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DIE

AUFHEBUNG DER LEIBEIGENSCHAFT


UND

DIE UMGESTALTUNG

DER

Gl TS U ERR LI Ol - B ÄL ER L1C H E )i VERHÄLTNISSE IBERHAIPT

IN DEM

IT 11

D R GEORG HAXSSEN,
OrilElM. HEG. -RATH IHB ORDEÜTL. PROFESSOR i* DER l KIVKRSITÄT Zü BERLIN.

EINE VON DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IM JAHRE 1860


GEKRÖNTE PREISSCHRIFT.

2
ST. PETERSBURG, 1361.

Commissionäre der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften:


in 0t. »««erntmr«
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S«motl Schmidt. Leopold Vo«i.

Preis . 75 Kop. = 25 Ngr.

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/ . - . . .

Oedruckt auf Verfügung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.

C. Vesselofski, bestandiger Secretar.

Im Mai 1861.

Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.

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I

Allgemeine Uebersicht des Inhaltes.

Einleitung 1—3
F.rwter Abaehnltt. Ursprung und Entwickelung der schleswig-holsteini-
schen Leibeigenschaft 3—13

»weiter Abwchnl». Die schleswig-holsteinische Leibeigenschaft und


innere Gutsverfassung überhaupt im 18. Jahrh ändert 14—31

Dritter AbwchnUt. Die Aufhebung der Leibeigenschaft 31 — G7


vierter Afaachniu. Die Umgestaltung und weitere Entwickelung der
gutsherrlich - bäuerlichen Verbältnisse nach der Aufhebung der
Leibeigenschaft G7— 19ö
Erstes Capitel. Das bauerliche Zeitpachtvcrhältniss anf den
adeligen Gütern ^7G— HG

Zweites Capitel. Das bäuerliche Erbpacht«« und Eigeuthums-


verhältniss auf den adeligen Gutern HG — H>. r
i
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EINLEITUNG.

Herzogtümern Schleswig und Holstein hat die Leib-


In den
manchen Do-
eigenschaft nur auf den meisten adeligen Gütern und
manial-Gütern, dem Areale nach kaum in dem vierten Theile des
ganzen Landes existirt.

Die adeligen Güter liegen vorzugsweise an der fruchtbaren und


anmuthigen Ostseite beider Herzogthümer, wo sie häufig eine topo-

graphisch zusammenhängende Kette bilden; zum Theile liegen sie


aber auch hier wie auf dem die Mitte des. Landes einnehmenden
Haiderücken zerstreut in den landesherrlichen Amtsdistricten; an der
Westseite kommen sie nur vereinzelt vor.
Bis in das 17. Jahrhundert hinein waren die adeligen Güter
ausschliesslichim Besitze der schleswig-holsteinischen Ritterschaft,
die bei dem mancher Landesgeschlechter
allmähligen Aussterben
durch Reception von eingewanderten Adeligen oder landesherrlich
Geadelten sich ergänzte. Gegenwärtig befindet sich in Schleswig etwa
die Hälfte, in Holstein reichlich der dritte Theil der adeligen Güter
in den Händen von Bürgerlichen oder auch nicht reeipirten Adeligen.
Der Ritterschaft allein gehören die zur Versorgung ihrer un-
verheiratheten Töchter bestimmten vier Klöster zu Itzehoe, Preetz,
Uetersen und Schleswig, welche mit ihrem ansehnlichen, den adeligen
Gütern gleichgestellten Grundbesitze selbstständige Districte bilden,
in denen ein von dem betreffenden Fräulein -Convent aus der Mitte

der Ritterschaft gewählter Prälat (Verbitter, Propst) das obrigkeit-


liche Regiment führt.
Nach diesen Standes- und Besitz -Verhältnissen machen die
Eigen thümer der adeligen Güter zwei gesonderte Corporationen aus:
das Corps von Prälaten und Ritterschaft und das Corps der übrigen
H«niieii, Aufbeb. d. Lribei* 1

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2

Gutsbesitzer, welches die nicht recipirten Adeligen und die Bürger-


lichen unter dem Namen der Nonrecepti zusammen enthält Gemein-
same Angelegenheiten beider Corps werden durch drei von jeder
Seite gewählte Bevollmächtigte verhandelt Als gemeinschaftliches
Organ, durch welches insonderheit die Rechte und Interessen der
Klöster und adeligen Güter gegen die Regierung vertreten werden,
dient die sogenannte fortwährende Deputation von Prälaten und Ritter-
schaft, an deren Wahl jedoch die Nonrecepti keineu Antheil haben.
Die adeligen Güter (circa 300 an Zahl) sind von jeder landes-
herrlichen Lokalverwaltung eximirt und regieren sich unter entfernter
Oberaufsicht der höheren landesherrlichen Behörden in freiester

Weise und mit den geringsten Kosten wurden auch bei


selber. Sie
den früheren Landestheilungen nicht unter die verschiedenen Regen-
ten-Linien mit vertheilt, wie die Städte, Aemter und Landschaften,
sondern blieben geraeinsames Territorium und damit in einer um so
unabhängigeren Stellung.
In jedem Herzogthume sind sie in eine Anzahl von Districten
eingetheilt An der Spitze eines jeden Districts steht ein Districts-
deputirter, der von und aus den sämmtlichen Gutsbesitzern dieses
Districtes auf eine Reihe von Jahren sammt einem Stellvertreter ge-
wählt wird.
Diese Districtsdeputirten, welche noch im vorigen Jahrhundert
blosse Privatbevollmächtigte der Gutsbesitzer waren, vertreten in ge-
wissen Beziehungen die Stelle landesherrlicher Oberbeamten, indem
sie die Gesetze und Verordnungen zu publiciren haben, den Land-
militair- Sessionen beiwohnen, an der landesherrlichen Wege- Polizei
Theil nehmen, auch in bestimmten Fällen executivische Maassregeln
bewirken können*).
Im Uebrigen übt auf den einzelnen Gütern jeder Gutsbesitzer
die obrigkeitliche Gewalt, die Polizei (sofern bei derselben kein ge-
richtliches Verfahren eintritt), das Kirchen- und Schul- Patronat und
die ganze innere Verwaltung überhaupt entweder persönlich oder
durch einen beliebig von ihm angestellten Bevollmächtigten (Guts-
inspektor) aus.

*) Die grossherzoglich Oldenburgischen Fideicommissgflter in Holstein

und die jetzt eingezogenen herzoglich Augustenburgischen Güter auf Alsen bil-
den besondere Complexe; ausserdem giebt es noch einzelne Güter im Lande, die
zwar ganz oder grösstentheils die Rechte adeliger Güter haben (die sogenannten
Kanzleigüter), aber doch nicht zu den immatricalirten adeligen Gütern gehören.

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3

Die Rechtspflege und gerichtliche Polizei liegt dem Justitiar ob,


welcher vom Gutsherrn aus der Mitte der geprüften Rechtskundigen
auf Lebenszeit und unter Vorbehalt landesherrlicher Bestätigung er-
nannt wird und nicht über eine bestimmte äusserste Entfernung
hinaus vom Gute wohnen darf*).
Der Gutsherr haftet für die Steuern seines Gutes und muss den
Betrag derselben auf seine Gefahr und Kosten an die landesherrliche
Hauptkasse abliefern **).

Die Domanialgüter , welche im Verhältniss zu dem adeligen


Grundbesitze nicht erheblich waren, sind bei ihrer Parzellirung und
Veräusserung im vorigen Jahrhundert den landesherrlichen Aemtern
gänzlich inkorporirt worden.
Am Ende des vorigen Jahrhunderts, als über die allgemeine
Aufhebung der Leibeigenschaft verhandelt wurde, nachdem bereits
die Regierung auf den Domainen und eine Anzahl von Privaten frei-
willig auf ihren Gütern den Untergehörigen die persönliche Freiheit
ertheilt hatten, waren in den Herzogtümern noch etwa 20000 leib-
eigene Familien vorhanden, die einer besseren Zukunft entgegen-
geführt werden sollten.

ERSTER ARSCIMTT.

Ursprung und Hntwlckeliing der schleswig-


holsteinischen Leibeigenschaft.

Der Anfang der Leibeigenschaft in den Herzogtümern Schles-


wig und Holstein ist mit historischer Sicherheit und Genauigkeit nicht
nachzuweisen. Mit Bestimmtheit aber, lässt sich behaupten, dass die-

*) Derselbe kann zugleich Justitiar anderer Güter, Bürgermeister, Amts-


verwalter u. 8. w. sein, nur darf er nicht daueben die Advokatur betreiben.
**) Die älteren Grundsteuern ruhen bloss auf den Bauerländereien, die
neueren auf dießen und den Hofländereien zugleich; die Gutsherren zahlen aber
aus ihrer Kasse die Grundsteuern für die Bauern mit, wenn diese Zeitpächter
und nicht Erbpächter oder völlige Uigenthümer der Stellen sind.

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selbe weit jüngeren Ursprungs ist, als früher gewohnlich angenommen


wurde. Dies gilt auch von anderen Ländern.
Man hat häufig die Leibeigenschaft als eine weitere Fortsetzung
der uralten, auch unter den germanischen und skandinavischen Völ-
kern einheimischen Sklaverei aufgefasst
Allein die Leibeigenschaft ist ein ganz anderes Institut, als
die Sklaverei und aus ganz anderen Zuständen hervorgegangen, als
letztere.
Im Alterthume hatte der germanische Bauer seine Sklaven, im
späteren Mittelalter und in der neueren Zeit wurde er selber zwar
nicht zum Sklaven, aber doch zum Leibeigenen gemacht*).
Zwischen der Aufhebung der Sklaverei und der Einführung der
Leibeigenschaft liegen in den meisten Ländern mehrere Jahrhunderte.
Die Sklaverei des Alterthums ist durch den Einfluss des Christen-
thums und die unermüdlichen Bestrebungen der Geistlichkeit im Laufe
des Mittelalters und spätestens bis zum 13. und 14. Jahrhundert
in den germanischen und skandinavischen Ländern allmählig ver-
schwunden **).
Die Leibeigenschaft ist jedenfalls nicht älter, als es die adeligen
Güter mit ihren Grosswirthschaften sind, zu deren gesichertem und
geordnetem Betriebe diese Beschränkung der persönlichen Freiheit des
Bauernstandes für nothwendig erachtet wurde.

*) Zwischen den freien Grundeignern und den Sklaven kam bei einigen

germanischen Stämmen schon im Alterthum Auch eine Klasse von hörigen und
Pflichtigen Landbebauern (liti) vor, welche zu jenen ungefähr in dem Verhältnisse
gestanden zu haben scheinen, wie noch jetzt die Häuersleute zu den westphäli-
schen Bauern.
**) F'ür Holstein findet sich die Sklaverei noch erwähnt in einer Schen-

kungsurkunde von 1144, durch welche dem Kloster in Neumflnster ein Hof in
Elmshorn «cum duobus mancipiis» verliehen wurde (mancipia ist gleichbedeutend
mitservi). Cf. Westphalen Monumenta inedita II, 17.
In Schleswig muss die Sklaverei nach Aeusserungen des jutschen Lov (des
mit für Schleswig erlassenen Gesetzbuches von 1240) noch in der Mitte des 13.
Jahrhunderts bestanden haben. Vgl. Falck's Handbuch des schleswig-holsteini-
schen Privatrechts TY, 194 ff. (Altona 1840).
In Russland, wo die Gutsbauern noch im 16. Jahrhundert nach dem Reichs-
gesctze des Czaren Jwan Wasiljewitsch von 1554 auf ihre vorg&ngige Kündigung
frei fortziehen konnten, also nicht an den Grund und Boden gefesselt waren,
scheinen sieh Reste der alten Sklaverei erhalten zu haben und in die spätere
Leibeigenschaft übergegangen zu sein.
Vgl. Schubert's Handbuch der allgemeinen Staatsknnde von Europa I, 182
(Königsberg 1835).

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Diese Gutswirthschaften mit ihrer frohndienstpflichtigen Guts-


bevölkerung sind aber durchaus nicht von den ältesten Zeiten her
vorhanden gewesen, sondern erst im späteren Mittelalter entstanden
und in den folgenden Jahrhunderten weiter ausgedehnt worden.
Es ist freilich bis vor Kurzem die Ansicht sehr verbreitet ge-

wesen, dass die Latifundien überall den primitiven Grundbesitz ge-


bildet hätten.
Das ganze Territorium eines jetzt aus einem Haupthofe und oft
mehreren Vorwerken, einem Dorfe oder mehreren Dörfern und Wei-
lern bestehenden Gutes soll mit allen Aeckern, Wiesen, Weiden und
sonstigen Pertinentien von jeher in der Hand eines einzigen Grund-
herrn als eine geschlossene Länderei-Masse gewesen sein. Die Schwie-
rigkeit, einen so grossen Complex von Einem Punkte aus und mittelst
zahlreichen Gesindes zu bewirthschaften, habe den Grundherrn ver-
anlasst, bäuerliche Familien anzusiedeln und ihnen eine zu ihrer
Ernährung hinreichende Menge von Ländereien gegen die Verpflich-
tung abzutreten, dafür die für die Hofwirthschaft reservirten Lände-
reien zu bestellen und die sonst nöthigen wirthschaftlichen Dienste zu
leisten; hierdurch seien die Dörfer auf dem gutsherrlichen Grund und
Boden entstanden.
Die neuesten historischen Untersuchungen haben mit unbestreit-
barer Evidenz ergeben, dass diese Vorstellung eine durchaus irrige ist
Der regelmässige Gang der agrarischen Entwickelung, gegen
welchen Ausnahmen nicht in Betracht kommen*), ist in den skandi-

navischen und germanischen (und auch in manchen anderen) Ländern


vielmehr folgender gewesen:
Der ursprüngliche Anbau des Landes hat durch freie Genossen-
schaften Statt gefunden, welche die Dörfer gründeten und die Dorf-
Feldmarken einrichteten.
Ein Verein von gleichberechtigten Familienhäuptern, die durch
das Band der Verwandtschaft oder der Stammesabtheilung zusammen-
gehalten waren, Hess sich auf einer zur Cultur geeigneten Fläche
nieder, wählte den Platz des Dorfes, bestimmte durch das Loos die
Haus- und Hofstelle eines Jeden und wies Jedem gleichfalls durch
das Loos eine gleiche Portion von Ackerland in der Weise an, dass

*) Allerdings sind in und nach dem Mittelalter manche Colonie-Dörfer


entstanden, z. B. indem ein Grundherr einer Genossenschaft von Bauern eine
Waldfläche zur Ausrodung und Cultur uberliess; und es kann dies in dann be-
völkerten Gegenden noch täglich vorkommen. Aber die freien ürdörfer sind
tauseud, vielleicht tausende Jahre alter als solche Neudörfer.

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Jeder gleich viel ganz nahes Land, gleich viel Land von jedem Grade

der Entfernang vom Dorfe, gleich viel Land von jeder Art der Boden-
beschaffenheit, gleich viel Land von jeder günstigen oder ungünstigen
Höhenlage, Himmelsgegend, Terrainformung, Abdachung u. s. w. erhielt
Aus dieser Ackervertheilung entstand von vorn herein die Zer-
legung der Feldmark in eine grosse Anzahl von einzelnen Feldabthei-
lungen (Gewannen, Lagen, Kampen), in welchen ein Jeder gleich-
massig betheiligt war. Die hieraus hervorgehende wirre Gemenglage
und schmale, streifenähnliche Gestalt der zu einem jeden Loose (einer
jeden Hufe) gehörigen Ackerländereien, der häufige Mangel an We-
gen zwischen den einzelnen oft unmittelbar quer auf einander stos-
senden Gewannen und die gemeinsame Beweidung der Aecker auf der
Brache und der Stoppel, beziehungsweise in den Dreeschjahren, machten
eine gemeinsame Rotation und den sogenannten Flurzwang (die Feld-
gemeinschaft) notbwendig, mochte das von der Dorfschaft angenom-
mene Wirtschaftssystem nun die Dreifelderwirtschaft sein , wobei
die sämmtlichen Gewaune auf drei, möglichst gleich grosse «Felder»
zurückgeführt wurden, oder die Vierfelderwirthschaft, oder eine 6,
8, 10 schlägige Feldgraswirthschaft (Koppelwirtschaft) oder irgend
eine unregelmässige, immer aber dem gemeinsamen Beschlüsse unter-
worfene Feldwirtschaft sein. Die eigentlichen Weiden, die Holzungen,
Moore, meist auch die Wiesen, blieben ungeteilt zur gemeinsamen
Benutzung mit ursprünglich gleicher ideeller Berechtigung aller Mark-
genossen und entsprechender Quotirung der Nutzungsrechte bei spä-
teren Theilungen der Landstellen in Halbhufen, Viertelhufen u. s. w.*)

Im Mittelalter unterlag der Bauernstand den ungeheuren Lasten


des Heerbanns, wozu später der Druck des Adels und die Macht der
gleich dem Adel nach steter Vermehrung des Grundbesitzes streben-

*) Es würde hier zu weit führen, näher in die Geschichte der Dorf- und
Feldniarkverfassung einzugehen; wir müssen uns begnügen, auf die Literatur
dieses Gegenstandes zu verweisen.
Vergl. u. A.:

Hanssen, über das Agrarwesen der Vorzeit in Falck's neuem staatsbürgerlichen


Magazin, Bd. III und VI. (Schleswig 1885 und 1837.)
Hanssen, der Flurzwang und dessen Aufhebung, im Archiv der polit. Oek. N.
Folge n. (Heidelberg 1844.)
Waitz, über die altdeutsche Hufe. (Göttingen 1864.)
Hostmann, über altgermanische Landwirtschaft (Göttingen 1855).
Nur selten hat die ursprüngliche Ansiedelung des Bauernstandes statt durch
markgenossenschaftliche Hufen mittelst einzeln liegender Höfe Statt gefunden.

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den Kirche kam. — Die Bauern konnten das Eigenthum ihrer Hufen
nur in den wenigsten Gegenden behaupten, fast überall finden wir
die alten Hufner, die ihre eigenen Freiherren waren, später zu Colo-
nen (Meier, Lausten, Lassiten) herabged rückt, welchen die — bald
erbliche, bald lebenslängliche, bald zeitpachtliche, bald ganz precaire
Nutzniessuug der Hufen überlassen war. Nach der Auflösung der
Heerbann Verfassung und der bekannten gänzlichen Umgestaltung des
Kriegswesens leistete der Ritter mit seinem Gefolge diejenigen
Kriegsdienste, welche sammt der Ausrüstung und Verproviantirung
früher auf den von ihm erworbenen Hufen ruheten. Die ehemaligen
Prästationen der Hufen zum Heerbann verwandelten sich nun in pri-
vative für den neuen Gutsherrn, der seinen Colonen für die Nutz-
nießung der Stellen Dienste verschiedener Art (für Bauten, Jagden
u. 8. w.), besonders aber die Lieferung von Lebensmitteln zur Unter-
haltung seines kriegerischen Gefolges auferlegte.
Der Grundbesitz des Adels bestand aber noch im späteren Mit-
telalter gleich dem der Geistlichkeit und selbst der Landesherren
vorherrschend nur aus Streuhufen, d. h. aus einzelnen Hufen, die in
verschiedenen und oft weit von einander entfernten Dörfern gelegen
waren.
In dem Dorfe selber, in welchem der Ritter als Markgenosse
wohnte, besass er anfangs (besass sein Vorfahr ursprünglich) nur eine
einzige Hufe*), deren Gehöft durch Befestigung und stattlicheren
Bau (curia) von den Gehöften der übrigen Hufner (mansus) sich unter-
schied, deren Ländereien aber in ihrer uralten Gemenglage**) der
Feldgemeinschaft des Dorfes und den Satzungen der Markgenossen-
schaft .überhaupt unterworfen waren. Und während er selbst viel-
leicht schon auf 10 oder 20 anderen Feldmarken einzelne Hufen mit
dem Untergange der Freibauern an sich gebracht, waren auf dieselbe
Weise andere Hufen seines Wohndorfes in das Obereigenthum anderer
Ritter oder eines Klosters u. s. w. gerathen. So konnten in einem und
demselben Dorfe möglicher Weise eben so viele Grundberren con-
curriren, als Hufen vorhanden waren ***).

*) und nicht einmal immer eine volle Hufe. Jütsches Lov III, 16.
**) Aus dieser Gcmenglage bemühten 6ich die Ritter, all mäh! ig durch Aus-
tausch ihrer Hufenländereien mit den Feldnachbaren herauszukommen. Vergl.
Jütsches Lov I, 54 und über diese Stelle Hanssen im neuen staatsb. Mag. VI, 27.
***) Diese nunmehrige Grundherrlichkeit, unter welcher die ehemals erbge-
sessenen Hufner als blosse Colonen fortwirthschafteten, hinderte nicht den Fort-
bestand der alten Markgenossenschaft, die selbst in den folgenden Jahrhunderten

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Hauptsächlich erst mit dem Ende des Mittelalters und in noch


späterer Zeit legte sich der Adel, nachdem er seine eigentliche krie-
gerische .Bedeutung mit dem Aufhören der Lehndienste und dem
Aufkommen geworbener Truppen und stehender Heere verloren hatte,
auf eigenen grösseren landwirtschaftlichen Betrieb nach dem Vor-
gange der Domainen, Klöster u.s.w., und nun begann eine Procedur
des Ein- und Vertauschens, des Kaufens und Verkaufens der ganzen
Hufen verschiedener Dorfschaften zwischen Landesherrschaft, Adel
uud Geistlichkeit, auch wohl städtischen Kämmereien, die ganze Jahr-
hunderte beharrlich fortgesetzt wurde, bis es dem einzelnen Ritter
(Kloster u. s. w.) gelungen war, ein ganzes Dorf oder mehrere an ein-
ander gränzende Dörfer zusammenzubringen. Erst nachdem dies Ziel
erreicht war, konnten die Gutsherren die grossen Oekonomien (Guts-
wirthschaften) begründen, indem sie einen Theil der Hufen eines Dorfes
niederlegten, d. h. die Colonen von diesen Stellen vertriebet^ die
Hufengebäude niederrissen, aus den dazu gehörigen Hufenländereien
das Hoffeld mit womöglich ausserhalb des Dorfes aufgeführten Wohn-
und Wirtschaftsgebäuden bildeten und für die Bestellung desselben
die übrig gelassenen Colonen des Dorfes dienstpflichtig machten; oder
es wurde auch, wenn mehr Grundbesitz zusammengebracht war, ein
ganzes Dorf zu Hoffeld niedergelegt und mit den Diensten des be-
nachbarten Dorfes oder mehrerer benachbarter Dörfer ausgerüstet *).
Spätere Ereignisse, wie das Aussterben bäuerlicher Familien bei
Epidemien, besonders die Folgen des 30jährigen Krieges und der
späteren Kriege des 17. Jahrhunderts, in denen viele Hufen wüste
wurden und nicht wieder mit Colonen besetzt werden konnten, begün-
stigten die weitere Ausdehnung der Hofwirthschaften durch Vergrös-
sernng der Haupthöfe oder Anlegnng von Nebenhöfen (Meierhöfen,
Vorwerken).
Auf diese Weise sind seit dem Mittelalter unzählige Dörfer mit
ihren uralten Hufen ganz oder theilweise vom Erdboden verschwun-
den. Manche Güter, die jetzt bloss aus Hoffeldern bestehen, tragen
noch den Namen eines Dorfes, welches früher mit seiner Feldmark

trotz vollständig ausgebildeter Gutshcirlichkeit und Leibeigenschaft mit autono-


mischen Rechten sich za behaupten wusste. (ArchiTalisch.)
*) Diese ganze Procedur ist in den norddeutschen Landern weit vollständi-

ger gelungen, als in den mittel- und süddeutschen, während es z. B. in Ober-


italien meist bei dem mittelalterlichen Streubesitz verblieben ist, der durch bäuer-
liche Pachtwirthschaft genutzt wird und den Grundherrn zum stadtbewohnenden
Rentier gemacht hat.

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an derselben Stelle lag; viele Güter, die einen besonderen Namen


angenommen haben, bewahren das Andenken an die untergegan-
genen Dorffeldmarken, auf deren Kosten sie gebildet wurden, in den
Namen' der einzelnen Hofkoppeln, auf welchen auch häufig beim
Graben von Tränkstätten für das Weidevieh oder von Mergelgruben
die Spuren alter Bauplätze gefunden worden sind. Auch in der Stimm-
berechtigung von Gutshöfen bei Predigerwahlen für «wüste Hufen»,
deren Ländereien sie absorbirt haben, und in den kirchlichen Lasten,
welche sie für solche untergegangene Bauernstellen tragen, ist der
frühere Zustand zu erkennen *).

Man kann sich über den Hergaug auf den adeligen Gütern nicht
wundern, wenn man erfährt, was in den landesherrlichen Districtcn
selber geschehen ist
So verjagte im 17. Jahrhundert ein Amtmann von Gottorf, Bla-
sius Ranzau, unter den Augen des Herzogs Adolph und ohne dessen
Wissen und Willen Bauern von ihren Hufen, um landesherrliche Vor-
werke zur Vermehrung der Kammer-Iutraden daraus zu machen. Er
bekannte dies auf dem Sterbebette reuevoll seinem Herrn, der aber
erklärte, solches Verfahren ihm nie verzeihen zu können**). Der
Herzog war als gütiger Regent seinen Unterthancn bekannt, und
doch hatten die Verletzten nicht zu klagen gewagt; er inachte nun
gut, so viel er noch konnte.
Die heilloseste Wirthschaft trieb aber zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts die fürstliche (damals vormundschaftliche) Regierung
selber unter dem berüchtigten Görtz.
So wurden 1706 und 1707 die Dörfer Lübbersdorf-, Bollbrügge
und Kremsdorf im Amte Oldenburg und das Dorf Sievershagen im
Amte Cismar gänzlich vernichtet, und andere Dörfer, die man beste-
hen licss, gezwungen, für die neugebildeten Höfe die Dienste zu
leisten.

Die niedergelegten Bauern, die bis dahin ziemlich wohlhabend


gewesen waren und ihre Abgabeu an Getreide und Geldhäuer willig

*) Eiue vortreffliche, auf den genauesten urkundlichen Forschungen beru-

hende Darstellung vou der allmähligen Bildung der jetzigen adeligen (iUter in
einem Theile des Herzogtums Schleswig fiudet man in Pastor Jensen's Beschrei-
bung von Angeln (Flensburg 1844) p. 203 ff. In Betreff eines einzelnen Gutes vgl.
Mirhelseu, die ältere Geschichte des adeligen Gutes Rundhof in Angeln; im Ar-
chivefilr Staats- und Kirchengeschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein

und Lauenburg von Michelsen und Asmussen, Bd. I, Heft 1, p. 1 49. —


**) Schleswig-holsteinische Provinzialberichte 1818, p. 490.

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wurden nun noch bei Vergütung des Werthes ihrer


geleistet hatten,
Hufen - Gebäude durch allerlei Gegenrechnungen und Keductionen
schmählich betrogen und hätten wenig oder gar nichts erhalten, wenn
nicht die Herzogin Hedwig Sophie für die Unglücklichen sich ver-
wendet hätte*).
Doch es bedarf hier kaum noch der speciellen Belege für den
allgemeinen Entwickclungsprocess, durch welchen die adeligen Güter
entstanden und vergrössert worden sind. Man braucht nur eine Topo-
graphie der Herzogtümer **) zur Hand zu nehmen und von A bis Z
die adeligen Güter nachzuschlagen, um mit den dort beigefügten
historischen Notizen von der Richtigkeit des im Vorstehenden ge-
schilderten Hergangs der Dinge sich zu überzeugen.
Nicht also sind die Dörfer und Dorffcldmarken aus den Latifun-
dien, sondern umgekehrt, die Latifundien aus den Dörfern und Dorf-
feldmarken entstanden.

Aus der geschichtlichen Bildung der adeligen Gutshöfe erklärt


und der Leibeigenschaft
sich zugleich die Geschichte der Frohndienste
selber.
So lange der Grundbesitz der Ritter aus lauter, mit Colonen be-
setzten Streuhufen bestand, die in verschiedenen, oft sehr von ein-
ander entfernten Dörfern gelegen waren, und die Ritter, wenn über-
haupt, so nur die gewöhnliche Hufenwirthschaft mit wenigen eigenen
Leuten in ihrem Wohndorfe betrieben, konnten dieselben auch von
den etwaigen Diensten ihrer zerstreueten Colonen keinen oder nur
geringen Gebrauch für wirthschaftliche Zwecke machen. Die Prästa-
tionen der Colonen bestanden daher vorzugsweise in Lieferung von
Getreide, Vieh und anderen Producten, die der Ritter zum Unterhalte
seiner Reisigen bedurfte, später theilweise in baarem Gelde.
Als die Ritter aber eigene Oekonomien in grösserem Umfange
einrichteten, ein militärisches Gefolge nicht mehr zu unterhalten

*) Börra, historisch-statistische Nachrichten von den herzog], schleswig-hol-


steinischen Fideicoramissgütern; im staatsbürgerlichen Magazin V, 396 ff.
Das ganze Amt Oldenburg ist von der Karte gestrichen und in Gutshöfe mit
Pflichtigen Dörfern aufgelöst worden.
**) Die neueste und beste ist die von Schröder, welche in der ersten Auflage

1837 für Schleswig, 1841 für Holstein erschien.

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braucliten und selber Producte des Ackerbaues und der Viehzucht


über den Bedarf und zum Verkaufe erzeugen wollten, da hatten sie

nicht mehr die Producte der Colonen, sondern ihre Dienste nöthig,
in welche nun die Lieferungen (Gülten) grösstenteils umgewandelt
wurden*). Die Frohnen mögen erträglich gewesen sein, so lange noch
das Pflichtige Bauernfeld erheblich grösser war als das herrschaftliche
Hoffeld; sie wurden aber immer drückender, je mehr das Hoffeld
durch Vergrösserung des Haupthofes oder Anlegung von Meierhöfen
ausgedehnt und zugleich das Bauernfeld durch Niederlegung von
Hufen oder Verkleinerung derselben vermindert wurde. Standen an-
fangs z. Morgen Hoffeld gegen 1200 Morgen Bauernfeld, so
B. 600
später 900 Morgen Hoffeld gegen 900 Morgen Bauernfeld und zuletzt
oft 1200 Morgen Hoffeld gegen 600 Morgen Bauernfeld. Auch durch

Ausrodung von Waldgründen und Einziehung von Weideflächen wurde


das Hoffeld vergrössert, wozu noch kam, dass allmählig weniger exten-
siv gewirthschaftet und das Ackerland auf eine kürzere Reihe von

Jahren in Dreesch gelegt wurde, folglich mehr Arbeit als früher er-
forderte**).
Da nun die Gutshöfe, so lange es irgend anging, ohne eigene
Spannhaltung ausschliesslich durch die bäuerlichen Gespanne be-
wirtschaftet wurden, so kann es nicht Wunder nehmen, dass die an-
fangs mässigen Frohnen der Hufner bis zur Erschöpfung ihrer Lei-
stungsfähigkeit ausgedehnt wurden.
Das Uebermaass des Druckes muss häufig dahin geführt haben,
dass die Bauern wirtschaftlich nichtmehr bestehen konnten und ihre
Hufen im Stiche dann mit ihrer schweren Dienstpflicht
liessen, die
nicht immer wieder Eben so waren die In-
besetzt werden konnten.
sten als Tagelöhner und die Knechte und Mägde im bäuerlichen Ge-
sindedienst so schlecht gelohnt und genährt, dass sie lieber auswärts
ihr Fortkommen suchten. Die Gutsherren ergriff daher die Furcht,

*) Iii mittel- und süddeutschen Ländern, wo nicht so grosse Hof-Complexe

entstanden, als in Norddeutschland, wurden die alten Prästationen von Gülten,


gutsherrlichen Zehnten u. 8. w. neben massigen Frohnen mehr festgehalten.
**) Noch im 17. Jahrhundert kam auf holsteinischen Gütern eine zwölf-
schlägige Koppelwirthschaft mit nur 8 Bauschlagen gegen 9 Weideschläge vor,
so dass also im Turnus immer nur \ des Ackerlandes bestellt war und \ desselben
in Dreesch lag. (Aus alten Guts -Rechnungen.) Gegen Ende des 18. Jahrhun-
derts war die gewöhnliche Rotation schon: 1) reine Brache (die man früher nicht
2—6) Rapssaat, Winter- und Sommergetreide, 7) Klee, 8—12) Dreeschweide;
hielt).

oder ein 10 oder lljahriger Betrieb ohne Rapsbau und im Uebrigen mit ungefähr
gleichem Verhältnisse der Acker- und Weidejahre.

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dass bei fortdauernder persönlicher Freiheit und Freizügigkeit der


Untergehörigeu Mangel an den für die Bewirtschaftung der Gutshöfe
nöthigen Arbeitskräften entstehen werde; und aus diesem Grunde
wurden die Untergehörigen durch die Leibeigenschaft an den Grund
und Boden gefesselt und derjenigen inneren Gutsverfassung unter-
worfen, die wir in dem folgenden Abschnitte näher darzustellen ver-
suchen wollen.
Schwerlich wäre dieser Act der Gewalt den Gutsherren gelungen,
wenn sie nicht im Besitze der obrigkeitlichen Gewalt und der Patri-
monialjurisdiction gewesen wären, wodurch in damaliger Zeit und
nach den damaligen Zuständen die Gutsuntergehörigen ihrer Will-
kühr ohne höheren Schutz so gut wie Preis gegeben waren *).
Was das Alter der Leibeigenschaft in den Herzogthüraern be-
trifft, so spricht schon die Landgerichtsordnung von 1593 Theil I Ti-
tel 3 von «eigenen Leuten»», woraus zu schliessen, dass die Leibeigen-
schaft bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts auf den schleswig-
holsteinischen Gütern Fuss gefasst hatte.
Die Meinung Falcks, dass dieselbe schon im 15. Jahrhundert
daselbst existirt habe, können wir nicht mit Sicherheit bestreiten,
eben so wenig aber auch hinlänglich begründet erachten **).

