatistische von Übel ist. Der
Staat als Feind, die Gewaltenteilung als „Diebstahl“: Das ist zwar eine starke Gesin-
nungsästhetik, zugleich aber eine klischeeverdächtige Sottise, mit der bevorzugt die erklärten
Gegner der Demokratie hausieren gehen. Dass die Gewalteinteilung in Exekutive, Legislative
und Judikative eine Grundlage für pluralistische Gesellschaftsverhältnisse sein kann - das
wird durch Hacks’ Gestus der totalen Verwerfung schroff niedergewalzt.
Peter Hacks
Die Elbe

An kalten Kühn, die sich die Mäuler wischen,


An grauen Laken, die der Nebel sponn,
Entlang, kurzum, an Deutschland, wälzt sich zwischen
Dömitz und Boizenburg der Acheron.
Die schwarzen Wasser säumt ein Hain von Rüben.
Und drüben, was ist dort? Es gibt kein Drüben.

Denn wohl hat eigne Sitte jedes Land


Als Muster sich des eignen Zwecks gegeben,
Doch endet hier an dem geböschten Rand
Gesittung selbst. Diesseits nur geht zu leben.
Und mit mehr Wohllaut knarren hier die Kröten,
Als überm Fluss die Nachtigallen flöten.

Dort, rauchend in unabsehbarer Länge,


Dehnt sich das asphodelische Gefild.
Von laschen Leuten lustlos ein Gedränge.
Und welche Leere doch in all der Enge.
Der Lärm, der wie von Fledermäusen schrillt,
Enthält nichts Herzliches und nichts, was gilt.

Bei den Dionysos geweihten Spielen,


Wo drei Poeten, höchste Mittel wählend,
Drei volle Tage nach der Palme zielen,
Ist ein Tag leer und ist ein Dichter fehlend.
Er wiegt nicht mehr seit seinem Übergange
Ins Schattenreich, der schön beredte Lange.

Warum, o Freund, hat Charon, dessen Geiz


Ganz Frankfurt kennt, dich nie nach Lohn gefragt
Und doch so willig dir den Kahn gestakt
Nach jenem wesenlosen Andrerseits,
Von wo du, dir die Rückkehr zu erringen,
Schon Herakles sein musst, nicht nur ihn singen?

Ach, Söhne ihr des Vaterlandes! Immer


Umhegt, betreut, geschützt vor allem Rauen,
Zu spät entwöhnt, zu selten was zu kauen,
Und stets der Kachelofen in dem Zimmer -
So dämmert ihr heran im Warmen, Stillen,
Gleich weit entfernt von Schuld wie von Bazillen.

Dann kommt, und lässt euch für den Vorschuss büßen,


Da ihr noch bärtig an der Amme hangt,
Der Sturm, der etwas Festigkeit verlangt.
Dann steht ihr da auf unversuchten Füßen.
Ein leichter West bereits fällt solche Knaben,
Insonders wenn sie große Ohren haben.
Ja, dieser kleine, segelohrige Dieb,
Der keine Lehre annimmt, aber jeden
Gedanken klaut, der Schulden zahlt mit Reden
Und hat nur den, den er belöffelt, lieb,
Der größte Hätschelhans in deutschen Landen,
Das Großmaul lange hat sehr kurz gestanden.

Im Abend sah er die Paläste ragen


Des Hades, wo Geld vorgibt, Geld zu hecken.
Der scheußlichste, rief er entzückt, der Schrecken
Ist auch der ehrlichste! - Tor, lass dir sagen:
Ein Weilchen nur bleib bei Geduld und häuslich.
Es braucht nicht viel, dann ist es hier auch scheußlich.

Wenn erst die Anspruchslosen jeder Richtung,


Das Zwergenmaß in Wirtschaft und Partei,
Mit einem einzig letzten Feind, der Dichtung,
Sich einig werden, wie zu leben sei,
Entsteht bei uns, auf andre Art, dasselbe
Zweckmäßig triste Reich wie links der Elbe.

Starrsinn machet den Dichter. Seinem Munde


Ist das allein, was er im Tiefsten glaubt,
In eigner Form zu sagen nur erlaubt.
Die Tugend Starrsinn richtet ihn zugrunde.
Denn nicht muss wahr sein, was verboten wird,
Und auch Bekenner haben sich geirrt.

Weh, dass du, Genius, den Auserwählten,


Den du berührst, nur am Talent erhöhst!
Dichter und Mensch: ein Zufall, doppelt selten.
Meist hat, was hochfliegt, sich vom Rest gelöst.
Und unhinlänglich, dünkt mich, ist verwandelt,
Der wie Apoll fühlt und wie Lange handelt.

Ihr aber, die ihr froh seid, ihn zu missen,


Wollet nicht irren. Dieser Wichtigmacher
War wichtiger als seine Widersacher.
Was dieser Schwätzer wusste, lohnt zu wissen.
Musen, hochortliche, begreift und jammert.
Die Wunde schwärt. Der Schnitt wird nie geklammert.

Des Gottes dritter Tag bleibt unbespielt,


Die Szene ärmer und die Sprache kleiner.
Der Narr, der sich für unersetzlich hielt,
Hat nur in Wahrheit seinen Wen gefühlt:
Er ists. Doch ja, ihr Biedern. Manchmal einer
Ist unersetzlich. Unentbehrlich keiner.
Peter Hacks
Die Espen

Aller Wind in Deutschland, bekanntlich aber entsteht er


Durch die Espen. Diese ewig geängstigten Bäume
Regen mit ihren Blättern die Luft auf. Im Falle besondrer
Furcht bis zum Orkan, so zittern sie. So in der Liebe
Rühret Missgeschick meist aus Sorge vor Missgeschick, also
Beuge, Geliebte, nicht vor. Nicht anders ferner in Manchem.
Wären die Espen nicht, Stille herrschte und heiterster Frieden.
Peter Hacks
Die Feder

Manchmal überfliegen einzelne Engel mein Grundstück,


Hin zu dem oder dem tröstungsbedürftigen Volk.
Gestern war einer, die Sonne schimmernd in Flügeln und Haaren.
Sie durchschien auch sein Hemd. Deutlich erhellte dabei,
Dass er sanft gebildet und mädchenhaften Geschlechts war.
Lange blickt ich ihm nach. Dann auf dem Pflaster im Hof
Lag was Weißes. Ihm war eine Feder heruntergefallen.
Und ich hob, all dies dir zu berichten, sie auf.
Peter Hacks
Die Flucht nach Astapowo

Rüstig, rüstig, Väterchen,


Durch die Scheiben graut das Frühlicht,
Hoch vom Strohsack, Kopf in Eimer,
Blankgefegt die Birkendielen,
Holz zum Hauklotz, Holz gespaltet,
Angefacht den Eisenofen,
Angelegt den groben Kittel
Und die groben Pluderhosen
Und die Stiefel, selbstgenäht
Von den Sohlen zu den Schäften.
Auf dem Bord das Schusterwerkzeug,
Schusterahle, Pech und Heftzwirn.

Doch wie er nun stapft ins Nebenzimmer,


Verdrießt ein Anblick ihn, ein schlimmer:

Kandelaberglanz bestrahlte
Brustgeschmeid und Ordensstern,
Damen sprachen, schön bemalte,
Mit Majors und Kammerherrn.
Schon halb satt von dem Geschwafel
Rückt er mürrisch an die Tafel,
Und es sprach der Cheflakai:
Befiehlt Herr Graf den Hirsebrei?
***

Spute, spute, Väterchen,


Hustend, fiebernd, ohne Handschuh,
Aber frei. Aus Herrenknechtschaft
Endlich fort trägt dich der Dampfzug,
Trägt dich fort nach Astapowo,
Wo der Vorstand von dem Bahnhof
Dich in seiner Hütte aufnimmt,
Ist gottlob ein Tolstojaner.
Auf dem Strohsack endlich ruhst du
Aus, die hippokratschen Hände
Überm Kräuselbart gefaltet.
Einsam, einsam bist du endlich.

Doch draußen vor dem Siechenzimmer


Da ging das Leben fort wie immer:

Gräfin Sonja war der Reise


Eilig hinterher gehetzt,
Wartend auf dem Abstellgleise
Stand ihr Sonderwagen jetzt.
Am Piano bange Nächte
Denkt sie der Autorenrechte,
Auch die Söhne waren mit,
Mit denen sie ums Erbe stritt.

Eingetroffen war Herr Mayer


Aus der großen Stadt Paris,
Den Pathé, der Filmverleiher,
Was sich regte, drehen ließ.
Und die internationale
Presse haust im Wartesaale
Und erörtert am Buffet,
Ob es nicht bald zu Ende geh.

Ferner hastig abgeschickte


Gendarmrie entstieg der Bahn,
Auch der stark beunruhigte
Gouverneur von Riasan.
Selbst aus Petersburg im Norden
War ein Herr entsandt geworden,
Der im Teehaus Schmetterling
Subjekte in Zivil empfing.

Auch der Staretz Warsonofij


Mit dem Morgenzug erschien,
Es erwartet halbbesoffen
Nicolaus, der Pope, ihn.
- Rasch zum Grafen! dem Synode
Liegt an einem frommen Tode.
- Damit sieht es trübe aus,
Versetzt der Pope Nicolaus.

In dem Dorf für ihren Rubel


Müht sich redlich eine Hur,
Die bei Tolstojs Sterbetrubel
Einen Sack voll Gold einfuhr.
Bis an ihren Lebensabend
Blieb sie wohl- und würdehabend,
Unter keinem Umstand mehr
Beging sie den Geschlechtsverkehr.

Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoj verschied am 28. Oktober 1910. Der Bahnvorsteher hieß Osolin. Der Herr aus
Petersburg war der stellvertretende Polizeiminister. Der Ortspope hieß Nikolaus Gratzianski. Sonderwaggons
waren wirklich mit Klavieren ausgestattet.
Peter Hacks
Die Frau, zu der ich abends geh

Die Frau, zu der ich abends geh,


Sie ist ein liebes Ding.
Vor ihrem Hause lag der Schnee,
Als ich zum ersten Mal hinging.

Vor ihrem Haus blüht jetzt ein Strauch.


Das frühe Jahr kam spät.
Man fragt sich manches und so auch,
Warum man immer noch hingeht.

Das Meiste hat doch keinen Sinn,


Was einer tut und lässt.
Der Ostwind stinkt nach Tugend,
Nach frischen Gräbern stinkt der West.

O Welt, o stolz und dumme Welt,


Wie hab ich dich geliebt.
Du nahmest mich mit einer Kält,
Die dir mein Herz nicht mehr vergibt.

Mir sagt die Frau, zu der ich geh,


Dass ich ihr Alles sei.
Ich hab sie gern, soweit ich seh,
Und sechzig Jahr sind schnell vorbei.
Peter Hacks
Die Gemme

Dort lieben Frauen, wo sie vermuten, sie seien entbehrlich.


Wo sie benötigt sich sehn, gehen sie. Hinter mir längst
Hab ich die großen Ideen und die große Liebe. Gemessnen
Herzens treff ich den Mond. All meiner Jahre Bemühn,
Arbeit an der Verkleinerung einzig wars meiner Hoffnung.
Leider mit mattem Erfolg. Dein achatenes Herz,
Wenn mir irgend geläng, in das meine Liebe zu schneiden,
Könnte, stell ich mir vor, nett eine Gemme entstehn.
Peter Hacks
Die Glücksbringerin

Alles scheint mir ohne Fehle,


Himmelsrund und Erdenkreis,
Alles atmet Leben, Seele,
Seit ich sie vorhanden weiß.

Diese Tiefs vom Nordatlantik,


Diese Wolken, zäh wie Leim,
Oh, wie stimmtest du mich grantig,
Deutschland, du mein Niflheim.
Aber plötzlich: ohne Fehle
Himmelsrund und Erdenkreis.
Selbst Berlin hat eine Seele,
Seit ich sie in Treptow weiß.
Peter Hacks
Die goldne Laus zu Bismark

Die Bürger von Bismark, die saßen beim Bier


In bitterer Weltbetrachtung:
Wir haben das Stadtrecht. Eine Stadt, das sind wir.
Und doch schenkt uns keiner Beachtung.
Was fehlt? Eine Kirche! Die zeigt unsern Rang!
Beschlossen, verkündet. Der Anfang gelang.
Und die Grube ward geschippt
Und das Fundament gekippt,
Schon die Quadern karrt man her,
Und dann war der Säckel leer.

Da kam aus Ülzen des Weges gerollt


Eine Kutsche mit feurigen Speichen.
Ein Fremder stieg aus: Ich leih euch das Gold,
Ihr könnt es später begleichen.
Die Bürger von Bismark nahmens so gern
Und erkannten in ihm den Engel des Herrn.
Ziegel wölbt und Terrakott
Brausend sich empor zu Gott.
Einen Dom, frech wie den,
Hat die Altmark nie gesehn.

Und wie sie zum Hochamt wandeln, voran


Der Propst mit dem räuchernden Fasse,
Da lehnt im Domtor der fremde Mann
Und spricht: Ich bitte zur Kasse.
Und da wurde natürlich allen klar,
Dass der aus der Kutsche der Teufel war.
Nämlich heutzutage Geld
Hat nur mehr die Unterwelt.
Leider dann mit Schnelligkeit
Folgt der Tag der Fälligkeit.

Ich seh schon, sprach jener, ich habe kein Glück,


Ihr seid pleite, da hilft ja kein Sülzen.
Doch von Gold eine Laus, die lass ich zurück.
Tats, und entfernt sich gen Ülzen.
Und die Laus und die rennt und mit scharrendem Bein
Ins geheiligte Dämmer der Kirche hinein.
Mitten jetzt in Gottes Haus
Steckt die goldne Teufelslaus,
Und was Wunder, dass man mit
Bangigkeit zum Opfer schritt.

Der Propst dem Heiland das Stichwort gibt.


Da seltsam auf dem Brokate,
Da kommt die Laus gekrabbelt und nippt
Vom Wein und bepisst die Oblate.
Und was sie pisste, das stank so,
Dass die Gemeinde voll Grausen floh.
Und die Kirche stand und stank,
Bis sie ganz in Trümmer sank.
Nur ein Turm mit einem Sprung
Steht noch zur Besichtigung:

Die goldne Laus zu Bismark.

Bismark suche man in der Gegend von Stendal.


Peter Hacks
Die Himmelstür

Wer will nach Elysium kommen,


Muss nur gehn zum Tor hinein,
Muss nicht zählen zu den Frommen,
Muss nicht gottgefällig sein.
Muss nicht frisch sein oder froh.
Aber wissen muss er, wo.
Denn Berlin ist voll von Türen,
Welche in die Hölle führen,
Doch der Himmel wird erklommen
Durch die Himmelstür allein.

Jener Eingang nun zum Himmel


Ist benagt von Zeit und Rost.
Rechts die Flecken von dem Schimmel,
Links die Kästen von der Post.
Er sieht aus wie jeder Flur.
Aber einer ist es nur.
Und ihn hoffend zu durchschreiten,
Bleibt vergönnt den Eingeweihten,
Furchtbar wäre das Gewimmel
Andernfalls aus West und Ost.

Seeber wohnt im Souterränge,


Heim hat ebendort Logis,
Leder eine Treppenlänge
Höher, Häring visàvis.
Auf dem bröckelnden Podest
Feiern Götterchen ein Fest.
Mit den rosa Däumchen zeigen
Sie, ich soll noch höher steigen,
Wo man Mileks Küchenklänge
Hört und von Karsunke die.

Doch wie jetzt? Ist Klettern Fliegen,


Ist der Geister Gangart schon?
Über ausgetretne Stiegen
Schweb ich nach Elysion.
Hinter einem Rosennetz
Stehn drei Eimer mit Briketts.
Und der morsche Seitenflügel
Wird zum Lust- und Wunderhügel,
Und die Stuckgirlanden wiegen
Sich um Schätzchens Liebesthron.

Und sie klappert mit den Tassen,


Und sie lächelt so verliebt,
Dass ihr, wärt ihr zugelassen,
Euch gewiss die Augen riebt.
Doch nun Schluss mit Wie und Was.
Denn man wird verstehen, dass
Von dem wahren Weg zum Heile
Ich die Kenntnis ungern teile.
Würde euch ein Himmel passen,
Wo man sich die Klinke gibt?
Peter Hacks
Die Hure

Mit einer vollen Brust und einem leeren Gesicht,


Ein schönes Weib, die käuflichen Schlüssel in der Hand.
Abscheulich, der sein Bestes, seine Schlüssel verkauft.
Beneid sie, Freundin, nicht; sie kann nur eins und das schlecht.
Sie wirft den Hintern wie du, doch welcher Unterschied,
Ob Wollust, ob ein Groschen eine Puppe bewegt.
Wer dumm ist, denkt schlecht, näht schlecht, kocht schlecht und liebt nicht gut.
Willfährigkeit ist übel, übler Willfährigkeit
In Form der Leidenschaft. Bedaure sie, Freundin, nicht,
Diese gefügige Sorte, halb Göttin, halb Sparferkel,
Die nichts zurecht sich legt, die stets zurechtgelegt wird.
Sie ist verführt? Gewiss. Das eben werf ich ihr vor.
Jetzt, sie bewegt sich. Auf dem Pflaster knalln ihre Schuh.
Indes ihre Bewegung ist keine Änderung.
Es naht nichts, wenn sie naht, und wo sie geht, mangelt nichts.
Man soll sie bespein, sie in den Rinnstein wegstoßen,
Dass endlich einmal das Huren aus der Mode kommt.
Peter Hacks
Die Hydra

Der Trick, der mit den Köpfen, der ist gut.


Je mehr du abhaust, desto mehr entspringen,
Wo einer schon genügt, dich zu verschlingen
Von Schlappe schwillt zu Schlappe ihr der Mut.

Das findet Zulauf, dehnt sich, zischt und bellt,


Das knospt und sprießt in unbegrenzter Reihe.
Für einen toten Dummkopf treten zweie.
So steht sie längst als Gleichnis für die Welt.

Zwei sagenhaften Männern fiel das Amt,


Sie zu erlegen, zu, ungleichen Brüdern,
Gleich schnaufend jetzt, gleich blutig, gleich verschlammt
Es ist ein alter Ärger mit den Hydern.
Obsiegen aber wird der Heldenzwilling.
Das ist mein Wahrspruch. Sei er selffulfilling.
Peter Hacks
Die Kindermörderin

Evchen Humbrecht, des Metzgers Kind


Zu Straßburg, der Domstadt am Rhein,
Sie sprach: warum solln, die vom Adel sind,
Alleine lustig sein?
Es kommt ein warmer Wind von Süd
Im Februar gewehet.
Das schadt der Apfelblüt.

Metzger Humbrecht in stolzer Wut,


Er spricht: schwillt dem Fräulein der Kamm?
Ritterlich Blut und redlich Blut
Stallen nicht zusamm.
Aus Leibes Lust wird Herzens Weh.
Am Mittwoch fiel wie Aschen
Der kalte, weiße Schnee.

Der Herr Leutnant von Gröningseck


Hat eine Liebschaft gewollt.
Weil das nicht ging, hat er entdeckt,
Dass es Liebe sein sollt.
Im hellen Glanz der Julisonn
Geht er als wie ein Kranker.
Man merkts ihm deutlich an.

Evchen Humbrecht, sie füttert zwei.


Die Schürze ihr knapp war.
Sie sprach: vielleicht, wenn ich standhaft bleib,
Führt er mich zum Altar.
Er hat sich treu mir anverlobt.
Ach, eine schöne Jungfer
Ist ein bös Lagerobst.

Der Herr Leutnant hat einen Freund,


Der meints mit ihm herzlich gut:
Nimm dir lieber die Herzliebste mein,
Bevor du so was tust.
Sie ist dir in der Seele hold.
Sind Tage im Oktober,
Da scheint die Luft wie Gold.

Evchen Humbrecht floh ohne Gruß


Von Haus ums Morgengrau.
Die Ehr hat einen tönernen Fuß,
Da nimmt sie alls zu genau.
Die Gänse hangen frisch gesengt.
Doch hat der heilige Martin
Ihr keinen Mantel schenkt.
Das Glück ist schon neun Monde her.
Zu Eis gefrorn ist der Grabn.
Ich habe keinen Vater mehr,
Mein Kind soll auch keinen habn.
Viel Gärten sind im Sonnenschein.
Warum, mein Herrgott, pflanztest
Du mich in diesen ein?
Peter Hacks
Die kleine Lokomotive

Die Lokomotive pufft


Wolken in die Luft.
Weiße Wolken, graue, schwarze
Oder gelbe wie die Quarze.

Die Lokomotive pufft


Wolken in die Luft.
Die Wolken haben viele Gestalten
Aber wollen nicht lange halten.

Die Lokomotive pufft


Wolken in die Luft.
Wolken wie Häuser oder Zelte,
In Himmelssteppen aufgestellte.

Die Lokomotive pufft


Wolken in die Luft.
Wie Krokodile oder Bären,
Die sich auf der Fährte wären.

Die Lokomotive pufft


Wolken in die Luft.
Warn die Wolken von langer Dauer,
Wäre sie ein großer Bildhauer.
Peter Hacks
Die kleinen Einhörner

I
Schön ist dieses an der Natur: dass sie nicht wie Berlin ist.

II
Gliche dem Leben sie mehr, wäre kaum heiter die Kunst.

III
Aber die kleinen Einhörner, fast nur bestehn sie aus Augen,
Großen, runden. Ihr so im strengeren Alter voll Hochmut
Tötendes Horn ist weich noch beflaumt, ihr Nichtvonderweltsein
Minder stämmig als dann und minder robust ihre Keuschheit.
Ihre Unschuld vertraut noch. Sollten Sie demnach ein kleines
Einhorn im Wald finden, dürfen Sie nur mit der Hand es berühren,
Wenn Sie es mitnehmen wollen und treulich in Pflege behalten.
Wenn Sie es nämlich berühren und hinterher weitergehn, stirbt es.
Peter Hacks
Die lächerlichen Unpreziösen

Wie Morgenwolken lockenschön das Bett


Umstehn, woraus die Sonne sich erhebet,
So - dass sich Glanz im Widerglanz belebet -
Im allerköniglichsten Kabinett
Stand Ludwigs Adel: rosenrot und weiß.
Das Rot war Bolus und das Weiße Reis.

Der Hof von heute, kann ich schwören, trägt


Nicht Locken mehr. Das Haar liegt rückgestriegelt.
Von frühen Glatzen wird der Tag gespiegelt.
Die Haut ist grau und ehrlich ungepflegt.
Mag aber sein, es riecht noch, wie es roch.
Sie duschen wieder. Und sie stinken noch.

War das das Ziel? Man folgt genauso krass


Wie zu Versailles der Gierde des Gekröses.
Die gleiche Schurkerei, und nichts Preziöses.
Ich weiß ja nicht. Das leistet sich schon was,
Das obre Pack. Nun ist es schon genobelt
Und bleibt, als sei es unentgolten, ungehobelt.
Peter Hacks
Die Lerche

Du singst ja noch für uns, mein Tier.


Und wirst von uns nicht mehr besungen?
Nein, nimm dies Blatt von mir.
Von unser beider starken Zungen
Wird Wald und Feld, und was nicht hören will, durchdrungen,
Wir wissen, Vogel, du und ich, wie fest
Es sich, ein Punkt im Leeren, stehen lässt.

Ihr, gelbe Kiefern, auch, ihr zeigt uns doch


Die Echsenschönheit eurer Borke noch,
Der krummen Zweige alten Eigensinn.
Mir scheint, als ob ich euch zu sehen übrig bin.
Die Dichtung schaut so wenig hin,
Als ob es leicht wär, sich in nichts als Sand zu krallen
Und beim Getos des Süd nicht umzufallen.

Ich sag euch, was es ist: ihr seid zu stolz für die,
Wie ihr, bei Erden Ungunst, aufwärts strebt.
Was man am Menschen schilt, mag man an euch nicht leiden.
Ihr überlebtet viel. Ihr überlebt
Am Ende wohl die neueste Poesie.
Wollt euch indes mit meinem Gruß bescheiden.
Peter Hacks
Die Liebe als Schulmeister

Was ich nicht fühlte, pflegte ich zu lehren.


Was ich gefühlt, ich konnt es nicht erklären.
O Liebe du in meiner Brust,
Du hast es lang vor mir gewusst.
Als deinen Zögling nun will ich mich preisen,
Will meine Lernbegier verhundertfachen.
Dir, Liebe, bleibt: du musst nun Schule machen
Und meiner Liebsten Liebe unterweisen.

Ich war im Zweifel, du mit dir im Reinen.


Ich prüfte Gründe, und du brauchtest keinen.
O wohlberatener Instinkt,
Dem mehr als der Vernunft gelingt.
Du gabst das Ziel mir aller meiner Reisen,
Jetzt steht es gut um mich und meine Sachen.
Dir, Liebe, bleibt: du musst nun Schule machen
Und meiner Liebsten Liebe unterweisen.
Peter Hacks
Die Mädchen aus Rochelle

Fünfzig Mädchen aus Rochelle


Machten einst ein Schlachtschiff klar.
Hatten Schenkel, weiß und schnelle,
Unterm Hemd noch kaum ein Haar.
Ah, la feuille, s’en vole, s’en vole,
Ah, la feuille, s’en vole au vent.
Als am Quai die Wogen verebbten,
Stach in See die muntre Schar.
Eine wählten sie zum Käptn,
Eine, die schon fünfzehn war.

Wir, so haben sie gesprochen,


Sind zufrieden ohne Mann.
Doch bereits nach sieben Wochen
Fing ihr Arsch zu kochen an.
Ah, la feuille, s’en vole, s’en vole,
Ah, la feuille, s’en vole au vent.
Endlich kam die Straße gefahren
Eine Karavelle dann
Voll der reizendsten Korsaren,
Die ein Mensch sich denken kann.

Auf dem Schlachtschiff aus Rochelle


Ward zum Entern gleich geflaggt.
Jede hat sich auf der Stelle
Einen süßen Feind gepackt.
Ah, la feuille, s’en vole, s’en vole,
Ah, la feuille, s’en vole au vent.
Bei des Vollmonds silbernem Scheinen
Lagen sie, so jung und nackt,
Und mit weitgespreizten Beinen
Fühlten sie den Rudertakt.

Diese Nacht ward nicht gesegelt,


Diese Nacht ward nicht gefischt,
Diese Nacht ward nur gevögelt,
Manns und Weibes Fleisch vermischt.
Ah, la feuille, s’en vole, s’en vole,
Ah, la feuille, s’en vole au vent.
Morgens dann setzt die Karavelle
Ihren Weg fort durch den Gischt,
Und die Mädchen aus Rochelle
Sangen, wunderbar erfrischt:

Kam die Unschuld mir abhanden,


Mitten auf dem Weltenmeer,
Dreh dich, Wind, und lass mich landen,
Ob der Freund mir wiederkehr.
Peter Hacks
Die Mädchen im grünen Leguan

Alle Fräuleins sind aus Gold, und


Alle Frauen sind aus Silber.
Alle Witwen sind aus Kupfer.
Alte Weiber sind aus Zinn.
Aber die Mädchen im grünen Leguan,
Das sind die schönsten von Peru.
Bei Inez, der Pflaume, und Conchita Affenhaar
Kommt meine wandernde Seele zur Ruh.

Montezumas Perlenschätze
Geb ich weg für dich, Maria.
Ich versöff sie in zehn Tagen,
Dich lieb ich zwei Wochen lang.
Aber die Mädchen im grünen Leguan,
Das sind die schönsten von Peru.
Bei Inez, der Pflaume, und Conchita Affenhaar
Kommt meine wandernde Seele zur Ruh.

Kam der Bauer mit der Rübe,


War die Rüb zu groß dem König,
Sprach des Königs junge Tochter:
Nein, ich find sie nicht zu groß.
Aber die Mädchen im grünen Leguan,
Das sind die schönsten von Peru.
Bei Inez, der Pflaume, und Conchita Affenhaar
Kommt meine wandernde Seele zur Ruh.

Damen lieben so die Kühnheit,


Dass sie jeden Mann schön finden,
Der Theaterstücke dichtet
Oder auf den Galgen geht.
Aber die Mädchen im grünen Leguan,
Das sind die schönsten von Peru.
Bei Inez, der Pflaume, und Conchita Affenhaar
Kommt meine wandernde Seele zur Ruh.
Peter Hacks
Die Mädchenhasser.

Zwei Jungen, die schlenderten über die Heide,


Zwei schlankbraune Jungen mit lockigem Haar.
Ihr Bild war gewiss keinem Mädchen zu Leide,
Doch gingen sie dort, wo kein Mädchen dawar.
Auf der Heide gingen die Jungen,
Auf der Heide um Sperenberg.

Der erste hub an: die Mädchen, sie müssen


Nur immer geküsst sein, sonst hat man Gezänk;
Sprich, gab es dir was, so ein Mädchen zu küssen?
Ich gähn, sprach der andre, wenn ich dran denk.

Der erste hub an: die Sonne brennt mächtig,


Der Schweiß und der rinnt über Schulter und Arm,
Ich zieh mir das Hemd aus, dann fühl ich mich prächtig.
Der andre erwidert: mir ist noch nicht warm.

Der erste hub an: ein Teich, wolln wir baden?


Ein Teich, sprach der andre, ist kalt und auch nass.
Geh du, alter Junge, es wird ja nicht schaden,
Wenn ich auf dein Hemd und deine Hosen aufpass.

Der erste ging baden, der erste kam wieder.


Ein blühender Busch stand, da warf er sich hin.
Er dehnt unterm Himmel die schlankbraunen Glieder:
Du und ich und kein Mädchen, wie lustig ich bin,
Auf der Heide, Wind in den Lungen,
Auf der Heide um Sperenberg.

Und nun, fuhr er fort, lass uns ringen und raufen.


Hingen und raufen, frug der andre, wozu?
Warte, rief jener, ich bring dich ins Schnaufen,
Wirst sehn, alter Junge, ich bin stärker als du.
Auf der Heide ward nun gerungen,
Auf der Heide um Sperenberg.

Und wie sie so waren beim Raufen und Ringen,


Da wurde mit einmal dem ersten klar
An mehreren unmissdeutbaren Dingen,
Dass der zweite Junge kein Junge war.
Und sie beide innig umschlungen
Auf der Heide um Sperenberg.

Sie wälzten sich, ach, am summenden Hage


Und Brust gegen Brust und Bein über Bein.
Ich lasse in dieser ein wenig schwierigen Lage
Die Mädchenhasser ganz gern jetzt allein
Auf der Heide lerchendurchsungen,
Auf der Heide um Sperenberg.
Peter Hacks
Die Oliven gedeihn

Die Oliven gedeihn,


Der Krieg ist vorbei,
Es tönt die Schalmei,
Der Frieden zog ein.
Wir würzen den Wein
Mit Zimt und Salbei,
Die Oliven gedeihn,
Der Krieg ist vorbei.
Peter Hacks
Die Portwein-Arie des Oberst Brocklesby

Und als ich kam von Afrika


Wohl mit der britischen Armee,
Kam ich vorbei in Portugal,
Da lag der Schmutz wie überall
Im Salzwind von der See.

Ich fuhr hinauf den Dourofluss


Wohl mit der britischen Armee,
Und Trauben hingen voller Ruh
Und reiften dem Oktober zu
In Luv und auch in Lee.

Da kauft ich mir für fünfzig Pfund


Wohl mit der britischen Armee
Fünfhundert Gallons besten Port.
Es war ein schöner Urlaubsort,
Wenn ich vom Schmutz abseh.

Heut ist verloren Afrika


Wohl mit der britischen Armee.
Das Pfund ist keinen Schilling wert,
Und nur mein Portwein ist begehrt
Und köstlicher denn je.
Peter Hacks
Die Rippe

Sie ist so schmal und weiß, kaum merklich nur geschlitzt,


Der Rippe ähnlich noch, woraus man sie geschnitzt.
Und in so kargen Wuchs will ich nun solche Mengen
Von meinem aus Begier genährten Misswuchs drängen?
Nun denn, sie blickt erstaunt. Nun denn, sie spricht: nein, nein.
Da bin ich schon in ihr und kann nicht wohler sein
Und finde Raum zur Lust und Freiheit zum Vergnügen.
Und ließ mich um ein Haar von ihrer Schmalheit trügen.
Sei, Adam, unbesorgt um deiner Brunst Verbleib.
Es passt enorm viel Mann in äußerst wenig Weib.

Doch kommt mir etwa ein, beiläufig unterm Lieben


Von meinem Weltgefühl auch mit hineinzuschieben,
Da fasst sie mich nicht mehr und hat sich bang und eng
Und hält mir vor, wie schier ich sie in Stücke spreng,
Und seufzt verzweiflungstrüb, als sei sie schon zerbrochen,
Und wird, von dem sie stammt: der weiß und spröde Knochen.
Da schab ich nun mein Herz, mein Sehnen stößt sich wund.
Da lieg ich mit Verdruss und sehe nicht den Grund,
Dass eher ich mein Fleisch vollauf in ihres quäle
Als in ihr Seelchen nur ein Quent von meiner Seele.

O Schrammenfühlender! jetzt werde du nicht kalt.


Frost heilst du nicht mit Frost und Angst nicht mit Gewalt.
Hier ziemt Behutsamkeit. Hier wird sie Schutz bedürfen.
Hier darfst du nicht in ihr, wie dir zu Mut ist, schürfen.
Hier wehrt sie sich aus Not. Hier ist nicht alles mehr,
Zogst du dich hier zurück, so wie es war vorher.
Hier sollst, will Gott, dein Ziel unschadend du erreichen,
Gelingt ihr Tiefstes dir vertraulich zu erweichen.
Denn nicht ihr innrer Schoß, nein, ihre innre Brust
Ist, wo, wenn du sie liebst, du ihrer schonen musst.
Peter Hacks
Die Sonnenblumen

Den Sonnenblumen sind die Köpfe abgeschnitten.


Bald kommt das erste Eis den Fluss herabgeglitten.
Zu Dunst zerfließt der Mond, der Wald und Flur beschien.
Der Sommer weicht. Und nun er weicht, vermisst man ihn.
Im Roggenfeld, wo her und hin die Nebel wehen,
Sieht man den Teufel gehn und seine Disteln säen.
In Haufen fault das Laub, vom gelben Baum gefacht.
Doch ist all dies der Quell nicht, der mein Elend macht.

Denn zürnte mir ein Gott dermaßen, dass er hinter


Dem viergeteilten Jahr, Lenz, Sommer, Herbst und Winter,
Ein fünftes Wetter schüf und überzählge Zeit,
Wo aufbräch aller Hass und schlimme Möglichkeit
Im Schoß des Seienden, wo Felsenbäche brausten
Aus berstendem Gebirg und Trümmerstürme sausten,
Wo sich der träge Stoff, empört aus seiner Ruh,
Erhöb und regnete vom Grund dem Himmel zu,

Wo die Verwandlungen aus ihrer Kette sprängen,


Bis Willkür Raum gewänn, als Glied sich einzuhängen,
Und aller Weltbestand spräch aller Regel Hohn -
Schüf er, so sagte ich. Und schuf er denn nicht schon?
Dies Wetter, wo Verein sich löst und Halt der Kräfte,
Ist wohlbekannt. Es heißt: die menschlichen Geschäfte.
Der vielen Herbste Herbst, Schwund ohne Neubeginn,
Sieh dir die Menschheit an. Lebt sie nicht längst darin?

Drum glaub mir: es vermag aus meinem Wohlbehagen


Kein viertes Viertel mich, kein fünftes mich zu jagen.
Womit, mit welchem Grau, Natur mich auch umgibt,
Geliebt, erheiterts mich. Und quält mich, ungeliebt.
Das starke Triefen nicht des Pfads stimmt mich verdrossen.
Mein Leid ist nicht vom Frost, es ist von dir beschlossen.
Wärst du mir nur zurück und wie zuvor geneigt,
Ich sah den Rauch ganz gern, der in den Feldern steigt.
Peter Hacks
Die Spalte

Weither auf langen Straßen kam sie, die Ärmste, gereiset,


Ihrer Rückkunft in Pein hatt ich gewartet. Erschöpft
Waren wir beide daher, als wir Arm in Arme uns lagen.
Zwar, wir schliefen just nicht, aber wir wachten doch kaum,
Sondern kosten einander, die übergewichtigen Lider
Gegen des kraftlosen Augs untere Hälfte geneigt.
Und so sehr benahm uns die Liebe jeglichen Sinnes,
Dass der Ort uns zerfloss und die Gemarkung der Zeit,
Bis der Morgen das Dunkel aufhob, das mild war und anders,
Als die unwärmende Nacht meist dem Germanen erscheint.
Alles weiß ich von jener Nacht, und stets werd ichs wissen.
Denn in die Spalte hinab zwischen Bewusstsein und Schlaf,
Haarfein sonst, doch diesmal durch süße Erschlaffung geweitet,
Niedersank, was geschah, bis auf den innersten Grund
Mir des Herzens und liegt da, verwahrt und nimmer berührbar
Von jedwedem, was je wieder das Herz mir bewegt.
Peter Hacks
Die Tränen der Mädchen von Mayo

Die Tränen der Mädchen von Mayo,


Die fließen in die See.
Es trägt sie fort der Owenmore
Bis in die Blacksod Bay.
Peter Hacks
Die vierte Ekloge des Vergil

Lasst uns etwas Hohes singen


Für den König, unser Kind,
Von den neuen Zeitendingen,
Von dem Weltjahr, das beginnt.
Winter schleicht sich aus den Zedern,
Frühling kommt mit goldnen Rädern,
Rädern, die wie Sonnen sind.

