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Aufhebung Der Leibeigenschaft
Aufhebung Der Leibeigenschaft
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DIE
DIE UMGESTALTUNG
DER
IN DEM
IT 11
D R GEORG HAXSSEN,
OrilElM. HEG. -RATH IHB ORDEÜTL. PROFESSOR i* DER l KIVKRSITÄT Zü BERLIN.
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ST. PETERSBURG, 1361.
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/ . - . . .
Im Mai 1861.
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I
Einleitung 1—3
F.rwter Abaehnltt. Ursprung und Entwickelung der schleswig-holsteini-
schen Leibeigenschaft 3—13
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und die jetzt eingezogenen herzoglich Augustenburgischen Güter auf Alsen bil-
den besondere Complexe; ausserdem giebt es noch einzelne Güter im Lande, die
zwar ganz oder grösstentheils die Rechte adeliger Güter haben (die sogenannten
Kanzleigüter), aber doch nicht zu den immatricalirten adeligen Gütern gehören.
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ERSTER ARSCIMTT.
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*) Zwischen den freien Grundeignern und den Sklaven kam bei einigen
germanischen Stämmen schon im Alterthum Auch eine Klasse von hörigen und
Pflichtigen Landbebauern (liti) vor, welche zu jenen ungefähr in dem Verhältnisse
gestanden zu haben scheinen, wie noch jetzt die Häuersleute zu den westphäli-
schen Bauern.
**) F'ür Holstein findet sich die Sklaverei noch erwähnt in einer Schen-
kungsurkunde von 1144, durch welche dem Kloster in Neumflnster ein Hof in
Elmshorn «cum duobus mancipiis» verliehen wurde (mancipia ist gleichbedeutend
mitservi). Cf. Westphalen Monumenta inedita II, 17.
In Schleswig muss die Sklaverei nach Aeusserungen des jutschen Lov (des
mit für Schleswig erlassenen Gesetzbuches von 1240) noch in der Mitte des 13.
Jahrhunderts bestanden haben. Vgl. Falck's Handbuch des schleswig-holsteini-
schen Privatrechts TY, 194 ff. (Altona 1840).
In Russland, wo die Gutsbauern noch im 16. Jahrhundert nach dem Reichs-
gesctze des Czaren Jwan Wasiljewitsch von 1554 auf ihre vorg&ngige Kündigung
frei fortziehen konnten, also nicht an den Grund und Boden gefesselt waren,
scheinen sieh Reste der alten Sklaverei erhalten zu haben und in die spätere
Leibeigenschaft übergegangen zu sein.
Vgl. Schubert's Handbuch der allgemeinen Staatsknnde von Europa I, 182
(Königsberg 1835).
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Jeder gleich viel ganz nahes Land, gleich viel Land von jedem Grade
der Entfernang vom Dorfe, gleich viel Land von jeder Art der Boden-
beschaffenheit, gleich viel Land von jeder günstigen oder ungünstigen
Höhenlage, Himmelsgegend, Terrainformung, Abdachung u. s. w. erhielt
Aus dieser Ackervertheilung entstand von vorn herein die Zer-
legung der Feldmark in eine grosse Anzahl von einzelnen Feldabthei-
lungen (Gewannen, Lagen, Kampen), in welchen ein Jeder gleich-
massig betheiligt war. Die hieraus hervorgehende wirre Gemenglage
und schmale, streifenähnliche Gestalt der zu einem jeden Loose (einer
jeden Hufe) gehörigen Ackerländereien, der häufige Mangel an We-
gen zwischen den einzelnen oft unmittelbar quer auf einander stos-
senden Gewannen und die gemeinsame Beweidung der Aecker auf der
Brache und der Stoppel, beziehungsweise in den Dreeschjahren, machten
eine gemeinsame Rotation und den sogenannten Flurzwang (die Feld-
gemeinschaft) notbwendig, mochte das von der Dorfschaft angenom-
mene Wirtschaftssystem nun die Dreifelderwirtschaft sein , wobei
die sämmtlichen Gewaune auf drei, möglichst gleich grosse «Felder»
zurückgeführt wurden, oder die Vierfelderwirthschaft, oder eine 6,
8, 10 schlägige Feldgraswirthschaft (Koppelwirtschaft) oder irgend
eine unregelmässige, immer aber dem gemeinsamen Beschlüsse unter-
worfene Feldwirtschaft sein. Die eigentlichen Weiden, die Holzungen,
Moore, meist auch die Wiesen, blieben ungeteilt zur gemeinsamen
Benutzung mit ursprünglich gleicher ideeller Berechtigung aller Mark-
genossen und entsprechender Quotirung der Nutzungsrechte bei spä-
teren Theilungen der Landstellen in Halbhufen, Viertelhufen u. s. w.*)
*) Es würde hier zu weit führen, näher in die Geschichte der Dorf- und
Feldniarkverfassung einzugehen; wir müssen uns begnügen, auf die Literatur
dieses Gegenstandes zu verweisen.
Vergl. u. A.:
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den Kirche kam. — Die Bauern konnten das Eigenthum ihrer Hufen
nur in den wenigsten Gegenden behaupten, fast überall finden wir
die alten Hufner, die ihre eigenen Freiherren waren, später zu Colo-
nen (Meier, Lausten, Lassiten) herabged rückt, welchen die — bald
erbliche, bald lebenslängliche, bald zeitpachtliche, bald ganz precaire
Nutzniessuug der Hufen überlassen war. Nach der Auflösung der
Heerbann Verfassung und der bekannten gänzlichen Umgestaltung des
Kriegswesens leistete der Ritter mit seinem Gefolge diejenigen
Kriegsdienste, welche sammt der Ausrüstung und Verproviantirung
früher auf den von ihm erworbenen Hufen ruheten. Die ehemaligen
Prästationen der Hufen zum Heerbann verwandelten sich nun in pri-
vative für den neuen Gutsherrn, der seinen Colonen für die Nutz-
nießung der Stellen Dienste verschiedener Art (für Bauten, Jagden
u. 8. w.), besonders aber die Lieferung von Lebensmitteln zur Unter-
haltung seines kriegerischen Gefolges auferlegte.
Der Grundbesitz des Adels bestand aber noch im späteren Mit-
telalter gleich dem der Geistlichkeit und selbst der Landesherren
vorherrschend nur aus Streuhufen, d. h. aus einzelnen Hufen, die in
verschiedenen und oft weit von einander entfernten Dörfern gelegen
waren.
In dem Dorfe selber, in welchem der Ritter als Markgenosse
wohnte, besass er anfangs (besass sein Vorfahr ursprünglich) nur eine
einzige Hufe*), deren Gehöft durch Befestigung und stattlicheren
Bau (curia) von den Gehöften der übrigen Hufner (mansus) sich unter-
schied, deren Ländereien aber in ihrer uralten Gemenglage**) der
Feldgemeinschaft des Dorfes und den Satzungen der Markgenossen-
schaft .überhaupt unterworfen waren. Und während er selbst viel-
leicht schon auf 10 oder 20 anderen Feldmarken einzelne Hufen mit
dem Untergange der Freibauern an sich gebracht, waren auf dieselbe
Weise andere Hufen seines Wohndorfes in das Obereigenthum anderer
Ritter oder eines Klosters u. s. w. gerathen. So konnten in einem und
demselben Dorfe möglicher Weise eben so viele Grundberren con-
curriren, als Hufen vorhanden waren ***).
*) und nicht einmal immer eine volle Hufe. Jütsches Lov III, 16.
**) Aus dieser Gcmenglage bemühten 6ich die Ritter, all mäh! ig durch Aus-
tausch ihrer Hufenländereien mit den Feldnachbaren herauszukommen. Vergl.
Jütsches Lov I, 54 und über diese Stelle Hanssen im neuen staatsb. Mag. VI, 27.
***) Diese nunmehrige Grundherrlichkeit, unter welcher die ehemals erbge-
sessenen Hufner als blosse Colonen fortwirthschafteten, hinderte nicht den Fort-
bestand der alten Markgenossenschaft, die selbst in den folgenden Jahrhunderten
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Man kann sich über den Hergaug auf den adeligen Gütern nicht
wundern, wenn man erfährt, was in den landesherrlichen Districtcn
selber geschehen ist
So verjagte im 17. Jahrhundert ein Amtmann von Gottorf, Bla-
sius Ranzau, unter den Augen des Herzogs Adolph und ohne dessen
Wissen und Willen Bauern von ihren Hufen, um landesherrliche Vor-
werke zur Vermehrung der Kammer-Iutraden daraus zu machen. Er
bekannte dies auf dem Sterbebette reuevoll seinem Herrn, der aber
erklärte, solches Verfahren ihm nie verzeihen zu können**). Der
Herzog war als gütiger Regent seinen Unterthancn bekannt, und
doch hatten die Verletzten nicht zu klagen gewagt; er inachte nun
gut, so viel er noch konnte.
Die heilloseste Wirthschaft trieb aber zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts die fürstliche (damals vormundschaftliche) Regierung
selber unter dem berüchtigten Görtz.
So wurden 1706 und 1707 die Dörfer Lübbersdorf-, Bollbrügge
und Kremsdorf im Amte Oldenburg und das Dorf Sievershagen im
Amte Cismar gänzlich vernichtet, und andere Dörfer, die man beste-
hen licss, gezwungen, für die neugebildeten Höfe die Dienste zu
leisten.
hende Darstellung vou der allmähligen Bildung der jetzigen adeligen (iUter in
einem Theile des Herzogtums Schleswig fiudet man in Pastor Jensen's Beschrei-
bung von Angeln (Flensburg 1844) p. 203 ff. In Betreff eines einzelnen Gutes vgl.
Mirhelseu, die ältere Geschichte des adeligen Gutes Rundhof in Angeln; im Ar-
chivefilr Staats- und Kirchengeschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein
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nicht mehr die Producte der Colonen, sondern ihre Dienste nöthig,
in welche nun die Lieferungen (Gülten) grösstenteils umgewandelt
wurden*). Die Frohnen mögen erträglich gewesen sein, so lange noch
das Pflichtige Bauernfeld erheblich grösser war als das herrschaftliche
Hoffeld; sie wurden aber immer drückender, je mehr das Hoffeld
durch Vergrösserung des Haupthofes oder Anlegung von Meierhöfen
ausgedehnt und zugleich das Bauernfeld durch Niederlegung von
Hufen oder Verkleinerung derselben vermindert wurde. Standen an-
fangs z. Morgen Hoffeld gegen 1200 Morgen Bauernfeld, so
B. 600
später 900 Morgen Hoffeld gegen 900 Morgen Bauernfeld und zuletzt
oft 1200 Morgen Hoffeld gegen 600 Morgen Bauernfeld. Auch durch
Jahren in Dreesch gelegt wurde, folglich mehr Arbeit als früher er-
forderte**).
Da nun die Gutshöfe, so lange es irgend anging, ohne eigene
Spannhaltung ausschliesslich durch die bäuerlichen Gespanne be-
wirtschaftet wurden, so kann es nicht Wunder nehmen, dass die an-
fangs mässigen Frohnen der Hufner bis zur Erschöpfung ihrer Lei-
stungsfähigkeit ausgedehnt wurden.
Das Uebermaass des Druckes muss häufig dahin geführt haben,
dass die Bauern wirtschaftlich nichtmehr bestehen konnten und ihre
Hufen im Stiche dann mit ihrer schweren Dienstpflicht
liessen, die
nicht immer wieder Eben so waren die In-
besetzt werden konnten.
sten als Tagelöhner und die Knechte und Mägde im bäuerlichen Ge-
sindedienst so schlecht gelohnt und genährt, dass sie lieber auswärts
ihr Fortkommen suchten. Die Gutsherren ergriff daher die Furcht,
oder ein 10 oder lljahriger Betrieb ohne Rapsbau und im Uebrigen mit ungefähr
gleichem Verhältnisse der Acker- und Weidejahre.
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(Altona 1885).
•*) Vgl. Falck l. c. IV, 201 Anmerkung.
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*
ZWEITER ABSCHNITT.
*) Aus derselben sollen hier nur die wichtigeren Schriften citirt werden:
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1760. Der angenannte Verfasser ist ein wohlwollender, vielleicht etwas ge-
strenger Gutsbesitzer der alten Zeit, der den Zustand der Leibeigenen nicht
gerade aber doch ganz erträglich findet und gegen die «der Ver-
idealisirt,
hältnisse unkundigen Stadt-Enthusiasten© polemisirt. (Josias von Quaalen.)
Schräder, Materialien zur Uebersicht und Bcurthcilung der Umstände, welche bei
der vorgeschlagenen Aufhebung der Leibeigenschaft auf den adeligen Gütern
den Herzogtümern Schleswig und Holstein in Betracht kommen. Sehl es -
in
I, 232 ff.
wig-holstein. Provinzialber. 1797, auch im besonderen Abdruck
;
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*) Es wird erzählt, dass einmal ein Gutsbesitzer mit einem anderen einen
Leibeigenen gegen zwei Jagdhunde austauschte, dass Gutsbesitzer Karten um
Leibeigene spielten u. dgl.
**) Es machte also nicht schon «die Luft an sich eigen», und in manche
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in die Lehre und liessen sie frei, wenn nie anderswo ihr Fortkommen finden
konnten.
Hamsrn, Aarheb. A. Leibn*. 2
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*) Von der einen Seite wurde geltend gemacht, dass der Zwang zur An-
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Spannkraft aushelfen.
Die Arbeitszeit dauerte im Sommer von 8 Uhr Morgens (auf
manchen Gütern von 6 Uhr) bis 6 Uhr Abends; in derErndte länger;
im Winter von 8 oder 9 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags, mit
zweistündiger Mittagspause **).
Manche Dorfschaften lagen von den Höfen oder deu zu bearbei-
tenden Hofkoppeln so entfernt, dass über die Arbeitszeit hinaus 2
Stunden und darüber Morgens und Abends für die Hin- und Hertour
erforderlich waren.
An Sonn- und Festtagen durften keine Dienste gefordert werden;
und mehrere Festtage im 18. Jahrhundert gesetzlich aufgehoben
als
wurden, ward zugleich bestimmt, dass diese Tage den Leibeigenen
zur Ruhe und zur eigenen Arbeit gelassen werden sollten ***).
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Alljährlich gegen Maitag pflegte ein neuer Benutzungs-Etat über
das Gesinde aufgestellt zu werden; es fand dann mit dem Uebergange
der sich verh ei rat henden Knechte und Mägde in den Iustenstand das
Aufrücken des bisherigen und das Einrücken des nunmehr dienst-
fähig gewordenen Gesindes nach gutsherrlicher Anordnung Statt.
Nachdem das für die persönliche Bedienung und den Hausstand der
Gutsherrschaft, so wie für den Meiereibetrieb der Höfe nöthige Per-
sonal ausgesucht war, wurden die Uebrigen unter die Hufner vertheilt :
und mussten als sogenannter 5. Mann (zuweilen war dies auch ein
Mädchen) zu den Hofdiensten sich einfinden; mit dem 14 — 15. Jahre
«Grossjungen»; vom 20., 21. oder an traten sie in den
22. Jahre
Knechtestand, erst als Kleinknechte; 4 —
5 Jahre später avancirten
sie zu Grossknechten. Ein ähnlicher Unterschied fand bei deu Mägden
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Das auf den Gutshöfen dienende Personal stand sich etwas besser.
Zu den Emoluinenten der Dienstpflichtigen gehörte auch das
von der Gutsherrschaft gespendete sogenannte Erndtebier (Erndtefest),
welches so sehr als ein herkömmliches Recht angesehen wurde, dass
bei Verpachtung der Höfe die Verabreichung desselben den Hofpäch-
tern contractlich zur Pflicht gemacht und bei Aufhebung der Leib-
eigenschaft der Anspruch darauf von manchen Gutsherrn ausdrücklich
für wegfallig erklärt wurde.
Ueber säramtliche Dienstpflichtige stand der Gutsherrschaft der
sogenannte Dienstzwang zu, d. h. die Befugniss, sie nötigenfalls durch
sie nicht (wenigstens auf den meisten Gütern nicht) persönlich dienst-
pflichtig waren, dieses Züchtiguugsrecht nicht sich erstreckt und ge-
gen sie, wenn sie ihre Verpflichtungen gegen den Gutsherrn nicht
erfüllten, nur das Recht der Auspfändung existirt zu haben.
Bei Verpachtungen wurde der Dienstzwang den Hofpächtern
übertragen *).
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*) Eben so fiel den Gutsherron die Ausgabe fQr die Handhabung der Polizei
und der ganzen obrigkeitlichen Verwaltung überhaupt zur Last; er trug Alles,
waa in freien Distrieten durch Communa) -Abgaben aufgebracht wird, mit Aus-
nahme dessen, was durch die Dicuste der Leibeigenen sich ausrichten lie98.
Selbst kirchliche Prastatinnen scheinen manche Gutsherrn für die Bauern getra-
gen zu haben, wie aus Pachteontracten jener Zeit zu schliessen, in welchen die
Verpflichtung des Pachter« vorkommt, auch die Prediger- und Küstergebuhren
für die Hufner zu zahlen.
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Hufe. Die Pferde waren von *verkrüppelter Rasse und schlecht ge-
nährt*); es wurde deshalb immer mit 4 Pferden gepflügt, wozu ein
Pflüger und ein Treiber erforderlich war, also 4 Leute für den Hof-
Auch die Dünger-
Felddienst, dazu ein fünfter für Hof-Handdienste.
fuhren, Kornfuhren wurden 4 spännig geleistet und doch nur
u. s. w.
schwache Ladung eingenommen bei der damaligen schlechten Beschaf-
fenheit der Wege. Waren die Bauern ausser Stande 4 Pferde für
sich zu halten, so mussten sie mit den abgematteten Dienstpferden
zugleich ihre eigenen Felder bestellen: Abends spät oder gar Nachts
im Mondschein, auch an den Sonntagen, worüber der Gottesdienst
versäumt wurde.
In Folge der schlechten Cultur der Hufenländereien waren die
Erndten auch nur höchst mässig; selbst guten Jahren und auf gu-
in
*) Diese kkine Rasse von Pferden, welche selbst im Winter gar nicht oder
nur bei ausserstem Frost in den Stall kam und auf knapper Weide *jch behelfen
mnsste, ist nach Aufhebung der Leibeigenschaft ganz verschwunden.
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des vorigen Jahrhunderts bei den steigenden Preisen der notwen-
digsten Lebensbedürfnisse durchaus nicht mehr genügend; auch fan-
den sie für diesen niedrigen Tagelohn nicht einmal regelmässige
Beschäftigung auf den Gutehöfen oder bei den Bauern. Es wurde ein
drückendes Monopol gegen sie ausgeübt*).
Auf manchen Gütern wurde ihnen das Winterfutter so knapp
zugemessen, dass sie nur halb damit ausreichten, und auf manchen
Gütern erhielten die Insten weder Weide noch Winterfutter und
konnten gar keine Kuh halten.
Ihre Mahlzeit bestand hauptsächlich in gekochten Kartoffeln, die
mit aufs Feld genommen und dort kalt mit Salz verzehrt wurden.
Die Insten, welche Kühe hatten, mussten aus Noth die Butter
meist verkaufen.
Das nothdürftige Brennmaterial von Holz oder Torf wurde ihnen
zwar von der Gutsherrschaft unentgeltlich angewiesen, kam ihnen
aber, wenn sie für das Einfahren den Bauern Vergütung in Geld oder
Arbeit leisten mussten, theuer genug zu stehen.
Waren die Wohnungen knapp, so musste ein Inste mit seiner
Familie oft mehrere Jahre bei seinen Eltern oder Schwiegereltern in
Einer Stube wohnen, ohne den Genuss eines Kohlhofes u. s. wA zu
haben; er musste auch wohl für seine alten abgelebten Eltern, die
eigentlich schon Gutsarme waren, die Hofdienste verrichten und mit
ihnen deren Wohnung sammt Zubehör theilen.
Ueber die gewöhnliche Beschaffenheit der Insten -Wohnungen
hat ein edelgesinnter holsteinischer Gutsbesitzer im vorigen Jahr-
hundert selber veröffentlicht, dass ihre elenden Hütten mehr das
Ansehen von Viehställen als von menschlichen Wohnungen hätten **).
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Endlich war auch das Gesinde schlimm daran, besonders das
bäuerliche, welches die überwiegende Mehrzahl ausmachte.
Schon im frühen Lebensalter mussten die Knaben, allem Wetter
Preis gegeben, Nachts auf dem Felde schlafen, um dort das Vieh zu
hüten; noch unausgewachsen wurden sie zu schweren Frohndieusten
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Nicht viel mehr ist von dem damaligen Schulwesen der meisten
Güter zu sagen. Das Schulhaus bestand aus einer kleinen Käthe mit
einer engen Schulstube und dem notdürftigsten Wohnräume für den
Lehrer, der gewöhnlich ein ganz ungebildeter Mann aus den unter-
sten Ständen (ein invalider Dürfhandwerker oder dergl.) war und für
eine kümmerlich«* Einnahme von 10—20 Kth baar nebst Weide- und
Winterfutter für eine Kuh und etwas Holz und Brodkorn in den Winter-
monaten Unterricht im Lesen und Auswendiglernen des Katechismus
erteilte. Die Kinder auch schreiben zu lehren, hatten einige Guts-
herren den Lehrern geradezu verboten, damit die Leibeigenen nicht
zu klug würden. Der Schulbesuch war sehr unregelmässig, da die
Kinder zu häufig durch Arbeiten für die Eltern oder durch Frohn-
dienste abgehalten waren *).
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rich Ranzau, hatte mehrere Leibeigene, die über die Entweichung eines anderen
Leibeigenen und die von diesem begangenen Veruntreuungen aussagen sollten,
im Gefängnisse (einem dunklen feuchten Keller) so entsetzlich misshandcln las-
sen, dass drei derselben alsbald starben. Er wurde zu fünfjähriger Landesver-
weisung und bedeutender Geldstrafe verurthcilt.
f) Charakteristisch war, dass auch die Alten statt des landesüblichen «Ihr»
(plattdeutsch Ji oder Jü) nur mit «Du» gleich Kindern und Dienstboten von Guts-
herrn, Pachtern, Inspcotoren u. s.w. angeredet wurden.
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handelte sie sehlecht, weil sie so waren. Ob sie aber nicht so gewor-
den waren, weil sie schlecht behandelt wuraen?
War doch der Bauer in den freien Districten der Herzogtümer
ein ganz anderer Mann.
Manche Gutsbesitzer hatten eine wahre Erbitterung und men-
schenfeindliche Stimmung gegen ihre Leibeigenen gefasst; ein hartes,
rauhes, mitleidloses Wesen war ihnen, wie den Pächtern undOfficialcn
zur zweiten Natur geworden. So wurden auch die Herren und Gebie-
ter durch die Zustände der Leibeigenschaft demoralisirt
Mit einer einmal depravirten Gutsbevölkerung hatten aber selbst
die wohlgesinntesten Gutsherren einen schweren Stand; für alle ihre
Bestrebungen, die Leibeigenen und deren Lage zu bessern, wurden
sie nur mit Undank und Misstrauen gelohnt und fielen dann leicht
wieder in das alte Geleis der Behandlung zurück.
Das physische und moralische Elend hatte sich den Gesichtszü-
gen und der ganzen Haltung der Leibeigenen tief und gewissermaassen
erblich eingeprägt; auf den ersten Anblick waren sie von den Einge-
sessenen freier Landdistricte zu unterscheiden. Ausser Druck und
Noth mag auch das häufige, insbesondese auf kleinen Gütern unver-
meidliche Heirathen in naher Blutsverwandtschaft die Rasse herunter
gebracht haben.