*) Wann das blosse Obereigenthum der Gutsherren an den bäuerlichen Land-


stellen zu einer wirklichen obrigkeitlichen Gewalt sich entwickelt hat, wird
schwerlich urkundlich nachzuweisen sein; die Grundlage mag
eine Art von ge-
setzlich erlaubter Selbsthülfe zur Behauptung der gutsherrlichen Rechte an den
bäuerlichen Prästationen gewesen sein. Die Gerichtsherrlichkeit war ursprünglich
durchweg landesherrlich und wurde mittelst Exemtion von den bestehenden Ge-
richtsbezirken zuerst von den geistlichen Corporationen für ihre Besitzungen,
später auch von den Adeligen über ihre Hintersassen erworben, und zwar immer
durch specielle landesherrliche Uebertragung, die anfangs nicht selten auf die
Civil-Jurisdiction sich beschränkte und dann später auf die Criminal- Jurisdiction
ausgedehnt wurde. Beispiele der erworbenen vollen Patrimonial-Gerichtsbarkeit
liegen für Holstein schon aus dem Ende des 13., für Schleswig aus dem Anfange
des 14. Jahrhunderts vor. Dazu kam als allgemeine Maassregel das Privilegium
König9 Friedrich I. von 1524: «dass Prälaten und Ritterschaft Hals und Hand
oder das höchste Gericht über ihre Untersassen und Diener haben sollten ohne
der Fürsten Einmischung oder Verhinderung durch sie selbst, ihre Amtleute oder
Befehlhaber». Es scheintFassung die Absicht zu liegen, dass von den
in dieser
Criminalerkenntnissen der Patrimonal-Gerichte überhaupt keine Berufung an die
Gerichte der Fürsten Statt finden solle.
S. Falck's Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechtes III, 182 ff.

(Altona 1885).
•*) Vgl. Falck l. c. IV, 201 Anmerkung.

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13

Auch auf manchen Domainen und den Besitzungen mehrerer


Klöster wurden die Untergehörigen leibeigen.
Die Leibeigenschaft hat sich in Holstein früher und allgemeiner
(mit Ausnahme der Marschgüter) entwickelt, als in Schleswig, na-
mentlich als in den Gegenden nördlich von der Schlei.
Von den Domainen im Herzogthume Schleswig hatte, so viel be-
kannt, nur eine einzige leibeigene Untergehörige, und in Angeln war
die Einführung der Leibeigenschaft nur auf 9 adeligen Gütern gelun-
gen. Hier und weiter im Norden kamen auch manche adelige Güter
nicht. zur Erlangung der Patrimonialjurisdiction, und so konnten denn
die Gutsuntergehörigen die Angriffe auf ihre persönliche Freiheit durch
Processe, die bis in die Zeit der Aufhebung der Leibeigenschaft hinein
'
geführt wurden, mit Erfolg abwehren.
In Holstein dahingegen ward es höheren Ortes schon in der er-
sten Hälfte des 17. Jahrhunderts fast als selbstverständlich angese-
hen, dass die Untergehörigen der adeligen Güter auch Leibeigene
sein müssten, wofür wir hier nur ein einziges allerdings höchst signi-
ficantes Beispiel anführen wollen:
Durch Urtbeil vom 25. November 1654 erkannte das holstei-

nische Landgericht, dass ein Mädchen, welches als Freie in einem


freien,zur Zeit ihrer Geburt nicht gutsherrlichen, sondern zum Amte
Segeberg gehörigen Dorfe geboren und vor 17 Jahren nach einem
anderen, gleichfalls freien Orte der Herzogthümer fortgezogen war,
von der Obrigkeit dieses ihres Aufenthaltsortes als Leibeigene auf
Requisition ausgeliefert werden müsste, weil die Landesherrschaft in-
zwischen ihr Geburtsdorf an einen Gutsbesitzer abgetreten hatte, und
in Folge dieser Abtretung ihre damals daselbst noch lebenden Eltern
in Leibeigenschaft gerathen waren I *)

So ist die Leibeigenschaft in den Herzogthümern Schleswig und


Holstein auf dem Wege der gewaltsamen Unterdrückung des Bauern-
standes entstanden, durch das Herkommen allmählig weiter ausgebil-
det und verbreitet und auf Grund anerkannten Herkommens durch
landesherrliche Verfügungen und landgerichtliche Entscheidungen
sanetionirt worden.

*) Schleswig - holsteinische Provinzialberichte 1818 p. 488. Die Abtretung


von einzelnen Hufen oder ganzen Dörfern aus landesherrlichen Aemtern an ade-
lige Güter ist der Freiheit und dem Eigenthume der von dieser Maassregel, be-
troffenen Einwohner immer höchst gefahrlich gewesen. Vgl. ober derartige Falle
u. A. Schleswig-holsteinische Provinzialberichtc 1792, II, 138.

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14
*

ZWEITER ABSCHNITT.

Die schleswig-holsteinische Leibeigenschaft


und innere Gutsverfassung überhaupt im
19. Jahrhundert.
Die schleswig-holsteinische Leibeigenschaft ist niemals codificirt
worden. Die Gesetzgebung ordnete nur Einzelnes auf dringende Ver-
anlassung und auch dieses nicht immer in consequenter Weise.
Entscheidend war die Observanz, die auch in streitigen Fällen
den höheren gerichtlichen Erkenntnissen als Norm diente, jedoch
nicht immer mit Bestimmtheit zu ermitteln war und im Zweifel nach
der ganzen Richtung jener Zeiten häufiger zu Gunsten der Gutsher-
ren als der Leibeigenen aufgefasst wurde. Und zwar handelte es sich
um der einzelnen Güter (auch wohl der einzelnen
die Observanz
Gegenden), die, wenn auch in den Grundzügen übereintreffend, doch
in der Behandlung und Belastung der Leibeigenen sehr von einander
abweichen konnte und weit mächtiger und eingreifender war, als die
mehr oder weniger wohlwollende oder übelwollende Gesinnung des
einen oder anderen Gutsherren.
Hieraus erklärt sich, dass, als die Aufhebung der Leibeigenschaft

discutirt und vorbereitet wurde, die entgegengesetztesten Schilderun-


gen über die Lage der Leibeigenen gemacht wurden: Schilderungen
von echt patriarchalischen Zuständen und von Druck und Noth, die
abgesehen von Partei- Uebertreibungen, an denen es damals auch
nicht fehlte, beiderseits richtig sein konnten wenn man bestimmte
Güter oder auch eine bestimmte Gegend im Auge hatte, die jedoch
mit Unrecht verallgemeinert wurden.
Manche Punkte blieben übrigens unter den Juristen selber bis
zum letzten Augenblick streitig.
Die hier folgende Darstellung ist ausser der Benutzung der über
diesen Gegenstand vorhandenen Literatur *) auch auf Nachrichten, die

*) Aus derselben sollen hier nur die wichtigeren Schriften citirt werden:

Beschreibung eines adeligen Gutes in Holstein, nebst einigen Betrachtungen

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15

der Verfasser in adeligen Gütern der Herzogtümer aus dem Ge-


dächtnisse der ältesten Generation vor Jahrzehnten schöpfte, so wie
auf Durchsicht von Gutsarchiven gegründet
Das Wesen der Leibeigenschaft in diesen Landen war die Ge-
bundenheit an die Scholle (glebae adscriptio).
Ohne Consens des Gutsherrn durften die Leibeigenen das Gut
nicht verlassen, nicht auswärts Arbeit und Verdienst suchen, oder gar
ganz davonziehen.
Sie mus8ten einen Erb- oder Unterthaneneid leisten, nach wel-
chem gegen Entwichene die Strafe des Meineides auf gerichtlichem
Wege erkannt werden konnte.
Entwichene Leibeigene sollten innerhalb der Verjährungsfrist
(s.unten) von jeder Obrigkeit der Herzogthümer wieder ausgeliefert
werden (Haderslebener Itecess von 1614; Landtags-Resolutionen von
1632 und 37); mit einigen Nachbarstaaten waren über die Ausliefe-
rung Verträge abgeschlossen.
Andererseits durfte auch ein Leibeigener nicht beliebig vom Gute
verjagt werden; er war zur Scholle wie verpflichtet, so auch berech-
tigt Doch war es beständige Observanz, ganze Dörfer oder einzelne
Hufen mit den Leibeigenen von einem Gute an ein anderes auf dem
Wege des Austausches oder Verkaufes oder auch innerhalb eines in
derselben Hand befindlichen Güter-Complexes zu verlegen. Auch kam
es nicht ganz selten vor, dass einzelne Leibeigene persönlich (ohne
gleichzeitige Landabtretung) an Besitzer anderer Güter überlassen

1760. Der angenannte Verfasser ist ein wohlwollender, vielleicht etwas ge-
strenger Gutsbesitzer der alten Zeit, der den Zustand der Leibeigenen nicht
gerade aber doch ganz erträglich findet und gegen die «der Ver-
idealisirt,
hältnisse unkundigen Stadt-Enthusiasten© polemisirt. (Josias von Quaalen.)
Schräder, Materialien zur Uebersicht und Bcurthcilung der Umstände, welche bei
der vorgeschlagenen Aufhebung der Leibeigenschaft auf den adeligen Gütern
den Herzogtümern Schleswig und Holstein in Betracht kommen. Sehl es -
in
I, 232 ff.
wig-holstein. Provinzialber. 1797, auch im besonderen Abdruck
;

Kiel 1797. Diese vorzugsweise juristische Abhandlung gab zu Entgegnungen


von Hegewisch, Jochims und Anderen in den Provinzialberichten von 1797
und 1798 Veranlassung; es ward dem Verfasser in Betreff einiger Punkte
eine einseitige Auffassung zu Gunsten der Gutsherrn vorgeworfen.
(Tychsen) lieber den schädlichen Einflnss der Leibeigenschaft. Altona 1796.
Ranzau, historischer Versuch über die Leibeigenschaft. Hamburg 1797.
Theodor Sklavenfcind, Gemälde der Leibeigenschaft in den Herzogtümern
Schleswig und Holstein. Germanien 1798.
S. auch noch Falck's Handbuch des schlcswig-holsteinschcn Privatrechtes
IV, 203 ff.

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16

wurden *). Inzwischen war dies ungesetzlich, wenn es ohne Einwilli-


gung der betreffenden Leibeigenen geschah.
Die Leibeigenschaft der Gutsuntergehörigen gründete sich im
Einzelnen:
1) hauptsächlich auf Geburt Der Stand des Kindes wurde durch
den Stand der Mutter bestimmt;
2) auf freiwilligen Eintritt «mittelst Ergebebriefes», was nament-
lich geschah, wenn ein Freier eine Leibeigene heirathen wollte**);
3) auf Verjährung« worauf die Gerichte erkannten, obwohl es an
einer Zeitbestimmung für diese Verjährung fehlte.
Die Leibeigenen wurden frei:

1) durch förmliche Entlassung, die lediglich vom Willen des


Gutsherrn abhing und für welche derselbe ein beliebiges Losegeld
bedingen konnte***);
2) durch Verjährung, wozu erforderlich war, dass verheirathete
Leibeigene 10 Jahre, unverheirathete während der sächsischen Frist
von 31 Jahren, 6 Wochen und 3 Tagen ausserhalb des Gutes, ohne
reklamirt zu sein, sich aufgehalten hatten.
Wie schon oben bemerkt, war der Zweck der Leibeigenschaft
zum landwirtschaftlichen Betrieb des
kein anderer als Sicherung der
Gutes (und zur persönlichen Bedienung der Gutsherrschaft) erforderli-
chen Arbeitskräfte.
Kein Leibeigener durfte daher gegen den Willen des Gutsherrn
einem anderen Berufe sich widmen, z. B. ein Handwerk ergreifen,
konnte aber auch ebensowenig hiezu vom Gutsherrn gezwungen wer-
den f).

*) Es wird erzählt, dass einmal ein Gutsbesitzer mit einem anderen einen
Leibeigenen gegen zwei Jagdhunde austauschte, dass Gutsbesitzer Karten um
Leibeigene spielten u. dgl.
**) Es machte also nicht schon «die Luft an sich eigen», und in manche

Güter mit leibeigener Bevölkerung zogen dem Bauernstande angehörige Freie


unter Reservation ihrer Freiheit ein.
***) Ein solches Lösegeld wurde indessen von vielen Gutsherren nicht ge-
fordert.

f) Der Bedarf des Gutes an Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden


konnte also nur durch den freien Entschluss von Leibeigenen (event. durch Ein-
zug von Freien) gedeckt werden. Es werden aber zur Erlernung vou Handwerken
immer von selber Leibeigene genug, schon um der schwereren landwirtschaftli-
chen Arbeit zu entgehen, geneigt gewesen sein, und ebenso lag, die nöthige Er-
gänzung zuzulassen, im eigenen Interesse des Gutsherrn. Wohlwollende Gutsherrn
gaben auch wohl auf ihre Kosten leibeigene Knaben zu städtischen Handwerkern

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17

Die Leibeigenen durften ohne Cousens des Gutsherrn sich nicht


verheirathen: eine Beschränkung, die abgesehen von anderen Rück-
sichten schon durch die Verpflichtung des Gutsherrn, die verarmteu
leibeigenen Familien unterzubringen und zu ernähren, bedingt war.
Die Leibeigenen durften überhaupt keine Handlungen vornehmen
(z. B. Contracte mit Änderen abschließen), durch welche die Rechte
des Gutsherrn an ihren Dienstleistungen hätten beeinträchtigt werden
können. Im Uebrigen konnten sie Vermögen erwerben und hierauf
sich beziehende Verträge abschliessen, darüber unter Lebenden oder
auf den Todesfall verfugen u. s. w.; sie wurden als «ihrer Guter
mächtig» angesehen; auch hatte der Gutsherr von ihrem Nachlasse
hier das sogenannte Mortuarium nicht in Anspruch zu nehmen.
Die leibeigene Bevölkerung eines Gutes zerfiel in 3 Klassen:
1. Hufner, 2. Insten, 3. Gesinde.
I) Die Hufner (Bauern, Hauswirthe) hatten die Nutzmessung
der bäuerlichen Landstellen des Gutes (Vollhufen, Halbhufen, auch
wohl kleinere Stellen: Viertelhufen oder spannfähige Kathensteilcn)
gegen Leistung der Hofdienste, nebst einigen jedoch unwesentlichen
Naturallieferungen und Geldabgaben.
Sie hatten kein Eigcnthumsrccht an den Hufen, wie in den' älte-
sten Zeiten; selbst das spätere Colonatverhältniss war untergegangen;
sie waren nicht einmal Zeitpächter (Pächter auf contractlieh be-
stimmte Jahre), sondern nur «Wirthe bis weiter» und konnten belie-
big abgesetzt werden «nach gehöriger Anzeige und nicht zur Unzeit»:
eine unbestimmt genug ausgedrückte Regel, die auch nicht einmal
immer befolgt ward, da unter den Leibeigenen das Sprichwort
herrschte, der Bauer müsse sein Bett nicht vor Abend zurecht ma-
chen, weil er am Tage nicht wissen könne, ob er noch die nächste
Nacht in demselben schlafen werde.
Wohldenkende Gutsbesitzer, die ohne Zweifel die Mehrzahl aus-
machten, werden tüchtige, arbeitswillige und zu einem gewissen, wenn
auch beschränkten Wohlstande gelaugte Huftier nicht von ihren Hu-
fen vertriebenund nur im äussersten Nothfall die Maassregel gegen
faule, liederliche, trunkfällige Hauswirthe, welche die Hufen und das
Inventar verfallen Hessen und die Dienste nicht gehörig leisteten, in
Anwendung gebracht haben. Das Herkommen war entschieden gegen
weiteres willkührliches Verfahren. Aber für harte und gewissenlose

in die Lehre und liessen sie frei, wenn nie anderswo ihr Fortkommen finden
konnten.
Hamsrn, Aarheb. A. Leibn*. 2

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18

Gutsbesitzer konnte es zur Spekulation werden, gerade solche Huf-


ner, die ihre Stellen gut be wirtschaftet und in Aufnahme gebracht
hatten, auf andere Hufen zu versetzen, die durch schlechte Hauswir-
the heruntergekommen waren, und auf welchen nun Jene, um die
Wirthschaft wiederherzustellen, ihr Erübrigtes zusetzen mussten. Auch
handelte es sich zuweilen darum, einem Bedienten oder Kutscher zu
weichen, der ein Kammermädchen zu heirathen sich entschloss und
mit einer Hufe versorgt werden sollte. Häufiger war die Absetzung
von Hufnern in Folge der Niederlegung ihrer Stellen zum Hoffelde.
Eine Entschädigung des Weichenden für gemachte Verbesserungen an
Gebäuden, Inventar und Feldern wurde nicht immer gewährt, obwohl
die Gutsbesitzer hiezu juristisch für verpflichtet erachtet wurden. Ab-
gesetzte, unbrauchbare, oder durch Nfederlegungen beseitigte Hufner
wurden zu Insten degradirt.
Obgleich der Gutsherr die durch den Tod eines Hufners vakant
gewordene Hufe nach Belieben wiederbesetzen konnte, so hatte sich
doch eine Art von Erbfolge ausgebildet. In der Regel succedirte der
älteste Sohn, oder, wenn dieser nicht geeignet war, einer der anderen
Söhne, event. ein Schwiegersohn. Alte, arbeitsunfähige Hufner erhiel-
ten den sogenannten Altentheil: Wohnung in der neben den Hufen-
gebäuden befindlichen Altentheilskathe nebst Deputaten u. s. w. zum
nothwendigen Lebensunterhalt, welche der Hufen -Nachfolger herge-
ben musste.
Ob ein Leibeigener zur Annahme einer Hufe gezwungen werden
konnte und ob ein Hufner berechtigt war, gegen den Willen des
Gutsherrn eine Hufenwirthschaft («jährlich auf zeitige Anzeige») auf-
zugeben, darüber waren die Juristen verschiedener Ansicht *). Fac-
tisch wurde jener Zwang nicht selten ausgeübt, ein Beweis, wie
schlecht die Lage der Hufner auf den Gütern, wo dieses geschah, ge-
wesen sein muss.
Es fehlte auch nicht an Mitteln, diesen Zwang indirect auszuüben,
indem Leibeigene, die sich der Annahme weigerten und eben so Huf-
ner, die gegen den Willen des Gutsherrn abtreten wollten, in die
elendesten Instenwohnungen gesteckt und auch sonst schlecht behan-
delt werden konnten.

*) Von der einen Seite wurde geltend gemacht, dass der Zwang zur An-

nahme in der ganzen Gutsverfassung begründet gewesen, da letztere in vollstän-


dige Unordnung gerathen wftre, wenn denkbarer Weise alle Leibeigenen sich
geweigert hatten, Hufenwirthschaften zu obernehmen.

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19

Die Hufner und ihre Frauen waren nicht persönlich dienstpflich-


tig, wenn sie hinlängliches Gesinde für die Leistung der Dienste hal-
ten konnten ; sie schickten dann ihr Gesinde zu Hof und besorgten
ihre eigene Wirthschaft selber. Doch wurden sie auf manchen Gütern
auch zum persönlichen Erscheinen angesagt, besonders für die Ernd-
tezeit.

Die Dienstpflicht der Hufner war durch ein gesetzliches Maximum


nicht begrenzt. Die gemeinschaftliche Verordnung vom 28. Sept. 1771
bezeichnet vielmehr ungeachtet des früher ausgesprochenen Principes,
dass die Gutsunterthanen nicht über das hergebrachte Maass be-
schwert werden sollten *), die Leibeigenen als zu ungeraessenen Hof-
diensten Pflichtige ünterthanen.
Auf den meisten Gütern musste der Vollhufner täglich in der
Woche 8 Pferde nebst 5 Leuten im Sommer und 4 Leuten im Winter
(der Halbhufner 4 Pferde und 3 Leute) zur Disposition des Hofes für
die Feldarbeiten, für Holz-, Korn-, Dünger-, Reise- Fuhren u. s. w.
stellen, in der Erndtczeit auch noch mit extraordinairer Arbeits- und

Spannkraft aushelfen.
Die Arbeitszeit dauerte im Sommer von 8 Uhr Morgens (auf
manchen Gütern von 6 Uhr) bis 6 Uhr Abends; in derErndte länger;
im Winter von 8 oder 9 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags, mit
zweistündiger Mittagspause **).
Manche Dorfschaften lagen von den Höfen oder deu zu bearbei-
tenden Hofkoppeln so entfernt, dass über die Arbeitszeit hinaus 2
Stunden und darüber Morgens und Abends für die Hin- und Hertour
erforderlich waren.
An Sonn- und Festtagen durften keine Dienste gefordert werden;
und mehrere Festtage im 18. Jahrhundert gesetzlich aufgehoben
als
wurden, ward zugleich bestimmt, dass diese Tage den Leibeigenen
zur Ruhe und zur eigenen Arbeit gelassen werden sollten ***).

Haderslebener RereRS vom 14. April 1614.


*)
**)Es kam auch vor, dass gewisse Dienste stackweise oder nach Loosen
geleistet wurden, wobei eine gewisse Fuderzahl oder die Bearbeitung oder Ab-
erndtung einer gewissen Fläche Landes für ein Tagewerk gerechnet wurde
und die Leute bei massigem Fleiase in einem halben Tage ein solches Tagewerk
vollenden konnten; doch war die Aufsicht über die Ausführung der Arbeiten da-
bei schwieriger zu führen.
***) Wenn das Gesinde das heilige Abendmahl nahm, was an bestimmten
Sonntagen des Jahres auf Kommando und unter Anführung des Voigtes geschah,
so wurde auch der vorangehende Sonnabend ihnen dienstfrei gelassen; an diesen
Sonntagen selber erhielten sie besseres Essen.

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20

Das notdürftigste Inventar an Vieh und Gerätschaften war Ei-


genthum des Gutsherrn und den Hufnern nur zur Beuutzung anver-
traut; darunter hauptsächlich die für den Hofdienst nöthigen 8 Pferde,
so dass der Bauer für die zu seiner eigenen Wirthschaft erforderlichen
Pferde selber sorgen musste; auf manchen Gütern soll aber die Guts-
herrschaft nur 4 Inveutarpferde gestellt haben und auf einigen die
Anschaffung sämmtlicher Pferde den Bauern aufgebürdet gewesen sein.
Mit der Ausdehnung der Dienstpflicht waren die Naturallieferun-
gen und Geldabgaben der Hufner im 18. Jahrhundert auf eine unbe-
deutende Lieferung von Eiern, Geflügel, gesponnenem Flachs und dgl.
Nebenproducten und auf die Zahlung von einigen Thalern Häuergeld
zusammengeschmolzen; in derThat war auch die Prästationsfähigkeit
der Hufen durch die starken Frohnen schon vollständig erschöpft *).
( Die auf den Hufen ruhenden Grundsteuern wurden von den Guts-
herren selber gezahlt).
2) Die Insten. Diese bestanden aus allen leibeigenen Familien,
welche keine Hufen bekommen hatten und in den gutsherrlichen Ka-
then untergebracht waren. Sie ergänzten sich regelmässig aus den
Knechten und Mägden, die aber oft erst im vorgerückten Lebensalter
die Erlaubniss sich zu verheirathen vom Gutsherrn erhielten, weil
hiebei nicht bloss berücksichtigt wurde, ob Wohnungen für sie vakant
geworden, sondern auch, ob ein genügender Nachwuchs von jüngeren
Leuten für den Gesindedienst vorhanden war. Das Herkommen ver-
langte übrigens, dass bei der Erlaubniss zum Heirathen die Ancien-
nität nach der Stellung im Gesindedienste zur Richtschnur diente.
Die meisten Insten waren Tagelöhner, welche nach Bestimmung
der Gutsherrschaft gegen festgesetzten niedrigen Tagelohn auf den
Gutshftfen arbeiten mussten oder bei den Bauern des Gutes Arbeit
suchen konnten und nur, wenn man ihrer weder auf den Höfen noch
auf den Hufen bedurfte, die Erlaubniss erhielten, auswärts zu tage-
löhnern.
Für den Genuss der Wohnung mit einem sogenannten Kohlhof
mussten die Frauen der Insten etwa 60 —
70 Garten- oder Feldtage
alljährlich leisten und einige Pfund Flachs oder Heede spinnen.
•) Deshalb war man auch auf deu Gütern, wo das Hoffeld un verhalt niss
massig gegen das Banernfeld ausgedehnt worden war, insbesondere seit der Ein-
fahrung der reinen Brache, des Mergeins und des Rapssaatbaues im letzten Vier-
tel des vorigen Jahrhunderts gezwungen, eigene Spannkraft auf den Hofen neben

den bäuerlichen Gespannen anzuschaffen. Die durch Niederlegung von Hufen


werden meistens von Anfang an
in jener Zeit gebildeten Meierhöfe (Vorwerke)
mit eigenem Gesinde und Gespann bewirtschaftet worden sein.

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21

Hatten sie ausserdem freie Weide


für eine Kuh (auf den dama-
ligen Gemeinheiten der Dorfschaften) und bekamen das Winterfutter
für dieselbe, auch etwas Holz uud hin und wieder etwas Brodkorn gelie-
fert, so wurden dafür mehr Dienste, namentlich Hilfsdienste in der
Erndtezeit, doch meistens auch nur von den Frauen geleistet. Waren
die gewöhnlichen Dienste der Frauen nicht nöthig, so wurde alsMieth-
zins eine jährliche sogenannte Instenhäuer von einigen Thaleru erlegt.
Ausser dem Miethzins oder den Wohnungsdiensten waren die
Gutsherren berechtigt, von den Insten ein sogenanntes Schutz - und
Verbittelsgeld zu heben.
Fehlte es an Knechten, so konnten die Insten wieder zu Knechts-
diensten gezwungen werden; doch schloss das Herkommen hiebei eiu
willkührliches Verfahren aus und in der Regel musste der jedesmal
jüngste (d. h. wohl der häuslichen Niederlassung nach jüngste) Inste
in den Stand der Knechte zurücktreten.
Aehnlich mussten beim Mangel an Mägden die zuletzt verheira-
theten Instenfrauen wieder als Mägde bei einem Bauern oder in die
Meierei (Milchwirthschafl) eintreten und oft Jahre lang, wenn sie nicht

früher schwanger wurden, fortdienen.


Nächst den Tagelöhnern bestanden die Insten aus den Hand-
werkern u. s. w. des Gutes, die in Bezug auf die Wohnung ähnlich
wie die Tagelöhner gestellt, einer erzwungenen Erniedrigung ihrer
Lohn- und Verdienstsätze aber, so viel bekannt, nicht unterworfen
waren. Auch die verheiratheten und in herrschaftlichen Kathen woh-
nenden Feldvoigte, Holzaufseher u.dgl. unteren Officialen werden der
Insten-Klasse angehört haben.
In einigen Gütern erhielten Insten zuweilen die Erlaubniss, auf
dem gutsherrlichen Boden selber Kathen sich zu bauen, was wohl be-
sonders dann geschah, wenn Knechte und Mägde um die Erlaubniss
zu heirathen drängten, der Gutsherr aber keine Wohnungen mehr
zur Disposition hatte und selber nicht neue aufführen wollte. Sie er-
hielten dann wohl die notwendigsten Baumaterialien von der Guts-
herrschaft geschenkt und zahlten eine jährliche
Grundhäuer für den
Bauplatz, dessen Eigenthum dem Gutsherrn verblieb. Doch harmo-
nirte diese Einrichtung nicht recht mit der ganzen Gutsverfassung
und verursachte auf manchen Gütern bei Aufhebung der Leibeigen-
schaft besondere Schwierigkeiten.
3)Das Gesinde. Dieses bestand aus den Kindern der Hufner
und Insten, die, sobald sie irgend brauchbar waren, auf den Höfen
oder den Hufen in Dienst treten mussten.

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Alljährlich gegen Maitag pflegte ein neuer Benutzungs-Etat über
das Gesinde aufgestellt zu werden; es fand dann mit dem Uebergange
der sich verh ei rat henden Knechte und Mägde in den Iustenstand das
Aufrücken des bisherigen und das Einrücken des nunmehr dienst-
fähig gewordenen Gesindes nach gutsherrlicher Anordnung Statt.

Nachdem das für die persönliche Bedienung und den Hausstand der
Gutsherrschaft, so wie für den Meiereibetrieb der Höfe nöthige Per-
sonal ausgesucht war, wurden die Uebrigen unter die Hufner vertheilt :

wohl meist nach deren Wünschen, wobei es am nächsten lag, dass


die Kinder der Hufner bei ihren Eltern dienend verblieben.
Die Knaben mussten oft schon mit dem 6. oder 7. Jahre die
Gänse und Schafe hüten; mit dem 10—12. Jahre (auf mauchen Gü-
tern sogar schon mit dem 8 —
9. Jahre) wurden sie « Kleinjungen

und mussten als sogenannter 5. Mann (zuweilen war dies auch ein
Mädchen) zu den Hofdiensten sich einfinden; mit dem 14 — 15. Jahre
«Grossjungen»; vom 20., 21. oder an traten sie in den
22. Jahre
Knechtestand, erst als Kleinknechte; 4 —
5 Jahre später avancirten
sie zu Grossknechten. Ein ähnlicher Unterschied fand bei deu Mägden

als Grossmägden und Kleinmägden Statt. Das Avancement richtete


sich jedoch weniger nach dem Alter als nach der Tüchtigkeit der
Leute, so dass Schwächlinge noch im 30. Jahre «Jungen» sein konn-
ten. Die Bestimmung desselben war ein Gegenstand der gespanntesten
Aufmerksamkeit unter den Leuten, weil die Höhe des Lohnes genau
damit zusammenhing, der für alle Abstufungen vom Gutsherrn fest-
gestellt war und zwar unter Beobachtung des Herkommens, welches
auf den einzelnen Gütern differirte. Als Durchschnittssätze auf den

Hufen kann man (neben freier Station) etwa annehmen:


Für den Gänse- oder Schafjungen: gar kein Geld, nur einige
Ellen Leinwand, so dass die Angehörigen für die Übrigeu Kleidungs-
bedürfnisse sorgen mussten.
Für den Kleinjungen: einige Thaler und etwas Leinen.
Für den Grossjungen: doppelt so viel.

Für den Kleinknecht: 12—15 Thaler.l


Für den Grossknecht: 18—20 Thalcr.f
incl Leinen u '
s- w *>

Für die Mägde 4 — 5 Thaler baar und den gleichen Betrag in


Leinen. (Reducirt auf preuss. Cour.)

*) Zu der Löhnung mittelst Naturalien gehörte bei den Knechten auch,


dass der Bauer für sie etwas Getreide aussäe te, dessen Ertrag sie dann ver-
kauften.

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_ 23

Das auf den Gutshöfen dienende Personal stand sich etwas besser.
Zu den Emoluinenten der Dienstpflichtigen gehörte auch das
von der Gutsherrschaft gespendete sogenannte Erndtebier (Erndtefest),
welches so sehr als ein herkömmliches Recht angesehen wurde, dass
bei Verpachtung der Höfe die Verabreichung desselben den Hofpäch-
tern contractlich zur Pflicht gemacht und bei Aufhebung der Leib-
eigenschaft der Anspruch darauf von manchen Gutsherrn ausdrücklich
für wegfallig erklärt wurde.
Ueber säramtliche Dienstpflichtige stand der Gutsherrschaft der
sogenannte Dienstzwang zu, d. h. die Befugniss, sie nötigenfalls durch

körperliche Züchtigung zu gehöriger Arbeitsleistung anzuhalten. Doch


schärfte schon der Hadersl^beusche Rezess vom 14. April 1614 mensch-
liche Behandlung Auf die Hufner und ihre Frauen scheint, da
ein.

sie nicht (wenigstens auf den meisten Gütern nicht) persönlich dienst-
pflichtig waren, dieses Züchtiguugsrecht nicht sich erstreckt und ge-
gen sie, wenn sie ihre Verpflichtungen gegen den Gutsherrn nicht
erfüllten, nur das Recht der Auspfändung existirt zu haben.
Bei Verpachtungen wurde der Dienstzwang den Hofpächtern
übertragen *).

War Ucberfluss an Gesinde vorhanden, so wurde es Knechten


und Mägden gestattet, ausserhalb des Gutes zu dienen, wofür sie auf
manchen Gütern eine jährliche Recognition erlegen mussten.

Das Band, welches die Leibeigenen an das Gut knüpfte, um die-


sem die nöthige Arbeitskraft zu garantiren, sollte andererseits auch
Jenen die Gewissheit der Versorgung verschaffen. Der Gutsherr
musste daher für ihren Unterhalt einstehen und alle notwendigen
Ausgaben bestreiten, die sie selber zu tragen nicht im Stande waren.