Keine Armut drückt den Knaben,


Keine Furcht sein Herz ergrimmt.
Strauch und Wiese lässt ihn haben,
Was er in die Hände nimmt.
Nüsse, Zweige, Efeuranken,
All die kleinen Erdgedanken
Sind zum Spielzeug ihm bestimmt.

An dem Dornbusch hängt die Traube.


Honig aus dem Eichbaum träuft.
Flor entwindet sich dem Staube,
Bis sich Blüt an Blüte häuft.
Und die Ziege ohne Scheuen
Weidet mit dem Riesenleuen.
Lämmlein an der Wölfin säuft.

Friedlich geht des Schiffes Wandel.


Friedlich geht des Pfluges Spur.
Enden werden Trug und Handel.
Eins wird Arbeit und Natur.
Alles jauchzet frohverwundert
Dem erscheinenden Jahrhundert.
Frieden tränkt als Au als Flur.

Lächle du. Die Lippen schürze


Du zum Lächeln, kleiner Mann.
Wer bei solcher Daseinskürze
Schon den Eltern lächeln kann,
Wird mit Göttern Umgang pflegen,
Wird zu Göttinnen sich legen,
Kommt auch gut bei Dichtern an.
Peter Hacks
Die Weidenbank

Auf dem Kopf der alten Weide


Hat der Jäger seine Bank,
Dort in grünem Hut und Kleide
Sitzt er viele Tage lang.
Und er wartet
Auf die Häselein,
Auf die Häselein
Dort im Mondenschein,
Ja, und er wartet
Auf die Häselein,
Auf die Häselein im Mondenschein.

Und ein Häslein kam gehoppelt,


Blaue Augen, blondes Haar.
Und sein Eifer ward verdoppelt,
Weil es gar so niedlich war.
Und dann schießt er,
Ach, dem Häselein,
Ach, dem Häselein
Tief ins Herz hinein,
Ja, und dann schießt er,
Ach, dem Häselein,
Ach, dem Häselein ins Herz hinein.

Freilich schon in wenig Wochen


Zwischen Tal und Wiesenrist
Hat es sich herumgesprochen,
Was er für ein Scheusal ist.
Und es warten
Jetzt die Häselein,
All die Häselein
Dort am Wegesrain,
Mein Gott, es warten
Jetzt die Häselein
Vor der Weidenbank im Mondenschein.
Peter Hacks
Die Welt, schon recht

Die Welt? Schon recht. Doch wenn dein Fleisch sich straffte,
Wenn anhebt, dass du schön und schöner wirst,
Wenn deine Schönheit sich ins Engelhafte
Verklärt und dann in einem Aufschrei birst,
Und alles Fühlbare in diesem Schrei ist,
Mit dem du aller Wirrsal dich entwirrst
Zu tiefem Ausruhn, und dann nichts vorbei ist,
Die Wirkung nicht des Glücks, unscheidbar in
Dein oder meins, weil zwei schon nicht mehr zwei ist:
Dann erst in Wahrheit schwindet Zweifel hin.

Die Welt, schon recht. Ich liebe, und ich bin.

(Die Gedichte. Edition Nautilus. Hamburg 2000. © Eulenspiegel Verlag, Berlin)

Die Bewunderer des Dichters Peter Hacks (1928-2003) verbreiten gerne die Legende, dass
der große linksaristokratische Klassizist und bekennende Kommunist mit seinem Tod noch bis
zum 254ten Geburtstag Goethes wartete - um mit dieser letztlich gelungenen Aktion ein Zei-
chen zu setzen. Tatsächlich braucht Hacks den Vergleich mit Goethe nicht zu scheuen: Die
formale Vollkommenheit seiner Gedichte, grundiert mit einem maliziösen Blick auf die deut-
schen Verhältnisse, ist unerreicht. In der boshaften Verspottung des politisch Korrekten ist er
ebenso ein Meister wie im Liebesgedicht:

Die menschliche Subjektivität und mit ihr das ganze Dasein des Ich verwirklichen sich hier in
der Liebe. Das absolute Verschmelzungserlebnis der Liebenden trägt sie über die Welt hinaus.
Hacks fasst den Glücksmoment der Liebe als Orgasmuskurve, in der sich das Subjekt aus sei-
ner Zerrissenheit („Wirrsal“) befreit - in einer überwältigenden unio mystica : „unscheidbar in
/ Deins oder meins“.
ßPeter Hacks
Die Wildgänse

Kehrten im Frühjahr die Wildgänse wieder


Mit dem Südost und dem schmelzenden Schnee,
Hielten sie inne und fieln sie nicht nieder,
Zogen sie Kreise hoch über dem See.

Ist das unser Dorf? Ist das unsre Gegend?


Anders floss ja im Herbste der Bach.
Fort sind die Äcker, ein einziger Acker.
Fort sind die Hütten mit Binsendach.

Kehrten im Frühjahr die Wildgänse wieder,


Fanden sie sich nicht ein und nicht aus.
Gänse, ihr Guten, lasst ruhn das Gefieder,
Gänse, es stimmt schon, ihr seid hier zu Haus.
Peter Hacks
Diomedes

Keinen gern zum Männermord send ich. Aber mit Schauder


Von der Verblendung stets vernahm ich des reisigen Lenkers
Starkbehufeter Rosse Diomedes. Den Speer hebt
Frevelnd im Taumel der Schlacht der Tydeid und verwundet
Mit der ehernen Spitze die Göttin, die heilig, die schwarze
Aphrodite, die schadenbringende Tochter des Chaos.
Eilet, Menschen, versöhnt sie! Opfert ihr, opfert ihr reichlich:
Kerzen opfert, Wein und Grundsätze. Gegen die Liebe
Kommt ihr nimmermehr auf. Verderbt es euch nicht mit dem Monde.
Fügt ihr euch, seid ihr gestraft, doch verloren, naht ihr in Feindschaft.
Aber wohl der Stadt, über die sie schützend die Hand hält.
Nun P*** V***** wieder, er schmäht sie mit Reden, die wörtlich
An im Gedicht zu führen nicht ziemt. Ich häng meinen roten
Schirm einem kahlen Feigenbaum in die Hörner und denke
Seiner mit Mitleid und tiefer Besorgnis. Ungründlich erwog er,
Dass nicht lange besteht, wer wider Unsterbliche anficht.
Anhänger nennt die Göttin ihr eigen, wo irgend man eintritt,
Offne und heimlichere, in Destillen und Akademien.
Im Gewühl schlägt sie zu der bescharrten Straße, und mitten
Reißt die Stickluft entzwei der gängeverzweigenden Ämter
Ihr pastellenes Lächeln. Zurück auf den spiegelnden Platten
Lässt der Schreibtische sie der Parteidienststellen den Umriss
Ihrer Hinterbacken, zwei vollkommene Kreise.
Der Berserker gehorchender Heerbann, zu ihr läuft er über.
O! wenn des Nachtwinds Geruch euch, der malvenfarbne, nicht lehret,
Oder den Abdruck nicht jemals ihr tragt eines senfblonden Haupthaars
Auf dem Schenkel, doch solltet ihr, Unüberzeugte, sie fürchten:
Ihr erlag der Gaultummler Diomedes, der stärker
War als Hektor, nach dem doch die kräftigsten Hofhunde heißen.
Peter Hacks
Dornröschen

In einem rosa Höschen,


Die Knie bis an dem Kinn,
So fand ich mein Dornröschen,
Die holde Schläferin.

Ich setzte auf dem Linnen


Mich nieder, wo sie lag,
Und bot, um zu beginnen,
Ihr einen schönen Tag.

Und ist es schon am Tage?,


Es wispert als ein Hauch,
Was auch die Glocke schlage,
Ich schlaf tagüber auch.

Da musst ich mich erdreisten,


Da küsst ich sie geschwind,
Und dorthin, wo die meisten
Küsse von Wirkung sind.

Da glitt ein müder Schimmer


Ihr übers Angesicht:
Mon Prince, ich schlafe immer,
Ob man mich küsst, ob nicht.
Peter Hacks
Drei Übersetzungen

Carmagnole

Madame Veto verlauten ließ,


Sie wollt erwürgen ganz Paris.
Es wär geglückt am End,
Wenn kein Kanon dastand.
Drum tanzt die Carmagnole.
Revolution, Revolution.
Drum tanzt die Carmagnole,
Tanzt zu dem Ton
Der Kanon.

II

Los campesinos
Von Antonio Aparicio

Und weil die Faschisten in Spanien eindrangen


Und fressen das Brot weg und stehlen das Vieh,
Sind wir aus dem Dorf fort und kämpfen gegangen,
Und wir zwingen die Generals in die Knie.
Der Pflug steht verrostet, es wird nicht gepflügt jetzt.
Die Sonne geht auf überm brachen Feld.
Wir schlagen uns gut jetzt, und das genügt jetzt,
Für die Freiheit Spaniens und das Glück der Welt.
Vorwärts, wir sind die Bauern
Und darum heut Soldaten.
Adelante.
Vorwärts, Tod den Faschisten,
Die unser Land verraten.
Adelante.

Und weil unser Kampf gilt der Gleichheit auf Erden,


Stehn wir nicht allein da im blutigen Wind.
Unsre Feinde werden ins Meer gefegt werden,
Weil sie auch die Feinde der Arbeiter sind.
Und Frieden wird sein und gehören uns allen
Und Leben aufblühn in Fabrik und Feld
Zum Ruhm der Genossen, die heut gefallen
Für die Freiheit Spaniens und das Glück der Welt.
Vorwärts, wir sind die Bauern
Und darum heut Soldaten.
Adelante.
Vorwärts, Tod den Faschisten,
Die unser Land verraten.
Adelante.
III

Bandiera rossa

Steht auf, ihr Arbeiter,


Steht auf, Genossen,
Die rote Fahne
Weht siegentschlossen.
Steht auf, ihr Arbeiter,
Steht auf, Genossen,
Die rote Fahne
Erkämpft die Macht.

Die rote Fahne erkämpft die Macht,


Die rote Fahne erkämpft die Macht,
Die rote Fahne erkämpft die Macht,
Vorwärts, Kommunisten,
Zur Freiheitsschlacht.
Peter Hacks
Du sanfte Liebe

Du sanfte Liebe, holdes Kind, vernimm:


Als ich aus deinem süßen Kusse eben
Getrennt mich hatte und zu mir begeben,
Da war mir in der linken Schulter schlimm.

Vorm Spiegel streifte ich das wollne Hemd,


Was schmerzte, ab. Und im Hintüberwenden
Sah ich fünf Zeichen meine Weiße schänden,
An Blutfarb meiner Haut und Schwellung fremd.

So furchet die Harpye nur dem Lamme


Ins Unschulds-Fleisch, (wie matt sein Blöken klaget,
Da nichts, die Mutter nicht, zu retten waget),
Solch todeinwühlend fünfgezinkte Schramme.
Und das nun, sanfte Liebe, fügtest du
Mir, und mit deinen Sammetkrallen, zu?
Peter Hacks
Du sollst mir nichts verweigern

Du sollst mir nichts verweigern.


Ich will den letzten Rest
Geht eine Lust zu steigern,
Ein Schurke, wer es lässt.
Gehabtes Glück hilft sterben.
Der Tod, er soll nichts erben
Als blankgeleckte Scherben
Und Schläuche ausgepresst.

Der Vater der Genüsse,


Der alte Knochenmann,
Hängt an die tiefsten Schlüsse
Doch seinen tiefern an.
Boviste und Planeten,
Das Schicksal der Poeten ...
Er drückt uns an die Gräten,
Mein Liebchen, und was dann?

Drum glaub den tausend Zeigern


Der Welt, die nimmer ruhn.
Du sollst mir nichts verweigern.
Wir müssen lieben nun,
Bis einst aus freien Stücken,
Gesättigt mit Entzücken,
Wir unsrer Füße Rücken
Still voneinander tun.
Peter Hacks
Duett des Herakles

Alles wollte ich vollbringen.


Wenig habe ich vollbracht.
Fuhr zum Licht mit Adlers Schwingen.
Sank hinab in Hades’ Nacht.
Sehnsuchtsvoll in Sternenmatten,
Sehnsuchtsvoll im Pflichtentrott,
Such ich Herakles, den Schatten,
Such ich Herakles, den Gott.

An dem Gifte meiner Siege


Starb ich, meinen Zwecken fremd,
Ach, sie legens in der Wiege
Uns schon an, das Nessoshemd.
Lang bevor ich auf den Latten
Meines Scheiterhaufens sott:
Herakles, ein armer Schatten,
Herakles, ein armer Gott.

Wer bewegt des Weltalls Angel,


Wer bewirkt, dass es nicht bleibt,
Als die Unrast, die den Mangel
Zum ergänzenden Mangel treibt.
Jener Nu, da wir uns hatten,
Macht der Trennung Qual zum Spott.
Geh denn, Herakles, mein Schatten.
Geh denn, Herakles, mein Gott.
Peter Hacks
Eber von Gottow

Eber von Gottow, vergeudetes Schwein,


Lass mich ein Lied, eine Träne dir weihn.

Ist auch das Glück oft dem Edlen abhold,


Wem hat wie dir es so übel gewollt?

Herrlich im Koben du ragtest einmal,


Breit in der Schulter, die Hüfte so schmal,

Feuriges Auges, mit lockigem Haupt


Und was zu nennen die Scham nicht erlaubt.

Drei Dutzend Sauen aus strömender Brust


Hülfest du gern zur empfangenden Lust.

Während ach! Gottow, dein Teil an der Welt,


Kaum nur ein Dutzend Sauen mehr hält.

Monde entschwimmen, Jahre entfliehn.


Ungerufen schwindest du hin.

Frühes Entsagen schüttert dein Fell.


Matt ward dein Feuer, versiegt ist dein Quell.

Schätze des Herzens: wer nimmer euch schont,


Findet sich allzeit mit Reichtum belohnt,

Doch der euch hortet, steht traurig, entleert.


Weh ihm, dessen Gaben die Welt nicht begehrt.

Eber von Gottow im grauenden Haar.


Nicht vierzig, nicht dreißig. Zwölfe im Jahr.

Zwölfe im Jahr! Ein Leben, wofür?


Leb wohl, alter Eber. Ich weine mit dir.
Peter Hacks
Ein Gleichnis

Du hast am Abend Licht gemacht.


Ich war dein neuer Mann.
Das Licht ging aus zur halben Nacht
Und ging dann wieder an.

Lieg stille, Freundin, liege still,


Auch wenn die Flamm nicht brennt.
Ob sie nicht wieder brennen will.
Die Nacht ist nicht am End.

Lieg stille, Freundin, liege still,


Im Docht ein Funke glimmt.
Wenn du mich morgen hassen wirst,
Kann sein, dass es nicht stimmt.
Peter Hacks
Eine dicke Familie

Es war ein Mann in Mosambik,


Der war als wie ein Fass so dick.
Und jeder sprach: Schau an
Den dicken Mann.

Er nahm eine Frau, recht zart und schick,


Sie war auch wie ein Fass so dick.
Und jeder sprach: Schau an
Die dicke Frau
Von dem dicken Mann.

Sie liebten sich auf den ersten Blick,


Na und die Liebe, die war dick.
Und jeder sprach: Schau an
Die dicke Liebe
Von der dicken Frau
Von dem dicken Mann.

Ihr erster Sohn hieß Ludewig,


Der war wie beide zusammen so dick.
Und jeder sprach: Schau an
Den dicken Sohn
Von der dicken Liebe
Von der dicken Frau
Von dem dicken Mann.

Er führte eine Katze am Strick,


Die war als wie ein Nilpferd so dick.
Und jeder sprach: Schau an
Die dicke Katze
Von dem dicken Sohn
Von der dicken Liebe
Von der dicken Frau
Von dem dicken Mann.

Die Katze trank Milch auf ihrem Lager.


Die Milch, die war bestimmt nicht mager.
Und jeder sprach: Schau an
Die dicke Milch
Von der dicken Katze
Von dem dicken Sohn
Von der dicken Liebe
Von der dicken Frau.
Von dem dicken Mann.

Der ganzen Familie Geschicke


Füllten zehn dicke Bänd.
Drum mach ich jetzt das dicke
END.
Peter Hacks
Einem Vermittler

Den Gruß zurück. Und Dank für Ihr Bemühen.


Doch tut mir leid: ich handle nicht mit Kühen.
Hier ist Berlin, nicht Neustadt an der Dosse.
Ich bin ein Dichter und kein Zeitgenosse.
Peter Hacks
Ende gut

Am blauen Himmel des Sommermittags


Steht ein silberner Halbmond. Ein Graf
Unterrichtet Arbeiterkinder, werdende Diplomaten,
Im Weintrinken. So
Wird das Böse, wenn das Gute gesiegt hat,
Ein Zierat.
Peter Hacks
Englische Eröffnung

An einem Juninebeltag
Sind über die Atlantikwogen
Bei sanftem Wind und Wellenschlag
Mit Kurs Quebec dahingezogen
Drei gut französische Fregatten,
Die ihr Geschwader verloren hatten.

Dann teilt die Trübe sich. Es bricht


Der Nebel auf wie in zwei Wände.
Es öffnet strahlend sich die Sicht
Aufs ozeanische Gelände.
Und plötzlich liegt ganz klar und nah
Die ganze englische Flotte da.

Nun ja, man trifft sich nicht nur gern.


Denn George und Louis zeigen gleiche
Besitzbegier nach jenem fern
Und rauen Vizekönigreiche.
Man grüßt knapp nach den Anstandsregeln
Und will ansonst vorübersegeln.

Da - Linienschiff für Linienschiff


Dreht bei und zeigt die breite Seite,
Als ob ein Artillerieangriff
Im Todesernst sich vorbereite.
Der Kapitän von der „Alcide“
Er denkt: Ich denke, es herrscht Friede.

Doch es ist wahr: geraume Zeit


Sind wir auf See, fast vierzehn Wochen,
Am Ende ist Feindseligkeit
Zu Haus inzwischen ausgebrochen. -
Er greift zum Sprachrohr: Haben wir
Krieg oder Frieden, Kavalier?

Dort, achtern auf der „Dunkirk“, steht


Der Kapitän auf seinem Flecke,
Schreit: Frieden, Frieden, Sir! und dreht
Den Trichter zum Kanonendecke
Und fügt in echt altenglischer Ruh
Das Kommando: Feuer! hinzu.

Der Krieg, der siebenjährige,


So ging er an, von diesem Platze.
Und jeglicher seitherige
Eröffnet mit demselben Satze.
Man lädt. Und einer brüllt vom Steuer:
Frieden, Frieden - Feuer!
Fand statt im Juni 1755. Die drei französischen Kauffahrer hießen die „Alcide“, die „Lys“ und die „Royal Dauphin“.
Peter Hacks
Epilog zum Prolog der Münchner Kammerspiele

Ein deutscher Intendant, ein sichrer Müller,


Bat mich um diesen Dienst. Ich ließ mich bitten.
Er war nicht eben ein Vertragserfüller
Und hat noch lang ums Honorar gestritten.
Und was die Absicht angeht des Gedichts -
Man las es vor. Und weiter? Weiter nichts.
Peter Hacks
Erloschenes Herz

Zu große Hoffnung dieser hundert Tage,


Hängst du zu lastend an der einen Stunde?
Ging Sehnsucht an Begier, gleich einer Plage
Vom eignen Stoff sich sättigend, zugrunde?

Ich wartete zu sehr. Das innre Uhrwerk,


Unklug gefordert, hat sich überdreht.
Im Hofe schlägt die Tür von deinem Fuhrwerk.
Gestern wars: endlich. Heute ists zu spät.

Doch wie? Mein Herz, im unvermutet wilden


Verlangen find ichs an dem deinen klebend
Mit der Magnetgewalt von Weltgebilden.
Was tot schien, scheint im Übermaße lebend.
Wen Lieb entflammte, ist das so? dem brennt
Sie tiefer, als er selbst sich fühlt und kennt.
Peter Hacks
Ermunterung

In dem Marterpfahl, kann sein,


Sitzt der Wurm,
Und ein Wetterstrahl, kann sein,
Sprengt den Turm.
Und der Galgenstrick, kann sein,
Er ist alt,
Und ein Augenblick, kann sein,
Ändert dein Geschick, kann sein
Schon bald.

Auf die Mitternacht, kann sein,


Folgt ein Tag.
Wenn die Welt einkracht, kann sein.
Dass nichts dran lag.
Ha, das Allerletzte trat
Noch nicht ein.
Drum mutig, edle Seele,
Das Messer an deiner Kehle
Kann schlecht geschliffen sein.
Peter Hacks
Erster Mai

Nach der Liebe müssen die Vögel schreien. Sonst hat es


Nicht gelangt. Überm Kopf lischet das Neon mir aus.
Aber wieviel Droschken schon, und bewimpelte? Richtig,
Unsern Jubeltag heut wollen wir durchführen und
Unter kraftvollem Einsatz bekunden, dass wir vor einem
Menschenalter gesiegt. Heim und zu Bett denn. Mich freun
Die in Wahrheit verschiedenen Grüns des Frühlings. Die Bäume,
Zeigt sich, vor deinem Haus waren als Linden gemeint.
Schön, wenn jedermann schafft, ist, abseits zu sein und zu feiern,
Schöner, bei jedermanns Fest hebend am Rande zu sein.
Peter Hacks
Erziehung der Gefühle

Als ich dich lieben lernte, warst du der reizendste Jüngling,


Langhineilenden Beins gingst du mit ernstem Gesicht.
Aber unter meinen Küssen reiftest du weiter
Zu des vertrauenden Kinds mägdlicher Unschuld bereits.
Drei nun sind der Stufen, worin alles abläuft. Am Gipfel
Steht meine Leidenschaft wohl, stehet dein Wachstum noch nicht.
Fort jenes äußerste Lieben üb ich, welches Geduld heißt,
Und ein betörendes Weib hoff ich in dir noch zu sehn.
Peter Hacks
Es fiel ein Schnee

Es fiel ein Schnee heut nacht vom Himmel


Die Pferde sehen aus wie Schimmel.
Die Bäume sehen aus wie Birken.
Das macht das Schnein, dass sie so wirken.
Die kleinen Wege sind fast sauber.
Und wie ein Schneemann steht der Räuber.
Er steht, den Säbel umgeschnallt,
Im Winterwald.
Peter Hacks
Es ist wahr, was ich sag

Du hast mich betrogen im Sommer,


Mein Freund, es ist wahr, was ich sag.
Ich will es dir heimzahln im Winter
An einem schneeigen Tag.
Mit einem, der mich mehr liebt als du,
Mit einem, der mir mehr gibt als du,
Mach ichs wahr, mach ichs wahr,
Vor sich neigt das Jahr,
Mach ich wahr, was ich sag.
Peter Hacks
Es war ein kleiner Junge

Es war ein kleiner Junge,


Der war ein nettes Kind,
Der war mal brav, mal böse,
So wie halt Jungen sind.

Der hatte blonde Haare,


Die waren nie gekämmt,
Und eine rote Hose
Und ein gestreiftes Hemd.

Und eine kleine Nase


Und einen großen Mund,
Und manchmal fuhr er Roller
Und hatte einen Hund.

Er war mal brav, mal böse,


So wie halt Jungen sind.
Und seine Mama sagte,
Auch wenn sie niemand fragte:
Er ist ein nettes Kind.
Peter Hacks
Feigheit

Von den Gedanken hab ich dieses Jahrhunderts die wahren,


Von den Mädchen das schönste. Im Hervortreten heiter
Wirft die erfreuliche Sonne die schwarz oder regengestreiften
Haufen um des Gewölkes. Ändrung seit neuestem fürcht ich.
Peter Hacks
Fin de Millénaire

Wer nie vom Schönen je vernahm, vermisst nichts.

Ein Bürokrat sucht Intendanten aus.


Müller kann nichts, weiß nichts, ist nichts.
Ein Irrer wickelt Lappen um ein Haus.

Ich gähne nur in jedem solchen Falle.


Gegen den Niedergang kommt keiner an.
Ich lass sie machen, weil ich sie nicht alle
In einem Dahmesee ersäufen kann.

Ja, wenn ich könnte. So verkroch ich mich


In einer Grotte des Jahrtausendendes,
Wo mich ein Schlafbedürfnis, ein horrendes,
Bis zur Betäubung übermannte. Ich,
Der ich rein körperlich zum Müdsein neige,
Vergebt mir, wenn ich keinen Zorn mehr zeige.

nach 1995

(Werke. Band 1 - Die Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003)

Als altkommunistische Lästerzunge, die sich über die heiligen Kühe der eigenen
(DDR)Gesellschaft lustig macht, war der Dichter Peter Hacks (1928-2003) eine außer-
ordentliche Begabung. Wer seine traditionell klassisch gebauten Gedichte mit ihrem scharfen
Witz liest, wird verblüfft entdecken, dass dieser fast schon wieder vergessene Dichter - trotz
seiner stalinistischen Neigungen - zu den literarischen Größen des 20. Jahrhunderts zu rech-
nen ist; auch in seinem bösen Spott auf die Folgen des politischen Umbruchs von 1989/90,
den er in Sonett-Form gefasst hat.

Schon der erste Vers formuliert die maliziöse Absage an die kulturellen Zustände im wieder-
vereinigten Deutschland. Seinen literarischen Erz-Feind, den Dramatiker Heiner Müller
(1929-1995), schmäht Hacks ebenso schroff wie den bulgarischen Verpackungskünstler
Christo (geb. 1935), der 1995 in einer spektakulären Aktion den Berliner Reichstag verhüllte.
Das lyrische Ich wendet sich gelangweilt von der Banausie ab. Aber selbst im stoischen Rück-
zug ist der „Zorn“, dem der Autor abschwört, noch präsent.
Peter Hacks
Flugblätter

I
Und wählt ihr wieder die Weißen,
Und wählt ihr nicht endlich rot,
Kommen die Gewählten und schmeißen
All ihre Wähler tot.

II
Diese Generals und Blitzkrieg-Asse,
Diese schon mal abgedankten Weltherrn,
Sind die alten Mörder unsrer Klasse.
Stärkt die Volksmacht!
Schlagt die Hitlerfeldherrn!
Peter Hacks
Frage nicht, ob Liebe lohnet

Frage nicht, ob Liebe lohnet,


Frage alles, nur nicht das.
Ende, das im Anfang wohnet,
Färbt die Mitte leichenblass.

Frage nicht, wie lang es daure,


Mach uns nicht das Starksein schwer.
Dank das Glück dem Glücke, traure
Nicht die Trauer von nachher.

Lebens blühende Entwürfe


Drängen tief in dir ans Licht.
Freilich, fragst du, ob man dürfe,
In dem Falle darf man nicht.

Denn die Knospe wird zum Sarge,


Die den Winter scheut im Mai,
Und Vorhersicht zieht das Arge,
Das sie meiden will, herbei.
Peter Hacks
Frage

Der Uhr zufolg war Tag. In meinem Herzen


Indessen glomm und in den Gaslaternen
Erinnrung an die Nacht. Aber am Fuß
Von den Laternen standen Vögel, groß
Und graue, äußerst missgestalte Vögel,
Und sangen da aus vollem Hals. Sie sangen
Ganz unrein und ganz glücklich, so wie ich,
Sänge ich je, gesungen haben würde.
Ich frage dich, Geliebte:
Was haben die denn in der Nacht gemacht,
Dass sie jetzt morgens so laut singen müssen?
Peter Hacks
Frau Tausendfuß heut Wäsche hat

Frau Tausendfuß heut Wäsche hat,


Das sind grad tausend Socken.
Auf einem Ebereschenblatt
Bläst sie ein Windchen trocken.
Tausend Socken sind recht viel.
Tausend Socken sind kein Spiel.
Alle sagen: Tausend Gruß,
So fleißig heut, Frau Tausendfuß?

Ein Spinnenweb als Wäschelein,


Kiefernnadeln als Klammern,
Als Sack ein Hirtentäschelein,
Zwei hohle Nüss als Kammern.
Tausend Socken, ei der Daus,
Tausend Socken, das reicht aus.
Alle sagen: Tausend Gruß,
So fleißig heut, Frau Tausendfuß!
Peter Hacks
Freikörper

Sie betragen sich - von Norwegs Fjorden


Bis nach Elba, Kampen oder Rügen –
So, als wäre nichts verloren worden,
Wenn sie keinen Badeanzug trügen.

Diese Frauen sind so wenig packend


Wie die glatten Steine in den Wogen.
Ohne Scham sind sie, wie Tiere, nackend.
Doch den Menschen lieb ich ausgezogen.

Und ich wate, unversucht von Lüsten,


Trocknen Herzens durch ein Meer von Brüsten.
Mit der Neugier schwindet der Genuss.
Sie sind nicht mehr, was wir so gern wüssten.
Ach, es sind Europas Badeküsten,
Wo Gott Eros Schiffbruch leiden muss.
Peter Hacks
Freu dich, Liebe

Ich hab eine Nachbarin,


Der ich nicht zu hässlich bin.
Muss nicht weit nach Küssen gehen.
Hab mein Schatz im Hausflur stehn.

Wohnte sie in Thüringen,


Müsste ich nach Thüringen.
O wie reich bin ich belohnt,
Dass sie nicht in Gotha wohnt.

Ich hab eine Nachbarin,


Der ich nicht zu hässlich bin.
Freu dich, Liebe, freue dich.
Nebenan, da nimmt man mich.

(Die Gedichte. Edition Nautilus. Hamburg 2000. © Eulenspiegel Verlag, Berlin)

Das neckische Liebesgedicht in schnoddriger Volksliedstrophe: Was Heinrich Heine (1797-


1856) dereinst virtuos zelebrierte, wird vom kommunistischen Klassizisten Peter Hacks
(1928-2003) zur Perfektion geführt. Selbst im frivolen Knittelvers vergisst Hacks nicht, sein
poetisches Markenzeichen zu setzen. Denn als selbsternannter und durchaus auch legitimer
Nachfolger Goethes im späten 20. Jahrhundert schmuggelt er in sein heiteres Liebespoem
eine Anspielung auf den großen Weimarianer ein.

Es war eine in Gotha befindliche Marmor-Büste der schönen Wilhelmine von Cronrath, die
dereinst die Aufmerksamkeit des Dichterfürsten Goethe erregte. Von der Marmorbüste erbat
er sich schließlich einen Abguss, die dann jahrelang im Blauen Zimmer des Goethehauses zu
sehen war. Den Umweg über die thüringische Stadt Gotha kann sich der passionierte Liebha-
ber Hacks jedoch sparen. Denn die Sinnesfreuden warten auf das lyrische Ich schon „neben-
an“ - bei der „Nachbarin“.
Peter Hacks
Freundlichkeit

Was sie immer seien, freundlich, das sind sie selten.


Aber Freundlichkeit ist, deren der Müde bedarf,
Wenn von ungern verrichtet und edelsten Werken er ausruhn
Möchte zu anderm und mehr freudebewirkendem Tun.
Warm überglänzt steht der Tisch mit Kerzen, der Toast und der Tee warm,
Schimmernd spiegelt im Glas sich das umklöppelte Tuch,
Alles mit herzlicher Absicht und wie du mein Wünschen bedachtest,
Auch am gewöhnlichen Ort polstert das Kissen die Bank.
Selbst ja das Nachthemd, das blaue mit den rötlichen Borten,
Liegt auf dem Bette bereit. So sehr errietest du mich.

1
Peter Hacks
Frieden

Die Brötchen kosten drei Pfennig.


Der Brötchenmann wirft sie morgens in den Beutel
An meiner Tür. Eine Preissenkung
Ist in Aussicht.
Peter Hacks
Fülle des Lebens

Vier Knospen trägt der Rosenbaum,


Vier Rosen kann er tragen.
Wenn früh, so frühe der Winter kommt,
Wird er den Baum zerschlagen.

Und wenn er ihn zerschlagen hat


Mit seiner kalten Mühe,
Wenn er vier Rosen getragen hat,
War es doch nicht zu frühe.
Peter Hacks
G.

Zwar in Wetzlar hat Goethe „Leck mich im Arsch“ schon geschrieben,


Aber im ewigen Rom erst, es zu fühlen, gewagt.
Sie, die der römischen Ops in nichts sonst ähnelt, ein Gleiches
Wirkte mein Mädchen an mir. Seht, und ich wollte, die Welt
Hätte nur eine Zunge ...

1
Peter Hacks
Gartenkunst märkisch

Auf einem Sockel, der das Maß begründet,


Steht, die Kythare hübsch im Arm, Apoll.
Der kurze Kirschenhintern anmutvoll
Sich überm weiß und dicken Schenkel ründet.

Der Rücken mild, die Schulter ohne Härten,


Die Mädchenhüfte reizend ausgeschwenkt.
Er hat uns Kunst, Kunst hat uns ihn geschenkt.
So wird dem Schönen Wirklichkeit in Gärten.

Am obern Plan, jahraus, jahrein, bewegen


Sich schnelle Trübungen, die ewig dauern
In ihrem Voneinander und Entgegen.
Die hellern sind mehr ferne als die grauern.
Dahinter rennt und sucht nach einem Spalt
Der Sonne Kreisform, sichtbar, aber kalt.
Peter Hacks
Gedicht des Laubfroschs

Lieber Teich mit goldnen Weiden, Wenn ich schönen Morgen wünsche
Himmel zwischen Schilf und Gras, Oder frohen Abend biet,
Kann dich einer mir verleiden? Ziehn sie so gemeine Flünsche,
Ach, die Unken können das! Wie sie wirklich keiner zieht.
Ach, du wärst mein Königreich Sie sind gänzlich unbereit
Ohne Unken, lieber Teich. Zur geringsten Höflichkeit.

Wenn vom ersten Frührotschimmer Gelbe Bäuche, schwarze Glatzen,


Sich ein Abglanz her verlor, Wenig Hals und gar kein Kinn.
Ragen aus der Fläche immer Mit den spindeldürren Tatzen
Aufgetunkte Unken vor. Schlagen sie nach sonstwo hin.
Keine Stimmung findet statt, Voller Warzen auf dem Knie,
Wenn das Wasser Beulen hat. Patschen sie und quatschen sie.

Stunden hängen sie und Stunden Niemals hörst von diesen großen
Ausdruckslos und unbewegt. Ekeln du ein nettes Wort,
Ob sich je in diesen runden Mit den dicken Hintern stoßen
Schädeln ein Gedanke regt? Sie die kleinen Tiere fort.
Nein, sie sind so dumm wie faul. Hässlich sind sie außenwärts.
Doch ihr Größtes ist ihr Maul. Hässlich ist ihr Unkenherz.

Hör ich still in mich versunken Hoffe ich auf helle Tage,
Wellen flüstern mit dem Wind, Ist es wer, der Trübes raunt?
Kann ich wetten, dass die Unken Unken stehn zu jeder Frage
Grässlich zu vernehmen sind. Unvergnügt und missgelaunt.
U! und Hu! und U-Uhu! Jeder frohe Lebenspunkt
Rufen sie einander zu. Wird von ihnen angeunkt.

Könnte man die Lust und Gaben


Dieser wundervollen Welt
Einfach ohne Unken haben,
Alles wäre wohlbestellt.
Ach, das Dasein wird zur Qual,
Denn wir haben sie einmal.
Peter Hacks
Geh, müdes Herze

Geh, müdes Herze, geh zur Ruh.


Die du begehrst, gehört dir zu,
Sie hats dich lassen wissen.
Geh und ergib dich dem Geleit
Der Müdigkeit,
Und die Genesung findest du
Von deinen großen Rissen.

Halt endlich still in deiner Brust.


Dass du nicht länger bangen musst,
Das hat ein Wort entschieden.
All dein Verirren, all dein Fliehn
Ist dir verziehn.
In dieser Nacht, in dieser Brust
Umfängt dich tiefer Frieden.

In dieser Nacht. Denn nicht mehr fern


Steht Helios, der laute Stern.
Es will schon wieder tagen..
Der Liebe grausame Gewalt
Erfährst du bald,
Und besser als dein Unglück lern
Du nun dein Glück ertragen.
Peter Hacks
Genoveva

Pfalzgraf Siegfried ritt aus zum Jagen,


Und die Jagd ging fröhlich über Stock und Stein,
Und da sah er eine weiße Hirschkuh,
Und er sprengte hinter ihr waldein.
Und die Hirschkuh floh in eine Grotte.
In d er Grotte saß ein Weib so wundermild.
Pfalzgraf Siegfried ließ die Armbrust sinken,
Und er stand als wie ein Marmorbild.
Genoveva, meine weiße Hirschkuh,
Genoveva, meine wahre Liebe,
Genoveva, seit du mir entschwunden,
Aus der Seele schwand mir all mein Glück.

– Bist du nicht tot, wie ich befahl?


– Gott ließ mich leben, mein Gemahl.
– Bist du nicht schuldig, wie man sprach?
– Der arge Golo logs mir nach.
– Wie kam, dass Golo mich belog?
– Weil ich dich nicht mit ihm betrog.
– Kannst du mir einmal noch verzeihn?
– Im Bösen nie gedacht ich dein.

Um den Leib schlang sie ihm die Arme,


Um den Koller flog ihm ihr krausblondes Haar,
So beim hellen Klang der goldnen Hörner
Ritten sie voran der Jägerschar.
Ritten aus den waldigen Ardennen,
Bis im Abend Schloss Hohensimmern ragt.
Pfalzgraf Siegfried sprach zu seinen Jägern:
Heute hat der Himmel mitgejagt.
Genoveva, meine weiße Hirschkuh,
Genoveva, meine wahre Liebe,
Genoveva, meine andre Seele,
Mein entschwundnes, mein gefundnes Glück.
Peter Hacks
Getane Arbeit

Eingebracht ist Numa. Die Waben sind


Alle schön bedeckelt, das Fünfermaß
Meiner Honigsäulchen methodice.
Habhaft auch der reiferen Pollen aus
Des Jahrhundertviertels enttäuschender
Blüte ward ich. Gleich einer Biene im
Weiterfliegen reib ich die Hände mir.
Peter Hacks
Goethe und Tischbein

Der Dichter Goethe reiste einst


Mit seinem großen Hut
Und mit dem Maler Tischbein
Nach Süden wohlgemut.
Im Königreich Neapel
Da steht der Berg Vesuv.
Ein alter, böser Berg, er ist
So übel wie sein Ruf.