Neben geringerer Fruchtbarkeit der Ehen war die Sterblichkeit
der Kinder grösser als anderswo. So bewirkte die Leibeigenschaft ge-
rade das, was sie verhindern sollte, einen Mangel an Arbeitskräften,
der noch durch das häufige Entweichen von Leibeigenen *) verstärkt
und um so fühlbarer wurde, als die seit den 80ger und 90ger Jahren
des vorigen Jahrhunderts unternommenen Culturverbesserungen der
Gutshöfe eine Vermehrung der Arbeitskräfte erheischte.
Nach Aufhebung der Leibeigenschaft und mit der besseren oe-
konomischen Lage der ehemaligen Leibeigenen ist allmählig gewisser-
maassen ein anderer Menschenschlag auf den adeligen Gütern ent-
standen und die Bevölkerung derselben, die früher in ganzen Jahr-
zehnten stagnirte oder gar zurückging, überall, oft sogar über das
Bedürfniss angewachsen.
Die Leibeigenschaft hatte sich in Holstein schärfer herausgebil-
det als in Schleswig; am schlimmsten war das Verhältniss wohl in
*) Beispiele davon aas der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Provinzial-
ber. 1824, ^eft 4, p. 67. Schon im 17. Jahrhundert wurde von den Gutsherren
Aber dieses Entweichen stark geklagt.
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ihre pers«">nlichc Freiheit sich bewahrt und Angriffe auf dieselbe proccssualisr h
abgewendet hatten, so war dort auch die Erwerbung der Patrimonial-Gerichts-
barkeit nicht allen Gütern gelungen. Auch das Colonat hatte sich hier häufig —
unter dem Namen von Festeverhaltniss — als Nutzungsrecht auf Lebenszeit, hie
und da sogar als erbliches Nutzungsrecht erhalten.
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der Güter gewährte hier grösseren Schutz und auf die Verbesserung
des Schulwesens scheint hier früher Bedacht genommen zu sein.
DRITTER ABSCHNITT.
position 1656 unter der Regierung Königs Friedrich III gestellt, was jedoch we-
niger wahrscheinlich ist Proviuzialber. 1818, pag. 494, Falck's Privatrecht IV,
p. 216.
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Motiv dieses Schrittes giebt er in seinem d. d. Cölln den 19. Juli \G68 für
sich und seine Erben, so wie für alle künftigen Eigenthümer dieser
Güter bindend ausgestellten Freibriefe an, dass er Mitleid mit dem
schlechten und miserabclen Zustand der Leibeigenen fühle und dass
die Leibeigenschaft weder durch die göttliche Schrift begründet sei,
noch der Vernunft entspreche*).
Durch diesen Freibrief wurde den Untergehörigen gestattet, auf
vorgängige ein- bis zweijährige Kündigung und nach richtiger Ablie-
ferung des gutsherrlichen Inventars die Güter zu verlassen. Statt der
Fortgezogeneu sollten freie Leute Aufnahme gegen die Verpflichtung
erhalten, zehn Jahre auf den Hufen und in den Kathen zu bleiben
und die Dienste zu leisten.
Die bisherigen täglichen Dienste wurden ausserhalb der Saat-
und Erndtezeit auf vier Wochentage reducirt, um den Untergehörigen
die anderen beiden Wochentage für die Bestellung ihrer eigenen
Wirthschaft frei zu lassen.
Hiebei rechnete der Graf darauf, dass die Leute nun aus Dank-
barkeit emsiger arbeiten und in vier Tagen mehr leisten würden, als
seither in allen 6 Tagen der Woche. Um sie zugleich für den erwar-
teten grösseren Fleiss zu belohnen, erliess er ihnen ihre Schulden
und die jährliche Geldhäuer von deu Hufen und Kathen, versprach
sogar eine jährliche Kornspende. Die Verwalter, Voigte und übrigen
Officialen sollten mit deu Untergehörigen umgehen «wie ein Vater
mit seinen Kindern». Nur soweit es das Bedürfniss dringend erhei-
sche, sollten die Untergehörigen mit Botenlaufen und Kornfuhren be-
schwert werden. Zugleich wurde in dem Freibriefe die Anstellung ei-
*) Derselbe Graf Ranzau hatte früher durch harte Behandlung seiner Guts-
unterthanen, insbesondere durch grausame Verfolgung angeblicher Hexen (es
war damals die Zeit der ITexenprocesse) sich bemerkbar gemacht und war dos-
halb auch der Criminaljurisdiction für verlustig erklärt und in eine Strafe von
20000 Thalern nebst einer Abgabe an den Fonds ad pios usus von 3000 Thalern
verurtheilt worden. Es scheint darnach, dass Gewissensbisse und Reue über sein
früheres Verfahren ihn iur Freimachung seiner Leiheigenen hauptsächlich be-
wogen haben.
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mit die Güter nicht ruinirt und wüste gemacht würden»; wer heimlich
davon laufe, solle als Ungehorsamer wieder eingeholt und zur Strafe
leibeigen gemacht werden. Der Käufer wurde zugleich auf seinen
Wunsch von der Lieferung der Kornspenden an die Gutsuntcrgehöri-
gen dispensirt und zur Hebung der registerlichen jährlichen Geld-
häuer «nach altem landgewöhnlichem Gebrauche und Herkommen»
wieder ermächtigt.
Das Bemerkenswertheste aber war, dass die Untergehörigen auf
ihr eigenes Begehren wieder zu täglichen Hofdiensten angesetzt wur-
den, weil sie lieber 6 Tage schlaff in alter Weise als 4 Tage ange-
strengt arbeiten wollten. Sie wussten also den Werth der Zeit für ih-
ren eigenen Betrieb noch gar nicht zu schätzen.
Die Freizügigkeit selber war durch die Bedingung, dass die
Wegziehenden an ihre Stelle Fremde herbeischaffen sollten, so gut
wie illusorisch geworden und die Leibeigenschaft muss hier bald wie-
der restituirt worden sein, indem, wie Schräder in seinem Handbuche
der vaterländischen Rechte Theil I, pag. 7 anführt, die Unterthanen
der Güter Schmool und Hohenfelde 1741 angehalten wurden, der
neuen Gutsherrschaft den Eid der Unterwürfigkeit und Leibeigen-
schaft abzulegen.
So war man denn wieder in das alte Geleis zurückgefallen*).
Besser ging es auf dem Gute Caden im südlichen Holstein, wo
die Leibeigenschaft 1704 aufgehoben wurde; doch ist das Genauere
über den Hergang nicht bekannt, auch blieb dieses Beispiel lange ohne
Nachfolge **).
Um 1740 machte Graf Hans Ranzau auf dem Gute Aschberg den
Anfang mit einer durchgreifenden Reform der Gutsverfassung, die von
seinen Nachkommen fortgesetzt und bis 1794 beendigt wurde. Er
verringerte allmählig das Hoffeld, indem er zuerst auf den entfernte-
sten und später auf den weniger entfernten Ländereien bäuerliche
Landstellen gründete und diese an tüchtige junge Leibeigene seines
Gutes erbpachtlich gegen einen jährlichen Canon unter Ertheilung
der persönlichen Freiheit übergab. Mit der Verkleinerung der Hof-
wirthschaft wurden auch die Hofdienste der Dörfer nach und nach
entbehrlich, die Dienstpflichtigen successive von den Hoftagen ent-
bunden, zu Abgaben in Geld als Zeitpächter (später gleich den Hof-
*) üeber den ganzen Fall vgl.: Westphalen mon. ined. III, Vorrede p. 40;
Niemann's Blätter für Polizei und Kultur, 1799 I, 96; Provinzialber. 1818 p. 503.
**) Falck's Privatrecht IV, 214.
Rannen, Aoffceb. d. I.aiboig. 8
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schrift: «Antwort eines alten Patrioten auf die Anfrage eines jungen Patrioten,
wie der Bauernstand uud die Wirthschaft der adeligen Güter im Holsteinischen
an verbessern sein, über die von ihm bis dahin ausgeführte Umgestaltung der
gutsherrlich-b&uerlichen Verhältnisse und den günstigen Erfolg dieser Operation.
(Wieder abgedruckt in den Schleswig -holsteinschen Anzeigen von 1767 und in
den Abhandlungen aus diesen Anzeigen Bd. V; neue besondere Ausgabe Hamburg
1775.) Vergl. auch einen Aufsatz: «Ueber die verbesserte ökonomische Einrich-
tung auf Aschberg», in den Provinzialber. von 1793, 1, 244 ff, so wie die Akten-
stücke zur Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft in den Heraogthümarn,
Hamburg 1798, p. 8 und 12.
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nen Fremden, der bei dem Feste zugegen war, äusserte sieb einer der
Leibeigenen auf Befragen: «er wisse nicht, ob er in Zukunft besser
oder schlechter daran sein werde und frage nach der ganzen Aende-
ruug nichts, verlasse sich jedoch auf die guten Absichten seines wohl-
wollenden Herrn.» Freiheitssinn und Eifer für bessere Kultur wurden
aber bald unter ihnen rege*). Die Bauern wurden zu Erbpächtern ge-
macht und der dritte Theil der Hoflandereien zur Gründung kleinerer
Erbpachtstellen für bisherige Insten und Knechte des Gutes verwen«
det. Der Reinertrag des Gutes stieg sofort um 25 Procent, obgleich
die Bauern so gelinde angesetzt wurden, dass jede Hufe statt der täg-
lichen Hofdienste mit 8 Pferden und 5 Mann und der Extradienste in
der Erndte ein Aequivalent von nur c. 1-20 Rthl. preussisch Courant
an Zinsen für Einlösung der Gebäude und des Inventars, so wie an
jährlichen Erbpachtsabgaben in Geld und Getreide zu übernehmen
hatte.
Dass hiebei der Rein-Ertragder Bauernwirthschaften schon allein
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Wie sehr aber damals noch die Ausicht verbreitet war, dass die
Aulhebung der Leibeigenschaft und Frohndienste ohne gleichzeitige
gänzliche Parzellirung oder wenigstens wesentliche Verkleinerung der
Hoffelder bedenklich sei, ergiebt sich aus der merkwürdigen Bestim-
mung, welche der Besitzer von Seekamp, Graf Schack, in die «Acte
über die Abfindung» der Seekamper leibeigenen Gutsunterthanen d. d.
21. Mai 1789 aufnehmen Hess: dass, wenn dir beabsichtigte Verkauf
der Hofparzellen nicht gelingen sollte, dann die Gutsuntergehörigen
auch frohndienstpflichtig und leibeigen verbleiben sollten. Es ward
nicht nöthig, von diesem Vorbehalte Gebrauch zu machen*).
Die holsteinischen Gutsbesitzer waren in der ganz überwiegenden
Mehrheit — im Gegensatze zu den Gutsbesitzern in Angeln und eini-
gen anderen schleswigschen Gegenden —
eben so wenig zu der Par-
zellirung der Hoffelder als zur Ertheilung von Eigenthums- oder
Erbpachtsrechten an ihre Bauern geneigt, so dass dem vorhin er-
wähnten Beispiele des Grafen Ranzau auf Aschberg nur äusserst We-
nige in Holstein folgten. Unter diesen verdient der Gutsbesitzer
Schalburg auf Nütschau erwähnt zu werden. Derselbe hatte 1777 das
Gut Nütschau (in der Nähe von Oldesloe) gekauft, welches bis dahin
mit den beiden dazu gehörigen Dörfern und deren Diensten für
2900 Rth. holst. Cour. (3480 Rth. pr. Cour.) verpachtet gewesen war.
Von dieser geringen Summe gingen ausser der Contribution von
288 Rth. die Unterhaltungskosten für die Hof- und Dorf-Gebäude und
die häufig erforderlichen Unterstützungen der Leibeigenen mit Saat-
und Brodkorn. Vieh u. s. w. ab, so dass in manchen Jahren die Aus-
gaben durch die Pachteinnahme nicht einmal gedeckt wurden.
Der frühere Eigentümer hatte das Gut schuldenfrei angetreten
und war doch genöthigt, es Schulden halber zu verkaufen; der seithe-
rige Pächter war nach 1 öjähriger Wirtschaft in Concurs gerathen.
Schalburg hob nun 1781 in dem einen und 1785 in dem anderen
Dorfe die Leibeigenschaft auf, übertrug den Hufneru ihre Stellen erb-
lich für eine bestimmte Kaufsumme und gegen einen festgesetzten
für befugt halten. Graf Holk auf Eckhof gründete die Freierklärung seiner Leib-
eigenen auf die ihm zustehende «obrigkeitliche Macht und Gewalt».
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fern kam; und dies in einer Periode, in welcher ganz Holstein klagte
und auf vielen Gütern die Revenuen der Haupthöfe nicht einmal hin-
reichten, um die leibeigenen Unterthanen zu couserviren. Das Gut hatte
jetzt statt 27 leibeigener Familien 80 freie Familien und war, früher
unbedeutend, jetzt «eins der herrlichsten und in Ansehung seiner Be-
wohner eius der glücklichsten im ganzen Lande», wie der Besitzer
versicherte, der einen ausführlichen Bericht über die Reform ver-
öffentlichte, um andere Gutsbesitzer, «welche noch immer eine grosse
Herrlichkeit in der Leibeigenschaft suchten», zu überzeugen, dass
«dieselbe einem jeden Gute ohne Unterschied sehr zur Last sei, ein
Unglück im Ganzen, sowohl für jeden Besitzer als für die Leibeige-
nen , wodurch Population und Industrie erstickt und der Ackerbau
6ehr oft vernachlässigt werden muss. » Es komme aber — fügte er
hinzu — Alles darauf an, die Sache gehörig anzugreifen*).
Aber auch dieser Vorgang blieb in Holstein vereinzelt dastehen.
Die meisten holsteinischen Gutsbesitzer wünschten die Hofwirthschaf-
ten in dem bisherigen Umfange zu conserviren und sahen damals
keine Möglichkeit ein, ohne Frohndienste fertig zu werden und mit
freier Arbeit durchzukommen, was ihnen denn auch von selber den
Entschluss zur Aufhebung der Leibeigenschaft erschwerte.
Indessen überzeugten sich doch Manche allmälig, dass die Frohn-
wirthschaft im Grunde die unrentabelste und kostspieligste Wirth-
schaft sei und suchten deshalb die Frohnen in eine Geidabgabe zu
verwandeln, so wie ihnen ihre Verhaltnisse die hiezu nothwendige
Umgestaltung der Wirtschaft gestatteten und die dienstpflichtigen
Leibeigenen selber hiezu geneigt waren. Es wurden dann Pachtcon-
tracte mit den Hufnern auf eine Reihe von Jahren (gewöhnlich auf 8,
9 oder 10 Jahre) abgeschlossen und ihnen die Nutzniessung der Hu-
fen gegen eine jährliche Geldprästation überlassen, die in der ersten
Pachtperiode häutig als Dienstgeld, später en-t allgemein als Pacht-
geld bezeichnet wurde; daneben wurden gewisse unentgeltliche Hülfs-
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gen auf dem holsteinischen Gute Rixdorf in den Provinzialber. 1798, 1, 98 ff.
**) In « inera Aufsätze: üeber die Aufhebung der Dienstpflichtigkeit und
Leibeigenschaft in den Provinzialber. 1795 T I. 269 ff. wird versichert: es sei da-
mals bereits durch die Erfahrung bestätigt, dass das Dienstgeld, welches zur Be-
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Pachtgeld erhöht werden. Ferner blieb dem Gutsherrn das Recht re-
servat, alle für die Hofwirthschaft nöthigen Leute aus dem Gute aus-
zuwählen, bevor die Hufner sie in Dienst nehmen durften, ja sogar
von den Hufen Leute wegzunehmen, wenn Stockungen auf dem Hofe
durch plötzliche Todesfalle entstehen sollten. Auf Tralau wurde be-
dungen, dass, wenn der Hufner mehr Söhne und Töchter habe, als für
streitung derMehrkosten der Hofwirthschaft nöthig sei, auch recht gut von den
Fröhncrn die nun weniger Leute zu hallen brauchten uud statt der vielen Pferde
,
dig und richtig würdigen. Diese Calcüls aber zu rectificiren, ist uns jetzt nach
Verlauf von 60 Jahren und darüber aus Mangel an den erforderlichen Unterlagen
nicht mehr möglich.
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dem Hofe
seine eigene Wirthschaft nöthig seien, diese auf Verlangen
gegen den üblichen Lohn zu überlassen seien und dass dieselben nur
mit herrschaftlicher Erlaubnis** anderweitig sich vermiethen dürften.
Aehnlich wurde auf Hohenfelde bestimmt, dass die Hufner mit
gutsherrlicher Erlaubniss einen Knecht und ein Mädchen mietheu
oder von ihren Kindern im Dienste zurückbehalten könnten; wenn sie
aber mehr dienstfähige Kinder hätten, diese nach wie vor zur Verfü-
gung der Dienstherrschaft stellen müssten.
Wie wenig manche Gutsbesitzer noch gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts an die baldige Aufhebung der Leibeigenschaft auf ihren Gü-
tern dachten, davon zeugeu die Pachtcontracte der Hufner des l'/4
Meile westlich von Kiel gelegenen Gutes Quarnbeck von 1797, in
welchen die Gutsherrschaft, obgleich sie auf die in den Herzogthü-
mern ungewöhnlich lange Zeit von 30 Jahren die Hufen verpachtete*),
doch die Absicht aussprach, für diese ganze Periode die Leibeigen-
schaft beizubehalten.
Andere Gutsbesitzer dagegen trugen kein Bedenken, sogleich mit
der Einführung der Hufen-Pachtwirthschaft auch die Leibeigenschaft
aufzuheben, wieu. A. der Graf Luckner auf Blumendorf bei Oldesloe
Doch wir sind nunmehr schon der Zeit nahe ßetreten, in welcher
die allgemeine Aufhebung der Leibeigenschaft in den Herzogtü-
mern zur Bcrathung und Beschlussfassung der Gesammtheit der be-
theiligten Gutsbesitzer gestellt wurde.
Uebef die Einleitung, den Fortgang und das endliche Ergebniss
der hierüber geführten Verhandlungen wollen wir ausführlich berich-
ten, weil zur Erreichung dieses Zieles ein eigentümlicher Weg in
den Herzogtümern eingeschlagen worden ist und es auch jetzt noch
nach Ablauf von 60 Jahren nicht uninteressant sein wird, einen
Rückblick auf den Kampf zu werfen, welcher damals gegen das
furchtsame Festhalten an dem Bestehenden geführt werden musste.
Vorgearbeitet war schon durch die einheimische Presse, welche
in den letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts, als die philan-
thropischen und politischen Ansichten über allgemeines Wohlergehen,
unveräusserliche Menschenrechte und bürgerliche Freiheit immer
mehr sich Bahn brachen, mit steigender Lebhaftigkeit und Eindring-
*) Spater sind dort dieflufen wieder auf kürzere Perioden verpachtet worden.
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Derselbe, (in dänischer Sprache) Ober die Vorbereitung zur Aufhebung der
Leibeigenschaft auf den adeligen Gütern in Schleswig und Holstein, unter Mit-
wirkung des Staatsministnrs Grafeu Bernstorff; in den Schriften der skandinavi-
schen Literatorgeseilschaft, Kopenhagen 1805, Bd. I.
v. Fggers war Mitglied der deutschen Kanzlei (der damaligen höchsten
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*) Damals waren die Löhnungen in den freien Districten nicht bloss schon
erheblich höher, als in den gutsherrlicben, sondern in weiterer Steigerung be
griffen, woraus diese Angst mancher Gutsbesitzer sich erklärt, in der Nachfrage
nach Arbeitern der freien Concurrenz ausgesetzt zu werden. Indessen war in der
damaligen Zeit der Culturerweiterungen und landwirtschaftlichen Meliorationen
bei hohen Productenpreisen die stärkere Verwendung von Arbeitskräften gegen
zwar höhere, aber keineswegs zu hohe Löhnungen für die Arbeitgeber immer
noch sehr rentabel; auch nahm die Bevölkerung rasch zu und damit das Ausgebot
ton Arbeit.
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nehmen wollten oder nur etwa die jungen Knechte und Mägde? *)
Auch durch die Freilassung Aller würde der Gutsherr noch nicht von
der Verbindlichkeit befreiet, sie im Verarmungsfalle zu ernähren. Und
*) Es war damals wirklich nicht selten der Fall, dass wenigstens ältere
Leibeigene lieber in dem bisherigen Zustande verharren, als eine ungewisse Zu-
kunft antreten wollten. Daher hatte selbst Graf Banzau ursprünglich den Vor-
schlag gemacht, dass allen Leibeigenen, die ein gewisses Alter schon erreicht,
die Wahl gelassen werden sollte, ob sie Leibeigene bleiben oder Freie werden
wollten. TTeberhaupt scheint bis gegenKnde des vorigen Jahrhunderts der Wunsch
nach Freiheit keineswegs sehr allgemein unter den Leibeigenen in den Herzog-
thttmeru verbreitet gewesen zu sein. Auf manchen Gütern waren sie in einer ganz
erträglichen Lage und wurden in jener Zeit schon so human behandelt, dass hier
selbst Freie in die Leibeigenschaft sich begaben und die Unfreiheit kaum em-
pfunden wurde. Auf den meisten Gütern aber waren sie durch Druck und N'oth
zu stumpf und lethargisch geworden, nm das Bedürfnis« persönlicher Freiheit zu
empönden. Die ganze Bewegung ging von den gebildeten Standen und von edle*
ren und weitersehenden Gutsbesitzern selber aas.
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laute, in welcher nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und seitheriger
Procedur die Majorität den Ausschlag gebe.
Auf die sonstigen im Circulair enthaltenen speciellcn Fragen,
welche insbesondere auch auf die Soldaten -Stellung der Güter sich
bezogen, wareu sehr abweichende Erklärungen eingelaufen; manche
Gutsherren hatten diese Fragen ganz mit Stillschweigen übergangen,
andere allerlei neue Vorschläge gemacht, welche die Commission in-
dessen schon vorher erwogen und als unpassend verworfen hatte.
Die Commission erliess nun, nachdem Graf Ranzau in der Sit-
zung vom 7. März 1797 Bericht erstattet hatte, unterm 11. März eine
Vorstellung an den König, in welcher sie Demselben anzeigte, dass
der von der Ritterschaft und den übrigen Gutsbesitzern ihr gewordene
Auftrag zur Einleitung einer allgemeinen Aufhebung der Leibeigen-
•
schaft auf den adeligen Gütern beider Herzogthümer mit dem er-
wünschten Erfolge beendigt Wenn
heisst es im Ein-
sei. es früher —
gange dieser Vorstellung —
zuweilen nöthig gewesen sei, die Auf-
rechthaltung der Gerechtsame der adeligen Güter vom Monarchen zu
erflehen, so sei es jetzt um so erfreulicher, dem Throne sich zu nä-
hern, um ein Opfer darzubringen, welches, von dem Gefühle für Men-
schenwohl und Menschenglück eingegeben, nicht eine durch Umstände
erzwungene Nothwendigkeit sei; die allgemeine Stimme, besonders
habe zu diesem Schritte die erste Veran-
die der Gutsbesitzer selber,
lassung gegeben; der Wunsch,dem allergnädigsten Landesherrn einen
ungeheuchelten Beweis wahrer Ergebenheit und Vaterlandsliebe dar-
zubringen, ihn vollends zur Reife gebracht. Mit Ausnahme eines Ein-
zigen hätten sämmtliche Gutsbesitzer für die Aufhebung der Leibei-
genschaft sich erklärt; die meisten seien entschlossen, dies Geschäft
binnen 8 Jahren zu vollenden, einige andere aber durch besondere
Verhältnisse genöthigt, einen längeren Zeitraum sich vorzubehalten.