*) Iu einem Pachtcontracte von 1781 haben wir folgenden Passus gefunden:


aDer Dienstzwang Uber die Uifterthanen und Du nstboten ist dem Pächter
in so weit erlaubt, dass er dieselben mit der Peitsche, dem Keller und Pfahl, auch
die Hauswirthe (Huftier) nach vorgäugiger Auzeige und mit Genehmigung des
Gutsherrn durch Auspfändung zu ihrer Schuldigkeit zwingen und anhalten kann,
doch raus8 dergleichen Strafe nicht übertrieben und ohne Noth gebraucht, noch
damittclst veranlasst werden, dass die Leute durch hartes Verfahren entweichen,
als in welchem Falle er dieselben auf seine Kosten wiederzuschaffeu gehalten ist»

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24

Hieraus entsprangen folgende Gegenverpfiiehtuugen des Guts-


herrn:
1) Die sogenannte Conservation der Hufen. Um die Hufen dienst-
fähig zu erhalten, ihrem eigenen Interesse
waren die Gutsherren in
gezwungen, nach Unglücksfällen oder schlechten Erudten den Huf-
nern mit Vorschüssen an Geld, Brod, Saatkorn u. s. w. unter die Arme
zu greifen. Waren die Gutshöfe verpachtet und damit die Dienste
den Pächtern überlassen, so wurde letzteren diese Verpflichtung con-
tractlich auferlegt.
2) Die Sorge für Wohnung und Beschäftigung der Insten.
3) Die Armen- und Medizinalpflege.
Der Gutsherr musste die arbeitsunfähigen Wittwen und Waisen,
die altersschwachen Insten u. s. w. ernähren und für sämmtliche
Leibeigene den Arzt und die Medizin bezahlen.
4) Die Sorge für den Schulunterricht der leibeigenen Kinder,
soweit damals von einem gesetzlich vorgeschriebenen Schulwesen die
Rede war.
5) Unentgeltliche Rechtspflege für die Leibeigenen.
Alle Rechtssachen der Leibeigenen mussten sportelfrei erledigt
werden; überhaupt wurden die sämmtlichen Kosten des Gerichts-
wesens vom Gutsherrn getragen und nur zu den Criminalkosten con-
currirten die Gutsuntergehörigen in so fern, als sie zur Bewachung
der Detinirten pflichtig waren *).

Unter dieser ganzen Gutsverfassung nun konnten die Unterge-


hörigen weder wirtschaftlich noch sittlich und geistig gedeihen.

Die Hufenwirthschaften waren meistens in der miserabelsten


Verfassung.
Gewöhnlich hatte der Hufner 12 Pferde: 2 Gespanne a 4 Pferde
für den täglichen Hofdienst und 4 (auch wohl 6) für den Betrieb der

*) Eben so fiel den Gutsherron die Ausgabe fQr die Handhabung der Polizei

und der ganzen obrigkeitlichen Verwaltung überhaupt zur Last; er trug Alles,
waa in freien Distrieten durch Communa) -Abgaben aufgebracht wird, mit Aus-
nahme dessen, was durch die Dicuste der Leibeigenen sich ausrichten lie98.
Selbst kirchliche Prastatinnen scheinen manche Gutsherrn für die Bauern getra-
gen zu haben, wie aus Pachteontracten jener Zeit zu schliessen, in welchen die
Verpflichtung des Pachter« vorkommt, auch die Prediger- und Küstergebuhren
für die Hufner zu zahlen.

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Hufe. Die Pferde waren von *verkrüppelter Rasse und schlecht ge-
nährt*); es wurde deshalb immer mit 4 Pferden gepflügt, wozu ein
Pflüger und ein Treiber erforderlich war, also 4 Leute für den Hof-
Auch die Dünger-
Felddienst, dazu ein fünfter für Hof-Handdienste.
fuhren, Kornfuhren wurden 4 spännig geleistet und doch nur
u. s. w.
schwache Ladung eingenommen bei der damaligen schlechten Beschaf-
fenheit der Wege. Waren die Bauern ausser Stande 4 Pferde für
sich zu halten, so mussten sie mit den abgematteten Dienstpferden
zugleich ihre eigenen Felder bestellen: Abends spät oder gar Nachts
im Mondschein, auch an den Sonntagen, worüber der Gottesdienst
versäumt wurde.
In Folge der schlechten Cultur der Hufenländereien waren die
Erndten auch nur höchst mässig; selbst guten Jahren und auf gu-
in

tem Boden wurde meist nur das Korn geerndtet.


3. bis 5.

Neben den 12 Pferden hatte die Hufe nur 4 6, selten 7 8 — —


Milchkühe, die schlecht gezogen und genährt, auch nur wenig Milch
und Butter lieferten, einige Stücke Jungvieh, sowie einige Schafe,
Schweine und etwas Federvieh.
So blieb bei der Erhaltung zahlreichen Gesindes nur wenig an
verkäuflichen Producten übrig, von deren Erlös doch der Gesindelohn,
die Handwerker- Hechnungen und sonstige Geldausgabcn bestritten
werden sollten; ja es wurde oft nicht einmal der eigene Bedarf an
Lebensmitteln erzeugt,
Auf manchen Gütern waren die Bauern fast regelmässig schon
Ende Februar mit ihren Vorräthen fertig und auf allen Gütern waren
nach schlechten Erndten die Gutsherren genöthigt, ihnen Vorschüsse
in Brod und Saatkorn, in baarem Gel de u. s. w. zu leisten, die selten
zurückerstattet werden konnten und deshalb von Zeit zu Zeit gestri-
chen werden mussten. Durch diese «Conservation» der Hufen wurde
in manchen Jahren der ganze Reinertrag der Gutshöfe verschlungen.
Wie die Hufner. so hatten auch die Insten gewöhnlich nur eiue
kümmerliche, oft eine noch kümmerlichere Existenz.
Zwar waren die für Wohnung u. s. w. zu leistenden Dienste der
Instenfrauen nicht allzuhoch normirt und wurden auch in Verhinde-
rungsfällen ganz oder theilweise erlassen; /iber der Tagelohn der
Insten war zu niedrig festgestellt und besonders in den 90 ger Jahren

*) Diese kkine Rasse von Pferden, welche selbst im Winter gar nicht oder

nur bei ausserstem Frost in den Stall kam und auf knapper Weide *jch behelfen
mnsste, ist nach Aufhebung der Leibeigenschaft ganz verschwunden.

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des vorigen Jahrhunderts bei den steigenden Preisen der notwen-
digsten Lebensbedürfnisse durchaus nicht mehr genügend; auch fan-
den sie für diesen niedrigen Tagelohn nicht einmal regelmässige
Beschäftigung auf den Gutehöfen oder bei den Bauern. Es wurde ein
drückendes Monopol gegen sie ausgeübt*).
Auf manchen Gütern wurde ihnen das Winterfutter so knapp
zugemessen, dass sie nur halb damit ausreichten, und auf manchen
Gütern erhielten die Insten weder Weide noch Winterfutter und
konnten gar keine Kuh halten.
Ihre Mahlzeit bestand hauptsächlich in gekochten Kartoffeln, die
mit aufs Feld genommen und dort kalt mit Salz verzehrt wurden.
Die Insten, welche Kühe hatten, mussten aus Noth die Butter
meist verkaufen.
Das nothdürftige Brennmaterial von Holz oder Torf wurde ihnen
zwar von der Gutsherrschaft unentgeltlich angewiesen, kam ihnen
aber, wenn sie für das Einfahren den Bauern Vergütung in Geld oder
Arbeit leisten mussten, theuer genug zu stehen.
Waren die Wohnungen knapp, so musste ein Inste mit seiner
Familie oft mehrere Jahre bei seinen Eltern oder Schwiegereltern in
Einer Stube wohnen, ohne den Genuss eines Kohlhofes u. s. wA zu
haben; er musste auch wohl für seine alten abgelebten Eltern, die
eigentlich schon Gutsarme waren, die Hofdienste verrichten und mit
ihnen deren Wohnung sammt Zubehör theilen.
Ueber die gewöhnliche Beschaffenheit der Insten -Wohnungen
hat ein edelgesinnter holsteinischer Gutsbesitzer im vorigen Jahr-
hundert selber veröffentlicht, dass ihre elenden Hütten mehr das
Ansehen von Viehställen als von menschlichen Wohnungen hätten **).
'
Endlich war auch das Gesinde schlimm daran, besonders das
bäuerliche, welches die überwiegende Mehrzahl ausmachte.
Schon im frühen Lebensalter mussten die Knaben, allem Wetter
Preis gegeben, Nachts auf dem Felde schlafen, um dort das Vieh zu
hüten; noch unausgewachsen wurden sie zu schweren Frohndieusten

*) So z. B. erhielten sie auf zwei namhaft gemachten Gütern zu jener Zeit


nur 6 Schillinge (3} bis 4} Sgr.) Tagelohn ohne Kost, während in den
5, resp.
angrenzenden freien Districten 8 Schillinge (6 Sgr.) und die Kost gegeben wurde.
**) Uebrigcns war die Lage der Insten auch in freien Districten zu jener
manchen (intern mug sie besser gewesen
Zeit häufig eben so schlecht; ja auf
sein als inmanchen Amtsdörfern, die im Kigenthnm hartherziger Buueru sich
befanden und von Tagelöhnern Übervölkert waren. Dies gilt auch gegenwärtig
noch bei einem Vergleiche der adeligen Güter mit den übrigen Districten.

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herangezogen und dadurch in ihrer körperlichen Entwickelung ge-


hemmt.
Der niedrige Lohn reichte kaum für die notdürftigste Beklei-
dung aus; Knechte, die viele Grabenarbeiten auszuführen hatten und
lange im Wasser stehen mussten, brauchten ihn grösstenteils für
ihr Schuhwerk allein.
Die Beköstigung des Gesindes konnte nicht besser sein, als die
der Bauern selber und war daher nach der Lage derselben verschie-
den. Morgens und Abends Grütze und Milch (wenn dies nur immer),
täglich vielerwärts nur Dreiviertel Pfund Brod; Fleisch selten, Butter
oder Speck knapp, Mittags bei den Feldarbeiten oft statt wannen
Essens nur einen Topf mit sauerer Milch, in der Emdte schlechtes
dünnes Bier.
Bei den vielen Wirthschaftsfuhren nach den meilenweit entfern-
ten Städten wurden sie so knapp mit Zcbrungsgeld und Lebensmit-
teln versehen, dass sie Holz aus den herrschaftlichen Waldungen zu
stehlen und zum heimlichen Verkaufe mitzunehmen pflegten.
Die Armenpflege wird nach der Gesinnung der Gutsherren und
ihrer Gattinnen sehr ungleich gehandhabt worden sein. Wenn mau
aber bedenkt, wie die noch arbeitsfähigen Insten auf vielen Gütern
leben mussten, so kann man sich damit eine Vorstellung von der Ar-
men-Versorgung der nicht arbeitsfähigen Insten daselbst machen.
Für die Medizinalpflege der Leibeigenen wird, wie in gutsherrli-
chen Schriften jener Zeit selber bestätigt wird, wenig verwendet wor-
den sein.

Nicht viel mehr ist von dem damaligen Schulwesen der meisten
Güter zu sagen. Das Schulhaus bestand aus einer kleinen Käthe mit
einer engen Schulstube und dem notdürftigsten Wohnräume für den
Lehrer, der gewöhnlich ein ganz ungebildeter Mann aus den unter-
sten Ständen (ein invalider Dürfhandwerker oder dergl.) war und für
eine kümmerlich«* Einnahme von 10—20 Kth baar nebst Weide- und
Winterfutter für eine Kuh und etwas Holz und Brodkorn in den Winter-
monaten Unterricht im Lesen und Auswendiglernen des Katechismus
erteilte. Die Kinder auch schreiben zu lehren, hatten einige Guts-
herren den Lehrern geradezu verboten, damit die Leibeigenen nicht
zu klug würden. Der Schulbesuch war sehr unregelmässig, da die
Kinder zu häufig durch Arbeiten für die Eltern oder durch Frohn-
dienste abgehalten waren *).

*) Schilderungen des Schulwesens der Güter in jener Zeit von Predigern.


Provinzialberichte von 1792, I, 39 ff. und 1824, III, 77 ff.

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^ Die-Rechtsptiege war gleichfalls auf den meisten Gütern nicht in


gehöriger Ordnung.
In der Patrimonialjurisdiction lag durchaus nicht die Befugniss
des Gutsherrn selber zu entscheiden. Vielmehr sollte nach den Vor-
schriften der Landgerichtsordnung wie in den freien Districten ein
förmliches «Ding und Recht» mit Beisitzern aus der Mitte der Guts-
einwohner gehalten werden. Aber diese Dinggerichte sind auf den
ndeligen Gütern entweder früh eingegangen oder nie in Gebrauch
gekommen *). Häufig übte der Gutsherr die Rechtspflege in Person
aus oder liess sie durch seinen Verwalter mit dem Kornschreiber als

Protocollführer ausüben **).

Noch im 18. Jahrhundert waren Beispiele des furchtbarsten


Missbrauches der Patrimonialgerichtsbarkeit, namentlich der grau-
samsten Ausübung der Criminaljurisdiction nicht selten. Besonders
berüchtigt geworden ist die Bürauer sogenannte Blutgeschichte von
1722***).
Eben so wurde die polizeiliche Gewalt oft schmählich gemiss-
braucht und der «Dienstzwang» durch harte und entehrende Strafen
— durch übermässige Schläge, gefesseltes Sitzen auf dem vor dem
Herrenhause paradirenden hölzernen Esel u. s. w. ausgeübt.
Die Leibeigenen hatten selber das Gefühl menschlicher Würde
verloren. «Ick bin man en eegen Minsen» (Ich bin nur ein Leibeige-
ner) — war die Antwort, wenn ein Leibeigener auf der Landstrasse
oder in einer Stadt nach Heimath und Herkunft gefragt wurde t).
Sie waren muthlos, schlaff und träge, trunkfällig, unzuverlässig,
diebisch, tückisch und von gemeiner Denkungsart überhaupt Man be-

*) Falck'8 Privatrecht III, 141 ff.

**) Im Jahre 1720 im Auslande


crliess ein holsteinischer Gutsbesitzer, der
lebte, aus eigener Machtvollkommenheit eine Instruction an seinen Verwalter,
wie derselbe die Rechtspflege handhaben sollte, wobei er die eigene Entschei-
dung in wichtigeren Fälleu auf Grund der vom Verwalter zu erstattenden Be-
richte sich vorbehielt. Provinzial berichte 1818, p. 487.
***) Grave, ein Criminalrechtsfall auf dem Gute Bürau aus dem Anfange des
vorigen Jahrhunderts. Provinzialbcr. 1820, 140 Der Gutsherr von Bürau, Hein-
ff.

rich Ranzau, hatte mehrere Leibeigene, die über die Entweichung eines anderen
Leibeigenen und die von diesem begangenen Veruntreuungen aussagen sollten,
im Gefängnisse (einem dunklen feuchten Keller) so entsetzlich misshandcln las-
sen, dass drei derselben alsbald starben. Er wurde zu fünfjähriger Landesver-
weisung und bedeutender Geldstrafe verurthcilt.
f) Charakteristisch war, dass auch die Alten statt des landesüblichen «Ihr»
(plattdeutsch Ji oder Jü) nur mit «Du» gleich Kindern und Dienstboten von Guts-
herrn, Pachtern, Inspcotoren u. s.w. angeredet wurden.

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handelte sie sehlecht, weil sie so waren. Ob sie aber nicht so gewor-
den waren, weil sie schlecht behandelt wuraen?
War doch der Bauer in den freien Districten der Herzogtümer
ein ganz anderer Mann.
Manche Gutsbesitzer hatten eine wahre Erbitterung und men-
schenfeindliche Stimmung gegen ihre Leibeigenen gefasst; ein hartes,
rauhes, mitleidloses Wesen war ihnen, wie den Pächtern undOfficialcn
zur zweiten Natur geworden. So wurden auch die Herren und Gebie-
ter durch die Zustände der Leibeigenschaft demoralisirt
Mit einer einmal depravirten Gutsbevölkerung hatten aber selbst
die wohlgesinntesten Gutsherren einen schweren Stand; für alle ihre
Bestrebungen, die Leibeigenen und deren Lage zu bessern, wurden
sie nur mit Undank und Misstrauen gelohnt und fielen dann leicht
wieder in das alte Geleis der Behandlung zurück.
Das physische und moralische Elend hatte sich den Gesichtszü-
gen und der ganzen Haltung der Leibeigenen tief und gewissermaassen
erblich eingeprägt; auf den ersten Anblick waren sie von den Einge-
sessenen freier Landdistricte zu unterscheiden. Ausser Druck und
Noth mag auch das häufige, insbesondese auf kleinen Gütern unver-
meidliche Heirathen in naher Blutsverwandtschaft die Rasse herunter
gebracht haben.
Neben geringerer Fruchtbarkeit der Ehen war die Sterblichkeit
der Kinder grösser als anderswo. So bewirkte die Leibeigenschaft ge-
rade das, was sie verhindern sollte, einen Mangel an Arbeitskräften,
der noch durch das häufige Entweichen von Leibeigenen *) verstärkt
und um so fühlbarer wurde, als die seit den 80ger und 90ger Jahren
des vorigen Jahrhunderts unternommenen Culturverbesserungen der
Gutshöfe eine Vermehrung der Arbeitskräfte erheischte.
Nach Aufhebung der Leibeigenschaft und mit der besseren oe-
konomischen Lage der ehemaligen Leibeigenen ist allmählig gewisser-
maassen ein anderer Menschenschlag auf den adeligen Gütern ent-
standen und die Bevölkerung derselben, die früher in ganzen Jahr-
zehnten stagnirte oder gar zurückging, überall, oft sogar über das
Bedürfniss angewachsen.
Die Leibeigenschaft hatte sich in Holstein schärfer herausgebil-
det als in Schleswig; am schlimmsten war das Verhältniss wohl in

*) Beispiele davon aas der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Provinzial-
ber. 1824, ^eft 4, p. 67. Schon im 17. Jahrhundert wurde von den Gutsherren
Aber dieses Entweichen stark geklagt.

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der nordöstlichen Ecke von Holstein, dem sogenannten Lande Olden-


burg, wo die nach ihrer Unterjochung im 1 2. Jahrhundert noch übrig
gebliebenen Wenden zusammengedräugt und als zinspflichtiger Bau-
ernstand schon vor der Einführung der späteren Leibeigenschaft hart
behandelt wurden; am mildesten dahingegen war dasselbe auf den
schleswigschen Gütern nördlich der Schlei, vornehmlich in Angeln,
auf Sundewitt und Alsen*).
Holsteinische Gutsbesitzer wunderten sich bei ihren Besuchen
auf Angelnschen Gütern über den stattlichen Anzug der Leibeigeuen,
in welchem sie vor ihrem Gutsherrn erschienen, über ihre geistige
Aufgewecktheit und über den freundlich wohlwollenden Verkehr, den
die Gutsherren mit denselben unterhielten.

Die Leibeigenen vertrauten dort ihre Ersparnisse dem Gutsherrn


an, der ihnen höhere als die landesüblichen Zinsen gab, und mancher
Bauer hatte sich durch sorgfältigen Betrieb der Landwirtschaft,
durch Viehhandel u. s. w. ein Vermögen erwürben. Hier hatte der Satz,
dassder Leibeigene ein ««seiner Güter mächtiger Mann» sei, practische
Bedeutung behalten. Bei einem beabsichtigton Verkaufe oder Vertau-
sche von Hufen von einem Gute an ein anderes wurde die Bewilli-
gung der davon betroffenen Leibeigenen eingeholt. Wegen Austausch
von HotTeld gegen Hufenland innerhalb des Gutes, wegen Auseinan-
dersetzung gemeinschaftlicher Weide u. 8. w. wurden förmliche Ver-
träge mit den einzelnen Hufnern oder mit der ganzen Dorfschaft ab-
geschlossen. Die Frohndienste der Hufen beschränkten sich meist auf
drei Wochentage mit 2 Pferden, die dann von je 2 Hufen zu 4spänni-
ger Arbeit vereinigt wurden. So hatten die Bauern hier weniger Leute
und Pferde zu unterhalten, mehr Zeit und Kräfte für die eigene
Wirthschaft und mehr Producte zum Verkaufe übrig und konnten da-
her auch die neben den massigen Frohnen beibehaltenen, hier nicht
unbeträchtlichen Häuergelder leichter aufbringen, als die holsteini-
schen oder südschleswigschen Gutsbauern bei den ungemessenen
Frohnen, neben welchen sie gar keine oder ganz unerhebliche Geld-
abgaben zahlten, zu bestehen im Stande waren. — Das Gerichtswesen

*) Wie in diesen Gegenden die TJntergehörigen von nicht wenigen Gütern

ihre pers«">nlichc Freiheit sich bewahrt und Angriffe auf dieselbe proccssualisr h
abgewendet hatten, so war dort auch die Erwerbung der Patrimonial-Gerichts-
barkeit nicht allen Gütern gelungen. Auch das Colonat hatte sich hier häufig —
unter dem Namen von Festeverhaltniss — als Nutzungsrecht auf Lebenszeit, hie
und da sogar als erbliches Nutzungsrecht erhalten.

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der Güter gewährte hier grösseren Schutz und auf die Verbesserung
des Schulwesens scheint hier früher Bedacht genommen zu sein.

Im Allgemeinen waren die Leibeigenen am besten daran auf


denjenigen Gütern, die seit Jahrhunderten im Besitze derselben alten
Landes-Familien sich befanden und von diesen selber dauernd be-
wohnt wurden; schlechter, wenn Pächter oder Inspectoren statt der
abwesenden Gutsherrschaft das Regiment führten, am schlechtesten
aber, wenn die Güter in die Hände von Spekulanten gerathen waren,
welche das Möglichste herauszupressen suchten und es auch wohl
mussten, falls sie zu Über triebeueu Preisen sich angekauft und schwere
Zinsenlast zu tragen hatten.

DRITTER ABSCHNITT.

Ille Aufhebung der Leibeigenschaft*).


Die ersten Versuche, die Leibeigenschaft in den Herzogthümern
Schleswig und Holstein aufzuheben, fallen schon in eine Zeit, in wel-
cher dieses Verhältniss noch in fortschreitender Entwickelung be-
griffen war.
Bereits König Christian IV war darauf bedacht, das Band ge-
setzlich zu lösen; seine hierauf zielende Proposition von 1636 wurde
jedoch von der Ritterschaft abgelehnt**).
Das erste bekannt gewordene Beispiel freiwilliger Aufhebung
wurde vom Grafen Christoph Ranzau auf seinen, im östlichen Holstein
gelegenen Gütern Schmool, Hohenfelde und Oevelgönne gegeben. Als

*) Wir wählen der Kürze halber diese Ucberschrift, obwohl es in diesem


Abschnitte nicht um die Aufhebung der Leibeigenschuft allein sich handelt und
manche damit in Verbindung stehende Neuerungen, deren nähere Darstellung
im vierten Abschnitte erfolgen wird, schon hier berührt werden müssen.
**) Nach einer anderen Angabe (Provinzialber. 1798, II, 140) wurde die Pro-

position 1656 unter der Regierung Königs Friedrich III gestellt, was jedoch we-
niger wahrscheinlich ist Proviuzialber. 1818, pag. 494, Falck's Privatrecht IV,
p. 216.

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Motiv dieses Schrittes giebt er in seinem d. d. Cölln den 19. Juli \G68 für
sich und seine Erben, so wie für alle künftigen Eigenthümer dieser
Güter bindend ausgestellten Freibriefe an, dass er Mitleid mit dem
schlechten und miserabclen Zustand der Leibeigenen fühle und dass
die Leibeigenschaft weder durch die göttliche Schrift begründet sei,
noch der Vernunft entspreche*).
Durch diesen Freibrief wurde den Untergehörigen gestattet, auf
vorgängige ein- bis zweijährige Kündigung und nach richtiger Ablie-
ferung des gutsherrlichen Inventars die Güter zu verlassen. Statt der
Fortgezogeneu sollten freie Leute Aufnahme gegen die Verpflichtung
erhalten, zehn Jahre auf den Hufen und in den Kathen zu bleiben
und die Dienste zu leisten.
Die bisherigen täglichen Dienste wurden ausserhalb der Saat-
und Erndtezeit auf vier Wochentage reducirt, um den Untergehörigen
die anderen beiden Wochentage für die Bestellung ihrer eigenen
Wirthschaft frei zu lassen.
Hiebei rechnete der Graf darauf, dass die Leute nun aus Dank-
barkeit emsiger arbeiten und in vier Tagen mehr leisten würden, als
seither in allen 6 Tagen der Woche. Um sie zugleich für den erwar-
teten grösseren Fleiss zu belohnen, erliess er ihnen ihre Schulden
und die jährliche Geldhäuer von deu Hufen und Kathen, versprach
sogar eine jährliche Kornspende. Die Verwalter, Voigte und übrigen
Officialen sollten mit deu Untergehörigen umgehen «wie ein Vater
mit seinen Kindern». Nur soweit es das Bedürfniss dringend erhei-
sche, sollten die Untergehörigen mit Botenlaufen und Kornfuhren be-
schwert werden. Zugleich wurde in dem Freibriefe die Anstellung ei-

nes tüchtigen Schullehrers versprochen.


Schon 1695 verkaufte der Graf die Güter an den Grafen von 4

Dernath, der sich zwar ausdrücklich verpflichtete, die in dem Frei-


briefe getroffenen Dispositionen zu halten, jedoch von dem Verkäufer
die Erklärung zu erlangen wusste, dass die etwa fortziehenden Unter-
gehörigen selber für tüchtigen Ersatz von aussen 6orgen sollten, -da-

*) Derselbe Graf Ranzau hatte früher durch harte Behandlung seiner Guts-
unterthanen, insbesondere durch grausame Verfolgung angeblicher Hexen (es
war damals die Zeit der ITexenprocesse) sich bemerkbar gemacht und war dos-
halb auch der Criminaljurisdiction für verlustig erklärt und in eine Strafe von
20000 Thalern nebst einer Abgabe an den Fonds ad pios usus von 3000 Thalern
verurtheilt worden. Es scheint darnach, dass Gewissensbisse und Reue über sein
früheres Verfahren ihn iur Freimachung seiner Leiheigenen hauptsächlich be-
wogen haben.

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I

mit die Güter nicht ruinirt und wüste gemacht würden»; wer heimlich
davon laufe, solle als Ungehorsamer wieder eingeholt und zur Strafe
leibeigen gemacht werden. Der Käufer wurde zugleich auf seinen
Wunsch von der Lieferung der Kornspenden an die Gutsuntcrgehöri-
gen dispensirt und zur Hebung der registerlichen jährlichen Geld-
häuer «nach altem landgewöhnlichem Gebrauche und Herkommen»
wieder ermächtigt.
Das Bemerkenswertheste aber war, dass die Untergehörigen auf
ihr eigenes Begehren wieder zu täglichen Hofdiensten angesetzt wur-
den, weil sie lieber 6 Tage schlaff in alter Weise als 4 Tage ange-
strengt arbeiten wollten. Sie wussten also den Werth der Zeit für ih-
ren eigenen Betrieb noch gar nicht zu schätzen.
Die Freizügigkeit selber war durch die Bedingung, dass die
Wegziehenden an ihre Stelle Fremde herbeischaffen sollten, so gut
wie illusorisch geworden und die Leibeigenschaft muss hier bald wie-
der restituirt worden sein, indem, wie Schräder in seinem Handbuche
der vaterländischen Rechte Theil I, pag. 7 anführt, die Unterthanen
der Güter Schmool und Hohenfelde 1741 angehalten wurden, der
neuen Gutsherrschaft den Eid der Unterwürfigkeit und Leibeigen-
schaft abzulegen.
So war man denn wieder in das alte Geleis zurückgefallen*).
Besser ging es auf dem Gute Caden im südlichen Holstein, wo
die Leibeigenschaft 1704 aufgehoben wurde; doch ist das Genauere
über den Hergang nicht bekannt, auch blieb dieses Beispiel lange ohne
Nachfolge **).
Um 1740 machte Graf Hans Ranzau auf dem Gute Aschberg den
Anfang mit einer durchgreifenden Reform der Gutsverfassung, die von
seinen Nachkommen fortgesetzt und bis 1794 beendigt wurde. Er
verringerte allmählig das Hoffeld, indem er zuerst auf den entfernte-
sten und später auf den weniger entfernten Ländereien bäuerliche
Landstellen gründete und diese an tüchtige junge Leibeigene seines
Gutes erbpachtlich gegen einen jährlichen Canon unter Ertheilung
der persönlichen Freiheit übergab. Mit der Verkleinerung der Hof-
wirthschaft wurden auch die Hofdienste der Dörfer nach und nach
entbehrlich, die Dienstpflichtigen successive von den Hoftagen ent-
bunden, zu Abgaben in Geld als Zeitpächter (später gleich den Hof-

*) üeber den ganzen Fall vgl.: Westphalen mon. ined. III, Vorrede p. 40;

Niemann's Blätter für Polizei und Kultur, 1799 I, 96; Provinzialber. 1818 p. 503.
**) Falck's Privatrecht IV, 214.
Rannen, Aoffceb. d. I.aiboig. 8

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parzellisten als Erbpächter) angesetzt und gleichzeitig aus der Leib-


eigenschaft beireit, welche schliesslich 1794 iür das ganze Gut aufge-
hoben wurde*).
In diese Zeit fallt auch die sogenannte Niederlegung der Domai-
nen, welche in Schleswig und dem altköniglichen Antheil von Hol-
stein von 1765 bis 1787 vollzogen wurde, im grossfürstlichen Antheile
von Holstein schon früher begonnen hatte und bei der Wiedervereini-
gung desselben mit dem königlichen Antheile (1773) schon so weit
vorgeschritten war, dass sie 1784 beendigt werden konnte. Ueberall
wurden hier mit der Parzellirung der Hoffelder die Hofdienste als
nunmehr überflüssig abgeschafft und zugleich die Leibeigenschaft, die
mit der Abschaffung der Frohnen ihre eigentliche Bedeutung verlor,
aufgehoben, so weit sie im Domanium existirt hatte. Die bisherigen
Bauern erhielten das Eigenthumsrecht an den Hufen und Kathen, die
neugebildeten Hofparzellen wurden als Erbpachtstellen verkauft; in
jedem Domanialgute aber wurde der ganze Plan auf einmal, nicht all*
mählig im Laufe einer Reihe von Jahren, wie auf Aschberg, zur Aus-
führung gebracht
Die Regierung hoffte durch diese «Niederlegung» die Besitzer
der adeligen Güter zu derselben Procedur zu veranlassen und auf
diesem Wege die Leibeigenschaft gewissermassen von selber zu be-
seitigen.
Es geschah ohne Zweifel auf höhere Veranlassung, dass ein Mit-
glied derKammerverwaltung, Kamphövener, die ganze Operation und
ihren günstigen Erfolg in einem 1787 zu Kopenhagen unter dem Ti-
tel: aBeschreibung der bereits vollführten Niederlegungen Königlicher
Domanialgüter in den Herzogtümern Schleswig und Holstein» er-

schienenen Werke und zur Nachfolge mit fol-


ausführlich darstellte
genden Worten aufforderte: «Nach diesem Vorgange habe der Staat
das gegründeteste Recht, von jedem Eigenthümer solcher Güter, de-

Graf Hans Ranzau berichtete in einer 1766 zu Plön erschieneneu Druck-


*)

schrift: «Antwort eines alten Patrioten auf die Anfrage eines jungen Patrioten,
wie der Bauernstand uud die Wirthschaft der adeligen Güter im Holsteinischen
an verbessern sein, über die von ihm bis dahin ausgeführte Umgestaltung der
gutsherrlich-b&uerlichen Verhältnisse und den günstigen Erfolg dieser Operation.
(Wieder abgedruckt in den Schleswig -holsteinschen Anzeigen von 1767 und in
den Abhandlungen aus diesen Anzeigen Bd. V; neue besondere Ausgabe Hamburg
1775.) Vergl. auch einen Aufsatz: «Ueber die verbesserte ökonomische Einrich-
tung auf Aschberg», in den Provinzialber. von 1793, 1, 244 ff, so wie die Akten-
stücke zur Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft in den Heraogthümarn,
Hamburg 1798, p. 8 und 12.