Der Berg, der rülpst und knurrt und speit


Die Felsen gleich zu Hauf.
Sprach Tischbein: Ich bleib unten.
Sprach Goethe: Ich geh rauf.
Der Berg nahm einen großen Stein,
Den er nach Goethe schmiss.
Doch Goethe sprach: Wo ich raufwill,
Gibt es kein Hindernis.

Herr Goethe, Herr Goethe, das tut man doch nicht.


Das schickt sich doch schlecht für den Schulunterricht.
Ja, wenn der gescheute Herr Tischbein nicht wär,
Wo nähmen wir Kinder die Vorbilder her?

Da kam mit raschem Flügelschlag


Ne Muse hergeschwebt:
Der Goethe, ist er tot?
Apoll sei Dank, er lebt.
Sie fing den glühnden Brocken
In ihrer Lilienhand.
Sie hatte nicht zum ersten Mal
Die Finger sich verbrannt.

Da kamen sie nach Hause


Und waren beide froh,
Der Goethe durch ein Wunder,
Der Tischbein sowieso.

Herr Goethe, Herr Goethe, das tut man doch nicht.


Das schickt sich doch schlecht für den Schulunterricht.
Ja, wenn der gescheute Herr Tischbein nicht wär,
Wo nähmen wir Kinder die Vorbilder her?
Peter Hacks
Göttergeburt

Nicht das Rasch oder Plötzliche taugt dem bedächtigen Manne.


Sondern schönes Vertraun ziemt ihm im engeren Kreis
Und im Jahrhundert Behaustsein und in der Zukunft Vorhersicht
Alles verdrießt ihn, das jäh, wider Vermuten geschieht.
Was nun sag ich zu dieser? Fertig und blühend, wie Pallas
Einst der Stirne des Zeus schädelzerreißend entsprang,
Sprang das Mädchen, im blühenden Alter fertig geboren,
Schädelzerreißend im Nu mir ins gerunzelte Haupt.
Peter Hacks
Heidelied

Hab ein Häuschen an der Spree,


Eines in der Heide.
Eins, wenn ich zu Cäsar geh,
Eins, wenn ich ihn meide.
Wunderschön an seinem Rand
Ist mein deutsches Vaterland.

Hab ein Liebchen an der Spree,


Keines in der Heide.
Wenn ich ihr den Rücken dreh,
Heißt das nicht: ich scheide.
Aber schön an seinem Rand
Ist mein deutsches Vaterland.

Beide lieb ich treu und zäh


Und verlasse beide,
Dass durch übergroße Näh
Nicht mein Lieben leide.
Ach wie schön an seinem Rand
Ist mein deutsches Vaterland.
Peter Hacks
Heile Welt

O Wonne, nicht dem Leid entrissen, Liebe,


Die keine Krankheit ist. Nur Glückbereiten
Im Wechselspiel der Gleichbeschaffenheiten.
Und nicht ein Wunsch, dem abzuhelfen bliebe.

O süße Stimmungen. Insonders Morgens,


Wenn unzertrennt, von Fleisch ein Knäuel und Haaren,
Wir ruhn, die Häute, die verwechselbaren,
Des Labsal Spendens satt noch oder Borgens.

Und doch: dies Zueinander ohne Hürden,


Dies Ähnlichfühlen ohne Grat noch Rest,
Was ist in dem, das jäh mich schaudern lässt?
Es fehlt am Wahn. Mich packt die Furcht, wir würden
Aus Liebenden zu treuen Wegbegleitern.
Mög unsre Liebe nicht an Freundschaft scheitern.
Peter Hacks
Hermine

Hermine stand am Wolkenstore


Und blickte bang hinaus.
Ihr rundes Hinterteil sah vor
Dem Tüll ganz reizend aus.
Die Sinne fliehn ...
Jetzt ahnt sie ihn ...
Er biegt ums Eck von Sankt Marien.

Der Liebste lag im Bett und fror.


Herz, lass mich nicht allein!
Hermine steht am Wolkenstore
Und mag nicht zärtlich sein.
Die Sinne fliehn ...
Jetzt ahnt sie ihn ...
Er biegt ums Eck von Sankt Marien.

Der Gatte klopft ans Eichentor.


Weshalb hast du den Riegel vor?
Der Liebste fährt ins Stiefelrohr.
Hermine steht am Wolkenstore.
Wohin, wohin?
Ein Abendglühn
Webt Rosen über Sankt Marien.
Peter Hacks
Hier, wo der Tann haltmacht, die Buche endet

Hier, wo der Tann haltmacht, die Buche endet,


Den Wolf der Leu ablöst als mein Begleiter,
Hier auf der Naht, wo Nord von Süd sich reißt,
Flieht selbst die Sonne meine Spur und wendet
In ihren Kreis sich heim. Nur ich muss weiter.
In welcher Richtung such ich, welcher Ferne?
Welcher nun schützt sie dieser fremden Sterne?
Pimplea.
- Daphnis.
- Du mein Traumgesicht,
Zag nicht, ich komme.
- Komm, ich zage nicht.

Meer, sanftes Meer, Gebirge schöngestalte,


Duldsamer Strom, ihr Menschen auch vor allen,
Die sämtlich ihr so groß und edel seid,
Glaubt meinem Lob, lasst euch mein Lob gefallen,
Dass euch nur Artigkeit bei Laune halte.
Von einem Haupt die Übel abzuwehren,
Muss ich die Güte einer Welt vermehren.
Daphnis.
- Pimplea.
- Du mein Traumgesicht,
Ich zag nicht, komm.
- Ich komme. Zage nicht.

Wie schalt ich sonst den schlanken Stamm der Fichte,


Wenn er, für Blicke nur, ihr Bild verstellte,
Den Hügelpfad, der sie mir vorenthielt.
Jetzt ists der ganze Raum, auf den ich schelte,
Der kalten Körper Ausdehnung und Dichte.
Dass Trennung sein darf. Die wir nie verschmelzen,
Warum noch zwischen uns den Erdball wälzen?
Pimplea.
- Daphnis.
- Du mein Traumgesicht,
Zag nicht, ich komme.
- Komm, ich zage nicht.
Peter Hacks
Himmelssachen

Die Sterne in der Höhe


Sind zwanzig goldne Flöhe.

Die Sonne hab ich gerne,


Mehr als die andern Sterne.

Sonne, Mond und Sterne


Sind des Pudels Kerne.

Die Engel gehn fast völlig nackt,


Der Mond braucht keinen Steckkontakt.
Peter Hacks
Hochzeitslied

Haben auf diesen Tag


Lange warten müssen
Wie zwei Tropfsteine,
Ehe sie sich küssen.

Haben uns gesucht,


Haben uns gefunden.
Wollen uns suchen
Bis zur letzten Stunde.

Unsre Liebe, die soll sein


Fest wie Glas.
Ein Glas, das hält fünfhundert Jahr,
Wenn ichs nicht fallen lass.
Peter Hacks
Höhlenbewohner spielen

Unter dem Sofa ist meine Höhle,


Winzig der Spalt zwischen Moos und Geröll.
Rötlich beflackert vom rußenden Öle
Kauer ich stumm auf dem Bärenfell.

Breitnasig, ungewaschen seit Wochen,


Zottig behaart, nur die Ellbogen kahl,
Fletsch ich die Zähne und nage an Knochen,
Die ich aus der Bonbondose stahl.

Draußen vorm Eingang bedrohen den Krieger


Tod und Gefahr in unheimlicher Näh.
Auerrind, Mammut und Säbeltiger
Sitzen am Teetisch und trinken Tee.

Sprechen von mir und meinen Zensuren,


Und wie ich unlängst die Zahnärztin biss.
Ferne Vulkane spein feurige Spuren
Schauderhaft rot in die Urfinsternis.

Aber stärker bin ich und klüger,


Wetz im Verborgnen mein Messer aus Flint.
Spricht zu dem Mammut der Säbeltiger:
Liebste, wo steckt denn Ihr reizendes Kind?
Peter Hacks
Hübsche Lady

Er zog aus dem Schnappsack die Fiedel


Und spielte mir ein Lied,
Hübsche Lady, die Zeit ist vorbei.
Nein, spiel mir noch ein Lied.
Hübscher Soldat, nimm mich auf dein Ross.
Hübsche Lady, das war nicht mein Ziel.
Hab ein Weib am Charing Cross,
Zwei Weiber in der Armee ist zu viel.
Ich gehe nach London, ich bleib dort ein Jahr,
Will oft dran denken, wies schön mit dir war.
Alles Liebe, hübsche Lady,
Will denken, wies schön mit dir war.
Peter Hacks
Ich häng mein Flint

Fern von überm Berg tönt die Trompete.


Tambour ruft und Hautbois nach mir.
Und die Lerche steigt. Der Tag wird späte.
Eja, und muss nicht mit ausmarschier.
Ich häng mein Flint
An den Weidenbaum in hellen Wind.
Häng, Bruder, deine auch dazu.
Dann habn wir alle Ruh.

Frei steh ich im Sonnenlicht, dem warmen,


Ledig nun des Kleids, des ich mich schäm.
Ich könnt jede Kreatur umarmen,
Wenn ich den Herrn Korporal ausnehm.
Ich häng mein Flint
An den Weidenbaum in hellen Wind.
Häng, Bruder, deine auch dazu.
Dann habn wir alle Ruh.

Mein Befehl hab selber unterschrieben.


Mein Weg ist nicht der vom Regiment.
Weil damit mein letzter Marsch, ihr Lieben,
Nicht mit meinem letzten Stündlein end.
Ich häng mein Flint
An den Weidenbaum in hellen Wind.
Häng, Bruder, deine auch dazu.
Dann habn wir alle Ruh.

Fürcht den Tod, besonders den der Helden,


Krieger-Tod, auch preußisch Tod genannt.
Eh sie dich von dieser Welt wegmelden,
Meld dich doch weg vom Soldatenstand.
Und häng dein Flint,
Wo schon viel blanke Flinten sind.
Und häng dein König auch dazu.
Eja, dann ist Ruh.
Peter Hacks
Ich sehe was, was du nicht siehst

1 4
Was sieht die Ringeltaube Was sieht der brave Hund
Auf dem Luisenplatz? Zu jeder Tagesstund?
Das Taubennest im Laube, Er sieht nur seinen Herrn.
Das sieht die Ringeltaube. Und das hat einen Grund.
Die Brotkrümel im Staube, Der Herr stopft ihm den Schlund,
Den frechen Dieb, den Spatz, Drum hat der Hund ihn gern.
Das sieht die Ringeltaube Es sieht der brave Hund
Auf dem Luisenplatz. Am liebsten seinen Herrn.

Den Zug von Hochzeitspaaren, Besonders Hasenbeine


Die jung verehelicht Sind sein Leibgericht.
In weißen Kutschen fahren, Die Herrin gibt ihm keine,
Sieht die Taube nicht. Und er sieht sie nicht.

2 5
Was sieht die Waldameise Was sieht die Schleiereule
Am Grund der Birkenschneise? Auf ihrer Marmorsäule?
Nur immer ihren Pfad Sie sieht die graue Maus.
Verfolgt die Waldameise. Nach der nur schaut sie aus.
Und läuft der Pfad im Kreise, Sie zieht die Stirne kraus
Weiß sie sich keinen Rat. Und plustert ihren Flaus
Die dumme Waldameise, Und sieht, o Graus, die Maus,
Sie sieht nur ihren Pfad. Die stumme Schleiereule.

Die allerliebsten Birken, Der alten Burganlagen


Die zart wie ein Gedicht Steinernen Unterricht
Das Wiesenrund umzirken, Von fernen Rittertagen
Sieht die Emse nicht. Sieht die Eule nicht.

3 6
Was sieht die dicke Kröte Was sieht der Perlenreiher?
Auf der beblümten Au? Der Reiher sieht nur Weiher
Die Fliege silberblau Und etwas Schilfgebüsch.
Sieht starren Augs die Kröte. Sonst sieht er nichts, der Reiher.
Den Storch sieht sie genau, Im Schilf sind seine Eier,
Aus Angst, dass er sie töte. Im Weiher ist sein Fisch.
Das sieht die dicke Kröte Drum sieht der Perlenreiher
Auf der beblümten Au. Nur Schilfgebüsch und Weiher.

Wie sich die wilde Rose Wo Acker, Feld und Weide


Zur Sommerhecke flicht, Das Wasser unterbricht
Den Klee und die Mimose Mit wogendem Getreide,
Sicht die Kröte nicht. Siehts der Reiher nicht.
7 9
Was sieht die Honigbiene? Was sieht die Felsenziege
Die Blumen aller Farben, Von dem Gebirge bloß?
Die Astern und Schafgarben, Ein Fleckchen graues Moos,
Den Raps und die Lupine. Das sieht die Felsenziege.
Wenn erst die Blüten starben, Kein Gipfel ist so groß,
Soll ihre Brut nicht darben. Dass sie ihn nicht erstiege,
Drum sieht die Honigbiene Hat sie ein Fleckchen Moos
Die Blumen aller Farben. Erspäht, die Felsenziege.

Den Mann, der aus den Waben Nun glaubt ihr wohl, sie hätte
Ihr dann den Honig bricht, Die allerschärfste Sicht?
Um uns damit zu laben, Im grünen Tal die Städte
Sieht die Biene nicht. Sieht die Ziege nicht.

8 10
Was sieht die Kleidermotte Was sieht das kluge Kind
Dort von der Zimmerdecke? In der erfüllten Welt?
Die Truhe in der Ecke Die Dinge, wie sie sind,
Erkennt die Kleidermotte. Sieht das gescheite Kind.
Die Hosen und die Fräcke, Weil es in Wald und Feld
Das gute Kleid von Lotte, Die Augen offen hält.
Das sieht die Kleidermotte Es ist nicht blind, das Kind.
Dort von der Zimmerdecke.
Es sieht die ganze Welt.
Sie sieht den Kleiderbügel. Und nun sollt ihr verstehen
Doch fliegt sie um ein Licht, Den Schluss von der Geschicht:
Verbrennt sie sich die Flügel, So viel wie Menschen sehen,
Denn sie sieht es nicht. Sehen Tiere nicht.
Peter Hacks
Ich trug eine Rose im Haar

Im Hedge-Maker’s Inn
War ich Ballkönigin,
Und ich trug eine Rose im Haar.
Die Mädchen schön wie der Frühling,
Und keine so schön, wie ich war.

Es ging das Clairon


Und das Banjo, ding dong,
Und ich trug eine Rose im Haar.
Und ich konnte tanzen mit allen
Und tanzte mit ihm immerdar.

Des Morgens er kam


Und die Rose fort nahm,
Und wir wurden ein sündiges Paar.
Schuld war die Rose, die Rose,
Schuld war die Rose im Haar.
Peter Hacks
Im Prospekt steht

Im Prospekt steht, der See ist hell, die Lüfte


Mild bei langen Tagen und schön die Böschung
Zu begehn auf Wegen mit birknen Bänken,
Aufgestellt von der Kurverwaltung. Wenn du,
Von Gelebtem matt und Böses verlassend,
Aus der Bahn steigst, an jetzt falln dich die Schwärme
Menschenfressender Fliegen. Fäulnis brütend
Ist der Grund und kein Fortkommen. Herab von
Schwarzen Bäumen - aber wartend beisammen
Unterm zottigen Astwerk stehn die Mücken -
Rinnt besudeltes Wasser. Staunend äußerst
Du zu dir: natürlich lügen sie. Aber
Dass sie so lügen!
Peter Hacks
Im Zwiebelbeet

Man hört so vieles Hässliche erwähnen.


Mal schlägt es diesen, und mal trifft es jenen.
Wer leugnets denn? Es kann auch uns erwischen.
Der Tätige beschäftigt sich inzwischen.

Doch ward es Brauch, mit Greinen und mit Keifen


Dem ungewissen Unheil vorzugreifen.
Verwünschter Zeitgeschmack. Ich seh sie dauernd,
Als ob die Welt nicht schlimm genug war, trauernd.

Das gibt sich lustvoll auf und gern verloren.


Das hält nur Aussichtslosestes für wahr.
Das wär am allerliebsten nicht geboren.
Ich mags nicht einsehn. Schon im dritten Jahr
Sitz ich in meinem Garten mit Behagen
Im Zwiebelbeet. Und sollte mich beklagen?
Peter Hacks
Infamie

Der Nordwind bläst den Kaffee kalt,


Wie heiß das Stövchen brennt.
Es sitzt der Marschall Macdonald,
Der Herzog von Tarent.
- Es liegt des Kaisers große Armee,
Es liegt das Zarenheer
Begraben unterm gleichen Schnee.
Und übrig ich und er.
Nur wir: das zehnte verbündete Korps.
Es ist mir ein Rätsel, wie ich ihn verlor.
Er steht ja ganz nah, weshalb bleibt er fort?
Ein Brief, Marion? Endlich! Fast dacht ich das Wort
Infamie. -

Herr Marschall! glatt sind Weg und Steg,


Der Schnee fällt höh’r und höh’r.
Wenn ich mich Richtung Memel leg,
Ists reine force majeure.
Man hat schon einen Wolf gesehn.
Ich trag ja auch die Sorg
Um meine Männer. Tauroggen, den
30. 12. Yorck.
- Abfiel der Bube, lief über zum Feind,
Viel hat er geschworen und wenig gemeint.
Ach, ich und der Yorck, das war Frieden und Sieg.
Doch Yorck mit Russland bedeutet den Krieg.
Infamie.

Getroffen ist ins tiefste Mark


Der Freiheit edle Idee.
Ob ich mein schönes Schloss und Park
Noch einmal wiederseh?
Das engelländsche Silberpfund
Erstickt die Völkertat,
Die spanischen Kapläne und
Der preußische Verrat.
Sie kochen mit Mehl, und sie lieben im Hemd,
Und die Kunst des Verrats ist ihnen nicht fremd.
Zugunsten der Knute hat unverzagt
Der Korporalstock den Aufstand gewagt.
Infamie.

Man melde meine Hochachtung


Dem Herrn Genralleutnant,
Vielleicht bei mildrer Witterung
Käm noch der Treff zustand.
Doch wirds ein Treff zum Waffentanz,
Dann, Herr, auf möglichst bald.
Tilsit, 30. 12. Ganz
Ergebenst, Macdonald.
Das ist die Sprache der Konvention.
Die Sprache des Herzens hat andern Ton.
Wer Marschall, König und Kaiser verrät,
Dem folgt ein Wort, wo immer er geht:
Infamie.

Der Überbringer von Yorcks Brief, Marion, war Macdonalds Adjutant. Der Inhalt beider Briefe ist ungeändert.
Peter Hacks
Irrtümer

Eine rosarote Katze,


Eine himmelblaue Maus
Treffen sich am Antonplatze
Und erkennen sich durchaus.

Und die Maus will sich verstecken,


Und dann sagt sie: Keine Not,
Nie sah ich das Maul sich lecken
Eine Katze rosenrot.

Und die Katze nahet leise,


Bleckt den Zahn und steilt den Bart,
Bis sie ihrer Mittagsspeise
Sonderbares Fell gewahrt.

Und sie lässt die Maus am Leben


Wiederum auf Grund des Blaus,
Und sie spricht: Das kann’s nicht geben
Eine himmelblaue Maus.

Und sie wandeln von dem Platze


Ohne Zwischenfall nach Haus,
Rechts, nach Weißensee, die Katze,
Links, nach Lichtenberg, die Maus.
Peter Hacks
Johann Meusel

Johann Meusel war ein Bauer,


Zog den Pflug mit einer Hand,
Zog die Egge mit der andern
Durch des Ackers tiefen Sand.
Im gelben Mondlicht
Sah man ihn
Mutternackt die Furchen ziehn.

Johann Meusel traf ein Mädchen,


Küsste sie im Morgenwind,
Und vor Mittag war sie schwanger,
Und vor Nacht hatt sie ein Kind.
Schön wie die Sonne,
Groß wie ein Rind,
So war Johann Meusels Kind.

Johann spielt das Bombardon.


Stieß er einmal nur hinein,
Fielen ringsum auf den Gütern
Alle Ziegelmauern ein.
Der König Josua
Von Jericho
Blies zwar laut, aber nicht so.

Dem Herrn Amtmann aber brach er


Jüngst mit Sorgfalt das Genick,
Und er hängte fünf Pastoren
Auf an einem Glockenstrick.
Nämlich er hatte
Nichts wie Streit
Mit der deutschen Obrigkeit.

Als er einst bei seinem Kümmel


Rülpsend lag auf seiner Bank,
Hört er Stimmen hoch im Himmel,
Und die riefen: Gott ist krank.
Gott hat das Fieber,
Und jetzt glaubt Er,
Dass Er Johann Meusel wär.
Peter Hacks
Johannes Tetzel

Wache auf, mein süßer Hirt,


Sprach die Tochter von dem Wirt,
Weil der Mensch nach Trunk und Kuss
Einmal an die Arbeit muss.
Auf dem Markt von Jüterbog
Wartet schon der Opferstock,
Denn im kleinen Grenzverkehr
Fegt er Sachsens Taschen leer.
Wie? mein Ablass dünkt euch teuer?
Sitzt erst ihr im Fegefeuer,
Gebt ihr eine Million
Gern für fünf Minuten schon!

Aus dem päpstlichen Tresor


Kramt er Gnad um Gnade vor.
Aber weh, was ist geschehn?
Kaum ein Kunde lässt sich sehn.
Quäkt ein Weib aus Wittenberg:
Bei uns ist ein Mönch am Werk,
Der verkündet kurz und knapp:
Lasset von dem Ablass ab!
- Ab vom Ablass! Gute Werke
Sind das Maß der Glaubensstärke,
Denn Gott stellt dem Adam frei,
Ob er fromm, ob sündig sei.

Brennt den Doktor! Hört auf mich,


Der als Ketzerrichter ich
Zwar ein Kerl von schlichtem Sinn,
Doch ein Mann des Volkes bin.
Füchse, weiß ich, wild und rot,
Schlägt man, wenn sie jung sind, tot! -
So hat Tetzel laut geschrien.
Ach, man hörte nicht auf ihn.
Und ein wahres Rufgemetzel,
Wo er geht, umbrandet Tetzel,
Bis nach Leipzig er, der Stadt,
Selber sich verkrochen hat.

Endlich ist mit Dulden Schluss,


Denn nun kommt der Nuntius.
- Ei, Ihr überklugen Herrn,
Konntet Ihr nicht auf mich hörn?
Damals ging es kinderleicht
Mit dem Teufel. Heute reicht
Nur noch Strenge, blind und roh!
- Auch die Kirche sieht das so. -
Tetzel kam auf Lebensdauer
Hinter eine Klostermauer,
Wohin Luther ihm sehr lieb,
Dass er ihm verzeihe, schrieb.

Der Nuntius, welcher Tetzel für das Verbrechen, den päpstlichen Nutzen früher als der Papst verfolgt zu haben,
im Jahr 1519 mit lebenslänglicher Einsperrung bestrafte, war Karl von Miltiz.
Peter Hacks
Jona

Als Jona aus dem Tanzschuppen kam


In Ninive, der Stadt,
Er laut zum Himmel das Wort nahm
In Ninive, der Stadt:
Die ganze Stadt, auf meinem Knie
Beschwör ich dich: zerstöre sie!
Es ist ein schlimmer Sündenort,
Am klügsten zerstörst du sie sofort.

Die kleinen Mädchen tanzen mir zu viel.


Die kleinen Mädchen tanzen mir zu viel.
Die kleinen Mädchen leben ohne Ziel, sagte Jona,
All die kleinen Mädchen dort in Ninive.

Da ging in einer Wolke ein Fenster auf


In Ninive, der Stadt,
Da sah der Herr Gott Jahve raus
In Ninive, der Stadt:
Bist du so fromm, bist du so klug?
Ich bin mir selber fromm genug.
Willst du noch frömmer und klüger sein,
Sperr ich dich wieder in den Walfisch rein.

Die kleinen Mädchen sind so lieb und rund.


Die kleinen Mädchen sind so lieb und rund.
Und wenn sie blöd sind, sind sie doch gesund, sagte Jahve,
Meine kleinen Mädchen dort in Ninive.
Peter Hacks
Jules Ratte
oder
selber lernen macht schlau

Ein Kind mit Namen Jule Janke Oder die Jule spricht: ist 7
Sah eines Morgens, blass vor Schreck, Und 1 wohl 8? Die Ratte nickt.
Es warn in ihrem Bücherschranke So hat die Jule 8 geschrieben
All die gelehrten Bücher weg. Und hat dafür ein Lob gekriegt.
Da lag nur, noch im Hintergrunde Und wenn sie nicht mal raten wollte
Eine benagte Heimatkunde, Und sich nur faul aufs Sofa rollte,
Und ein paar Schnipsel von Papier Dann trug die Ratte ganz allein
Die lagen traurig neben ihr. Mit tintigem Schwanz die Antwort ein.

Es hatte nämlich sich begeben, So gings zuhaus. Doch in der Schule,


Dass in der Nacht, als alles schlief, Wie ging es da? Geduld, Geduld.
Ein Zug von Wanderratten eben Beim Unterricht, da hatte Jule
Im städtischen Hauptbahnhof einlief. Die weise Ratte unterm Pult.
Und es war eine Wanderratte, Und ließ die Lösung aller Fragen
Die Jules Schrank geleeret hatte Sich heimlich von der Ratte sagen
Und nun da saß, von Weisheit fett Und schrieb nie Aufsatz noch Diktat
Und hochzufrieden unterm Bett. Ohne die Ratte und ihren Rat.

Die Jule rannte voller Galle Der Lehrer prüfte allzu gerne
Zu einem Trödler, alt und krumm, Die Jule vor der Schülerschar.
Und kaufte eine Rattenfalle Er glaubte, dass sie fleißig lerne,
Aus Draht und Aluminium. Was leider nicht die Wahrheit war.
Und legt das Buch in das Gebauer, Dann rief er freudig: danke, Janke.
Sich selbst hingegen auf die Lauer. Die Ratte grinste in der Banke.
Die Ratte kam bei Mondenschein, Und Jule setzt sich wieder hin,
Roch an der Falle und ging hinein. Pampig wie eine Königin.

Drauf sprach die Jule zu dem Tiere: Die Knospen waren aufgesprungen.
Du Mutter der Verfressenheit, Es kam der Mai und kam die Zeit
Wer hilft mir nun, wenn ich studiere? Der großen Rattenwanderungen.
Wer rät mir bei der Schularbeit? Und alle machten sich bereit.
Von meinen Büchern blieben Fetzen, Sie krochen, nimmermehr zu zählen,
Du sollst sie, denn du kannsts, ersetzen. Aus Küchen, Kellern und Kanälen
Willst du das tun? Die Ratte will. Und saßen schweigend, Ratz an Ratz,
Und unsre Jule lächelt still. im Mondlicht auf dem Bahnhofsplatz.

Die Ratte, welche alles Wissen Und Jules Ratte mit den andern
Der Welt in ihrem Magen trug, Bestieg den Zug um 9 Uhr 4,
Hat auf dem Schreibtisch sitzen müssen, Um nach Granada auszuwandern.
Sobald das Kind sein Heft aufschlug. Dort wurde sie ein großes Tier.
Sie ließ die flinken Augen eilen Sie schrieb ein Buch, gelobt von allen,
Über die hingeklecksten Zeilen, Über den Bau von Katzenfallen
Und wo die Jule falsch geglaubt, Und eine komplizierte Schrift
Da schüttelt sie ihr graues Haupt. Zum Thema Rattengegengift.
Ihr könnt euch denken, wie der Jule Der Schulrat kam just an dem Tage
Das faule Herz im Halse stak, Mit einer ganzen Kommission.
Als nächsten Morgens auf dem Stuhle An Jule ging die erste Frage.
Ein eng beschriebener Zettel lag: Die Jule sagte keinen Ton.
Dies halbe Jahr mocht ich dir schenken, Denn da saß niemand, ihr zu zeigen,
Jetzt musst du wieder selber denken. Was sie nicht wusst. Der Rest war Schweigen.
Ergebenst, Piep. Mit trübem Sinn Der Schulrat murmelt: Das ist ja
Ging Jule nach der Schule hin. Das dümmste Mädchen, das ich sah.

Jetzt sieht man Jule, tief die Locken


In Berge von Papier getaucht,
In einer Bücherhalle hocken.
Es ist ihr Kopf, was da so raucht.
Nur eigene Weisheit macht den Weisen.
Ratgeber können mal verreisen.
Der kluge Freund lässt dich im Stich.
Dann fragst du wen?

Dann fragst du dich.


Peter Hacks
Kaffee-Einladung

Auf dem Tisch die neue Decke


Und das Porzellanservice
Und die süßesten Gebäcke,
Was gäbs Schöneres als dies?
Silbern klappern die Tabletts,
Hin und her geht das Geschwätz:
Bitte sehr,
danke schön,
Bitte sehr,
danke schön.

Aufgetan ist für die Kleinchen


Köstlich und verschwenderisch,
Und die rotbestrumpften Beinchen
Schaukeln unterm Kaffeetisch.
Höflich wie Erwachsene
Reicht man sich die Schlagsahne:
Bitte sehr,
danke schön,
Bitte sehr,
danke schön.
Peter Hacks
Kanzone des Königs Salomon

Als Schönheit kam und kam den Weg herab,


Geschah, dass Weisheit keinen Rat mehr sah
Und stieg vom Thron, zerbrach den Königsstab
Und hat sich keinem Weiseren ergeben.
Und sie verwarf mit Lust ihr Lehrgebäude.
Im Lieben, sprach sie, wohnt so große Freude,
Dass großes Denken hat nicht Platz daneben.
Und sprach: ich bin besiegt, denn du bist da.

Im Herz der Winde, in der Fluten Schoß


Waltet Vernunft und kann Witz Sieger sein.
Nur deine Herrlichkeit ist ursachlos.
O Schaun, zitternden Augs, vor deinem Bilde,
O Sinn im Abersinn, Triumph in Schwächen.
Seit du mir halfst die enge Schranke brechen,
Kenn ich des Glücks entlegenste Gefilde,
Stärker als je, mehr klug, minder allein.

Vor Reicharabien hat Israel


Bei hellem Tag getaumelt und gesungen.
Wie ist dein Name, Weisheit oder Torheit?
Mein Nam ist Weisheit, von Schönheit bezwungen.
Peter Hacks
Kanzone

Du, in der meinen, Mörderin deiner Lust


Es ist dein Wohl, wie meins, woran ich dachte,
Als ich zum Dienst mich dir erbötig machte,
Und das du, sperrst du dich, verlieren musst.
Den holden Hergang, darin Augen brechen,
Worte versagen, aber Schreie sprechen,
Hab ich zu lehren jede noch gewusst.

Weil aller Reiz in Reizsamkeit beruht,


Muss mein Genuss der Bürge sein des deinen.
Fühlendes fühl ich, Stein bin ich bei Steinen.
Und mehr quält als Enttäuschung mich die Wut
Über den Gram, den du dir selbst bereitest,
Wenn du mich dort nicht schleunig hin begleitest,
Wo Gutes stets empfängt, wer Gutes tut.

Gleich jener Frau, die in Korinthos Hafen


Ihr Glück erwürgte, einen Mann zu strafen,
Seist du fortan die Rasende genannt,
Schläfst du allein, um nicht mit mir zu schlafen.
Peter Hacks
Kartoffelfrauen

Der Dichter hat sich früh erhoben.


Er will in einer kleinen Schrift
Das Glück des Sozialismus loben,
Das viele, doch kaum ihn, betrifft.
Da sieht er unterm Morgengrauen
Im Herbstfeld die Kartoffelfrauen.
Sie rutschen fröstelnd auf dem Bauch.
Er blickt sie an und seufzt: ihr auch?
Peter Hacks
Kiefern und Rosen

Kiefern stehen, Rosen blühen


In dem weißen Heidesand.
Von der Liebe großen Mühen
Hab ich mich hierher gewandt.

Unter Kiefern, zwischen Rosen


Lieg ich ganz bei mir allein.
Seligstes von allen Losen,
Einsam und geliebt zu sein.

Glühn im Herd die Kiefernscheiter


Und der Rosenstock am End,
Kehr ich heim und liebe weiter,
Bis auch mich das Glück verbrennt.
Peter Hacks
Kläffi und Flohi

Zwei kostbare Kinder, Effi und Joey,


Hatten zwei kostbare Hunde.
Der eine hieß Kläffi, der andre hieß Flohi,
Sie waren beliebt in der Runde.

Den Weg übers Feld liefen Joey und Effi.


Vor ihnen her sprangen Flohi und Kläffi.

Auf Pfoten und Schuhn ging


Es heiter voran, bis
Kläffi das Huhn fing
Und Flohi den Mann biss.
Peter Hacks
Klavierstück

O Freund, o Seele meiner Lieder,


Nicht zu den Wolken drängt mein Flug.
Mich liebest du, dich lieb ich wieder,
Sind wir nicht unten froh genug?
An treuer Brust, an treuer Seiten
Macht uns die Liebe mehr als reich,
Macht uns an wahren Zärtlichkeiten
Dem allergrößten König gleich.
Peter Hacks
Kleine Freundin vorm Spiegel

Das Kind, das meinem Bett entsteigt


Mit rabenschwarzem Haar,
Wie unbefangen sie mir zeigt,
Woran doch nichts zu loben war.

Jetzt hat sie einen rosa Slip,


Sie ist fett für ihr Alter,
Und jetzt, dass ihre Brust nicht wipp,
Einen schwarzen Büstenhalter.

Dann hat sie noch ein kurzes Hemd,


Sie sagt, es ist ein Kleid.
Die Jugend ist mir ziemlich fremd,
So ungeniert und so verklemmt,
Ich seh ihr zu, wie sie sich kämmt,
Und tu mir leid.
Peter Hacks
Königsrondo

Der König von Frankreich heißt Schmidt.


Der König von Frankreich heißt Schmidt.
Er heißt nicht Herr Ludwig,
Das war uns zu mutig,
Drum singen wir gleich alle mit:

Der König von Frankreich heißt Schmidt.


Der König von Frankreich heißt Schmidt.
Er heißt nicht Herr Ritter,
Das war uns zu bitter,
Drum singen wir gleich alle mit:

Der König von Frankreich heißt Schmidt.


Der König von Frankreich heißt Schmidt.
Er heißt nicht Herr Mollig,
Das war uns zu drollig,
Drum singen wir gleich alle mit:

Der König von Frankreich heißt Schmidt.


Der König von Frankreich heißt Schmidt.
Er heißt nicht Herr Greulich,
Das war zu abscheulich,
Drum singen wir gleich alle mit:

Der König von Frankreich heißt Schmidt.


Der König von Frankreich heißt Schmidt.
Er heißt nicht Herr Bauch,
Das missfiele uns auch,
Drum singen wir gleich alle mit:

Der König von Frankreich heißt Schmidt.


Der König von Frankreich heißt Schmidt.
Er heißt nicht Herr Stiefel,
Er heißt nicht Herr Tritt.
Lang lebe der König, Herr Schmidt!
Peter Hacks
Kurze Nacht

Der Küsse, Liebster, sind genug.


Es ging der erste U-Bahnzug.
- So mag er gehen doch.
- Es ist das silbergraue Licht
Des Morgens, das den Traum zerbricht
Und ruft mich fort ins Alltagsjoch.
- Bleib, Liebste, liegen noch.
Soll Arm von Arm und Bein von Bein
So grausam balde scheiden?
Lass, du mein schönes Leiden,
Mich deine Freude sein.
- Nur einen letzten Kuss. - O gib
Noch einen zu. - Ich hab dich allzu lieb.

Die zweite U-Bahn dröhnt vorbei.


Erbarm dich, Liebster, gib mich frei.
- Was hast du ihrer acht?
- Der Sperling rät, der Postfrau Trab
Von meiner Lieb und Torheit ab.
Wie war mein Weilen unbedacht.
- Nacht, rosensüße Nacht,
Die du mit Seligkeit beschwert
Die Fasern meiner Lenden.
Es kann, es darf nicht enden,
Was nie mehr wiederkehrt.
- Dann einen letzten Kuss. - O gib
Noch einen zu. - Ich hab dich allzu lieb.

O lass mich, Liebster, es ist spät.


Das ist die Tram schon, die jetzt geht.
- Mein Schmerz du, mein Begehr.
- Mein guter Mann hat nie gemocht,
Dass er sich selbst den Kaffee kocht,
O mach mir nicht die Trennung schwer.
- Ich lass dich nimmermehr.
Kein Brausen dieser Welt vertreibt,
Kein Morgenwind kann kühlen
Die Not in meinem Fühlen,
Wenn mir dein Mund nicht bleibt.
- Ich kann ja nicht. Ein Kuss. - O gib
Noch einen zu. - Ich hab dich allzu lieb. -

Zu rührig, Leute ihr, zu eilig, Wagen,


Euch soll dies Lied ob eurer Schuld belangen,
Dass ihr die schmale Schattenwohnung meines Glücks zerschlagen
Und dass mein Lieb so schnell nach Haus gegangen.
Peter Hacks
Ladislaus und Komkarlinchen

Es war einmal ein Landsknecht,


Der hatte eine Maus,
Die Maus hieß Komkarlinchen,
Der Landsknecht Ladislaus.