Zugleich wurden die von mehreren Seiten geäusserten Wünsche, wel-
che 1) die Autorisation der Fideicommissbesitzer, Testaments-Execu-
toren und Vormünder unmündiger Gutsbesitzer zu der beabsichtigten
Maassregel, 2) die Erleichterung der Stellung der Landausschussleute
besonders für die an der Grenze gelegenen Güter und 3) den Erlass
einer Gesindeordnung betrafen, der allerhöchsten Berücksichtigung
empfohlen, endlich auch die Hoffnung ausgesprochen, dass die Aufhe-
bung der Leibeigenschaft die Rechte der Güter nicht beeinträchtigen
werde.
Nachdem zuvörderst die beiden Obergerichte für Schleswig und
Holstein in ihren von der deutschen Ganzlei erforderten Gutachten
Hanf §r n , AoflieU. d. Lcitwi«. 4
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*)Schon vou 1797 an hatte sich das Gerücht verbreitet, dass eine solche
Umänderung der Militairpflicht im Werke sei; es hiess aber zugleich: dass die-
selbe nur bei den adeligen Gütern mit schon freier Bevölkerung sofort eintreten
würde, während es auf den übrigen Gütern bis zur Aufhebung der Leibeigen-
schaft beim Alten bleiben solle. Dadurch wären erstere gegen letztere prägravirt
worden, insofern sie eine grössere Aushebung von llekruten zu gewärtigen hat-
ten, als wenigstens auf den meisten Güteru bei der bisherigen Stellung nach dem
Contributionsfuase herauskam. Bei ihrem Widerwillen gegen den Militairdienst
sahen daher die Leibeigenen selber gcrue die Verlängerung der Leibeigenschaft
und so konnte es kommen, dass manche Gutsbesitzer aus blosser Gefälligkeit
gegen ihre Leibeigenen mit der Aufhebung zögerten. Die Verordnung vom 1.
August 1800 machte, indem sie die Güter mit und ohne Leibeigenschaft gleich-
massig behandelte, dieser Auffassung ein Ende.
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nur ein Kohlhof und ein Antheil an der Benutzung des Torfmoor* beigelegt ist;
dagegen bezieht sich die Vorschrift zufolge einer nachtraglichen Verfügung vom
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11. October 1P05 mit auf die neuen landwirtschaftlichen Stellen, welche auf
parzcllirten Hoffeldern entstanden sind.
•) AI« bestimmte Dienste sind nnr diejenigen zu achten , welche entweder
eine gewisse Anzahl von Tagen oder das Maass der Geschäfte und Arbeiten fest-
setzen. Bei Bau-und Wege-Fuhren sind die betreffenden Gebäude und Wege r\\
bezeichnen und es sind diese Fuhren der Reihe nach von den Pflichtigen zu
fordern. Authentische Interpretation durch Patent vom 30 April 1806.
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Die Pächter der Haupt- und Meierhöfe müssen den Wegfall oder
die Beschränkung der ihnen in den Pachtcontracten zugesicherten
Hofdienst* gegen eine billige, nach dem erweislichen Schaden, den sie
erleiden, zubemessene Entschädigung sich gefallen lassen.
Alle Differenzen, welche zwischen den Gutsherren und den Hof-
pächtern über diesen Punct, so wie zwischen den Gutsherren und den
Untergehörigen aber die abgeschlossenen Comracte, Ober die den
ehemaligen Leibeigenen unter den oben angegebenen Umständen ge-
bührenden Abfindungen u. s. w. entstehen, sind in den ersten 5 Jah-
ren nachErlass dieser Verordnung ohne förmlichen Rechtsgang durch
ein vorgeschriebenes summarisches Verfahren zu erledigen. —
Mehrere dieser Bestimmungen bedürfen einer näheren Erläuterung.
ad 1. Für die Aufhebung der Leibeigenschaft nach Maassgabe
der Verordnung vom 19. December 1805 haben die Gutsherren eine
Entschädigung weder aus der Staats-Casse noch von ihren Leibeige-
nen erhalten, auch nicht beansprucht Eine solche Entschädigung wäre
auch in Hinblick auf die anderweitigen Bestimmungen der gedachten
Verordnung völlig überflüssig gewesen. Die Gutsherren selber gewan-
nen durch die Lösung des Bandes mindestens eben so viel als die
Gutsuntergehörigen.
ad 2. Hiernach wurden also die Gutsbesitzer bei Aufhebung der
Leibeigenschaft nicht verpflichtet, den bisher leibeigenen Hufnern,
Käthnern und Landinsten das Eigenthum an den bäuerlichen Land-
stellen zu verleihen oder auch nur die fernere Nutzniessung derselben
zu laBsen. Die Gutsbesitzer prätendirten das unbeschränkteste Eigen-
thumsrecht über das gesammte Bauernfeld und hatten auch darüber
seither nach Willkühr verfügt Die Regierung verzweifelte daran, die
Frage, ob den Gutsbauern ursprünglich ein Miteigenthumsrecht an
den Ländereien zustehe, zur Gewissheit bringen zu können; sie hielt
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So wurde 1700 das Gut Oche in Angeln in der Weise parzellirt, dass sämmtlichc
l.ändcrcicu, nicht bloss die Iloflandereien, sondern auch die Dorffildmarkeu, als
oh die Hufen und Kathen gar nicht vorhanden wären, in eine Masse geworfen
und hieraus neue Landstellen (Parzellen) von beliebiger Grösse gebildet wurden,
die der Gutsherr zu möglichst hohen Preisen verkaufte, und zwar grösstenteils
an Fremde. Die Gutsuntergehürigcn hatten keine Mittel, um sich anzukaufen;
einige, die es versuchten, gingen bald zu Grunde; die meistcu ehemaligen Ilufner
und Käthner werden als heiraathsberechtigte Gutsarmc bis zu ihrem Aussterben
kümmerlich ernährt wordeu sein.
**) Ein Gutsbesitzer, welcher in den Provinzialber. von 1795, I, 190 ff. an-
gegriffen wurde, dass er eine Anzahl von Bauern abgesetzt habe, um aus den
Hufen einen Meierliof zu bilden, entschuldigte sich (ebendaselbst in einer Bei-
Inge) damit, dass er vor allen Dingen die ihm lästigen Frohndienste hätte los
sein und den Bauern die Stellen auf 20 Jahre hätte verpachten wollen, diese
aber die Annahme seines Vorschlages durch allzu niedrige Pachtgebote verwei-
gert hätten.
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K- .... s.j-v^-.v
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Schwindel veranlasst und die Gflterpreise stiegen trotz der Vermehrung der
Steuern und der Erhöhung des Zinsfusses. Es reutirte sich daher stark, Mcier-
höfe thcils durch Landabnahme von den Haupthüfen, die manche Gutsbesitzer
ohnehin mit dem Wegfalle der Frohnen verkleinern zu müssen glaubten, theils
durch Niederlegung von Hufen zu gründen und dann zu veräussern oder zu ver-
pachten; im ersten Falle fandman auch genug Käufer für das blosse Land, welche
dann die nöthigen Wirtschaftsgebäude selber aufführten; die verkaufenden
Gutsbesitzer bekamen so ein ansehnliches Betriebscapital in die Uände, um nun
ihre Hofwirtbschaft für eigene Spann- und Leute-Haltung statt der bisherigen
Frohnen einrichten zu können. Eine beträchtliche Anzahl solcher Meierhöf«
(circa 60) sind 1805 mit Genehmigung der Regierung von ihren Stammgütern
getrennt und zu selbststäudigon adeligen Gütern erhoben worden.
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versuchen die Dienste definitiv festsetzen mussten. Im Grunde hör-
ten bei dem äussersten Widerstreben der einen oder anderen Par-
tei der Einfluss und die Macht der Commissarien auf. Denn nach
sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung stand es jedem Gutsbe-
sitzer frei, die dermaligen Bauern, wenn sie sich in seine Forderun-
gen nicht fügen wollten, durch Bewilligung des Altentheils von den
Hufen zu entfernen und von Anderen für die Nutzung der Hufe so
viel an Diensten oder anderen Aequivalenten zu bedingen, als sie zu
ei langen im Stande waren; und andererseits konnten auch die vor-
handenen Hufner, wenn sie eigensinniger oder fauler Weise die Lei-
stung selbst massiger Dienste nicht übernehmen wollten, zur Ueber-
nahme dieser Dienste und zum Verbleiben auf den Hufen nicht ge-
zwungen werden, dagegen den Altentheil für sich erzwingen. Auch ent-
wickelte sich das ganze Verhältnis bald so, dass die Bestimmungen
über das Maass der Dienste nicht entscheidend für die Lage der ehe-
mals leibeigenen Bauern wurden, indem das Pachtgeld gegen die
Dienste in den Vordergrund trat und der Gutsherr unabhängig von
jeder commissarischen Regulirung dieses so weit steigern konnte, als
er Pachtlustige bereit fand, auf seine Forderungen einzugehen.
Gleich nach Aufhebung der Leibeigenschaft waren auf manchen
Gütern arge Streitigkeiten zwischen den Gutsherren und Untergehö-
rigen über die Arbeitszeit und andere Puncte ausgebrochen und stö-
rende Widersetzlichkeiten der Dienstpflichtigen vorgekommen. Die
Regierung suchte diesem Uebel vorläufig durch ein Plaeat vom 26.
April 1805 abzuhelfen, worauf unterm 17. Juli 1805 eine genaue
Dienstordnung folgenden Inhalts erlassen wurde:
1) Die in den Contracten bestimmten Hand- und Spanndienste
dürfen nicht das Maass überschreiten, dass die Dienstpflichtigen ihre
Landstellen nicht mehr gehörig betreiben können. Beschweren sich
Dienstpflichtige über contraetliche Ueberbürdung, so ernennt das betref-
fende Ober-Dikasterium zwei Sachverständige, und es tritt, wenn diese
die Beschwerde für begründet erachten, nach deren Vorschlug eine
richterliche Ermässigung der Dienste ein. Dann sind aber die Geld-
abgaben an den Gutsherrn entsprechend zu erhöhen, sofern letztere
wegen der starken Dienste um so niedriger bestimmt waren und so-
fern die Dienstpflichtigen bei dieser Erhöhung noch bestehen können*).
Die für die Saat- und Erndtezeit versprochenen Hand- und
*) Solche Regulirnng könnt« nur bis zum Ende der jedesmal laufenden
Pachtperiode bindende Kraft haben.
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Spanndieusttage sind so zu vertheilen, dass den Dienstpflichtigen zur
Besorgung ihrer eigenen Feldarbeit die nöthige Zeit bleibt.
2) Sind Hand- und Spanndienste zur Wiederaufführung und
Reparatur der Gutsgebäude übernommen worden, so gilt dies nur
für die zur Zeit der Abschliessung des Contractes vorhandenen Ge-
bäude, weshalb die Hofgebäude in den Contracten speciell zu ver-
zeichnen sind *). Diese Dienste dürfen nur der Reihe nach gefordert
werden und bei grossen Bauten nur in so weit, dass die Wirthschaft
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geschehen mit der Bestimmung, zu welcher Zeit und zu welchen Ar-
beiten die Dienstpflichtigen sich einfinden sollen, damit dieselben mit
den erforderlichen Feldgeräthschaften sich versehen können. Jedoch
genügt in der Heu- und Kornerndte, wo die Arbeit nach der Witte-
rung sich richten muss, die allgemeine Ansage zur Arbeit auf den fol-
genden Tag.
Bei unvermuthet eintretender Verhinderung können angesagte
Arbeiter noch am Morgen abbestellt werden. Befindet sich aber der
Dienstpflichtige schon auf dem Wege zur Arbeit, so wird der Tag
als voll geleistet ihm angerechnet
Insten, die sich verpflichtet haben, gegen festgesetzten Tagelohn
an jedem Wochentage oder an einigen bestimmten Wochentagen zu
arbeiten, brauchen nicht zur Arbeit angesagt zu werden.
7) Wenn nicht durch Vereinbarung etwas Anderes festgestellt wor-
den, beträgt die tägliche Arbeitszeit nach Abzug der üblichen Pausen
10 Stunden, sofern die Länge des Tages dieses zulässt. In der Jahres-
zeit, inwelcher nach Abrechnung der Pausen nicht 10 Stunden von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zur Arbeit übrig bleiben, wird die
mittägliche Ruhezeit auf Eine Stunde (12 —
1 Uhr) beschränkt und
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(Pächter, Verwalter) für ihre Rechnung Andere dingen oder von ihnen
das Doppelte des fttr die betreffende Arbeit ortsüblichen Tagelobns
verlangen. Ueberdies sind die vorher erwähnten Geldstrafen zu ent-
richten.
10) Bleibt ein angesagter Dienstpflichtiger ohne gültige Verhin-
derung aus, so kann die Arbeit auf Kosten des Ausgebliebenen ver-
dungen oder letzterer zur Zahlung von dem Doppelten des fttr die
betreffende Arbeit ortsüblichen Tagelohns als Schadenersatz angehal-
ten werden.
11) Folgt eine Reihe von Strafbestimmungen, resp. Geld - und
Gefängnissstrafen fttr verspätetes Eintreffen zur Arbeit, Ungehorsam
oder Widerspenstigkeit bei der Arbeit, Aufwiegelung Anderer zur
Widerspenstigkeit, thätlicbes Vergehen gegen die Aufseher, Pächter
oder Gutsbesitzer selber (im letzten Falle bis zu 5 Jahren Zuchthaus).
12) Entstehen Streitigkeiten über die Erfüllung der Dienstpflicht,
so müssen die angesagten Dienste desungeachtet unweigerlich gelei-
stet werden, wohingegen dem Dienstpflichtigen der Regress wegen
geleisteter nicht schuldiger Dienste vorbehalten bleibt. Ergiebt sich,
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a) die gutsherrlichen Dienste und sonstigen Leistungen sollen in
den Contracten genau bestimmt werden. (Schon in der Verordnung
v. 19. December 1804 und dem Patente v. 26. April 1805 enthalten.)
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>
Der Üerich tshalter inuss alle vier Wochen eine ordentliche Ge-
richtssitzung an einem ein für allemal bestimmten Wochentage abhal-
ten. Bei allen gerichtlichen Handlungen sind zwei unbescholtene
Stellenbesitzer aus dem Gute als Zeugen zuzuziehen.
Es ist den Besitzern mehrerer an einander stossender adeliger
Güter gestattet, mit landesherrlicher Genehmigung ein gemeinschaft-
liches Gericht zu constituiren *).
Demnach darf der Gutsherr seit 1805 nur noch die obrigkeitli-
che Gewalt und die Polizei (insofern kein rechtliches Verfahren dabei
statt findet) in Person oder durch einen beliebig von ihm ernannten
9
VIERTER ARSCHNITT.
**) Auch hierzu haben sich, soviel bekannt, nur wenige Gutsbesitzer ent-
schlossen, indem die Behauptung der Gerichtsherrlicbkeit immer noch als eine
Ehrensache angesehen wird, welche selbst betrachtlicher peenniairer Opfer
werth sei.
**) Darüber ist das Nähere erst 1887 von der Regierung festgestellt worden.
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nach der Aufbebuug der Leibeigenschaft und der Hofdienste sich ge-
staltetenund weiter entwickelten, müssen wir einer Reform des
Agrarwesens gedenken, welche zwar an und für sich in keiner not-
wendigen Beziehung zu der Ertheilung der persönlichen Freiheit und
der Abschaffung der Hofdienste steht, indessen aus sehr triftigen
Gründen von sämmtlichen Gutsbesitzern entweder gleichzeitig ausge-
führt wurde oder schon vorher ausgeführt war: wir meinen die Auf-
hebung der Feldgemeinschaft auf den Dorfländereien.
Bereits im ersten Abschnitte ist die aus der uralten Markgenos-
senschaft entsprungene Feldgemeinschaft in ihren Grundzügen skiz-
zirt und zugleich gezeigt worden, dass die grundbesitzenden Kitter
anfangs gewöhnliche Markgenossen und für die von ihnen bewohnten
Hufen der Feldgemeinschaft unterworfen waren, später aber mit der
Bildung von Gutshöfen aus zusammengeworfenen und niedergelegten
Bauernhufen dem Nexus sich entzogen, indem sie ihre Wohn- und
Wirthschaftsgebäude aus den Dörfern verlegten und die nunmehrigen
Hofländereien zu einem abgesonderten Complexe vereinigten. Dies
war nicht ohne vielfachen Austausch mit den Ländereien der übrigen
conservirten Hufen des betreffenden Dorfes auszuführen, weil die zu
einer jeden eingezogenen Hufe gehörigen Ländereien in allen Feld-
abtheilungen zerstreuet und im Gemenge mit den Ländereien der
übrigen Hufen lagen; und solcher Austausch musste wiederholt vor-
genommen werden, wenn späterhin durch weitere Niederlegungen von
Hufen oder auch durch Landabnahme von denselben die Gutshöfe
vergrössert oder Meierhöfe angelegt wurden. Offenbar griff die ganze
Procedur, abgesehen von dem Ruine so vieler Bauern, störend in den
landwirthschaftlichen Betrieb der solchergestalt verkleinerten Dorf-
schaft ein, weil deren Ländereien in Feldgemeinschaft gelassen wur-
den, welche aber nun einer neuen Regulirung auf Grund einer ander-
weitigen Eintheilung der gemeinsamen Dorf-Felder bedurfte *).
*) Am einfachsten machte sich die Sache, wenn ein ganzes Dorf auf einmal
niedergelegt wurde, uro einen Gutshof daraus zu bilden, während die übrigen
Dörfer des Gutes ganz erhalten blieben, um die Hofdienste zu leisten.
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men Beschluss geändert, hie und da auch, wenn Zweifel und Streit
entstanden, in schriftliche Satzungen gebracht uud dann wohl der
Gutsherrschaft als der Obrigkeit zur Bestätigung vorgelegt*).
Das unter der Feldgemeinschaft getriebene Wirtschaftssystem
muss im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende mit dem Vor-
schreiten aus dem extensivesteu Betriebe der ältesten Zeit (wenig
Ackerbau, vorherrschend Weidewirthschaft) manche Abänderung er-
fahren haben.
Dass in den Herzogthümern je die Dreifelderwirthschaft existirt
habe und feldgemeinschaftlich betrieben worden, wie auf den däni-
schen Inseln, in Mecklenburg, im inneren Deutschland, überhaupt in
den meisten Ländern Europas, hat bis jetzt nicht erwiesen werden
können, wenn auch einzelne Stellen in mittelalterlichen Gesetzen und
Urkunden dahin ausgelegt worden sind.
so wohl aus Gutsdörfern als aus freien Dörfern der Herzogtümer in den Archi-
ven noch vorhanden. So u. A. im Archive des Gutes Rundhof in Angeln eine Be-
liebung des Dorfes Wippendorf von 1732, also aus der Blüthczcit der Leibeigen-
schaft, in weicheres heisst: es sei «einstimmig beliebet»», «für gut befunden», »be-
schlossen worden* u. s. w. Die Beschlüsse der Dorfschafteu bezogen sich auch
auf andere als agrarische Angelegenheiten, z. B. auf die gemeinsame Leichen-
folge. Contraventionen gegen die Satzungen sind in den Dorfwillkührcn mit Geld-
strafen bedroht, deren Betrag gewöhnlich bei der Fastnachtsfeier nach alter Sitte
von der Dorfschaft vertrunken wurde, in Wippendorf jedoch für die Armenkasse
bestimmt war.
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Es mag dies in Holstein gegen Ende des 16. oder zu Anfang des
17. Jahrhunderts, in Schleswig 50 bis 100 Jahre später geschehen
seinund mit der Einführung der grossen Milchwirtschaften (von 2—
300 Kühen) auf den Gutshöfen zusammenhängen **).
Die Bauern folgten allmählig diesem Beispiele, soweit die Bei-
behaltung der Feldgemeinschaft es zuliess, und mit denjenigen Modi-
fikationen, welche der geringere Umfang ihrer Wirthschaften gebot.
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts finden wir die Hauptmasse der
Ländereien einer Dorffeldmark in 6— 8 Koppeln .gelegt und unter
schlagmässiger Feldgraswirthschaft gehalten. In jeder dieser grossen
Dorfkoppeln hatte ein jeder Vollhufner, Halbhufner u. s. w. seinen
verhältnissmässig gleichen Antheil Landes, Stück um Stück im Ge-
menge mit den Feldnachbaren und so zerstreut, dass eine Vollhufe
Die Gemeindeweiden waren oft nicht» anderes, als durch die ßeweidung
*)
devastirte Holzungen. Auf vielen Gütern scheinen die uralten Holzungen der
Markgenossenschaft grösstenteils den gutsherrlichen Forsten incorporirt worden
zn sein; letztere wurden selbst durch eingezogene Hufen -Ackerländereien ver-
grössert, was noch jetzt aus der Bezeichnung mancher guUherrlichen Holzkoppeln
sich erkennen lässt.
dahin war die Viehwirthschaft der Gutshöfe hauptsächlich auf die
•*) Bis
Grasung und Fütterung von Ochsen gerichtet, welche jung aus dem nördlichen
Schleswig und Jütland, auch aus den Bauernwirthschaften der Umgegend aufge-
kauft und später an die Marschen abgesetzt wurden, wo sie durch die Fettweiden
ihre Ausmästung zur Srhlachtwaare für den Hamburger Markt erhielten. Tn noch
älterer Zeit lieferte die Schweinemastung in den Wäldern den Hauptertrag der
Güter; es wurden tausende von Schweinen von den benachbarten Städten undGegen-
den gegen eine gewisse Abgabe zur Herbstmast in die Waldungen aufgenommen.
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*) Auf einigen Gütern scheinen die Bauern zuletzt nicht mehr gleiche Schlag*
wirthschaft auf diesen Dorfkoppeln gehalten zu habt*n, so dass auf derselben
Koppel Winterfrucht, Sommerfrueht, Dreeschweide bunt neben einander vorkam,
wobei denn das Vieh nicht mehr gemeinschaftlich geweidet wurde, sondern Jeder
dasselbe auf seinen Stücken tüddern musste.
**) Die rührigen Bauern in Angeln waren schon seit dem 16. Jahrhundert
bemüht, durch Austausch von Ländercien unter den nächsten Feldnachbaren Kop-
peln zu bilden, die sie dann mit gegenseitiger Connivenz von der Feldgemein-
schaft eximirten. Da dies aber nicht nach Einem Plane und aus Einem Gusse auf
einer ganzen Feldmark ausgeführt wurde, so sind auf diese Weise in Angeln viel«
kleine und unregelmassig geformte Koppeln entstanden.
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eintheilung, wie des Ausbaus ihm allein zur Last 4""); und es kam also
darauf an, ob er im Stande war, eine so bedeutende Kapitalauslage
zu machen, die erst später durch erhöhete Einnahme aus den Hufen
sich verzinsen konnte.
Die Gutsbesitzer fassten die Sache indessen mit Energie an.
Nicht wenige Feldregulirungen der Gutsdörfer waren schon vor Ab-
lauf des vorigen Jahrhunderts beendet; und zur Zeit der gesetzlichen
Aufhebung der Leibeigenschaft werden nur wenige, vielleicht gar keine
noch rückständig gewesen sein.