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reu Untergehdi ige unter der Leibeigenschaft seufzeten, zu fordern,


dass er der Stimme der Natur uud der Vernunft Gehör gebe und
Menschen ihre natürlichen Rechte nicht länger vorenthalte, die ihnen
unrechtmässiger Weise blossdurch gewaltsame Anmaassungen entrissen
worden seien, zumal unwidersprechlich gewiss gezeigt werden könne,
dass diese Aenderung ohne einigen Verlust von Seiten der Berechtig-
ten zu erreichen sei; auch könnten die Privaten die Sache noch vor-
und mit geringeren Kosten ausführen.»
theilhaftei
Das Beispiel der Regierung blieb auch nicht ohne Wirkung im
Herzogthume Schleswig, namentlich in Angeln, wo die Neigung zu
kleinerem Grundbesitze und sorgfältigerer Bewirtschaftung sogar
schon früher zur Parzellirung einzelner Gutshöfe gefuhrt hatte und
nun die Gutsbesitzer einer nach dem anderen ihre Hofwirthschaften,
wenn nicht auflösten, so doch durch Ablegung von Parzellen erheblich
verkleinerten, Frohndienste und Leibeigenschaft (welche letztere je-
doch, wie schon oben bemerkt, in Angeln auf manchen Gütern gar
nicht existirte) aufhoben und die alten Bauern gleich den neuen Par-
zellisten zu Erbpächtern oder gänzlichen Eigenthümern machten. Es
wurde dies auf dem Gute Ohrfeld daselbst durch den damaligen Be-
sitzer Henning von Rumohr schon 1765 und auf anderen Gütern in
den folgenden Jahrzehnten ausgeführt, so dass die Leibeigenschaft in
Angeln bereits überall beseitigt war, als sie gesetzlich allgemein auf-
gehoben wurde*).
Dasselbe geschah, um noch einige Beispiele aus andereu schles-
wigschen Gegenden anzuführen, 1786 auf Eckhof im Dänischwohld,
1789 auf Seekamp, eben daselbst gelegen, 1794 auf Maasleben in
Schwansen.
Der damalige Besitzer von Eckhof, GrafHolk, war ein durch edle
Denkungsart ausgezeichneter Mann, der seine Untergehörigen höchst
human behandelte, für einen guten Volksunterricht Sorge trug, den
Fleiss der Bauern und ihrer Frauen durch Ertheilung von Prämien
zu beleben suchte u. s. w.
Seine Leibeigenen scheinen sich unter seiner milden Gutsheir-
schaft so sicher gefühlt zu haben, dass .sie mit grossem Phlegma der
gänzlichen Veränderung ihres Zu Standes entgegen sahen. Ehe der
Graf durch eine grosse Feierlichkeit am 15. October 1786 die Guts-
untergehörigen aus der Leibeigenschaft entliess, hatte er während de«
ganzen Sommers sich bemüht, den Leuten einen Begriff von ihrer

•) Jensen'» Angeln. Flensburg 1844, p. 119—122

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künftigen Freiheit und oekouomischen Lage beizubringen. Gegen ei-

nen Fremden, der bei dem Feste zugegen war, äusserte sieb einer der
Leibeigenen auf Befragen: «er wisse nicht, ob er in Zukunft besser
oder schlechter daran sein werde und frage nach der ganzen Aende-
ruug nichts, verlasse sich jedoch auf die guten Absichten seines wohl-
wollenden Herrn.» Freiheitssinn und Eifer für bessere Kultur wurden
aber bald unter ihnen rege*). Die Bauern wurden zu Erbpächtern ge-
macht und der dritte Theil der Hoflandereien zur Gründung kleinerer
Erbpachtstellen für bisherige Insten und Knechte des Gutes verwen«
det. Der Reinertrag des Gutes stieg sofort um 25 Procent, obgleich
die Bauern so gelinde angesetzt wurden, dass jede Hufe statt der täg-
lichen Hofdienste mit 8 Pferden und 5 Mann und der Extradienste in
der Erndte ein Aequivalent von nur c. 1-20 Rthl. preussisch Courant
an Zinsen für Einlösung der Gebäude und des Inventars, so wie an
jährlichen Erbpachtsabgaben in Geld und Getreide zu übernehmen
hatte.
Dass hiebei der Rein-Ertragder Bauernwirthschaften schon allein

durch Beschränkung der Pferde- und Gesinde- Haltung und durch


Vermehrung des Rindviehstandes in noch stärkerem Verhältnisse stei-

gen musste, braucht hier kaum angedeutet zu werden. Damals aber


äusserten noch manche selbst landwirthschaftskundige Männer die
Furcht, dass sowohl der Gutsherr als die Bauern durch diese neue Ein-
richtung zu Grunde gerichtet werden würden, und dies bewog den Grafen
Holk durch eine ausführliche, mit 7 Beilagen versehene Nachricht
von dem Erfolge der veränderten Einrichtung des Gutes Eckhof»' un-
widerleglich darzuthun, wie sowohl das Interesse des Gutsherrn als
das der Untergehörigen durch die gedachte Reform befördert werden
könne**).
, Dasselbe Resultat ergab sich auf dem Gute Maasleben, wo in
gleicher menschenfreundlichen Weise vom Gutsherrn verfahren wurde
und eben so wie auf Eckhof bei schärferer Verfolgung der gutsherrli-
chen Interessen eine noch höhere Einnahme für die Gutskasse hätte
erlangt werden können, wie aus den Mittheilungen und Berechnungen
des damaligen Landinspectorg Otte in einem Aufsatze: «Ueber die
Niederlegung des Gutes Maasleben und die damit verbundene heilsame
Entbindung der Gutsuntergehörigen von der Leibeigenschaft» her-
vorgeht***).

*) Provinzialber. 1787, I, 30 ff.

**) Provinzialber. 1788, II, 173 ff.

•»*) Provinzialber. 1794, II, 292 ff.

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Wie sehr aber damals noch die Ausicht verbreitet war, dass die
Aulhebung der Leibeigenschaft und Frohndienste ohne gleichzeitige
gänzliche Parzellirung oder wenigstens wesentliche Verkleinerung der
Hoffelder bedenklich sei, ergiebt sich aus der merkwürdigen Bestim-

mung, welche der Besitzer von Seekamp, Graf Schack, in die «Acte
über die Abfindung» der Seekamper leibeigenen Gutsunterthanen d. d.
21. Mai 1789 aufnehmen Hess: dass, wenn dir beabsichtigte Verkauf
der Hofparzellen nicht gelingen sollte, dann die Gutsuntergehörigen
auch frohndienstpflichtig und leibeigen verbleiben sollten. Es ward
nicht nöthig, von diesem Vorbehalte Gebrauch zu machen*).
Die holsteinischen Gutsbesitzer waren in der ganz überwiegenden
Mehrheit — im Gegensatze zu den Gutsbesitzern in Angeln und eini-
gen anderen schleswigschen Gegenden —
eben so wenig zu der Par-
zellirung der Hoffelder als zur Ertheilung von Eigenthums- oder
Erbpachtsrechten an ihre Bauern geneigt, so dass dem vorhin er-
wähnten Beispiele des Grafen Ranzau auf Aschberg nur äusserst We-
nige in Holstein folgten. Unter diesen verdient der Gutsbesitzer
Schalburg auf Nütschau erwähnt zu werden. Derselbe hatte 1777 das
Gut Nütschau (in der Nähe von Oldesloe) gekauft, welches bis dahin
mit den beiden dazu gehörigen Dörfern und deren Diensten für
2900 Rth. holst. Cour. (3480 Rth. pr. Cour.) verpachtet gewesen war.
Von dieser geringen Summe gingen ausser der Contribution von
288 Rth. die Unterhaltungskosten für die Hof- und Dorf-Gebäude und
die häufig erforderlichen Unterstützungen der Leibeigenen mit Saat-
und Brodkorn. Vieh u. s. w. ab, so dass in manchen Jahren die Aus-
gaben durch die Pachteinnahme nicht einmal gedeckt wurden.
Der frühere Eigentümer hatte das Gut schuldenfrei angetreten
und war doch genöthigt, es Schulden halber zu verkaufen; der seithe-
rige Pächter war nach 1 öjähriger Wirtschaft in Concurs gerathen.
Schalburg hob nun 1781 in dem einen und 1785 in dem anderen
Dorfe die Leibeigenschaft auf, übertrug den Hufneru ihre Stellen erb-
lich für eine bestimmte Kaufsumme und gegen einen festgesetzten

*) Die Freila*sungs- oder Abfindungsacte von Seekamp ist abgedruckt in

Niemanns Miscellanen historischen, statistischen und ökonomischen Inhalts Bd. I,


p. 336 ff.; Altona nud Leipzig 1798. Bemerkenswerth ist noch, dass der Gutsherr
von Seekamp zuvor die landesherrliche Genehroig'ing zur Aufhebung der Leib-
eigenschaft einholte, die wohl sonst von keinem Gutshtrrn nachgesucht worden
ist. Sie konnten sich auch hiezu zufolge ihrer Gutsherrlichkcit ohne Weiteres

für befugt halten. Graf Holk auf Eckhof gründete die Freierklärung seiner Leib-
eigenen auf die ihm zustehende «obrigkeitliche Macht und Gewalt».

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38

jährlichen Kanon nebst einigen Hülfsdiensten statt der bisherigen


täglichen Frohnen und gründete auf den entferntesten Hofländer den
bäuerliche Landstellen, die er gleichfalls in Erbpacht gab.
Auf dem, um ein Drittel seines Umfang es verkleinerten, nun bes-
ser bedüngten und leichter zu bearbeitenden Hofe wurde nun mehr
producirt als früher; der Reinertrag desselben stieg auf über 3000 Rthl.
holst. Courant, wozu ein gleicher Betrag von Hebungen aus den Dör-

fern kam; und dies in einer Periode, in welcher ganz Holstein klagte
und auf vielen Gütern die Revenuen der Haupthöfe nicht einmal hin-
reichten, um die leibeigenen Unterthanen zu couserviren. Das Gut hatte
jetzt statt 27 leibeigener Familien 80 freie Familien und war, früher
unbedeutend, jetzt «eins der herrlichsten und in Ansehung seiner Be-
wohner eius der glücklichsten im ganzen Lande», wie der Besitzer
versicherte, der einen ausführlichen Bericht über die Reform ver-
öffentlichte, um andere Gutsbesitzer, «welche noch immer eine grosse
Herrlichkeit in der Leibeigenschaft suchten», zu überzeugen, dass
«dieselbe einem jeden Gute ohne Unterschied sehr zur Last sei, ein
Unglück im Ganzen, sowohl für jeden Besitzer als für die Leibeige-
nen , wodurch Population und Industrie erstickt und der Ackerbau
6ehr oft vernachlässigt werden muss. » Es komme aber — fügte er
hinzu — Alles darauf an, die Sache gehörig anzugreifen*).
Aber auch dieser Vorgang blieb in Holstein vereinzelt dastehen.
Die meisten holsteinischen Gutsbesitzer wünschten die Hofwirthschaf-
ten in dem bisherigen Umfange zu conserviren und sahen damals
keine Möglichkeit ein, ohne Frohndienste fertig zu werden und mit
freier Arbeit durchzukommen, was ihnen denn auch von selber den
Entschluss zur Aufhebung der Leibeigenschaft erschwerte.
Indessen überzeugten sich doch Manche allmälig, dass die Frohn-
wirthschaft im Grunde die unrentabelste und kostspieligste Wirth-
schaft sei und suchten deshalb die Frohnen in eine Geidabgabe zu
verwandeln, so wie ihnen ihre Verhaltnisse die hiezu nothwendige
Umgestaltung der Wirtschaft gestatteten und die dienstpflichtigen
Leibeigenen selber hiezu geneigt waren. Es wurden dann Pachtcon-
tracte mit den Hufnern auf eine Reihe von Jahren (gewöhnlich auf 8,
9 oder 10 Jahre) abgeschlossen und ihnen die Nutzniessung der Hu-
fen gegen eine jährliche Geldprästation überlassen, die in der ersten
Pachtperiode häutig als Dienstgeld, später en-t allgemein als Pacht-
geld bezeichnet wurde; daneben wurden gewisse unentgeltliche Hülfs-

•) Provioiialber. 1787, II, f>7l ff.

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dienste in der Saat- und Erndtezeit, auch Korn- und Holzfuhren u. s. w


ausbedungen, auch wohl den Hufhern die Verpflichtung auferlegt
ausserdem gegen eine bestimmte Vergütung eine weitere Zahl von
Pflugtagen u. s. w. auf Verlangen zu leisten. Aus Besorgniss, die nö-
thigen Arbeitskräfte im freien Verkehr gegen angemessene Löhnung
nicht erlangen zu können, machten einige Gutsbesitzer anfangs noch
weiter gehende, nachher zu erwähnende Vorbehalte.
Manche Gutsbesitzer scheinen die ganze Aenderung damals nur
versuchsweise getroffen und die Fortdauer derselben nach Ablauf der
ersten Pachtperiode von dem Erfolge ihrer nunmehrigen freien Wirth-
schaft und von der Erfahrung, ob die Hufner auch wirklich die
Dienst- oder Pachtgelder aufzubringen im Stande sein würden, ab-
hängig gemacht zu haben; sie hielten es für möglich, zur alten Frohn-
wirthschaft zurückkehren zu müssen (wozu es indessen nirgends ge-
kommen ist) und trugen deshalb Bedenken, die Leibeigenschaft sofort
aufzuheben, die man in Holstein ziemlich allgemein als unzertrenn-
lich von der Fröhuerei sich dachte, obgleich in manchen anderen
deutschen Ländern letztere ohne die erstere bestand.
Wir wollen nur einzelne Beispiele von früher Abschaffung der
Hofdienste mit dem Uebergange zur Verpachtung der Hufen anführen.
Auf dem grossen Gute Rixdorf im östlichen Holstein wurden in
den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Hufen gegen ein Dienst-
geld von 120 — 140 Rthl. preuss. Courant per Hufe verpachtet Bis
dahin hatten die Hufner täglich 18 Gespanne ä 4 Pferde = 72 Pferde
und eben so viele (72) Menschen für Spann- und Handdienste (früher
noch mehr) stellen müssen und die Gutswirthschaft hielt daneben
noch 20 Baupferde und 3 Knechte. Nachher reichte man mit 36
Pferden und 14 Knechten aus, obgleich die Arbeiten durch Holzaus-
rodungen und Meliorationen vermehrt wurden*).
Daraus ergab sich doch wohl auf das Evidenteste die unsinnige,
unproduetive Vergeudung von Zeit und Arbeitskräften, welche das
Frohnwesen verschuldete; und es bedurfte hienach kaum noch einer
kalkulatorischen Nachweisung, dass sowohl die Gutsherren als die
dienstpflichtigen Hufen durch die Beseitigung der Frohnen gewinnen
müssten **).

*) Vergl. Nachrichten von einigen neueren wirtschaftlichen Verbesseran-

gen auf dem holsteinischen Gute Rixdorf in den Provinzialber. 1798, 1, 98 ff.
**) In « inera Aufsätze: üeber die Aufhebung der Dienstpflichtigkeit und

Leibeigenschaft in den Provinzialber. 1795 T I. 269 ff. wird versichert: es sei da-
mals bereits durch die Erfahrung bestätigt, dass das Dienstgeld, welches zur Be-

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Wie auf Rixdorf, so wurde die Aenderung getroffen u. A. auf


folgenden, mit Einer Ausnahme sämmtlich im östlichen Holstein gele-
genen Gütern:
1788 auf Putlos,
1792 auf Testorf,
1793 auf Water-Neversdorf,
1794 auf Ludwigsburg (in Schwansen, Herzogthum Schleswig),
1795 auf Depenau, desgleichen auf Tralau und auf Hohenfelde,
und zwar unter ausdrücklicher oder stillschweigender Beibehaltung
der Leibeigenschaft. Auf Testorf musste jeder Hufner ausser der Er-
legung des Pachtgeldes und der Leistung gewisser Hülfsdienste sich
verpflichten, täglich einen tüchtigen Knecht und einen erwachsenen
Jungen (ohne Gespann und Geschirr) zu Hofe zu schicken, denen der
Gutsherr einen von ihm bestimmten Lohn zahlte, während der Huf-
ner für Kost und Obdach derselben sorgen musste; im Falle der
Gutsherr jedoch auf diese Leistung verzichten wolle, sollte dafür das

Pachtgeld erhöht werden. Ferner blieb dem Gutsherrn das Recht re-
servat, alle für die Hofwirthschaft nöthigen Leute aus dem Gute aus-
zuwählen, bevor die Hufner sie in Dienst nehmen durften, ja sogar
von den Hufen Leute wegzunehmen, wenn Stockungen auf dem Hofe
durch plötzliche Todesfalle entstehen sollten. Auf Tralau wurde be-
dungen, dass, wenn der Hufner mehr Söhne und Töchter habe, als für

streitung derMehrkosten der Hofwirthschaft nöthig sei, auch recht gut von den
Fröhncrn die nun weniger Leute zu hallen brauchten uud statt der vielen Pferde
,

mehr Kühe anschaffen konnten, aufgebracht werden könne.


ünter der Ucberschrift: «Vorschläge zur Befreiung der Bauern vom Hof-
dienstc» enthalten die Provinzialber. von 1796, II, 812 ff. eine Berechnung dar-
über, was die Dienste die Bauern kosteten und dagegen den Gutsherrn werth
waren, was nachher die freie Bestellung der Hofwirthschaften kosten werde und
wie hoch demnach das Dienstgeld zur Deckung festgesetzt werden müsse. Nach
den späteren Erfahrungen darf man behaupten, dass die Aenderung beiden Par-
teien so beilsam war, dass die Hofwirthschaften auch noch bei einem niedrigeren,
die Bauernwirthschaften auch noch bei einem höheren, als dem damals gewöhn-
lich festgestellten Dienst- oder Pachtgelde hätten bestehen können.
Eben weil die damaligen Berechnungen durch die ganze Entwicklung des
landwirtschaftlichen Betriebes alsbald überflügelt wurden, brauchen wir hier
hinterher auf dieselben nicht näher einzugehen. Ohnehin sind die uns gedruckt
oder in Gutsarchiven zu Gesicht gekommenen Calcüls dieser Art nicht so aufge-
stellt, dass sie alle in Betracht kommenden wirtschaftlichen Factoren vollstän-

dig und richtig würdigen. Diese Calcüls aber zu rectificiren, ist uns jetzt nach
Verlauf von 60 Jahren und darüber aus Mangel an den erforderlichen Unterlagen
nicht mehr möglich.

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dem Hofe
seine eigene Wirthschaft nöthig seien, diese auf Verlangen
gegen den üblichen Lohn zu überlassen seien und dass dieselben nur
mit herrschaftlicher Erlaubnis** anderweitig sich vermiethen dürften.
Aehnlich wurde auf Hohenfelde bestimmt, dass die Hufner mit
gutsherrlicher Erlaubniss einen Knecht und ein Mädchen mietheu
oder von ihren Kindern im Dienste zurückbehalten könnten; wenn sie
aber mehr dienstfähige Kinder hätten, diese nach wie vor zur Verfü-
gung der Dienstherrschaft stellen müssten.
Wie wenig manche Gutsbesitzer noch gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts an die baldige Aufhebung der Leibeigenschaft auf ihren Gü-
tern dachten, davon zeugeu die Pachtcontracte der Hufner des l'/4
Meile westlich von Kiel gelegenen Gutes Quarnbeck von 1797, in
welchen die Gutsherrschaft, obgleich sie auf die in den Herzogthü-
mern ungewöhnlich lange Zeit von 30 Jahren die Hufen verpachtete*),
doch die Absicht aussprach, für diese ganze Periode die Leibeigen-
schaft beizubehalten.
Andere Gutsbesitzer dagegen trugen kein Bedenken, sogleich mit
der Einführung der Hufen-Pachtwirthschaft auch die Leibeigenschaft
aufzuheben, wieu. A. der Graf Luckner auf Blumendorf bei Oldesloe

im Jahre 1795. Dieser eröffnete seinen Hufnern bei der Verpachtung


der Hufen auf 15 Jahre zugleich die Aussicht, später Erbpächter zu
werden, wenn sie sich als gute Wirthe bewährt haben würden.

Doch wir sind nunmehr schon der Zeit nahe ßetreten, in welcher
die allgemeine Aufhebung der Leibeigenschaft in den Herzogtü-
mern zur Bcrathung und Beschlussfassung der Gesammtheit der be-
theiligten Gutsbesitzer gestellt wurde.
Uebef die Einleitung, den Fortgang und das endliche Ergebniss
der hierüber geführten Verhandlungen wollen wir ausführlich berich-
ten, weil zur Erreichung dieses Zieles ein eigentümlicher Weg in
den Herzogtümern eingeschlagen worden ist und es auch jetzt noch
nach Ablauf von 60 Jahren nicht uninteressant sein wird, einen
Rückblick auf den Kampf zu werfen, welcher damals gegen das
furchtsame Festhalten an dem Bestehenden geführt werden musste.
Vorgearbeitet war schon durch die einheimische Presse, welche
in den letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts, als die philan-
thropischen und politischen Ansichten über allgemeines Wohlergehen,
unveräusserliche Menschenrechte und bürgerliche Freiheit immer
mehr sich Bahn brachen, mit steigender Lebhaftigkeit und Eindring-

*) Spater sind dort dieflufen wieder auf kürzere Perioden verpachtet worden.

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lichkeit von den Gutsbesitzern die Befreiung der Leibeigenen gefor-


dert hatte *).

Noch grösseren Eindruck wird auf die Masse der Gutsbesitzer


der von einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Gütern damals bereits
vorliegende Nachweis gemacht haben, dass die Aufhebung der Leib-
eigenschaft und Frohndienste nicht bloss den Gutsuntergehörige»,
sondern auch den Gutsherren selber zu grossem Vortheil gereiche.
Endlich konnten die schleswig-holsteinischen Gutsbesitzer auch
nicht unbeachtet lassen, dass im Königreiche Dänemark die Leibei-
genschaft nach einem Gesetze vom 20. Juni 1788 nur noch bis zum
1. Januar 1800 fortdauern werde.
Der edle Prinz-Regent, spätere König Friederich VI wünschte
sehnlichst auch in den Herzogtümern die baldigste Aufhebung der
Leibeigenschaft zur Ausführung zu bringen, trug aber mit Rücksicht
auf die staatsrechtliche Stellung der dortigen adeligen Güter, die in
ihren landesherrlich bestätigten sogenannten Privilegien noch einen
Rest der alten Landstandschaft sich bewahrt hatten, Bedenken, hier
in gleicher Weise legislatorisch einzugreifen, als in dem absolut mo-
narchischen Dänemark. Kr hielt es für das Beste, dass die Gutsbesitzer
insgesammt freiwillig das thäten, was er äusserstenfalls über kurz
oder lang hätte befehlen müssen und doch ungern befehlen wollte.
An der Spitze der Regierung stand damals der treffliche Staats-
minister Graf Andreas Peter von Bernstorf. Dieser benutzte seine
Reisen nach Holstein und seinen Aufenthalt auf dortigen Gütern beim
Besuche von Standesgenossen, um die Sache in Anregung zu bringen.
Er besass im hohen Grade die Gabe der persönlichen Ueberredung;
dazu kam das Gewicht seiner Stellung. Er betrieb übrigens nur die
allgemeine Ertheilung der persönlichen Freiheit an die Gutsunterge-
hörigen, weil er voraussah, dass die Frage wegen allgemeiner Erthei-
lung von Eigenthumsrechten an den bäuerlichen Ländereien, wenn
damals aufgeworfen, jeden Versuch zu einer gütlichen Vereinbarung
abgeschnitten haben würde; auch hoffte er (worin er sich allerdings
getäuscht hat), dass wenn der Bauer nur erst seine persönliche Frei-
heit wieder erlangt habe, die Erlangung von eigentümlichem Grund-
besitz von selber folgen werde **).

*) Manchem Gutsbesitzer selber war der Ausdruck «Leibeigenschaft» damals


schon anstössig geworden; sie wollten das ganze Verhältnis» lieber als blosse
Gutsunterthäiiigkeit bezeichnet wissen.
•*) v Eggers Denkwürdigkeiten aus dem Leben des danischen Staatsmini-
sters Apdreas Peter Grafen von Bernstorf, Kopenhagen 1800, p. 200 ff.

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So kam es schon 1794 zu Besprechungen unter einer Anzahl von


Mitgliedern der Ritterschaft
Eine förmliche vorläufige Beratschlagung aber fand zuerst im
Corps der Non recepti (s. die Einleitung) zu Kiel am 6. Januar 1795
Statt. Dieses sandte der Ritterschuft einen Protokoll -Extract zu, wel-
che nun ihrerseits im Johannis 1795 gleichfalls principiell für die
Aufhebung der Leibeigenschaft sich aussprach, ohne jedoch einen
Zeitpunkt dafür festsetzen zu wollen, weil den Leibeigenen die per-
sönliche Freiheit allein nichts nütze, die Regulirung der bäuerlichen
Verhältnisse aber auf den einzelnen Gütern nach den lokalen Um-
ständen mehr oder weniger Zeit erfordere.
Bernstorf trat nun mit mehreren Mitgliedern der Ritterschaft in
eifrige Correspondenz, um eine kürzere Erledigung zu bewirken, und
die Ritterschaft ernannte auch in einer Sitzung vom 8. Januar 1796
zur Bearbeitung der Anlegenheit eine Commission von 10 Mitgliedern
aus ihrer Mitte, welcher sodann 4 Bevollmächtigte aus dem Corps der
Non recepti beitraten.
Diese gemeinschaftliche Commission von 14 Mitgliedern beschloss
in ihrer ersten Sitzung vom 18. Februar 1796, zuvörderst ein schrift-
liches Referat über die Gründe, welche für und welche gegen die
Aufhebung der Leibeigenschaft sprächen, durch je zwei Mitglieder
zu lassen.
sich erstatten
Das Referat für die Aufhebung übernahmen Graf Ranzau auf
Aschberg und Lic. Bockelmann auf Perdoel. Erstcrer überreichte eine

Darstellung der Leibeigenschaft und einen Vorschlag zur Aufhebung

Derselbe, (in dänischer Sprache) Ober die Vorbereitung zur Aufhebung der
Leibeigenschaft auf den adeligen Gütern in Schleswig und Holstein, unter Mit-
wirkung des Staatsministnrs Grafeu Bernstorff; in den Schriften der skandinavi-
schen Literatorgeseilschaft, Kopenhagen 1805, Bd. I.
v. Fggers war Mitglied der deutschen Kanzlei (der damaligen höchsten

Landesbehörde für die Herzogthümer in Kopenhagen} und eifrig beraubt, auch


durch die Presse zur Aufhebung der Leibeigenschaft in den Herzogtümern mit-
zuwirken. Zuerst erschien aus seiner Feder: aSchreiben eines holsteinischen
Edelmannes an seinen Bruder über die Aufhebung der Leibeigenschaft in Hol-
stein,» Altona 1795. Darauf ein Aufsatz: «Bedarf es weit aussehender Vorberei-
tungen, um dein holsteinischen leibeigenen Bauer die Freiheit wiederzugeben?»
im deutschen Magazin 1796, I. 213 ff. —
Zuletzt gab er noch über die schliess-
liche Regulirung der ganzen Angelegenheit, welche Grai Bernstorf nicht mehr
erlebte, einige Auskunft in einem (dänisch geschriebenen) Aufsatze: «lieber die
Veranstaltungen zur Aufhebung der Leibeigenschaft in den Herzogthümern nach
Graf Bernstorf s Tod»; mitgetheilt im Jahrgang 1806, Bd. II, p. 147 ff. der eben
genannten Zeitschrift.

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der Leibeigenschaft *). Iu dem ersten Aufsatze erklärte Graf Ranzau


die Leibeigenschaft für ein durch Unrecht und Gewalt entstandenes,
lediglich im Rechte des Stärkeren begründetes Verhältniss, für einen
eingewurzelten verjährten' Missbrauch, welchem die Landesgesetze
nur durch allmählige Bestätigung des Besitzstandes eine widernatür-
liche Sanction ertheilt hätten, dessen Fortdauer aber eine Nullität
sei; der Zustand sei allgemein in moralischer wie in politischer
Rücksicht nachtheilig und speciell nachtheilig für die Leibeigenen wie
für die Gutsherren selber; alle Gesetze seien unzulänglich, die Leib-
eigenen gegen Missbrauch der gutsherrlichen Gewalt zu schützen; für
den Gutsherrn aber sei Zwangsarbeit die allertheuerste u. s. w. In
dem zweiten Aufsatze zeigte er, dass die Aufhebung der Leibeigen-
schaft keine Schmälerung des nutzbaren Eigenthums der Gutsherren
bewirke, vielmehr diesen wie den Leibeigenen vortheilhaft sein werde.
Nach Entlassung der Leibeigenen gebe es drei verschiedene Metho-
den für die Nutzung der Güter:
1) Beibehaltung der Frohnen, die dann durch freiwillige Verträge
zu ordnen seien. Wo Lokalurastäude hiezu riethen, werde diese schein-
bar unbedeutende Veränderung doch von wesentlichem Nutzen sein,
weil nun die Hufner ihr Gesinde frei wählen könnten und, wenn sie
auch etwas höheren Lohn geben müssten, dafür auch fleissigere und
mehr von ihnen abhängige Leute erhalten würden; ferner weil der
Hufner bei seinem Antritte das Inventar zutaxirt erhalte und nun
selber für dessen Erhaltung sorgen müsse und nur in den contraetlich
bestimmten Fällen Remissionsansprüche habe, womit die dem Guts-
herrn so lästige «Conservation» der Bauern in ihrem bisherigen Um-
fange wegfalle; endlich weil der Contract die Frohnen genauer be-
stimme, als die bisherige Observanz.
Verwandlung der Frohnen in Dienstgeld mit Rücksicht auf
2)
die bekannten Vorzüge freier Arbeit vor Frohnarbeit; die Erfahrung
lehre, dass das von den Bauern bezahlte Dienstgeld mehr als hinrei-
chend sei, um die Hoffelder mit eigenen Leuten und Pferden zu be-
stellen.

3) Ueberlassung der Stellen an die Bauern zum Eigenthum,

*) Beide sind abgedruckt in den von ihm herausgegebenen Aktenstocken


Eur Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft in den Herzogtümern Schles-
wig und Holstein. Hamburg 1798, p. — 30
und p. 31
22 —
50. Diese Aktenstücke
reichen übrigens nicht aus, um den ganzen Hergang vollständig zu übersehen.
Manche« ist aus v. Eggers Schriften zu ergänzen. Tm Folgenden siud auch hand-
schriftliche Mittheilungen benutzt worden.

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welche R. als die vollkommenste Einrichtung unter Widerlegung der


gewöhnlichen Einwürfe darstellt
Der Gutsbesitzer Lic. Bockelmann berief sich in seinem Pro Me-
moria hauptsächlich auf die schon auf vielen Gütern gemachte Erfah-
rung, dass die Höfe bei freier Arbeitskraft mit der Hälfte der Leute
und höchstens dem dritten Theil der Pferde eben so weit reichten und
dabei besser bewirthschaftet würden, als mit den Hand- und Spann-
diensten und dass die Gutsherren jetzt oft eine grosse Last zu tragen
hätten und in manchen Jahren viel Getreide zukaufen müssten, um
die Hufner nur dienstfähig zu erhalten. Andererseits würden die Hu-
fen mindestens auf den doppelten Ertrag gebracht werden, wenn sie
später statt der jetzigen grossen Zahl von Pferden (bis zu 14 Stück)
nur 4—5 zu halten brauchten, dagegen die Zahl der Kühe von 7—8
auf 18—20 vermehren könnten.
Indessen seien Vorbereitungen zu treffen, die auf dem einen Gute
schwerer fielen, als auf dem anderen u. s. w.
Die Bedenklichkeiten der Maassregel in der Commission geltend
zu machen hatten die Gutsbesitzer J. von Quaalen und C. F. v. Brock-
dorf übernommen, zu welchem Zwecke sie in einem gemeinschaftlichen
Pro Memoria Folgendes ausführten:
Die Leibeigenschaft in den Herzogthümern sei sehr gelinde; die
Leibeigenen würden im eigenen Interesse der Gutsherren jetzt mei-
stens gut behandelt; die Beschränkung der natürlichen Freiheit sei
auch wieder mit Vortheilen für die Leibeigenen verbunden. Für die
Gutsherren bestehe der Vortheil der Leibeigenschaft lediglich darin,
dass sie nicht zu besorgen brauchten, die Aecker aus Mangel an Ar-
beitern oder wegen unverhältnissmässig hoher Lohn-Forderungen un-
bestellt liegen zu lassen*).
Wölle man die Gutsbesitzer jetzt zu der sehr lästigen und weit-
läufigen Operation zwingen, so müssten sie Entschädigung haben. In-
dessen sei eine Aenderung rathsam, wenn sie nur nicht zu eilfertig

*) Damals waren die Löhnungen in den freien Districten nicht bloss schon
erheblich höher, als in den gutsherrlicben, sondern in weiterer Steigerung be
griffen, woraus diese Angst mancher Gutsbesitzer sich erklärt, in der Nachfrage
nach Arbeitern der freien Concurrenz ausgesetzt zu werden. Indessen war in der
damaligen Zeit der Culturerweiterungen und landwirtschaftlichen Meliorationen
bei hohen Productenpreisen die stärkere Verwendung von Arbeitskräften gegen
zwar höhere, aber keineswegs zu hohe Löhnungen für die Arbeitgeber immer
noch sehr rentabel; auch nahm die Bevölkerung rasch zu und damit das Ausgebot
ton Arbeit.

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geschehe. Werde aber die allgemeine und sofortige Aufhebung der


Leibeigenschaft beabsichtigt, so sei Folgendes zu erinnern:
1) Der Beschluss der Versammlung könne keinen einzelnen
Gutsbesitzer verpflichten.
2) Manche Gutsbesitzer seien ausser Landes; manche Güter seien
verpachtet und die Gutsherren dann übertriebenen Entschädigungs-
ansprüchen der Pächter ausgesetzt; bei Fideicommissgütern sei die
Operation, weil eine Umschaffung der Substanz des Gutes in sich
schliessend, nicht vom Inhaber des Fideicommisses allein abhängig.
Manche Gutsbesitzer hätten nicht das Vermögen, einen mindestens
zehnjährigen Verlust an ihren Revenüen zu erleiden, auch nicht den
Credit, um das nöthige Capital aufzubringen. Es würden u. A. wegen
der Dienste Verlegenheiten entstehen. Freilich schliesse die Aufhe-
bung der Leibeigenschaft nicht nothwendig die Aufhebung der Dien-
ste in sich, da ja manche Güter Dienste ohne Leibeigenschaft hätten.
Allein wenn man über den geringen Nutzen der Hofdienste von Leib-
eigenen Beschwerde führe (worin übrigens ein Beweis liege, dass sie
nicht als Sklaven behandelt würden), so sei sicherlich der Hofdienst
von Freien noch weniger werth. Solle der Gutsherr selber Leute und
Pferde halten, so werde seine Haushaltung ausnehmend gross; die er-
zeugten Producte würden grösstenteils selber verzehrt werden; oft
werde der Gutsherr einen Mangel an Arbeitern fühlen oder sei ge
zwungen, zeitweise müssige Hände zu ernähren. Was denn geschehen
solle, wenn die Untergehörigen einiger Güter die Wohlthat nicht an-

nehmen wollten oder nur etwa die jungen Knechte und Mägde? *)
Auch durch die Freilassung Aller würde der Gutsherr noch nicht von
der Verbindlichkeit befreiet, sie im Verarmungsfalle zu ernähren. Und

*) Es war damals wirklich nicht selten der Fall, dass wenigstens ältere
Leibeigene lieber in dem bisherigen Zustande verharren, als eine ungewisse Zu-
kunft antreten wollten. Daher hatte selbst Graf Banzau ursprünglich den Vor-
schlag gemacht, dass allen Leibeigenen, die ein gewisses Alter schon erreicht,
die Wahl gelassen werden sollte, ob sie Leibeigene bleiben oder Freie werden
wollten. TTeberhaupt scheint bis gegenKnde des vorigen Jahrhunderts der Wunsch
nach Freiheit keineswegs sehr allgemein unter den Leibeigenen in den Herzog-
thttmeru verbreitet gewesen zu sein. Auf manchen Gütern waren sie in einer ganz
erträglichen Lage und wurden in jener Zeit schon so human behandelt, dass hier
selbst Freie in die Leibeigenschaft sich begaben und die Unfreiheit kaum em-
pfunden wurde. Auf den meisten Gütern aber waren sie durch Druck und N'oth
zu stumpf und lethargisch geworden, nm das Bedürfnis« persönlicher Freiheit zu
empönden. Die ganze Bewegung ging von den gebildeten Standen und von edle*
ren und weitersehenden Gutsbesitzern selber aas.