Der Landsknecht liebt das Kämpfen,


Die Beute und die Ehr,
Aber sein Komkarlinchen,
Das liebt er noch viel mehr.

Sie aß von seinem Brote,


Sie schlief in seinem Bart,
Sie wohnt in seiner Tasche
Auf weiter Kriegesfahrt.

Nur wenn in eine Schlacht ging


Der Landsknecht mit der Maus,
Sprang sie ihm aus dem Rock und
Nahm wie der Wind Reißaus.

Da wurd er sehr bekümmert


Und lief ihr hinterher
Die Kreuz und auch die Quere
Durchs ganze römische Heer.

Und weil sie lief nach hinten


Und niemals lief nach vorn,
Ging ohne ihn die Schlacht halt
Gewonnen und verlorn.

Der Krieg wurd immer älter,


Der Krieg wurd dreißig Jahr,
Älter als mancher Landsknecht
Alt geworden war.

Und die das Kämpfen liebten,


Die Beute und die Ehr,
Die lagen schon begraben
In Sachsen und am Meer.

Jedoch aus allen Wettern


Kam heilen Leibs heraus
Dank seinem Komkarlinchen
Der Landsknecht Ladislaus.
Peter Hacks
Lass mir deiner Blumen eine

Lass mir deiner Blumen eine,


Eine nur aus deinem Strauß,
Oder ich fall um und weine
Mir vor Gram die Augen aus.

Schenk mir einen Blick beim Scheiden,


Wenn ich geh in fremdes Land,
Oder sprich: ich mag dich leiden,
Oder nimm mich bei der Hand.

Gib mir einen Kuss zum Scheine,


Eine einzge Silbe sprich.
Lass mir deiner Blumen eine
Und den Wahn, du liebtest mich.
Peter Hacks
Laster und Reue

Wer kommt da noch im Nebel?


Geh, Weib, zur Tür und schau,
Ists Lockit, der Constable,
Oder eine hübsche Frau?
Erkennst du einen Säbel,
Bin ich gegangen aus,
Doch ists die schwarze Mabel,
So lass sie in mein Haus
Und bring uns Tee in der Kupferkann,
Wenn ich dann lieg bei ihr.
Er war mein Mann,
Er war mein Mann
Und war nicht gut zu mir.

Nun wart ich auf die Stunde,


Da er liegt geschmissen hin,
Und schwarzen Staub im Munde,
Und ich nicht bei ihm bin.
Rasch, holt mein Weib, ihr Hunde,
Holt mir mein gutes Weib,
Sie soll mit Küssen die Wunde
Mir heilen in dem Leib.
Wie kommt ihn stark die Reue an
Dort, blutend auf dem Pier.
Ich war dein Mann,
So spricht er dann,
Und war nicht gut zu dir.
Peter Hacks
Leben Neros

Er saß, ein fetter Klumpen, Es hörten auf zu springen


Auf Caesars Marmorthron. Die Brunnen im Lateran.
Ich sah schon kleinre Lumpen Das hat mit seinem Singen
Und sah auch größre schon. Der Kaiser Roms getan.

Die Kriegszüge, die teuern, Einst trat er zur Mansarde.


Machte er nie zu lang. Zum Tiber floh die Sonn.
Er nahm auch nicht viel Steuern. Zehn Hauptleut von der Garde,
Was er tat, war: er sang. Sie rannten auch davon.

Er sang von früh geschäftig, Doch er rief: Dageblieben,


Bis dass der Abend graut. Und jeder Mann ins Glied.
Er sang nicht gut, doch kräftig. Ich will euch singen, ihr Lieben,
Er sang nicht schön, doch laut. Mein allerschönstes Lied.

Er sang, als Rom verbrannte, Er sang nur siebzig Strophen.


In einem roten Licht. Dann fragt er, wie er sang.
Tot sang er seine Tante. Da sagten sie: Abscheulich.
Fein war das alles nicht. Das war gerecht, doch streng.

Es barsten die Figuren Da rief er: Höll und Sterne,


Am Kolosseumdach, Missfallt euch mein Gesang,
Es gingen alle Uhren So ist nun nicht mehr ferne
In Rom vor Grausen nach. Mein und Roms Untergang.

Mit einem letzten Triller


Durchstieß er sich den Bauch.
Dann war es endlich stiller.
Und ich, ich schweige auch.
Peter Hacks
Lebensbeschreibung der morschen Eiche Hulda, von ihr selbst

Ich steh im Bistum Fulda


In einem wüsten Tal.
Ich bin die Eiche Hulda
Und ein Naturdenkmal.

Ich blieb, mit hohlem Leibe,


Als Rest von einem Wald.
Und wenn ich übertreibe,
Bin ich schon schrecklich alt.

Ich war eine kleine Eichel


Im Jahr 904.
Indes, wie ich mir schmeichel,
Wurd etwas aus mir.

Die Baumschul Prinz v. Sachsen,


Die war nicht weit entfernt.
Da lernte ich das Wachsen,
Und was man sonst so lernt.

Es kamen deutsche Wilde,


Die hatten einen Zorn
Und hingen ihre Schilde
Auf an meinen Knorrn.

Es kamen römische Feldherrn.


Es kam der Wallenstein.
Ich sah so manchen Weltherrn,
Manchen Gesangverein.

Jahrhundert um Jahrhundert
Ein großes Hin und Her.
Erst hab ich mich gewundert.
Jetzt wundert mich nichts mehr.

Ich bin die Eiche Hulda


Und habe den Katarrh.
Ich steh im Tal bei Fulda
Und knarr.
Peter Hacks
Lieb und Leiden

Herbst tritt ein. Dissidenten reisen wie Kraniche westwärts.


Wie überwintern? Ich brech Nadelgeäst für den Herd.
Nämlich unbedingt warm gilt den Kopf es zu halten. Ein klammer
Schädel dichtet nicht gern, alles gerät ihm zur Pein.
Was ich tu oder lasse, es ist zum Besten des Landes.
Aber dem Vaterland passt das nun gar nicht so sehr.
Eher Bescholtne bevorzugts, Leute mit scheuem Gewissen;
Wenn in Schwärmen sie gehn, wenigstens stören sie nicht.
Zwei nur sind, die mir lohnen: ich mir, denn Tugend schafft Kurzweil,
Und die Geliebte, die, selbst edel, edel mich will.
Dankbar küss ich ihr Lächeln. Bei ihr bin ich gut noch dran, freilich
Gut dran ohne die Welt. Mitten im Küssen beneid
Ich die Söhne des künftgen Geschlechts um die künftigen Töchter,
Um ihren Kuss, dessen Lust nicht dem Verdrusse entspringt.
Peter Hacks
Lieb, o Liebe unbedacht

Lieb, o Liebe unbedacht,


Lieb, o Liebe unbedacht.
Es war die Liebe unbedacht.
Ihr seht, was Lieb aus mir gemacht.

Salzig, salzig jeder Kuss,


Salzig, salzig jeder Kuss,
Wenn meiner Freuden süßer Fluss
Sich im Meer verlieren muss.

Morgen war mein Hochzeitstag.


Gestern war mein Sterbetag.
Da ich allein im Bette lag,
Hört ich des Engels Flügelschlag.

Und er sprach: es ist vorbei,


Deine Liebe ist vorbei,
Ja, deine Liebe ist vorbei.
Tod macht dich vom Jammer frei.
Peter Hacks
Lied der Ameisen beim Zweigleinheben

Der Stamm uralt, und der Stamm so kalt,


Und die Hände blau und klamm.
Die Schulter stemmt und die Finger klemmt
In den gefrorenen Stamm.
Ho, ihr Burschen, und he und ho,
Kennen nicht Rast noch Halt.
Und wenn wer fragt:
Wir sind eben so,
Die Emsen vom Latschenwald.

Ob Frost uns beißt, ob Sturm uns reißt


Und Flut herabschwillt vom Kamm,
Wir ruhen nicht, vor der Wald umbricht,
Drum ho und gottverdamm.
Ho, ihr Burschen, und he und ho,
Bis ihr zu Boden fallt.
Und wenn wer fragt:
Wir sind eben so,
Die Emsen vom Latschenwald.
Peter Hacks
Lied der geraubten und in die türkische Sklaverei verkauften Kinder

Seht, da gehn wir armen Kinder, die im Schlummer


Roh man stahl, durch kalte Wüstenein
Und sind, ach! für solchen großen Kummer
Doch noch viel zu klein.

Händchen rot,
Hemdchen weiß
In dem blassen Wintereis.

Ach! da seht uns durch den Weg, den hohlen,


Wie die Schafe treiben.
Liebe Eltern, wir sind euch gestohlen.
Doch wir wolln euch nicht gestohlen bleiben.

Händchen rot,
Hemdchen weiß
In dem blassen Wintereis.
Peter Hacks
Lied des Merkur

Auf dem Berge Ida stritten


Drei Göttinnen hin und her,
Wer aus ihrer schönen Mitten
Wohl die Allerschönste wär.
Evoe, die jungen Damen,
Aus auf einen jungen Mann,
Evoe, die jungen Damen
Wenden drollige Mittel an.

Da, im Holz ein schöner Knabe.


Herr, Sie müssen Richter sein
Und verleihn die Siegesgabe
An die Schönste von uns drein.

Gut, sprach er, ich wills entscheiden,


Aber ehrlich sei das Spiel,
Drum bitt ich, sich zu entkleiden.
Evoe, der Schleier fiel.
O lala, die jungen Damen
In Paris und in Korinth,
O lala, die jungen Damen
Machen Sachen, die eigen sind.

Sprach die Juno: hör ein wenig,


Reich bezahl ich dir dein Obst.
Über Asien wirst du König,
Wenn du mich vor jenen lobst.
Evoe, die jungen Damen
Wenden drollige Mittel an.

Sprach Minerva: viele machten


Dich zum Herrn in ihrem Bett.
Ich mach dich zum Herrn der Schlachten,
Weil ich gern den Apfel hätt.
Evoe, die jungen Damen,
Scharf auf einen jungen Mann,
Wenden drollige Mittel an.

Venus bot, und wurd gewählet,


Helena als Honorar -
Die doch leider längst vermählet
Mit Herrn Menelaos war.
Evoe, die jungen Damen,
Aus auf einen jungen Mann,
Evoe, die jungen Damen
Wenden drollige Mittel an.
Peter Hacks
Lied mit Worten

Weiber immer, Wein zu Zeiten,


Vom Gesang will ich nicht streiten,
Arbeit, Ehre, Kunst und Marx -
Aber angesichts des Sargs?
Ja, in dieser Sache wissen
Wir nicht Antwort noch Latein:
Wie, wenn wir uns selbst entrissen,
Sollen wir gewesen sein?

Reich an Freude, reich an Bürde.


Reichtum, der ist Menschenwürde.
Reichtum, der ist Menschenpflicht.
Reichtum hängt am Morgen nicht.
Auge füllt und Herz mit Wonne,
Todes süßem Gegengift.
Denn ein Ende kommt der Sonne,
Jedenfalls was uns betrifft.

Doch mit tiefgefühltem Beben


Ganz in einer Frau zu leben,
Ist das höchste Daseinsfest,
Das man satt und gern verlässt.
Trefft mich nur an meinem Grabe,
Fragt mich an dem Schattentor,
Keine andre Rede habe
Ich euch dort zu halten vor.

1
Peter Hacks
Lied von den Läusen

Jetzt hast du die Macht, Prolet.


Deine Faust schreibt das Gesetz.
Und die rote Fahne steht
Auf dem Haus des Stadtsowjets.
Darum vorwärts, Bolschewik.
Gegen Fieber, Dreck und Blut.
Für Sowjet und Republik.
Tod der weißen Läusebrut.

Es ist kalt und gibt kein Brennholz,


Keine Seife und viel Dreck.
Kommt die Laus und bringt den Typhus,
Frisst den Sozialismus weg.
Darum vorwärts, Bolschewik.
Gegen Fieber, Dreck und Blut.
Für Sowjet und Republik.
Tod der weißen Läusebrut.

Unsre Reihn habn blutge Lücken.


Denikin steht vor dem Tor.
Und die weißen Mörder rücken
Über rote Gräber vor.
Darum vorwärts, Bolschewik.
Gegen Fieber, Dreck und Blut.
Für Sowjet und Republik.
Tod der weißen Läusebrut.

Und du bist erst Herr im Haus,


Kämpfer mit dem roten Stern,
Wenn zerquetscht ist jede Laus,
Die da dient den alten Herrn.
Darum vorwärts, Bolschewik.
Gegen Fieber, Dreck und Blut.
Für Sowjet und Republik.
Tod der weißen Läusebrut.
Peter Hacks
Lobositzer Marsch

Nun zeigt ins fremde Land


Die Spitze meiner Schuh.
Den Rücken unverwandt
Dreh ich der Heimat zu.
Wir ziehn in deinen Krieg,
Ich und mein Kamerad,
O König von Preußen,
Du großer Potentat.

Durch Nebel heiß und schal,


Durchs Brüllen der Kanon
Führt mich dein Wort zu Tal
Und dreißig Bataillon.
Da hält mit rostger Sens
Der Tod die große Mahd.
O König von Preußen,
Du großer Potentat.

Der Sachsen Land, so reich


An Weltvernunft und Kohln,
Und Schlesien auch sogleich
Soll ich dem König holn.
Was schert uns denn Preußen?
Macht uns denn fett der Sieg?
Wir scheißen,
Wir scheißen,
Wir scheißen auf den Krieg.

Auf knarrendem Gefährt


Fahr ich jetzt in die Nacht
Und muss von dieser Erd
Und bin aus Erd gemacht.
Und ich bin einer.
Und Es ist um tausend schad.
O König von Preußen,
Du großer Potentat.
Peter Hacks
Luna

Wie sie den Mond erforschen, das ist ja fabelhaft tüchtig,


Erst, aus Röhren, von vorn, später, aus Kugeln, von hint.
Jetzt also stapfen sie schon in seinem Schotter und stochern
Dunkle Geheimnisse auf. Sicher in kürzester Frist
Werden sie über sein Innres tausendfach Auskunft besitzen.
Ich meines Ortes, mir reicht völlig, dass heut er mir scheint
Und, so wie er verlässlich schien zu Endymions Zeiten,
Morgen, wenn ich dich treff, scheinen noch wird mit Verlass.
Nichts, wenn ich weiß, du kommst wieder, drüber zu wissen, verlangts mich.
Sei mir beständig zur Nacht, küss mich, behalte den Rest.

1
Peter Hacks
Lydia

Lydia liebt, da bleibt kein Faden trocken.


Lydias Leib ist wie ein Schlangennest.
Jeden Mann acht ich für unerschrocken,
Der sich gern von Lydia lieben lässt.
Schönen Fleischs verlangende Gebärden
Laden ein zu himmlischem Verderben.
Lydia, ach! von dir gesehen werden
Und dann sterben!
Gipfel der Leidenschaft, Abgrund der Lust,
Selige Tode an Lydias Brust.
Peter Hacks
Malbrough

Malbrough der zog zu Felde,


Mironton ton ton, mirontaine,
Malbrough der zog zu Felde
Mit Eisenhut und -schuh.
- Adieu, Lady Malbrough.
Ich bin zurück im Nu.

Zu Ostern nehm ich Brüssel,


Mironton ton ton, mirontaine,
Zu Ostern nehm ich Brüssel,
Zu Pfingsten nehm ich Brest.
Das schwör ich Ihnen fest,
Falls es sich machen lässt.

Dann fing der Held zu streiten,


Mironton ton ton, mirontaine,
Dann fing der Held zu streiten
Und sie zu warten an.
Ein halbes Jahr verrann.
Wer nicht kam, war ihr Mann.

Ach, es sprengt ein müder Reiter,


Mironton ton ton, mirontaine,
Ach, es sprengt ein müder Reiter
Ins Schloss ums Abendrot.
- Mein Gatte, ist er tot?
- Nein, Madam, keine Not.

Eine Bombe der Franzosen,


Mironton ton ton, mirontaine,
Eine Bombe der Franzosen,
Wie ich selbst gesehen hab,
Verfehlt den Herzog knapp.
Und nur der Schwanz ist ab.

- Geblieben, ach! im Kriege,


Mironton ton ton, mirontaine,
- Geblieben, ach! im Kriege
Mein Tröster in der Nacht.
Was hat man nach der Schlacht
Mit Churchills Schwanz gemacht?

- Sein Schwanz, ich sah begraben,


Mironton ton ton, mirontaine,
- Sein Schwanz, ich sah begraben,
Was an ihm sterblich war.
Die ganze Heeresschar
Bot den Salut ihm dar.
Er lag auf Englands Fahne,
Mironton ton ton, mirontaine,
Er lag auf Englands Fahne,
Ums Haupt den Lorbeerkranz.
Vier bleiche Leutenants,
Sie trugen Churchills Schwanz.

Und dumpf die Trommeln schlugen,


Mironton ton ton, mirontaine,
Und dumpf die Trommeln schlugen
Den Trauermarsch dazu.
So ging zur letzten Ruh
Das Glied vom Stamm Malbrough.
Peter Hacks
Männer, wenn sie lieben

Ich ging über Land,


Meinen Schatz an der Hand.
Das Körbchen am Arme,
Den Strohhut am Band.
Den Fußweg ich fand
Zu der Klippe am Strand.
Wir blickten aufs Meer, wie
Im Dunst es entschwand.
Und als er am Rand
Hinter mir stand,
Da sah ich ihn plötzlich
Bewegen die Hand.
- Ich hielt nur galant,
In Sorge entbrannt ...
- Du stießest!
- Er stieß!
- Hielt dich fest am Gewand.
- Ich fühlte dich ja schieben.
- Ich hatte solchen Schreck gekriegt.
- Männer, wenn sie lieben,
Sind so entzückend ungeschickt.

Ich starrte gebannt


Auf den gischtigen Sand
Fern unten am Fuße
Der felsigen Wand.
Ich strauchelte ...
Ich schwebte ...
Es fehlte wenig ...
So stürzte ich von großer Höh
Aus Großbritannien in die Silbersee.
- O Gott, wie riskant!
- Und was ich erst empfand!
- Noch bin, mich zu retten,
Ich selber imstand.

Ich ging über Land,


Meinen Schatz an der Hand.
Er hat die Seele,
Ich den Verstand.
Und tot wär ich verblieben,
Hätt ich mich nicht noch umgeblickt.
Männer, wenn sie lieben,
Sind so entzückend ungeschickt.
Peter Hacks
Märkische Wiesen

Sie sind die Art von Wiesen nicht, die locken


Wie Himmels-Aun, die Wiesen in der Mark.
Das Gras ist schütter und die Krume trocken,
Nicht jedes wächst hier, und was wächst, wächst karg.
Blassgelbe Blumen stehn an seltnen Stellen.
Der wiederkehrt, kennt sie als Immortellen.

Sie war ein Kind des Havellands, Adele,


Mit Weiheraugen und mit Heidehaar.
Ich schwör, sie hatte Sand in ihrer Seele,
Bis sie ein wenig ausgeschüttelt war.
Ich nahm sie auf mich, fast wie eine Bürde.
Ich wusste nicht, dass ich sie lieben würde.

Sie sind die Art von Wiesen nicht, die locken


Wie Himmels-Aun, die Wiesen in der Mark.
Doch mischt sich Abend in die Wollgrasflocken
Mit seiner Feuchte, strömt ihr Duft sehr stark.
Das von der Mark und von den Märkerinnen.
Man muss die Reize ihnen abgewinnen.
Peter Hacks
Marx

Auf der Heide von Hampstead schwirrn die Fliegen.


Sonntagvormittag. Ein kurzbeiniger Herr mit
Bauschigem Bart, am schwarzen Faden das Stielglas
Überm gestärkten Dickey, im Gras, geschäftig
Sich ein Ei aus dem Picknickkorb aufklopfend.
Neben ihm die üppige Frau, die Töchter
Und ein ältlicher Hausgeist namens Lene.
Wer vermochte zu ahnen, dass in solcher
Läppischen Vermummung er vor sich hatte
Das Genie der Genies: die ungemeinste
Aktuellwerdung der Möglichkeit homo:
Das vollkommenste Exemplar der Gattung,
Der gewesnen und seienden, erzeugt in
Breiter Bemühung ihrer Kräfte aller,
In Jahrhunderten wenig noch verstanden,
Für Jahrtausende nicht mehr wiederholbar?
Höchste Würde, zeitlos zu sein. Bedeckt vom
Messingschlamm seines löwenfüßigen Säkels,
Furcht er nur die Stirn, und abfällt die Kruste.
Peter Hacks
Mein Dörfchen

Mein Dörfchen, das heißt DDR,


Hier kennt jeder jeden.
Wenn Sie in Rostock flüstern,
Herr, Hört Leipzig, was Sie reden.
Das Mädchen, das zu lieben lohnt,
Kennt auch Ihr Freund genauer.
Es gibt nichts Neues unterm Mond,
Nicht dieserseits der Mauer.

1974

aus: Werke Band 1 - Die Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003

Kein deutschsprachiger Autor der Gegenwart hat so sehr mit der Pose eines absoluten Non-
konformismus kokettiert wie Peter Hacks (1928-2003), der sicherlich eleganteste Komödien-
dichter der DDR. Von Beginn seiner Theaterkarriere an übte er sich zielsicher in der Brüskie-
rung des literarischen Konsensus.

Als in der DDR schon die erste Massenflucht einsetzte, entschloss sich der damals in München
lebende Hacks 1955 zur Übersiedlung in seinen sozialistischen Wunschstaat. Später verschrieb
er sich demonstrativ der Klassik, um die allseits verkündeten Imperative der literarischen Mo-
derne zu kontern. Das Ende der DDR kommentierte er mit frechen Sinnsprüchen: »Wer war
der, der vom meisten Blute troff?/Wars Churchill, Hitler oder Gorbatschow?« Was Hacks in
boshaften Knittelversen nach 1989 vortrug, war ein linksaristokratischer Fundamentalismus in
Reinform. Sein Spott auf die trügerische ländliche Idylle des SED-Staats, das »Dörfchen
DDR«, erschien bereits 1974.
Peter Hacks
Meine Katze Isabo

Meine Katze Isabo,


Gelb mit weißem Latze,
Raucht seit neustem wieder so,
Die verflixte Katze.
Ja, sie qualmt wie ein Mynheer
Tabak oder Seegras,
Nimmt an nichts Interesse mehr,
Wenigstens kein regres.

Traf ich eine Maus im Stroh,


Sucht den Mäusejäger,
Fand die Katze Isabo
Auf dem Bettvorleger.

Und ich sah das schlechte Vieh


Meine Pfeife rauchen.
Ach, zur Mäusejagd ist sie
Längst nicht mehr zu brauchen.
Peter Hacks
Melancholie

Glaub ich an dich, dann glaub ich, was ich soll:


Den guten Gang der öffentlichen Dinge,
Und uns irdscher Schar - vertrauensvoll
Glaub ich daran - noch Götterlust gelinge.

Solang ich nah dich und mir seiend weiß,


Von keinem Edlen zweifl ich, dass es werde.
Jetzt bist du fern. Der Sonne nicht des Mais
Glaub ich die Wärme mehr und Prunkgebärde.

Glück? Narrheit. Lenz? Und Lenz nicht für uns beide?


Am Schattenrande sitze ich des Flusses,
Umstellt von Dämmerungen, und erleide
Des Sehnens Krankheit und des Weltverdrusses.
Der Menschen müd, vom Firmament belästigt.
Melancholie hat sich in mir befestigt.
Peter Hacks
Menelaos’ Abschied

Der heut in See sticht, der König,


Ist nicht eben schlau.
Zwar wenn er abfährt, dann stöhn ich,
Aber nur zur Schau.
Wie schnell wird die Zeit eintönig
Einer Ehefrau.
Der heut in See sticht, der König,
Ist nicht eben schlau.

Fahr ab zur Insel Kreta.


Trau dem Barometer
Und die Gründe später.
Fürchte, Held, dich nicht.
Kühn aufs Meer hinaus.
Was das Herz dir bricht,
Wartet erst zu Haus.
Peter Hacks
Missmut

Missmut färbt meine Tage. Die Nebel gehen. Der März ist
Nämlich des Winters ein Mond. Ferne noch weilet und mehr
Südlich der Lenz. Und entlässt die kräfteverschlingende Arbeit
Mich in die Furten der Stadt, gleich aus den Eckkneipen rings
Schauen die Bummler und sprechen mitsammen und sagen, ich wäre
Gar nichts wert. Und vergrätzt ob der Besorgnis, ob je
Mir zu verlernen geling, mich über ihr gutes Gewissen
Zu verwundern, den Weg schleich ich, den schadhaften, heim.
Gramvoll also dehnt sich die Frist mir vom Morgen zum Abend.
Aber nächtens im Glück wetteifert keiner mit mir.
Peter Hacks
Moritat vom Vatermörder Christopher Mahon

Vor dir der schwarze Galgen von Killmainham,


Die Springflut unter dir und oben Sturm
Und hinten England oder ein Subjekt von jenem:
So zeigt sich die Natur dem Menschenwurm.
Drum soll sich keiner wider sie erheben
Und wider Zuchthaus, England, Sturm und Flut,
Und seis ein Mensch von höchst gerechtem Streben,
Und seis ein Mensch von kühnem Mut.

Ein Sohn von fast noch ungetanen Taten,


Mit seinem greisen Vater einst allein,
Ergriff, Christy Mahon, so hieß er, einen Spaten
Und schlug ihn ins verwandte Haupt hinein.
Des Vaters Leichnam und das weite Leben
Lagen vor ihm. Er griff nach seinem Hut.
Und war ein Mensch von höchst gerechtem Streben.
Und war ein Mensch von kühnem Mut.

Wehe den Mördern, die kein Bargeld haben.


Sie müssen doch der Strafe auch entgehn.
Christy Mahon schlief elf Tage im Straßengraben
Und irrte elf Nächte auf den Chausseen.
Und sah an den Kartoffeläckern kleben
Im Mondenschein den Tau wie Vaterblut.
Und war ein Mensch von höchst gerechtem Streben.
Und war ein Mensch von kühnem Mut.

Kurz war die Laufbahn nur von diesem Helden.‘


Beim ersten Vatermord schon sank sein Arm.
Und nur sein Bild auf Francis X. O’Rourkes Gemälden
Hält in dem Publikum den Vorfall warm.
Das blutige Mordgerät steht still daneben,
Denn ohne Herrn ist es für nichts mehr gut.
So starb ein Mensch von höchst gerechtem Streben.
So starb ein Mensch von kühnem Mut.
Peter Hacks
Morpheus

Seltsam, Morpheus, nicht Amor, patronisiert unsre Liebe.


Öfter jenen als den hast du erblicket. Er zeigt
Schwarzgeäugt sich, ein Jüngling, mit blaugeschatteten Lidern.
Blass herüber zu uns schimmert sein schönes Gesicht,
Wenn er am Stuckspiegel lehnt, die Fackel eben noch haltend,
Und den begehrenden Kopf nieder ins Kissen uns drückt.
Aber Gott ist Gott und einer so gut als der andre
Und die Lust, so zu ruhn, tief wie die Ruhe der Lust.
Siehe, die Decke entschwinden lässt das Lächeln der Gottheit.
Über uns Schlummernde nun wölbt sich die Kapsel der Nacht.
Bis zur fernen Mitte hinan in steigenden Streifen
Rings mit Körnern besetzt ist sie des bläulichen Mohns.
Peter Hacks
Mozart auf der Reise nach Paris

Lieber Mozart, ich bin froh,


Etwas für Sie tun zu können,
Die Duchesse will von Chabot
Ihnen einen Abend gönnen.
Sie ist klug und hat ein Ohr,
Spieln Sie ihr was Schönes vor.
Die Chabot, sagte Grimm,
Sie ist wirklich nicht so schlimm
Wie die andern reichen Krähen,
Die so gar nichts von Musik verstehen.

Ach, ich ginge gar nicht hin,


Wäre nicht der Scheiß der Schulden.
Wer ist diese Herzogin?
Der Fiaker nimmt vier Gulden.
Und man spielt sich dumm und tot
Für ein kaltes Abendbrot.
Aber gut, lieber Grimm,
Wenn dir einer gibt, dann nimm.
Gut, gut, gut, wir werden sehen,
Was Frau Durchlaucht von Musik verstehen.

Von perlmuttnen Brüsten her


Sprühte Diamantenfeuer.
Leider, der Kamin war leer,
Auch der Flügel war kein neuer.
Schrecklich knarrte das Pedal
In dem ungeheizten Saal.
- Sähen Sie, lieber Grimm,
Diese nackten Weiber im
Kreise um den Whisttisch thronen,
Spieln mal Sie die Fischer-Variationen!

Hams kein besseres Klavier?


No, dann spiel i eben hier.
Harns net zwoa, drei Buchenscheiter?
No, dann spiel i eben weiter.
Meine Finger san so klamm,
Krieg kaum a Oktavn zsamm.
Glaubn das Sie, lieber Grimm,
Dass i hier den Ruhm erklimm?
Und der Dank für die Tortur?
Eine goldne Taschenuhr.

Dieser Motzert oder so,


Der, den Sie mir neulich schickten,
Der gehört, sprach die Chabot,
Wieder zu den ganz Verrückten.
Er ist fabelhaft begabt,
Aber hat den Bock gehabt.
Kunst ist Kunst, lieber Grimm,
Doch die Künstler, die sind schlimm,
Die den Preis von einer Uhr nicht sehen
Und so gar nichts von dem Publikum verstehen.

Die Rede ist vom Abend des 1 .Mai 1778.


Peter Hacks
Nachricht vom Leben der Spazoren

Bei Asien gleich querfeldein,


Da leben die Spazoren.
Sie haben Rüssel wie ein Schwein
Und tellergroße Ohren.

Von Tokio bis nach Athen


Gibts keine mehr wie diese.
Man sieht sie bloß spazierengehn
Auf einer gelben Wiese.

Sie haben Rosen angebaut


Wohl auf dem gelben Rasen.
Sie schnobern am Lavendelkraut
Und pflückens mit den Nasen.

Nie gibt es eine Hungersnot,


Und kein Spazor kann kochen;
Sie brauchen gar kein Abendbrot,
Wenn sie sich satt gerochen.

Kommt dort einmal ein Regen vor,


Vielleicht auf einer Kirmes,
Dann heben sie das linke Ohr
Statt eines Regenschirmes.

Und kommt ein harter Winter mal,


Und friert das Eis und prickelt,
Dann gehn sie, statt in einen Schal,
Ins rechte Ohr gewickelt.

So brauchen sie zu darben nicht


Und brauchen nicht zu frieren
Und gehen ledig jeder Pflicht
Spazoren, nein spazieren.

Einst kam ein Doktor hochgelahrt


Zum Lande der Spazoren.
Sie wünschten ihm vergnügte Fahrt
Und winkten mit den Ohren.
Peter Hacks
Nachtfrost

Kaum August. Doch die Liebste, sie hofft des frühesten Nachtfrosts.
Hinten im täglichen Blatt sucht sie die Meldung davon,
Blickt auf das Wasser im Napfe, ob es denn gar nicht zu Eis fror,
Geht an den Dahlien vorbei, unfroh, sie leuchtend zu sehn.
Und sie schmält mit der Sonne und lobt den Nordsturm und rechnet
Jedem Baum zum Verdienst jedes entschwebende Laub.
Sag uns, Schöne, warum ersehnst du den klirrenden Umschlag,
Der dem Seienden Tod nur, oder Mühe, beschert?
- Ach, ihr wisst nicht, der böse Liebste, in Wäldern, so sagt er,
Hat er und Sümpfen zu tun. Aber wenn Kälte die Nacht
Unwirtlich tönt, in meine wärmenden Arme doch kehrt er
Aus den Wäldern mir heim, mir aus den Sümpfen zurück.
Peter Hacks
Nebel

Hinten ist alles weiß. Sonst steht das Hinten


Neben das Vorn gereiht. Erfahrung misst
Den Grad der Ferne nach dem Grad der Tinten,
Derart, dass, was nicht weiß ist, vorne ist.

Das grelle Gelb der Birken muss erbleichen,


Der Kiefern Stahlgrün mildert sich zu Grau.
Im Undurchströmten schweben flache Zeichen.
Man sieht mehr gern und weniger genau.

Da ich hinblickend saß - den Raum durchschrägend,


Gewahr ein Ufer ich, ein rauchend leises,
Das schön gebogt den Rand des Augenkreises
Vom Himmel trennt. Der Körper liegt der Gegend
Wie meiner Liebsten weißer Körper da,
Den ich auch immer nur durch Nebel sah.
Peter Hacks
Neue Liebe

Neue Liebe, mach es gnädig,


Nicht zu strenge nimm den Lauf.
Allen Kummers war ich ledig,
Lad ihn mir nicht wieder auf.

Zwar, des Gottes dunkle Gnaden


Haben, weiß ich, ihren Preis.
Herzenslust ist Herzensschaden.
Lieb ist Liebe. Und ich weiß:
Wie ein Ungewitter gnädig
Nimmt das Ding jetzt seinen Lauf,
Und des Lebens wär ich ledig,
Lüd es mir nicht Tode auf.
Peter Hacks
Nicht Weisheit mangelt mir und nicht Geduld

Nicht Weisheit mangelt mir und nicht Geduld.


Die teilnahmsvolle Brust ist meine Schuld.
Mit Trauer bloß seh ich die Hölle rührig,
Des Angriffs Niedertracht lähmt mein Gelenk.
Nicht, wie ich sollte, Zorn, Scham nur verspür ich,
Wenn ich ins Herz mich solcher Feinde denk.
Wo aber Weisheit scheitert und Geduld,
Dort wird die teilnahmsvolle Brust zur Schuld.
Peter Hacks
Nikolaus erzählt

Als ich auf den Kalender sah,


Rief ich: Ei, der verhexte!
Die Stiefel her! Die Zeit ist da!
Heut ist ja schon der sechste!
Mein Schlitten brachte mich zum Pol
Und mein Mercedes Benz
Entlang die lange Küste wohl
Westskandinaviens.
Und als ich hinterher zu Schiff
Nach Deutschland reisen wollte,
Ein Mensch nach meinem Sacke griff:
Habn Sie was zu verzollen?
Da riss mir die Geduld geschwind,
Ich zog die Stirne kraus:
Mich kennt, du Schafskopf, jedes Kind.
Ich bin der Nikolaus.

nach 1970

(Die Gedichte. Edition Nautilus, Hamburg 2000. © Eulenspiegel Verlag)

„Ich glaube, ein verantwortlicher Bürger des 20. Jahrhunderts sollte Kommunist sein und als sol-
cher handeln“: Mit solchen Postulaten hat sich der Dichter und Dramatiker Peter Hacks (1928-
2003) in Ost und West unbeliebt gemacht. In der DDR rügte man in heftigen Kampagnen seine unor-
thodoxen Theaterstücke, in der Bundesrepublik verzieh man ihm nie, dass er sich 1978 über den
DDR-Emigranten Wolf Biermann mokiert hatte. In puncto Formbewusstsein vermochte er bis zuletzt
zu brillieren - auch in seinen Kindergedichten:

Dass der heilige Nikolaus von Myra in der Moderne des 20. Jahrhunderts mit Bürokratie und Zollbe-
hörden zu kämpfen hat - das hat sich der Volksheilige, der als segensreicher Wohltäter traditionell
am 6. Dezember zum Schenken ausschwärmt, wohl nicht träumen lassen. Bei Peter Hacks hat er in
diesem in den 1970er Jahren entstandenen Gedicht aber schon technisch aufgerüstet - dank der deut-
schen Autoindustrie.
Peter Hacks
O Mr. Perkins

O Mr. Perkins, wenn ich Sie schaue,


Hört vielleicht der Zufall auf zu gelten,
Ist vielleicht das Dunkel halb besiegt.
Meine Hoffnung sind Sie wie der blaue
Sommerhimmel vor dem All der Welten,
Das bekanntlich arg im Finstern liegt.

Kein augenblickliches,
Wenig erquickliches,
Keinesfalls schickliches
Herzensempfinden,
Sondern ein züchtiges,
Dauerhaft tüchtiges,
Mehr als nur flüchtiges
Hausstandbegründen.
Kein unanständiges,
Allzu lebendiges,
Nicht als inwendiges
Sehnen und Wählen,
Sondern ein haltendes,
Nimmer erkaltendes,
Stets sich entfaltendes
Treues Vermählen.

O Mr. Perkins, wenn ich auf Sie baue,


Ist vielleicht das Glück nicht mehr so selten,
Und das Angenehme überwiegt.
Meine Freude sind Sie wie der blaue
Sommerhimmel vor dem All der Welten,
Das bekanntlich arg im Finstern liegt.
Peter Hacks
O tiefe Neigung, ungenaue Kenntnis

O tiefe Neigung, ungenaue Kenntnis.


O was ist Zugang, was ist Missverständnis?
O leicht erschüttert, Liebe, schmale Brücke
Von Herz zu Herz, von Glück zu fremdem Glücke.
Peter Hacks
O tote Welt. Sehr schweigend siehst du zu

O tote Welt. Sehr schweigend siehst du zu,


Wie Frevel lodert, Heiliges verlischt.
In Recht und Unrecht lässt die Menschheit du
Gespalten sein und bleibst uneingemischt.
Muss ich als einzger denn das Böse hassen?
Im Kriege stets und stets alleingelassen?
So mächtig du, so allgewaltig groß,
O tote Welt. Und Helden waffenlos.
Peter Hacks
O trübe, trübe

Wenn Muschelstein wird Elfenbein,


Dann kehrt mein Lieb zurück zu mir.
Wenn Myrten grün im Winter blühn,
Dann kehrt mein Lieb zurück zu mir.
O trübe, trübe.
Doch süß ist Liebe
Im Anbeginn, solang sie neu.
Doch sie wird alt und bitter kalt
Und welket hin wie Binsenheu.
Peter Hacks
O Vorsicht der Frauen

Sie lacht, wenn ich komme,


Sie weint, wenn ich scheid,
Erwägt, was mir fromme,
Und hat es bereit.
Doch dass sie mich liebt,
Das sagt sie nicht,
Und wenn sie mir
Das Herz zerbricht.