Auch in den landesherrlichen Aemtern war die Reform bald
nach dem Beginne des 19. Jahrhunderts schon fast allgemein durch-
geführt worden und es ist der Ruhm der Herzogthümer wie Däne-
marks, so durch ein wohlgeordnetes Agrarwesen unter allen Ländern
Europas den ersten Rang erlangt zu haben. —
*) Im sogenannten grossfürstlichcn Antheil von Holstein war schon kurz
vor der Wiedervereinigung desselben mit dem altköniglichen Antheile mit dieser
Regulirung der Feldmarken ex officio ohne alle Provocation der Feldinte"ressen-
ten der Anfang gemacht worden: 1768.
Vgl. Hanssen, das Amt Bordesholm, Kiel 1842, p. 159 ff.
•*) Nur die Eingrabung, Umwallung und Zäunung der neuen Koppeln (die
Hufe erhielt ihren Landbesitz meist in 8— 10 Koppeln) mussten die Bauern selber
übernehmen, erhielten aber auf manchen Gütern hiezu eine Beihülfe vom Guts-
herrn. Von den Gemeinweiden wurde nicht selten bei der Einkoppelung ein Theil
zur Weide für Jungvieh und Kleinvieh reservirt und erst später, nachdem man
sich von der Entbehrlichkeit auch dieses gemeinsamen Weidelandes überzeugt
hatte, nachträglich unter die Feldinteressenten pro rata vertheilt.
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Schaffung der Frohnen wie von selber. Es war zu erwarten, dass sie
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ERSTES CAP1TEL.
*) Eine rückwirkende Kraft auf die vor 1805 schon beendigten Güter -Re-
gulirungen wird diese Verordnung nicht geäussert haben. Dass bei diesen aller-
dings Beispiele von rücksichtslosem und hartem Verfahren gegen die damals vor-
handenen Hnfner vorkamen, ist schon oben erwähnt worden.
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der Gutsherren. Wenn sie mitunter sehr kurz sind und eine Menge
von Puncten, die beim Pachtwesen zur Frage kommen und streitig
werden könnten, unerörtert lassen, so darf man voraussetzen, dass
das ganze Verhältniss dann mehr als anderswo auf gegenseitigem
Vertrauen beruhete oder auch dass die Gutsherren auf die vorbehal-
tene Oberaufsicht über die Hufenwirthschaften und die nicht selten
am Schlüsse der Contracte ausgesprochene Androhung der Absetzung
der Hufenpächter wegen schlechter Wirthschaft und Nichterfüllung
der Bedingungen sich verlassen haben. Jedenfalls hatten misslieb ige
Hufner Kündigung mit Ablauf der Pachtzeit zu gewärtigen.
die
Wir wollen nun dieses Hufenpachtverhältniss nach den einzelnen
Hauptpuncten erörtern und hiebei uns an die Bestimmungen halten,
welche als die gewöhnlichen (auf den meisten Gütern getroffenen) an-
zusehen sind, woneben jedoch die auf einzelnen Gütern, soweit unsere
Kunde reicht, vorkommenden Abweichungen die nöthige Berücksich-
tigung finden werden. Es sollen hiebei die ursprünglichen Pachtcori-
tracte zu Grunde gelegt und die Abänderungen, welche dieselben im
Laufe der Jahrzehnte erhalten haben, am Schlüsse dieses Capitels
noch besonders angedeutet werden. Doch lässt es sich nicht vermeiden,
auf die Pachtcontracte der späteren Zeit schon hier zuweilen mit Be-
zug zu nehmen.
1 . Die Hufenländereien.
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In Angeln wurde der alte dort übliche Heitacheffel von 144 Qua-
drat-Rutben beibehalten.
Selten wurde nach sogenannten bonitirten Tonnen verpachtet In
diesem Falle war das beste Land einer Feldmark = 1 («Tonne Boni-
tät») gesetzt und alles Übrige Land, nach dem Verhältnis«, wie es
schlechter war als jenes durch grössere Quantität hierauf reducirt
worden, so dass z. B. von dem Lande, welches nur halb so gut war
als das beste Land, 2 Tonnen Areal einer «Tonne Bonität» oder einer
Tonne des besten Landes in dem Pachtsatze gleichgestellt wurden*).
Dass die Hufner auf einer und derselben Feldmark gewöhnlich
gleich viel Pacht von jeder Tonne Landmaass ohne Rücksicht auf die
Bodenbeschaffenheit zahlen mussten, führte nicht zu einer merklich
ungleichen Belastung derselben, weil, wenn die Feldmark aus Lände-
reien von verschiedener Güte bestand, dann auch die Koppeln so an-
gelegt und vertheilt waren, dass jeder Hufner in möglichst gleichem
Verhältnisse an den besseren und schlechteren Ländereien participirte.
So viel als möglich waren die Hufen derselben Feldmark bei der
Verpachtung wieder gleich gross gemacht worden (d. h. die Vollhufen
unter sich und eben so die Halbhufen unter sich u. s. w.), wenn etwa
diese ursprüngliche Gleichheit im Laufe der Zeiten auf irgend eine
Weise, z. B. durch Landabnahme von deu einzelnen Hufen
ungleiche
zur Vergrö8serung der Haupthöfe oder zur Anlegung von Meierhöfen
sich verloren hatte.
Aber in den verschiedenen Gütern und selbst in den verschiede-
nen Feldmarken desselben Gutes sind die Hufen von sehr ungleichem
Umfange, was weniger von der verschiedenen Fruchtbarkeit der Ge-
genden herrührt (wie in den Amtsdistricten, wo die Hufen in den
sandigen Gegenden grösser, in den schweren fruchtbaren Gegenden
dem Umstände, ob und in welcher Ausdehnung
kleiner sind) als von
die eben erwähnten Landabnahmen auf den verschiedenen Gütern im
Laufe der Zeit vorgenommen worden sind **).
Selten werden die Vollhufen unter 50 —
60 Tonnen ä 240 Qua-
Ein Beispiel dieses Verfahrens gab das Gut Blumeadorf bei Oldesloe, wo
*)
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*) In den Hufen-Pachtcontracten eines Gates von 1802 fanden wir für solche
Landabnahme gar keine Grenze angegeben, dagegen die Vergütung für diesen
Fall per Tonne etwa doppelt so hoch bestimmt, als das Pachtgeld per Tonne be-
trug. — Uebrigens kommt auch die Bedingung vor, dass die Hufenpächter eine
Vergrösserung ihrer Stellen durch eine begrenzte Zahl von Tonnen Landes wäh-
rend der Pachtzeit unter entsprechender Erhöhung des Pachtgeldes sieb gefallen
lassen müssen.
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2. Die Hufengebäude.
Kurz vor oder mit dem Beginne des Pachtwesens Hessen viele
Gutsherren die Hufen-Gebäude revidircn und in besseren Stand setzen,
ganz alte und schlechte niederreissen und ausserhalb des Dorfes mög-
lichst in der Mitte der zu der betreffenden Stelle gehörigen Lände-
reien wieder aufbauen, womit sie auch später fortfuhren, wenn die
Gebäude einer Hufe baufällig geworden oder durch eine Feuersbrunst
vernichtet waren.
Die Gebäude wurden verzeichnet und beschrieben und der Päch-
ter musste sich verpflichten, dieselben nach Ablauf der Pachtzeit in
demselben Stande wieder abzuliefern, in welchem sie ihm beim An-
tritte der Pacht überliefert waren, wobei aber schwerlich an Ersatz
für die unvermeidliche Abnutzung der Gebäude gedacht sein wird.
Nähere Bestimmungen fehlen meistens in den Contracten. Zuweilen
heisst es, dass das bei der Ablieferung Mangelnde ersetzt werden solle,
ohne dass über die Ausmittelung und Feststellung dieses Ersatzes et-
was gesagt ist.
Nur in den Hufen-Contracten Eines Gutes haben wir die Anord-
nung gefunden, dass die Gebäude beim Anfange und Ende der Pacht
*) Bis die Weide-Periode wieder beginnt ist dann das Buschholz wieder
so weit herangewachsen, dass das Vieh an dem Ausbrechen aus den Koppeln ge-
bindert ist.
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3. Das Inventar.
Auf manchen Güteru kümmert sich die Gutsherrschaft gar nicht mehr
*)
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was von solchen Sachen auf der Hufe gelassen oder von derselben
genommen werden sollte.
Die der Hufe noch nöthigen Kühe schaffte der Gutsherr sodann
auf seine Kosten an, und versprach contractlith «holländermässige
Kühe» zu liefern, d. h. solche, wie sie in den Holländereien (clen
Milchwirtschaften der Gutshöfe) aufgestellt zu werden pflegten.
5) Der Gutsherr wählte sich zwei Pferde aus und. verpflichtete
den Hufner, von den übrigen Pferden die Hälfte nach seiner (des
Hufners) Auswahl zu verkaufen und dafür die Zahl der Kühe zu ver-
doppeln.
Bei den letzteu beiden Proceduren ist vorauszusetzen, dass die
Bauernpferde theil weise noch gut genug waren, um später für die
Bewirthschaftung der Gutshöfe verwendet zu werden; auf den meisten
Gütern werden sie aber von so elender Beschaffenheit gewesen sein,
dass dies nicht für rathsam erachtet werden konnte.
6) Der Gutsherr übergab das ganze Inventar, wie es auf einer
Hufe vorhanden war, nach vorgängiger Taxation desselben durch
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....
6iw
_ ^,
4 Schätzer, welche zur Hälfte von ihm, zur Hälfte von dem Hufner
ernannt wurden, dem letzteren zu beliebiger Convertirung, wobei in
den Contracten eines Gutes nur der Rath ertheilt wurde, den Pferde-
stand zu vermindern und den Kuhstand zu vermehren.
Dies Verfahren war das einfachste und zeigte das meiste Ver-
trauen auf die Einsicht des Bauernstandes; der Hufner konnte nun
alles, was er selber für überflüssig oder ungenügend hielt, durch Ver-
kauf beseitigen *) und alles Nöthige frei anschaffen. Die beim Ende •
*) Man muss dabei voraussetzen, dass dem Hufner diese überflüssigen oder
ungenügenden Inventargegenstande so niedrig zutaxirt waren , dass er sie ohne
Yerlust verkaufen konnte.
Die Gutsbauern der adeligen Güter erganzen ihren Milch viehstapel durch
**)
eigene Zucht und ziehen auch noch Jungvieh zum Verkaufe an die Gutshöfe und
zum Absätze nach anderen Gegenden auf. Sie haben deshalb durchschnittlich
nur etwa 12 Milchkühe per Hufe, während sie ohne eigene Zucht durchschnitt-
lich etwa 16 würden halten können. In Angeln ist die Rindviehhaltung der
Bauern überhaupt stärker.
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ner Taxation des Inventars gar nicht die Rede ist, so wissen wir nicht,
ob hier die Taxation als selbstverständlich nicht erwähnt wurde oder
ob alle Gegenstände dem Hufner nur nach Stückzahl übergeben und
also auch nur so wieder abgeliefert wurden.
Im letzten Fallemüssen die Gutsherren entweder auf die Per-
sönlichkeit und gute Wirthschaft ihrer Hufner oder auf die vorbehal-
tene Oberaufsicht ihrer Verwalter sich verlassen haben; das Verfahren
blieb aber immer ein unvollkommenes.
Doch bildet die Taxation des Hufen -Inventars bestimmt die Re-
gel auf den adeligen Gütern.
In den Contracten wird den Hufnern gewöhnlich eine «unparteii-
sche» Taxation — zugesagt, nicht aber immer eine Theilnahme an der
Wahl der Taxatoren, die dann der Gutsherr zwar einseitig ernannte,
aber schwerlich je aus der Mitte seiner Officialen, sondern aus dem
Bauernstande selber.
Die uns aus jener Zeit zugekommenen Taxationsinstrumente zeu-
gen auch von einer sehr gelinden Behandlung der Hufner und lassen
die Absicht erkennen, ihnen den Anfang des neuen Verhältnisses zu
erleichtern *).
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vor, dass, wenn dabei ein Werth-Minus von */3 sich ergebe und der
Hufner keine Sicherheit für dieses Deficit stellen könne, die Pacht
stillschweigend als gekündigt anzusehen sei.
Auf einem anderen Gute mit 6 Vollhufen wurde beim Anfange
der Pacht die eigentümliche Bestimmung in Betreff des Viehinven-
tars getroffen, dass die Taxationssumme aller 6 Vollhufen zusammen-
gerechnet und mit 6 dividirt werden sollte, um den Mittelpreis zu
finden, für welchen Jeder sein Vieh, es mochte mehr oder weniger
werth sein, annehmen solle, »damit Wirth nicht glei-
jetzt der fleissige
ches Schicksal mit dem unfleissigen habe».
Von der Regel, dass bei der Rücklieferung des Inventars der
Hufner das Werth-Plus ganz vergütet erhält, das Werth-Minus dage-
gen ganz ersetzen muss, wich man auf einem Gute in Betreff der
Pferde und Kühe (nicht auch des Acker- und Hausgeräthes u. s. w.)
dahin ab, dass bei den Pferden die Hufner das Minus ganz zu ersetzen
hätten, die Gutsberrschaft das Plus aber nur mit höchstens 30 Rthl.
für sämmtliche Pferde vergüten würde; und dass Kühe von 10 Rthl.
Werth und darüber pure zu übergeben seien, bei geringerem Werthe
aber das Minus zu ersetzen sei, ohne dass dagegen der Pluswerth der
besseren Stücke compensirt werden dürfe. Die dortige Gutsherrschaft
hatte nämlich beim Anfange der Pacht das Vieh so niedrig taxiren
lassen, dass sie bedeutend zugesetzt haben würde, wenn die Wieder-
ablieferung beim Ende der Pacht nach den nunmehrigen vollen Prei-
sen geschehen wäre.
Im Allgemeinen machen die Pacht-Contracte den Eindruck, dass
die ganze Inventar-Angelegenheit nicht eben genau und präcise fest-
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in Dreesch gelegen hat, wieder aufgebrochen, worauf der 'Turnus von
Neuem sich wiederholt
Daher heisst es denn: «Das Land muss jeder Hufoer nach der
Ordnung zubrechen, jährlich nicht mehr als Eine Koppel». Oder auch:
»Die Koppeln sind nach der bisherigen Ordnuug aufzubrechen
und nicht mehr Saaten als bisher zu nehmen.»
Zuweilen ist der Turnus auch genauer in den Contracten ange-
geben, entweder als ein gutsherrlich befohlener oder mit dem Be-
merken, dass Verpächter und Pächter über denselben sich vereinbart
hätten.
So auf einem Gute, wo zu jeder Hufe 10 Koppeln gehören, fol-
gendermaassen:
1) reine Brache; theilweise (auf leichterem Boden) Buchweizen.
2) Weizen oder Rocken, wozu gedüngt.
3) Gerste oder Hafer.
4) Rocken.
5) Hafer mit Klee.
6) Mäheklee.
7) bis 10) Weide.
ist anzusehen, dass auf einem anderen Gute
Als ungewöhnlich
die Hufner bei achtjährigem Turnus 5 Koppeln besaamen durften,
woneben eine in Brache war und eine Mäheklee trug, so dass immer
nur eine einzige Koppel in Weide lag.
Während viele Gutsherren schon damals auf den Kleebau der
Hufner so Viel Gewicht legten, dass sie denselben ausdrücklich vor-
schrieben, oft mit der Menge von Pfunden, welche auf der Tonne
Landes ausgesäet werden sollten, wurde in den Contracten von
zweien Gütern den Hufnern nur «gestattet», in die letzte Saat Kiee
mit einzusäen und diesen dann im folgenden Jahre zu mähen.
Allgemein gehaltene Bestimmungen, die nicht selten vorkommen,
z. B. dass die Hufner ihre Felder gut bestellen, gut düngen und von
Steinen frei machen, die Brachgräben gehörig ziehen, die Knicken
und Gräben um die Keppeln in gutem Stande erhalten, nur reines
Getreide aussäen sollen u. s. w., konnten nur durch die gutsherrliche
Aufsicht und Controle eine practische Bedeutung erlangen.
Manche Gutsherren hielten es für zweckmässiger, specielle Vor-
schriften — der Eine in grösserer, der Andere in geringerer Ausdeh-
nung — Von solchen
zu erlassen. sind uns in den Contracten ver-
schiedener Güter (zum Theil erst in Contracten aus etwas späterer
Zeit) insbesondere folgende zu Gesichte gekommen:
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Die Aussengräben der Koppeln müssen auf 4 Fuss Breite und 3
Fuss Tiefe (auch: auf 5 Fuss Breite und 4 Fuss Tiefe), die Binnen-
gräben derselben auf 2 '/
2 Fuss Breite und 2 Fuss Tiefe unterhalten
werden.
Der Hufner hat sich aller, zum Nachtheile Anderer gereichender
Wasserstauungen zu enthalten, muss die Bäche reinigen, das obere
stehende Wasser abnehmen u. s. w.
Die Hufner pflegen solchen Guts-Insten, welche nicht mit Land versehen
*)
sind, namentlich denjenigen, welche bei ihnen als Tagelöhner arbeiten, kleine
Flächen zum Kartoffelbau etc. einzuräumen. Auf diesen Fall scheint die ange-
führte Bestimmung kaum mit bezogen zu werden, da hiezu wohl nirgends die
guisherrliche Erlaubniss eingeholt wird. In den neuesten Hufenpacht-Contracten
der Oldenb. Fideicommissgüter ist dieses Herkommen legalisirt: «Jedoch soll eine
massige Verpachtung von Kartoffelland an die ärmeren Gutseingesessenen nicht
unier dieses Verbot fallen».
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* » ' t/% "V^
5. Pachtzeit.
Der gewöhnlichste Termin für Anfang und Ende der Pacht ist
der erste Mai; doch kommt in den Contracten auch der Johannistag
und der Michaelistag vor.
Als die gewöhnliche Dauer der Pacht ist ein Zeitraum von 8
oder 10 Jahren zu bezeichnen, welcher mit der Zahl der Koppe n
(der Hauptkoppeln, da auch wohl kleine Nebenkoppeln vorkommen)
übereinstimmt, so dass der Hufner den 8 oder 10jährigen Turnus
durch Koppeln wenigstens einmal vollständig ausführen kann.
alle
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bei den Untergehörigen der Güter so tief gewurzelt, dass, wenn die
Verwandtschaftsverhältnisse verwickelterer Art sind,
z. B. der Hufher
und seine Frau beide schon früher verheirathet waren und sowohl
aus diesen früheren Ehen Kinder in die gegenwärtige Ehe gebracht
als auch in letzterer Kinder gezeugt haben, oder wenn männliche
Auf einem Gute behielt sich der Gutsherr die Aufkündigung der
Pacht vor Ablauf der Pachtperiode in einer sehr humanen Fassung
für den Fall vor, dass der Hufner durch eine auffallende, dann von
unparteiischenMännern zu untersuchende Vernachlässigung seiner
Wirtschaft oder der Unterhaltung seiner Gebäude und seines Be-
schlages oder endlich durch die selbstverschuldete Nichtzahlung des
Pachtgeldes bis zu dem Betrage für ein ganzes Jahr ihm (dem Guts-
herrn) «die unangenehme Nothwendigkeit auferlege, aus pflichtmässi-
ger Sorge für die Erhaltung des Seinigen ohne fernere Weitläufigkeit
denselben aus dem Besitze seiner Hufe zu setzen».
Die Hufenpachtcontracte eines anderen Gutes ermächtigen den
Gutsherrn, wenn der Hufner die Gebäude und das Inventar schlecht
unterhält, das Land nicht gehörig bewirtschaftet, säumig in der Zah-
lung sich zeigt und seine sonstigen Verpflichtungen nicht erfüllt, so-
fort auf Kosten desselben einen Aufseher in die Hufe einzulegen, dem
unbedingt Folge zu leisten ist. worauf die Pacht eo ipso mit dem
nächsten Maitag erlischt.
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Auf den Oldenb. Fideicommissgütern wurden die Hufner in den
ursprünglichen Pachtcontracten mit Entsetzung von der Hufe bedroht:
ganz im Allgemeinen, wenn sie sich träge, nachlässig, widerspenstig,
aufeätzig zeigen sollten, in welchen Fällen aber auch statt der Ent-
setzung eine «dem Vergehen angemessene» nicht näher bestimmte
Strafe verhängt werden könne; und speciell, wenu sie den contractli-
chen Bedingungen «freventlich» entgegenhandelten, besonders die
jährlichen Abgaben nicht prompt an den Terminen bezahlten und
damit ohne vorher nachgesuchte und bewilligte längere Nachsicht
über 4 Wochen in Rückstand blieben.
In den neuesten Contracten dieser Güter heisst es dagegen § 50
und 51: «Wenn Pächter ungeachtet einer schriftlichen Erinnerung von
Seiten der Gutsherrschaft eine Bedingung des Pachtcontracts uner-
füllt lässt, so steht es der Gutsherrschaft frei, entweder den Pacht-
contract als erloschen anzusehen und den Pächter mit dem folgenden
Maitag aus der Pacht zu setzen, oder den Pächter auf Erfüllung des
Contracts zu belangen und zugleich etwaigen Schadenersatz einzu-
fordern. Bei einem Concurse des Pächters erlischt der Pachtcontract
sogleich mit der gerichtlichen Erkennung desselben und wird alsdann
das Pachtobject zurückgenommen».
Dann wird in § 52 noch in einem besonderen Falle das frühere
Aufhören der Pacht vor Ablauf der contractlichen Pachtzeit auf, min-
destens 6 Monate vorhergegangene Kündigung ausbedungen, wenn
nämlich die Gutsherrschaft beabsichtigen sollte, die Hufe in Erbpacht,
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führen, wenn die Hofpächter auf die Dienste durchaus nicht verzich-
ten wollen, in welchem Falle die Maassregel bis zum Ablauf der Hof-
pachtungen ausgesetzt werden musste. Einige Gutsherren brachten
das Opfer, ihre Hofpächter durch Bewilligung erheblicher Abstands-
gelder zum früheren Rücktritte von der Pacht zu bewegen *). Wohl
die Meisten aber wurden mit ihren Hofpächtern, insbesondere mit sol-
chen welche auf spätere Erneuerung der Pacht rechneten, dahin ei-
nig, dass Letztere die an die Stelle der Dienste tretenden Dienstgel-
der selber bezogen, wobei sie sich offenbar besser als seither standen,
wenn angemessen zu
die Mittel ihnen nicht fehlten, das Hof-Inventar
vermehren oder auch wenn die Gutsherren hiefür Sorge trugen.
Den Hofpächtern wurde mit den Dienstgeldern zugleich das
Recht übertragen, nöthigenfalls ohne Weiteres aus den Producten der
Hufe sich bezahlt zu machen, auch bei schlechter Leistung der vor-
behaltenen Hülfsdienste mit Genehmigung der Gutsherrschaft die
Hufner abzusetzen und andere wieder einzusetzen.
Als ein erträgliches, die Bauern bei einigermaassen guter Wirt-
schaft nicht drückendes Pachtgeld wurde damals ein Durchschnittssatz
von 2—2% Thlr. schl.-holst Cour. (c. 2y3 bis 3 Thlr. preuss. Cour.)
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herr dieselben,wenn sie von den Hufen abgesetzt worden waren, vor
1805 als Gutsarrac hätte ernähren und nach 1805 als Altentheiler
hätte versorgen müssen.