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wie es mit der Stellung von Soldaten zum Landausschusse werden


solle,wenn alle junge Mannschaft davon ginge?
Der Gutsherr möge nun seinen Wirthschaftsbetrieb für den Hof
in dessen bisherigem Umfang einrichten oder den Hof durch Able-
gung von Vorwerken verkleinern oder ihn gänzlich parzelliren, im-
mer brauche er viel Geld; aus Mangel an Arbeitskräften und wo der
Boden von schlechter Beschaffenheit sei, werde er Felder unbebauet
liegen lassen oder der Holzkultur widmen müssen, wobei er beträcht-
lich verlieren würde. So sehr Beide die Aufhebung der Leibeigen-
schaft wünschten, seien sie doch der Meinung, dass diese Angelegen-
heit nicht füglich von der Gesammtheit der Gutsbesitzer betrieben
werden könne, sondern von Jedem für sich vorgenommen werden
müsse. Die Verhältnisse seien auf den einzelnen Gütern zu verschie-
den, um überall dieselbe Methode und dieselben Grundsätze befolgen
zu können; Einige hätten mehr Vorbereitungen nöthig, als Andere.
Da nun in Schleswig schon seit vielen Jahren Beispiele der Aufhe-
bung gegeben worden und in Holstein neuerdings dies gleichfalls ge-
schehen sei und jetzt viele Gutsbesitzer in beiden Herzogthümern
mit der Aufhebung umgingen, so werde die Sache in wenigen Jahren
ohne alles Aufsehen, ohne Kosten und ohne zu starke Erschütterung
der bestehenden Verfassung von selber sich machen. Die Aufhebung
sei am besten zu fördern durch die Befreiung der Gutsbesitzer von
der Stellung zum Landausschusse und durch eine Erklärung der
Landesregierung, dass durch die Aufhebung der Leibeigenschaft die
Immunitäten und Privilegien der Güter nicht geschmälert werden
sollten.

Man sieht hieraus, dass im Grunde eine Differenz der Ansichten


über die Aufhebung der Leibeigenschaft selber nicht bestand, sondern
nur darüber, ob die Maassregel eine gemeinsame und bindende sein
oder dem Ermessen eines jeden Gutsbesitzers überlassen bleiben solle.
Die Commis8ion erklärte sich in vom 3. Juli für
ihrer Sitzung
die erste Alternative und vom 11. Octo-
einigte sich in ihrer Sitzung
ber über eine Reihe von Fragen, welche durch ein Circulair vom
14. November an sämmtliche betheiligte Gutsbesitzer gerichtet wurden.
Diese Fragen waren folgende:
1) Treten die Gutsbesitzer der Ansicht der Commission bei und
sind gewilligt,die Leibeigenschaft ihrer Gutsuntergehörigen aufzuheben?
2) Halten sie es, was die Zeitbestimmung betrifft, für passender:
a) alle Gutsuntergehörigen, die jetzt 36 Jahre und darüber alt
sind und die jüngeren, sobald sie dieses Alter erreicht ha-

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ben, ferner alle verheiratheten Frauen und die Mädchen,


sobald sie Gelegenheit finden, binnen Landes sich zu ver-
heirathen, endlich alle Kinder unter 7 Jahren sofort frei zu
lassen, sämmtliche Gutsuntergehörige aber spätestens nach
12 Jahren? oder
b) auf allen Gütern spätestens binnen 8 Jahren die Leibeigen-
schaft aufzuheben? oder endlich
c) alle unconfirmirten Kinder sogleich frei zu lassen und die
Leibeigenschaft spätestens binnen 8 Jahren ganz aufzuheben?
3) Ob nicht der hierüber per majora zu Stande gebrachte Be-
schluss dem Könige schriftlich vorzulegen und in dieser Vorstellung
zugleich um gewisse, bei Aufhebung der Leibeigenschaft zur Sicher-
Stellung der Gutsbesitzer zu treffende Maassregeln (die wir hier vor-
läufig tibergehen können) zu bitten sei?
Die Commission erbat sich die Antwort bis Ausgang 1796, spä-
testens biszum Kieler Umschlag (im Januar) 1797 und fügte die Be-
merkung hinzu, dass sie die Nichteinsendung einer bestimmten Er-
klärung als eine Zustimmung zu Dem, was durch die eingesandten
Erklärungen als Ansicht der Majorität sich herausstellen werde, an-
sehen würde.
Mit Hülfe dieser Clausel kam der Beschluss über die Aufhebung
der Leibeigenschaft und zwar während der nächsten 8 Jahre (s. Frage
2. b) und über eine desfällige Vorstellung an den König so gut wie
einstimmig zu Stande. Nur ein einziger Gutsbesitzer Conferenzrath v.
Cossel auf Jersbeck opponirte durch einen eingesandten Protest gegen
jeden über die Aufhebung der Leibeigenschaft zu fassenden Beschluss
und auch dieser nur weil er die Angelegenheit als lediglich zur
}

Competenz jedes einzelnen Gutsbesitzers gehörig ansah, mithin Nie-


mand durch einen Majoritätsbeschluss gebunden werden könne*).
Uebrigens hatte sich auch die Mehrheit der eingesandten schrift-

lichen Erklärungen gegen die Entscheidung durch eine Mehrheit er-


klärt. Da aber desungeachtet die Mehrheit zugleich für die Aufhe-
bung der Leibeigenschaft und zwar binnen 8 Jahren sich ausgespro-
chen hatte, so hielt die Commission sich an dieses letztere Factum
und war überhaupt der Ansicht, dass ihr Auftrag auf die Erledigung
einer von vorne herein als gemeinsam betrachteten Angelegenheit

) Wegen dieseB Protestes öffentlich angegriffen, richtete er zu seiner Ver-


theidigung eine Eingabe an den König, in welcber er berichtete, dass er selber
schon früher auf seinen Gütern die Leibeigenschaft und Frohudicn<*te aufgehoben
und die Erbpacht eingeführt habe. S. Provinzialber. 1798, II, 145 ff.

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laute, in welcher nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und seitheriger
Procedur die Majorität den Ausschlag gebe.
Auf die sonstigen im Circulair enthaltenen speciellcn Fragen,
welche insbesondere auch auf die Soldaten -Stellung der Güter sich
bezogen, wareu sehr abweichende Erklärungen eingelaufen; manche
Gutsherren hatten diese Fragen ganz mit Stillschweigen übergangen,
andere allerlei neue Vorschläge gemacht, welche die Commission in-
dessen schon vorher erwogen und als unpassend verworfen hatte.
Die Commission erliess nun, nachdem Graf Ranzau in der Sit-
zung vom 7. März 1797 Bericht erstattet hatte, unterm 11. März eine
Vorstellung an den König, in welcher sie Demselben anzeigte, dass
der von der Ritterschaft und den übrigen Gutsbesitzern ihr gewordene
Auftrag zur Einleitung einer allgemeinen Aufhebung der Leibeigen-

schaft auf den adeligen Gütern beider Herzogthümer mit dem er-
wünschten Erfolge beendigt Wenn
heisst es im Ein-
sei. es früher —
gange dieser Vorstellung —
zuweilen nöthig gewesen sei, die Auf-
rechthaltung der Gerechtsame der adeligen Güter vom Monarchen zu
erflehen, so sei es jetzt um so erfreulicher, dem Throne sich zu nä-
hern, um ein Opfer darzubringen, welches, von dem Gefühle für Men-
schenwohl und Menschenglück eingegeben, nicht eine durch Umstände
erzwungene Nothwendigkeit sei; die allgemeine Stimme, besonders
habe zu diesem Schritte die erste Veran-
die der Gutsbesitzer selber,
lassung gegeben; der Wunsch,dem allergnädigsten Landesherrn einen
ungeheuchelten Beweis wahrer Ergebenheit und Vaterlandsliebe dar-
zubringen, ihn vollends zur Reife gebracht. Mit Ausnahme eines Ein-
zigen hätten sämmtliche Gutsbesitzer für die Aufhebung der Leibei-
genschaft sich erklärt; die meisten seien entschlossen, dies Geschäft
binnen 8 Jahren zu vollenden, einige andere aber durch besondere
Verhältnisse genöthigt, einen längeren Zeitraum sich vorzubehalten.
Zugleich wurden die von mehreren Seiten geäusserten Wünsche, wel-
che 1) die Autorisation der Fideicommissbesitzer, Testaments-Execu-
toren und Vormünder unmündiger Gutsbesitzer zu der beabsichtigten
Maassregel, 2) die Erleichterung der Stellung der Landausschussleute
besonders für die an der Grenze gelegenen Güter und 3) den Erlass
einer Gesindeordnung betrafen, der allerhöchsten Berücksichtigung
empfohlen, endlich auch die Hoffnung ausgesprochen, dass die Aufhe-
bung der Leibeigenschaft die Rechte der Güter nicht beeinträchtigen
werde.
Nachdem zuvörderst die beiden Obergerichte für Schleswig und
Holstein in ihren von der deutschen Ganzlei erforderten Gutachten
Hanf §r n , AoflieU. d. Lcitwi«. 4

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die Rechtsgültigkeit des gefassten Beschlusses und des dabei beob-


achteten Verfahrens anerkannt hatten , erfolgte eine Königliche Re-
solution vom 23. Juni, eröffnet durch ein Rescript der deutschen
Canzlei vom 30. Juni 1797, welche das allerhöchste Wohlgefallen
über den Beschluss der Gutsbesitzer aussprach. Der König wünsche
die baldige Erreichung des Zweckes mit der wärmsten landesväterli-
chen Empfindung und werde Jeden, der dazu beitrage, desto höher
schätzen; die Fideicommissbesitzer könnten die landesherrliche Auto-
risation gewärtigen; der Antrag wegen Erleichterung der Landaus-
8chuss-Stellung von den an der Grenze belegenen adeligen Gütern
solle tbuulichst berücksichtigt werden und die fortwährende Deputation
der Ritterschaft über eine künftige bessere Einrichtung der Truppen-
Stellung zur gleichmäßigeren und minder beschwerlichen Vertheilung
der Last eiu Gutachten erstatten; wegen Erlass einer neuen Gesinde-
Ordnung werde das Nöthige eingeleitet und verfügt werden.
Inzwischen trat nun erst eine unbehagliche Uebergangsperiode
ein. Kaum war ein Jahr verstrichen, als schon Klagen laut wurden,
dass die Leibeigenen eigenmächtig höhere Löhnungen begehrten,
nicht gehorchen wollten und davon gingen, wenn diese nicht bewilligt
wurden. Besonders entfernte sich das weibliche Gesinde nach den
Städten und es fehlte an Arbeitskräften, wenn man nicht zu höheren
Löhnungen sich bequemte. Die Leibeigenen wurden am meisten in
solchen Gütern aufsätzig, in deren Umgebung die Leibeigenschaft be-
reits aufgehoben war.

Die fortwährende Deputation der Ritterschaft sah als Organ der


gesammten Gutsbesitzer sogar sich veranlasst, bei der deutschen
Canzlei zum Schutze der Gutsbesitzer gegen die Störrigkeit und das
Entweichen der Leibeigenen eine Bekanntmachung zu beantragen,
dass das alte Herkommen für die Leibeigenen auf jedem Gute noch
gelte, was die Canzlei aber mit dem Bemerken ablehnte, dass dies
nicht nöthig sei, da alle seitherigen Vorschriften selbstverständlich
noch in Kraft wären ; die Gutsbesitzer müssten diese Vorschriften mit
Schonung anwenden; die beantragte Verfügung könne leicht Missver-
ständnisse erwecken.

Der Zeitpunkt der Aufhebung näherte sich und doch dachten


manche Gutsbesitzer gar nicht daran, die nöthigen Vorbereitungen zu
treffen, namentlich durch Bau von Tagelöhner-Wohnungen die nöthige
Arbeitskraft für die Zukunft sich zu sichern. Auf mehreren Gütern
waren zwar die unbestimmten Frohnen abgeschafft, die an deren

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Stelle tretenden Arbeiten und Verpflichtungen aber nicht genau be-


stimmt worden.
Manche schieuen e9 zu bereuen, zu Gunsten der Aufhebung ihre
Stimme abgegeben zu haben.
Es wurde laut von Gutsherren bestritten, dass der durch Stim-
menmehrheit und durch die Clausel, dass die Stillschweigenden als
Bejahende zu betrachten, zu Stande gebrachte Beschluss für Jeden
verbindende Kraft haben solle. Es wurde sogar in Zweifel gestellt, ob
die Leibeigenschaft wirklich binnen 8 Jahren aufgehoben werden
müsse, da in der Eingabe an den König nur als eine Mittheilung
stand, dass die Meisten entschlossen seien, das Geschäft binnen 8
Jahren zu vollenden und da die Königliche Antwort auch nur im All-
gemeinen die Anerkennung über den Beschluss, die Leibeigenschaft
aufzuheben, ausgesprochen hatte. Viele glaubten deshalb, den gleich-
falls von der Commission in Vorschlag gebrachten 12jährigen Zeit-
raum zur Verfügung zu haben.
Die Regierung verhielt sich nach 1797 Jahre lang ganz passiv
zu der Verwirklichung der Maassregel, was offenbar nachtheilig ein-
wirken musste. Sie veröffentlichte nicht einmal den Beschluss der
Gutsbesitzer und ihre eigene auf denselben gegebene Resolution; nur
ganz gelegentlich wurde nach Ablauf von 3 Jahren im § 31 der
Landmilitairordnung vom 1. August 1800 erwähnt, dass von 1805 an
keine Leibeigenschaft mehr existiren werde. Diese Verordnung hatte
übrigens das Gute, dass sie die zaudernden Gutsbesitzer wenigstens
von Einem Bedenken gegeu die Aufhebung der Leibeigenschaft be-
freiete. Bisher mussten die Gutsbesitzer die Militair-Mannschaft nach

dem Contributionsfusse der Güter stellen (auf je 4 Stcuerpflüge einen


Mann) und für die Zahl der Leute haften, was ihnen bei starken Ent-
weichungen von Leibeigenen schwierig genug werden konnte. Sie
nahmen die Rekruten aus den Knechten und zwar zuerst die Söhne
von Hufnern und wenn diese nicht reichten, die Söhne von Insten *).
Herkömmlich liessen sie dabei das Loos entscheiden, obgleich die

Die Hufner-Söhne vermuthlich deshalb zuerst, weil es deren Kitern


*)

leichter wurde, ihnenwährend der Dienstzeit einigen Zuschnss an Meld oder


Lebensmitteln zu dem niedrigen Solde zu gehen. Dieser Grund, einen Unter-
schied zu machen, fiel indessen für diejenigen Güter weg, wo die Gutsherren eine

besondere « Lagekasse » errichtet hatten, zu welcher die sainratlichen Hufuer und


Käthner eines Gutes contribuiren mussten, um den Sold der Landausschusslcute
zu ergänzen; hiezu leisteten auch manche Gutsherren einen Beitrag aus eigenen
Mitteln.
*

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Auswahl der zum Militärdienst geeigneten Leute in ihrer Willkühr


lag. Nur war es den Gutsbesitzern durch Königliches Rescript vom
30. September 1791 untersagt worden, einen ihrer Untergehörigen
«aus eigener Macht» zur Strafe oder Besserung in den Militärdienst
zu geben, bei Verlust ihrer Rechte an der Persou desselben. Während
der Dienstzeit der Landausschussleute entbehrte der Gutsherr die
Hoftage derselben, die also nicht von den übrigen Dienstpflichtigen
übernommen zu werden brauchten. Die Bauern mussten für die Be-
förderung von und nach den Gamisonsorten und Exercierplätzen sorgen.
Durch die Landmilitairordnung vom 1. August 1800 wurde nun
der Militairdienst für eine persönliche Pflicht des Bauernstandes er-
klärt und damit diese bisherige Reallast der Güter und die Verant-
wortlichkeit und Sorge der Gutsbesitzer für die Stellung einer be-
stimmten Zahl aufgehoben, so dass das Fortziehen von Gutsunterge-
hörigen ihnen fortan in dieser Beziehung gleichgültig sein und die
Furcht vor diesem Fortgehen also auch keinen Grund gegen die Auf-
hebung der "Leibeigenschaft abgeben konnte*).
Die sonst nöthigen Acte der Gesetzgebung Hessen noch längere
Zeit auf sich warten. Erst unterm 27. Mai 1803 beantragte die deut-
sche Canzlei beim Könige eine bestimmte Erklärung über den Zeit-
punkt des Aufhörens der Leibeigenschaft (d. h. über den Schlusster-
min) zu erlassen und legte zugleich einen Entwurf zur notwendigen
Regelung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse vor, welcher nach
vorgängiger Prüfung durch die beiden Obergerichte und verschie-
dentlicher Abänderung unterm 19. Deccmber 1804 auf Grund Königl.
Resolution vom 2. Nov. als Verordnung publicirt wurde: spät genug
und so zu sagen kurz vor Thorschluss, da der achtjährige Zeitraum
seit dem Beschlüsse von 1797 dem Ablaufen nahe war.

*)Schon vou 1797 an hatte sich das Gerücht verbreitet, dass eine solche
Umänderung der Militairpflicht im Werke sei; es hiess aber zugleich: dass die-
selbe nur bei den adeligen Gütern mit schon freier Bevölkerung sofort eintreten
würde, während es auf den übrigen Gütern bis zur Aufhebung der Leibeigen-
schaft beim Alten bleiben solle. Dadurch wären erstere gegen letztere prägravirt
worden, insofern sie eine grössere Aushebung von llekruten zu gewärtigen hat-
ten, als wenigstens auf den meisten Güteru bei der bisherigen Stellung nach dem
Contributionsfuase herauskam. Bei ihrem Widerwillen gegen den Militairdienst
sahen daher die Leibeigenen selber gcrue die Verlängerung der Leibeigenschaft
und so konnte es kommen, dass manche Gutsbesitzer aus blosser Gefälligkeit
gegen ihre Leibeigenen mit der Aufhebung zögerten. Die Verordnung vom 1.
August 1800 machte, indem sie die Güter mit und ohne Leibeigenschaft gleich-
massig behandelte, dieser Auffassung ein Ende.

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Die Hauptbestiinniungen dieser wichtigen Verordnung sind, über-


sichtlich zusammengestellt, folgende:

1) Vom 1. Januar 1805 an ist die Leibeigenschaft in den Her-


zogtümern gänzlich und für immer abgeschafft Es ist demnach u. A.
auch die Einwilligung des Gutsherrn zur Heirath und zur Erlernung
eines Handwerks für die Gutsuntergehörigen fernerhin nicht mehr er-
forderlich. Selbstverständlich ist in Zukunft jeder Contract, durch
welchen ein Freigeborner iu die Leibeigenschaft eines Anderen sich
begiebt, unstatthaft. Kein Ausländer wird ausgeliefert, der als Leib-
eigener von der Regierung seines Staates reclamirt wird.
2) Wenn die bisher leibeigenen Hufner, Käthner und Landinsten
nicht auf den zur Zeit von ihnen bewohnten und benutzten Stellen in
Folge von Pacht- oder sonstigen Uebcrlassungs-Contracten verbleiben,
so ist der Gutsherr verpflichtet, ihnen den jeden Ortes und für jede
Klasse hergebrachten «Altentheil» (Abnahme, Leibzucht) oder wo
dieser nicht hergebracht ist, eine anderweitige angemessene Abfin-
dung für ihre und ihrer Wittwen Lebenszeit unentgeltlich zu bewilligen.
- 3) Wenn Freigelassene die von ihnen pachtweise übernommenen
grösseren oder kleineren Landstellen späterhin rechtmässig verlieren
oder aufgeben, so ist der Gutsherr schuldig, ihnen für ihre und ihrer
Wittwen Lebzeit freie Wohnung auf dem Gute einzuräumen*). Auch
die nicht bereits durch Landstellen abgefundenen freigelassenen In-
sten haben Anspruch auf freie Wohnung, wenn sie nicht ihren ge-
wöhnlichen Unterhalt ausserhalb des Gutes durch Tagelohn u. s. w.
suchen, in welchem Falle sie das jeden Ortes gebräuchliche Miethgeld
für ihre Wohnung zu zahlen haben.
4) Im Uebrigen haben die freigelassenen Gutsuntergehörigen
keine weiteren Ansprüche an den Gutsherrn als die im Verarmungs-
fall aus den Gesetzen fassenden.
5) Der Gutsherr hat nicht mehr Recht als jede andere Obrigkeit,
irgend Jemandem, folglich auch seinen ehemaligen Leibeigenen den
Aufenthalt in seinem Gerichtsbezirke zu versagen.
6) Die Zahl der jetzt auf jedem Gute vorhandenen mit Land
versehenen Familienstellen darf nicht vermindert werden **). Insbeson-

*) 13. Mai 1805 soll zu der freien Wohnung auch noch


Nach Rescript vom
ein sogenannter Kohlhof (Gemüsegarten) von derjenigen Grösse, wie sie in jedem
Dorfe bei den Kohlhofcn der Instenwohnungen vorkommt, gegeben werden.
**) Hierunter sind solche Häuser und Wohnungen nicht einbegriffen, denen

nur ein Kohlhof und ein Antheil an der Benutzung des Torfmoor* beigelegt ist;
dagegen bezieht sich die Vorschrift zufolge einer nachtraglichen Verfügung vom

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dcre sollen alle zur Zeit vorhandenen Hufenstellen (ganze, halbe,


viertelHufen) in dieser Eigenschaft erhalten werden. Dabei ist es dem
Gutsherrn nach wie vor unverwehrt, einzelne IAndereien von der ci-
uen Bauet nstcllc zur anderen zu legen, unbeschadet der sonstigen
Rechte der Inhaber. Will der Guteherr einzelne Bauernländereien
unter das Hoffeld legen, so muss er in jedem einzelnen Falle die re-
girainelle Genehmigung nachsuchen, welche nicht versagt werden soll,
wenn er nachweist, dass die durch die Abtrennung verkleinerten
Landstellen noch die erforderliche Grösse behalten, um in ihrer Ei-

genschaft als ganze, halbe Hufen n. s. w. betrieben werden zu können.


Es ist wie bisher, so auch fernerhin gestattet, mit landesherrli-
cher Genehmigung einzelne Hufen und andere Landstellen vom Gute
zu trennen und zu einein anderen Gute zu schlagen. Dahingegen sol-
len Gutsherren, welche Hufenstellen niederlegen, für jeden einzelnen
Fall 500 lUhl. (600 Rthl. pr. Cour.) Strafe zahlen und die niederge-
legte Hufe wiederherstellen.
7) In Betreff der Dienste:
Alle auf unbestimmte Hofdienste (Hand- oder Spanndienste) lau-
tenden Verpflichtungen sind vom 1. Januar 1805 an ungültig und es
sind für die Zukunft die Verpflichtungen der Untergehörigen con-
tractlich genau festzustellen. Alle Contracte zwischen Guteherren und
Untergehörigen müssen in Zukunft werden.
schriftlich abgeschlossen
Bestehen bereits Contracte mit den Untergehörigen, die auf be-
stimmte Dienste lauten, so bleiben diese in Kraft*).
Bis zu erfolgter Vereinbarung müssen die Guteuntergehörigen
die unumgänglich nöthigen Dienste fortleisten, wohingegen sie im
ungestörten Besitze ihrer Stellen verbleiben.
Wer der Dienste eigenmächtig sich entzieht oder Andere zur
Widersetzlichkeit reizt, soll als Friedensstörer und Aufwiegler be-
straft werden.
Snmmtlirhe Gutebesitzer haben bis zum I.Juli 1805 anzuzeigen,
ob mit den Untergehörigen über die Dienstcontracte verein-
sie sich

bart haben oder nicht; im letzteren Falle wird eine comraissarische


Regulirung bis zum 1. September 1805 vorgenommen werden.

11. October 1P05 mit auf die neuen landwirtschaftlichen Stellen, welche auf
parzcllirten Hoffeldern entstanden sind.
•) AI« bestimmte Dienste sind nnr diejenigen zu achten , welche entweder
eine gewisse Anzahl von Tagen oder das Maass der Geschäfte und Arbeiten fest-
setzen. Bei Bau-und Wege-Fuhren sind die betreffenden Gebäude und Wege r\\
bezeichnen und es sind diese Fuhren der Reihe nach von den Pflichtigen zu
fordern. Authentische Interpretation durch Patent vom 30 April 1806.

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Die Pächter der Haupt- und Meierhöfe müssen den Wegfall oder
die Beschränkung der ihnen in den Pachtcontracten zugesicherten
Hofdienst* gegen eine billige, nach dem erweislichen Schaden, den sie
erleiden, zubemessene Entschädigung sich gefallen lassen.
Alle Differenzen, welche zwischen den Gutsherren und den Hof-
pächtern über diesen Punct, so wie zwischen den Gutsherren und den
Untergehörigen aber die abgeschlossenen Comracte, Ober die den
ehemaligen Leibeigenen unter den oben angegebenen Umständen ge-
bührenden Abfindungen u. s. w. entstehen, sind in den ersten 5 Jah-
ren nachErlass dieser Verordnung ohne förmlichen Rechtsgang durch
ein vorgeschriebenes summarisches Verfahren zu erledigen. —
Mehrere dieser Bestimmungen bedürfen einer näheren Erläuterung.
ad 1. Für die Aufhebung der Leibeigenschaft nach Maassgabe
der Verordnung vom 19. December 1805 haben die Gutsherren eine
Entschädigung weder aus der Staats-Casse noch von ihren Leibeige-
nen erhalten, auch nicht beansprucht Eine solche Entschädigung wäre
auch in Hinblick auf die anderweitigen Bestimmungen der gedachten
Verordnung völlig überflüssig gewesen. Die Gutsherren selber gewan-
nen durch die Lösung des Bandes mindestens eben so viel als die
Gutsuntergehörigen.
ad 2. Hiernach wurden also die Gutsbesitzer bei Aufhebung der
Leibeigenschaft nicht verpflichtet, den bisher leibeigenen Hufnern,
Käthnern und Landinsten das Eigenthum an den bäuerlichen Land-
stellen zu verleihen oder auch nur die fernere Nutzniessung derselben
zu laBsen. Die Gutsbesitzer prätendirten das unbeschränkteste Eigen-
thumsrecht über das gesammte Bauernfeld und hatten auch darüber
seither nach Willkühr verfügt Die Regierung verzweifelte daran, die
Frage, ob den Gutsbauern ursprünglich ein Miteigenthumsrecht an
den Ländereien zustehe, zur Gewissheit bringen zu können; sie hielt

sichdagegen für berechtigt, den dermaligen Hufhern die sogenannte


Altentheilsversorgung oder eine entsprechende Abfindung zu sichern,
wenn die Gutsherren ihnen die fernere Nutzniessung der Stellen nicht
lassen wollten oder über die desfalligen Bedingungen mit ihnen sich
nicht einigen konnten. Ohnehin bestand auf den meisten Gütern schon
während der Leibeigenschaft herkömmlich die Altentheils-Einrichtung
zur Versorgung altersschwacher Hufner, indem zu jeder Hufe eine
Altentheilskathe gehörte, welche der Gutsherr in baulichem Stande
erhielt, während der Inhaber der Hufe den auf den Altentheil gesetz-
ten Vorgänger mit den sonst nöthigen Lebensbedürfnissen versehen
musste.

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Die nunmehrige gesetzliche Bestimmung war zum Schutze der


zur Zeit vorhandenen leibeigenen Bauern nöthig, da sie möglicher-
weise von ihren Landstellen vertrieben und dann zu blossen Insten
oder gar zu Gutsarmen degradirt werden konnten, wenn etwa Fremde
mehr Pachtgeld, resp. mehr Kaufgeltl und Canon boten als sie*). Al-
lerdings konnten sie auch jetzt noch aus ihren Landstellen gesetzt
werden und es mochte dies zuweilen nothwendig werden, wenn sie
aus Stupidität und Lethargie auf die billigsten Bedingungen sich
nicht einlassen wollten und überhaupt in die neuen Wirthschaftsvcr-
hältnisse nicht sich zu finden wussten**). Aber solches aus rücksichts-
loser Gewinnsucht vorzunehmen, mussten die Gutsherren nun doch
wegen der Pflicht der Altentheilsversorgung Bedenken tragen. Ande-
rerseits lässt sich nicht läugnen, dass faule und liederliche Hufher
durch die Weigerung, auf angemessene Bedingungen einzugehen, die
mühelose, sorgenfreie und auskömmliche Existenz als Altentheilsleute
sich jetzt erschleichen oder ertrotzen konnten.
Das Ganze hatte indessen nur bis zum Aussterben der damaligen
Generation practische Bedeutung und beide Extreme werden im All-
gemeinen nicht häufig vorgekommen sein.
ad 3. Diese Bestimmungen konnten unter gewissen Umständen
eine Unbilligkeit gegen den Gutsherrn enthalten, z. B. wenn ein Bauer
nach aufgehobener Leibeigenschaft als Hufenpächter durch eine oder
mehrere Rotationen gewirthschaftet hatte, die Pacht freiwillig aufgab
(worauf er nun allerdings den Altentheil nicht mehr beanspruchen
konnte) und obwohl er Mittel genug besass, um dem Gutsherrn für

*) Solche Beispiele waren vor 1805 auf mehreren Gütern vorgekommen.

So wurde 1700 das Gut Oche in Angeln in der Weise parzellirt, dass sämmtlichc
l.ändcrcicu, nicht bloss die Iloflandereien, sondern auch die Dorffildmarkeu, als
oh die Hufen und Kathen gar nicht vorhanden wären, in eine Masse geworfen
und hieraus neue Landstellen (Parzellen) von beliebiger Grösse gebildet wurden,
die der Gutsherr zu möglichst hohen Preisen verkaufte, und zwar grösstenteils
an Fremde. Die Gutsuntergehürigcn hatten keine Mittel, um sich anzukaufen;
einige, die es versuchten, gingen bald zu Grunde; die meistcu ehemaligen Ilufner
und Käthner werden als heiraathsberechtigte Gutsarmc bis zu ihrem Aussterben
kümmerlich ernährt wordeu sein.
**) Ein Gutsbesitzer, welcher in den Provinzialber. von 1795, I, 190 ff. an-

gegriffen wurde, dass er eine Anzahl von Bauern abgesetzt habe, um aus den
Hufen einen Meierliof zu bilden, entschuldigte sich (ebendaselbst in einer Bei-
Inge) damit, dass er vor allen Dingen die ihm lästigen Frohndienste hätte los
sein und den Bauern die Stellen auf 20 Jahre hätte verpachten wollen, diese
aber die Annahme seines Vorschlages durch allzu niedrige Pachtgebote verwei-
gert hätten.

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eine Wohnung den herkömmlichen Miethzins zu zahlen, nun freie


Wohnung erhielt; desgleichen wenn ein freigelassener Inste als Hand-
werker auf dem Gute selber sein hinlängliches Auskommen fand und
das gebräuchliche Miethgeld für eine Wohnung eben so gut bezahlen
konnte wie ein Inste, der als Handwerker seinen gewöhnlichen Un-
terhalt ausserhalb des Gutes hatte.
Waren solche zurückgetretene Hufenpächter oder solche Insten
zahlungsunfähig, so fielensie ohnehin dem Gute durch ihre Versor-

gung alsArme zur Last.


ad 4. Man hätte erwarten können, dass mit Aufhebung der
Leibeigenschaft der Gutsherr als solcher von der bisherigen Ver-
pflichtung die verarmten Gutsuntergehörigen zu ernähren, gesetzlich
befreitund diese Verpflichtung auf die Guts-Einwohnerechaft übertra-
gen wäre, wie dies in anderen Ländern geschehen ist.