Wenn ich Unsinn erzähle,


Hat sie Engelsgeduld,
Und wenn ich sie quäle,
Gibt sie sich die Schuld.
Doch dass sie mich liebt,
Das sagt sie nicht,
Und wenn sie mir
Das Herz zerbricht.

Über Berge, über Flüsse


Sie reist zu mir her,
Dass nicht ihre Küsse
Zu lang ich entbehr.
Doch dass sie mich liebt,
Das sagt sie nicht,
Und wenn sie mir
Das Herz zerbricht.

O Vorsicht der Frauen,


Du Grund aller Pein.
Doch, weiß ich, Vertrauen
Wird stärker einst sein.
Und dass sie mich liebt,
Verbirgt sie nicht,
Und wenn sie mir
Das Herz zerbricht.
Peter Hacks
Ob Sonnen sterben, Monde sich verspäten

Ob Sonnen sterben, Monde sich verspäten,


In meiner Liebe kann dir nichts geschehn.
All die Bewohner anderer Kometen,
Lass sie doch kämpfen, auf- und untergehn.
Beim Tun der Menschen bist du nicht erbeten,
Mit dir allein, bist du zu sehr allein.
Ob Sonnen sterben, Monde sich verspäten,
In meiner Liebe darfst du glücklich sein.
Peter Hacks
Ode auf Berlin

O wie gern bin ich alleine


Mitten in der großen Stadt,
Wo man seinen Lärm und seine
Wunderschöne Ruhe hat.

Und ich denke meine Sachen,


Muss mich keinem anvertraun.
Was ich kann, das darf ich machen.
Niemand lugt mir übern Zaun.

Mich berührt der Völker Jammer.


Bruders Jammer lässt mich kühl.
Mitmensch bin ich in der Kammer,
Eremite im Gewühl.

Dass am Glück es nicht gebreche,


Hat Berlin mir dich gesandt,
Dich, du meiner letzten Schwäche
Heißgeliebter Gegenstand.

Und in deine weißen Mulden


Schmieg ich heiter mein Gesicht.
Leute, die der Welt nichts schulden,
Deren Seele nimmt sie nicht.

O wie gern bin ich alleine,


O wie gerne auch bei dir.
Andre Nachbarn brauch ich keine.
Neuzeit, so gefällst du mir.
Peter Hacks
Ohne Groll

Heute Nacht aus langem Rausche


Bin ich endlich aufgetaucht.
Mein Entschluss ist aufgebraucht
Und mein Leiden. Und ich lausche,
Während ich Genesung spüre,
Dem Geplätscher deiner Schwüre.

Und ich hoffe, dass sie lügen.


Falls du liebtest, wärst du schlecht.
Nur der nicht liebt, darf mit Recht
Falschheit so an Falschheit fügen.
Schöner Vogel schwanzlos,
Jetzt bist du mich ganz los.

Völlig locker bei der Sache,


Treib ich zwischen deinen Knien
Letzte Quelquechoserien,
Und ich wünsch dir, frei von Rache,
Einen neuen Lieb- und aber
Niemals einen Unliebhaber.
Peter Hacks
Ohnmacht der Sprache

Wie sollte ich, dich zu benennen, wagen?


Wie mich mit Ausdrucks armem Vorrat quälen?
Ich kann dir nur mit schönen Worten sagen,
Dass mir für dich die rechten Worte fehlen.

Mein bisschen Witz ist ganz und gar entschuldigt.


Am Beispiellosen scheitert das Erprobte.
Verzeih dem Dichter, der mit Schweigen huldigt.
Er wäre minder glaubhaft, wenn er lobte.

Des Weltalls erste Stimmen enden kläglich


Vor deiner Lieblichkeit. Der Donner spricht
Zu zaghaft, und der blütenreichste nicht
Der Winde säuselt dich. Du bist nicht säglich.
Der Sonnen Lärm, das Stammeln der Galaxen
Sind deiner Schönheit Anspruch nicht gewachsen.
Peter Hacks
Oktober-Song

Da habn die Proleten Schluss gesagt


Und die Bauern: es ist soweit.
Und habn den Kerenski davongejagt
Und die Vergangenheit.
Und das war im Oktober,
Als das so war,
In Petrograd in Russland
Im siebzehner Jahr.

Da hat der Soldat das Gewehr umgewandt,


Da wurd er wieder Prolet.
Worauf sehr schnell vom Krieg abstand
Die Generalität.
Und das war im Oktober,
Als das so war,
In Petrograd in Russland
Im siebzehner Jahr.

Da hatte der Muschik den Bauch nicht voll,


Und da las er dann ein Dekret,
Dass der das Korn jetzt fressen soll,
Der auch das Korn abmäht.
Und das war im Oktober,
Als das so war,
In Petrograd in Russland
Im siebzehner Jahr.

Die Herrn habn durchs Monokel geguckt


Und haben die Welt regiert.
Und eh ein Matrose in die Newa spuckt,
Warn sie expropriiert.
Und das war im Oktober,
Als das so war,
In Petrograd in Russland
Im siebzehner Jahr.

Und der dies Lied euch singen tat,


Lebt in einer neuen Welt.
Der Kumpel, der Muschik, der rote Soldat
Habn die euch hingestellt.
Und das war im Oktober,
Als das so war,
In Petrograd in Russland
Im siebzehner Jahr.
Peter Hacks
Orientalischer Tanz

Großer Scheich,
Du bist zu reich
An Frauen weich und engelgleich.
Nichts fehlt an Rarem
Und Wunderbarem
In deinem Harem.
Teilnahmslos
Langst du bloß
Nach den Popos in deinem Schoß.
Dir sind die Schönen
Zum Abgewöhnen.
Bis die Tambourins ertönen.

Wenn tausend Arme dich umfangen,


Dann ist dir alles schon vergangen.
Doch öffnet Fatima ihr Mieder,
Dann kommt dir alles, alles wieder.
Ah ja, der Nabel deiner Fatima,
Das ist die Sonne deiner Freuden.
Ah ja, ah ja!
Peter Hacks
Paris

Meinen Apfel begehren, wie den des Trojaners, drei Damen.


Und da stört mich nun sehr, dass sie nicht Göttinnen sind.
Venus ist blond und schön und kundig in Dingen der Liebe,
Aber starr und verbohrt, ferner: sie trinkt mir zu viel.
Juno ist sanft und füllig, zierlichen Wuchses auch, leider
Auf die Würde des Weibs hält, wie sie sollte, sie kaum.
Endlich Minerva. Wahr ist, kriegerisch geht sie und stattlich,
Nur sie ist blöde im Geist. Pallas, ein Schaf! Wie vergnügt
Noch in ihren Sorgen die Alten. Paris, er hätt sie
Gern alle dreie gehabt. Ich hätt gern alle drei nicht.
Peter Hacks
Park im Frühling

Nicht bläst der Wind den ungemeinen Ärger


Aus meinem Schädel fort. Die Barometer
Und das Niveau des Denkens fallen seit Jahrzehnten.
Die Pappelblätter sind, schon wenn sie jung sind, gelb.
Erdfarbne Vögel rennen auf den Steinen.
Ein Rehpinscher vertritt das Edle noch.

Wann werd ich es so satt sein,


Dass ich es satt bin aufzuschreiben, wie
Satt ich es bin?
Peter Hacks
Philomele

Zu des Himmels Feuersaume,


Zu des Dunstes blauem Runde,
Zu der Sterne Kuppelraume
Send ich meiner Liebe Kunde.
Wag es, Herz, durchbrich die Hülle,
Die dich noch befangen hält.
Eines Busens Überfülle
Füllet eine ganze Welt.

Von des Hains erwärmter Kühle


Zum Gewölk, dem schluchtenreichen,
Alles fühlet, wie ich fühle,
Alles will dem Glücke gleichen.
Wag es, Herz, dann tönt die Stille,
Singt der Felsen auf dem Feld.
Eines Busens Überfülle
Füllet eine ganze Welt.
Peter Hacks
Plagejahre

Lenins brausender Oktober


Half der Menschheit auf den Sprung,
Freilich wieder nur in grober
Paradieses Näherung.
Plagejahre, Übergang -
Manches dauert gar zu lang.

Roboter mit sanftem Nicken


Machen alle Handarbeit.
Pille lehrt die Frauen ficken.
Wo nur bleibt die goldne Zeit?
Plagejahre, Übergang -
Manches dauert gar zu lang.

Dämel druckt, ich bin verboten.


Was zum Kuckuck zügelt ihr,
Kampfgenossen, meinen Roten,
Pegasus, mein Flügeltier?
Einem Menschen mit Humor
Kommt das Leben komisch vor.

Eine Sonne ohne Farben


Schleppt sich hinter Wolken hin.
Du auch, Liebste, lässt mich darben,
Bist woanders, als ich bin.
Plagejahre, Übergang -
Manches dauert gar zu lang.
Peter Hacks
Plappern

Wenn sie kommt, läuft die Zunge und muss mir alles erzählen,
Und der leiseste Stoß bringt sie zum Plappern. Denn auf
Noch in leere Bewegung löst sich die Spannung des Tages,
Bis sie stiller mir wird und ich den Honig der Lust
Mählich senken kann in die zierlichen Glieder. Nun liegt sie
Schweigend, mit Süße beschwert. Wenn ich dann gehe, allein
Läuft noch ihr rundlicher Hintern und muss mir alles erzählen.
Und zum Plappern bewegt leisester Anstoß ihn noch.
Peter Hacks
Pole Mole

Pole Mole ist gestorben.


Pole Mole ist nicht mehr.
Mit der Schaufel untern Stein
Grabet Pole Mole ein.
Pole Mole, der war reich.
Sein Sarg ist eine hohle Eich.
Sein Grabstein ist ein Zaunpflock,
Ein Waschtopf die Totenglock,
Sein Hemd ein Wischtuch,
Ein Heft das Predigtbuch.
Sechs Maulwürfe, und keiner weint,
Sind seine schwarze Trauergemeind.
Pole Mole, der war brav,
Wenn nicht im Wachen, dann im Schlaf.
Pole Mole, der war schön,
Es musst nur die Sonne untergehn.
Sah Pole Mole zum Fenster runter,
Ging vor Schreck die Sonne unter.
Pole Mole, der war groß,
Eine Hand und ein Finger hoch.
Er zog einmal mit sechs Maulwürfen,
Um nach Engerling zu schürfen
Auf einer grünen Wiese.
Da riefen sie: ein Riese!
Und bissen ihm den Kopf ab,
Wie ich jüngst gehört hab,
Und kauften ihm einen schönen Kranz
Aus Seidelbast und Fuchsenschwanz.
Aber soviel und genug.
Pole Mole ist kaputt.
Peter Hacks
Priapos

Du, der von dem, was am Mann geschätzt wird, mehr


Als alle hast und eher dennoch verlacht
Lebst als umworben, trauriger Gärtner, was
Ist, das dir abgeht? Am Rand des Schnitterfests
In Schlaf gesunken liegt die Göttin, und du,
Mit einem Angebot, turmhoch über dem
Sogar des Traums noch, nimmst sie zwischen die Knie.
Da schreit ein Esel, sie fährt empor, erblickt
Dein Gartenmesser, und nicht williger spreizt
Sie nun die fetten Schenkel, im Gegenteil
Schreit schlimmer als der Esel, und ihr und sein,
Der Göttin und des Esels Doppelgeschrei
Treibt dich vom Platze. Leider zum Erbteil nicht
Empfingst der Mutter fesselnden Gürtel du
Und nicht des Vaters überredenden Trank.
Im Blickfeld, Starker, steht deine Stärke dir.
Merke: Frauen sind wie die Welt. Ihre Lust
Auf Lust ist klein. Ihr nötigstes Glück, man muss
Es ihnen erst in die Seele schwatzen. Sonst
Nur immer sagen sie: Lass, es tut mir weh.
Peter Hacks
Produktionsverhältnis

Das Ross geht auf dem Acker, stumm.


Der Bauer hinter seiner Kruppe.
Er flucht und schilt und tobt. Warum?
Er will das Feld gepflügt. Dem Rosse ist es schnuppe.
Peter Hacks
Prokne

Ehret, rat ich, die Frau, doch entzieht ihr die Fernsprecherlaubnis.
Wie von jeder, von der macht sie, des Redens, Gebrauch.
Und die Geduld misskennend des allzu willfährigen Trichters,
Schwatzt sie, durch niemandes Weh, niemandes Blässe belehrt.
Noch ein Rat: An die Münzzellen legt die vorhandne Schablone,
Malt ein „Für Herren“ mir drauf. Aber solange dem Amt
Einsicht mangelt auch hierin, rettet die Weisheit der Alten.
Und der Liebsten ins Ohr raun ich: Cupido, er traf
Einst ein Mädchen, Prokne, das nur auf dem Telephondraht
Lieben konnte. Im Zorn schuf sie zur Schwalbe der Gott.
Peter Hacks
Prolog der Münchner Kammerspiele zur Spielzeiteröffnung 1973/74

Mit tiefem Misstraun treffen wir uns denn,


Wir, die Erfreuer, und Sie, die Erfreuten.
Die Bretter, die die Welt bedeuteten,
Nun heißt es, dass sie gar nichts mehr bedeuten.
Wir fangen an. Und just im Publikum
Spricht sich der Untergang der Kunst herum.

Ach, Jugend, wenn du kannst, verzeih dem Alter:


Es geht bei dir so ungern in die Lehre.
Ein Untergang? Wir sahen deren mehre.
Wir schwärmen kaum für öde Kassenschalter.
Wolln auch nicht vorlaut sein, wenn wir erwähnen:
Schon Goethe musste bei den Schlegels gähnen.

Kurzum, wir halten zu den alten Moden,


Das Wahre und das Schöne vorzuführen.
In unserem, mag sein, verstaubten Boden
Hängt eine Weltgeschichte an den Schnüren.
Die tut uns not: zum Leben wie zum Dichten.
Nur wer Geschichte hat, hat noch Geschichten.

Und wenn demnach den großen Mehrwerträubern


Mit bösem Stift wir die Bilanzen schreiben,
Sind wir doch willens, gleich der braven Neubern,
Auch die Hanswurste aus dem Haus zu treiben,
Als welche mit absonderlichen Sprüngen
Dem Shakespeare helfen und den Marx verjüngen.

Sind wir denn ganz vortrefflich? Weit entfernt.


Wenn was an uns Verdienst ist, ists die Müh.
Ein Trupp, der spät, doch, sorg ich, noch zu früh,
Das ihm Gemäße überdenken lernt.
Am Ende zwar bekäme es den meisten,
Wenn sie mehr nachdächten und weniger reisten.

Wir wünschen, falls dies irgend ginge, auch


Die deutsche Sprache wieder anzuwenden,
Die so vollendet war, die zu vollenden
Ein höchstes Ziel schien, bis sie außer Brauch
Geriet und tausend Tode sterben musste,
Weil sie in „Bild“ stehn oder werben musste.

Bestimmt und ahnungsvoll, grob und geschmeidig


Wie sie zu ernstem Sinn und hübscher Art
Mit aufgeklärtem Fleiß erzogen ward -
Wenn sie verkümmerte, das wär doch leidig.
Zumal sie uns mit edlem Undank dankt,
Indem sie uns das Schwerste abverlangt.
Die Baukunst, ach, liegt minder nicht im Kargen.
Wo Häuser standen, stehen Mietbehälter.
Sie bergen nicht mehr, wie die Häuser bargen,
Und werden schnell und ohne Würde älter.
Wir hoffen, an so kahlbebauten Plätzen
Durch Sprache das Behaustsein zu ersetzen.

Von dem, was ist, was nicht ist und zu sein


Vielleicht verdiente, liefern wir die Bilder.
Wir greifen schon einmal zum Pflasterstein.
Im Regelfall sind unsre Mittel milder.
Die Zeit, so dünkt uns, hochverehrte Gäste,
Ist Zeit für Arbeit, nicht für Manifeste.

Mit tiefem Misstraun also. Man wird sehn.


Noch sind Sie unten, und noch sind wir oben.
Doch gilt dies nur, solange Sie uns loben,
Und gilt Ihr Lob nur, wenn Sie uns verstehn.
Vom Vorrat auszuteilen der Gesittung
Ist unsre Schuld. Ihr Beifall unsre Quittung.
Peter Hacks
Prolog zur Wiedereröffnung des Deutschen Theaters

I
Die auf den Märkten, unsre Vorgänger,
Die schlugen, hörn wir, ihre rohen Bohlen
Über acht Fässer, und der Glanz der Mimen,
Der Wurf des Dichters und die Einbildung
Des leicht erhitzten Publikums, sie schufen
Auf dem Gerüste sich den Schein der Fülle.
Wir Neuen hörns, bewunderns und verleugnens;
Denn nicht die Armut macht die Künste menschlich.
Wir brauchen mehr, um unsre Kunst zu zeigen:
Die Werke all der Optik, der Mechanik.
Und nicht, weil unsre Kunst schwach sei. Nein, so
Mächtig beschwingt ist unsre Phantasie,
Dass sie den ungefügen Apparat
Mit in die freien Lüfte ihres Spiels hebt.
Und Technik wandelt sich in Reichtum, wenn
Sie reicher Geist an Reichtum übertrifft.
So haben wir Ihrer Geduld vertraut
Und unser Haus drei Jahr lang umgebaut.

II
Wir bitten Sie nun nicht zu uns herein,
Um zu erleben, was Sie draußen auch
Erleben können. Was Sie bei uns sehn,
Sehn Sie nicht in der Tramway, und Sie lesens
Nicht im Journal. Nämlich wir haben hier
Die allbekannte Wirklichkeit verändert
Durch Beimischung von Schönem, Wunderbarem
Und Unwirklichem, dergestalt, dass sie
Erhöhten Wert und Wichtigkeit gewinnt
Und mächtig wieder die Empfindung anzieht.
Das Bild der Welt, durch Abstumpfung entleert,
Erscheint bei uns aufs neu begehrenswert.

III
Die Gabe aber, machtvoll nachzuahmen,
Haben wir beschlossen, zu vergeuden nicht
Auf Kleinigkeiten. Nicht dem kurzen Irrtum,
Der wohlfeiln Mode, öffnen wir die Tore.
Wir wolln aufs Ganze und aufs Innerste.
Von Kontinent zu Kontinent hin wechselt
Der Szene Schritt. Gebirg und Ozean
Schrecken uns nicht. Den Finger hebend, lassen
Des Erdballs erste Reiche wir versinken
Und Throne stürzen; letztres gar nicht ungern.
Denn lang und breit ist die Geschichte. Tief
Sind ihre Faltungen, und groß sind ihre
Umstülpungen. Und hochbedeutend groß
Sei unser Held auch: groß genug, zu fassen
In der geräumgen Brust die Sonnen und
Gewitter unsres östlichen Jahrhunderts.
Die weite Form, der fühlend tiefe Held,
Sie stehen nie für weniger als die Welt.

IV
Der Mond, der schimmernd weiß und grün, wie’s der
Beleuchter will, in unserm Himmel hängt,
Ist schöner als der draußen. Künstler haben,
Nicht plumpen Zufalls Kräfte, ihn entworfen
Und machen ihn leicht auf- und untergehn
Nach ihrer höchst willkürlichen Physik.
So kann man sagen, vor den Raumfahrern
Haben wir den Mond erobert. Unser Kosmos
Ist ganz von Menschen, ist ganz menschenmäßig
Und drum so ähnlich jener Welt von morgen,
Die unterm Augenkreis der Zeit noch einhält,
Aber mit deren aufgefangnen Strahlen
Die Künstler alle ihre Werke malen.

V
Die Welt von morgen: grad in diesen unsern
Beglückten Tagen, scheints, steigt sie empor,
Und überm dunstigen Rand des Blutmeers wähnen
Die schönen Gipfel ihrer Palmen wir
Schon zu erspähn: o Welt endlich des Friedens.
Frieden ist mehr als bloß, dass da kein Krieg ist;
Frieden, das meint, dass alle Mühn der nicht
In sich noch unter sich geteilten Völker
Gerichtet sind aufs Gute nur und Würdige;
Im Frieden erst tritt, seiner Fesseln ledig,
Der mehr als vielgewaltge Riese Menschheit
Den Dienst bei seinem Herrn, dem Menschen, an.
Indem wir solche Welt mit unsrer schwachen
Kraft andeuten, helfen wir sie vollbringen,
Und unsrer Bilder Wirkung ruft sie näher.
So weit demnach, als unsre Sprache reicht,
Reicht unser Soll. Und des gehälfteten Lands
Entferntem Teil den Frieden anzusagen,
Mahnt das Wort deutsch, das wir im Namen tragen.

VI
Mensch sein ist viel. Mensch sein ist Ursach sein.
Der Mensch, als einziges von den Wesen, schafft
Sich selbst die Welt und nicht die Welt sich ihn.
Und was ins Sein zu setzen, was vorher
Abwesend war, Gedanken oder Sachen,
Gelingt ihm als sein Äußerstes und Höchstes.
Die großen Urheber nun des Theaters,
Aischylos, Shakespeare, Goethe, grüßen heut
In unserm Haus als neue, liebste Gäste
Die andern Urheber, die Arbeiter,
Welche die Welt, die tot und lebende,
Nach ihrem innern Muster produzieren,
So wie die Welt der Träume wir nach unserm.
Sie lieben Tatsachen, und sie verbessern
Das, was sie lieben. Von den Elementen
Das fünfte ist ihr Element: das Neue.
Und duldend nichts, verbreiten sie um sich
Änderns Gewohnheit und Hervorbringens.
Wen wundert, dass der Dichter - seit jeher
Gefunden an der Seit der Ungeduldgen -
Sich fest an ihrer starken Seite findet?
Der Werkzeug fertigt und der Stücke schreibt,
Sie beide sorgen, dass, was ist, nicht bleibt.

VII
So sehn das Reich der Kunst wir und des Stoffs
Innig verknüpft in einem Streit der Liebe.
Aus Phantasie wird Wirklichkeit. Aus neuer
Wirklichkeit blühen kühnre Phantasien.
Und wenn die Kunst, um Kunst zu sein, die Erde
Verlassen muss, zur Erde kehrt sie wieder,
Und unser Tun, Freunde, eint sich dem Ihren.
Das Leben machen wir zur Kunst und schließens
Ins heitre Reich des Schaffens und Genießens.
Peter Hacks
Regen

Der Himmel ist voll Dampf,


Der zieht sich arg zusammen.
Der Grund, auf dem ich stampf,
Muss allzubald verschlammen.
Die Laune, die ich heg,
Muss sich im Nu verlieren.
Es regnet auf mein Weg,
Da ist nicht gut marschieren.

Von meinem Haus das Dach


Träuft an der falschen Stelle.
Das Dach, das ist zu flach.
Es fehlt ihm am Gefälle.
Das Wasser strömt, als wollts
Die Erde überrennen.
Es regnet auf mein Holz.
Womit soll ich nun brennen?

Ein graulich trüber Schwall.


Es regnet auf mein Hoffen.
Mein Hund kotzt in den Stall.
Mein Esel ist ersoffen.
Mein Essen bringt mich um.
Mein Wein mag mich nicht freuen.
Mein Buch ist mir zu dumm.
Mein Lieben tut mich reuen.
Peter Hacks
Rentners Abendlied

Glücklicher Wandrer, dein Berg ist erstiegen.


Wende den Blick nun ins schimmernde Tal.
Sieh deine Wege hinter dir liegen,
Muster der Mühn im vergoldenden Strahl.
Siehe dein Haus, das für lange erbaute,
Sieh deinen Acker, in Ehren gepflügt.
Stiller das Leben, das vordem so laute,
Seit dir von ferne sein Anblick genügt.
Peter Hacks
Richtigstellung

Um die Dinge einmal wieder


Ins gehörige Verhältnis zu setzen: ich bin
Ein Eichbaum, ich singe mit tausend Vögeln.
Über mir geht die purpurne Sonne auf, das
Ist deine Liebe. Vorn, links unten,
Sehen Sie einen kleinen, grünen Gallapfel,
Das ist die Welt.
Peter Hacks
Rote Traube von Korinth

Die Sonne hat dich süß gemacht,


Die Sonne und der Wind.
Ich will dich pflücken heute nacht,
Rote Traube von Korinth.

Und wein mir nicht, wenn ich dich pflück.


Es ist die Zeit, mein Kind.
Und wenn du weinst, dann wein vor Glück,
Rote Traube von Korinth.
Peter Hacks
Ruf der Nachtigall

Aus stiller Gärten rankendem Efeulaub,


Umgrüntem Weiher, porigem Felsgestein,
Herbei, was Krallen trägt und Federn.
Itutu itutu itu itu.

Ihr Sänger all des atmenden Ährenfelds,


Des würdgen Hains, des regeren Fliederbuschs.
Versammelt, Kundge, euch des Wohllauts.
Itutu, itutu itu itu.

Hornlippige, den flaumigen Busen euch


Beknabbernde, ich rufe, wer irgend rührt
Vom langgehalsten Stamm der Vögel.
Itutu itutu itu itu.
Peter Hacks
Sängers Höflichkeit

Frauenzimmer, dies versteht


Ihr sogleich, dass bis zum Schluss
Als ein Ritter und Poet
Ich euch stets verehren muss.
Frauenzimmer, seid gescheit:
Treibt die Sache nicht zu weit.

Alles Recht: ist zugestanden.


Alle Fehler: sind verziehn.
Macht sich Mann und Weib zu Schanden,
Lob ich sie und tadle ihn.
Doch ich bitt euch: seid gescheit,
Treibt die Sache nicht zu weit.

Eure Eitelkeit zu nähren,


Eure Faulheit anzusehn,
Gott und Welt euch zu erklären,
(Und ihr werdets nicht verstehn),
Bin ich willens und bereit,
Außer, ihr treibts allzu weit.

Eure Launen, eure Tücken,


Eure Selbstsucht, eure Gier
Sind mein süßestes Entzücken.
Ach, ich lieb euch ja, weil ihr,
Frauenzimmer, anders seid.
Treibts. Doch treibt es nicht zu weit.

Wenn ich euch bis heute traue,


Immer wieder es versuche,
Jede dumpf und ungenaue
Regung euch zu Gunsten buche ...
Zittert vor dem Augenblicke,
Wo ich euch zurück in eure Küche schicke.
Peter Hacks
Sarg, Leichentuch und Grab

Und alle meine Lieb


Nahm er mit sich hinab,
Und alles, was mir blieb:
Sarg, Leichentuch und Grab.
Ein Sarg aus Tannenholz,
Ein Leichentuch aus Heu,
Und auf mein Grab setzt eine schneeweiße Lilie,
Die spricht, meine Seele war treu.
Peter Hacks
Saturno

Vom Lande der Hellenen kam mein Schiff geschwommen.


Mit Freude dank ich denen, die mich aufgenommen.
Man frug in allen Breiten: was sind deine Gaben?
Ich sprach: die goldnen Zeiten, will sie keiner haben?
Coriandoli und Nüsse, Kerzenschein und Lieder.
Empfanget meine Küsse, gebt sie auch mal wieder.
Empfanget meine Liebe, bin da selbst empfänglich.
Was immer von uns bliebe, Liebe ist nicht unvergänglich.

Ich bin die Saat im Winter, die im Dunkel wohnet.


Ihr kommt wohl noch dahinter, dass Erwartung lohnet.
Und lieg ich tief verborgen, bleib ich nicht verschwunden.
Der hoffen kann auf morgen, hat mich schon gefunden.
Coriandoli und Nüsse, Fackelschein und Lieder.
Empfanget meine Küsse, gebt sie auch mal wieder.
Empfanget meine Liebe, bin da selbst empfänglich.
Was immer von uns bliebe, Liebe ist nicht unvergänglich.
Peter Hacks
Schlimme Liebe

Wie fand ich sie so rein und klar.


Sie sagte, sie sei schlecht.
Ach, sie war so schlecht, wie sie sprach, dass sie war,
Und ich ward ihrer Bosheit Knecht.
Ich begehrte ihr rein und klares Gesicht,
Wie einer den Himmel begehrt.
Ich liebte sie, und sie liebte mich nicht,
Und sie war meiner Liebe nicht wert.

Wie gab ich ihr mit biederm Sinn,


Was immer ich besaß.
Ach, ich gab ihr mein Herz, das sie irgendwohin
Fortlegte und vergaß.
Sie sagte: wer nie zu lieben verspricht,
Wird nie von Tadel beschwert.
Du liebst mich, schöner Freund, ich liebe dich nicht,
Und ich bin deiner Liebe nicht wert.

Als ich mein Herz zu lösen ging


Aus seiner großen Pein,
Geschah, dass es an, sich zu sträuben, fing,
Wollt nicht erlöset sein.
Und jeder Tag, wohl bis es mir bricht,
Hat nur sein Leiden vermehrt.
Ich liebe sie, und sie liebt mich nicht,
Und sie ist meiner Liebe nicht wert.
Peter Hacks
Schlossmuseum zu Weimar

Wahrlich, ein muntres Mädchen ist sie, ein übermuntres.


Sei sie in vielem ein Kind, aber von Traurigkeit keins.
Kaum den beschwerlichen Weg zurück vom Schlossberg herunter
Zum Elephanten gelegt, füllt schon das Bette der Witz
Ihres belustigten Hinterns, ihr Schoß, bewachsen mit Wollgras,
Regt sich und hüpft. Und mehr Spaßhaftes sinnet sie und
Küsst und nagt und knabbert und schafft sich drollig Erlösung,
Trillerartig und flink, ganz wie ein Igel sich kratzt.
Aber wenn sie müd wird, wird sie durchsichtig. Gleich den
Beeren des Jan de Heem schimmert von innen sie dann.
Peter Hacks
Schlusschor

Liebe und Roheit, zwei Schiffe, sie fahren


Über den Ozean der Zeit.
Die Roheit kommt abhanden mit den Jahren.
Die Liebe bleibt in Ewigkeit.
Peter Hacks
Schneeflöckchen leise

Schneeflöckchen leise
Auf der langen Reise,
Bist in unserm Walde
Angekommen nun.
Winter hat die weihnachtlichen
Berge silbern angestrichen,
Und die stille Halde
Lädt dich ein zum Ruhn.

Bäumelein im Winde
Froren an der Rinde,
Bärlein ohne Speise
Hat so lang gewacht.
Nun von Federn fein kristallen
Liegt dein Deckbett über allen,
Schneeflöckchen leise,
Bringst uns gute Nacht.
Peter Hacks
Schneezeit

Was soll Materie, wo Menschen hausen?


Das Wasser fror zu Schmutz. Der Winter war,
Schon als ich jung war, mir ein rechtes Grausen.
Die Hochbahn klappert laut und sonderbar.

Die Fußabtreter miefen auf den Treppen,


Unten ums Eck weiß ich ein Biercafé.
Ein Kind lässt sich auf einem Schlitten schleppen.
Ein Moppel riecht erfreut am feuchten Schnee.

Ein Wirt hat mir ein kaltes Bier gezapft.


Vor einem Himmel, hell mit Rauch verhangen,
Stehn wie aus schwarzem Glas, weiß überfangen,
Die kahlen Bäume. Trotzig blickend stapft
Der Proletarier mit vergrabnen Händen.
Die Gas-AG schreibt fette Dividenden.

(Werke. Band 1 - Die Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003)

Über den Dichter und Dramatiker Peter Hacks (1928-2003), den letzten Repräsentanten einer
kommunistischen Ästhetik in Deutschland, hat sein Konkurrent und „Hauptfeind“ Heiner
Müller (1929-1995) einmal gesagt: „Ihm war zeit seines Lebens kalt.“ Ein Befund, der durch
die trostlose Winterszene dieses Gedichts verifiziert wird. Schmutz und Lärm, Matsch und
Mief bilden hier eine Wintertags-Kulisse, der nur noch mit Trotz oder mit Gelassenheit zu
entkommen ist. Aber selbst in der „Schneezeit“, die für Hacks nach dem Untergang der DDR
angebrochen war, fand Hacks Grund genug für grimmige Ironie.

Bleicher und unattraktiver kann ein neu vereinigtes Land kaum sein als in diesem nach 1990
entstandenen Gedicht. Selbst die „Materie“ tritt den Menschen feindselig gegenüber. Der ana-
chronistisch gewordene Held des Sozialismus, der „Proletarier mit vergrabnen Händen“,
wendet sich ab. Die letzte Zeile liefert dann wie zum Hohn eine antikapitalistische Pointe:
„Die Gas-AG schreibt fette Dividenden.“ Selbst die Stillung der Grundbedürfnisse unterliegt
also dem kapitalistischen Verwertungszwang.
Peter Hacks
Schneller, schneller

Schneller, schneller, deine Schuhe,


Wirf sie auf den Teppich hin,
Weil ich gar nicht in der Ruhe,
Aber in Begierde bin.
Fort das Kleid, ich kanns nicht brauchen.
In dein nacktes Fleisch zu tauchen,
Steht mir einzig nur der Sinn.

Jenes Hemd, das mir zu Ehren


Strahlt wie Schwanenfedern rein,
Dünkt mich völlig zu entbehren.
Auch der Schlüpfer muss nicht sein.
Lass jetzt das Zusammenfalten,
Gib mir deinen Leib zu halten.
Komm und ende meine Pein.

Deinen Hintern in den Händen,


Denn zwei Handvoll ungefähr
Misst er, mag ich mich nicht wenden
Von dir schönem Standbild mehr.
Ah, dein Schoß reibt meine Beine,
Deine Brust trifft unter meine
Und dein Haar ans Kinn mir her.

Hab, zur Tat mich abzureißen,


Die Gelegenheit verpasst.
Sollte dich aufs Bett hinschmeißen,
Auf dich laden meine Last,
Um mit angenehmem Wüten
Dir die Wohltat zu vergüten,
Dass du mich erhöret hast.

Aber nein, ich bin stattdessen


Zu nichts besserm aufgelegt,
Als dein Herz an mich zu pressen
Und, im Innersten bewegt,
Bei nur seltnen Atemzügen
Mich mit Horchen zu begnügen,
Wie es mit dem meinen schlägt.

Erster Nu nach der Enthüllung,


Lust, von keiner Lust erreicht,
Wo Versprechen und Erfüllung
Sich im Stand der Schalen gleicht,
Wo kein Glück noch unbegonnen
Und kein Glück schon hingeronnen
Und der Mut so voll, so leicht.
Und das Lärmen des Planeten
Scholl auf einmal minder schrill.
Mir war irgendwie nach Beten,
Falls mir wer das glauben will.
Herz und Sinn und Hände ruhten
Und für zwei bis drei Minuten
Stand, wie einst, die Sonne still.
Peter Hacks
Schule der Liebe

Du warst so gut und war so viel Verlass


Auf Dauer deines Liebens. Wo ich gab,
Gabst hundertfach du wieder, und ich hab
So ohne Schaden dich erfahren, dass

Vor meinen kindlich überzeugten Augen


Vom Bilde niemals des behüfteten
Geschlechts sich mehr die Schleier lüfteten.
So ungemein, so über alles Taugen

Gut nämlich warst du. Deiner Güte danke


Ich, dass ich Argwohn stets mit Mühe lerne
Und rasch vergess, und dass bis heute gerne
Und unerschlafft ich an der Liebe kranke.
Vor deiner Güte führe ich Beschwerde,
Wenn ich von allen nun betrogen werde.
Peter Hacks
Schulstunde spielen

Butterbrot mit Ei,


Ich bring dir was bei.
Goldne Berge sind aus Gold,
Blechne Berge sind aus Blech,
Kupferberge sind aus Kupfer,
Wer mit Stullen wirft, ist frech.
Butterbrot mit Braten,
Ich will dir was verraten.
Es sprach der große Zoroaster:
Wer keinen Tabak hat, raucht Knaster.
Es sprach der große Kasimir:
Wer keinen Branntwein hat, trinkt Bier.
Es sprach der große Kammundbürste:
Wer keinen Schinken hat, isst Würste.
Aber, Junge, dein Benehmen
Ist zum Schämen.
Man trägt keine Mäuse in den Taschen,
Ohne ihnen die Füße zu waschen,
Und deine Haltung zu Treppengeländern
Musst du auch ändern.
Butterbrot mit Käs,
Schwatz nicht, ich sehs.
Butterbrot mit Speck,
Du bist mir zu keck,
Butterbrot mit Mandelkernen,
Warte, bis man dich verdrischt,
Alle Menschen müssen lernen,
Nur der Lehrer, der lernt nischt.
Peter Hacks
Schwabing 1950

Der Wasserdampf und die Bonmots


Rinnen von den Wänden.
Die Kerzen blaken. Der Zulauf ist groß
An allen Wochenenden.

Der ganze Keller steckt gedrängt


Voll von Persönlichkeiten,
Die, wenn man ihnen ein Glas Wein schenkt,
Sich über Fragen streiten.

Also über Zen. Oder die Existenz.


Sie haben sehr schmutzige Kragen.
Wer, meine Herrn, stellt Ihnen, wenns
Erlaubt ist, diese Fragen?

Am Tisch sitzt auch mein schönes Weib,


Sie gähnt fast ohne Pause.
Ich fasse sie um ihren Leib
Und gehe mit ihr nach Hause.