Nor in den Contracten eines einzigen Gutes haben wir die Ein-
richtung getroffen, dass das Pacht-Prästandura zwar in Geld mit einem
gewissen Satze pro Tonne festgestellt, die hieraus sich ergebende
Pachtsumme aber sofort in eine gewisse Quantität Roggen, Gerste
und Hafer, berechnet nach den Durchschnittspreisen von 1785—94
incl. convertirt war und nun diese Quantität die Norm bildete, um
*) Dagegen lässt sich einwenden, dass der Pächter je nach dem Ausfalle
seiner Erudten bei niedrigen Preisen möglicherweise zahlungsfähiger sein kann,
als bei höheren, und dass in dem kurzen Zeiträume einer Pachtperiode der Werth
des Geldes nicht erheblich sich andern wird. Mehr Gründe sprechen für dieses
Verfahren bei der Vcrerhpachtuug, auf welche dasselbe auch in manchen Lan-
dern angewendet worden ist.
Hannen, Aofbeb. 4. LeiMg. 7
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; »8
Zuber Fische aus dem Teiche und 5 Faden Holz aus dem Forste nach
dem Hofe anzufahren. (Der Halbhufner verhältnissmassig weniger.)
2) Gut B. Zehn Tage zu pflügen oder Dünger zu fahren 9 Tage
;
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oder auch eine doppelt nachzuholende Leistung für jeden versäum-
ten Tag.
Späterhin ist die im dritten Abschnitte angeführte Dienstordnung
vom 17. Juli 1805 maassgebcnd geworden.
Die Naturallieferungen der Hufner an die Gutsherrschaft neben
den Pachtgeldern und den vorbehaltenen Diensten sind, wenn sie
überhaupt von früher her beibehalten wurden von keiner Bedeutung,,
wie sie denn schon zur Zeit der Leibeigenschaft unerheblich waren;
sie bestanden in Hühnern, Gänsen, Enten, Eiern für die herrschaftli-
che Küche, sogenanntem Hundehafer für die Jagdhunde, Säcken für
den Getreidetransport u. s. w.
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toi
Weise» ersetzt erhalten, was ihm an Vieh, Korn oder Stroh aufbren-
nen mochte. Die Billigkeit hätte vielmehr für den Ersatz solcher Ver-
luste gesprochen, gegen welche der Pächter durch Versicherung sich
nicht zu schützen vermochte.
Auf einigen Gütern wurde den Hufnern bei totalem Misswachs,
Hagelschaden, Engerfrass u. dg]., ferner bei allgemeiner Viehseuche
und bei Gewitterschäden ein «billiger» Erlass an dem Pachtgelde
verhiessen.
Manche Gutsherren trugen kein Bedenken statt in dieser unbe-
stimmten Fassung die Remissionsansprüche der Hufner genauer zu
regeln, wobei sie indessen keineswegs übereinstimmend verfuhren, wie
folgende Citate aus den Contracten verschiedener Güter zur Genüge
darthun werden:
Gut V. Wenn Misswachs oder Feldschaden alle Ackerschlage
1)
betroffen hat,und der Pächter nachweisen kann, dass er in der Aus-
wahl des Saamens und in der Bestellung des Landes nichts versäumt
hat, so wird nach vorgängiger Untersuchung von Unparteiischen das
dritte Korn vergütet (d. h. das Dreifache der Aussaat, wenn weniger
geerndtet worden).
Einigt man sich nicht über das Resultat dieser Untersuchung, so
ernennt jede Partei einen beeidigten Schätzer, und wenn auch diese
Schätzer sich nicht einigen sollten, so wird von beiden Parteien ge-
meinschaftlich, nötigenfalls vom Gerichte, ein dritter Schätzer als
Obmann gewählt Im Falle eines Krieges, feindlichen Durchzuges u.
dgl. verspricht der Gutsherr dem Pächter eine «billige» Erlassung der
Abgaben angedeihen zu lassen. Was Feuerschäden betrifft, so steht es
dem Hufner wie bisher frei, in eine Mobiliargilde einzutreten, doch
nur in eine solche, welche der Gutsherr ihm bezeichnet hat (weil viele
Grundlagen beruheten); auch darf er die
dieser Gilden auf unsicheren
Entschädigung nach erlittenem Brandunglücke bei Strafe des Verlu-
stes derselben nicht ohne gutsherrlichen Erlaubnissschein in Empfang
nehmen.
2) Gut W.
a. Wenn bei Viehseuchen mehr als zwei Kühe krepiren, so wer-
den für die übrigen, höchstens aber für acht milchgebende Kühe oder
kalbige Starken 8 Thlr, per Stück vergütet, also pro maximo 64 Thlr.
b. Wenn Misswachs, Engerfrass und Hagelschaden eingetreten und
Pächter nachgewiesen, dass er in Aussaat und Feldbestellung nichts
versäumt hat, so steht er selbst den ersten dritten Theil des Schadens
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von der ganzen Koppel, worauf das Getreide durch vier unparteii-
sche Hauswirthe, wovon jeder Theil zwei wählt, auf dem Halme eid-
lich taxirt werden und wenn sich alsdann befindet, dass Pächter
soll;
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und setzt jedenfalls ein grosses Vertrauen voraus. Es wird sich oft nur schwer
beweisen lassen, wie viel baar Geld der Feind den Bauern abgenommen hat und
noch schwerer, wie viel davon als zur spatem Kriegung der Pacht bestimmtes
Geld anzusehen ist.
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nach auf andere Weise entstanden sind, nämlich nicht durch fortge-
setzte Theilungeu der uralten Hufen, sondern auf aus der Gemeinheit
genommenen Flächen oder ausgerodetem Holzboden.
Auf einigen Gütern wurden solche Pacht-Stellen von z. B. 6—8,
1 1 — 10 Tonnen auch jetzt erst durch Niederlegnng der entferntesten
Hofkoppeln geschaffen oder durch das bei Aufhebung der Feldge-
meinschaft uud Auftheilung der Gemeinheiten zu diesem Zwecke dis-
ponibel gemachte Land gewonnen.
Mit diesen Kathnern (Stellenbewohnern, Häuerleuten) wurden
nun ähnliche Zeitpachtcontracte wie mit den Hufhern abgeschlossen.
Neben dem Pachtgelde mussten die grösseren unter ihnen, welche 2
Pferde hielten, einige Spanndienste wie die Hufner, die kleineren ei-
nige Handdienste übernehmen. Ob die Gründung kleiner Pachtstcllen
von etwa 6 — 16 Tonneu zweckmässig war, ist sehr zweifelhaft Die
(wenigen) Gutsbesitzer welche dazu schritten, setzten wohl voraus,
dass die Pächter mit ihren Kühen das Land bestellen würden, was in-
dessen nicht (oder nur ganz ausnahmsweise) in Gang gekommen ist.
Hie und da schafften diese Pächter sich jeder 1 Pferd an, so dass ih-
rer zwei immer zusammenspannen, was aber eine gegenseitige Abhän-
gigkeit bewirkt und leicht zu Misshelligkeiten führt; die meisten las-
sen ihr Land von den Bauern gegen Vergütung gleich den nachher
zu erwähnenden Landinsten bestellen. Da sie von ihrem landwirth-
schaftlichen Betriebe nicht vollständig leben können, so müssen sie
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Die Insten.
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sten, bei grosser Kinderzahl sie mit Milch und anderen Victualien
unterstützen, ihnen Ueberbleibsel und Abfälle der Hauswirthschaft
zukommen lassen u. s. w.
Dazu kommt, dass in der Regel jeder Hufher einen bestimmten
Insten fast das ganze Jahr hindurch, und vorübergehend auch mehrere,
beschäftigt, also ein ähnliches Arbeiter- Verhältniss bei den Bauern
sich ausgebildet hat, wie in Betreff der Hofinsten bei den Gutshöfen.
Es würde daher viel passender sein, wenigstens diesen Theil der In-
stenbevölkerung so zu vertheilen, dass jeder Hufher seinen Hinter-
und zur Hand hätte. Statt den
sassen in einer Hufen-Kathe zur Seite
Hufnern die Altentheilskathen zu nehmen, wäre eine Erweiterung
derselben zu zwei Wohnungen, eine für etwaige Altentheilsleute, eine
für eine Instenfamilie wünschenswerth gewesen. Während die Insten
seither für ihre Wohnung mit Gartenland, Weide und Winterfutter
für eine Kuh das Aequivalent in Diensten, meistens in denen ihrer
Frauen, leisteten, wurden sie jetzt für die Wohnung mit Gartenland
zu einem Miethgelde angesetzt und erhielten auf vielen Gütern, so
weit es möglich war, eine Parzelle von 2—3 Tonnen Land in Pacht
Es sind dies die sogenannten Land-Insten*) (die übrigens auf einigen
Gütern schon zur Zeit der Leibeigenschaft, wenn auch in geringerer
Zahl, vorhanden waren), im Gegensatze der Hausinsten oder Won-
nungsinsten, deren Zahl auf manchen Gütern mit zunehmender Be-
völkerung jetzt schon über das Bedürfniss angewachsen ist
Für das aus den herrschaftlichen Forsten oder Torfmooren den
8ämmtlichen Insten angewiesene Brennmaterial mussten sie von nun
an eine gewisse Taxe zahlen.
Mit allen Insten wurden sogenannte Häuercontracte resp. über
die Wohnung mit Gartenland und die Landparzelle, oder über erstere
allein abgeschlossen,welche nur von Jahr zu Jahr (Mai zu Mai, auch
März zu März) mit gegenseitiger halbjährlicher Kündigung laufen
und stillschweigend prolongirt werden.
Die Hufher wurden verpflichtet, das Pflügen und Eggen, die
Dünger- und Erndte- Fuhren für die Landinsten und das Anfahren
der Brennmaterialien, auch sonst nöthige Fuhren, namentlich die Hin-
und Zurückbeförderung der Hebamme und des Predigers für die
8ämratlichen Insten gegen eine vom Gutsherrn festgesetzte niedrige
*) Auch wohl Feldinsten genannt, wenn sie etwas mehr Land, z. B. 4 Ton«
nen, erhalten haben.
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•) \ur diejenigen Tagelöhner, welche auf den Höfen oder bei den Bauern
keine regelmässige Beschäftigung finden, und deren Zahl auf einigen Gütern bei
rascher Zunahme der Bevölkerung stark sich vermehrt hat, sind schlimm daruu,
falls sie nicht einen Theil des Jahres anderswo Arbeit erhalten können. In die-
ser Lage befinden sich aber eben so wühl viele Iusteu iu tnaucheu Amtsdistricteu.
**) Eine Art von Gebühr für den gerichtsherrlichen und polizeilichen Schutz,
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W W V. w^W
Auf einigen Gütern dürfen die Insten selbst ihre eigenen confir-
mirten Kinder nicht ohne Erlaubniss bei sich wohnen lassen.
Land. Hie und da mussten die Insten bei Gründung ihrer Stel-
len das ihnen zugemessene Land selber einkoppeln und mit lebendi-
gen Hecken bepathen. Die Art der Benutzung wurde ihnen meistens
freigestellt und nur allgemein bedungen, dass sie das Land wirt-
schaftlich und gut behandeln, die Knicken nur im Brachjahre hauen
dürfen, die Koppel-Befriedigungen in gehörigem Stande erhalten und
die erforderlichen Wasserlösungen offen halten sollen. Dazu das Ver-
bot der Veräußerung von Heu, Stroh und Dünger.
Auf mehreren Gütern wurde ihnen dagegen anfangs eine speci-
elle Fruchtfolge u. s. w. vorgeschrieben und das Tüddern des Viehes
(Anbinden auf dem Felde) anbefohlen, um an Weide zu sparen.
Um die durch die Einfriedigung so vieler kleiner Koppeln mit
) Ein Gutsbesitzer, welcher die Inste nwohnungen (eben so wie die üofen
seines Gutes) sogleich auf 30 Jahre verhäuerte, Hess ein Taxatum der Gebäude
aufnehmen, welches zur Basis für die Wiederablieferung dienen sollte; die in
der Zwischenzeit nöthigen Reparaturen fielen den Insten ganz zur Last.
*•) Dagegen wurden auf manchen Gütern anfangs den Instenfamilien Ein-
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Heufuhren, den Insten aber auch zu rechter Zeit leisten, und das
Land derselben eben so gut als ihr eigenes bestellen. In den Con-
tracten findet sich auch wohl der Zusatz, dass, wenn in dieser Bezie-
hung gegründete Beschwerden von den Insten eingehen würden, ihnen
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m
jeder hiedurch erweislich erwachsene Schaden von dem schuldigen
Hufher zu ersetzen sei.
Zuweilen mussten die Hofpächter die ndthigen Pflug- und EgRe-
arbeiten für ihre Hof-Insten gegen ein von diesen zu zahlendes jahr-
liches Fixum übernehmen, so dass den Hufnern nur die Fuhren zur
Last fielen.
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Land-Instenstellen kam und die Insten die Weide auf den Hofkop-
peln und Futter für eineKuh behielten, zahlen sie hiefiir uud für die
Wohnung auch etwa 10—12 Thaler; der Kuhdünger fällt dann der
Hofwirthschaft zu, soweit die Insten ihn nicht für ihren kleinen Ge-
müsegarten gebrauchen.
Zu niedrigen Preisen erhalten die Insten Torf oder Holz, z. B.
1 Faden Kluftholz Buchenholz (72— 90 Cubikfuss) für 1 Thaler, 1 Fu-
der Zweigholz für 16 Schill., 1000 Stück Torf für 4 Schill. — Statt
der Torflieferung wird den Insten auch blos ein Moorplatz zum Stechen
einer gewissen Menge (z. B. 9000 Stück für Jeden) unentgeltlich (oder
gegen eine kleine Abgabe) angewiesen. Von dem Holz und Torf darf
der Inste nichts veräussern, sonst verliert er dieses Emolument und
muss die Preise anderer Käufer zahlen, oder es tritt eine Preiserhö-
hung um l
/3 ein, oder eine (Jonventionalstrafe
Das Mieth- oder Pachtgeld wird alljährlich meist in zwei Termi-
nen gezahlt, zu Martini und am 1. April oder 1. Mai, oder auch zu
Weihnachten und am 1. Mai. Auf einigen Gütern ist Praenumeration
bedungen oder bei Hofinsten das Abrechnen von ihrem verdienten
Arbeitslohn stipulirt
In einem grösseren Güter-Complexe, wo die Gutsherrschaft eine
Sparkasse für die Untergehörigen gestiftet hatte, wurde den Land-
Insten vorgeschrieben, zur Sicherung des Pachtgeldes 10 Tholer in
dieser Kasse zu belegen und für die Dauer der Pachtzeit sammt. den
Zinsen darin stehen zu lassen mit der Befugniss der Gutsherrschaft,
bei Aufhebung der Pacht an diese Summe wegen rückständiger For-
derungen sich zu halten.
Die ausser dem Mieth- oder Pachtgeldc dem Gutsherrn unent-
geltlich zu leistenden Dienste der Land- und Haus-Insten bestehen
gewöhnlich nur in 2 — 4 Jagdtagen im Jahre*). Daneben kommen
Handdienste im Turnus beim Richten gutsherrlicher Gebäude und
beim Aufräumen der Mühlenteiche und Mühlenbäche vor; zuwei-
len noch Glockenläuten beim Ableben von Mitgliedern der gutsherr-
Instenwohnung allein betragen, so dass die Landinsten das Land eigentlich um-
sonst haben nud die Hausinsten etwa für ein Viertel des Koatenpreises wohnen.
In manchen Districten der Herzogtümer müssen die Insten, welche in keinem
persönlichen Verhältnisse zu dem Vermiether als ihrem Arbeitsgeber stehen, für
die Wohnung ohne Land 12 Thaler und darüber zahlen.
) Beim Ausbleiben ist wohl eine Strafe angedroht, z. B. von 12 Schillingen
für jeden Tag, die an die Armenkasse des Gutes zu erlegen. Anderswo nur 4
Schillinge an den Hof.
Hantie n, Aofheb d. Lcibeig. 8
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Ostern — Michaelis 10 » 8
Michaelis — Martini 9 »
beim Gras- und Kleemähen 12 »
10
in der Kornerndte 14 » !
Dreschen gegen y, a Scheffel Wintergetreide und l/17 Scheffel
Sommergetreide, wofür das Korn auch gereinigt und zu Boden ge-
tragen werden muss. Anderswo durchgängig gegen den yi4 Scheffel
u s. w.
Auf einem Gute wurde noch speciell ausgemacht, dass die Insten
auf Verlangen Nachts bei den Weideplätzen wachen sollen für 6 Schill,
baar; sie können dann am folgenden Vormittag von der Arbeit weg-
bleiben.
Die Instenfrauen entziehen sich auf vielen Gütern gerne der
Hofarbeit* trotz des Verdienstes, auch wenn sie nichts zu versäumen
haben. Daher ist hie und da bestimmt, dass wenn sie auf Ansagen
nicht selber kommen, sie eine tüchtige Person für sich stellen müssen,
wobei aber für die Zeit der Schwangerschaft und Niederkunft eine
Frist von 13 Wochen ausgenommen wird.
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ist das AMordsystem auf andere Arbeiten als das Dreschen ausge-
dehnt worden, wobei sie mehr verdienen.
Die Arbeitszeit betreffend.
Aus schleswigschen Contracten:
Die Hofinsten müssen mit den Hofknechten anfangen und auf-
hören, und wenn die Ilofknechte nicht mitarbeiten, so im Sommer
von 6 bis 6 Uhr mit Pausen von zusammen 1'/» Stunden; beim Heu-
und Korn-Einfahren von Morgens früh bis Abends spät ohne be-
stimmte Mittagspause, wie bisher; im Winter von Tagesanbruch bis
Abends mit Einer Stunde Mittagspause. Die Gartenarbeiten der
Frauen gehen von 7 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends.
Aus holsteinischen Contracten:
Sommers von 6 *) bis 6; in der Korn- und Heuerndte, so lange
es für uöthig befunden wird; Winters von 7 bis 6 Uhr oder bis zum
Dunkelwerden; Mittags 1 Stunde Pause, mit Ausnahme der eiligsten
Erndtearbeiten.
Bei Verhinderung durch Krankheit muss dies spätestens bis da-
hin, wo der Betreffende hätte erscheinen sollen, angezeigt werden;
in sonstigen Behinderungsfällen muss Einen Tag vorher die Erlaub-
niss zum Wegbleiben eiugeholt werden.
Anderswo: Mittagspause im Sommer 1%, im Winter 1 Stunde;
Frühstücks- und Vesperpause 20 Minuten, aber nur im Sommer; in
der Pacht gleich den Hufuern gesichert sind, braucht kaum bemerkt
zu werden.
*) Zuweilen dabei; dass sie sich deshalb schon um halb sechs I hr auf dem
Hofe einfinden müssen.
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Für eleu Fall, dass sie schlecht wirtschaften und mit dem Pacht-
gelde für ein ganzes Jahr in Rückstand geblieben, sind sie in man-
chen Contracten damit bedroht, dass das Pachtverhältniss als von
selbst und sofort erloschen anzusehen sei.
In Betreff des auf den Höfen oder bei den Bauern dienenden
Gesindes ist hier nur Weniges anzuführen.
Wo mit dem Beginne der Pachtwirthschaft die Leibeigenschaft
nicht sogleich mit aufgehoben wurde, fiel auch der Gesindedienst-
zwang nicht sofort weg.
Die Hufner inussten, wenn sie mehr erwachsene Kinder hatten,
als sie zu ihrer Wirthschaft bedurften, dieselben den Gutshöfen gegen
den üblichen Lohn zur Disposition stellen und durften sie nicht
ohne gutsherrliche Genehmigung auswärts vermiethen. Eiuige Guts-
herren behielten sich in den Hufenpachtcontracten ausdrücklich vor,
alle Leute, die sie selber als Gesinde nöthig hatten, vor den Hufnern
(auch unter deren eigenen Kindern) auszuwählen; ja die Huftier soll-
ten sogar welche von ihren Dienstleuten an die Höfe abgeben, wenn
Vakanzen entstanden wären.
hier durch Todesfalle plötzlich
Die Hufenpächter einiger Güter mussten sich zur Zahlung eines
bestimmten Lohnes an ihre Knechte und Mägde verpflichten, wahr-
scheinlich weil der bisherige Lohn so niedrig war, dass er in Verbin-
dung mit der damals noch schlechten Beköstigung auf den Hufen
zum Entweichen des leibeigenen Gesindes Veranlassung gab.
Mit der wenige Jahre hernach erfolgenden Aufhebung der Leib-
eigenschaft verloren solche und ähnliche Bestimmungen ihre prac-
tische Bedeutung.
In die späteren Hufenpachtcontracte wurde dahingegen häufig
die Bedingung aufgenommen, dass die Hufner nicht ohne gutsherr-
liche Genehmigung Gesinde aus anderen Districten in Dienst nehmen
dürfen, um nötigenfalls zu verhindern, dass dasselbe nicht Heimaths-
reeht und damit das Recht der Armeuversorgung in dem Gute er-
lange*). Wird die Erlaubniss dazu ertheilt, so wird darauf gesehen,
*) Auch mag hiebei anfangs die Ansicht mit geleitet haben, dass das in den
Gütern geborene Gesinde den Vorzug vor dem fremden haben müsse. Einige
Gutsherren verpflichteten die Hufner auch gar dazu,«uerst immer aus den Gütern
Leute zu nehmen, so lange solche noch dienstlos vorhanden seien.
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*) Hierin trat allerdings eine Aendcrung ein, als mit der Trennung der
Jnstiz von der Administration in mittlerer Instanz eine besondere administrative
Mittelbeborde für beide Herzogtümer («Regierung») errichtet wurde. Allein
dica geschah erst 1834; auch ist diese Behörde vor ungefähr zehn Jahren wieder
aufgehoben worden.
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kenden Observanz. In jedem Falle aber wird das, was, so lange die
Untergehörigen unfrei waren, vielleicht als eine gute oder eine er-
trägliche Ordnung galt, nach ihrer Freilassung eine Unordnung sein.
Die Nothwendigkeit aber erfordert doch schlechterdings, dass in die-
sem Stücke etwas auf sicheren Gründen beruhendes und zwar gleich
bei dem Anfange des neuen Standes der bisherigen Unterthänigen
festgesetzt werde, damit sie nicht vom Schwindel dieses letzten un-
glücklichen Jahrzehntes ergriffen, Freiheit und Gesetzlosigkeit für
gleich bedeutende Dinge halten.
Dass ein jeder Gutsherr solche, die innere Gutspolizei betreffenden
Ordnungen vermöge der ihm beikommenden obrigkeitlichen Macht
und Gerichtsbarkeit errichten könne, ist unbezweifelt; es liegt aber
auch in der Natur der Sache und ist die erste Bedingung derselben,
dass insofern sie Gegenstände der allgemeinen Landespolizei berüh-
ren, die darüber vorhandenen Gesetze ihre Grundlage sein und über-
haupt der Gutsherr nur in seinem hausherrlichen und ökonomischen
Fache die Stelle des Gesetzgebers vertreten dürfe.« —
Wir haben ungeachtet vielfacher Bemühungen solche von Schräder
erwähnte Bauern- oder Dorfeordnungen auf keinem Gute auffinden
oder sonst irgend etwas Näheres darüber in Erfahrung bringen können.
Das ganz gewöhnliche Verfahren nach Aufhebung der Leibeigen-
schaft und Frohnwirthschaft (oder vorläufig letzterer allein) war, dass
in den Pachtcontracten resp. Miethcontracten der Hufner
und Insten auch die öffentlichen Verpflichtungen derselben als Lan-
desunterthanen und Gutsuntergehörigc und als Theilnehmer der zu
ihrem eigenen gemeinsamen Besten etwa schon getroffenen oder noch
zu treffenden Einrichtungen in mehr oder weniger genereller oder
specieller Fassung verzeichnet wurden. Für manche Punkte wurde
kurz auf das Herkommen verwiesen, bei welchem es sein Bewenden
behalten solle. Manche Bestimmungen wurden durch spätere allge-
meine Landesgesetze von selber verändert oder ganz beseitigt.