Es steht indessen jedem Gutsherrn in den Herzogthümern nach


der Gesetzgebung über das Armenwesen frei, die Gutseinwohner zu
einer Armengemeinde nach einem höheren Ortes zu bestätigenden
Regulativ zu constituiren und die Ausgaben des Annenwesens durch
Reparation von Beiträgen zu decken, so dass er selber nur Contri-
buent zur Armencasse (in den meisten Fällen allerdings der bedeu-
tendste) wird. Dies haben diejenigen Gutsherren, welche Eigenthum
oder Erbpacht der bäuerlichen Stellen einführten und die Hoffelder
parzellirten, sofort gethan, während von den Gutsherren, welche bäu-
erliches Zeitpachtvcrhältniss einführten, erst neuerdings Manche ein
communales Armenwescn auf ihren Gütern organisirt haben. Es wird
hievon später näher die Rede sein.
ad 6. Zu der Bestimmung, dass einzelne Stücke vom Bauernfelde
nicht ohne höhere Genehmigung zum Hoffclde geschlagen werden
dürfen, fügte die Verordnung gewisserraaassen motivirend hinzu, dass
hiedurch in der bisherigen Verfassung nichts geändert
werde, sofern nach dieser ein gesetzlicher Unterschied
zwischen Hoffeld und Bauernfeld Statt finde. Von dieser An-
sicht muss die Regierung auch bei dem gleich- darauf folgenden weit

wichtigeren und eingreifenderen Verbote der Niederlegung von Hufen


ausgegangen sein.
Ob ein gesetzlicher Unterschied zwischen Hoffeld und Bauernfeld
in diesem Sinne und mit dieser practischen Bedeutung wirklich exi-
stire, darüber war kurz vor 1805 in den die Aufhebung der Leibei-

genschaft betreffenden Schriften lebhaft gestritten worden. Schräder,


der Lehrer des schleswig-holsteinischen Privatrechtes an der Univcr-

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sität Kiel, dessen Abhandlung wir angeführt haben, vindicirte den


Gutsherren das unumschränkteste Eigenthumsrecht an den bäuerli-
chen Ländereien und damit das Recht der beliebigen Niederlegung
von Hufen, die er jedoch moralisch missbilligte. Gegen ihn wurde zu
Gunsten des Bauernstandes von verschiedenen Seiten ungefähr Fol-
gendes geltend gemacht:
Bei der ganzen Gutsverfassung mussten Rechte und Pflichten
einander correspondiren. Die Gutsherren hätten in der Vorzeit einen
bestimmten Theil der Gutsländereien ein für allemal ihren Bauern
gegen die Verpflichtung überlassen, dafür das reservirte Hoffeld zu
bestellen; auf die fortwährende Benutzung jenes zu ihrer auskömmli-
chen Versorgung nöthigen Theils hätten die Bauern eines jeden Gutes
einen rechtlichen Anspruch. Das Bauernfeld gehöre ihnen insgesammt,
wenn auch die Vertheilung dem Gutsherrn freistehe.
Durch willkührliche Niederlegung von Hufen würde die ganze in
sich consequente Gutsverfassung in Unordnung gerathen und einseitig
vernichtet werden *).

Auch Falck sagte noch in einer 1818 gehaltenen Festrede: «Das


alte Recht, dass Bauernfeld an Bauernfamilien vergeben werden
müsse, ward vergessen, als der Vortheil zur Anlegung grosser Pacht-
höfe reizte»**).
Dagegen heisst es in seinem später erschienenen Handbuche des
schleswig-holsteinischen Privatrechtes IV, 212. 13: «Ob die Nieder-
legung der Bauernstellen rechtmässiger Weise geschehen konnte,
darüber sind Zweifel geäussert worden***). Auch bei uns wurde es
von Manchen als unzulässig betrachtet, dass Bauernfelder den Bauern
entzogen wurden, um die Hoffelder zu vergrössern oder neue Meier-
höfe anzulegen. Der gegentheilige Grundsatz war indessen practisch
anerkannt und gewiss seit langer Zeit geltend gewesen.»
Unsere Ansicht ist, dass, da die Hofwirthscbaften lediglich durch
die Zusammenwerfung von Hufen, wie wir oben nachgewiesen haben,
von Anfang an entstanden sind, mithin das Hoffeld nichts Primitives

*) U. A.: Hegewisch in den Provinzialbor. von 1797, I, 370 ff.; Jochim«


ibid. 17!)8, II, 164 ff.

**) Provinzialber. 1818, p. 473.


***) Falck citirt hier eine von Niebuhr in der ersten Ausgabe seiner römi-
schen Geschichte, 868 gelegentlich gemachte, in der zweiten Ausgabe andere
II,

gefasste Bemerkung: «Nur gänzliche Unkunde des einheiminchen alten Rechtes


hat es verkennen können, dass Bauernland ron Alters her bei allen deutschen
Völkern abgesondert vom Hoffeld , unvereinbar mit ihm und unverletzlich , be-
standen hat.»

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K- .... s.j-v^-.v

war, auch ein primitiver gesetzlicher Unterschied zwischen Hofleld


und ßauernfeld nicht existirt haben kann. Der iactisch entstandene
Gegensatz gewann aber später eine rechtliche Bedeutung durch die
Steuerfreiheit des Hoffeldes (welche ursprünglich eine persönliche
der Ritter war) und die Steuerpflicht des Bauernfeldes. Lange Zeit
hindurch führten die fortgesetzten Vergrößerungen des Hoffeldes
auf Kosten des Bauernfeldes zu einer Herabsetzung der sogenannten
Pflugzahl (des Grundsteuer-Contributions-Fusses) der adeligen Güter,
bis die Regierung einen Damm entgegensetzte, so dass die Gutsherren
für die fernerhin niedergelegten, in Hoffeld verwandelten Hufen con-
Hierüber fanden wiederholt (1610, 1621,
tributionspflichtig blieben.
1623) Landtagsverhandlungen Statt, bei welchen aber die Regierung
gegen die Einziehung von Bauernstellcn selber niemals opponirto*).
Da sie nun diese Niederl eguugen Jahrhunderte hindurch unbe-
hindert hatte passiren lassen, so erscheint das nunmehrige Verbot
allerdings als ein Eingriff in das von ihr stillschweigend sanetionirte
Herkommen **).
Aber es war ein notwendiger und wohlthätiger Eingriff. Die
Regierung ermannte sich, indem sie ihre Verpflichtung fühlte, als
Vormund für die moralisch Unmündigen aufzutreten.
Gerade um jene Zeit und kurz vor derselben hatte die Nieder-
legungsprocedur einen erneuerten Aufschwung erhalten und es waren
vielerwärts neue Meierhöfe aus niedergelegten Hufen entstanden.
Bei der allgemeinen Aufhebung der Leibeigenschaft war die Gefahr
vorhanden, dass dieses Verfahrenimmer weiter um sich greifen würde,
da die Verpachtung oder Veräusserung der Hufen an die ehemaligen
Leibeigenen auf den meisten Gütern weit weniger vortheühaft war ***).

*) Vgl.: «Zur Geschichte des Steuerwesens in den Herzogtümern Schles-


wig nnd Holstein», eine Abhandlung in den Kieler Blättern Bd. IV, p. 70 ff. Kiel
1817. Falck in seinem Privatrecht III, 569; IV, 212.
**) Nach einer Aeusserung des vorhin citirten Herrn Eggers scheint die
deutsche Canzlei die Sachlage so aufgefasst zu haben, dass bei den bisherigen
Niederlegungen die stillschweigende Einwilligung der Leidenden habe präsumirt
werden müssen, da, wenn sie geklagt hatten, die Gerichte sie geschützt haben
würden! War dem so: welche Vorwürfe lagen hierin für die Regierung der vor-
angegangenen Jahrhunderte, welche unter ihren Augen fortwährend ungescheut
ausführen sah, was sie also selber für Unrecht hielt; sie, die wohl wnsste, dass
die Leibeigenen es nicht wagen konnten, ihr Recht gegen die Gutsherren selber
zu verfolgen.
**) Die hohen Productenpreise jener Zeit und die durch die eingeführte
Bemergelung sehr gehobenen Krtrage der üutshöfe hatten damals einen Gflter-

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60

So wie aber damals die Bevölkerung der adeligen Güter trotz


des vorherrschend fruchtbaren Bodens relativ nur etwa halb so stark
war, als die der freien Districte, während sie in den älteren Zeiten
vor den Niederlegungen ohne Zweifel gleich stark oder noch stärker
war, so wäre nunmehr eine weitere Abnahme der Bevölkerung zu
befürchten gewesen, wobei der Staat u. A. auch mit Rücksicht auf
die zur Landesverteidigung nöthige Mannschaft interessirt war.
Eben so wenig konnte es dem Staate gleichgültig sein, wenn Hunderte
von Hufnern, statt nun einem besseren Geschicke entgegen geführt zu
werden und allmählig geistig und materiell sich emporzuarbeiten,
zu Tagelöhnern oder Bettlern herabgedrückt worden wären. Die Auf-
hebung der Leibeigenschaft würde dann nicht ein Segen, sondern ein
Fluch für sie geworden sein.

So weit wir haben in Erfahrung bringen können, ist eine Re-


monstration von Seiten der Gesammtheit der Gutsbesitzer durch die
fortwährende Deputation der Ritterschaft gegen das Verbot fernerer
Niederlegungen von Bauernstellen nicht erfolgt Dahingegen haben
manche Gutsbesitzer noch nach 1805 und bis zur gegenwärtigen
Stunde sich erlaubt, einzelne Hufen niederzulegen. Wir bezweifeln,
ob trotz dieses notorischen Missbrauches die in der Verordnung vom
19. December 1804 angedrohete Strafe und vorgeschriebene Resti-
tuirung der Stellen auch nur in einem einzigen Falle zur Anwendung
gebracht ist Zwar mussten 1805 Verzeichnisse der damals auf den
Gütern vorhandenen Landstellen an die Regierung eingesendet wer-
den; es scheint dieser aber nie eingefallen zu sein, durch ausseror-
dentliche Commissaire (eigene regelmässige Verwaltungs- Organe hat
sie in den Güterdistrictcn nicht) von Zeit zu Zeit den factischen Be-
stand aufnehmen und mit jenen Verzeichnissen vergleichen zu lassen.
In der Versammlung der holsteinischen Proviuzialstände von

Schwindel veranlasst und die Gflterpreise stiegen trotz der Vermehrung der
Steuern und der Erhöhung des Zinsfusses. Es reutirte sich daher stark, Mcier-
höfe thcils durch Landabnahme von den Haupthüfen, die manche Gutsbesitzer
ohnehin mit dem Wegfalle der Frohnen verkleinern zu müssen glaubten, theils
durch Niederlegung von Hufen zu gründen und dann zu veräussern oder zu ver-
pachten; im ersten Falle fandman auch genug Käufer für das blosse Land, welche
dann die nöthigen Wirtschaftsgebäude selber aufführten; die verkaufenden
Gutsbesitzer bekamen so ein ansehnliches Betriebscapital in die Uände, um nun
ihre Hofwirtbschaft für eigene Spann- und Leute-Haltung statt der bisherigen
Frohnen einrichten zu können. Eine beträchtliche Anzahl solcher Meierhöf«
(circa 60) sind 1805 mit Genehmigung der Regierung von ihren Stammgütern
getrennt und zu selbststäudigon adeligen Gütern erhoben worden.

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61

1835/J6 stellte ein Abgeordneter, der selber Justitiar adeliger Güter


war, die Proposition, die Ständeversammlung möge mit Rücksicht auf
die Nichtbeachtung der §§ 13 — 17 des Gesetzes vom 19. Dccember
1804 eine königliche Verfügung beantragen:
1) dass officielle Berichte darüber einzuziehen, welche Familien-
steilen mit Land am Ende des Jahres 1804 bewohnt gewesen und
welche gegenwärtig bewohnt seien;
2) dass nach dem Resultate dieser Untersuchung die zur ange-
gebenen Zeit vorhanden gewesenen Familienstellen wieder hergestellt
werden sollten;
3) dass die Ständeversammlung zu seiner Zeit von dem Ausfalle
dieser Untersuchung in Kenntniss gesetzt werde.
Die Versammlung entschied sich aber durch Stimmenmehrheit
gegen die Erwühlung eines Ausschusses zur Behandlung der Frage,
nachdem von mehreren Abgeordneten bemerkt worden, dass diese
Froposition, da sie keinen Gesctzvorschlag enthalte, als eine Be-
schwerde zu betrachtensei, welche verfassungsmässig durch Anfüh-

rung namhafter Thatsachcn begründet werden müsse; ferner, dass


Beschwerden über den erwähnten Missbrauch, obgleich den dabei
Betheiligten der Weg der Beschwerdeführung offen stehe, nicht vor-
gekommen seien, und endlich, dass, wenn auch einzelne Contraven-
tionen Statt gefunden, diese keinen Grund abgeben könnten, auf eine
allgemeine Untersuchung anzutragen *).

Auch Verhandlung scheint die Regierung nicht zu einer


diese
Controle veranlasst zu haben, zu welcher sie u. A. auch die von 5

zu 5 Jahren angestellten Volkszählungen hätte benutzen können.


ad 7. In den schleswigschen Gütern ging die Regulirung der
Dienste auf dem Wege freier Vereinbarung im Allgemeinen friedlicher
und rascher vorwärt« als in Holstein, wo die Commissarien der Landes-
regierung viele Güter bereisen und oft nach vergeblichen Vergleichs-

*) Zeitung der holsteinischen Provinzialstände von 1835 and 1836, p. 3G ff.


Beschweren können sich die «Bctheiligten» nicht, da kein Hufner nach
Ablauf der Pachtperiode ein Recht auf Verlängerung der Pacht hat. Sie oder
Andere können nur denunciren. Gewöhnlich wird aber eine Niederlegung nur
vorgenommen, wenn eine Hufe durch Todesfall odor Altersschwache oder Aus-
wanderung des Inhabers vacant geworden und Descendenten nicht vorhanden
oder anderweitig versorgt sind; auch pflegt dann, um Aufsehen zu vermeiden,
die Hufe zuvörderst durch einen verheiratheteu Knecht abgesondert bewirt-
schaftet und erst später mit dem Hoffelde vereinigt zu werden, wobei die Hufen-
gebäude vorläufig stehen bleiben und an Tagelöhner-Familien vermiethet werden.

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versuchen die Dienste definitiv festsetzen mussten. Im Grunde hör-
ten bei dem äussersten Widerstreben der einen oder anderen Par-
tei der Einfluss und die Macht der Commissarien auf. Denn nach
sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung stand es jedem Gutsbe-
sitzer frei, die dermaligen Bauern, wenn sie sich in seine Forderun-

gen nicht fügen wollten, durch Bewilligung des Altentheils von den
Hufen zu entfernen und von Anderen für die Nutzung der Hufe so
viel an Diensten oder anderen Aequivalenten zu bedingen, als sie zu
ei langen im Stande waren; und andererseits konnten auch die vor-

handenen Hufner, wenn sie eigensinniger oder fauler Weise die Lei-
stung selbst massiger Dienste nicht übernehmen wollten, zur Ueber-
nahme dieser Dienste und zum Verbleiben auf den Hufen nicht ge-
zwungen werden, dagegen den Altentheil für sich erzwingen. Auch ent-
wickelte sich das ganze Verhältnis bald so, dass die Bestimmungen
über das Maass der Dienste nicht entscheidend für die Lage der ehe-
mals leibeigenen Bauern wurden, indem das Pachtgeld gegen die
Dienste in den Vordergrund trat und der Gutsherr unabhängig von
jeder commissarischen Regulirung dieses so weit steigern konnte, als
er Pachtlustige bereit fand, auf seine Forderungen einzugehen.
Gleich nach Aufhebung der Leibeigenschaft waren auf manchen
Gütern arge Streitigkeiten zwischen den Gutsherren und Untergehö-
rigen über die Arbeitszeit und andere Puncte ausgebrochen und stö-
rende Widersetzlichkeiten der Dienstpflichtigen vorgekommen. Die
Regierung suchte diesem Uebel vorläufig durch ein Plaeat vom 26.
April 1805 abzuhelfen, worauf unterm 17. Juli 1805 eine genaue
Dienstordnung folgenden Inhalts erlassen wurde:
1) Die in den Contracten bestimmten Hand- und Spanndienste
dürfen nicht das Maass überschreiten, dass die Dienstpflichtigen ihre
Landstellen nicht mehr gehörig betreiben können. Beschweren sich
Dienstpflichtige über contraetliche Ueberbürdung, so ernennt das betref-
fende Ober-Dikasterium zwei Sachverständige, und es tritt, wenn diese
die Beschwerde für begründet erachten, nach deren Vorschlug eine
richterliche Ermässigung der Dienste ein. Dann sind aber die Geld-
abgaben an den Gutsherrn entsprechend zu erhöhen, sofern letztere
wegen der starken Dienste um so niedriger bestimmt waren und so-
fern die Dienstpflichtigen bei dieser Erhöhung noch bestehen können*).
Die für die Saat- und Erndtezeit versprochenen Hand- und

*) Solche Regulirnng könnt« nur bis zum Ende der jedesmal laufenden
Pachtperiode bindende Kraft haben.

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Spanndieusttage sind so zu vertheilen, dass den Dienstpflichtigen zur
Besorgung ihrer eigenen Feldarbeit die nöthige Zeit bleibt.
2) Sind Hand- und Spanndienste zur Wiederaufführung und
Reparatur der Gutsgebäude übernommen worden, so gilt dies nur
für die zur Zeit der Abschliessung des Contractes vorhandenen Ge-
bäude, weshalb die Hofgebäude in den Contracten speciell zu ver-
zeichnen sind *). Diese Dienste dürfen nur der Reihe nach gefordert
werden und bei grossen Bauten nur in so weit, dass die Wirthschaft

der Dienstpflichtigen dabei bestehen kann. Für das Anfahren von


Baumaterialien, sowie das Verfahren bestimmter Getreidequantitäten
muss die weiteste Entfernung festgesetzt werden. Niemand braucht
jedoch,wenn die Fuhren auf geringere Entfernung gefordert werden,
deswegen verhältnissmässig mehr Fuhren zu leisten, es sei denn, dass
imContracte etwas Anderes verabredet worden. Bau-, Holz-, Getreide
fuhren, überhaupt alle zu keiner bestimmten Zeit versprochenen Fuh-
ren und Arbeiten dürfen in der Saat- und Erndtezeit nicht verlangt
werden, mit Ausnahme der Herbeiholung des Saatkorns. Eben so we-
nig sind dergleichen Fuhren bei einem unfahrbaren Zustande der
Wege zu fordern.

3) Versprocheue Dienste einer gewissen Art können nicht gegen


den Willen des Dienstpflichtigen in Dienste anderer Art umgeändert
werden. Dagegen müssen die gegen einen gewissen Tagelohn zum
Arbeiten überhaupt verpflichteten Insten auch jede andere Art von
Arbeit, als zu welcher sie angesagt sind, verrichten, wenn sie dazu
mit den nöthigen Gerätschaften versehen werden.
4) Ist eine gewisse Anzahl von Diensten auf das uanze Jahr fest-
gestellt, so kann nicht ohne eine besondere Verabredung in Einem
Jahre mehr gefordert werden gegen Kürzung in dem folgenden Jahre,
eben so wenig das in einem Jahre weniger Geforderte als rückständig

auf das nächste Jahr übertragen werden.


Das Dienstjahr wird von Maitag zu Maitag gerechnet
5) Die Dienstleistenden sind Fleiss, Sorgfalt, Treue, Willigkeit
und Gehorsam dem Aufseher schuldig und haben ihrerseits eine gute
Begegnung bei der Arbeit zu beanspruchen.
6) Die Ansagung zu Diensten muss spätestens am Abend vorher

*) Hier sind Gutsgebäude und Hofgebäude irriger Weise ideutiticiri wor-


den; zu ersteren gehören alle im Eigenlhume des Gutsherrn befindlichen Gebäude
des Gutes, also auch die Gebäude der von ihm verpachteten Hufen und Kathen,
die Wohnungen der Guts-Officialen, Insten n. 8. w. In der Verordnung sind diese
sämmtlichen gutsherrlichen Gebäude gemeint.

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geschehen mit der Bestimmung, zu welcher Zeit und zu welchen Ar-
beiten die Dienstpflichtigen sich einfinden sollen, damit dieselben mit
den erforderlichen Feldgeräthschaften sich versehen können. Jedoch
genügt in der Heu- und Kornerndte, wo die Arbeit nach der Witte-

rung sich richten muss, die allgemeine Ansage zur Arbeit auf den fol-

genden Tag.
Bei unvermuthet eintretender Verhinderung können angesagte
Arbeiter noch am Morgen abbestellt werden. Befindet sich aber der
Dienstpflichtige schon auf dem Wege zur Arbeit, so wird der Tag
als voll geleistet ihm angerechnet
Insten, die sich verpflichtet haben, gegen festgesetzten Tagelohn
an jedem Wochentage oder an einigen bestimmten Wochentagen zu
arbeiten, brauchen nicht zur Arbeit angesagt zu werden.
7) Wenn nicht durch Vereinbarung etwas Anderes festgestellt wor-
den, beträgt die tägliche Arbeitszeit nach Abzug der üblichen Pausen
10 Stunden, sofern die Länge des Tages dieses zulässt. In der Jahres-
zeit, inwelcher nach Abrechnung der Pausen nicht 10 Stunden von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zur Arbeit übrig bleiben, wird die
mittägliche Ruhezeit auf Eine Stunde (12 —
1 Uhr) beschränkt und

die Dienstpflichtigen müssen im Uebrigen von Sonnenaufgang bis


Sonnenuntergang in dieser Jahreszeit bei der Arbeit ausharren. Woh-
nen die Dienstpflichtigen mehr als eine Stunde Weges entfernt, so
sollihnen das Plus für den Hin- und Herweg in der Arbeitszeit zu
Gute gerechnet werden.
Werden die Dienstleistenden im Laufe des Tages entlassen, so
wird der Tag für voll geleistet berechnet, wenn nicht für gewisse
Arbeiten ein Anderes verabredet worden.
Sind die Dienstpflichtigen bereit, nötigenfalls länger als 10
Stunden den Dienst zu leisten, so dürfen ihre Leute (Knechte u. 8. w.)
sich nicht weigern, länger zu arbeiten.
8) In Ermangelung einer anderweiten Uebereinkunft sollen die
Feldarbeiten von den Dienstpflichtigen mit ihren gewöhnlichen Ge-
rätschaften geleistet werden. Sind diese aber nicht in gutem Stande
oder arbeiten die Dienstpflichtigen schlecht, so können sie von der
Arbeit sogleich weggewiesen werden, haben gewisse Strafen (verschie-
dene für Handdienste und Spanndienste und höhere für Erndte- und
Pflugarbeiten als für andere Arbeiten) zu zahlen und müssen über-
dies den Tag nachholen.
9) Schicken die Dienstpflichtigen, statt selber zu kommen, An-
dere zur Arbeit und sind diese untauglich, so kann der Gutsherr

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05

(Pächter, Verwalter) für ihre Rechnung Andere dingen oder von ihnen
das Doppelte des fttr die betreffende Arbeit ortsüblichen Tagelobns
verlangen. Ueberdies sind die vorher erwähnten Geldstrafen zu ent-
richten.
10) Bleibt ein angesagter Dienstpflichtiger ohne gültige Verhin-
derung aus, so kann die Arbeit auf Kosten des Ausgebliebenen ver-
dungen oder letzterer zur Zahlung von dem Doppelten des fttr die
betreffende Arbeit ortsüblichen Tagelohns als Schadenersatz angehal-
ten werden.
11) Folgt eine Reihe von Strafbestimmungen, resp. Geld - und
Gefängnissstrafen fttr verspätetes Eintreffen zur Arbeit, Ungehorsam
oder Widerspenstigkeit bei der Arbeit, Aufwiegelung Anderer zur
Widerspenstigkeit, thätlicbes Vergehen gegen die Aufseher, Pächter
oder Gutsbesitzer selber (im letzten Falle bis zu 5 Jahren Zuchthaus).
12) Entstehen Streitigkeiten über die Erfüllung der Dienstpflicht,
so müssen die angesagten Dienste desungeachtet unweigerlich gelei-
stet werden, wohingegen dem Dienstpflichtigen der Regress wegen
geleisteter nicht schuldiger Dienste vorbehalten bleibt. Ergiebt sich,

dass der Gutsherr im Unrechte war, so hat er nicht bloss völligen


Ersatz zu leisten, sondern auch eine namhafte Geldstrafe zu erlegen.
(Bezieht sich mit auf Geldabgaben an den Gutsherrn.)
13) Misshandlung der Gutsuntergehörigen durch die Gutsbesitzer,
Pächter, Inspectoren, Verwalter soll so bestraft werden, wie die Miss-
handlung Anderer, die mit dem Gute in keiner Verbindung stehen.
14) Jede Klage über streitige Dienste und die nach dieser Ver-
ordnung zu bestrafenden Vergehen muss binnen acht Wochen, vom
Tage der geleisteten oder verweigerten Dienste und vom Tage des
begangenen Vergehens an gerechnet, anhängig gemacht werden. Das
Verfahren ist meist ein summarisches, indem das gewöhnliche richter-
liche Verfahren nur bei Klagen aus den Dienstcontracten selber und
bei Vergeben, für welche auf Aufhebung des Contractes oder auf
Zuchthausstrafe zu erkennen ist, Statt finden soll.
Diese Verordnung erstreckt sich auch auf solche Fuhren, Dienste
und Arbeiten, welche von den Gutsuntergehörigen für öffentliche
Zwecke (für Angelegenheiten der Landespolizei und des Landmilitair-
wesens, für das Wegewesen
u. s. w.) nach Anordnung der Gutsherr-

genaue Fuhr- und Dienstregister zu sor-


schaft als Obrigkeit, die für
gen hat, im Turnus geleistet werden müssen.
Ausserdem enthält die Verordnung noch folgende anderweitige
Bestimmungen:
Hanne«, Aafhrb. d. Lribeig. 5

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a) die gutsherrlichen Dienste und sonstigen Leistungen sollen in
den Contracten genau bestimmt werden. (Schon in der Verordnung
v. 19. December 1804 und dem Patente v. 26. April 1805 enthalten.)

b) alle mit den Gutsuntergehörigen über den Besitz ihrer Stellen


abgeschlossenen Contracte sind im Gerichte vorzulesen und vom Ge-
richtshalter zu erklären, der auch auf den Contracten selber beschei-
nigen muss, dass Solches geschehen. Die Contracte sind doppelt aus-
zufertigen, für jede Partei ein Exemplar, und vom Gerichtshalter in

ein besonderes Contractenbuch einzutragen.


c) Contracte über Stellen von mehr als 6 Tonnen ä 260 Quadrat-
R. Grösse sind ungültig, wenn sie — es sei mit oder ohne Dienst-
pflicht — bloss unter Vorbehalt einer gewissen Aufkündigungszeit
und nicht auf eine bestimmte Zeit verpachtet worden.
d) Pachtcontracte überstellen von geringerer Grösse oder blosse
Wohnungsstellen sind nur dann rechtsgültig, wenn sie mindestens auf
ein Jahr (von Maitag zu Maitag) abgeschlossen worden; darüber hin-
aus können die Contracte auch auf unbestimmte Zeit mit Vorbehalt
der Kündigung lauteu, welche jedesmal vor dem 1. November auf den
1. Mai geschehen muss.
Diese ganze Verordnung wurde durch Patent vom 27. April 1805
auf die klösterlichen Üistricte ausgedehnt.
Gleichzeitig wurde —
was mit Aufhebung der Leibeigenschaft
unumgänglich nothwendig war —
die Gerichtsverfassung der adeligen
Güter durch die Verordnung vom 19. Juli 1805 in der schon in der
Einleitung kurz angegebenen Weise geordnet*).
Nach dieser Verordnung darf der Gutsbesitzer weder die streitige
noch die freiwillige Gerichtsbarkeit in Person ausüben, sondern nur
durch einen von ihm besoldeten Rechtskundigen (Gerichtshalter, Ju-
stitiar), welcher der landesherrlichen Bestätigung bedarf und nicht be-
liebig entlassen werden kann, ausüben lassen.
Der Gerichtslialter eines Gutes kann zugleich Gerichtshalter an-
derer Güter, landesherrlicher oder städtischer Beamter, Professor an
der Landesuniversität u. s. w. sein, nur darf er nicht daneben die Ad-
vokatur betreiben. Ist er nicht bereits landesherrlicher Beamter, so
muss er mindestens 500 Rthl. Diensteinkommen nachweisen. Sein
Wohnort darf nicht weiter als vier Meilen vom Gute entfernt sein.
Für die Protokollführung hat der Gutsherr einen Actuar zu ernennen.
*) Vergl. Dörfer, über die vormalige und jetzige Verfassung der Patrimo-
nialgerichte in den HerzogthQmern Schleswig and Holstein, im staatsbürgerlichen
Magazin, Bd. 5, p. 468 ff.

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>

Der Üerich tshalter inuss alle vier Wochen eine ordentliche Ge-
richtssitzung an einem ein für allemal bestimmten Wochentage abhal-
ten. Bei allen gerichtlichen Handlungen sind zwei unbescholtene
Stellenbesitzer aus dem Gute als Zeugen zuzuziehen.
Es ist den Besitzern mehrerer an einander stossender adeliger
Güter gestattet, mit landesherrlicher Genehmigung ein gemeinschaft-
liches Gericht zu constituiren *).

Jeder Gutsherr kann die Gerichtsbarkeit an den Landesherrn


abgeben und dadurch von allen Kosten derselben sich befreien **).

Demnach darf der Gutsherr seit 1805 nur noch die obrigkeitli-
che Gewalt und die Polizei (insofern kein rechtliches Verfahren dabei
statt findet) in Person oder durch einen beliebig von ihm ernannten
9

und entlassbaren Bevollmächtigten ausüben** ").


Es ist zu bedauern, dass 1805 nicht zugleich eine bessere Orga-
nisation des Gerichtswesens der Güter eingeführt wurde; nur eine
Sporteltaxe für die adeligen Güter, die durch niedrige Gebühren sich
auszeichnet, wurde 12 Jahre später publicirt
Noch viel später erschien eineneue Gesindeordnung, die Viele
für ein dringendes Bedürfuiss bei Aufhebung der Leibeigenschaft hiel-
ten und die damals zu erlassen die Regierung auch beabsichtigte.

VIERTER ARSCHNITT.

IMe Umgestaltung; und weitere Entwiekeluiig


der gutsherrlleh-bauerllehen Verhältnisse nach
der Aufhebung der Leibeigenschaft.
Bevor wir darstellen, wie die Verhältnisse der Gutsuntergehöri-
gen zu den Gutsherren auf den adeligen Gütern der Herzogtümer

Davon ist nur in einigen wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden.


*)

**) Auch hierzu haben sich, soviel bekannt, nur wenige Gutsbesitzer ent-
schlossen, indem die Behauptung der Gerichtsherrlicbkeit immer noch als eine
Ehrensache angesehen wird, welche selbst betrachtlicher peenniairer Opfer
werth sei.
**) Darüber ist das Nähere erst 1887 von der Regierung festgestellt worden.
*

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nach der Aufbebuug der Leibeigenschaft und der Hofdienste sich ge-
staltetenund weiter entwickelten, müssen wir einer Reform des
Agrarwesens gedenken, welche zwar an und für sich in keiner not-
wendigen Beziehung zu der Ertheilung der persönlichen Freiheit und
der Abschaffung der Hofdienste steht, indessen aus sehr triftigen
Gründen von sämmtlichen Gutsbesitzern entweder gleichzeitig ausge-
führt wurde oder schon vorher ausgeführt war: wir meinen die Auf-
hebung der Feldgemeinschaft auf den Dorfländereien.
Bereits im ersten Abschnitte ist die aus der uralten Markgenos-
senschaft entsprungene Feldgemeinschaft in ihren Grundzügen skiz-
zirt und zugleich gezeigt worden, dass die grundbesitzenden Kitter
anfangs gewöhnliche Markgenossen und für die von ihnen bewohnten
Hufen der Feldgemeinschaft unterworfen waren, später aber mit der
Bildung von Gutshöfen aus zusammengeworfenen und niedergelegten
Bauernhufen dem Nexus sich entzogen, indem sie ihre Wohn- und
Wirthschaftsgebäude aus den Dörfern verlegten und die nunmehrigen
Hofländereien zu einem abgesonderten Complexe vereinigten. Dies
war nicht ohne vielfachen Austausch mit den Ländereien der übrigen
conservirten Hufen des betreffenden Dorfes auszuführen, weil die zu
einer jeden eingezogenen Hufe gehörigen Ländereien in allen Feld-
abtheilungen zerstreuet und im Gemenge mit den Ländereien der
übrigen Hufen lagen; und solcher Austausch musste wiederholt vor-
genommen werden, wenn späterhin durch weitere Niederlegungen von
Hufen oder auch durch Landabnahme von denselben die Gutshöfe
vergrössert oder Meierhöfe angelegt wurden. Offenbar griff die ganze
Procedur, abgesehen von dem Ruine so vieler Bauern, störend in den
landwirthschaftlichen Betrieb der solchergestalt verkleinerten Dorf-
schaft ein, weil deren Ländereien in Feldgemeinschaft gelassen wur-
den, welche aber nun einer neuen Regulirung auf Grund einer ander-
weitigen Eintheilung der gemeinsamen Dorf-Felder bedurfte *).

Die Handhabung der Feldgemeinschaft verblieb den Dorfschaften


als letztes Ueberbleibsel der alten markgenossenschaftlichen Autono-
mie. Die herkömmlichen Normen über Unterhaltung der Befriedigun-
gen (Zäune), über die Feldbestellung und Erndte auf den Dorffeldern,
über die gemeinsame Weidenutzung u. s. w. wurden durch das Ge-
dächtnis* der älteren Generation festgehalten und durch gemeinsa-

*) Am einfachsten machte sich die Sache, wenn ein ganzes Dorf auf einmal

niedergelegt wurde, uro einen Gutshof daraus zu bilden, während die übrigen
Dörfer des Gutes ganz erhalten blieben, um die Hofdienste zu leisten.

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69

men Beschluss geändert, hie und da auch, wenn Zweifel und Streit
entstanden, in schriftliche Satzungen gebracht uud dann wohl der
Gutsherrschaft als der Obrigkeit zur Bestätigung vorgelegt*).
Das unter der Feldgemeinschaft getriebene Wirtschaftssystem
muss im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende mit dem Vor-
schreiten aus dem extensivesteu Betriebe der ältesten Zeit (wenig
Ackerbau, vorherrschend Weidewirthschaft) manche Abänderung er-
fahren haben.
Dass in den Herzogthümern je die Dreifelderwirthschaft existirt
habe und feldgemeinschaftlich betrieben worden, wie auf den däni-
schen Inseln, in Mecklenburg, im inneren Deutschland, überhaupt in
den meisten Ländern Europas, hat bis jetzt nicht erwiesen werden
können, wenn auch einzelne Stellen in mittelalterlichen Gesetzen und
Urkunden dahin ausgelegt worden sind.