Der Rest bleibt sitzen und kann kein Geld


Verdienen und keins borgen.
Nicht jeder, der mal Zeche prellt,
Ist schon ein Mensch von morgen.
Peter Hacks
Schweinelied

Und wenn die Eicheln reif sind,


Dann mästen die Bauern die Schwein
Und braten sie auf einem Ast
Und haben das ganze Dorf zu Gast.
Die Schwein, die Schwein,
Die guten Schwein
Wollen verschlungen sein.

Und wenn die Brisen steif sind,


Dann fahren die Seeleut aufs Meer.
Die Planken glühn, der Samos rinnt,
So segeln sie, bis sie besoffen sind,
Vorm Wind, vorm Wind,
Vorm guten Wind
Und unter dem Himmel her.
Peter Hacks
Schwerer Himmel

Schwerer Himmel. Mächtig die Wölbung des


Roggens. Und der Oststurm, die Kronen beugt
Seitlich er des Hains. Und ich sage: freut
Des Gewölkes, Eisenerzeuger, euch,
Jeder Unbill freut, euch des Hasses selbst
Der Natur, doch fürchtet die schenkende.
Nämlich Arbeit, stets holt den Vorsprung sie
Ein der Gnade. Lobet das Graue, die
Trübung zwischen euch und dem Glanzesquell.
Nicht zum eignen Eifer verderbt ja seid
Ihr, Unausgezeichnete, Huren doch
Nicht der Sonne. Wünschbar von oben nur
Dünkt mich eins: gemäßigte Gegnerschaft.
All das lässt für Preußen sich sagen. Auch
Von den Mädchen lieb ich die kältern mir.
Nimmer ohne Parasol aber such
Ich die Orte auf, wo man Gunst verteilt.
Peter Hacks
Scipio

Ach! die Republik, der Staat der Meisten,


Ist, bei aller Tugend, hochgebrechlich.
Dauernd kommen welche, die was leisten
Und daraus ein Vorrecht ziehn. Tatsächlich
Ist die Furcht, dass Könige entständen,
Nur in Monarchien abzuwenden.
* * *

Einmal auf Liternums Gutsgelände


Ritt ein niegesehner Gast durchs Tor,
Der Besitzer, sprang vom Pferd behende,
Fordert Bett und Essen und verlor
Kein Wort drüber, blieb. Ein Kerl aus Eisen,
Traf er nie mehr Anstalt abzureisen.

Nein, er freute, wandelnd durch das Weingut,


Sich der herbstlich tiefen Blätterfarben,
Trank auch was aus einem Krug von Steingut
Oder zeigt der Sonne seine Narben.
Scipio war es, den Italien pries
Und voll Dank den Afrikaner hieß.

Jener, der im strahlendsten der Züge


Den Trickgeneral und Schlachtendieb,
Das Geschöpf der Wüste und der Lüge,
Von Roms Pforten in sein Sandland trieb.
Aber als er heimkam von der Tat,
Gab es ein paar Fragen im Senat.

Gut, der Krieg Karthagos ist beendet!


Aber hat er auch die Stadt zertrümmert?
Hat er Puniens Handel abgewendet?
Hat er sich um Abrechnung gekümmert?
Zwar, er hat den Hannibal geschlagen,
Doch verweigert uns die Unterlagen!

Als dem Triumphator nach Minuten


Endlich aufging, was man von ihm wolle,
Da, als träfe man sein Herz mit Ruten,
Stand er sprachlos, wandte sich im Grolle,
Und für ewig floh er aus den Mauern,
Die er rettete, zu seinen Bauern.

Unter einer Gruppe von Platanen


Ließ er sich ein Grab errichten. Hier?
Rief der Grabmetz, fern von Ihren Ahnen? -
Richtig, sagte Scipio, doch bei mir.
Und er sprach, befragt, wie er das meine:
Diesem Vaterland nicht meine Beine.
* * *

Ähnlich wieder ein gewisser H.


Eines Tags aus irgendeinem Grund
Legte er den Stift weg, saß nur da,
Fing mit großer Sorgfalt Fliegen und
Sprach, auf neue Werke angesprochen:
Diesem Vaterland nicht meine Knochen.

Publius Cornelius Scipio Africanus major. Er besiegte 202 a. n. Hannibal bei Zama und emigrierte anschließend.
Peter Hacks
Sehnsucht

Nachts hör ich die Brunnen rauschen,


Wie sie rinnen in dem Gras.
Meine Ruhe muss ich tauschen.
Wenn ich wüsste, gegen was.
Zu dem Anlass meiner Leiden
Ziehts mich immer wieder hin.
Einer nur liebt von uns beiden.
Und es scheint, dass ich der bin.

Wenn ich ihn liebe, will ich ihn sehen,


Will ihm immer nahe sein.
Wenn ich ihn sehe, will ich ihn halten,
Will ich spüren, er ist mein.
Wenn ich ihn halte, will ich ihn küssen
Mit den Lippen allezeit.
Wenn ich ihn von Herzen küsse
Und in dem Kuss sein Herz vermisse,
Schmeck ich meine Einsamkeit.
Peter Hacks
Seit du dabist

Seit du dabist auf der Welt,


Seit du mit mir lachst und schweigest,
Seit du mit mir liegst und steigest,
Seit auf dich mein Jammer fällt

Und in blöder Tage Lauf


Kämpfend du mit mir ermüdest,
Lächelnd, Himmlische, als lüdest
Du dir eitel Wonne auf,

Weiß ich endlich, was mich hält,


Dass ich nicht in Tollheit ende.
Ganz verbindlich schüttl’ ich Hände,
Seit du dabist auf der Welt.
Peter Hacks
Selbsterkundung

Der Mensch, von einer fremden Warte


Lernt er erfahren, wer er sei,
Und nur in einem Widerparte
Hat er sein tiefstes Konterfei.
Was ich vollbrächte oder litte,
Ich wüsst es nimmer als durch sie.
Ihr Hintern, ihre nasse Mitte,
Zuckt in der Zange meiner Knie.
Peter Hacks
Shimmy in Grün

Die Menschen sind lustige Leute.


Wenn ihnen das Fell ausfällt,
Dann tragen sie Hüte und Häute
Und verlassen die äffische Welt.
Die Eiszeit geschieht
Und schmilzt wieder weg.
Das Ende vom Lied:
They ever come back.

Sie werden von Winden zerschlagen


Und von Vesuven zerkaut
Und wie die Ratten im Magen
Der Ozeane verdaut.
Und weich ist ihr Knie,
Und dünn ist ihr Speck,
Und, frag mich nicht, wie,
They ever come back.

Sie wissen zu gut, was ein Rum ist.


Sie fülln ihre Lungen mit Teer.
Und wenn das Sündenjahr um ist,
Sinds wieder ne Million mehr.
Sie sind nicht gesund,
Und heißt es: verreck,
Verrecken sie, und
They ever come back.

Und eh sie die Erde zersprengen,


Wandern zur Venus sie aus
Und sind um beträchtliche Längen
Ihrem eigenen Selbstmord voraus.
Du kriegst sie nicht klein.
Es hat keinen Zweck.
Sie müssen wohl sein.
They ever come back.
Peter Hacks
So, scheidend von der Liebe Leiden

So, scheidend von der Liebe Leiden,


Müssen wir von der Liebe scheiden,
Und Tag und Nacht sind furchtbar gleich.
Der Schmerz wird wie die Lust zu Schatten,
Und selbst die Sehnsucht, die wir hatten,
Erloschen sein in Hades’ Reich.

Am Berg das Lämmervolk, wer wird es hüten?


Am Baum der Rosenstock, wer bricht die Blüten?
Aus Aetnas Schnee der Bach im Eichenwald,
Wen, wenn August glüht, labt sein Trunk so kalt?
Der Wiesen Rauch, der Flöte Honighauch ...
Das Glück, es schwand. Nun schwindet Hoffnung auch.

So, scheidend von der Liebe Leiden,


Müssen wir von der Liebe scheiden
In Hades’ Reich.
Peter Hacks
Sommer

Die groß und wunderbare Sonne


Blüht voller Macht
Mit Flammen ungeheuer
Aus Gold und Feuer,
Mit Pfeil- und Blitzespracht.
Die Häuser in den Städtchen
Sind still und heiß,
Die sonntäglichen Mädchen
Wie Margeriten weiß.
Peter Hacks
Sonett

Welt, kränkbare, wie gerne hätt ich teil


An deiner tätigen Zusammenkunft,
Doch du schmähst meiner Freude Unvernunft
Und spinnst mir Untergang aus meinem Heil,
Der Liebe, die, so anmaßlich wie du,
Mir aufsagt, wenn ich ihr nicht ganz verfall,
Und hat mich festgebannt in ein Kristall
Zweisamen Glücks und lässt kein Drittes zu.
Die Welt, sie will nicht meine Liebe leiden.
Die Liebe dringt in mich, die Welt zu meiden.
Und so, Freund zweier Feindinnen, die gegen
Mich zürnen, weil sie mich einander neiden,
Bin ich der einen gram, der andern wegen,
Und wünsch die Pest mal der, mal der, mal beiden.
Peter Hacks
Spross der Olive, mordendes Gerät

Spross der Olive, mordendes Gerät,


Blutiger Schössling, mildem Stamm entsprossen,
Dich pflanz ich in den alten Boden hin,
Auf dass, nach bösem Umweg, neu ersteht
Der reife Baum, langher in dir beschlossen,
Des Landes Schirm, Zier, Müh und Nährerin.

Schlag Wurzeln, Ölbaum, breite deinen Schatten,


Der Sonne Unmaß birg in deinem Laub,
Bis schöne Gärten wir und grüne Matten
Entschwellen sehn dem neu belebten Staub.
Wachse mit unserm Wuchs, nehmend und gebend,
Uns immer dienend, immer widerstrebend.
Es schaff der Irdischen Lust und Beschwerde
Eine geheure Erde.
Peter Hacks
Streiklied
(Nach Herwegh)

Sie besitzen die Maschinen.


Was du schaffst, stecken sie ein.
Solang sie dein Geld verdienen,
Wirst du niemals reicher sein.
Mann der Arbeit, aufgewacht.
Und erkenne deine Macht.
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.

Sie verlieren schöne Worte,


Ganz von Partnerschaft durchseelt.
Und sie speisen in der Torte,
Was dir in der Suppe fehlt.
Mann der Arbeit, aufgewacht.
Und erkenne deine Macht.
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.

Und sie morden Millionen,


Wenn es der Profit befiehlt,
Und mit den Atomkanonen
Haben sie auf dich gezielt.
Mann der Arbeit, aufgewacht.
Und erkenne deine Macht.
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.

Also frag, für wen du schwitzest,


Ob für dich oder für die.
Ob du deiner Klasse nützest
Oder der Bourgeoisie.
Brich das Doppeljoch entzwei.
Brich die Not der Sklaverei.
Brich die Sklaverei der Not.
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot.

Los, gestoppt die Kraftanlagen


Und den Hochofen gedämpft.
Heute ist nicht mehr zu schlagen,
Wer für Volkes Sache kämpft.
Mann der Arbeit, aufgewacht.
Und erkenne deine Macht.
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.
Peter Hacks
Süßer Ernst

Monde kamen, entschwanden. Zwei Mal um die Achse der Erde


Nun im Weltenraum schon drehete Brandenburg sich.
Und wir begehrten uns noch und waren einander ergeben,
Und noch flaute nicht ab, was vor zwei Tagen begann.
Alle Knochen des Hirns und alle Gelenke der Seele
Schmolzen und hatten den Punkt süßesten Ernstes erreicht,
Wo der Liebe Bewegungen langsam und notwendig werden
Wie die Umwälzungen droben des Sternengewölbs.
Von der niedrigen Decke hingen gedorrete Rosen,
Blumenheu. Unverblüht strömte es staubigen Duft.
Nachts ging, und Tags, der Nachtigall rege gemurmeltes Schluchzen.
Nicht verrinnt uns die Zeit, sondern sie findet nicht statt.
Peter Hacks
Tages Arbeit

Wie ich den Abend verbracht? Der Folge nach will ichs dir schildern.
Eine Stunde zunächst stellt ich im Herzen mir vor,
Ob nicht süß sein müsste und lustig, dir, Liebste, zu betten
Auf den Schenkel den Kopf. Und ich erwog es mit Fleiß.
Hiernach stellt ich mir vor, du bettetest auf den Schenkel
Mir den Kopf. Es erschien süßer der Einfall mir noch
Als der erste und lustiger. Eine weitere Stunde,
Ihn erwägend mit Fleiß, gab, eine volle, ich dran.
Aber dann befiel mich die Frage, Besinnung erheischend,
Ob wir nicht beide zugleich liegen so könnten, mein Haupt
Dir auf dem Schenkel und mir am entsprechenden Orte das deine.
In das bedeutende Bild gründlich versetzt ich den Geist.
Und mit solch entzücktem Erwägen füllte die dritte
Ich der Stunden. All dies treulich besorgt, bin ich hier.
Peter Hacks
Taglied

Es hat ein junger Fuhrknecht


Seinem Mädchen zugeredt,
Dass sie sollt ihn lassen schlafen
In ihrem Federbett.
Sie lagen tief verborgen
Und Herz an Herz geschmiegt.
Wie frühe kommt der Morgen,
Wenn Lieb bei Liebe liegt.

O Mond, du gelber,
Vom Himmel herab,
Du weißt, wie lieb ich sie hab,
Viel lieber als mich selber.

Die Turmuhr, die muss schlagen,


Und sie schlägt schon fast zu viel,
Und der bunte Hahn muss schrein,
Und der Mond muss an sein Ziel.
Auf bald, auf bald, mein Liebchen,
Bis ich die Straße fahr
In einem andern Sommer
In einem andern Jahr.

O Mond, du gelber,
Vom Himmel herab,
Du weißt, wie lieb ich sie hab,
Viel lieber als mich selber.

Wer hat denn dieses Liedchen,


Dieses Liedchen ausgedacht?
Das haben die alten Weiber
Von Halberstadt gemacht.
Die alten Weiber sitzen
Den ganzen Tag zu Haus
Und denken sich die schönen
Traurigen Lieder aus.

O Mond, du gelber,
Vom Himmel herab,
Du weißt, wie lieb ich sie hab,
Viel lieber als mich selber.
Peter Hacks
Tannhäuser

Frau Venus hat ein rosa Schlafzimmer.


Die Wände sind rosa, der Teppich ist rosa.
Das Laken ist rosa, der Bezug ist auch rosa, das Bett ist
Aus Mahagoni. Nur die zwei Affen, welche
Die rosa Kerzen mit den rosa Flammen halten,
Haben ein goldenes Fell. Übern Berg oben
Rollen die Lastautos. Frau Venus selbst ist
Ganz rosa, sie fragt: musst du denn schon wieder
Singen gehn, Liebling?
Peter Hacks
Tastend

Nervig nie war mein Bein, doch eben arm nicht an Nerven,
Ganz der Fülle gewahr wirds deiner spendenden Haut.
Eher auch reißt mein Sinn sich von jedem edleren Ziel ab,
Ehe die Wölbung der Hand der deiner Brüst sich entreißt.
Menschen müssen auf Menschen liegen, Alles in Allem.
Tastend, tasten sie wohl endlich zur Menschheit sich vor.
Peter Hacks
Theaterrede

Gesindel, Henkers Brüder und Abdeckers,


Die stets ihr Iffland gebt, wo ein Schiller schreibt,
Die den Corneille ihr damals verbessertet
Durch hergezeigte Ärsche wie heut den Shaw
Durch Liedeinlagen; Künstler, vor deren Kunst
Goethe, als gings um Wäsche, den Faust wegschloss,
Verdrückt euch, lasst mich, Schaustellerpöbel, stellt
Zur Schau, was eurer Art ist. Wer lacht denn noch
Bei Clowns? Wer, hat er Lust auf den Shakespeare, geht
Denn noch in eure marmornen Buden? Wird
Vom dürftigsten Personenverzeichnis nicht
Des Königs Truppe gegen die Wand gespielt?
- Ich wäre streng? Gern nehm ichs zurück, sobald
Ich Näheres von euren Verdiensten in
Erfahrung bringe. Leider bis dahin bleibt,
Dass den Theatern Deutschlands, entscheidend noch
Bei mir sich durchzusetzen, misslungen ist.
Peter Hacks
Tiefe

Wir wollten es nicht rasch. Der allzufrühe


Genuss bleibt schal. Das wussten wir ja schon.
Der tiefe Lohn, er folgt der langen Mühe.
So wählten wir die Mühe und den Lohn.

Erst im Errungnen - denn wir sind nicht heurig


Und wusstens wohl - paart Freude sich und Sinn.
Die Flachheit nur nimmt unversäumt für feurig,
Und die Verzweiflung nur liebt obenhin.

Besonnenheit im Vorsatz und des Falls


Gelegenheit mit schönem Ernst vermeidend,
Geschah uns alles anders. Nichts entscheidend,
Taten wir, was entschieden war. Und als
Wir staunend dann uns in einander fanden,
Da haben wir, wie tief dies ist, verstanden.
Peter Hacks
Tod Lumumbas

Am Kongo steht ein Bastbaum rot.


Patrice Lumumba, der Held, ist tot.

Lumumba liegt mit blutiger Brust,


Weil er vertraut, wo er kämpfen musst.

Der König viel von Freiheit log.


Sein Heer da schon gen Mittag flog.

Lumumba sprach: den Krieg ich meid,


Mir tun die toten Soldaten leid.

Er rief die Freunde von überm Meer,


Sie sollten stellen die Ruhe her.

Sie hielten ihm den Mund zu.


Da gab es eine große Ruh.

Lumumba durch den Urwald floh


Mit Okito und M’Polo.

Im Urwald wurden sie gefangen.


Der König hat seine Hochzeit begangen.

Doch als Lumumba im Kerker stak,


Da hat das Volk nach ihm gefragt.

Für vierzigtausend Pfund Silbers Lohn


Verkaufen sie ihn der Minen-Union.

Bist du zum Sterben schon bereit?


Ich bin zum Sterben nicht bereit.

Da schossen sie ihn durch die Brust,


Weil er vertraut, wo er kämpfen musst.
Peter Hacks
Tränen

Als ich dich zu Bette legte, liefen


Dir die Tränen in die weiße Beuge
Deines Arms, als ob in Abgrundstiefen
Sich, jedoch woraus? ein Meer erzeuge.
Und nun rann es unter deinen Haaren.
Feststand eines: dass wir glücklich waren.

Lautlos trug ich noch die Aschenteller,


Bis auf meinen, und die Gläser fort.
Nach dem Hof hin ward der Streifen heller
Zwischen Jalousie und Fensterbord
Still auch du, weil du es höflich meintest.
Doch was half dein Stillsein, da du weintest?

Und ich saß am Fenster, und ich sog


Stumm an dem Tabak in meinem Munde.
Zwar ich blieb, damit der Rauch abzog.
Und du weintest, und aus keinem Grunde.
Seltsam war: dein ursachloses Weinen
Wollte mir nicht unbegreiflich scheinen.
Peter Hacks
Traumstadt

Baut eine Stadt, wo keine Pflicht noch Plage drückt,


Ein Dach der Muse, Heimstatt allem Heiteren,
Wo unbefragt ihr wandelt nach Woher, Wohin,
Und euch das Schicksal immerwährend Körner streut.

Baut eine Stadt, in deren knospendem Gebälk


Die Liebe wehet wie in einem Blütenzweig,
Wo Herz zu Herzen still wie Ros zu Rose schwebt,
Vom Wind der reinen Neigung einzig hingelenkt.

Baut eine Stadt, erbaut sie nach der Träume Schnur,


Vom Stoff der Kühnheit, auf Entschlusses Fundament,
Wo ihr euch selbst begegnet, eurer Wirklichkeit.
Denn wie ihr leben wolltet, lebtet ihr ja nicht.
Peter Hacks
Trip, trip, trop

Trip, trip, trop,


So ein großer Regen.
Mann und Maus verriegeln sich,
Bunte Bäume spiegeln sich
Auf den nassen Wegen.

Trip, trip, trop,


Schreckliches Geträufel.
Wenn es nicht dagegen gäb
Das solide Regencape,
War mein Kleid zum Teufel.

Trip, trip, trop,


Vöglein vor dem schlimmen
Regen ins Gebüsche kroch,
Schließlich wolln die Fische noch
In der Luft rumschwimmen.

Auf den Erlen glitzern Perlen,


Falln dir auf den Kopp.
Trip, trip, trop.
Peter Hacks
Über das Angeln von Meerweibern

- Verstehn Sie: der Angler kämpft, indem er nicht kämpft. Die Weiber
Des Meers, es sind starke Weiber. Eines Tags natürlich, demselben,
Wo Sie vergaßen, Ihr Herz aufzustecken, wird es
Den Haken angenommen haben. Aber die Plage beginnt erst.
Erst gefangen, ist es gefährlich.
Manchmal zieht es; das nützt uns; ihm dringt die durchbohrende Krümmung
Schärfer ins Innre. Manchmal, gar nichts bedenkend,
Treibt es rücklings ab. Auf silbernen Kissen
Ruht es, sieht die opalenen Bäuche der Fische
Über sich fliegen, freuet der Kühle sich,
Die es für seine Freiheit hält. Mag es denn treiben.
Manchmal
Taucht es tief auf den Grund, mag es
Tauchen. Zum letzten Mal ja
Geht es an Bord und besucht, makrelenumblitzt, den ertrunkenen Liebsten.
Es wird wieder aufsteigen. Es wünscht zu leben. Auch
Wenn es der Lage gewahr wird und rast und wütet
Und mit dem Schwanze den Gischt schlägt und klatscht mit dem springenden Leibe:
Mag es. Seine Kreise sind weit, sie werden
Enger werden. Es muss am Ende ermüden. So
Also, indem er nicht kämpft, kämpfet der Angler. So nur
Fangen Sie es. - Ach, ich kann nicht. - Weshalb nicht? - Ich lieb es.
- Was, Sie lieben es? - Über das Maß. - Wohl, dann lesen Sie
Voriges dreimal.
Peter Hacks
Über das Eingewöhnen von Meerweibern

Keine schnelle Bewegung, keine starke Gebärde.


Keinen dringenden Ton. Die Stille ist es gewohnt
Der Muschelbänke, das gemessne Gleiten
In der langsameren Luft unterm Spiegel dort.
Kalte Duschen. Täglich kalte Duschen.
Vorsicht vor Wärme: es meint zu ersticken, es
Fühlt den Tod. Vorsicht, versteht sich,
Beim Vorbeigehn an Teichen.
Mit einem Wort: Geduld. Die Sache geht schleppend, und groß ist
Die Gefahr, dass Sie sich selber erkälten.
Aber kalte Duschen. Es ist eine kleine Hoffnung.
Seine Haut, danach wird sie die zarteste sein. Versuchen
Sie nicht, es mit dem Messer zu schuppen; die Narben
bleiben auf Lebzeit.
Wenn es die Schuppen, die ihm auszufallen beginnen,
Heimlich versteckt, ertappen Sie
Es nicht dabei.
Versprechen Sie sich überhaupt nichts. Geben
Sie eigentlich auf. Nicht durchaus undenkbar wäre,
Dass Sie plötzlich, tief im Herzen erschrocken, bemerken:
Kind, was hast du da, eine Seele?
Peter Hacks
Über die Liebe zu Meerweibern

Ich, der ich nie Fisch esse, warum muss ich


Mich ausgerechnet in einen Fisch verlieben? Ihr Blut,
Geheizt mit meiner Leidenschaft, bleibt immer ein wenig
Unterhalb meiner Wärme. Sofort wieder frostig rinnt es
Nach der Entlassung aus der Umschlingung, die sie,
Leise mit den Flossen wedelnd, erträgt. Zum hundertsten Mal
Tauch ich mein Herz mit Zischen, tauch ich mein
Glühendes Herz in ihre wässrige Liebe. Während ich
Voll Grauen spüre, wie es sich zu Stahl verhärtet, steht sie
In ihrem Algenwald, aus dem nichts herausschallt, und
Betrachtet mich mit ihren schönen,
Unverändert wohlwollenden Augen.
Peter Hacks
Unter der Weide

Ein Mädchen, wenn es traurig ist,


Neigt es den Kopf und weint
Und bleibt mit seinem kleinen Herz
Und großen Schmerz allein
Unter der Weide
Unter der Weide
Unter dem weinenden Weidenbaum.

Ein Mann, wenn er traurig wird,


Dann steigt er auf sein Pferd
Und sagt nicht, ob er wieder
Oder nimmer wieder kehrt
Unter die Weide
Unter die Weide
Unter den weinenden Weidenbaum.

Er reitet bis New Albany,


Wo der Ohio rinnt.
Die Mädchen müssen weinen,
Weil sie geboren sind
Unter der Weide
Unter der Weide
Unter dem weinenden Weidenbaum.
Peter Hacks
Unterm Mohrenmond, ein Solo-Duett

Unter maurischem Himmel, südlicher Sternenpracht,


Auf müdem Kamel in der Kälte der Wüstennacht,
Wo feindlich das Land, fern die Oase ist,
Trug ich im Herzen das Bild von einer, die war, wie du bist.
Und sehen Sie, Miss Dodd, ich dachte mir,
Dass wir an dieser Stelle
In ein Duett ausbrechen könnten.

Sie singen: Reiter, wer bist du?


- Brocklesby of Arabia -
Sie fragen: weiter, was suchst du?
- Englands Ruhm und Honoria -
Zusammen: Vorwärts, Soldat,
Sie: Einst wirst du belohnt ...
Ich: Einst werd ich belohnt ...
Wir: Für die einsame Tat
Auf sandigem Pfad
Unterm Mohrenmond.
Und strahlend, zweistimmig natürlich:
Für die einsame Tat
Auf sandigem Pfad
Unterm Mohrenmond.
Und, nicht oft genug:
Für die einsame Tat
Auf sandigem Pfad
Unterm Mohrenmond.
Peter Hacks
Unterm Weißdorn

Wenn ich geh, bei dir zu liegen


Unterm Weißdorn,
Seh ich schon die Engel fliegen
Überm Weißdorn.
Und sie blasen mit Posaunen
Wie im Zirkus, man muss staunen,
Überm Weißdom,
Trara.

Wenn ich an den Hals dir falle


Unterm Weißdorn,
Kreist die ganze Himmelshalle
Um den Weißdorn.
Und die Engel in den Schwärmen
Hört man mit Tschinellen lärmen
Überm Weißdorn,
Tschin tschin.

Doch nun lös ich dir die Schuhe


Unterm Weißdorn,
Leg dein blondes Haar zur Ruhe
Unterm Weißdorn,
Und ich heiß die Engel schweigen
Außer denen, welche geigen
Überm Weißdorn,
Schrumm schrumm.

Ach, die Krone ist verblühet


Von dem Weißdorn
Und das Gras hinweggemühet
Unterm Weißdorn.
Doch die Engel sind geblieben,
Weil wir uns für ewig lieben,
Wie einstmals
Unterm Weißdorn,
Trara, tschin tschin, schrumm schrumm.
Peter Hacks
Valse Flamande

Die Erlen wachsen im Erlenloch.


Der Hanfhahn blüht auf den Feldern so hoch.
Das Flamland feiert nah und fern,
Nur Tom, Jan und Pieter arbeiten gern.

Alle Leut von Brabant, sie stehen und sehen,


Wie man den Henker hängt.
Tom schwingt das Beil.
Jan bringt das Seil.
Pieterje hält Maronen feil.
Und die Leut von Brabant, sie stehen und sehen,
Wie man den Henker hängt.

Die Raben kommen bis von Den Haag.


Es wird ein großer Rabentag.
Doch keinen ängstet ihr Geschrei,
Die Rabenjahre sind um und vorbei.

Alle Leut von Brabant, sie stehen und sehen,


Wie man den Henker hängt.
Tom schwingt das Beil.
Jan bringt das Seil.
Pieterje hält Maronen feil.
Und die Leut von Brabant, sie stehen und sehen,
Wie man den Henker hängt.
Peter Hacks
Vanitas

Habichtschatten überm Hühnerstalle.


Das Gemälde ist von Hondecoeter.
Ja, so schweben sie, die Sterbegötter,
Unerraten bis zum Niederfalle.

Manchmal vor durchsonntem Blau


Ahnt man ihre bösen Silhouetten.
Eines Tags dann sieht man sie genau.
Aber dann ist wenig mehr zu retten.

Eitel, spricht die Weisheit im Barocke,


Ist das Leben und vom Tod gerändert.
Auch bei uns hat sich das kaum geändert.
Nur wir hängens nicht mehr an die Glocke.
Peter Hacks
Vaqueyra

Acht gelbe Kühe in dem Feigenhaine.


Die schöne Hirtin in dem stillen Licht.
Ich trat zu ihr und frug, warum sie weine.
Ich muss dich lieben, darum weine nicht.

- Ach, Kavalier, wie spricht dein Herz behende.


Der vor dir kam, er blieb so kurze Weil.
Dem Anfang hart benachbart ist das Ende
Und alle Lust dem trüben Gegenteil.

- Und ging der eine, wird der andre nahen,


Wird deine Wange trocknen und dein Haar.
Die Dinge sind geschehn, wenn sie geschahen.
Lass mich dir sein, was dir einst jener war.

- Und naht der andre, wird er wieder gehen


Und einer folgen, der auch gehen wird.
Doch was nicht kommt, sind Schwüre, die bestehen,
Und was nicht sein kann, Neigung unbeirrt.

- Nicht lieben wollen, heißt den Tod ersehnen.


Leben ist Wechsel, Wechsel ist nicht Trug.
Die Tränen lob des Glücks, das Glück der Tränen.
Bei Gott, wir freun der Lieb uns nicht genug.
Peter Hacks
Verlorner Eifer

Ich kann ohne Liebe nicht bleiben,


Ich bin so ungern allein.
Ich kann auch nicht weniger schreiben,
Mir fällt zu vieles ein.

Die Weibs- und Leserpersonen


Danken mir nicht nach Gebühr.
Ich sollte mich besser schonen.
Wenn ich nur wüsste, wofür.
Peter Hacks
Vernunftreiche Gartenentzückung

Die Kartoffel auch ist eine Blume.


Und mit gelben Federn blüht der Mais.
Und gereicht es nicht dem Dill zum Ruhme,
Wie er zierlich Frucht zu tragen weiß?
Ihr in eurem Prunk und Wohlgeruche,
Stolze Rosen, bleiche Lilien,
Ließet nagen uns am Hungertuche.
Nur was nützet, ist vollkommen schön.
Peter Hacks
Verschlossen ist des stillen Gartens Tor

Verschlossen ist des stillen Gartens Tor.


Komm, scheue Liebe du, wag dich hervor.
Kein Blatt mehr fällt herein, kein Wind darf wehn.
Die Sonne selbst bleibt auf der Mauer stehn.
Mein Herz, es fand, von Ungeduld genesen,
In diesem abgeschlossnen Garten Ruh.
Wag dich hervor, komm, scheuestes der Wesen,
Störbarer als das Einhorn, Liebe du.
Peter Hacks
Versöhnungschor

Die Hölle ist ein schöner Ort.


Grad wie im Himmel lebt man dort.
Nach heutiger Erkenntnis
Wars nur ein Missverständnis,
Was bisher uns entzweit.
Nur Laune herrscht und Frieden
Dort oben und hienieden.
Wir sind nicht mehr verschieden.
O brave neue Zeit.
Freundschaft.
Die Hölle ist ein schöner Ort.
Grad wie im Himmel lebt man dort.

(Peter Hacks, Die Gedichte. Eulenspiegel Verlagsgruppe, Berlin 2003.)

Es gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen des Dichters und überzeugten Kommunisten Pe-


ter Hacks (1927-2003), aus populären Kunstformen und antiken Mythen neue ästhetische
Funken zu schlagen.
So hat die literarische Lästerzunge Hacks 1995 eine Operette des französischen Komponisten
Jacques Offenbach (1819-1880) über „Orpheus in der Unterwelt“ in ein Feuerwerk aus Iro-
nien und Parodien verwandelt.

Was die religiöse Tradition als extremen Gegensatz begreift: die Sphären von Himmel und
Hölle, erscheint in Hacks’ Lied in harmonischem Gleichklang. Man darf das als boshafte Sot-
tise gegen die kapitalistische Weltordnung dechiffrieren, die alle Klassengegensätze aufgeho-
ben wähnt. In seiner schönen poetischen Frevelei mokiert sich Hacks über den naiven Jubel
angesichts der „braven neuen Zeit“ nach dem Ende des Kommunismus.
Peter Hacks
Viehaustrieb

Ich fuhr, und ohne Trauer,


Zu der hin, die ich lieb.
Da plötzlich: eine Mauer
Von Ärschen. Viehaustrieb.
Das Auto darf nicht rollen.
Sie drücken es entzwei.
Eine Herde Rindvieh
Lässt keinen vorbei.

Sie hören auf kein Zeichen,


Sie haben Dreck im Ohr,
Als wär man ihresgleichen
Und drängelte sich vor.
Der stinkenden Kuhmagd
Gilts auch einerlei.
Eine Herde Rindvieh
Lässt keinen vorbei.

Ich bin der besten einer


Der Köpfe unterm Mond.
Ich weiß, sonst weiß es keiner,
Wo Deutschlands Muse wohnt.
Wir lägen längst zu Bette
In holder Schwärmerei.
Ich will mich nicht wiederholen.
Die Fahrbahn ist nicht frei.
Peter Hacks
Vogelweihnacht

Der Abend ins Gehölz einzieht.


Da singen alle möglichen
Bunt flatternden Waldvögelchen
Ein schönes Weihnachtslied.
Und der Specht
Ist ihr Trommelknecht:
Im Himmel stecken Sternelein,
Im Tannenzapfen Kernelein,
Die Welt ist so lieblich, so pieplich
Zur Weihnachtszeit,
Tirili.

Die Dohle kommt aus ihrem Nest,


Der Dompfaff und der Kernebeißer.
In Afrika, da lebt man heißer,
Doch ohne Weihnachtsfest.
Und der Specht
Trommelt gar nicht schlecht:
Im Himmel stecken Sternelein,
Im Tannenzapfen Kernelein,
Die Welt ist so lieblich, so pieplich
Zur Weihnachtszeit,
Tirili.
Peter Hacks
Volksmoritat

Es ist viel Blut geronnen


An einem fernen Ort.
Kommst du dorthin zum Bronnen,
Da klingts wie: Vatermord.

Und geh an deine Arbeit,


Zum Sohn der Vater spricht.
Der Sohn zeigte Gehorsam
Und seine Pläne nicht.

Was willst du mit dem Spaten,


Der Vater ängstlich fragt.
Es sind noch Kartoffeln im Acker,
Der Frost steht vor der Tür.

Der Spaten war für Kartoffeln.


Das war dem Spaten sein Zweck.
Dem Vater schlug Christoffel
Damit die Rübe weg.
Peter Hacks
Von den Helden Irlands

Duvlann, der kühne Ritter,


Hatte ein stolzes Schwert.
Das war so lang wie ein Mann, drei
Hobens nicht von der Erd
Und von den Hügeln grün.

Cuchullin saß bei Schön Blanit


Und aß Eierschmer.
Hab ich gegessen mein Eierschmer,
Erschlag ich des Königs Heer
Hinter den Hügeln grün.

Dunn O’Hara fuhr ab in Sligo


Über das kühle Meer.
Das Meer, es hat kein Ende.
Die Fahrt hat keine Umkehr
Wohl zu den Hügeln grün.

Brian Boru lebte am Loch Lene


Zehn lange Jahr.
Wenn Wind ging, wenn die Sonne schien,
Und wenn Schnee da war,
Fern von den Hügeln grün.

Abt Finn in Ballyhaunis


Bekehrte zehn Heiden.
Bei der Fronleichnamsprozession
Gingen sie ihm zur Seiten
Über die Hügel grün.
Peter Hacks
Von den Rechten des Weibes

Von den Rechten des Weibes fehlt ihr das beste noch immer:
Das, im reiferen Jahr stärker umworben zu sein.
Ich - und böt mirs die zeitumkehrende Gottheit - nie wieder
Möcht ich sein, der ich war. Gern werd ich stets, der ich soll.
Und es wohnt mir kein verstecktester Eifer im Busen,
Dass ich dem ernsten Gesetz mich meines Alterns entreiß.
Nämlich der Mann, seinem Wesen fügt er dauernd an Wert zu,
Und was an Wert er gewann, wird in der Liebe gezählt.
Stolz seine Furchen zeigt er und ergrauenden Haare,
Heiter, die Liebste im Arm, wandelt des Wegs er vorbei
An dem Jüngling, dem honigfarbnen, welcher die Muskeln
Vor dem kichernden Volk minder beobachtet rollt.
Aber die andre, die Frau, wer auf ein gewürdigtes Alter
Raubt ihr den Anspruch? Genießt jene nicht tiefere Lust
Als das törichte Mädchen, und schenkt sie nicht ungleich viel tiefre?
Ist nicht von eignerem Reiz ihre geprägtere Stirn?
Sind Gespräch und Gefühl an ihr nicht Ziel des Verlangens?
Sie liebt den Geist, und der, meint er, ihn hat, liebt ihn nicht?
Das sind Fragen, worauf mir keiner geschwinde entgegnet.
Stilleschweigend vielmehr gehn die Betroffnen beiseit.
Peter Hacks
Vorbehalt und Hoffnung

Mein schönes Kind, du hast sehr zarte Glieder


Und ein sehr eigenes Gesicht.
In dir erkenne ich nicht tausend wieder.
Bis jetzt noch nicht.