Durch die gutsherrliche Verleihung einer Art von Communal-
verfaasung hätten die Untergehörigen daran gewöhnt werden können,
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*) Es bringen aber auch die Gutsherren manches Opfer für die Uutergihö-
rigen durch ihre Fürsorge für die Kirchen uud Schulen, durch die Beschäftigung
übt ifluasiger Hände, durch die Unterstützung von HülisbedürUigen u. s. w.
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Justizwesen.
Hin- und Herbeförderung des Gerichtshalters, oder, wenn mit
demselben hierüber akkordirt worden, ein verhältnismässiger Beitrag
zu den Beförderungskosten. Arretimng und Transportirung der Delin-
quenten; auch Bewachung derselben, wo noch keine sicheren Gefäng-
nisse vorbanden.
Bei Verhaftungen muss Jeder, den mau zuerst antrifft, alle nö-
thige Hülfe leisten.
nisse der Zukunft schon in's Auge fasste, die TJntergehörigen , «211 den Kosten
aller künftigen, von der Gutsherrschaft etwa beliebten gemeinnützigen Einrich-
tungen und Anstalten, die nicht den Vortheil der Gutsherrschaft, sondern den der
öntergehörigen bezweckten, nach Billigkeit beizutragen.»
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Polizeiwesen.
«Allen, von der Gutsherrschaft bereits erlassenen oder noch zu
erlassenden Polizeiverfügungen und überhaupt allen von derselben
für die öffentliche Sicherheit und Ruhe zu treffenden Anordnungen
verspricht der Hufner unbedingt Folge zu leisten, insbesondere dem
von der Gutsherrschaft zu erlassenden Regulativ wegen Beherbergung
der Reisenden und der Polizeiverfugung wegen der Lustbarkeiten
der Untergehörigen.»
Wobei man allerdings voraussetzen muss, dass solche Polizei-
verfügungen in ihrer Beschränkung der persönlichen Freiheit und
hinsichtlich des Maasses der für polizeiliche Vergehen anzudrohenden
Strafen innerhalb der Landesgesetze sich halten.
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deren Gütern von selber, ohne Ansage, sich einfinden. Die Hülfe ist
Militairwesen.
Wo vor 1800 die Pachtwirthschaft ohne gleichzeitige Aufhebung
der Leibeigenschaft eingeführt wurde, regulirten die Gutsherren con-
tractlich die auf die Soldaten -Stellung der Güter sich beziehenden
Verhältnisse (Auswahl unter den Hufnersöhnen vor denen der Käth-
ner und Insten; Beförderung von und nach den Garnisonsorten, Zu-
schuss während der Exerzirzeit u. s. w.), meistens nach der seitherigen,
auf den einzelnen Gütern in manchen Punkten differirenden Praxis.
Bei gleichzeitiger Aufhebung der Leibeigenschaft wurden einige hier-
durch gebotene Anordnungen getroffen.
Mit der Landmilitairordnung vom 1. August 1800, welche die
Soldatenstellung aus einer Reallast der Güter in eine persönliche
Dienstpflicht der Gutsuntergehörigen verwandelte und ein gleich-
massiges Verfahren für sämmtliche Landdistricte der Herzogthümer
einführte, verloren die älteren gutsherrlichen Anordnungen ihre prac-
tische Bedeutung, weshalb sie hier füglich übergangen werden können.
Wegewesen.
Auf einigen Gütern wurde sogleich jedem Hufner die von ihm
zu unterhaltende Wegestreckc genau zugemessen, auf anderen Gütern
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verblieb die Unterhaltung wenigstens in der ersteu Pachtperiode ge-
meinsame Sache der Hufner jeden Dorfes oder auch der ganzen
Dortschaft, in welchem Falle die nicht spanufähigen Kathner und
Insten mit Handdiensten concurriren mussten.
In den näheren Bestimmungen weichen die Contracte sehr von
einander ab, insbesondere wenn eigentliche Landstrassen durch die
Güter gehen. Heisst es ganz allgemein, dass die Hufner «die nöthige
Wegeverbesserung») unentgeltlich zu übernehmen versprechen, so
kann man vermuthen, dass die Wegepilicht der Hufner auch auf die
über die Hoffelder gehenden Wege (wenigstens wenn diese nicht
blosse Feldwege, sondern zugleich auch Communicationswege sind)
mit sich erstreckt; man ersieht daraus aber nicht, ob die Herrschaft
die Wegebaumaterialien liefert oder nicht. In manchen Contracten
wird die Lieferung an Buschholz, Pfählen u. s. w. zugesagt; vielleicht
kommt dies aber nur vor, wenn die Wegepflicht noch eine gemein-
same der Hufner ist, da die Auweisung von Material für jeden ein-
zelnen Hufner und die Controle über die Verwendung desselben we-
nigstens schwierig und lästig sein muss. —
Die Wegelast ist auch so vertheilt, dass die sämmtlichen über
die Hoffelder gehenden Wege von dem Gutsherrn (bei Verpachtung
von den Hofpächtern), alle übrigen Gutswege von den Hufenpächteru
unterhalten werden, mit Ausnahme vou Steindämmen, Brücken und
Sielen, für welche die Gutsherrschaft ganz sorgt, oder das Material
an Holz und Steinen hergiebt und die baaren Ausgaben (Löhnung von
Pflasterern, Ziminerleuten, Maurern) zahlt, während die Hufner die
Hand- und Spanndienste dabei leisten. Oder der Gutsherr zahlt nur
den Arbeitslohn für neue Pflasterungen, Chaussirungen und Siele.
Speciell über die Unterhaltung der eigentlichen Landstrassen
kommen folgende Verschiedenheiten vor:
Die Gutshöfe und die Hufner tragen die Last gemeinschaftlich.
Oder: die Gutaherrschaft zahlt blos den Pflasterlohn. Oder: die Land-
strassen werden, soweit sie über Hoffelder gehen, vou den Gutshöfen,
und soweit sie durch Dörfer und über die Feldmarken derselben
gehen, von deu Hufnern derselben unterhalten. Letztere erhalten
hierbei dann gewöhnlich die vorhin in Betreff der Wege überhaupt
angegebene gutsherrliche Beihülfe in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung. Doch kommt es auch vor, dass die ganze Last der Wege-
unterhaltung mit Einschluss der Landstrassen, auch in Betreff der
über die Hoffeider gehenden Wege, von den Dorfschaften allein (von
jeder Dorfschaft für sich) zu tragen ist, wobei innerhalb der Dorfschaft
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Medicinalwesen.
Zur Zeit der Leibeigenschaft bestritt der Gutsherr für sämmt-
liche Untergehörige die Kosten der ärztlichen Pflege, die aber damals
nicht viel bedeutete.
Seit Aufhebung der Leibeigenschaft müssen die Hufner in dieser
Beziehung für sich und die Ihrigen selber sorgen, wählend es die
Regel bildet, dass der Gutsherr einen Arzt für die unentgeltliche
Behandlung des Dienstpersonals der Gutshöfe und der Insten (der
sämmtlichen oder wenigstens der Hofinsten) mit deren Familie fest
besoldet, meistens auch die Medizin, die chirurgischen Kosten u. & w.
für dieselben bezahlt*). Selten wird sich diese Wohlthat auch auf
das Gesinde der Hufner erstrecken.
und ihre Familien eine geringe, die Insten dagegen eine reichliche Medizinal-
pflege geniessen. Die Hufner schicken nur im aussersten Nothfalle und oft zu
spät zum Arzte, weil sie ihn honoriren und die Medizin bezahlen müssen, die
Insten dagegen requiriren (wenn sie nicht gehörig controlirt werden, was anf
grossen Gütern schwierig ist, und wenn der Arzt als ein besonders humaner und
dienstwilliger Mann ihnen bekannt ist) oft bei den kleinsten üebeln die ärztliche
Hülfe, weil sie dieselbe umsonst haben. Man hat deshalb schon angefangen, sie
die Medizin ganz oder theilweise selber bezahlen zu lassen.
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Armenwesen.
Gewöhnlich blieb die Armenversorgung nach wie vor Sache des
Gutsherrn, und es wurde nur hie und da den Hufneru ein fester, un-
bedeutender Beitrag zu der gutsherrlichen Armenkasse (auf den Ol-
denburgischen Fideicommissgütern 1 */, Thaler per Hufe) contraetlich
auferlegt Ganz ausnahmsweise constituirten die Gutsherren gleich
bei Aufhebung der Leibeigenschaft und mit dem Beginnen der Pacht-
wirthschaft die Untergehörigen zu Armengemeinden, welche in den
Landschaften, Aemtern und Städten schon früher bestanden. Die
Untergehörigen wählen sich dann Armen-Vorsteher, welche die Ar-
menpflege handhaben, die subrepartirten Beiträge eincassiren, die
Rechnung aufstellen u. s. w. Die Oberaufsicht hat sich die Gutsherr-
schaft vorbehalten, auch wohl das Recht, die Armen Vorsteher selber
zu ernennen, etwa mit dem Rechte der Untergehörigen, dazu geeig-
nete Männer in Vorschlag zu bringen. Die nöthigen Fuhren für die
Armen (z. B. Heranfahren von Holz oder Torf, Befördern des Arztes
u. s. w.) müssen die Hufner in dem allgemeinen Turnus ihrer Fuhren
leisten.
Schulwesen.
Zu Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts hing es
noch so gut wie ganz von dem eigenen Ermessen der Gutsherren ab,
ob und wie sie für den Schulunterricht der Kinder ihrer Gutsunter-
gehörigen sorgen wollten.
Irgend welche Sorge war wohl schon auf allen Gütern seit län-
gerer Zeit hiefür getroffen, aber die Lehrer waren der Mehrzahl nach
unfähige Leute (invalide Handwerker, alte Dorfhirten) mit höchst
kümmerlicher Einnahme, und die Kinder besuchten nur sehr unregel-
mässig die Schule.
Auf einigen Gütern hatten die Gutsherren schon vor Aufhebung
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ISO
Kirchenwesen.
Das Kirchenwesen gehört nicht eigentlich zu den gutsherrlichen
Angelegenheiten und ist in den Hufenpachtcontracten vieler Güter
ganz mit Stillschweigen übergangen worden. Zwar ist der Gutsherr
in der Hegel Kirchenpatron und hat also die Rechte und die Pflich-
ten dieser Stellung auszuüben. Allein der Sprengel einer Pfarrkirche
fallt sehr häufig nicht mit den Grenzen eines Gutes zusammen und
es können mehrere benachbarte Gutsherren gemeinschaftlich das Pa-
tronat einer Kirche besitzen. Nicht selten ist ein Theil der Unter-
gehörigen eines Gutes anderswo als der Gutsherr mit dem Hofe ein-
gepfarrt,zu einer benachbarten Amts- oder Stadtkirche.
Auch war selbst unter der strengsten Leibeigenschaft das Wesen
der alten kirchlichen Gemeinden nicht ganz untergegangen und den
Predigern mit Zuziehung der Kirchenvorsteher (Kirchenjuraten, Kir-
chengeschworenen) eine wesentliche Mitwirkung an der Besorgung der
öconomischen Angelegenheiten des Kirchenwesens verblieben. Eben
so haben die Hufner ihr uraltes Stimmrecht bei der Wahl eines Pre-
digers, zu welcher dem Kirchenpatronate die Präsentation von drei
Geistlichen zusteht, behauptet. Die Prästationen der Hufner für die
Kirche, den Prediger und Küster ergeben sich aus den Kircheninven-
tarien, in welcheu das Vermögen und die Einkünfte der Kirchen,
Pfarren- und Küsterstellen unter Aufsicht der Kirchenpatrone nach
allgemeinen Vorschriften von 1796 genau verzeichnet sein müssen.
Aus dem in diesem Punkte dürftigen und unvollständigen Inhalt
der Hufencontracte wollen wir nur folgende Beispiele anführen:
1. Gut A. Die Hufner haben die Prediger- und Küstergebühren
zu entrichten und im Turnus die Fuhren und Handdienste für die
Kirche (bei Reparaturen u. s. w.), auch die Predigerfuhren zum Be-
suche der Schulen, der Kranken und armen alten Leute u. s. w. zu
leisten.
-
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der Hufner nur «die namhaft gemacht, dass sie dem General -Superin-
tendenten die Vorspannpferde bei der Kirchen Visitation zu .stellen
haben.
» - —— ——
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wiss, dass diese Pachtbauern auf ihren eingekoppelten Hufen von ge-
hörigem Umfange sich weit besser stehen und factisch in einer ge-
Lage befinden, als Tausende von verschuldeten, an der
sicherteren
Gemenglage der Aecker und Wiesen laborirenden kleinen Parzellen-
Grundeigenthümern auf ihren kümmerlichen Zwergwirthschaftcn in
manchen übervölkerten Gegenden des inneren, insbesondere des
südwestlichen Deutschlands. —
Vergleichen wir ausser der Pachterhöhung den sonstigen Inhalt
der Pachtcontracte aus der neueren und neuesten Zeit mit den ur-
sprünglich abgeschlossenen, so haben sich uns vornehmlich folgende
Aenderungen ergeben, von deneu wir indessen nicht behaupten kön-
nen, dass sie schon allgemeineund in welcher Ausdehnung überhaupt
sie auf den Gütern eingetreten sind. Einzelne hieher gehörige
Punkte haben wir des Zusammenhanges wegen schon vorhin berühren
müssen.
Die Last der Unterhaltung der Gebäude ist auf manchen Gütern
ingrösserem Umfange, als dies anfangs gewöhnlich der Fall war, den
Hufenpächtern zugeschoben worden. So z. B. in den Grossh. Oldenb.
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Fideicommissgütern laut der von Maitag 1857 bis dahiu 1867 abge-
schlossenen Contracte:
« Sämmtliche Reparaturen an den Gebäuden, wozu auch die Be-
legung mit Schleeten auf je neun Zoll der Länge des Balkens und
die Erneuerung einzelner Gebäudetheile gehört, hat Pächter auf seine
gerade so als ob er Eigenthümer
alleinigen Kosten zu beschaffen,
der Gebäude wäre. Doch soll er:
a) bei den Fundamenten, Mauern und Wänden aller Art;
b) bei den Verbandtheilen im Innern der Gebäude;
c) bei den Schornsteinen
Pachter geworden welches sie aber gegen Taxaium ihren Nachfolgern überlas-
,
sen müssen.
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Hufe speciell abgeschätzt,
herrschaftliche Inventar auf jeder einzelnen
und wenn der Werth desselben die angenommene Durchschnittssuiume
überstieg, so hatte der Huftier das Plus sofort der Gutsherrschaft baar
zu vergüten , während derselbe im umgekehrten Falle das Minus
ersetzt erhielt Letzteres scheint häufiger eingetreten zu sein, als
ersteres.
Der Vollhufner übernahm nun hiemit eine Geldschuld an die
Gutsherrschaft von 350 Thalern (und so abwärts die kleineren Huf-
ner) War er nicht im Stande, diese Schuld auf einmal auszuzahlen,
so musste er 14 Schuldscheine a 25 Thaler, verzinslich zu 4 pro Cent
ausstellen und konnte nun mittelst Abträge von 25 Thalern diese
Scheine allmählig einlösen, und so seine Schuld tilgen. —
So lange
die Schuld nicht ganz abgetragen war, diente das Inventar zur Hy-
pothek für die Gutsherrschaft und der Pächter durfte solches als ge-
wissermaassen eisern, in seinen wesentlichen Theilen nicht veräussern.
Ging ein Hufenpächter ab, bevor er das Inventar eingelöst hatte,
wurde verfügt, dass
so trat der Nachfolger in seine Schuld ein. 1854
nunmehr alle noch restirenden Schuldscheine (das Meiste war bis
dahin schon abgetragen) eingelöst werden sollten, und so ist jetzt die
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2. der ganze Viehstand;
3. das vorhandene Nutz- und Brennholz;
4. das Saatkorn, resp. gesäet und ungesäet
Zur Taxation des Wirthschaftsinventars (und zu anderen, beim
Pachtwechsel vorkommenden Ausgleichungen) ernennt sowohl der an-
gehende als der abziehende Hufner zwei Sachverständige, welche
nach vorgängiger Verpflichtung in zwei Parteien so vertheilt werden,
dass in jede Partei zwei gegenseitig ernannte Taxatoren kommen; jede
Partei giebt ihr Taxat besonders zu Protocoll, und der Durchschnitt
der beiden Angaben bildet das zu erlegende Taxat Den etwa erfor-
derlichen Obmann ernennt die Gutsherrschaft
Es werden indessen noch in den neuesten Pachtcontracten ge-
wisse Inventargegenstände als Eigenthum der Gutsherrschaft aufge-
führt, welche ausserhalb des mit 350 Thalern per Vollhufe eingelösten
Inventars liegen und dem jedesmaligen Pächter unter der Bedingung
der Rücklieferung in gleichmässiger Beschaffenheit und Güte und
unter der Verpflichtung einer gehörigeu Instandhaltung während der
Pachtzeit unentgeltlich überlassen werden. Nämlich:
1. das vorhandene Heu und Stroh;
2. der im Lande und auf dem Hofe befindliche Dünger;
ä. die erforderlichenFeldthore, Schlagbäume mit Stützen, die im
Felde befindlichen Siele, Brücken u. s. w.;
4. die auf und bei den Hofplätzen und Gärten befindlichen Plan-
ken, Staketen, Zäune, Pforten, Pumpen, Brunnen, Wasserleitungen,
Schleusen, Steinpflaster etc.;
5. die Obst- und Weidenbäume, mit der Bestimmung, dass stets
wenigstens 30 tragbare Obstbäume edler Sorte von drei Zoll im Durch-
messer vorhanden sein müssen und für jeden fehlenden Obstbaum
jährlich1 Thlr. R. M. (dänische Münze =% Thlr. preuss.) an die
Armenkasse zu bezahlen ist;
6. die bis zur Zeit des Pachtantritts nach landüblicher Wirth-
schaft beschafften Feldarbeiten *);
7. die erforderlichen Feuerlöschgeräthe.
Ob und in welchem Umfange diese Gegenstände vorhanden sein
müssen, bestimmt die Gutsherrschaft. Der Pächter muss das ad 1 —
Bestimmte auf seine Kosten ausführen und alle während der Pacht-
*) Die beim Abgänge zum 1. Mai abzuliefernde Feldbestellung haben wir
Koppel ans der Preesch gepflügt, eine Koppel zur Cioiste zweimal gepHügt.
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wohl noch immer die Regel bildet) und für die in Kriegszeiten an
den Feind gegen Quittung oder Bons geleisteten Zahlungen oder be-
schafften Naturallieferungen.
In den neuesten Contracten der Grossh. Oldenb. Fideicommiss-
güter heisst es dahingegen: «Pachtremissionen finden unter keinem
Vorwande und aus keinerlei Gründen Statt, also auch nicht
wegen Hagelschlag, Feuersbrunst, Misswachs, Viehsterben, Mäuse fr aas,
Wassersnoth, Einquartirung, Plünderung im Kriege u. s. w.»
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ny % •
Ul
S. ' * r , -S - *
auch durch die communale Verwaltung desselben nicht auf den Gütern beseitigen,
wie die Lage der Dinge in den Aemtern. Landschaften uud Städten beweist. Sie
liegen in der Gesetzgebung, welche es den Besitz- und Erwerbslosen gestattet,
die leichtsinnigsten Heirathen zu schliessenund auf Kosten der Armenkasse
Familienväter zu werden oder die Versorgung unehelich erzeugter Kinder so
gut wie ganz von sich abzuwälzen. Die gesetzliche Pflicht der Gemeinden, ihre
Armen zu ernähren, ist, wenigstens früher, von oben herab in einer Weise inter-
pretirt worden, dass dadurch die unverschämtesten Ansprüche arbeitsfähiger,
aber fauler und liederlicher Armen begünstigt wurdeu. Gegen diese lelzte Classe
von Armen habeu übrigens die seit etwa SO Jahren in manchen Gemeinden, na-
mentlich in deu Marschen, errichteten Zwangsarbeitshäuser gute Dienste geleistet.
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Nur zwei eingreifende Aenderungen, die bis jetzt zwar erst auf
der Minderzahl der Güter vorgenommen sein mögen, wahrscheinlich
aber weitere Verbreitung finden werden, verdienen hier erwähnt zu
werden.
1. Manche Gutsherren haben die Ueberzeugung gewonnen, dass
die Errichtung der Landinstenstellen eine Maassregel gewesen, welche
im Ganzen mehr Nachtheile als Vortheile mit sich führe. Ob dem
wirklich so ist, wollen wir nicht entscheiden. Dass dieses Verhältnis
aber jedenfalls seine Nachtheile hat, lässt sich nicht läugnen. Bei
der Gründung dieser Stellen ist man wohl hauptsächlich von dem
Gedanken geleitet worden , dass es gut sei , wenn die Insten ihren
Bedarf an den nothwendigsten Lebensmitteln selber erzeugen könnten
und auch, dass sie durch diese Landbewilligung mein an das Gut uud
den Gutsherrn gefesselt und als Hofarbeiter zu grösserem Fleisse an-
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*) Näher liegt e&, ihnen einen stärkeren Anbau von Klee and anderen
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den, von den Hofwirthschaften oder auch von den Hufnern (unter
Ablieferung des Düngers, soweit sie denselben nicht für ihren kleinen
Garten gebrauchen) wohl überall in Pacht erlangen. Damit wäre so
ziemlich das System wieder angenommen, welches zur Zeit der Leib-
eigenschaft das gewöhnliche in den Gütern der Herzogthümer war *),
und welches in Mecklenburg u. s. w. immer beibehalten worden ist
Gegen dasselbe ist hauptsächlich nur zu erinnern:
1) dass die Dreesch-Koppeln in manchen Jahren zufolge der
Rotation der sämmtlichen Koppeln sehr entfernt von den Wohnungen
der Insten liegen, die Frauen derselben also viele Zeit mit dem Hin-
und Hergehen zum Melken der Kühe verlieren
2) dass das Durcheinanderweiden der Hofkühc und Instenkühe
zu Unordnungen und Unterschleifen beim Melken Anlass geben kann,
die Absonderung der Instenkühe aber auf abgetheilten, provisorisch
eingezäunten Flächen der Dreeschkoppeln Umstände verursacht
Auf den Oldenb. Fideicommissgütern, wo die Landinstenstellen
bei Aufhebung der Leibeigenschaft in grosser Zahl mit bedeutenden
Opfern der Gutsherrschaft eingerichtet wurden, und auch beibehalten
worden sind (circa 300 Stellen), ist folgender eigenthümlicher Weg
eingeschlagen worden, um bei zunehmender Instenbevölkerung den
blossen Wohnungsinsteu wenigstens in zweien Dörfern die Haltung
einer Kuh möglich zu machen. Es wurden zwei Hufen aus der Pacht
genommen und Haushaltern übergeben, welche die Ackerwirthschaft
für Rechnung der Gutsherrschaft betreiben, während statt eigener
Kuhhaltung die Kühe von Insten im Sommer auf den Dreeschkoppeln
geweidet und im Winter in den Hufengebäuden durchgefüttert wer-
den, wofür die Insten ein sehr niedriges Weide- und Futtergeld zah-
len. Des ungeachtet ist der Reinertrag dieser sogenannten Instenhufen
für die Gutsherrschaft erheblich höher, als das dortige Pachtgeld der
Hufen. —
Hie und dort ist neuerdings den blossen Wohnungsinsten (die
in der Regel den späteren Zuwachs der Instenbevölkerung der Güter
seit Aufhebung der Leibeigenschaft repräsentiren) etwas Ackerland,
etwa % Tonne für die Familie, zugemessen und pachtweise gegen
*) Doch hatten damals die Instenkülic die Weide nicht auf den Hofkoppeln,
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mit dem Hin- und Hergehen und dem Ausfahren des Düngers und
der Einbringung der geerndteten Früchte auf der Schubkarre. Zu
Spanndiensten für diese Ländereien siud die Hufner nicht pflichtig.
jeder ein Schwein, oft auch noch ein bis zwei Schaafe halten.