So weit die Spuren aus verschiedenen Landesgegenden sich ver-


folgen lassen, scheint in den Dorfschaften auf der Geest der Herzog-
tümer (im Gegensatze zu den Marschen an der Westküste) die ge-
wöhnliche Wirtschaft folgende gewesen zu sein:
Die Bauern besassen ausser ihren an die Gebäude stossenden
eingezäunten Gärten jeder in der Nähe seines Gehöftes noch eine
gleichfalls eingezäunte kleine Privatkoppel, die von der gemeinsamen
Weide eximirt war und beliebig von dem Inhaber beuutzt werden
konnte.. Die sonstigen dem Dorfe nahe gelegenen, aus einer Anzahl
von Gewannen (Kampen) bestehenden, aber nur den kleineren Theil
der ganzen Feldmark ausmachenden Ländereien wurden Jahr aus Jahr
ein mit derselben Hauptfrucht bei starker Düngung bestellt und nach
der Erndte gemeinschaftlich beweidet. Das weiter entfernte Land
nahmen sie im unregelmässigen Turnus auf einige Jahre (meist unge-
düngt) zum Anbau genügsamer Früchte unter den Tflug, Hessen es
dann wieder auf eine längere Reihe von Jahren zu gemeinsamer Be-

*) Solche sogenannte Dorfwillkühren oder Nachbarbeliebungen sind eben-

so wohl aus Gutsdörfern als aus freien Dörfern der Herzogtümer in den Archi-
ven noch vorhanden. So u. A. im Archive des Gutes Rundhof in Angeln eine Be-
liebung des Dorfes Wippendorf von 1732, also aus der Blüthczcit der Leibeigen-
schaft, in weicheres heisst: es sei «einstimmig beliebet»», «für gut befunden», »be-
schlossen worden* u. s. w. Die Beschlüsse der Dorfschafteu bezogen sich auch
auf andere als agrarische Angelegenheiten, z. B. auf die gemeinsame Leichen-

folge. Contraventionen gegen die Satzungen sind in den Dorfwillkührcn mit Geld-
strafen bedroht, deren Betrag gewöhnlich bei der Fastnachtsfeier nach alter Sitte
von der Dorfschaft vertrunken wurde, in Wippendorf jedoch für die Armenkasse
bestimmt war.

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weidung im Dreesch liegen. Der entlegenste Theil der Feldmark wurde


nie aufgebrochen, sondern als beständige Gemeindeweide benutzt, wozu
auch die Holzgründe dienten *).
Die grossen Gutshöfe waren es, welche am frühesten das fort-
während unter dem Pfluge gehaltene Ackerland, das in un regelmässi-
ger Feldgraswirthschaft mit überwiegenden Weidejahren benutzte
Land und das fortwährende Weideland in Eine Masse zu gleichmässi-
ger Behandlung zusammenwarfen, den ganzen Complex in eine An-
zahl von möglichst gleich grossen, durch Gräben und durch Erdwälle
mit lebendigen Hecken befriedigten Koppeln (10—12) eintheilten und
diejenige schlagmässige, späterhin auf ungefähr gleichem Verhältnisse
der Acker- und Weidejahre zu einander beruhende Feldgraswirth-
schaft einführten, welche unter dem Namen der holsteinischen Kop-
pel wirthschaft allgemein bekannt ist.

Es mag dies in Holstein gegen Ende des 16. oder zu Anfang des
17. Jahrhunderts, in Schleswig 50 bis 100 Jahre später geschehen
seinund mit der Einführung der grossen Milchwirtschaften (von 2—
300 Kühen) auf den Gutshöfen zusammenhängen **).
Die Bauern folgten allmählig diesem Beispiele, soweit die Bei-
behaltung der Feldgemeinschaft es zuliess, und mit denjenigen Modi-
fikationen, welche der geringere Umfang ihrer Wirthschaften gebot.
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts finden wir die Hauptmasse der
Ländereien einer Dorffeldmark in 6— 8 Koppeln .gelegt und unter
schlagmässiger Feldgraswirthschaft gehalten. In jeder dieser grossen
Dorfkoppeln hatte ein jeder Vollhufner, Halbhufner u. s. w. seinen
verhältnissmässig gleichen Antheil Landes, Stück um Stück im Ge-
menge mit den Feldnachbaren und so zerstreut, dass eine Vollhufe

Die Gemeindeweiden waren oft nicht» anderes, als durch die ßeweidung
*)

devastirte Holzungen. Auf vielen Gütern scheinen die uralten Holzungen der
Markgenossenschaft grösstenteils den gutsherrlichen Forsten incorporirt worden
zn sein; letztere wurden selbst durch eingezogene Hufen -Ackerländereien ver-
grössert, was noch jetzt aus der Bezeichnung mancher guUherrlichen Holzkoppeln
sich erkennen lässt.
dahin war die Viehwirthschaft der Gutshöfe hauptsächlich auf die
•*) Bis
Grasung und Fütterung von Ochsen gerichtet, welche jung aus dem nördlichen
Schleswig und Jütland, auch aus den Bauernwirthschaften der Umgegend aufge-
kauft und später an die Marschen abgesetzt wurden, wo sie durch die Fettweiden
ihre Ausmästung zur Srhlachtwaare für den Hamburger Markt erhielten. Tn noch
älterer Zeit lieferte die Schweinemastung in den Wäldern den Hauptertrag der
Güter; es wurden tausende von Schweinen von den benachbarten Städten undGegen-
den gegen eine gewisse Abgabe zur Herbstmast in die Waldungen aufgenommen.

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71

ihre Ackerländereien an luo — 150 Stellen in sämmtlichen Koppeln


besitzen konnte.
Der Turnus auf diesen Koppeln war ein gemeinschaftlicher. Es
wurde also immer eine ganze Koppel gleichzeitig mit derselben Win-
terfrucht oder Sommerfrucht bestellt oder zu Dreesch niedergelegt,
wodurch es möglich gemacht wurde, die Stoppelweide und Dreesch-
weide (nach Einführung der reinen Brache auch die Brachweide) ge-
meinschaftlich zu nutzen *).

Daneben bestanden aber immer noch die kleinen Privatkoppelu


und die Gemeinweiden.
Die Uebelstände dieser ganzen Wirthschaft waren nicht zu ver-
kennen. Die Privatkoppeln wurden durch bessere Bestellung und
starke Düngung begünstigt, die Dorfkoppeln dagegen vernachlässigt;
die zerstreuete Lage der Ackerstücke in den Dorfkoppeln erheischte
einen grösseren Aufwand von Arbeitern und Spannvieh, führte zu
häufigen Streitigkeiten wegen Abpflügens und machte den einen
Feldnachbaren von dem anderen direct und indirect abhängig.
Die Geineinweiden gewährten als solche eine schlechte Nutzung.
Hier konnte nur durch eine grossartige Maassregel geholfen
werden, welche in den Herzogthümern Entkoppelung, in Hannover
Verkoppelung, in Preussen Separation, anderswo Consolidation, Coni-
massation u. s. w. genannt wird und bekanntlich darin besteht, dass
sämmtliche Ländercien einer Dorffeldmark in eine Austausch -Masse
zusammen geworfen werden, aus welcher sodann jeder Interessent
nach Maassgabe des Areals und der Güte seiner bisherigen Ländereien
und nach Verhältniss seines Nutzungsrechtes an den Gemeinheiten
seinen Besitz in einer einzigen arrondirten Fläche oder in einigen
wenigen Partien zu abgesonderter, völlig privativer Bewirtschaftung
wieder ausgewiesen erhält, womit ein Ausbau von Hufen zweckmässig
verbunden wird**).

*) Auf einigen Gütern scheinen die Bauern zuletzt nicht mehr gleiche Schlag*
wirthschaft auf diesen Dorfkoppeln gehalten zu habt*n, so dass auf derselben
Koppel Winterfrucht, Sommerfrueht, Dreeschweide bunt neben einander vorkam,
wobei denn das Vieh nicht mehr gemeinschaftlich geweidet wurde, sondern Jeder
dasselbe auf seinen Stücken tüddern musste.
**) Die rührigen Bauern in Angeln waren schon seit dem 16. Jahrhundert
bemüht, durch Austausch von Ländercien unter den nächsten Feldnachbaren Kop-
peln zu bilden, die sie dann mit gegenseitiger Connivenz von der Feldgemein-
schaft eximirten. Da dies aber nicht nach Einem Plane und aus Einem Gusse auf
einer ganzen Feldmark ausgeführt wurde, so sind auf diese Weise in Angeln viel«
kleine und unregelmassig geformte Koppeln entstanden.

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72

Die Königliche Regierung gab einen mächtigen Impuls zu dieser


durchgreifenden agrarischen Reform durch die Einkoppelungsvcrord-
nuogen vom 10. Februar 1766 und 26. Januar 1770 für Schleswig
und 19. Nov. 1771 für Holstein königlichen Antheils, indem sie die-
selbe -oicht mehr von dem einstimmigen Beschlüsse aller Feldinteres-
senten, sondern von der Provocation einer gewissen Stimmenzahl ab-
hängig machte, auch für die technische Ausführung Sorge trug*).
Aber diese Legislatur bezog sich nur auf die landesherrlichen
Aemter: in den Güter-Districten hing Alles von dem Willen der Guts-
herren ab. Dies erleichterte hier zwar die Ausführung, da der Guts-
herr durch den Widerspruch seiner Bauern nicht gehemmt war, be-
liebig die Hufen der besseren Arrondirung wegen grösser oder klei-
ner machen, ihnen auch Land zu Gunsten der Instenstellen abnehmen,
Hufengebäude aus den Dörfern verlegen konnte u. s. w. Allein dage-
gen fielen auch die Kosten der Veräusserung, Bonitirung und Feld-

eintheilung, wie des Ausbaus ihm allein zur Last 4""); und es kam also
darauf an, ob er im Stande war, eine so bedeutende Kapitalauslage
zu machen, die erst später durch erhöhete Einnahme aus den Hufen
sich verzinsen konnte.
Die Gutsbesitzer fassten die Sache indessen mit Energie an.
Nicht wenige Feldregulirungen der Gutsdörfer waren schon vor Ab-
lauf des vorigen Jahrhunderts beendet; und zur Zeit der gesetzlichen
Aufhebung der Leibeigenschaft werden nur wenige, vielleicht gar keine
noch rückständig gewesen sein.
Auch in den landesherrlichen Aemtern war die Reform bald
nach dem Beginne des 19. Jahrhunderts schon fast allgemein durch-
geführt worden und es ist der Ruhm der Herzogthümer wie Däne-
marks, so durch ein wohlgeordnetes Agrarwesen unter allen Ländern
Europas den ersten Rang erlangt zu haben. —
*) Im sogenannten grossfürstlichcn Antheil von Holstein war schon kurz
vor der Wiedervereinigung desselben mit dem altköniglichen Antheile mit dieser
Regulirung der Feldmarken ex officio ohne alle Provocation der Feldinte"ressen-
ten der Anfang gemacht worden: 1768.
Vgl. Hanssen, das Amt Bordesholm, Kiel 1842, p. 159 ff.
•*) Nur die Eingrabung, Umwallung und Zäunung der neuen Koppeln (die

Hufe erhielt ihren Landbesitz meist in 8— 10 Koppeln) mussten die Bauern selber
übernehmen, erhielten aber auf manchen Gütern hiezu eine Beihülfe vom Guts-
herrn. Von den Gemeinweiden wurde nicht selten bei der Einkoppelung ein Theil
zur Weide für Jungvieh und Kleinvieh reservirt und erst später, nachdem man
sich von der Entbehrlichkeit auch dieses gemeinsamen Weidelandes überzeugt
hatte, nachträglich unter die Feldinteressenten pro rata vertheilt.

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73

Wie im dritten Abschnitte referirt worden, hatte sich die Gesetz-


gebung im Wesentlichen damit begnügt, die Leibeigenschaft und die
ungemessenen Hofdienste vom 1. Januar 1805 an aufzuheben. '

Das bisher von Manchen bezweifelte ausschliessliche Eigenthums-


recht des Gutsherrn an den bäuerlichen Landstellen war nun von der
Regierung indirect anerkannt worden. Die Gutsherren wurden nur
verpflichtet, diese Stellen zu conserviren und durften sie fortan nicht
den Gutshöfen incorporiren oder neue Meierhöfe daraus bilden.
Im Uebrigen behielten sie völlig freie Hand, diesen Theil ihres
Grundeigenthums gleich den Gutshöfen zu nutzen und zu verwerthen,
wie sie konnten und wollten. Es war ihnen gestattet, die bisherigen
Hufner zu vertreiben, denen sie dann bloss die Altentheils- Versorgung
schuldig waren.
Sie konnten den bisherigen Hufhern oder anderen Gutsunteige-
hörigen oder Fremden die Stellen pachtweise und zwar auf eine kür-
zere oder auf eine längere Reihe von Jahren oder erbpachtlich oder
zu völligem Eigenthum überlassen und dabei die Bedingungen bis zu
der Höhe schrauben, zu welcher sie noch willige Contrahenten inner-
halb oder ausserhalb ihrer Güter fanden. Sie konnten bei der Zeit-
pacht das Aequivalent für die Nutzung der Hufen ganz in Diensten,
oder ganz in Naturallieferungen oder ganz in Geld oder theilweise in
der einen Form, theilweise in den anderen Formen feststellen.

Sie konnten das Erbpachtverhältniss beliebig reguliren: mit oder


ohne Kaufgeld (Erbbestandgeld beim Antritte) und darnach mit einem
niedrigeren oder höheren jährlichen Geld- oder Getreide-Canon, unter
Vorbehalt von Diensten oder ohne dieselben u. s. w.
Sie konnten endlich die Hufen für ihre Rechnung mit gesonder-
tem Haushalte und Wirth schaftsbetrieb durch einen Verwalter, Voigt
oder Knecht administriren lassen: eine Art der Nutzung, welche in-
dessen als die offenbar unvorteilhafteste nirgends eingeführt worden
ist, ausgenommen etwa vorübergehend mit einzelnen Hufen, wenn die
spätere verbotene Niederlegung derselben beabsichtigt wurde. —
Es dachten nun die Gutsherren nicht daran, den Betrieb der
Oekonomien von Neuem auf die jetzt coutraetlich festzusetzenden
Dienste der Untergehörigen zu gründen und so die alte Frohnwirth-
schaft, wenn auch unter milderen Formen und genauerer Regulirung

zu verewigen. Die Bestimmung der Verordnung vom 17. Juli 1805,


dass^die" Dienste nicht durch ihr Uebermaass den gehörigen Betrieb
der bäuerlichen Landstellen hindern sollten, hätte die Reconstituirung
selbst täglich zu leistender Dienste nicht hindern können, da der

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74

Hufner, statt eine gewisse Pachtsumme zu zahlen, eben sowohl im


Stande sein konnte, ein besonderes Gespann Pferde mit einem Knechte
ausschliesslich für die Hofwirthschaft zu unterhalten, mithin dann
durch die Dienste iu seiner eigenen Wirthschaft nicht gestört sein
würde.
Aber den Vorzug der Arbeit mit frei gewählten Tagelöhnern und
Knechten und mit eigenen Pferden vor den Hofdiensten hatten die auf
einer Anzahl von Gütern bereits gemachten Erfahrungen doch schon
hinlänglich dargethan, und man war darüber einig, dass wenn die
Frohnen unter der Leibeigenschaft nicht viel werth gewesen, es nach
Aufhebung derselben noch viel bedenklicher sei, die Bewirthschaftung
der Höfe von ihnen abhängig zu machen.
Allgemein wurde Geldzahlung als das angemessenste Aequivalent
für die Ueberlassung der Hufen angesehen, woneben viele Gutsbesitzer

jedoch gewisse Hülfsdienste, namentlich für die Erndte, sich reserviren


zu müssen glaubten. Dabei handelte es sich auch jetzt, wie bei den
vor 1805 ausgeführten einzelnen Güter- Regulirungen um die Streit-
frage, ob die Verpachtung der Hufen auf eine gewisse Reihe von
Jahren oder ihre Vererbpachtung (welche in den Herzogthümern der
völligen Eigenthumsverleihung fast gleich kommt) zweckmässiger sei.
Die Erbpacht war schon vor 1805 in Angeln und nördlich davon
(Sundewitt u. s. w.) wohl ganz allgemein eingeführt worden, theilweise
auch in dem südlich angrenzenden Schwansen, blieb dagegen im Dä-
nischwohld (dem südlichsten Districte an der schleswigschcn Ostküste)
und in Holstein auch nach 1805 eine nur sporadische Erscheinung.
Die meisten Gutsbesitzer waren hier ganz entschieden für die Zeit-
pacht gestimmt
Bauern noch nicht für reif zur Erlangung erb-
Sie hielten ihre
pachtlichen Eigenthums, und häufig mögen diese es wirklich sowohl
persönlich als auch nach ihren Mitteln damals noch nicht gewesen
sein, und weder den Wunsch noch den Muth gehabt haben, dieses
Verhältniss anzutreten.
Der wahre Nutzungswerth der Hufen konnte sich erst allmählig
herausstellen; der Werth, welchen sie bisher unter der Leibeigenschaft
und den Frohnen für den Gutsherrn gehabt hatten, gab keinen siche-
ren Anhaltspunct für die künftige Grundrente, die der Eigenthümer
als Pacht fordern konnte und der Pächter zu bezahlen vermochte. Dio
Bauern konnten erst allmählig durch Arbeit und Anstrengung wirt-
schaftlich sich emporarbeiten, ihr Wohlstand und ihre Zahlungsfähig-
keit machte sich keineswegs durch die persönliche Freiheit und Ab-

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75

Schaffung der Frohnen wie von selber. Es war zu erwarten, dass sie

unter der vorbehaltenen gutsherrlichcn Anleitung und Controle wäh-


rend der Pachtjahre zu ordentlichen Wirthen ohne schweres Lehrgeld
sich heranbilden würden.
Die Gutsherren mussten mit niedrigen Pachtsätzen aufangen, die
den Werth der bisherigen Hof-Dienste nach Abzug der auf die Con-
servation der Hufen verwendeten Ausgaben anfangs nicht viel über-
steigen durften. Sie konnten aber später eine angemessene Steigerung
der Pacht eintreten lassen, die ihnen nicht zu verdenken, da kein
Grund abzusehen, warum der spätere höhere Ertrag der Hufen allein
den Bauern zu Gute kommen solite. Die Zeitpacht empfahl sich dem-
nach jedenfalls für die Uebergangsperiode auf sehr vielen Gütern als
die beste Einrichtung, um das Wohl und die Interessen der Gutsher-
ren und der Bauern in gleichem Maasse mit einander zu verbinden.
So ungefähr war die vorherrschende Ansicht der holsteinischen
und südschleswigschen Gutsherren, welcher unter den damaligen Pu-
blicisten auch Schräder in seiner erwähnten Abhandlung beitrat*)

Es wird nun unsere Aufgabe sein, in zwei Capiteln darzustellen,


wie die bäuerlichen Verhältnisse auf den adeligen Gütern nach Auf-
hebung der Leibeigenschaft und Hofdienste theils unter der Zeitpacht,
theils unter der Erbpacht sich gestaltet haben.

Wir haben zu diesem Zwecke eine Menge von Freilassungs- und


Abfindungsacten, Zeit- und Erbpacht -Contracten, Verkaufsbedingun-
gen und anderen Dokumenten aus einer Anzahl von adeligen Gütern,
die in verschiedenen Gegenden der Herzogthümer liegen, durchgese-
hen und verglichen**).
Als Regel kann man annehmen, dass die seitherigen leibeigenen
und dienstpflichtigen Hufner, wenn sie nur irgend dazu qualifkirt wa-
ren, auf den Stellen gelassen wurden und sich behaupteten und da^s
die Nachkommen derselben noch gegenwärtig auf diesen Stellen wirth-
schaften, so weit nicht einzelne Familien ausgestorben, zu Grunde ge-
gangen oder fortgezogen sind. Die Hufner bei Aufhebung der Leibei-

*) I, p. 302 und 303.


Provinzialber. 1797,
**) Derartige Documente sind veröffentlicht worden in den Provinzialber.
von 1787, p. 36 ff. und 576 ff. und in Xiemann's Misccllaneen historischen, sta-
tistischen und oekonoroischen Inhalts. Altoua und Leipzig, 2 Bände 1798 und
1799, Bd. I,p. 190-269 und 336—352; Bd. II, p. 11—54. Wir haben ausserdem
aus den Archiven verschiedener Güter geschöpft und durch eigene Anschauung
an Ort und Stelle eine genauere Kunde der wirklichen Zustande zu gewinnen
Gelegenheit gehabt.

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76

wenn etwa Fremde mehr Geld für


genschaft in Masse zu exmittiren,
die Nutzung oder den Erwerb der Hufen zu geben geneigt waren,
davon wurden die meisten Gutsbesitzer durch die Humanität ihrer
Gesinnungen, manche auch wohl durch den Hinblick auf die ihnen
nach der Verordnung vom 19.December 1804 dann zur Last fallende
Altentheilsvcrsorgung abgehalten *).

Noch ist hier als eine eigenthümliche Procedur zu bemerken,


dass einige Gutsherren im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts die
Dörfer von den Gutshöfen abtrennten und verkauften, so dass diesel-
ben nun einen besondern Grundherrn erhielten, dabei aber der
obrigkeitlichen Gewalt des Gutsherrn und der Jurisdiction des Gutes
unterworfen blieben. Dadurch wurde immer ein für die Bauern un-
günstiges Verhältniss geschaffen, indem der neue, zwischen sie und
den Gutsherrn eingeschobene Grundherr präsumtiv nur ein Spekulant
war, der auswärts wohnend und ohne persönliches Interesse für seine
Bauern lediglich darauf ausging, die Pachtgelder derselben nach dem
Ende der laufenden Pachtperiode möglichst zu schrauben oder beim
Uebergange zur Erbpacht das Maximum von Kaufgeld (Erbbestand-
geld) und jährlichem Canon zu stipuliren. Glücklicherweise ist ein
solcher Verkauf von Dörfern indessen nur ganz ausnahmsweise vor-
gekommen.

ERSTES CAP1TEL.

Das bäuerliche Zeitpachtverhältniss auf den adeligen Gütern.

Die mit den Bauern beim Beginne des Pachtwesens abgeschlos-


senen Contracte sind zwar für die sämmtlichen Bauern eines Gutes
(jedenfalls für die derselben Dorfschaft eines Gutes angehörigen Bauern)
gleichlautend, jedoch auf den verschiedenen Gütern sehr verschieden
abgefasst worden: mit mehr oder weniger Genauigkeit und Sorgfalt,
je nach der grösseren oder geringeren Vorsicht und Aengstlichkeit

*) Eine rückwirkende Kraft auf die vor 1805 schon beendigten Güter -Re-

gulirungen wird diese Verordnung nicht geäussert haben. Dass bei diesen aller-
dings Beispiele von rücksichtslosem und hartem Verfahren gegen die damals vor-
handenen Hnfner vorkamen, ist schon oben erwähnt worden.

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77

der Gutsherren. Wenn sie mitunter sehr kurz sind und eine Menge
von Puncten, die beim Pachtwesen zur Frage kommen und streitig
werden könnten, unerörtert lassen, so darf man voraussetzen, dass
das ganze Verhältniss dann mehr als anderswo auf gegenseitigem
Vertrauen beruhete oder auch dass die Gutsherren auf die vorbehal-
tene Oberaufsicht über die Hufenwirthschaften und die nicht selten
am Schlüsse der Contracte ausgesprochene Androhung der Absetzung
der Hufenpächter wegen schlechter Wirthschaft und Nichterfüllung
der Bedingungen sich verlassen haben. Jedenfalls hatten misslieb ige
Hufner Kündigung mit Ablauf der Pachtzeit zu gewärtigen.
die
Wir wollen nun dieses Hufenpachtverhältniss nach den einzelnen
Hauptpuncten erörtern und hiebei uns an die Bestimmungen halten,
welche als die gewöhnlichen (auf den meisten Gütern getroffenen) an-
zusehen sind, woneben jedoch die auf einzelnen Gütern, soweit unsere
Kunde reicht, vorkommenden Abweichungen die nöthige Berücksich-
tigung finden werden. Es sollen hiebei die ursprünglichen Pachtcori-
tracte zu Grunde gelegt und die Abänderungen, welche dieselben im
Laufe der Jahrzehnte erhalten haben, am Schlüsse dieses Capitels
noch besonders angedeutet werden. Doch lässt es sich nicht vermeiden,
auf die Pachtcontracte der späteren Zeit schon hier zuweilen mit Be-
zug zu nehmen.

1 . Die Hufenländereien.

Nach Aufhebung der Feldgemeinschaft wurden über die vermes-


senen und verkoppelten Hufen sogenannte Erdbücher angelegt. Unter
Hinweisung auf das Erdbuch wird in den Contracten das Areal der
Hufen angegeben, doch meist mit dem Zusätze: dass für die Richtig-
keit der Vermessung nicht eingestanden werde; oder es wird auch
ohne Angabe des Areals in den Pachtcontracten lediglich auf die
Nummer der Hufe und die näheren Angaben des Erdbuches verwiesen.
Aufgemessen war das Land nach Tonnen, deren Flächeninhalt
aber nicht überall derselbe war. Am häufigsten wurde wohl die soge-
nannte Saat-Tonne von 240 Quadrat-Ruthen ä 16 Quadrat-Fuss hamb.
(= c.
l
2 /6 preussische Morgen) angewendet, demnächst auch die
grosse sogenannte Kammer-Tonne von 320 Quadrat-Ruthen, nach
welcher die Domainen bei ihrer^Niederlegung vermessen waren; ausser-
dem kamen Tonnen von 300 Quadrat-Ruthen, bei Wiesen von 250
Quadrat-Ruthen u. s. w. vor. Die 1802 eingeführte Steuertonne ent-
hält 260 Quadrat-Ruthen.

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78

In Angeln wurde der alte dort übliche Heitacheffel von 144 Qua-
drat-Rutben beibehalten.
Selten wurde nach sogenannten bonitirten Tonnen verpachtet In
diesem Falle war das beste Land einer Feldmark = 1 («Tonne Boni-
tät») gesetzt und alles Übrige Land, nach dem Verhältnis«, wie es
schlechter war als jenes durch grössere Quantität hierauf reducirt
worden, so dass z. B. von dem Lande, welches nur halb so gut war
als das beste Land, 2 Tonnen Areal einer «Tonne Bonität» oder einer
Tonne des besten Landes in dem Pachtsatze gleichgestellt wurden*).
Dass die Hufner auf einer und derselben Feldmark gewöhnlich
gleich viel Pacht von jeder Tonne Landmaass ohne Rücksicht auf die
Bodenbeschaffenheit zahlen mussten, führte nicht zu einer merklich
ungleichen Belastung derselben, weil, wenn die Feldmark aus Lände-
reien von verschiedener Güte bestand, dann auch die Koppeln so an-
gelegt und vertheilt waren, dass jeder Hufner in möglichst gleichem
Verhältnisse an den besseren und schlechteren Ländereien participirte.
So viel als möglich waren die Hufen derselben Feldmark bei der
Verpachtung wieder gleich gross gemacht worden (d. h. die Vollhufen
unter sich und eben so die Halbhufen unter sich u. s. w.), wenn etwa
diese ursprüngliche Gleichheit im Laufe der Zeiten auf irgend eine
Weise, z. B. durch Landabnahme von deu einzelnen Hufen
ungleiche
zur Vergrö8serung der Haupthöfe oder zur Anlegung von Meierhöfen
sich verloren hatte.
Aber in den verschiedenen Gütern und selbst in den verschiede-
nen Feldmarken desselben Gutes sind die Hufen von sehr ungleichem
Umfange, was weniger von der verschiedenen Fruchtbarkeit der Ge-
genden herrührt (wie in den Amtsdistricten, wo die Hufen in den
sandigen Gegenden grösser, in den schweren fruchtbaren Gegenden
dem Umstände, ob und in welcher Ausdehnung
kleiner sind) als von
die eben erwähnten Landabnahmen auf den verschiedenen Gütern im
Laufe der Zeit vorgenommen worden sind **).
Selten werden die Vollhufen unter 50 —
60 Tonnen ä 240 Qua-

Ein Beispiel dieses Verfahrens gab das Gut Blumeadorf bei Oldesloe, wo
*)

s. Tonnen vermessene halbe Hufe zu circa 22 J Tonnen Bonität an-


B. eine zu 82
gesetzt wurde.
*) Dass die Gutshöfe ausser durch Niederlegang ganzer Hufen auch durch
Verkleinerung derselben vergrößert worden, kann man aus dem Umstände
schliessen, dass wenn Amtsdörfer und Gutsdörfer in derselben Gegend durch ein-
ander liegen, die Hufen der enteren gewöhnlich erheblich grösser sind als die
der letzteren, bei gleicher Bodenbeschaffenheit

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drat-Rutfaen halten, häufiger sind sie 70 — 80 Tonnen gross und uucb


wohl darüber; vor Auftheilung der Gemeinheiten hatten sie weniger
Land unter Cultur.
Da die Arrondirnng der Hoffelderund der Guts-Forsten gegen
die Bauernfelder und der Hufenländereien unter einander bei Aufhe-
bung der Feldgemeinschaft nicht überall befriedigend ausgefallen war,
insbesondere, wenn ein gleichzeitiger Ausbau von Hufen aus den Dör-
fern gar nicht, oder nicht iu hinreichender Weise Statt gefunden hatte,
so wurde in die Contracte auch wohl die Bedingung aufgenommen,
dass der Hufenpächter einen Austausch von Ländereien während der
Pachtzeit sich gefallen zu lassen habe, wobei ihm jedoch zugesichert
wurde, dass er gleich gutes Land wieder erhalten solle.
Ausserdem findet man häufig den Vorbehalt, dass der Gutsherr
während der Pachtzeit einige Tonnen gegen angemessene Kürzung in
der Pachtsumme abnehmen könne *). Hiebei scheint seltener an wei-
tere Vergrösserung des Hoffeldes, als an weitere Gründung von klei-
nen Landstellen für Tagelöhner mit dem wachsenden Bedürfnisse von
Arbeitskräften gedacht zu sein, auch wohl an Verbreiterung der Wege,
Abrundung der Gutsforsten u. s. w.
Die Hufenländereien bestehen ausser dem an die Gebäude stossen-
den Garten in der Kegel nur aus Aeckern und Wiesen, indem die
Gutsherrschaft die Forsten und Torfmoore sich reservirt hat
Zwar wurde auf einigen Gütern bei Aufhebung der Feldgemein-
schaft jedem Hufner eine besondere Holzkoppel ausgeworfen; auch
mag hieund da von Alters her eine gemeinsame Dorf-Hölzung trotz
der Gutsherrlichkeit sich erhalten haben. Indessen war es überaus
schwierig, die Bauern trotz der vorbehaltenen Aufsicht zu einer ir-
gend erträglichen Forstwirtschaft zu bewegen.
Die meisten Gutsherren zogen es deshalb vor, den Hufnern in

den Contracten gewisse Deputate von Brennholz (auch von Nutzholz)


zuzusichern oder eine Moor -Fläche zum Torfstechen anzuweisen, so
wie auch für die übrigen Gutsuntcr gehörigen in dieser Weise zu sor-
gen. Lässt die Gutsherrschaft das Holz auf ihre Kosten schlagen und

*) In den Hufen-Pachtcontracten eines Gates von 1802 fanden wir für solche
Landabnahme gar keine Grenze angegeben, dagegen die Vergütung für diesen
Fall per Tonne etwa doppelt so hoch bestimmt, als das Pachtgeld per Tonne be-
trug. — Uebrigens kommt auch die Bedingung vor, dass die Hufenpächter eine
Vergrösserung ihrer Stellen durch eine begrenzte Zahl von Tonnen Landes wäh-
rend der Pachtzeit unter entsprechender Erhöhung des Pachtgeldes sieb gefallen
lassen müssen.

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klaftern, so bezahlen die Hufner dasselbe nach einer massigen Taxe.


Besorgen letztere aber selber das Hauen der angewiesenen Bäume
oder das Ausroden des Stubbenholzes, so haben sie für das Holz
nichts zu entrichten. Das Einfahren des Holzes und das Stechen und
Einfahren des Torfes ist immer ihre Sache. Der Verkauf des ihnen
überlassenen Holzes oder Torfes ist ihnen untersagt.
Ausser diesen Deputaten geniessen sie noch das Buschholz auf
den Erdwällen ihrer Koppeln, welches im Turnus gekappt wird, und
zwar in jedem Jahre von der Koppel, welche aus der Dreesch aufge-
brochen und wieder unter den Pflug genommen wird *).

Die auf den Erdwällen (Knicken) oder in den Koppeln selber


vorhandenen Eichen und Buchen hat sich die Gutsherrschaft gewöhn-
lich vorbehalten und ausserdem hie und da die Bestimmung getroffen,
dass. die Hufner jährlich eine gewisse Anzahl von Bäumen (Eschen,
Pappeln u. s. w.) pflanzen müssen, welche vom Gutshofe geliefert wer-
den und demselben im wachsbaren Zustande wieder zufallen.

2. Die Hufengebäude.

Kurz vor oder mit dem Beginne des Pachtwesens Hessen viele
Gutsherren die Hufen-Gebäude revidircn und in besseren Stand setzen,
ganz alte und schlechte niederreissen und ausserhalb des Dorfes mög-
lichst in der Mitte der zu der betreffenden Stelle gehörigen Lände-
reien wieder aufbauen, womit sie auch später fortfuhren, wenn die
Gebäude einer Hufe baufällig geworden oder durch eine Feuersbrunst
vernichtet waren.
Die Gebäude wurden verzeichnet und beschrieben und der Päch-
ter musste sich verpflichten, dieselben nach Ablauf der Pachtzeit in
demselben Stande wieder abzuliefern, in welchem sie ihm beim An-
tritte der Pacht überliefert waren, wobei aber schwerlich an Ersatz
für die unvermeidliche Abnutzung der Gebäude gedacht sein wird.
Nähere Bestimmungen fehlen meistens in den Contracten. Zuweilen
heisst es, dass das bei der Ablieferung Mangelnde ersetzt werden solle,
ohne dass über die Ausmittelung und Feststellung dieses Ersatzes et-
was gesagt ist.
Nur in den Hufen-Contracten Eines Gutes haben wir die Anord-
nung gefunden, dass die Gebäude beim Anfange und Ende der Pacht

*) Bis die Weide-Periode wieder beginnt ist dann das Buschholz wieder

so weit herangewachsen, dass das Vieh an dem Ausbrechen aus den Koppeln ge-
bindert ist.