Ich sehne mich, das ist mir wohl bewusst,


Nach einer ganz bestimmten Lust
Von meinem Maß und Zuschnitt. Und ich scheue
Da keinen Preis. Nicht einmal den der Treue.

Der Mensch, wenn er was will im Leben,


Bekommt er, was er nicht gewollt, zumeist.
Die einsichtsvollen von den Göttern mögen geben,
Dass du es seist.
Peter Hacks
Wann geht endlich die Musik los?

Wann,
Wann,
Wann,
Wann,
Wann geht endlich die Musik los?
Haben uns in sauren Stunden
Ohnverdrossen abgeschunden,
Weil ein Anfang seinen Schluss,
Dachten wir, doch haben muss.
Wann, wann, wann, wann,
Wann, wann, wann, wann,
Wann geht endlich die Musik los?
Fertig sind die Musici,
Instrumente gleich zu Hauf,
Auch die Pauke steht allhie,
Warum haut der Mann nicht drauf?

Wann,
Wann,
Wann,
Wann,
Wann geht endlich die Musik los?
Sitzt sich hier auf harten Bänken
Nicht so weich, als manche denken.
Wenn man so geduldig schwieg,
War es wegen der Musik.
Wann, wann, wann, wann,
Wann, wann, wann, wann,
Wann geht endlich die Musik los?
Prellt man uns um Ohrenlohn?
Das Entrée war doch nicht klein?
Musici, den ersten Ton,
Denn sonst fliegt der erste Stein.
Peter Hacks
Was kann mich noch bewegen

Was kann mich noch bewegen


In meiner fernern Zeit?
Ich hab bei dir gelegen.
Mir kommt nichts mehr entgegen
Von solcher Wichtigkeit.

Was soll mir noch geschehen,


Das Höchste ist erreicht.
Das Rad mit allem Drehen
Bringt nichts vor mich zu stehen,
Das dem Gewesenen gleicht.

Nun geh ich fast belustigt


Durchs trübe Hier und Heut.
Mein Herze, das ist schussdicht.
Kein Unglück hat kein Freud
An dem, der es nicht scheut.
Peter Hacks
Was meine Mutter, sagt sie, erlebte

Komm, du alte Zigeunerin,


Und lies mir aus der Hand.
Dir ist jedwedes Ding, das in
Der Zukunft liegt, bekannt.
Um reichen Dank und reichen Lohn
Sollst du mir prophezein
Von meinem ungeborenen Sohn,
O sag, wie wird er sein?

Dein Sohn wird Hoppelpoppel heißen,


Wird sich die Hose am Hintern zerreißen
Und die langen Strümpfe am Knie,
So will es meine Prophetie.
Er wird sich dauernd den Hals erkälten
Und bei allen Nachbarn als Scheusal gelten.
Peter Hacks
Was träumt der Teufel

Was träumt der Teufel, wenn die Schatten nahn?


Was rührt den Braven, der in Chaos’ Nacht
Die Öfen fährt und seine Arbeit macht,
Was, wenn gelehnet er an einen Zahn

Des Höllenmauls nach fünfe, pechumschäumt,


Ins Feuer starrt, wo sich die Sünder drängeln,
Ich wüsste Namen. Doch zurück: was träumt
Des Abgrunds Werkmeister? Er träumt von Engeln.

Höchst unvermittelt in der maledeiten


Stirn blüht ein Bild von jener Wesen Reizen
Und schönen Unzurechnungsfähigkeiten,
Die noch so frei nicht sind, gleich ihm zu heizen.
Auch ich an Halbheit krank. Wie der Geschwänzte
Träum ich dem Engel nach, der mich ergänzte.
Peter Hacks
Wechsel

Zwischen den Äckern im Sommer der räderzerrüttete Sandpfad.


Aber wie anders im Herbst. Eingebracht ist das Korn,
Und es belebt die gewaltsam umbrochne staubige Fläche
Nur des geduldeten Pfads halmreich befestigte Spur.
Viele Jahrzeiten nämlich - ich kann sie alle nicht leiden -
Bilden das volle Jahr, jede mit einigem Recht,
Und man bequeme sich also, dem Wetter entsprechend zu hoffen.
Manchmal grünet das Ziel, manchmal dann wieder der Weg.
Peter Hacks
Weidenblatt und Muskatblume

In meines Vaters Baumgarten


Wachsen zwei Bäume,
Wächst ein blühender Muskatenbaum
Und eine Weide.

Wenn ich heimgeh, warten zwei am Weg,


Tun sichs Herz abgrämen,
Eine rot und reich, eine arm und bleich,
Welche soll ich nehmen?

Wenn die Reiche einen Taler hat,


Verzehrt sie ihn alleine.
Wenn die Arme einen Groschen hat,
Tut sie ihn mit dir teilen.

Nahm ich nun doch die Arme mir,


Ließ die Reiche fahren,
Lebte in Fried mit ihr
Sieben lange Jahre.

Nahm ich die Reiche dann


Nach sieben langen Jahren.
Was die Arme mir gewann,
Hat die Reiche mir vertan
In sieben Tagen.

In meines Vaters Baumgarten


Wachsen zwei Bäume.
Weidenblatt und Muskatblume
Liegen auf dem grünen Rasen.
Peter Hacks
Wenn Chronos schläft

Wenn Chronos schläft, den Arm zum Halt gebogen


Der bärtgen Wange und das faltige Lid
Geruhsam übers satte Aug gezogen,
Geschieht im All, dass nichts in ihm geschieht.
Wir sehns nicht gern. Wir wissen ja, der Mann
Setzt einmal seinen Weg fort. Aber wann?

Kein Sieg, kein Fehlschlag für mein Wesen bürgend


Kein Hochgefühl. Ich werd mir selber blässer.
Die Arbeit ist nicht, was sie war. Im Nirgend
Für Niemanden. Das macht den Stil nicht besser.
Ich ahne das Geripp in meinem Leibe,
Als gings mich an, und treib, was ich nicht treibe.

Es gibt kein Jetzt und, scheint es, kein Nachher.


Von allen Altern dünkt uns dies das leerste.
Verdammter Stillestand. Kämpfen ist schwer,
Sterben ist schwerer. Warten ist das Schwerste.
Seit Jahrmillionen schleppt er sich zum Ziel,
Der Weltverlauf. Warum sind zehn so viel?
Peter Hacks
Westwärts ho

Die Straße kerbt smaragden


Sich in den Ozean,
Seit wir die Koffer packten
Und hoch die Brigg beflaggten
Mit der Hoffnungsfahn.

Von der Insel Britannia


Nach der Insel Amerika,
Westwärts ho.

Von Türmen voll und Ränken,


O alte London-Stadt,
Kein Blick dir, kein Gedenken.
Das Meer liegt vor den Bänken.
Wir sind europasatt.

Von der Insel Britannia


Nach der Insel Amerika,
Westwärts ho.
Peter Hacks
Wie Sonnenschein im Märzen

Wie Sonnenschein im Märzen


Ist Liebe, die beginnt.
Über die heißen Herzen
Weht noch ein kühler Wind.

Die Glut auf meiner Lippe,


Sie dringt noch wenig tief.
Das Glück steht auf der Kippe.
Da steht es doch nicht schief.

Vollkommen ist die leichte


Lust, die der Frühling schenkt,
Weil nur das Unerreichte
Nicht an Sterben denkt.

Werd ich mich je erwärmen,


Der ich so lange fror?
Die ersten Vögel lärmen
Und haben vieles vor.
Peter Hacks
Wiese, grüne Wiese

Auf einem Maulwurfshügel


Da sitzt ein Käfermann.
Er lupft die bunten Flügel
Und schaut die Landschaft an.
Sieht Hälmelein an Hälmelein,
Wo könnt es, denkt er, hübscher sein?
Wiese, grüne Wiese.
Pechnelken stehen vorne.
Das Wiesenschaumkraut blüht.
Die blauen Rittersporne
Sind noch mit Tau besprüht.
Des Käfers kleines Herz wird weit
Von ungemeiner Heiterkeit.
Wiese, grüne Wiese.
Peter Hacks
Wilhelm von Humboldt

Ich tadle nicht, dass wir ihn reparieren.


So viele Tonnen Stein wirft man nicht weg.
Soll er doch sitzen und die Linden zieren
Als weißer Fleck.

Wer gab so Seichtes so in Form der Tiefe!


Wer schuf so qualvoll mit so mattem Glück!
Er schrieb dem Schiller zweimal täglich Briefe
Und der ihm einmal monatlich zurück.

Er dachte unverzagt, was alle dachten.


Er war ein Heros der gelehrten Szene.
Ja, er besaß - Verzeihung, wenn ich gähne -,
Was Professoren für Genie erachten.
Der folgenlose Geist logiert in Tegel.
Die Uni heißt nach ihm und nicht nach Hegel.
Peter Hacks
Wo sind die andern Weiber?

Wo sind die andern Weiber?


Die sind zu Haus.
Ich habe dich nur angeblickt,
Dann habe ich sie heimgeschickt,
Die ganzen andern Weiber.
Nun sitzen sie zu Haus.

Was tun die andern Weiber


Bei sich zu Haus?
Sie können nicht vergessen mein
Und müssen allfort traurig sein,
Sie kratzen sich die Leiber
Und sehen grässlich aus.

Drum fliehe mich beizeiten,


Solang es Rettung gibt,
Sonst ziehst auch du die Lippen kraus
Und schickst die andern Herrn nach Haus.
Die liebt leicht keinen zweiten,
Die mich einmal geliebt.
Peter Hacks
Zeitgedicht

Gerecht zu sein, die Zeiten sind nicht schlecht.


Doch wer nur Dresche kriegt, ist manchmal nicht gerecht.
Sie haben so viel Steine in die Leier mir geschmissen,
Da ist mir die lobende Saite gerissen.
Peter Hacks
Zu Lessings Zeit

Zu Lessings Zeit regierte in Preußen ein


Gewisser Friedrich. Metternich war ein hoher
Politiker der Phase des Byronism.
Während der Tage des Molière besang man,
Scheints, einen König Ludwig, einen von 18.
Ludwigs wie Sprotten, aber nur ein Molière.
Wer fasst, dass ein Beamter eines Beamten
Einer Beamtin namens Katharina
Dem göttlichen Radistschew Vorschriften machte?
Eugen von Württemberg verschaffte sich einigen
Eklat durch die Verfolgung Schillers und Schubarts.
Elisabeth aus England: schwerlich verstarb sie
So jungfräulich, wie sie uns wissen ließ, aber
Wer ihren Namen in die kommende Welt trug,
War eine Clique von Stückschreibern, auch aus England.
Über Brechts Pfad wechselten 13 Kanzler.
Peter Hacks
Zuflüchte

Wie es sich lebt in dieser Zeit, ich weiß es nicht.


Ich wählte eine Liegenschaft mir, die, so weit
Der Blick vom Turm reicht, wie in allen Zeiten ist,
Die Birken wie vor Alters, wie seit je das Moor.
Wie es in diesem Jahr sich liebt, ich weiß es nicht.
Ich fand mir eine Liebste, die nicht anders als
Der Nymphen Brauch war und Natur empfiehlt, den Arm
In treuer Neigung um mich schlingt. So, wohlgestärkt
An Aug und Herz, im Häusermeer gelegentlich
Besuche ich die neuesten Fraun und sinne, wie
Zu machen ging, dass so bekömmlich ihr Geräusch
Einst zu vernehmen wär wie eines Hunds, der bellt.
Peter Hacks
Zumirfinden mit Landschaft

Als mir das Auge wieder aufging, ward


Zuerst des grünen Mooses ich gewahr.
Auf sandiger Narbe Wipfel sternenzart
Und zwischen ihnen was wie braunes Haar.

Dann, mehr bei Sinnen, sah ich: schmal und bloß


War mir dein brauner Körper aufgetaucht,
Vom selben rostigen Braun wie von dem Moos
Das Haar, doch weiß mit Nebel überraucht.

Das war das zweite. Hiernach nun verlor


Ich mich, zum andern Mal und des Verstands
Noch gründlicher entratend als zuvor,
In deinen tiefen Küssen. Endlich ganz
Bei mir zurücke, fand ich mich im Regen,
Sehr wenig fern den öffentlichen Wegen.
Peter Hacks
Zur Güte

Mein Kind, du bist zur Ehrlichkeit gelaunt.


Du willst die Sache klarer, also schlimmer.
Dass unser Glühn verlosch, macht dich erstaunt?
Wer liebt schon feurig? Und wer liebt schon immer?

Wer liebt schon immer? Aber auch der Schein


Der Liebe wird in solchen Zeiten selten.
Das bisschen Wärme, bisschen Höflichsein,
Es sollte unter Kennern höher gelten.

Ist nicht der Mann dem Weib, das Weib dem Mann
Ein Grund des Freuns, so gut als Wein und Rosen?
Ist nicht Haut Haut, Haar Haar? Und wo es an
Der Liebe mangelt, bleibt nicht das Liebkosen?

Die heitre Täuschung gutgemeinter Lügen,


Du weist sie von dir, kleiner Wahnverächter?
Ich wollte mich mit wenigem begnügen.
Doch keine Sanftmut mehr eint die Geschlechter.
Peter Hacks
Zwei Erfinder

Hoch lebe der Doktor Britzlmayer,


Der Erfinder der Ostereier.
Er war ein braver Forscher und Denker,
Ein edelmütiger Menschheitsbeschenker.
Seine Güte überdauerte
Weit sein Grabgebimmel,
Als er hinschied, freute sich der Himmel,
Und der Erdball trauerte.

Aber nieder mit Pastor Korffen.


Sein Leib sei auf die Straße geworfen
Und beschimpft und gefressen von den Hunden.
Der Kerl hat die langen, wollenen Strümpfe erfunden.
Peter Hacks
Zwei Wälder

Stehen zwei Wälder,


Bilden ein Tor,
Öffnen mir Felder,
Wiesen und Moor.
Feld, Moor und Wiesen
Sind, wo ich bin.
Warum zu diesen
Zieht es mich hin?

Hab, mich zu plagen,


Weiter nicht Lust,
Viel hundert Fragen
Hab ich gewusst,
Viel hundert Frauen
Nahm ich mir her,
Bin nicht zu schauen
Neugierig mehr.

Wälder, was ladet


Ihr mein Bemühn
Fort ins umschwadet
Mattere Grün?
Hab nichts verloren,
Was dort auch sei.
Kann doch an Toren
Nimmer vorbei.
Peter Hacks
Zwischen den Stühlen

Allerdings: zwischen vielen Stühlen sitz ich


Fest auf der Erde. Es haben sich
Auf wackligen Stühlen schon welche
Zu Tode gesetzt. Ganze Kasten starben
Bei Stuhlbeben.
Peter Hacks
Peter Hacks (* 21. März 1928 in Breslau, damals Provinz Niederschlesien;
† 28. August 2003 in Groß Machnow) war ein deutscher Dramatiker,
Lyriker, Erzähler und Essayist. Er begründete in den 1960er Jahren die
„sozialistische Klassik“ und gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker der
DDR. Dort war Hacks neben Heiner Müller, Ulrich Plenzdorf und Rudi
Strahl ein Bühnenautor, dessen Stücke auch in der Bundesrepublik
Deutschland gespielt wurden. Ein Gespräch im Hause Stein über den
abwesenden Herrn von Goethe war sein größter Erfolg.

Inhaltsverzeichnis
Leben Peter Hacks (1976)
Lebenslauf
Zeitgenossen
Denken
Ästhetik
Weltanschauung und Politik
Schaffen
Dramatik
Lyrik
Epik
Essayistik
Edition und Forschung
Preise
Werke (Auswahl)
Frühwerk
Lyrik
Dramatische Werke
Die frühen Stücke
Die Dramen
Die späten Stücke
Märchendramen
Boulevard
Epische Werke
Die Erzählungen
Kindermärchen
Bilderbücher
Kinderromane
Essays
Sammlungen
Kleinere Aufsätze
Große Aufsätze
Bestimmungen
Briefe
Gespräche
CDs
Zitate (Auswahl)
Filmografie
Literatur
Zur Person
Periodika
Monographien
Weblinks
Einzelnachweise

Leben

Lebenslauf
Als Sohn eines sozialistisch-antifaschistischen Elternhauses verbrachte
Hacks seine Kindheit und Jugend bis 1944 in Breslau, wo sein Vater als
Rechtsanwalt tätig war. Nach dem Reichsarbeitsdienst versuchte er in der
Endphase des Zweiten Weltkriegs, sich dem Wehrdienst zu entziehen, und
geriet dabei in die Gefangenschaft der Waffen-SS und danach kurzzeitig in
amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im März 1946 legte er in einem
Sonderlehrgang am Carl-Duisberg-Gymnasium in Wuppertal sein Abitur
ab. Die schriftliche Abiturprüfung im Fach Deutsch erfolgte mit einem
Besinnungsaufsatz zu Goethes Torquato Tasso V,5 „Ist alles denn
verloren? …“ – Kennzeichnen diese Worte die augenblickliche Lage Ihres
Lebens?[1]. Im Anschluss studierte er, in Dachau bei seiner Familie
wohnend, an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität Neuere
Deutsche Literatur, Theaterwissenschaft, Philosophie und Soziologie. 1951
Peter Hacks (1956)
wurde er mit einer Arbeit über das Theater des Biedermeier zum Dr. phil.
promoviert. Von 1951 bis 1955 lebte er als Schriftsteller in München,
arbeitete dort zusammen mit James Krüss für den Rundfunk und trat im Kabarett mit eigenen Texten auf. Er
knüpfte Kontakte zu Erich Kästner, Bertolt Brecht und Thomas Mann. Er fragte Brecht, ob es ratsam sei, in
die DDR zu ziehen. Brecht riet ihm weder zu noch ab. Im Jahre 1954 erhielt er für sein erstes aufgeführtes
Drama Eröffnung des indischen Zeitalters den damals angesehenen Dramatiker-Preis der Stadt München.

1955 übersiedelte Hacks, inzwischen mit der Schriftstellerin Anna Elisabeth Wiede verheiratet, in die DDR
und ließ sich mit Hilfe Brechts in Berlin nieder, wo er zunächst für dessen Berliner Ensemble arbeitete. Eine
ständige Zusammenarbeit zwischen ihm und Brecht ergab sich allerdings nicht. Ab 1960 arbeitete Hacks als
Dramaturg am Deutschen Theater Berlin, an dem mehrere seiner Stücke aufgeführt wurden. Im Intendanten
Wolfgang Langhoff hatte er dort einen großen Fürsprecher. Als die Inszenierung seines Stücks Die Sorgen
und die Macht 1962 die Kritik einiger Funktionäre der SED auslöste, gab Hacks 1963 seine Stellung als
Dramaturg am DT auf und lebte wieder als freischaffender Schriftsteller.

Für Rundfunksendungen zum Bau der Berliner Mauer lieferte Hacks propagandistische Beiträge.[2]

Zur gleichen Zeit, als sich der Skandal um Die Sorgen und die
Macht ereignete, feierte Hacks mit Der Frieden (nach
Aristophanes) in Benno Bessons Inszenierung seinen ersten großen
Theatererfolg. Am Abend der Uraufführung am 14. Oktober 1962
im Deutschen Theater in Berlin musste der Schlussvorhang
während des 45-minütigen Schlussapplauses 16-mal wieder
geöffnet werden.[3] Es folgten mit Die schöne Helena (1964, nach
Henri Meilhac und Ludovic Halévy, Musik: Jacques Offenbach),
Amphitryon (1967), Adam und Eva (1972) und das Jahrmarktsfest
zu Plundersweilern (1973, nach Johann Wolfgang von Goethe)
Peter Hacks (1965)
große Theatererfolge auf den Bühnen der DDR und der
Bundesrepublik Deutschland. Sein Stück Ein Gespräch im Hause
Stein über den abwesenden Herrn von Goethe (1974) wurde ein Welterfolg: Es wurde bislang ca. 190-mal
auf über 170 deutschsprachigen sowie auf fremdsprachigen Bühnen von insgesamt 21 Ländern inszeniert.

Das Verhältnis der DDR zu Hacks blieb indes widersprüchlich. Hacks wurde von vielen Funktionären und
Dichterkollegen auch weiterhin als „bürgerlicher“ bzw. „aristokratischer“ Dichter wahrgenommen, aber
ihm wurde durch seine Erfolge mehr und mehr Anerkennung zuteil: 1964 wurde er in das P.E.N.-Zentrum
der DDR gewählt, 1972 in die Akademie der Künste der DDR, 1974 erhielt er den Nationalpreis der DDR
zweiter Klasse und drei Jahre später den erster Klasse.

Er schätzte und unterstützte Wolf Biermann Anfang der 1960er Jahre, ja er war mit ihm sogar „lose
befreundet“, ging dann aber zunehmend auf Distanz.[4] Nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976
kritisierte er dessen Sorge um den Aufbau des Sozialismus als unglaubwürdig. Er überschätze sich sowohl
als Liedermacher wie als politischer Denker: „In je höherem Maße er sich übernahm, desto mehr bedurfte
seine Kunst, neben dem Gedicht und der Gitarre, des Skandals.“[5][6] Das wurde weitgehend als eindeutige
Unterstützung der Ausbürgerung begriffen. Hacks wurde infolgedessen von Kritikern der Ausbürgerung im
Osten und vielen Vertretern des westlichen Kunstbetriebs scharf angegriffen und boykottiert, Theaterstücke
von ihm in Westdeutschland abgesetzt.

Das Ende der DDR nahm Hacks nicht zum Anlass, von seiner kommunistischen Überzeugung Abstand zu
nehmen. 1991 trat er aus der Akademie der Künste aus und weigerte sich, wenngleich er nicht aufhörte zu
schreiben, am Kulturbetrieb des vereinigten Deutschland teilzunehmen. Gegen Ende der 1990er Jahre trat
er vor allem in der „linken Szene“ wieder verstärkt in Erscheinung. Die Ausgaben seiner Essays, seiner
Gedichte und der späten Dramen fanden breitere Aufmerksamkeit, allgemein beachtet wurde die vielgelobte
Werkausgabe von 2003, die zur Ausgabe letzter Hand wurde. Hacks starb im selben Jahr in seinem
schlossähnlich ausgebauten Landhaus Fenne in Groß Machnow.[7]

Zeitgenossen
Die Meinungen von Hacks’ Zeitgenossen über ihn gehen stark
auseinander. Von Anbeginn seiner öffentlichen Wirkung prallten
immer wieder starke Fürsprache und große Begeisterung auf heftige
Kritik und erbitterte Feindschaft. Die Gründe für diese Extreme
sind vielfältig. Hacks’ Erfolg beim Publikum, die Qualität seiner
Kunst, das Selbstbewusstsein, mit dem er als Künstler seinen Platz
in der Welt einforderte, die Konsequenz, mit der er an einmal
gefällten Entscheidungen festhielt, erregten bei vielen Zeitgenossen
Grab von Peter Hacks auf dem II.
Widerwillen. Hinzu kam mit der Zeit seine immer deutlichere und Französischen Friedhof in Berlin-
systematischere Ablehnung der Moderne und der Romantik, gegen Mitte, nahe am Grab von Theodor
die er eine an der Klassik orientierte Ästhetik setzte. Auch die Fontane
politische Entwicklung der DDR, insbesondere seit dem VIII.
Parteitag der SED, trug hierzu bei, denn worin viele Zeitgenossen
eine positive Entwicklung in der Kultur- und Wirtschaftspolitik sahen, sah Hacks den Anfang vom Ende.
Dabei neigte er zu sehr pointierten Urteilen über seine Zeitgenossen. Er hielt sich weder im öffentlichen
noch im brieflichen oder persönlichen Kontakt zurück. Die Intensität, mit der er Lob und Tadel betrieb, war
für viele irritierend. Er nahm jedoch so intensiv und umfassend wie kaum ein anderer Schriftsteller die
literarische Produktion seiner Zeit wahr, setzte sich hierbei oft und energisch für Kollegen und junge
Talente ein, war aber auch streng in seinen ästhetischen und politischen Urteilen.

Obwohl Hacks sich zu Beginn der 1960er Jahre einerseits durch den Skandal um sein Stück Die Sorgen
und die Macht, andererseits durch seine Befürwortung des Baus der Berliner Mauer gegen einen starken
Druck vieler politischer Vertreter sowohl der Bundesrepublik Deutschland als auch der DDR behaupten
musste, war er unter den Dramatikern der DDR der erste, der den großen Durchbruch beim
Theaterpublikum beider deutscher Staaten schaffte. Die damit verbundenen Möglichkeiten nutzte er, um
andere Dramatiker zu fördern. So unterstützte er Heiner Müller finanziell und nahm ihn gegen Kritik in
Schutz. Die zunehmend sichtbaren Differenzen in politischen und ästhetischen Fragen, insbesondere der
Umstand, dass Heiner Müller ein Orientierungspunkt der DDR-Opposition wurde, sorgten allerdings noch
in den 1960er Jahren für eine Entfremdung der beiden Dramatiker voneinander, die zu Beginn der siebziger
Jahre in offene Feindschaft umschlug. Auch der Schriftsteller Hartmut Lange wurde von Hacks intensiv
gefördert, und auch mit Lange kam es zum Bruch: 1965, während eines gemeinsamen Ferienaufenthalts in
Jugoslawien, setzte sich Lange, ohne Hacks vorher davon in Kenntnis gesetzt zu haben und obwohl dieser
bei den staatlichen Organen der DDR für ihn gebürgt hatte, in Richtung Bundesrepublik Deutschland ab.
Nach Müller und Lange, die Hacks für die größten Begabungen unter den DDR-Dramatikern hielt, schätzte
er Helmut Baierl und vor allem Rudi Strahl.

In der Akademie der Künste gehörte Hacks zu den aktivsten Mitgliedern. So gründete er 1972 die
„Arbeitsgruppe Dramatik“, die später in „Arbeitsgruppe Ästhetik“ umbenannt wurde und als solche mit
insgesamt 21 Sitzungen bis 1979 Bestand hatte. Er leitete alle Sitzungen, forderte Disziplin sowie eine gute
und genaue Vorbereitung von den Teilnehmern. In erster Linie war er an kompetenten Diskussionspartnern
interessiert, seine politischen und ästhetischen Auffassungen mussten sie nicht teilen. Teilnehmer waren u. a.
Helmut Baierl, Wolfgang Kohlhaase, Werner Mittenzwei, Robert Weimann, Anna Elisabeth Wiede,
Günther Rücker, Rainer Kerndl, Wolfgang Harich, Benito Wogatzki, Alexander Abusch und Wieland
Herzfelde. Von 1988 bis 1990 fand dann in neun Sitzungen eine zweite Arbeitsgruppe unter der Leitung
Hacks’ statt: „Technik des Dramas“, in der Hacks junge Dichter versammelte und mit ihnen Fragen des
dramatischen Handwerks besprach. Teilnehmer waren u. a. Werner Buhss, Christoph Hein, Jörg-Michael
Koerbl, Ronald M. Schernikau, Jens Sparschuh und Lothar Trolle.
Hacks war in den 1960er und 1970er Jahren im Literatur- und Theaterbetrieb eine Persönlichkeit, an der
sich viele orientierten und deren Nähe oft gesucht wurde. Das änderte sich angesichts seiner Äußerungen
bei der Ausbürgerung Wolf Biermanns (s. o.) im Jahr 1976[8], sukzessive auch, weil Hacks die
Theaterkultur seit Ende der 1960er Jahre als im Verfall begriffen sah, und einen Kampf gegen die von ihm
als „revisionistisch“ eingeschätzten Tendenzen in Kunst und Politik führte.[9] Hierdurch wurde er auch für
viele Intendanten zur persona non grata. In den 1980er Jahren und stärker noch nach dem Ende der DDR
wurde Hacks in seiner Teilnahme am öffentlichen Leben zunehmend wählerisch. Zu seinen engsten
Freunden zählten André Müller sen., Eberhard Esche, Karin Gregorek, Hans-Joachim Pavel, Gotthold
Gloger, Kurt Belicke und Heidi Urbahn de Jauregui, ferner auch Wolfgang Kohlhaase, Walter Beltz,
Gerhard Piens und Dieter Noll.

Denken

Ästhetik
Hacks hat von Beginn an sein Dichten durch theoretische Reflexionen begleitet und ein umfangreiches
essayistisches Werk hinterlassen.

Vom Einfluss der Ästhetik Brechts, in dem er seit 1954 stand, vermochte Hacks sich am Anfang der 1960er
Jahre durch eine Hinwendung zur Klassik zu lösen. Eine implizite Tendenz der Brecht’schen Ästhetik, die
die Form eines Kunstwerks als etwas rein Äußerliches, den Inhalt also bloß Verschleierndes begreift, ist
eine Kunstpraxis, die, damit der Inhalt des Kunstwerks besser befördert und gefördert werde, im Einzelnen
oft auf Zerschlagung überkommener Formen abzielt. Die überlieferten Mittel des künstlerischen Handwerks
werden in dieser Sicht als Ausdruck älterer Gesellschaftszustände verstanden, die neuere Kunstproduktion
gilt somit zumeist als die bessere, weil weiter fortgeschrittene. Hacks entwickelte dagegen – zunächst in
einer Orientierung an den Kunstwerken Shakespeares und des griechischen Dramas, später auch in einem
theoretischen Rückgriff vor allem auf Aristoteles, Hegel, Goethe, Schiller und Lukács – die Vorstellung,
dass die Form das eigentümliche Dasein des Inhalts ausmache und sich beides nicht ausschließe, sondern
ohne einander nicht existieren könne. Mit dieser Auffassung verbunden war die Ablehnung von
Vorstellungen, die die Kunst in einen unmittelbaren Dienst der Politik oder Wissenschaft gestellt sehen
wollten. In seiner Schrift Kunst und Revolution (1971) schreibt Hacks:

„Eingestandenermaßen ist die Kunst eine Waffe. Eingestandenermaßen ist ein


Holzhammer eine Waffe. Nach Aristoteles folgt hieraus nicht, daß die Kunst ein
Holzhammer sein müsse. Es folgt eher, daß die Kunst eine um so bessere Waffe sei, je
bessere Kunst sie ist.“[10]

Von Beginn an in dieser Konzeption angelegt, jedoch erst durch ein zunehmendes Krisenbewusstsein zum
Ausdruck gebracht, ist Hacks’ Ablehnung der Romantik, deren Wurzeln er in politischem Dünkel,
irrationalem Denken und ästhetischem Unvermögen bzw. Unwillen sah, und der Moderne, die für ihn die
Fortsetzung der romantischen Traditionslinien im 20. Jahrhundert war. Der Verfall des dichterischen
Handwerks, die Negation des Gattungs- und des Werkbegriffs, der Verlust des Anspruchs, das Publikum zu
unterhalten, waren für Hacks Erscheinungen eines Zeitgeistes, den er als barbarisch empfand.

Eine Konstante in seinem ästhetischen Denken bilden Reflexionen zu Gattungsfragen. Gattungen sind für
ihn „die Werkzeuge der Kunst“ und „wer das Werkzeug kapiert, kapiert so ziemlich das Erzeugnis“.[11]
Das Verstehen der Gattung steht im Interesse der bestmöglichen Erzeugung von Kunst. Zu den Gattungen,
die Hacks – mal ausführlicher, mal kürzer – untersucht hat, gehören u. a. Drama, Libretto, Gedicht, Lied,
Ballade, Märchendrama und Pornographie.

Weltanschauung und Politik


Konstitutiv für Hacks’ Weltbild ist eine unbedingte Neigung zur Vernunft, worunter nicht nur eine
allgemeine Freude am Denken sowie eine Abneigung gegen das Irrationale zu verstehen ist, sondern auch
ein starkes Interesse daran, mit dem Denken zu Resultaten zu kommen. Theoretische Reflexionen waren für
Hacks, der den Positivismus entschieden ablehnte, nicht Zweck ihrer selbst, sondern hatten immer das Ziel,
eine Theorie zu bilden, die die Erkenntnis über den Gegenstand weiter vorantreibt und nur so zurück auf
die Welt zu wirken vermag.

Hacks gewann zu Beginn der 1950er Jahre eine marxistische Einstellung. Spätestens mit seinem Gang in
die DDR war hiermit auch ein deutliches und lebenslanges Bekenntnis zu den politischen und staatlichen
Organisationen der sozialistischen Arbeiterbewegung verbunden. Er blieb jedoch zeit seines Lebens ein
eigenständiger Kopf. Sich einerseits vehement an den Klassikern orientierend, entwickelte er andererseits
kontinuierlich eigene Vorstellungen über Kunst, Philosophie, Politik und Geschichte. So wendet er zum
Beispiel in seiner Schrift Schöne Wirtschaft die Kategorien der ökonomischen Theorie von Marx auf die
Bedingungen der Erzeugung und des Verkaufs von Kunstwerken an, wodurch er zugleich auch die
Grenzen dieser Theorie für diesen Bereich aufzeigt. Beispielhaft für seine Stellung in der marxistischen
Tradition ist Hacks’ Urteil über den Absolutismus, in dem er, anders als das in der marxistischen Tradition
üblich ist, eine eigenständige, vom Feudalismus und Kapitalismus zu unterscheidende
Gesellschaftsformation sah, die historisch ein Daseinsrecht besaß. Zugleich machte er auch – oft durch die
Perspektive Goethes, immer aber mit marxistischen Mitteln – die Grenzen der kapitalistischen Gesellschaft
deutlich. Seinen Staatsbegriff nahm er, obgleich darin von Marx und Lenin nicht weit entfernt, eher von
Hegel als von Marx: Allein im und durch den Staat hätten die Menschen eine Chance, ihre allgemeinen und
ihre besonderen Interessen zu verwirklichen. Die marxistische These vom „Absterben des Staates“ war für
Hacks nur im Sinne einer Aufhebung des Staates durch den Weg seiner Vervollkommnung akzeptabel. In
diesem Sinne aber hat er sie akzeptiert, wodurch es ihm gelang, die Auffassungen von Marx und Lenin mit
denen Hegels zu vermitteln.

In seiner politischen Orientierung war Hacks, der sich stets als Marxist-Leninist verstand, ein Anhänger
Walter Ulbrichts, insbesondere von dessen Politik seit dem VI. Parteitag und der damit verbundenen
Konzeption des Neuen Ökonomischen Systems, das Hacks als Beginn der vollen Entfaltung der
sozialistischen Gesellschaft ansah. Folgerichtig lehnte er den Sturz Walter Ulbrichts im Jahr 1971 durch
Erich Honecker und die damit verbundene Änderung in der Politik ab. Es gehört zu den zahlreichen
Widersprüchen im Leben Hacks’, dass er in der Ulbricht-Ära wesentlich stärker der Kritik von Seiten der
SED ausgesetzt und wesentlich weniger als Dichter der DDR anerkannt war als in der Honecker-Ära. Mit
der unter Honecker beginnenden wirtschaftlichen Stagnation der DDR setzte bei Hacks ein stärkeres
Krisenbewusstsein ein. In den 1960er Jahren war er noch – durch die wirtschaftlich positive Entwicklung
der DDR bestärkt – im Wesentlichen der Überzeugung, dass der Sozialismus im Systemkampf allein durch
seine überlegene Produktivkraft siegen werde. In den 1970er Jahren beschäftigte ihn die Frage, auf welche
Weise ein Qualitätssturz wie der von Ulbricht zu Honecker verhindert bzw. umgekehrt werden könne.

Schaffen

Dramatik
Den Kern seiner Tätigkeit als Dichter bildet die Dramatik. Hacks selbst hat immer wieder betont, dass das
Dramenschreiben das einzige Handwerk sei, das er wirklich vollkommen beherrsche. Er schrieb zumeist
Komödien, gelegentlich Schauspiele, eine Tragödie (Jona. Ein Trauerspiel). Merkmale seiner Stücke sind
im Allgemeinen eine große Leichtigkeit, Humor, gedanklicher Reichtum, sprachliche Eleganz und eine
geschickte, jedoch nicht zu verzweigte Führung der Fabel. Mit zunehmendem Alter ist eine deutliche
Neigung zu kleinerer Personage erkennbar. Seine Figuren sprechen durchgängig Autorensprache, d. h.
keine Figurensprachen, die durch spezielle Wendungen, Dialekte oder überhaupt sprachliches Unvermögen
die persönliche oder gesellschaftliche Begrenztheit gewisser Figuren auszudrücken hätten. Die meisten der
Figuren sind Träger einer höchst eigenen Philosophie und als charakterlich-geistige Einheiten entsprechend
herausgearbeitet, während sich die Handlung hieraus zu ergeben scheint. Im Gegensatz zu Brecht kommt es
Hacks nicht so sehr darauf an, auf seiner Bühne das Walten gesellschaftlicher Notwendigkeiten zu zeigen,
in denen die Figuren hin- und hergetrieben werden und ihnen dabei im Grunde nur die Einsicht in diese
Notwendigkeiten bleibt, sondern er lässt, ohne jedoch auf seiner Bühne eine Welt ohne Gesetze und
Zwänge zu konstruieren, seinen Figuren Raum für Entscheidungen. Dramaturgisch knüpfte er vor allem an
zwei Traditionslinien an: der euripideischen und der Shakespeares, welche beiden er für die bedeutendsten
der dramatischen Weltliteratur hielt. Hacks schreibt hierzu:

„Ich habe Drama an den besten Schulen gelernt. Als ich klein war, mochte ich Pocci, der
mich einerseits zur Wiener Posse und andererseits zu Shaw leitete. Ich hatte bald heraus,
dass ich mit der Wiener Posse den Shakespeare und mit Shaw die Griechen meinte. Wer
über den Shakespeare und die Griechen verfügt, wird eines Tages die deutsche Klassik
kapieren, und von Goethe und Shaw her findet sich – unter der Krafteinwirkung eines
sozialistischen Erfahrungsfeldes – wohl auch der Rückverweis zu den Franzosen. Ich
denke, die Gesamtheit dieser bleibenden und unüberwundenen Zustände des Dramas
ergibt eine hinlänglich gegründete Standfläche für neue Erkundungen und weiterführende
Versuche.“[12]

Lyrik
Als Lyriker mit hohem Anspruch trat Hacks erst spät hervor. Zu Beginn seiner Laufbahn beschränkte er
sich, neben Fingerübungen und politischen Gelegenheitsarbeiten, auf das Verfassen von Liedern zu seinen
Stücken. Seine Lust, Gedichte zu schreiben, stieg in dem Maße, in dem er mit der gesellschaftlichen
Realität in der DDR unzufrieden wurde. Wie in der Dramatik orientierte er sich auch in der Lyrik vor allem
an Shakespeare und an den Griechen, wobei auch hier mit der Zeit ein immer intensiverer Rückgriff auf
Goethe hinzukommt. Eine Besonderheit seiner Lyrik ist ihre enge Verwandtschaft zu der Heinrich Heines.
Die Gedichte Hacks’ sind fast durchgängig metrisch und meistens gereimt.