Hantaen, Aulheb. d. Leibe*. 10
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ZWEITES GAPITEL
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diese Rücksicht bei der Niederlegung der Domainen weg, weil die
Regierung in Betracht der mit der Pachtwirthschaft und noch mehr
mit der Selbstadrainistration der Doinainenhöfe unvermeidlich ver-
bundenen Nachtheile die Domainen überhaupt veräussern wollte.
Was nun zuvörderst das Maass der Parzellirung betrifft, so wurde
in der Regel aus den, dem alten Hofe zunächst gelegenen Ländereieu
eine grössere Parzelle gebildet, welche wenigstens den Umfang von
2—4 Bauerhufen, häutig den von gewöhnlichen Meierhöfen (Vorwer-
ken) adeliger Güter erhielt **). Dies war schon deshalb zweckmässig,
weil so die für die grosse Hofwirthschaft angelegten und einmal vor-
handenen Gebäude wenigstens theilweise ihren Nutzungswerth behiel-
ten. Diese Parzelle erhielt die Bezeichnung: «Stammparzelle», oder
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meist besseren Boden als die Uaucrstelleu der Güter, die zwar arrondirte Kop-
peln, aber diese nicht in einer zusammenhängenden Mäche haben, wenn nicht
ein umfassender Ausbau von Hufen aus den Dörfern Statt gefunden hat. Dass die
Gutsherren früheren Zeiten das bessere Land zu Hoffeld gemacht und das
iu
schlechtere den Bauern gelassen hatten, ist sehr erklärlich.
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besitz für landwirtschaftlichen Nebeobetrieb zu erwerben. Da die
Inhaber dieser Parzellen nicht gleich den Landinsten auf den adeli-
gen Gütern mit Zeitpachtverhältniss die Bestellung ihrer Ländereien
von den spannfähigen Landstellen gegen eine Taxe fordern können,
so müssen sie darüber selber Akkorde treffen. Zuweilen halten sie
auch jeder ein Pferd und je zwei spannen zusammen: eine bedenk-
liche gegenseitige Abhängigkeit. In Angeln wird vermuthlich das
Pflügen mit Kühen auf diesen kleinen Stellen jetzt Eingang finden,
da die spannhaltenden Parzcl listen oder die Hufner angefangen haben,
ganz übertriebene Preise für die Feldbestellung und Fuhren zu fordern.
Die Käufer der Parzellen mussten selber für den Aufbau der
nöthigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude sorgen. Doch wurden Par-
zellen auch von Hufnern und Käthnern der Güter, die schon wirth-
schaftlich eingerichtet waren, zu ihrem Grundbesitze, resp. blossem
Hausbesitze zugekauft.
Manche Gutsbesitzer erklärten die Parzellen in der Weise für
Genehmigung eine Theilung dersel-
untheilbar, dass nicht ohne jhre
ben zur Gründung neuer Stellen oder eine Abtrennung einzelner
Ländereien zur Vergrösserung anderer Parzellen, oder eine Vereini-
gung mehrerer Parzellen zu Einer Wirthschaft unter Abbruch der
damit überflüssig werdenden Gebäude vorgenommen werden darf.
Andere gestatteten die beliebige Vereinigung mehrerer zusammen-
gekaufter Parzellen, so wie die unbeschränkteste Theilbarkeit der-
selben.
Noch andere setzten eine Minimalgrenze der Theilbarkeit, wenig-
stens für den Fall, dass auf den abgetrennten Stücken neue Familien-
stellen gegründet werdeu sollten.
Die damaligen Privilegien der Gutshöfc, wie Stempelpapierfrei-
heit, Zollfrciheit, Militairfreiheit wurden von den Gutsherren auf die
Parzellen übertragen.
Die ordinaire Contribution der Güter, welche zwar nur auf den
alten Bauernländereien ruhete, aber unter der Leibeigenschaft aus der
gutsherrlichen Kasse gezahlt wurde, verlegten die Gutsherren nun
entweder auf die bäuerlichen Landstellen allein oder zugleich mit auf
die Hofparzellcn (unterExemtion des Stammhofes oder der Stammpar-
zelle)und nahmen zu diesem Zwecke eine Reparation der sogenann-
ten Pflugzahl (des Matrikclansatzes) ihrer Güter vor, womit zugleich
der Beitragsfuss für ausserordentliche landesherrliche Prästationen
gegeben war, und auch für solche öffentliche Lasten des Gutes, die,
bisher gewöhnlich von den Gutsherren allein getragen, jetzt den Cha-
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machen. Uebrigens ist die gleiche Höhe des Kanons für Land von verschiedener
Beschaffenheit kein grosser Uebelstand, da die Kaufpreise diese ungleiche Be-
lastung ausgleichen müssen.
Ueber die rechtliche Seile der Frage haben Juristen der Herzogtümer
*)
einen lebhatten Streit gegen einander geführt. Vgl.u. A. die Abhandlungen von
preise war in den einzelnen Jahren sehr verschieden nach dem Stande der land-
wirtschaftlichen Conjunctureu, so dass also der pecuniaire Erfolg der Parzelli-
rung wesentlich davon abhing, zu welcher Zeit die Operation auf den einzelnen
Gütern vorgenommen wurde. Auch war von Einfluss, ob gleichzeitig in derselben
Gegeud viele oder wenige Gutshöfe parzcllirt wurden.
Manche Gutsherren, welche die Operation in ungünstigen Jahren ausführ-
ten, veräusserten die Parzellen zu sehr niedrigen Preisen, die dann von den Käu-
fern nach weuigeu Jahren zu sehr hohen Preisen wieder verkauft wurden.
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der Wohn- und Wirtschaftsgebäude tief in Schulden geriethen.
Man rechnete unbesonnener Weise auf fortdauernd hohe Producten-
preise und gute Erndten. Erklärlicher war es, dass man nicht auf den
Verlust mancher Vorrechte und auf die enorme Steigerung der öffent-
lichen Lasten gefasst war. Die anfängliche Befreiung der Hofparzel-
listcn und ihrer Söhne vom Militärdienste war mit eine Ursache der
hohen Kaulpreise der Parzellen gewesen.
Mit der neuen Landmilitairordnung vom 1. August 1800 fiel
aber diese Exemtion weg und wurden die Parzellisten hierin dem
Bauernstande gleichgestellt. Von 1802 an wurden die landesherrlichen
Abgaben durch eine neue Grundsteuer und deren successive Erhö-
hungen, sodann 1813 durch die noch tiefer eingreifende sogenannte
Reichsbankhaft, welche zu Gunsten der Reichsbank 6 Procent vom
Capitalwerthe aller Ländereien verschlang und endlich durch die
ausserordentlichen Kriegslasten jener Zeit zum unerträglichen Ueber-
maasse gesteigert*).
Die selber mit leidenden Gutsbesitzer konnten alle diese Leiden
von ihren Parzellisten nicht abwehren und auch zur Entschädigung
derselben nicht verpflichtet sein; eine Kürzung des Kanons um einige
Procente wurde deu Parzellisten wegen Auferlegung der Grundsteuer
von 1802 gesetzlich gestattet.
Aber die Parzellisten der Domainen konnten sich mit Fug und
Recht darüber beschweren, dass die Regierung selber ihnen erst we-
nige Jahrzehnte vorher für die Ländereien hohe Preise durch das
Versprechen der Conservation von Vorrechten und der Un Veränder-
übernommenen Lasten abgelockt hatte, und nun nicht
lichkeit der
Treu und Glauben hielt. Konnte dieses an und für sich unsinnige
Versprechen ans höheren und allgemeineren Rücksichten nicht ge-
halten werden, so wäre die Regierung wenigstens verpflichtet gewe-
sen, eine entsprechende Entschädigung durch Moderation des Kanons
oder in anderer Weise zu leisten.
Als nun vollends noch von 1820 an eine Periode niedrigster
Productenpreise eintrat, in welcher nicht einmal die laufenden Wirth-
schaftskosten gedeckt wurden, viel weniger eine Grundrente blieb und
das ßetriebscapital sich verzinste, da brachen eine Menge von Con-
cursen (freilich auch sonst im ganzen Lande) aus un<l die Verkaufs-
*) 1838 fiel auch die Zollfr'eihcit der adeligen Güter weg. allerdings gegen
eine massige Capitulentschadigung, die aber nicht zur Vertheilung kam, sondern
ala gemeinschaftlicher Fonds der Güter zur Beförderung gemeinnütziger Einrich-
tungen im ganzen Lande verwaltet wurde.
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preise der Parzellen sanken bis auf V'lu der ursprünglichen Ankaufs-
preise herab, wenn sie überhaupt wieder unterzubringen waren uud
nicht notgedrungen von den Gutsherren wegen rückständiger Steuern
(für welche sie dem Staate haften) und Gefälle übernommen werden
mussten.
Allerdings konnten die, welche jetzt für Spottpreise, mit denen
nicht einmal der Werth der Gebäude bezahlt wurde, in den Besitz
der Stelleu gelangten, gut bestehen, und auch diejenigen alten Par-
den zwanziger Jahr eu, wenn gleich mitNoth und
zellisten, die sich in
der Schaffung von Stellen für blos 2 Pferde, so wie von kleinen ge-
spannlosen Stellen mehr Maass halten sollen.
Die Parzellisten selber haben nun später häutig noch weiter par-
zellirt, sei es durch Abverkauf einzelner Ländereien oder durch Thei-
lung unter Erben. Wir vermuthen, dass dies gerade unter den klei-
neren Parzellisten weit öfterer vorgekommen ist, als unter den
grösseren.
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Jeusen bemerkt in seiner angefahrten Beschreibung von Angeln
p. 274, dass dort auf manchen Gütern die Zertheilung in gar zu kleine
Stellen überhand genommen und eine Uebervölkerung mit wachsen-
den Armenlasten herbeigeführt habe *).
Besitze der Gebäude und des Inveutars. Ueber das Feste vcrbältniss im Herzog -
thume Schleswig vgl. Wimpfen, die Lehre von den Festegatern, im staatsbürger-
lichen Mag. VI, 227 ff. und Falcks Schleswig holsteiuischeb Privatrecht V, 223 ff.
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15«
Katbner völlig wie Fremde behandelt; es kam darauf an, ob sie mit
bieten konnten und wollten und beim Meistgebote später zu bestehen
vermochten, oder ob sie von vornherein lieber auf den Kampf mit
den fremden Kauflustigen verzichten und auswärts irgend ein Unter-
kommen suchen oder im heimathlichen Gute zu Insten und Guts-
armen sich degradiren lassen wollten. Als ein empörendes Beispiel
dieser Art haben wir schon im dritten Abschnitte das Verfahren auf
dem Gute Gehe von 1790 angeführt. Die schützenden Bestimmungen
der Verordnung vom 19. December 1804 fehlten damals noch.
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die zur Zeit auf den Gütern vorhandenen Hufenstellcn (ganze, halbe
u. 8. w. Hufen) in dieser ihrer Eigenschaft erhalten werden sollen,
wobei es dem Gutsherrn uuverwehrt blieb, einzelne Ländereien von
der einen Bauerstelle zur andern zu legen.
War auch die Tendenz dieser Bestimmung höchst wahrschein-
lich nur gegen die gutsherrliche Niederlegung dieser Stellen und die
Einziehung der Ländereien unter das Hoffeld gerichtet, so enthielt
sie doch implicite auch eine Beschränkung der Dismembrationsfreiheit
für die Bauern selber oder für Andere, welche diese Stellen ei bpacht-
lich oder eigcnthünilich erwarben.
Nun hatten aber eiuigo Gutsherren die neuen Parzellen aus
einem Gemische von Hof- und Bauernländereien gebildet, dabei die
Hufen gänzlich kassirt und den Käufern dieser neuen Stellen die
völlige Dismembrationsfreiheit eingeräumt; andere (die meisten) hat-
ten die Hufen (wenn auch zuweilen verkleinert) bestehen lassen und
dieselben gleichfalls entweder mit völliger oder mit wenig beschränk-
ter Dismembrationsfreiheit in Erbpacht oder Eigenthum gegeben *).
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158
forderlichem Lande fohle; doch sei hiezu die Einwilligung des Guts-
herrn erforderlich.
Da die Gutsherren häufig durch die Verkaufsbedingungen auf
diese Genehmigung als Grundherren ausdrücklich verzichtet hatten, so
konnten sie hier nur als Obrigkeit gemeint sein und würden in sol-
chen Fällen in eine eigeuthümliche Collision mit sich selber gerathen.
Mit diesem Bescheide war die wichtige Frage nicht ins Klare gebracht,
und auffallen inuss es auch, dass das Obergericht nicht auf die Ver-
ordnung vom 19.Deeember 1804, sondern auf die, die adeligen Güter
gar nichts angehende Gesetzgebung für die landesherrlichen Aemter
sich stützte. —
Der erbangesessene Bauerstand kann nicht blos durch übertrie-
bene Parzellirungen zu Grunde gehen, sondern auch durch Ueber-
schuldung, welche bei dem gemeinen Erbrechte durch die Auszahlun-
gen des die Stelle übernehmenden Erben an seine Geschwister leicht
eintritt Hiegegen schützt in den landesherrlichen Aemtern die be-
sondere bäuerliche Erbfolge, nach welcher der älteste Sohn (in eini-
gen Gegenden der jüngste Sohn) ein Näherrecht an der Hufe hat und
die Ansprüche seinei Geschwister nach einem sehr niedrigen Taxatum,
welches sich erheblich unter dem wahren Capitalwerthe der Hufe
hält befriedigt *).
Die besondere bäuerliche Erbfolge ist nun auch auf die Dorf-
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m
oder weniger die Leitung der Geschäfte sich vorbehielten und die
Stiimmhöfe von gewissen Ausgaben u. s. w. eximirten. Gewöhnlich
bildet das Gut für die allgemeinen polizeilichen Angelegenheiten
(im weiteren Sinne des Wortes) eine einzige Commune, während das-
selbe für das Schulwesen und für das Armenwesen häutig in mehrere
Districte getheilt ist, wobei die locale Lage und die Grösse und Be-
völkerung der Güter entscheiden, ob die Hofparzellen für sich und
jedes Dorf für sich oder mehrere Dörfer zusammen oder eine Ver-
einigung von Hofparzcllen und bäuerlichen Stellen einen solchen Di-
strict bilden.
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das Eigenthum der Stellen (von 9 bis 38 Tonnen) 32 bis 140 Thaler;
dazu die Hälfte des Taxationswerthes der Gebäude, für das Inventar
nichts; die Schuld musste binnen 10 Jahren abgetragen werden und
war bis zur Tilgung mit 3 Procent zu verzinsen.
Sonst waren die schleswigschen Domanialbauern freie Festebauern,
meistens wohl Erbfester (also ungefähr wie Erbpächter), und erhielten
Land und Gebäude (falls sie nicht etwa letztere schon vorher eigen-
thümlich besassen) unentgeltlich, so dass sie, so viel ersichtlich, nur
das Inventar einzulösen brauchten.
Auf einigen holsteinischen und schleswigschen Domainen war es
zweifelhaft, ob das Inventar den Bauern oder der Gutsherrschaft ge-
hörte; in diesem Falle wurde es ihnen immer unentgeltlich überwiesen.
Mit den jährlichen Abgaben der Bauern wurde es nun entweder
so verhalten, dass man die bisherigen «Erdbuchsgefälle», unter
welchem Namen schon in früheren Zeiten alte Grundsteuern und
gutsherrliche Gefälle zusammengeworfen worden waren, unverändert
in ihrer Höhe und Vertheilung bestehen Hess und daneben ein ge-
wisses Dienstgeld*) statt der wegfallenden Hofdienste auferlegte;
oder so, dass man eine sogenannte Setzung vornahm , d. h. die alten
Gefalle und Steuern und das Aequivalent für die Hofdienste in einen
Satz zusammenfasstc und diesen nach der Güte des Bodens höher
oder niedriger stellte (l
1
/,, 1% Thaler u. s. w. für die Tonne von
320 Q.-R.).
Die wichtige Aufhebung der Feldgemeinschaft scheint nicht im-
mer vorgenommen zu sein.
gleichzeitig, sondern erst etwas später —
Vergleicht man die frühere Netto- Einnahme der 52 niedergeleg-
tenDomainen mit der späteren, einschliesslich der Zinsen der erlang-
ten Kaufsummen, so ergiebt sich eine Steigerung von circa 50 Pro-
cent**) ausser dem Ertrage der reservirten circa 6500 Tonnen Höl-
zungen. Allein theilweise wurde diese Mehreinnahme nur durch den
Ruin der ersten Generation von Parzellisten und durch lockende,
nicht gehaltene Versprechungen erlangt; theilweise fallt sie auf die
war (in Holstein überhaupt scharfer als in Schleswig), so wurde das Dienstgeld
hiernach sehr verschieden bestimmt; dasselbe betrug in Holstein häufig 66} Tha-
ler, in einem Domanialgute auf der Insel Alsen dagegen nur 4 Thaler für die
Vollhufe.
*) In Summa betrug die Mehreinnahme circa 48000 Thaler (circa 51000
Thaler preuss. Cour ). Das ganze Object war also nicht von so grosser Bedeutung
für die Finanzen.
Hin »im, Aulhob. d Leitwi«. 11
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Regulirung der Dörfer, die auch ohne die Parzellirung der Hoffelder
hätte ausgeführt werden können.
Auch hatten die Domainen unter der bisherigen Pacht wirthschaft
nicht den Ertrag geliefert, den sie bei einer besseren Leitung der
Domanial Verwaltung hätten abwerfen müssen; und eine, wenn auch
nicht erhebliche Steigerung der Einnahme wäre bald nachher unter
dem Einflüsse günstigerer landwirthschaftlicher Conjunctureh auch
bei Fortsetzung des Pachtwesens von selber eingetreten.
Allerdings mögen überwiegende Gründe für die Beseitigung des
Pachtwesens durch Veräusserung der Domainen gesprochen haben.
Es fragt sich aber, ob man nicht volkswirtschaftlich richtiger gehan-
delt hätte, die Domanialhöfe in den bisherigen Wirthschafts-Coraplexcn,
oder nur etwa durch Ablegung von Meierhöfen verkleinert, zu ver-
äussern und zwar allmählig, wobei von den 90ger Jahren des vorigen
Jahrhunderts an selbst finanziell wohl eben so günstige, wenn nicht
noch günstigere Resultate erzielt worden wären.
Dass nach allen einwirkenden wirtschaftlichen Factoren in den
Herzogtümern der Beinertrag grösserer Höfe ein relativ grösserer
ist, Höfe also auch einen höheren effectiven Capital-
die grösseren
^ werth haben als die Parzellen, ist keinem Zweifel unterworfen. Die
allmählige, mit intensiver Gestaltung des landwirtschaftlichen Be-
triebes passende Verkleinerung der grossen Höfe hätte man mehr der
Zukunft überlassen sollen. Sicherlich sind neben den grösseren Wirth-
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I
163
Die Parzellisten und die Bauern wurden auf gleichen Fuss ge-
setzt, so dass zwischen einer Hofparzellc und einer Hufe kein Unter-
schied mehr existirt
Das Gut ist administrativ in drei Districte getheilt, welche nach
den drei Dörfern desselben benannt sind. Jeder District umfasst ge-
mischt eines der Dörfer und die demselben zunächst gelegenen Hof-
parzellen. In jedem Districte besorgt ein Bauervoigt die untere Poli-
zei und sonstige administrative Hülfsgeschäfte,
Abgesehen von dem Stammhofe, welchen die Gutsherrschaft mit
den Officialwohnungen und Hofkatheu, den Forsten und Mooren sich
reservirt hat und ausser einem, zu völligem Eigenthum und ohne
Kanon und Dienste verkauften, jedoch im Gutsnexus verbliebenen
*) Der Hauptübergaug vou der Zeitpacht zur Erbpacht scheint 1794 Statt
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W~ V >^ W *
*) Hieraas ist zu schüessen, dass die Erbpachter die auf den sonstigen
Erdwillen ihrer Koppeln stehenden Richen und Buchen erhielten. Das Buschholz
der Erdwille fiel ihnen selbstverständlich überall zu.
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nen Communication bestimmt sind, z. B. von dem Hofe nach den
gutsherrlichen Hölzungen führen) erforderlichen Falls durch gang-
fertige, mit einem herrschaftlichen Schlosse belegte Thore sichern.
Alles Jagen und Schiessen ist den Erbpächtern und ihren Ange-
hörigen bei willkührlicher Strafe verboten, auf Holzdiebstahle eine
namhafte Strafe gesetzt
Die Erbpächter bleiben mühlenpflichtig *).
beträgt 2 Thaler jährlich per Tonne von 240 Q.-R. durchgängig für
die grösseren Erbpachtstellen; bei den kleineren kommt theil weise
l
der Satz von nur \ /3 Thaler (4 Mark) vor, vielleicht weil sie nicht
*
so gutenBoden haben, oder weil die kleinen Stellen grösserer Scho-
nung bedürfen. Nach den Contracten über die 35 grösseren Erbpacht-
stellen von 1794 steht der Gutsherrschaft die Wahl frei, ob sie statt
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.....
166
y^-w
-'--s^,
pacht
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sikats- und Criminalkostcn, wie die Ausgaben des Armenwesens unter
Tbeilnahme des Haupthofes nach einem gutsherrlich festgesetzten
Repartitiousfu8se aufzubringen.
Die Hebamme erhält von der Gutsherrschaft freie Weide für eine
Kuh und Deputatholz.
Eine ordentliche Einrichtung des Armenwesens kam erst etwa
um's Jahr 1820 zu Stande. Das aus dem Gutsherrn als Director und
sechs von den drei Districten gewählten Armenvorstehern bestehende
Armen-Collegium besorgt die Verwaltung des Armenwesens; einer der
Schullehrer ist der Rechnungsführer und Cassirer dieses Collegium.
Ausser den jährlichen Beiträgen des Haupthofes zu dem ausge-
schriebenen Armengelde hat die Gutsherrschaft der Armencommune
ein Capital von 1500 Thalern, welches als erstes Geld in Aschberg
radicirt ist, geschenkt und zwei herrschaftliche Armenhäuser für die
Dauer der ganzen Einrichtung zur Benutzung überlassen, wozu noch
ein drittes, der Armencommune selber gehöriges Armenhaus kommt
Das Gut ist in drei Schul districte getheilt, die besondere Schul-
communen ausmachen.
Der Gutsherr ernennt die Schullehrer und giebt denselben Holz-
und Torfdeputate, zweien auch ein kleines Fixum. Die Verpflichtun-
gen der Schulinteressenten (Beiträge zum Unterhalt der Schullehrer
und zu den übrigen Kosten des Schulwesens u. s. w.) richten sich
nach den landesherrlichen Verfügungen und späteren Vereinbarungen.
Das Gut ist auswärts eingepfarrt, grösstentheils nach der Stadt
Plön, ein Dorf mit einigen ausgebauten Stellen nach der Kirche zu
Bornhöved.