Epik
Hacks’ Epik ist mehrheitlich Kinderliteratur, dabei durchgängig märchenhaft. Seine Neigung zur heiteren
Seelenlage, seine erzählerische Phantasie, sein dramatisches Temperament und seine Fähigkeit, das
Schwierige einfach auszudrücken, kamen ihm in dieser Gattung zugute. Zugleich verstand er es, die
Geschichten so zu schreiben, dass sie auch für Erwachsene mit Gewinn zu lesen sind. Auch seine
Kinderliteratur behandelt bedeutende Themen und unterscheidet sich hierin nur durch die Art der
Behandlung von Hacks’ Dramatik oder seiner Epik für Erwachsene.

Essayistik
Das Bedürfnis nach politischer, philosophischer und vor allem ästhetischer Selbstverständigung ließ Hacks
als Autor von Essays hervortreten. Was die Gestaltung angeht, steht er hierbei stark in der französischen
Tradition: Die Essays sind mit Anspruch auf Lesbarkeit geschrieben. Die Sprache ist reizvoll, flüssig und
anschaulich. Was hingegen den Aufbau der Essays und ihren Gehalt angeht, steht Hacks stärker in der
deutschen Tradition: Sein Anspruch, schwierige Themen systematisch zu durchdenken, und seine Gabe,
auch Theorien dramatisch zu entwickeln, gaben seinen Essays eine Finesse im Aufbau und ein
theoretisches Niveau, wie es unter den Autoren der Gegenwart nur selten zu finden ist.

Edition und Forschung


Noch zu Lebzeiten von Peter Hacks war eine Ausgabe letzter Hand im Eulenspiegel Verlag erschienen. Mit
der sukzessiven Auswertung des Nachlasses nahm seit 2003 die Dichte der Editionen zu. Philologische
Projekte entstanden dennoch hauptsächlich außerhalb akademischer Strukturen. André Müller sen.
veröffentlichte im März 2008 seine Gespräche mit Hacks; sein Briefwechsel mit dem Dichter erschien im
August 2023 zu Hacks’ 20. Todestag.[13] Beides geschah unter dem Dach des Eulenspiegel-Verlags, wo
auch eine fünfbändige Ausgabe der Werke und Schriften des jungen Hacks erschien. Im August 2009
gründete Eulenspiegel das Imprint Aurora Verlag, das die wissenschaftlichen Projekte zu Peter Hacks
bündeln soll. Dort erscheinen neben Fachbüchern auch kommentierte Einzelausgaben. Im Herbst 2010
legten Jens Mehrle und Thomas Keck unter dem Titel Berlinische Dramaturgie eine Edition aller
Gesprächsprotokolle der Arbeitskreise in der Akademie der Künste vor.

Der VAT Verlag André Thiele betrieb bis 2012 mit der Edition Neue Klassik eine Buchreihe, die
wissenschaftliche Publikationen zu Peter Hacks versammelt. So erschien im Sommer 2008 als Nummer 1
der Reihe die von Ronald Weber besorgte Peter-Hacks-Bibliographie; ihr folgten Annette Loses
Verzeichnis der Hacks-Vertonungen und mit Felix Bartels’ Leistung und Demokratie die erste Monographie
seit dem Tod des Dramatikers. Außerdem war für Ende 2014 eine von Ronald Weber verfasste Hacks-
Biografie geplant, die aber aufgrund von Problemen mit den Abdruckrechten nicht erscheinen konnte,[14]
um dann 2018 im Eulenspiegel-Verlag zu erscheinen. Von September 2007 bis März 2012 erschien beim
VAT das Journal „ARGOS. Mitteilungen zu Leben Werk und Nachwelt von Peter Hacks“.[15]
Ende 2007 wurde die Peter-Hacks-Gesellschaft e. V. gegründet, deren Vorsitzender der Verleger Matthias
Oehme ist. Der Verein soll die wissenschaftliche und kulturelle Auseinandersetzung mit Peter Hacks
fördern. Ein Ergebnis dieser Tätigkeit ist die seit 2008 jährlich stattfindende wissenschaftliche Peter-Hacks-
Tagung. Die im Sommer 2009 gegründete Stiftung Neue Klassik verfolgt ähnliche Ziele, ist in ihrer Arbeit
jedoch nicht auf Hacks-Projekte beschränkt.

Preise
Dramatiker-Preis der Stadt München (1954)
Lessing-Preis der DDR (1956)
F.-C.-Weiskopf-Preis (1965)
Deutscher Kritikerpreis (1971)
Nationalpreis der DDR II. Klasse (1974)
Nationalpreis der DDR I. Klasse (1977)
Heinrich-Mann-Preis (1981)
Alex-Wedding-Preis (1993)
Deutscher Jugendliteraturpreis (1998)

Werke (Auswahl)

Frühwerk
Der junge Hacks. Hrsg. von Gunther Nickel, in Zusammenarbeit mit Meike Bohn, 5 Bände
(Gedichte, Stücke, Hörspiele, Prosa, Briefe und Lebensdokumente) Eulenspiegel, Berlin
2018, ISBN 978-3-359-02376-0.

Lyrik

Sammlungen

Die Gedichte. (1988, erweitert 2000; Sammlung des lyrischen Œuvres); Edition Nautilus,
Hamburg 2000, ISBN 978-3-89401-348-6.
Der Flohmarkt (1964; Sammlung von Kindergedichten)

Auswahlausgaben

Poesiealbum 57. Verlag Neues Leben, Berlin 1972.


Tamerlan in Berlin. Gedichte aus der DDR. Eulenspiegel, Berlin 2002, ISBN 3-359-01444-8.
100 Gedichte. Eulenspiegel, Berlin 2004, ISBN 3-359-01375-1.
Liebesgedichte. Reclam, Leipzig 2006, ISBN 3-379-00865-6.
Heile Welt. Liebesgedichte. (ausgewählt von Heike Friauf, mit dreizehn Grafiken von
Thomas J. Richter) Eulenspiegel, Berlin 2007, ISBN 978-3-359-01660-1.
Diesem Vaterland nicht meine Knochen. Eulenspiegel, Berlin 2008, ISBN 978-3-359-01695-
3.
Poesiealbum 57. (2. erw. Aufl.) Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 2011
Hundert Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-359-01375-4.
Liedtexte

Oktobersong. Musik: Rolf Kuhl, Oktoberklub Berlin, 1967 (nicht in die Werkausgabe
aufgenommen)
Als ich kam durchs Oderluch. Musik: Chris Baumgarten, Oktoberklub Berlin, 1967

Dramatische Werke

Die frühen Stücke


Das Volksbuch vom Herzog Ernst (1953, UA 1967, Nationaltheater Mannheim)
Eröffnung des indischen Zeitalters (1954, UA 1955, Münchner Kammerspiele; 1970 2.
Fassung unter dem Titel Columbus oder: Die Weltidee zu Schiffe)
Die Schlacht bei Lobositz (1955, UA 1956, Deutsches Theater Berlin)
Der Müller von Sanssouci (1957, UA 1958, Deutsches Theater Berlin/Kammerspiele)
Die Kindermörderin (1957, EA 1959, Wuppertaler Bühnen)

Die Dramen
Die Sorgen und die Macht (1959–1962: insgesamt drei Fassungen, UA 1960, Theater der
Bergarbeiter Senftenberg)
Moritz Tassow (1961, UA 1965, Volksbühne Berlin, Regie: Benno Besson, Bühne: Fritz
Cremer)
Der Frieden (nach Aristophanes, 1962, UA 1962, Deutsches Theater Berlin, Regie: Benno
Besson, Bühne: Heinrich Kilger, Musik: Andre Asriel)
Polly oder Die Bataille am Bluewater Creek (nach John Gay 1963, UA 1965 Landestheater
Halle/S., Regie: Kurt Veth, Bühne: Karl von Appen, Musik: Andre Asriel)
Die schöne Helena (nach Jacques Offenbach, 1964, UA 1964, Deutsches Theater
Berlin/Kammerspiele) Regie: Benno Besson,
Margarete in Aix. Komödie (1966, UA 1969, Theater Basel); als Buch publiziert im
Eulenspiegel Verlag Berlin, 1974, mit Reproduktionen von vier Farblithografien von Albert
Ebert; Nachwort Christoph Trilse
Amphitryon (1967, UA 1968, Deutsches Theater Göttingen)
Noch einen Löffel Gift, Liebling? Komische Kriminaloper. Musik: Siegfried Matthus. UA 1972,
Komische Oper, Regie: Götz Friedrich
Prexaspes (1968, UA 1976, Staatsschauspiel Dresden)
Omphale (Drama und Libretto für Siegfried Matthus, 1969, UA 1970, Städt. Bühnen
Frankfurt/M.)

Drama (1969). UA 1970 Frankfurt am Main (Städtische Bühnen)


Oper (1974). Musik: Siegfried Matthus. UA 1976 Weimar

Numa (1971, 2. Fassung 2002)


Adam und Eva (1972, UA 1973, Staatsschauspiel Dresden)Regie: Klaus Dieter Kirst
Die Vögel (Libretto nach Aristophanes, 1973, UA 1980, Staatsschauspiel Dresden)
Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern (nach Johann Wolfgang von Goethe 1973, UA 1975,
Deutsches Theater Berlin / Kammerspiele)
Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe (1974, UA 1976,
Staatsschauspiel Dresden) Regie: Klaus Dieter Kirst
Rosie träumt (1974, UA 1975, Maxim-Gorki-Theater Berlin)
Die Fische (1975, UA 1978, Deutsches Theater Göttingen)
Senecas Tod (1977, UA 1980, Deutsches Theater Berlin/Staatsschauspiel Dresden)
Pandora (nach Johann Wolfgang von Goethe, 1979, UA 1982, Deutsches Theater
Göttingen)
Musen (Vier Szenen, 1979, UA 1983, Bühnen der Stadt Magdeburg)
Die Binsen (1981, UA 1985, Theater im Palast Berlin, Regie Eberhard Esche)
Barby (1982, nach Er ist wieder da von Rudi Strahl, UA Halle 1983, Regie Peter Sodann)
Fredegunde (1984, UA 1989, Staatstheater Braunschweig)
Jona (1986, UA 2009, Schauspiel Wuppertal, Regie Marc Pommerening)

Die späten Stücke


Fafner, die Bisam-Maus (1991, UA 1992, Vereinigte Städt. Bühnen Krefeld-
Mönchengladbach: Regie: Peter Schanz)
Der Geldgott (nach Aristophanes, 1991; UA 1993, Theater Greifswald, Regie: Manfred
Dietrich, Ausstattung: Andreas Bartsch, Musik: Ottmar-Wolfram Vogel)
Der Maler des Königs (1991)
Die Höflichkeit des Genies (Dramolett, 1992, UA 1994, Piccolotheater Hamburg)
Genovefa (1993, UA 1995 Städt. Theater Chemnitz)
Orpheus in der Unterwelt nach Jacques Offenbach (Libretto und Operette für Schauspieler,
1995, UA 1998, Theater Provinz Kosmos im Kulturpalast Bitterfeld, Regie: Jens
Mehrle/Stefan Nolte)
Bojarenschlacht (nach Jakob Knaschnin, 1996)
Tatarenschlacht (nach Ladislaus Oserow, 1996, UA 2005, Theater Erlangen)
Der falsche Zar (nach Alexander Sumarokow, 1996)
Der Bischof von China (1998, UA 2004, Theater Waidspeicher Erfurt)
Der Parteitag (Dramolett, 2003)
Phraates (Dramolett, 2003)
Berliner Novelle (Dramolett, 2003)

Märchendramen
Die Kinder (1981); Uraufführung am 12. Februar 1984 im Theater Greifswald, Regie:
Manfred Dietrich, Ausstattung Eckehard König, Musik: Ottmar-Wolfram Vogel
Maries Baby (1982)

Boulevard
Inspektor Campbells letzter Fall (1962), bzw. auch unter dem Titel: Heiraten ist immer ein
Risiko (1963), als Saul O’Hara

Epische Werke

Die Erzählungen
Ekbal, oder Eine Theaterreise nach Babylon (1961)
Der Schuhu und die fliegende Prinzessin (1964)
Geschichte meiner Oper (1972)
Magister Knauerhase (1982)
Die Gräfin Pappel (1992)
Der Walfisch (1987)

Kindermärchen
Das Windloch (1956)
Das Turmverlies (1961)
Armer Ritter (1977)
Onkel Mo (1981)
Kinderkurzweil (Sammlung aller Märchen, 1981 und (erweitert) 2003)

Bilderbücher

Leberecht am schiefen Fenster (mit Illustrationen von Ruth Mossner, 1983)[16]

Kinderromane

Liebkind im Vogelnest. Verlag Neues Leben, Berlin 1986, ISBN 3-401-04106-1; als
Hörbuch: ISBN 978-3-89353-640-5.
Prinz Telemach und sein Lehrer Mentor. Eulenspiegel, Berlin 1997, ISBN 3-359-00885-5;
als Hörbuch: ISBN 978-3-89353-606-1.

Essays

Sammlungen
Die Maßgaben der Kunst. Gesammelte Aufsätze. (1977, erweitert 1996 und 2003)
André Thiele (Hrsg.): Am Ende verstehen sie es. Politische Schriften 1988–2003.
Eulenspiegel, Berlin 2005, ISBN 3-359-01626-2.
Heinz Hamm (Hrsg.): Marxistische Hinsichten. Politische Schriften 1955–2003.
Eulenspiegel, Berlin 2018, ISBN 978-3-359-01329-7

Kleinere Aufsätze
Das Theaterstück des Biedermeier (Dissertation, 1951)
Einige Gemeinplätze über das Stückeschreiben (1956)
Versuch über das Theaterstück von morgen (1960)
Über den Vers in Müllers Umsiedlerin-Fragment (1961)
Faust-Notizen (1962)
Iphigenie oder Über die Wiederverwendung von Mythen (1963)
Das Poetische (1966)
Utopie und Realität (1966, Vorwort zu Das Poetische)
Kunst und Revolution (1971)
Die Entstehung des „Herzogs Ernst“ (1972)
Über „Adam und Eva“ (1972)
Über das Revidieren von Klassikern (1975)
Das Arboretum (1975)
Drei Blicke auf Tasso und ein schielender (1975)
Über das Gegenwartsdrama, abschließend. Zu „Moritz Tassow“ (1976)
Der Fortschritt in der Kunst (1976)
Der Meineiddichter (1976)
Numa oder die Mitte (1977)
Klassik und Romantik in der DDR (1977, Vorwort zu Lyrik bis Mitterwurzer)
Saure Feste. Zu „Pandora“ (1980)
Eine Goethesche Auskunft zu Fragen der Theaterarchitektur (1982)
An Träger (1983)
Die lustigen Weiber von Paris. Zu „Fredegunde“ (1984)
„Jona“. Beiwerk und Hintersinn (1987)
Die wissenschaftliche Gesellschaft und ihr Herr Nachbar (1989)
Die freudlose Wissenschaft (Vorwort zur gleichnamigen Sammlung, 1990)
Ein Motto von Shakespeare über einem Lustspiel von Büchner (1990)
Unter den Medien schweigen die Musen (1990)
Die Schwärze der Welt im Eingang des Tunnels (1990)
Mehrerlei Langweile (1994)
Die Namen der Linken (2000) [1] (http://www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php?text=dienamend
erlinken&jahr=2000&mon=12)

Große Aufsätze

Schöne Wirtschaft. Ästhetisch-Ökonomische Fragmente (1987)


Ascher gegen Jahn (1988/89)
Ödipus Königsmörder. Über Voltaires Dramen (1991)
Zur Romantik, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2001; ISBN 3-89458-198-0

Bestimmungen
Versuch über das Libretto (1973)
Wie Gedichte zu machen, oder: Rechtfertigung gegenüber Belinden (1974)
Was ist ein Drama, was ist ein Kind? (1978)
Urpoesie, oder: Das scheintote Kind (1984)
Linke Arbeiter (1988)

Briefe
Sammlungen

• Peter Hacks schreibt an „Mamama“. Der Familienbriefwechsel 1945–1999. Hrsg. v.


Gunther Nickel. Eulenspiegel, Berlin 2013, ISBN 978-3-359-02340-1.
• Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller. Hrsg. v. Rainer Kirsch. Eulenspiegel, Berlin
2006, ISBN 3-359-01639-4.

Briefwechsel

• mit Albert Ebert, in: Adam und Eva. Reclam, Leipzig; Claassen, Düsseldorf 1976, ISBN
3-546-43726-8.
• mit Hans Magnus Enzensberger: Hans Magnus Enzensberger – Peter Hacks. Ein
Briefwechsel 1957 bis 1962. Hrsg. v. Alexander Karasek und Roland Berbig. In: Berliner
Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens. Nr. 8. Humboldt-Universität, Berlin 2008,
ISSN 0949-5371, S. 34–64.
• mit Gottfried Fischborn, in: Gottfried Fischborn/Peter Hacks: Fröhliche Resignation.
Interview, Briefe, Aufsätze, Texte. Eulenspiegel, Berlin 2007, ISBN 978-3-359-01684-7.
• mit Kurt Gossweiler, in: Am Ende verstehen sie es. Politische Schriften 1988–2003. Hrsg.
v. André Thiele und Johannes Oehme. Eulenspiegel, Berlin 2005, ISBN 3-359-01626-2.
• mit Elly Hacks: Briefe an die Mutter. In: Sinn und Form 3/2012, S. 298–310. Dazu:
Gunther Nickel, „Seite Ende, Brief Schluß, Herzlichst Peter“. Peter Hacks schreibt an
„Mamama“. Sinn und Form 3/2012, S. 293–297[17]
• mit Eva-Maria Hagen: Liaison amoureuse. Eulenspiegel, Berlin 2013, ISBN 978-3-359-
02403-3.
• mit Hans Heinz Holz: Nun habe ich Ihnen doch zu einem Ärger verholfen. Briefe, Texte,
Erinnerungen. Hrsg. v. Arnold Schölzel. Eulenspiegel, Berlin 2007, ISBN 978-3-359-
01673-1.
• mit Heinar Kipphardt: Du tust mir wirklich fehlen. Eulenspiegel, Berlin 2004, ISBN 3-359-
01606-8.
• mit Hansgeorg Michaelis: Woher kommt die viele Dummheit auf die Welt? Briefe an
Hansgeorg Michaelis 1944–1998. Hrsg. v. Gunther Nickel. Eulenspiegel, Berlin 2021,
ISBN 978-3-359-02417-0.
• mit André Müller sen.: Nur daß wir ein bischen klärer sind. Der Briefwechsel 1989 und
1990. Eulenspiegel, Berlin 2002, ISBN 978-3-359-01437-9.
• mit Ronald M. Schernikau: Dann hätten wir noch eine Chance. konkret-Texte, Verlag
Gremliza, Hamburg 1992, ISBN 3-929201-00-3.
• mit André Thiele: Der Briefwechsel zwischen Peter Hacks und André Thiele 1997-2003.
Hrsg. v. Felix Bartels. Eulenspiegel, Berlin 2012, ISBN 978-3-359-02377-7.
• mit André Müller sen.: Der Briefwechsel zwischen Peter Hacks und André Müller sen.
1957-2003. Hrsg. v. Heinz Hamm und Kai Köhler. Eulenspiegel, Berlin 2023, ISBN 978-3-
359-02459-0.[18]

Gespräche
Interview (Peter Hacks im Gespräch mit Gerda Baumbach, Gottfried Fischborn und Rolf
Rohmer), in: Gottfried Fischborn, Peter Hacks: Fröhliche Resignation. Interview, Briefe,
Aufsätze, Texte. Eulenspiegel, Berlin 2007, ISBN 978-3-359-01684-7, S. 15–100.
Berlinische Dramaturgie. Gesprächsprotokolle der von Peter Hacks geleiteten
Akademiearbeitsgruppen. hrsg. v. Thomas Keck und Jens Mehrle, 5 Bde., Berlin 2010.

CDs
Wiglaf Droste und das Spardosen-Terzett: Peter Hacks: Seit du da bist auf der Welt –
Liebeslieder. Kein & Aber Records, Zürich 2008, ISBN 978-3-0369-1406-0.
Marco Tschirpke: Der Himmel ist voll Dampf. Marco Tschirpke singt Peter Hacks. André
Thiele, Mainz 2008, ISBN 978-3-940884-04-6.
Christian Steyer: Dass sie mich liebt, das sagt sie nicht – Liebesgedichte von Peter Hacks.
Eulenspiegel, Berlin 2019, ISBN 978-3-359-01169-9.
Gesammelte Werke: Annette Lose: Peter-Hacks-Vertonungen. Geordnet nach Komponisten,
Titeln und Aufzeichnungen 1949 bis 2020. Aurora Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-359-
02547-4.

Zitate (Auswahl)
„Hacks gehört zu der Partei der Unbestechlichen. Bekanntlich ist das eine sehr kleine Partei.“
– Eberhard Esche: 2003[19]

„Ein klarer Kopf wie Hacks arbeitet unabhängig davon, ob seine Klugheit Konjunktur hat oder
nicht.“
– Wiglaf Droste: 2004[20]

„Peter Hacks ist eine ungeheuer erfrischende Quelle, die man im Westen noch gar nicht
begonnen hat anzuzapfen.“
– Martin Mosebach: 2007[21]

„Es haben jetzt, höre ich, viele Theater in den deutschsprachigen Ländern enorme Repertoire-
Schwierigkeiten. Ich empfehle, natürlich ganz leise und schüchtern, auf Peter Hacks
zurückzugreifen.“
– Marcel Reich-Ranicki: 2004[22]

„Die Weltgeschichte hat seinem so schnurrig laufenden Triebwerk den Garaus gemacht. Er
sieht aber keinen Grund, seinen Motor zu überholen. Er rast weiter mit ihm durch die völlig
veränderte Landschaft. Wer störrische alte Esel mag, der wird sich für Hacks erwärmen. Wer
allerdings Spaß an einem Verstand hat, der die Wirklichkeit analysiert und verspottet, statt ihr
fünfzig Jahre lang nur sein monotones Iah entgegenzuschmettern, den wird Hacks nicht lange
langweilen können. […] Hacks ist ein Schlaukopf für Besserwisser, also für Dumme.“
– Arno Widmann: 2007[23]
„Als vor Jahren der Knabe Biermann auf seinem Wunderhorn daherschwatzte, was ihm so an
Kleinigkeiten durch den Kopf ging, war das ganz allerliebst. Die Reime waren schon damals
schlecht, die Verse holprig, die Gedanken kraus; die Worte waren schon damals nicht wichtig
genug, um nicht des Beistands der Musik zu bedürfen, und die Melodien nicht stark genug, um
ohne Worte standzuhalten. […] Böll, man kennt ihn, ist drüben der Herbergsvater für
dissidierende Wandergesellen. Biermann hat in seinem Bett übernachtet, und ich hoffe, er hat
nicht noch Solschenizyns Läuse darin gefunden.“
– Peter Hacks: 1976[24]

Filmografie
1977: Die Suche nach dem Vogel Turlipan (Film nach dem Gedicht Der Vogel Turlipan)
1980: Armer Ritter (Theateraufzeichnung)
1981: Musen (TV-Studioaufzeichnung)

Literatur

Zur Person
André Thiele (Hrsg.): In den Trümmern ohne Gnade. Festschrift für Peter Hacks.
Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-359-01532-0.
Pasiphaë (Hrsg.): Was ist das hier? 130 Anekdoten über Peter Hacks und dreizehn
anderweitige. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-359-01305-0.
Armin Stolper: Gespräche auf dem Friedhof mit dem anwesenden Herrn Hacks. Spotless-
Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-933544-87-4.
André Müller sen.: Gespräche mit Hacks 1963–2003. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2008,
ISBN 978-3-359-01687-8.
Eva-Maria Hagen/Peter Hacks: Liaison amoureuse. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2013, ISBN
978-3-359-02403-3.
Leonore Krenzlin: Hacks, Peter. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1.
Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Jochanan Trilse-Finkelstein: Ich hoff, die Menschheit schafft es. Peter Hacks – Leben und
Werk. Araki Verlag, Leipzig 2015, ISBN 978-3-936149-19-7.
Manfred Schäfer: Peter Hacks. In: Manfred Schäfer, Literaten in Oberstdorf. Von Gottfried
Benn bis Carl Zuckmayer. LIT Verlag, Münster 2023. ISBN 978-3-643-15248-0, S. 73–80.
Ronald Weber: Peter Hacks – Leben und Werk. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2018, ISBN
978-3-359-01371-6.

Periodika
Argos. Mitteilungen zu Leben, Werk und Nachwelt des Dichters Peter Hacks, bis 2010 hrsg.
von André Thiele, bis 2012 hrsg. von Gunther Nickel, Mainz 2007
Tagungsbände der Wissenschaftlichen Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft, hrsg. von Kai
Köhler, Berlin 2009 – [erscheinen jährlich]

Monographien
Ronald Weber: Peter Hacks, Heiner Müller und das antagonistische Drama des
Sozialismus. Ein Streit im literarischen Feld der DDR. (= Deutsche Literatur. Studien und
Quellen. Band 20) De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-043202-2.
Peter Schütze: Peter Hacks. Ein Beitrag zur Ästhetik des Dramas. Scriptor Verlag, Kronberg
1976, ISBN 3-589-20400-1.
Christoph Trilse: Das Werk des Peter Hacks. Verlag Das Europäische Buch, Berlin 1980,
ISBN 3-920303-84-9.
Gertrud Schmidt: Peter Hacks in BRD und DDR. Ein Rezeptionsvergleich. Pahl-Rugenstein,
Köln 1980, ISBN 3-7609-5039-6.
Andrea Jäger: Der Dramatiker Peter Hacks. Vom Produktionsstück zur Klassizität.
(= Marburger Studien zur Literatur. Band 2) Hitzeroth, Marburg 1986, ISBN 3-925944-03-6.
Peter Hacks: Topos – Internationale Beiträge zur dialektischen Theorie, Heft 23; Neapel
2005; ISSN 0943-1810 (Themenheft zum Dichter)
Heidi Urbahn de Jauregui: Zwischen den Stühlen. Der Dichter Peter Hacks. Eulenspiegel,
Berlin 2006, ISBN 3-359-01657-2.
Ronald Weber: Peter-Hacks-Bibliographie. Verzeichnis der Schriften von und zu Peter
Hacks 1948–2007. Verlag André Thiele, Mainz 2008, ISBN 978-3-940884-01-5.
Felix Bartels: Leistung und Demokratie. Genie und Gesellschaft im Werk von Peter Hacks.
Verlag André Thiele, Mainz 2010, ISBN 978-3-940884-41-1.
Gottfried Fischborn: Peter Hacks und Heiner Müller. Essay Verlag André Thiele, Mainz 2012,
ISBN 978-3-940884-72-5.
Ronald Weber: Dramatische Antipoden – Peter Hacks, Heiner Müller und die DDR. Helle
Panke, Berlin 2014 (Hefte zur DDR-Geschichte; 132).
Ronald Weber: Peter Hacks – Leben und Werk. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2018, ISBN
978-3-359-01371-6.
Matthias Dell: Peter Hacks auf der „Fenne“ in Groß Machnow (1974–2003). Aus der Reihe
von Anette Handke und Anke Pätsch (Hrsg.): Frankfurter Buntbücher. Nr. 72, Verlag für
Berlin-Brandenburg, Kleist-Museum Frankfurt (Oder) 2023, ISBN 978-3-96982-072-8.

Weblinks
Commons: Peter Hacks (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Peter_Hacks?uselang=d
e) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur von und über Peter Hacks (https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&q
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Werke von und über Peter Hacks (https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/11
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Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin (https://web.archive.or
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Arbeitsstelle Berlinische Dramaturgie (http://www.berlinische-dramaturgie.org/)
Peter-Hacks-Gesellschaft (http://www.peter-hacks-gesellschaft.de/)
Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Peter Hacks (https://www.perlentaucher.de/a
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Artikel und Aufsätze

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Felix Bartels: „Miteinandersichabfinden“. Zur strukturellen Ähnlichkeit von Absolutismus und
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André Thiele: Peter Hacks und Thomas Mann: Er gehört zu mir. (https://web.archive.org/web/
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Alexander Cammann: Schriftsteller Peter Hacks: Schlossherr in der DDR. (https://web.archiv
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Daniel H. Rapoport: Die reizlose Seite des Humanismus oder: Zum Verhältnis von Juden
und DDR. Betrachtungen, entstanden bei der widerwilligen Beschäftigung mit der Frage, ob
der Dichter Peter Hacks ein Antisemit gewesen sei. (https://das-blaettchen.de/2010/03/die-re
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Blättchen. 13. Jg., Nr. 5, 15. März 2010.
Felix Bartels: Selbst auf den Schultern der Gegner: Der Klassik-Begriff von Peter Hacks im
Umriß. (http://www.felix-bartels.de/2011/07/07/selbst-auf-den-schultern-der-gegner/) In:
Topos. 34, 2010, S. 33–51 (wiedergegeben auf felix-bartels.de).
Felix Bartels: Die Landkarte und die Landschaft: Zur Struktur des Ideal-Begriffs von Peter
Hacks. (http://www.felix-bartels.de/2013/01/11/die-landkarte-und-die-landschaft/) In: Gute
Leute sind überall gut. Fünfte wissenschaftliche Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft. Hrsg.
von Kai Köhler. Berlin, 2013, S. 57–80 (wiedergegeben auf felix-bartels.de).
Jan Decker: Gespräche über den abwesenden Herrn Hacks. (https://podcast-mp3.dradio.de/
podcast/2023/05/16/gespraeche_ueber_den_abwesenden_herrn_hacks_drk_20230516_22
03_7f0a6be1.mp3) (mp3-Audio; 50 MB; 54:34 Minuten) In: Deutschlandradio Kultur. 15. Mai
2023.

Einzelnachweise
1. 150 Jahre – CDG in Bewegung, Kap. Peter Hacks
2. Thomas Klug: Mauerbau im DDR-Rundfunk – Als Humor getarnte Kriegsrhetorik. (https://pod
cast-mp3.dradio.de/podcast/2021/08/11/mauerbau_im_sed_rundfunk_als_humor_getarnte_
drk_20210811_1910_e91074d4.mp3) (mp3-Audio; 16,5 MB; 18:05 Minuten) In:
Deutschlandfunk-Kultur-Sendung „Zeitfragen“. 11. August 2021, abgerufen am 26. August
2021 (html-Manuskript (https://www.deutschlandfunkkultur.de/mauerbau-im-ddr-rundfunk-als-
humor-getarnte-kriegsrhetorik.976.de.html?dram:article_id=501545)).
3. Dieter Kranz: Berliner Theater, Henschel-Verlag Berlin 1990, S. 75
4. Ronald Weber: Peter Hacks, Heiner Müller und das antagonistische Drama des Sozialismus
(https://books.google.de/books?id=KCZBDAAAQBAJ&pg=PT564&lpg=PT564&dq=hacks+b
iermann&source=bl&ots=4x7mjBURq9&sig=ACfU3U2attsMVFF7nHpRiby2ozL5ImTfwg&hl
=de&sa=X&ved=2ahUKEwi145uU84XrAhXCCOwKHaeRBFMQ6AEwCXoECAoQAQ#v=o
nepage&q=hacks%20biermann&f=false)
5. Weltbühne, Heft 47/1976, 7. Dezember 1976, S. 1541 ff, abgedruckt in Rotfuchs 219 – April
2016, Peter Hacks: Ein Eduard Bernstein des Tingeltangel (http://www.rotfuchs.net/rotfuchs-l
esen/ein-eduard-bernstein-des-tingeltangel.html)
6. Biermanns Rekonquista Heute vor 30 Jahren wurde der Bänkelsänger aus der DDR
ausgebürgert. Peter Hacks über den »Eduard Bernstein des Tingeltangel« (https://www.jung
ewelt.de/artikel/76804.biermanns-rekonquista.html), Junge Welt vom 16. November 2006,
Seite 10
7. Matthias Dell: Peter Hacks auf der Fenne in Groß Machnow (1974–2003) (= Frankfurter
Buntbücher). Kleist-Museum, Frankfurt (Oder) 2023, ISBN 978-3-96982-072-8.
8. Die grauen Tinten des Peter Hacks. In: Der Spiegel. Nr. 5, 1977, S. 124–126 (online (https://
www.spiegel.de/spiegel/print/d-41001990.html) – 24. Januar 1977).
9. Ronald Weber: Peter Hacks, Heiner Müller und das antagonistische Drama des Sozialismus
(https://books.google.de/books?id=KCZBDAAAQBAJ&pg=PT573&lpg=PT573&dq=rezeptio
nsgeschichte+hacks+weber&source=bl&ots=4x7mksSVm8&sig=ACfU3U2f8okGxrfj02Uwi1
P4tPsWgXuryA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjQ866mkobrAhUsIcUKHWtGA-YQ6AEwCHo
ECAoQAQ#v=onepage&q=rezeptionsgeschichte%20hacks%20weber&f=false)
10. Peter Hacks: Werke, Band 13; Berlin: Eulenspiegel-Verlag, 2003; S. 139 [im Folgenden
immer: HW]
11. HW XIV, 9
12. HW XV, 288
13. Der Briefwechsel 1957–2003 - Eulenspiegel Verlag - Eulenspiegel Verlagsgruppe. (https://w
ww.eulenspiegel.com/verlage/eulenspiegel-verlag/titel/briefwechsel-1957-2003.html)
Abgerufen am 11. September 2023.
14. Peter-Hacks-Biographie erscheint nicht. (https://web.archive.org/web/20141113092336/htt
p://www.vat-mainz.de/peter-hacks-biographie-zurueckgezogen.php) 28. Oktober 2014,
archiviert vom Original (https://redirecter.toolforge.org/?url=https%3A%2F%2F1.800.gay%3A443%2Fhttp%2Fwww.vat-mainz.
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am 16. April 2016.
15. Argos-Archiv. (https://web.archive.org/web/20110411130245/http://www.vat-mainz.de/progra
mm/sachbuch/argos/index.php) Archiviert vom Original (https://redirecter.toolforge.org/?url=ht
tp%3A%2F%2Fwww.vat-mainz.de%2Fprogramm%2Fsachbuch%2Fargos%2Findex.php)
am 11. April 2011; abgerufen am 16. April 2016. ISSN 1865-049X
16. zeit online: Fundstück(1983) (http://www.zeit.de/1983/49/fundstueck) (abgerufen am 8. April
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17. Leseprobe aus Heft 3/2012 (http://www.sinn-und-form.de/index.php?tabelle=leseprobe&titel
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18. Jakob Hayner: Peter Hacks über Wagenknecht: „Sahra war zu Gast und hat an mir gesaugt
wie ein Vampir“ (https://www.welt.de/kultur/theater/plus248526486/Peter-Hacks-ueber-Wage
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2023.
19. Zum Tode von Peter Hacks von Eberhard Esche. (https://web.archive.org/web/20050410062
032/http://www.weissenseerblaetter.de/h03_03.htm) MDR, 29. August 2003, archiviert vom
Original (https://redirecter.toolforge.org/?url=https%3A%2F%2F1.800.gay%3A443%2Fhttp%2Fwww.weissenseerblaetter.de%
2Fh03_03.htm) am 10. April 2005; abgerufen am 16. April 2016.
20. Zitate. (http://www.peter-hacks-gesellschaft.de/fundgrube.html) auf peter-hacks-
gesellschaft.de
21. Mosebach am 29. Oktober 2007 in einem SZ-Interview
22. Reich-Ranicki in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Ausgabe vom 24. Oktober 2004,
Artikel nicht online: „Fragen Sie Reich-Ranicki: Wie stehen Sie zu Peter Hacks, dessen
Schauspiel Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe Sie
immerhin in den jetzt …“
23. Arno Widmann: Arno Widmann - Oh Herr, lass' Bryson regnen! - Vom Nachttisch geräumt. (ht
tp://www.perlentaucher.de/artikel/3564.html) In: perlentaucher.de. 28. März 2007, abgerufen
am 16. März 2024.
24. Weltbühne, Heft 47/1976, 7. Dezember 1976, S. 1541 ff, abgedruckt in Rotfuchs 219 – April
2016, Peter Hacks: Ein Eduard Bernstein des Tingeltangel (http://www.rotfuchs.net/rotfuchs-l
esen/ein-eduard-bernstein-des-tingeltangel.html)

Normdaten (Person): GND: 118544330 | LCCN: n79135325 | NDL: 00442112 | VIAF: 110219609 |

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