In beiden betreffenden Kirchenconventen hat der Gutsherr Sitz
und Stimme. Er vermittelt die Erhebung und Ablieferung der auf
die Untergehörigen des Gutes fallenden Beiträge zu den Kosten des
Kirchenwesens, ohne selber zu contribuiren, ausgenommen für eine
niedergelegte Hufe.
Die sämmtlichen Wege im Gute jedem
sind aufgetheilt, so dass
Landbesitzer seine Strecke zur Besserung zugewiesen ist Für den
Bau und die Reparatur von Brücken auf den Haupt- und Nebenwegen
liefert die Gutsherrschaft das Holz, die sonst dabei vorkommenden
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die Hälfte der Summe noch in den nächsten 5 Jahren nicht zu kün-
digen. Derselbe behält sich das Eigenthumsrecht bis zum gänzlicheu
Abtrage vor. Dem Erbpächter wird die Gewähr geleistet.
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Ad öffentlichen Lasten hatten sie zu abernehmen:
1) die ritterschaftlichen Anlagen des Gutes;
2) die Polizei-, Kriminal- und Physikatkosten, unter Concurrenz
der Parzellisten, repartirt nach Toonenzahl;
3) die Versorgung der Armen der Dorfschafteu, wofür sie eine
Commune für sich (also die Parzellisten auch eine Commune für sich)
bilden;
4) die kirchlichen Lasten wie bisher; doch mit nunmehriger
Concurrenz der Hofparzellisten in Betreff der baaren Geldausgaben
nach einem von der Gutsherrschaft festzustellenden Repartitionsmodus.
Das Gut ist auswärts eingepfarrt und hat daher im Ganzen nur
eine bestimmte Quote der für die betreffende Kirche und den Predi-
ger und Küster derselben zu bestreitenden Ausgaben und Leistungen
zu tragen;
5) Unterhaltung der beiden Schulhäuser und Schullehrer des
Gutes. Die Schulhänser schenkte die Gutshen-schaft den Untergehö-
rigen: das Recht, die Schullehrer zu ernennen, behielt sie sich nach
bisheriger Verfassung vor.
Die Bestimmungen über die Stellung zum Landausschusse und
die Abhaltung der damit verbundenen baaren Ausgaben übergehen
wir, weil sie bald nachher durch die Gesetzgebung ihre Bedeutung
verloren. Die Absicht des Gutsherrn war, die Parzellisten von der
Stellung selber zu eximiren und sie nur zu den desfälligen baaren
Ausgaben coneurriren zu lassen. Von der Stellung der Reuterpferde
Hess die Guteherrschaft die Dorfschaften befreit.
Die Gutsherrschaft reservirte sich die Jagd und versprach con-
tractlich, den durch dieselbe den Hufnern erweislich im Kornwuchse
zugefügten Schaden zu vergüten. Alles Gebüsch und Gesträuch auf
den Ländereien der Hufner wurde ihnen mit überlassen. Die auf deren
Feldern etwa stehenden Bäume konnten sie gegen Zahlung des taxir-
ten Werthes erhalten, eventuell liess die Gutsherrschaft dieselben weg-
räumen.
Die Hufner blieben nach wie vor pflichtig zw Benutzung der
übrigens nicht zum Gute selber gehörigen Mühle und mussten sich
verbindlich machen, wenn der Gutsherr innerhalb des Gutes eine
Mühle bauen würde, dann auf dieser ihr Korn mahlen zu lassen. Zu
den Fuhren und Handdiensten bei dem Mtihlendamm und bei der
Freischütte und zur Transportirung des Mühlensteines mussten nun
auch die Parzellisten coneurriren.
Jedem Hufner wurde die in Zukunft von ihm zu unterhaltende
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Wegestrecke angewiesen nach dem Principe, dass wenn auf der einen
Seite des Weges Parzellen land, auf der anderen Seite desselben Hu-
fenland liegt, der betreffende Parzellist und Huftier jeder die Hälfte
des Weges, wenn aber an der einen Seite Stammhofsländereien au
den Weg grenzen, dann der Hufner die Strecke allein unterhalten
muss. Dasselbe Princip wurde in Betreff der Unterhaltung der Befriedi-
gung der Koppeln, wenn diese unmittelbar an einander grenzen und nur
durch einen gemeinschaftlichen Erdwall geschieden sind, aufgestellt
Hufner sollen den Bächen und sonstigen Wasserzügen ihren un-
gehinderten Lauf lassen, keine Umleitungen, Stauungen, Dämmungen
zum Nachtheile Anderer vornehmen, die Abflüsse reinigen, die Grä-
ben und Siele von gehöriger Breite und Tiefe machen und das ste-
hende Wasser von den oberhalb liegenden Feldern der Nachbarn
mittelst eines Haupt- oder Stiebgrabens abnehmen und weiter leiten.
Hervorzuheben ist noch, dass die Gutsherrschaft den Hufnern
*) In dem Contracte Ober eine halbe Hufe im Dorfe Holtenau finden wir,
dass weniger herrschaftliches Inventar, als hier vorgeschrieben, abergeben wurde,*
vielleicht weil das übrige schon den Bauern gehörte. Für diese Stelle mit 36 Ton-
nen Land zahlte der Besitzer nur 480 Thaler Kaufgeld.
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ren Koppeln mit überlassen. Auf jede bonitirte Tonne (die Tonne
hier zu 280 Q.-R.) wurde ein jährlicher zu Michaelis zu zahlender
Kanon von Einem Thaler und dazu auf die Hufe im Ganzen (circa 50
Tonnen gross) eine Lieferung von 7 Tonnen Roggen, 7 Tonnen Hafer
und 7 Tonnen Buchweizen «gesundes und reines Korn» gelegt Die
Lieferung soll entweder nach dem Hofe oder auf Verlangen des Guts-
herrn nach Kiel beschafft werden, halb vor Weihnachten, halb vor
dem Kieler Fastnachtsmarkte.
*) Gelegenilich bemerken wir, dass so wie die Untergehörigen auf den' ade-
ligen Gütern mit bäuerlichem Zeitpachtverhältnisse für die Aufhebung der Leib-
eigenschaft nichts zahlten, so auch angenommen werden muss, dass sie auf den
Gütern mit bäuerlichem Erhpachts- oder Eigentumsverhältnisse die persönliche
*
Freiheit unentgeltlich erlangt haben.Richtiger wäre es daher gewesen, das auf
den letzteren Gütern von ihnen erlegte Kaufgeld oder Antrittsgeld überall nur
alä für die Landstelleu erlegt aufzufassen und in den Contracten so zu bezeichnen.
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Die Hufner kamen sofort und schon ohne bessere Kultur in eine
günstigere oekonomische Lage. Statt der bisherigen 12 Pferde brauchte
der Hufner jetzt nur 6 zu halten und hätte mit 4 Pferden ausreichen
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Der durchschnittliche Kaufpreis betrug für die mit Kanon und
Contribution belegten Parzellen 60 l/a Thaler, für die blos zu Verbit-
telsgeld angesetzten 91 Thaler ä Tonne. Der Gutsherr begnügte sich
mit einer Antrittszahlung von 10 Thalern a Tonne und liess das übrige
Kaufgeld auf eine Reihe von Jahren zu 4 /4 Procent Zinsen stehen.
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mit Gebäuden versah und zu dem für die Hufen angesetzten Kauf-
preise weggab. Diese Stellen zahlen zwar auch gleichmässig Kanon
und Contribution, sind aber, wie die Parzellisten, von den erwähnten
Spanndiensten der Käthner frei und wurden damals auch gleich jenen
von dem Militärdienste und den Kosten des Landausschusses eximirt
38 Tonnen Land verwandte der Gutsherr, um die Armen des
Gutes (Wittwen, alte Leute) mit Kuhweide zu versehen. Zu der Un-
terstützung der Armen an Geld und Korn mussten von jetzt an die
Hufner und Parzellisten beitragen.
Zur besseren Dotirung der Schullehrerstelle schenkte der Guts-
herr sechs Tonnen Land.
üeber den Vortheil der ganzen Operation für den Gutsherrn hat
der Landinspector Otte eine Minimal-Berechnung in den schleswig-
holsteinischen Provinzialberichten von 1794, II, 292 ft angestellt Der
wirkliche Gewinn wird grösser gewesen sein und hätte noch erheblich
gesteigert werden können, wenn nicht der wohldenkende Gutsherr so
sorgsam und schonend gegen seine bisherigen Gutsuntergehörigen
bei dieser Aenderung verfahren hätte.
C. Angeln.
Wir nehmen aus Angeln, wo allgemein die Gutshöfe parzellirt
und mit den Hofparzellen zugleich die Hufen und Kathen der Güter
in Erbpacht oder Eigenthum gegeben wurden als Beispiel das Gut
,
Rundhof, welches aus einem Haupthof, einem Meierhof, den von beiden
Gutshöfen abgelegten Parzeilen und 8 Dorfschaften besteht und mit
den Hölzungen u. s. w. einen Flächeninhalt von 10551 Heidschef-
feln hat*).
Hier datirt die Parzellirung (Uebergabe der Parzellen an die
Käufer), die Aufhebung der Leibeigenschaft und Hofdienste und die
Eigenthumsverleihung an die Bauern und Käthner vom 1. Mai 1800.
Die Pachtzeit des damaligen Pächters der beiden Höfe mit den
Diensten und Häuergeldern der Untergehörigen und der Mühlen lief
erst mit dem I. Mai 1802 ab. Um die Maassregel früher unbehindert
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Jagddienste wurden nicht bedungen, überhaupt zu Gunsten der Guts-
herrschaft ausser dem Kanon nichts weiter, als dass die Parzellisten, wie
bisher im Gute gebräuchlich gewesen, bei Hochzeiten die Brautkrone
und bei Kindtaufen das Taufzeug vom Gutshofe gegen die gewöhnliche
Gebühr nehmen sollen. —
Von der ordinairen Contribution wurden
die Parzellen eximirt, indem die Gutsherrschaft die Steuerpflüge des
Gutes ausschliesslich auf die Bauernländereien legte. Die ausserdem
von" der Regierung etwa ausgeschriebenen Steuern, Lieferungen, Fuh-
ren u.8. w. mussten die Parzellisten für ihre Stellen selber übernehmen.
Die von dem Gute zu stellenden vier Reuterpferde wurden gewissen
Parzellen zur Unterhaltung zugewiesen; mehrere Parzellen zusammen
mussten je ein Pferd übernehmen und unter einander wegen der
Haltung sich vereinbaren. Die Stellung zum Landausschusse sollte
ausschliesslich Pflicht der Dorfschaften des Gutes bleiben und den
Parzellisten nur die Concurrenz zu den dadurch erwachsenen baaren
Auslagen obliegen; doch erschien gleich darauf die neue Landmilitair-
ordnung.
Einigen Parzellen wurde und zwar ohne besondere Zahlung
beigelegt, was von den Hofgebäuden und dem Hofdünger entbehrlich
geworden war. In den Kaufpreis nicht einbegriffen war dasjenige auf
den Parzellonländereien befindliche Hartholz an Eichen und Bucheu,
welches zwei Fuss vom Stammende über sechs Zoll im Durchmesser
hielt, so wie alles auf den eigentlichen Holzgründen der Parzellen be-
findliche Holz. Doch wurde alles dieses Holz den Käufern der Par-
zellen gegen den Taxationspreis angeboten und im Falle der Ableh-
nung von der Gutsherrschaft binnen zwei Jahren weggeschafft.
Meistbietende, die nicht notorisch zahlungsfähig waren, mussten
Bürgschaft stellen, welche so lange in Kraft blieb, bis die Hälfte des
Kaufpreises der Parzellen und event das ganze Taxatum des Holzes
erlegt worden. Mangelte diese Bürgschaft, so wurde dem Nächstbie-
tenden die Parzelle unter derselben Voraussetzung zugeschlagen.
Die Käufer mussten beim Antritte '/4 des Kaufpreises, im Januar
1801 das zweite Viertel zahlen; die übrige Hälfte konnten sie auf
eine Reihe von Jahren unter Verzichtleistung der Gutsherrschaft auf
das Kündigungsrecht schuldig bleiben. Bis zum völligen Abtrage
wurde das Eigenthumsrecht reservirt. Das Holz musste im Januar
1801 und 1802 bezahlt werden; und wurde es den Parzellisten nach
Zahlung der Hälfte gestattet, die Hälfte des Holzes niederzuschlagen.
Zur Sicherheit der Käufer wurde ein landübliches Proklam über
das Gut erlassen und die Gewehre ertheilt
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Gleichzeitig wurden nun die Dorfschaften des Guts in folgender
Weise regulirt:
Die 37 Hufner der 8 Dorfschaften hatten bisher Stellen von 80
100 Heid8cheffel gegen tägliche Hofdienste mit 2 Pferden und 2 Mann
und 30 Thaler Häuergeld in Nutzniessung gehabt*).
Sie raussten jetzt die Gebäude, so weit sie solche nicht schon
früher auf eigene Kosten errichtet hatten, gegen niedrige Taxa-
tion einlösen (das Inventar war schon seither ganz ihr Eigenthum
gewesen) und erhielten jeder 60 Heidscheffel unentgeltlich. Die Käth-
ner, welche bis dahin meistens sehr wenig Land in Nutzniessung ge-
habt hatten, bekamen in gleicher Weise als Gross- und Kleinkäthner
resp. 12 und 6 Heidscheffel.
Diese Ländereien wurden für unzertrennliche Pertinentien der
betreffenden Stellen erklärt
Da nun bei diesem Arrangement noch Land zur Verfügung blieb,
so wurde zunächst den Hufnern freigestellt, noch Land zu dem festen
Preise von 20 Thalern ä Heidscheffel zuzukaufen, wozu die meisten
auch sich geneigt zeigten, weil sie schon früher mehr Land genutzt
hatten und ihre Gebäude sammt Inventar dazu ausreichten. Was die
Hufner nicht haben wollten, konnten die Käthner kaufen, die hiervon
auch häufig Gebrauch machten, so dass Kathenstellen von 18, 24, 30
u. s. w., selbst von 48 Heidscheffeln entstanden. In einigen Dörfern
blieb aber doch Land übrig; dieses wurde dann unter das Hoffeld ge-
zogen und zu der Bildung der Parzellen mit verwendet In anderen
Dörfern konnte dagegen die Nachfrage nach Land durch die Dorf-
felder nicht ganz befriedigt werden, und hier wurde umgekehrt Hof-
feld zu Hülfe genommen und in Bauernfcld verwandelt
*) Die Dienste waren hier also, wie Oberhaupt in Angeln, viel massiger als
in Holstein und Süd-Schleswig gewesen wo aber neben der schweren Dienst-
,
pflicht nur einige Thaler Häuergeld (Grundhäuer u. s. w.) oder auch gar nichts
bezahlt wurde. Die Rundhöfer Hufner hielten zur Zeit der Leibeigenschaft anch
nur 6 Pferde, dagegen 8 Kühe und 4— 5 Stück Jungvieh, waren also wirthschaft-
lich viel besser daran, als in der Regel die Hufner auf den südlicher gelegenen
Gütern mit ihren 12 Pferden und oft nur 4 Kühen.
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deutsch ist.
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landesherrlich bestätigtes Regulativ wurde 1802 für die drei Schulen
des Gutes erlassen, welches noch gilt, soweit nicht etwa Abänderun-
gen durch die allgemeine Schulordnung von 1814 erforderlich wurden.
Die ökonomischen Angelegenheiten des Schulwesens werden mit Hülfe
der Schulvorsteher besorgt; die Schulcommunen fingen über die Schul-
prästationen verschiedene Prozesse mit der Gutsherrschaft an, die sie
indessen verloren.
Für das Armenwesen wurde das Gut in zwei Communen einge-
theilt; jede ist gemischt aus einem Theile der Dorfschaften und der
Ilofparzellen zusammengesetzt Für beide Communeu behielt sich die
Gutsherrschaft die Leitung der Geschäfte vor, mit Hülfe von Armen-
vorstehern, die von den Commune - Interessenten in Vorschlag ge-
bracht werden können. Die Interessenten haben die Lasten der Ar*
menunterhaltung nach Heidscheffelzahl zu tragen.
Um einer Vermehrung der Armen möglichst vorzubeugen, ist es
den Interessenten untersagt, Fremde als Häuerlinge oder Einlie'ger
aufzunehmen, wenn sie nicht vorher über die gute Aufführung der-
selben und die Fähigkeit ihr Fortkommen zu finden, Beweise sich
verschafft und einen Erlaubnissschein von der Gutsherrschaft erhalten
haben, welche denselben erst nach Berathung mit den Armenvorstehern
ertheilt. Wer dawider handelt, muss 5 Thaler Strafe an die Armen-
kasse erlegen und haftet letzterer ausserdem für allen etwaigen Scha-
den; die mit solchen Fremden etwa abgeschlossenen Contracte sollen
als von vorne hereiu unverbindlich und ungültig angesehen werden.
Die Verpflegung der sämmtlichen Anfangs Mai 1800 noch aus der
Zeit der Leibeigenschaft vorhandenen Gutsarmen nahm die Gutsherr-
schaft allein auf sich. Dieselbe unterhält noch jetzt die in den Hof-
kathen oder sonstigen Wohnungen des Stammhofes verarmten Leute,
so dass der Stammhof gewissermaassen eiue dritte Armencomroune
für sich bildet
Aus diesem Verhältniss und wohl überhaupt aus der Zerlegung
des Einen Guts in mehrere Armen-Communen sollen in Bezug auf
Erwerbung und Verlust des Heimathsrechtes von Armen und der
hiemit zusammenhängenden Berechtigung resp. Verpflichtung zur
Armenversorgung verschiedene Verwickelungen entstanden sein, die
auch durch ein späteres Regulativ für das Armenwesen des Gutes
nicht ganz erledigt werden konnten.
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Ob diese Gutsherren hiezu mehr durch das Interesse für die ge-
deihliche Entwickelung ihres Bauernstandes oder mehr durch die Rück-
sicht auf den eigeuen Vortheil geleitet worden sind, müssen wir dahin
gestellt sein lassen.
Jedenfalls haben auch sie damit eine sehr gelungene Finanz-
speculation ausgeführt, indem sie durch die Zinsen der Kaufgelder
und den Kanon oder durch erstere allein, wenn sie ohne Kanon ver-
kauften, eine erheblich höhere Netto-Einnahme erhielten, als die
bisherige Brutto-Einnahme an Pachtgeldern und Nebenleistungen
betragen hatte. —
Indessen halten die holsteinischen Gutsbesitzer in überwiegender
Majorität immer noch mit aller Entschiedenheit an dem bäuerlichen
Zeitpachtverhältnisse fest und gehen dabei ungefähr von folgenden
Betrachtungen aus:
Der augenblicklich durch die Vererbpachtung oder Eigenthums-
vcrleihung zu gewinnenden Mehreinnahme stellt die Verzichtleistung
auf das Steigen der Pachtrente im Verlaufe der Jahrhunderte gegen-
über.
) Damit wird aber eine Parzellirung der Hoffelder jetzt nicht mehr vor-
. bunden. wie früher. Man ist hievon mit Recht zurückgekommen und beschränkt
sich darauf, von allzugrossen Hauplhöfen einzelne Meierhöfe abzulegen.
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zu versehen u. s. w.
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bei einer Vakanz von Hufen eben so gut berücksichtigt werden soll-
ten, als die Nachkommen der zuletzt verstorbenen Hufuer, oder wün-
schen eineThcilung der Hufen, damit auch sie zur Nutzniessung land-
wirtschaftlicher Stellen gelangen. Durch das Avancement der Pacht-
hufner zu Erbpächtern oder Eigenthiimern wird die Erbitterung der
Insten gegen sie nur noch gesteigert werden, was iu unruhigen Zeiten
die schlimmsten Folgen haben kann. Ob den Hufnern selber die Ver-
änderung ihrer Lage immer dienlich sein wird, ist auch die Frage. Die
Bauern sind, etwas emporgekommen, leicht zum Luxus und zur Be-
quemlichkeit geneigt und es wird bald dahin kommen, dass sie sich schä-
men, selber zu pflügen und sonst in der Wirthschaft Hand anzulegen. —
Wir würden die Grenzen dieser Abhandlung überschreiten, wenn
wir das Pro und Contra dieser Streitfrage, welche jetzt wieder wie in
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in den Herzogtümern
eifrig discutirt wird, hier noch zum Schlüsse ausführlich erörtern
wollten und beschränken uns daher auf folgende wenige und summa-
rische Bemerkungen:
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Pacht nach Ablauf der Pachtzeit wieder erneuert wird und nach ih-
rem Tode auf den ältesten Sohn oder wenn dieser nicht geeignet ist,
auf einen ihrer anderen Söhne, event. selbst auf einen Schwiegersohn
übergeht, und so entbehren sie nicht das Eigenthumsrecht, weil sie
es factisch schon zu besitzen glauben. Sie sind zwar allmählig im
Pachtgelde gesteigert worden und müssen erwarten, dass dies auch
fernerhin geschehen werde, aber sie wissen auch, dass die Erträge
ihrer Hufen in noch stärkerem Verhältnisse gestiegen sind. Obwohl
sie nicht überall unter gleich günstigen Pachtbedingungen wirtschaf-
ten, so zahlen sie doch gewiss nur auf sehr wenigen Gütern so viel,
als sie ohne eigentlichen Druck zahlen und die Gutsherren bei Er-
öffnung freier Pachtconcurrenz erlangen könnten *).
*) Auf einem grossen holsteinischen Gute kam vor Kurzem der Fall vor,
dass ein Htifher, der sich auswärts niederlassen wollte, mit Bewilligung derGuts-
herrschaft einen Anderen für die noch restirenden Pachtjahre in die Pachtung
eintreteu Hess und dafür von diesem ein Abstandsgeld von 2000 Thalern (2400
Thaler pr. Cour.) erhielt! Von manchen Gütern aus haben
die Pachtbauern nicht
unbeträchtliche Summen
in die Sparkassen der benachbarten Städte eingelegt
oder sonst verzinslich untergebracht. Nach erlangtem Eigenthnm würden sie
diese Summen ganz anders durch schwunghafteren Ketrieb ihrer Wirtschaften
v er werth en können.
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wärts eilenden Zeit auf die Dauer sich nicht halten können und einer
höheren Culturstufe weichen müssen.
Mit grösserer Bildung wird das Bedürfniss nach Grundeigenthum
den Pachtbauern fühlbarer werden und das Streben nach Erlangung
desselben sie mehr und mehr ergreifen. Das Eigenthum wird sie zu
grösseren Anstrengungen anspornen und zu einer besseren Bewirt-
schaftung der Hufen veranlassen, wie das u. A. auf den adeligen Gü-
tern Angelns sich gezeigt hat.
Das bäuerliche Grundeigenthum hat aber nicht blos einen gros-
sen wirtschaftlichen Werth, sondern auch eine hohe sociale und po-
litische Bedeutung.
Wo der Bauernstand eines ganzen Landes nur aus Zeitpächtern
besteht, da fehlt es der Volkswirtschaft an einer gesunden Basis,
dem socialen Leben der ländlichen Bevölkerung an dem rechten Keru,
dem Staate selbst an der inneren politischen Festigkeit.
Es ist der Ruhm der Herzogthümer Schleswig und Holstein, in
ihren Landschaften und Aemtern und auch schon in einem Theile
der adeligen Güter einen ausgezeichneten erbangesessenen und wohl-
habenden Bauernstand zu besitzen. —
So hoffen wir denn — und mit dieser Hoffnung wollen wir unsere
Abhandlung schliessen — dass zu solchem Bauernstande
trefflichen
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