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von vier unparteiischen Männern, deren zwei vom Gutsherrn, zwei


vom Hufenpächter ernannt werden, nach ihrem Geldwerthe (axirt
werden sollen, um darnach die etwaige Entschädigung zu bemessen,
wornach allerdings bei strengem Verfahren der Pächter auch für das
Aelterwerden der Gebäude hätte bezahlen müssen.
Ebendaselbst wurde auch den Hufnern die Aufführung neuer un-
nöthiger Gebäude verboten, wahrscheinlich um alle Ansprüche auf
künftige Einlösung derselben von vorne herein abzuschneiden.
Auf einem anderen Gute wurden bloss die Wohngebäude der
Hufner ohne dass die Contracte über die Anwendung dieses
taxirt,

Taxatum bei künftiger Wiederablieferung der Hufen etwas enthalten.


Hie und da wurde den Hufnern verboten, eigenmächtig Verän-
derungen mit den vorhandenen Gebäuden vorzunehmen, meistens
aber als selbstverständlich angesehen, dass ihnen dieses nicht er-
laubt sei.

Vernichtung oder Beschädigung der Gebäude durch Stürme,


Feuersbrünste oder andere Unglücksfälle traf den Gutsherrn, der für
den Wiederaufbau zu sorgen hatte, jedoch wenn eine Feuersbrunst
durch offenbare Schuld des Hufners oder seiner Angehörigen ent-
standen war, selbstverständlich gegen diesen seine Entschädigungsan-
sprüche verfolgen konnte, was in den Contracten einiger Güter aus-
drücklich zu bedingen für nöthig erachtet wurde.
Es war Sache der Gutsherren, ob sie die Hufengebäude gegen
Feuersgefahr versichern wollten; auf grossen Gütern und bei zer-
streueterLage der Hufen-Gehöfte trugen sie, statt die damals noch
hohen Versicherungs- Prämien zu zahlen, lieber das Risiko selber;
manche mögen auch aus blosser Sorglosigkeit nicht versichert haben.
Auf einem Gute wurde neben ungewöhnlich langer Pachtzeit die
Einrichtung getroffen, dass der Gutsherr die Gebäude versicherte, wo
und wie er es für angemessen hielt, die Hufner dagegen die Versi-
cherungsprämie bezahlen mussten, nach etwaigen Feuersbrünsten den
von der betreffenden Versicherungsgesellschaft ausgezahlten Ersatz
angewiesen erhielten und dann selber den Wiederaufbau nach dem
Taxatum, zu welchem sie die Gebäude übernommen hatten, auf ihre
Rechnung besorgen mussten. Auf demselben Gute mussten die Päch-
ter auch die uConservation und Reparatur» der Gebäude ganz über-
nehmen, wozu sie das Bauholz aus den herrschaftlichen Forsten ge-
gen die Taxe (die wohl immer etwas niedriger war, als die laufenden
Preise) angewiesen erhielten.
R«ns*eo, Aofheb. d. Leibeig. 6

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*~N#
82
V»V N» »V »-^

Gewöhnlich mussten die Hufner die Unterhaltung der Gebäude


Obernehmen, wozu die Gutsherrschaft das nöthige Material zu liefern
versprach. Hierüber kommen aber mancherlei Variationen in den
Contracten vor.
So z. B.: der Gutsherr liefert nicht alle Materalien, sondern uur
bestimmt bezeichnete, wie Holz, Mauersteine, Schoof, Schechten und
Weiden; oder Bauholz, Steine und Kalk; oder bloss Holz und Steine;
oder Alles, mit Ausnahme des Langschoofes (zum Decken der Dächer).
Dabei hat der Pächter die Materialien immer selber anzufahren.
Oder: der Pächter muss alle kleinen Reparaturen selber bestrei-
ten und erhält nur für grosse Reparaturen Holz und Ziegelsteine, ohne
dass grosse und kleine Reparaturen näher abgegrenzt sind.
Oder: der Pächter erhält ausser Lieferung des Materials Alles
vergütet, was er über eine bestimmte Summe jährlich (z. B. 6 Rthl.)
für Reparaturen verausgabt hat.
Oder: der Pächter übernimmt die Reparatur an den Dächern al-
lein und die Reparaturen an Wänden, Fenstern, Thüren, Dielen, Oe-
"fen, Ställen u. 8. w. bis zum Betrage von z. B. 8 Rthl. jährlich, wobei
der Gutsherr das nöthige Holz liefert.

Oder: der Gutsherr liefert nicht bloss das Material, sondern


zahlt auch die Handwerkerlöhne, so dass dem Pächter nur diejenige
Arbeit zur Last fällt, welche er selber mit seinen Leuten und mit ge-
wöhnlichen Tagelöhnern ausführen kann u. s. w. u. s. w.
Alljährlich oder jedes zweite Jahr lässt die Gutsherrschaft zu ei-
ner bestimmten Zeit (auf einigen Gütern im Frühlinge nach Ende der
Saatzeit, auf anderen zum Maitage, noch anderswo kurz vor oder bald
nach der Erndte) die Hufengebäudo besichtigen und die nöthigen Re-
paraturen bestimmen und veranschlagen, worauf dann zu seiner Zeit
ob die Hufner das Angeordnete ausgeführt haben. Für
revidirt wird,
den Fall einer Versäumniss findet man auch wohl die Androhung ei-
ner gewissen Geldstrafe und die Bestimmung, dass der Gutsherr im
Wiederholungsfalle die Reparaturen auf Kosten des Pächters und un-
ter Anrechnung der Materialien ausführen lassen werde.
Gewöhnlich befindet sich bei jeder Hufe ein Backofen; die Zu-
sammenziehung derselben für mehrere Hufen oder die Errichtung von
Dorfs-Backöfen ist nur ausnahmsweise ausgeführt worden.
Zur Zeit der Leibeigenschaft befand sich regelmässig bei jeder
Hufe eine Alten theilskathe mit einem Kohlhofe (Garten) u. s. w., wel-
che für den alten abgegangenen, von dem Nachfolger in der Stelle zu
ernährenden Hufner mit seiner Frau oder für die Wittwe desselben

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zur Wohnung bestimmt war und, wenn keine Altentheiisleute vorhan-


den waren, von dem Inhaber der Hufe vermiethet werden konnte.
Bei Aufhebung der Leibeigenschaft wurden diese Altentheilska-
then meistens von den Hufen getrennt und für gutsherrliche Insten
katben erklärt, um in denselben (vermuthlich erst nach dem Ausster-
ben der zur Zeit etwa vorhandenen Altentheiisleute) Tagelöhner un-
terzubringen, die jetzt in grösserer Zahl für die Hofwirthschaften nö-
thig wurden. Später sind diese ehemaligen Altentheilskathen, so wie
sie baufällig wurden, niedergebrochen und dafür in der Nähe des
Dorfes oder Gutshofes grössere Kathen mit Wohuungs-Abtheilungen
für eine Anzahl von Insten-Familien aufgebaut worden. Liberaler wäre
es gewesen, wenn man den Hufen die Altentheilskathen gelassen und
sogleich zum Bau der nothigen Tagelöhner- Wohnungen sich ent-
schlossen hätte.
Jetzt wohnen die Altentheiisleute mit auf der Hufe selber, die
aber nach der landesüblichen Bauart nicht für zwei Familien einge-
richtet ist, und nehmen daher meistens Theil am Tische der Hufner,
wodurch bei einem nicht ganz einigen Familienleben leicht beidersei-
tiges Unbehagen entsteht. Zum Einmiethen in gutsherrlichen Kathen
fehlt die Gelegenheit, wenn dieselben schon ganz mit Insten besetzt
sind; auch sind die in diesen Kathen zu erlangenden Wohnungsräume
oft sehr dürftig und beschränkt und die Kathen liegen meist von den
Hufen in grösserer Entfernung, welche es schwieriger macht, den Alten
von dort aus Beistand in Krankheitsfällen u. s. w. zu leisten*).

3. Das Inventar.

Das notwendigste Inventar der Hufen an Pferden, Rindvieh,


Schweinen, Pflügen, Eggen, Wagen, Stallgeschirr, Milch- und Butter-
Gefässen u. s. w., verblieb auch nach Aufhebung der Leibeigenschaft
und Frohndienste Eigenthum der Gutsherrschaft, da die Humer da-
mals beim Anfange des Pachtwesens selten im Stande gewesen sein

Auf manchen Güteru kümmert sich die Gutsherrschaft gar nicht mehr
*)

um die Altentheilsversorgung derabgegangenen Hufner und hat in den Pacht-


contracten ausgesprochen, dass die Hufe selber nicht mit dem Altentheil belastet
werden dürfe, wobei es denn lediglich darauf ankommt, welche Verpflichtungen
der Hufner gegen seine Eltern persönlich zu übernehmen bereit ist Dahinge-
gen findet sich, in den damaligen Hufencontracten anderer Güter die Bestimmung,
dasa kein Kind ohne die Verbindlichkeit der Altentheilsversorgung gegen seine
Eltern eine Hufe in Pacht erhalten 9olle, mit dem Zusätze, dass dieser Nachfolger
auch seinerseits im Alter eine gleiche Versorgung zu gewärtigen habe.

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würden, dasselbe einzulösen und eigenthümlich zu erwerben. Das


sonst noch vorhandene Inventar gehörte schon früher den Hufnern
selber, z. B. einige Pferde, wenn die herrschaftlichen Inventarpferde
nicht ausreichten; die Betten mit Ausnahme der Volksbetten, das
meiste Küchengeräthe und Mobiliar, mitunter auch das Federvieh u. s. w.

Zuweilen bildete eine gewisse Quantität von Rocken, Gerste, Ha-


fer u. s. w. einen Theil des herrschaftlichen Inventars; dieselbe ent-
sprach wahrscheinlich der früher einmal angenommenen, wenn auch
später nicht mehr genügenden jährlichen Aussaat, da die anderweiti-
gen Getreide -Vorschüsse, welche die Hufner in Nothzeiten von den
Gutsherren erhalten und nicht wieder erstattet hatten, bei Aufhebung
der Leibeigenschaft wohl auf den meisten Gütern nebst sonstigen
Schulden erlassen wurden. Neben diesem Schulden -Erlasse fanden
wir in den Contracten eines Gutes das Anerbieten der Herrschaft, den
Hufnern nöthigenfalls im ersten Jahre neue Vorschüsse an Sommer-
korn zur Aussaat, an Hausstandskorn, Mehl, Grützeu. s. w. gegen das

Versprechen baldiger Rückzahlung in Geld mit 4% Zinsen zu ma-


chen. Auf einem anderen Gute wurde das zur Aussaat nöthige Getreide
im ersten Jahre den Hufnern unter der Bedingung überliefert, die
Sommersaat nach Ablauf von 6 Jahren in natura und die Wintersaat
beim Ende der Pachtzeit gut und rein wieder abzuliefern. Der vor-
handene Dünger, die beschaffte Düngung und Feldbestellung, die Heu-
und Stroh Vorräthe wurden, wie es scheint, stillschweigend als eiser-
nes, dem jedesmaligen Pächter von selber zufallendes Inventar der
Hufe angesehen und in dieser Beziehung in den Contracten, wenig-
stens in den ursprünglichen, gar nicht erwähnt; dieselben enthalten
hierüber nur gewisse oekonomische Vorschriften, wovon später.
Die kleinen Landstellen — Viertelhufen, Grosskathen — besassen
auf manchen Gütern schon früher ihr ganzes Inventar selber.
In dem herrschaftlichen Inventar der bäuerlichen Landstellen
trat nun mit Abschaffung der Hofdienste hauptsächlich die Aenderung
ein, dass die Zahl der Pferde vermindert und die der Kühe vermehrt
wurde.
Dies wurde in sehr verschiedener Weise ausgeführt, worüber uns
Folgendes bekannt geworden:
Der Gutsherr Hess dem Hufner von den vorhandenen Pferdeu
1)
die besten, so viele zum späteren Betriebe der Hufe nöthig waren,
verkaufte die übrigen und stellte dafür dem Hufner zu den bisherigen
Milchkühen noch so viele, dass derselbe nun die beabsichtigte volle
Zahl (z. B. 12) erhielt.

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2) Der Gutsherr überliess dem Hufner sänimtliche Pferde, um


die besten für den Betrieb der Hufe sieb auszuwählen und die
schlechtesten überflüssig gewordenen zu verkaufen, der Erlös verblieb
dem Hufner, der dagegen den Kuhstapel auf die vorgeschriebene Zahl
completiren musste; die anzuschaffenden Kühe mussten von genügen-
der Beschaffenheit sein, worüber gutsherrlicherseits entschieden wurde.
3) Der Gutsherr überliess dem Hufner den bisherigen Viehstand
an Pferden, Kühen und auch Schweinen zur eigenen Couvertirung in
die vorgeschriebene Stückzahl jeder Gattung, doch mit der Bedingung,
da8s jede Kuh und jedes Schwein des künftigen Viehstandes minde-
stens einen bestimmten Minimalwerth haben müsse, welche Bestim-
mung dazu führen konnte, dass die Hufner auch ihre bisherigen
schlechten Kühe und Schweine (Zuchtsäue und Faselschweine) zur
Anschaffung besserer Stücke verkaufen mussten. Von den Pferden
hiess es nur, dass sie «tüchtige Zugpferde» sein sollten.
4) Der Gutsherr Hess aus dem bisherigen Pferdestand von z. B.
12 Stück, welcher auf 6 Stück reducirt werden sollte, zuvörderst den
Hufner die 4 besten auswählen, nahm dann von den übrigen 8 die 4
besten für sich, worauf von den letzten 4 Pferden wiederum der Huf-
ner 2 wählte und die 2 schlechtesten dem Gutsherrn zufielen. Aehn-
lich wurden Pferdegeschirre, Wagen und sonstige mit dem Wegfalle
der Hofdienste in geringerer Menge erforderliche Gegenstände ge-
theilt, während anderswo die Gutsherrschaft ohne Weiteres bestimmte,

was von solchen Sachen auf der Hufe gelassen oder von derselben
genommen werden sollte.
Die der Hufe noch nöthigen Kühe schaffte der Gutsherr sodann
auf seine Kosten an, und versprach contractlith «holländermässige
Kühe» zu liefern, d. h. solche, wie sie in den Holländereien (clen
Milchwirtschaften der Gutshöfe) aufgestellt zu werden pflegten.
5) Der Gutsherr wählte sich zwei Pferde aus und. verpflichtete
den Hufner, von den übrigen Pferden die Hälfte nach seiner (des
Hufners) Auswahl zu verkaufen und dafür die Zahl der Kühe zu ver-
doppeln.
Bei den letzteu beiden Proceduren ist vorauszusetzen, dass die
Bauernpferde theil weise noch gut genug waren, um später für die
Bewirthschaftung der Gutshöfe verwendet zu werden; auf den meisten
Gütern werden sie aber von so elender Beschaffenheit gewesen sein,
dass dies nicht für rathsam erachtet werden konnte.
6) Der Gutsherr übergab das ganze Inventar, wie es auf einer
Hufe vorhanden war, nach vorgängiger Taxation desselben durch

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....
6iw
_ ^,

4 Schätzer, welche zur Hälfte von ihm, zur Hälfte von dem Hufner
ernannt wurden, dem letzteren zu beliebiger Convertirung, wobei in
den Contracten eines Gutes nur der Rath ertheilt wurde, den Pferde-
stand zu vermindern und den Kuhstand zu vermehren.
Dies Verfahren war das einfachste und zeigte das meiste Ver-
trauen auf die Einsicht des Bauernstandes; der Hufner konnte nun
alles, was er selber für überflüssig oder ungenügend hielt, durch Ver-

kauf beseitigen *) und alles Nöthige frei anschaffen. Die beim Ende •

der Pacht wiederholte Taxation ergab, ob das alsdann vorhandene In-


ventar mehr oder weniger werth war als das aus der Leibeigenschaft
übernommene wornach das Minus oder Plus resp. vom Hufner ge-
,

zahlt oder vom Gutsherrn vergütet werden musste.


Eine Taxation des Inventars konnte allerdings auch bei den
übrigen Proceduren als Grundlage für die künftige Wiederablieferung
nicht füglich entbehrt werden. Doch kamen hiebei allerlei Specialitä-
ten vor.
Auf vielen Gütern wurden die als tüchtig zugelassenen Kühe mit
dem herrschaftlichen Eisen eingebrannt, welches Verfahren bei jedem
späteren Einschüsse sich wiederholt**). Der Gutsverwalter bestimmt
bei der jährlichen Revision,* welche Kühe als nicht mehr tüchtig aus-
geschossen werden sollen und diese werden dann ausgebrannt
In Betreff des Ausschiessens wurde der Verwalter auf einem Gute
an die Norm gebunden, dass Kühe, die unter 10 Rthl. (12 Rthl.
preuss. Cour.) Werth gesunken, beseitigt werden sollten.
Diese jährliche Revision sammt dem Ein- und Ausbrennen sollte

eine wesentliche Verschlechterung des Kuhstapels verhindern. Dabei


sahen manche Gutsherren von der Werth -Taxation der Kühe beim
Antritte der Pacht gänzlich ab, so dass also auch die Wiederabliefe-
rung beim Aufhören der Pacht nur nach Stückzahl geschehen konnte,
was bedenklich erscheint, theils weil die Kühe trotz des Einbrennens
durch schlechte Fütterung, besonders noch im letzten Jahre, herunter
gebracht werden konnten, theils weil den Pächtern jeder Inipuls fehlte,

*) Man muss dabei voraussetzen, dass dem Hufner diese überflüssigen oder
ungenügenden Inventargegenstande so niedrig zutaxirt waren , dass er sie ohne
Yerlust verkaufen konnte.
Die Gutsbauern der adeligen Güter erganzen ihren Milch viehstapel durch
**)

eigene Zucht und ziehen auch noch Jungvieh zum Verkaufe an die Gutshöfe und
zum Absätze nach anderen Gegenden auf. Sie haben deshalb durchschnittlich
nur etwa 12 Milchkühe per Hufe, während sie ohne eigene Zucht durchschnitt-
lich etwa 16 würden halten können. In Angeln ist die Rindviehhaltung der
Bauern überhaupt stärker.

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besseres und theureres Milchvieh einzustellen und es gut zu füttern,


wenn sie dieses bei ihrem Abgange nicht nach dem höheren Werthe
ersetztbekamen.
Hie und da wurde die jährliche Revision und das Ein- und Aus-
brennen auch in Betreff der Pferde angeordnet, in den Contracten
einiger Güter mit der Revisionsnorm, dass ein Pferd ausgeschossen
werden solle, sobald es nicht mehr den Durchschnittswerth von dem
ursprünglichen Gesammttaxatum der auf einer Hufe mit dem Beginne
des Pachtwesens eingestellten Pferde habe.
Häufig wurden bei d$r ersten Inventur manche unbedeutendere
Geräthe und Utensilien, wie z. B. Mistgabeln, Aexte, Spaten, Schau-
feln, Dreschflegel, Hechseiladen, Siebe, eiserne Grapen, Butterfässer,
Spinnräder, Eimer u. s. w. nicht taxirt, sondern nur nach Stückzahl
verzeichnet, nach welcher denn auch die Wiederablieferung ohne
Rücksicht auf die bessere oder schlechtere Instandhaltung geschah.
Wenn in den Hufen-Contracten einiger Güter überhaupt von ei-

ner Taxation des Inventars gar nicht die Rede ist, so wissen wir nicht,
ob hier die Taxation als selbstverständlich nicht erwähnt wurde oder
ob alle Gegenstände dem Hufner nur nach Stückzahl übergeben und
also auch nur so wieder abgeliefert wurden.
Im letzten Fallemüssen die Gutsherren entweder auf die Per-
sönlichkeit und gute Wirthschaft ihrer Hufner oder auf die vorbehal-
tene Oberaufsicht ihrer Verwalter sich verlassen haben; das Verfahren
blieb aber immer ein unvollkommenes.
Doch bildet die Taxation des Hufen -Inventars bestimmt die Re-
gel auf den adeligen Gütern.
In den Contracten wird den Hufnern gewöhnlich eine «unparteii-
sche» Taxation — zugesagt, nicht aber immer eine Theilnahme an der
Wahl der Taxatoren, die dann der Gutsherr zwar einseitig ernannte,
aber schwerlich je aus der Mitte seiner Officialen, sondern aus dem
Bauernstande selber.
Die uns aus jener Zeit zugekommenen Taxationsinstrumente zeu-
gen auch von einer sehr gelinden Behandlung der Hufner und lassen
die Absicht erkennen, ihnen den Anfang des neuen Verhältnisses zu
erleichtern *).

Auf einem Gute, wo das Inventar der Hufen beträchtlich unter


dem wahren Werthe angeschlagen war, behielt sich der Gutsherr zu
Beiner Sicherheit eine jährliche Wiederabschätzung mit der Glausei
Die ganze Summe des herrschaftlichen Inventars betrog gewöhnlich nnr
*)

200— 300 Thaler (240 860 Thaler preuss. Cour.); sie wurde auch nicht verzinst.

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vor, dass, wenn dabei ein Werth-Minus von */3 sich ergebe und der
Hufner keine Sicherheit für dieses Deficit stellen könne, die Pacht
stillschweigend als gekündigt anzusehen sei.
Auf einem anderen Gute mit 6 Vollhufen wurde beim Anfange
der Pacht die eigentümliche Bestimmung in Betreff des Viehinven-
tars getroffen, dass die Taxationssumme aller 6 Vollhufen zusammen-
gerechnet und mit 6 dividirt werden sollte, um den Mittelpreis zu
finden, für welchen Jeder sein Vieh, es mochte mehr oder weniger
werth sein, annehmen solle, »damit Wirth nicht glei-
jetzt der fleissige
ches Schicksal mit dem unfleissigen habe».
Von der Regel, dass bei der Rücklieferung des Inventars der
Hufner das Werth-Plus ganz vergütet erhält, das Werth-Minus dage-
gen ganz ersetzen muss, wich man auf einem Gute in Betreff der
Pferde und Kühe (nicht auch des Acker- und Hausgeräthes u. s. w.)

dahin ab, dass bei den Pferden die Hufner das Minus ganz zu ersetzen
hätten, die Gutsberrschaft das Plus aber nur mit höchstens 30 Rthl.
für sämmtliche Pferde vergüten würde; und dass Kühe von 10 Rthl.
Werth und darüber pure zu übergeben seien, bei geringerem Werthe
aber das Minus zu ersetzen sei, ohne dass dagegen der Pluswerth der
besseren Stücke compensirt werden dürfe. Die dortige Gutsherrschaft
hatte nämlich beim Anfange der Pacht das Vieh so niedrig taxiren
lassen, dass sie bedeutend zugesetzt haben würde, wenn die Wieder-
ablieferung beim Ende der Pacht nach den nunmehrigen vollen Prei-
sen geschehen wäre.
Im Allgemeinen machen die Pacht-Contracte den Eindruck, dass
die ganze Inventar-Angelegenheit nicht eben genau und präcise fest-

gestellt wurde; die desfalligen Bestimmungen lassen mancherlei Zwei-


fel aufkommen, die zu Irrungen und Streitigkeiten wohl häufig ge-
führt hätten, wenn nicht im Ganzen so viel bona fides in dem Ver-
hältnisse zwischen den schleswig-holsteinischen Gutsherren und ihren
Hufnern obwaltete. Ersteren fällt es nicht ein, kleinlichen Gewinn zu
erstreben, und im Wesen der Letzteren liegt es nicht, betrügerisch zu
operiren. Etwaige einzelne schlechtgesinnte Bauern aber werden
durch die ganze Stellung der Gutsherren zu den Untergehörigen und
durch den Wunsch der Pachtverlängerung im Zaum gehalten.

4. Bewirtschaftung der Hufen.


Ueber diesen wichtigen Punct gehen die Contracte mancher Gü-
ter kurz hinweg, indem sie auf die gutsherrlicherseits zu ertheilenden
näheren Instructionen verweisen. So z. B.

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«Die Hofe wird dem Pächter zum haushälterischen und landubli-


chen Gebrauch und Nutzen übergeben.
Die Gutsherrschaft wird sämmtlichen Hufenpächtern einen Ob-
servationsverwalter setzen. Diesem gebührt Gehorsam und Ehrfurcht;
die Hufenpächter sind verbunden, die Revision aller Theile ihrer
ganzen Wirthschaft von dem Observationsverwalter vornehmen zu
lassen und seinen Erinnerungen und Anordnungen Folge zu leisten,
auch ihm alle sie betreffenden ausserordentlichen Ereignisse ohne den

mindesten Zeitverlust anzuzeigen.»


Eine gutsherrliche Controle über die Hufenwirthschaften ist

Überall, auch wenn dieselbe in den Contracten nicht ausdrücklich


vorbehalten wurde, vorauszusetzen; sie war bei dem damaligen Bil-

dungsstande der Bauern auf den meisten Gütern nicht zu entbehren,


mag indessen vom Anfang an sehr verschieden gehandhabt worden
sein, wie denn auch die Gutsbauern selber in einigen Districten fleissi*

ger, ordentlicher und aufgeweckter waren, als in anderen.


Einige Gutsherren räumten den Bauern schon beim Beginne des
Pachtwesens die möglichste wirtschaftliche Freiheit ein, wie z. B. die
Contracte eines Gutes nur dahin lauten , dass die Pächter ihre Hufen
«nach bester Einsicht und ordnungsmässig» zu bewirtschaften haben,
ohne gutsherrliche Genehmigung aber eine wesentliche Aenderung
mit den Koppeln nicht vornehmen dürfen und die Einfriedigung der-
selben (Knicken und Gräben) gut unterhalten müssen.
Wenn die Contracte mancher Güter in Betreff des zu befolgen-
den Turnus der Koppeln auf die «bisherige Ordnung» verweisen, so
ist damit nicht uraltes Herkommen gemeint, sondern diejenige Ord-
nung, welche einige Jahre oder einige Jahrzehnte vorher nach Auf-
hebung der Feldgemeinschaft und Auftheilung der Gemeinheiten ein-
geführt worden war. Wie schon oben bemerkt, erhielt ein Hufner bei
der neuen Feldeintheilung gewöhnlich 8 —
10 Koppeln. Diese waren
möglichst von gleicher Grösse und wurden ihrer Zahl entsprechend,
einer 8 —
lOschlägigen Feldgraswirthschaft oder mit anderen Worten
einem 8— 10jährigen Feldgras-Turnus unterworfen, welche Wirt-
schaftsweise im Wesentlichen noch bis jetzt sich erhalten hat Der
Turnus beginnt mit reiner Brache (wenigstens auf schwerem Boden);
dann wird drei, resp. vier, auch fünf Jahre hintereinander Winter -
und Sommergetreide gebauet, im letzten Jahre mit dem Getreide zu-
gleich Klee ausgesäet und dieser das folgende Jahr gemähet, worauf
das Land Weide dient.
drei oder vier Jahre in Dreesch liegt, d. h. zur
Der Reihe nach wird alljährlich diejenige Koppel, welche am längsten

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in Dreesch gelegen hat, wieder aufgebrochen, worauf der 'Turnus von
Neuem sich wiederholt
Daher heisst es denn: «Das Land muss jeder Hufoer nach der
Ordnung zubrechen, jährlich nicht mehr als Eine Koppel». Oder auch:
»Die Koppeln sind nach der bisherigen Ordnuug aufzubrechen
und nicht mehr Saaten als bisher zu nehmen.»
Zuweilen ist der Turnus auch genauer in den Contracten ange-
geben, entweder als ein gutsherrlich befohlener oder mit dem Be-
merken, dass Verpächter und Pächter über denselben sich vereinbart
hätten.
So auf einem Gute, wo zu jeder Hufe 10 Koppeln gehören, fol-

gendermaassen:
1) reine Brache; theilweise (auf leichterem Boden) Buchweizen.
2) Weizen oder Rocken, wozu gedüngt.
3) Gerste oder Hafer.
4) Rocken.
5) Hafer mit Klee.
6) Mäheklee.
7) bis 10) Weide.
ist anzusehen, dass auf einem anderen Gute
Als ungewöhnlich
die Hufner bei achtjährigem Turnus 5 Koppeln besaamen durften,
woneben eine in Brache war und eine Mäheklee trug, so dass immer
nur eine einzige Koppel in Weide lag.
Während viele Gutsherren schon damals auf den Kleebau der
Hufner so Viel Gewicht legten, dass sie denselben ausdrücklich vor-
schrieben, oft mit der Menge von Pfunden, welche auf der Tonne
Landes ausgesäet werden sollten, wurde in den Contracten von
zweien Gütern den Hufnern nur «gestattet», in die letzte Saat Kiee
mit einzusäen und diesen dann im folgenden Jahre zu mähen.
Allgemein gehaltene Bestimmungen, die nicht selten vorkommen,
z. B. dass die Hufner ihre Felder gut bestellen, gut düngen und von
Steinen frei machen, die Brachgräben gehörig ziehen, die Knicken
und Gräben um die Keppeln in gutem Stande erhalten, nur reines
Getreide aussäen sollen u. s. w., konnten nur durch die gutsherrliche
Aufsicht und Controle eine practische Bedeutung erlangen.
Manche Gutsherren hielten es für zweckmässiger, specielle Vor-
schriften — der Eine in grösserer, der Andere in geringerer Ausdeh-
nung — Von solchen
zu erlassen. sind uns in den Contracten ver-
schiedener Güter (zum Theil erst in Contracten aus etwas späterer
Zeit) insbesondere folgende zu Gesichte gekommen:

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Die Aussengräben der Koppeln müssen auf 4 Fuss Breite und 3
Fuss Tiefe (auch: auf 5 Fuss Breite und 4 Fuss Tiefe), die Binnen-
gräben derselben auf 2 '/
2 Fuss Breite und 2 Fuss Tiefe unterhalten
werden.
Der Hufner hat sich aller, zum Nachtheile Anderer gereichender
Wasserstauungen zu enthalten, muss die Bäche reinigen, das obere
stehende Wasser abnehmen u. s. w.

Zur Sicherung reiner Aussaat ist der Hufner verpflichtet, jährlich


eine bestimmte Quantität von Rocken, Weizen, Gerste und Hafer aus
der Propstei (einem östlich von Kiel gelegenen, schon damals durch
seine Lieferung vorzüglichen Saatgetreides ausgezeichneten Districte)
zu beziehen.
Es ist verboten, Heu und Stroh zu verkaufen, oder Futter und
Stroh, oder Heu, Stroh und Dünger; zuweilen mit scharfer Strafan-
drohung.
Mitunter beschränkt sich das Verbot auf den Verkauf ausserhalb
des Gutes, wohl mit Rücksicht darauf, dass die Gutsinsten Heu und
Stroh von den Bauern nöthig haben konnten. ,
Ohne gutsherrliche Genehmigung dürfen Ländereien nicht ver-
afterpachtet werden *).

Die älteste Weidekoppel, welche im folgenden Jahre Brachkoppel


wird, muss schon im Herbste dieses Jahres aufgebrochen werden.
Es muss reine (schwarze) Brache gehalteu werden, ausgenommen,
dass die Hufner in der Brachkoppel ihren eigenen Bedarf an Flachs,
Grün- oder Wickfutter bauen dürfen.
Rapssaat darf nicht ohne besondere gutsherrliche Erlaubniss ge-
bauet werden.
Wiesen dürfen nicht eigenmächtig aufgebrochen werden. Die
Wiesen sind von Maulwürfen u. s. w. zu reinigen. Wo es thunlich ist,

sollen die Wiesen überrieselt werden u. s. w. —


Nur von Einem Gute ist uns bekannt, dass den Hufnern ein be-
sonderer Impuls zu Meliorationen gegeben wurde, indem der Guts-

Die Hufner pflegen solchen Guts-Insten, welche nicht mit Land versehen
*)

sind, namentlich denjenigen, welche bei ihnen als Tagelöhner arbeiten, kleine
Flächen zum Kartoffelbau etc. einzuräumen. Auf diesen Fall scheint die ange-
führte Bestimmung kaum mit bezogen zu werden, da hiezu wohl nirgends die
guisherrliche Erlaubniss eingeholt wird. In den neuesten Hufenpacht-Contracten
der Oldenb. Fideicommissgüter ist dieses Herkommen legalisirt: «Jedoch soll eine
massige Verpachtung von Kartoffelland an die ärmeren Gutseingesessenen nicht
unier dieses Verbot fallen».

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92 >
* » ' t/% "V^

herr ihnen contractlich zusicherte, dass ihre etwaigen Nachfolger in


der Pacht ihnen eine bestimmte Geldvergütung zahlen sollten, wenn
sie eine grössere Menge Landes in bedüngtem und bestelltem Zustande,

als sie insolchem Zustande übernommen hatten, zurückgeben und ei-


nen Kleebestand auf den Feldern überliefern, auch wenn sie die Be-
friedigungen vermehrt haben würden.
Da in der Regel die eigenen Söhne die Nachfolger der Hufner in
der Pacht sind, so bleibt der Vortheil der Culturanstrengungen von
selber in den Familien; es liegt also in diesem factischen Verhältnisse
an sich schon ein Motiv, meliorirend zu wirtschaften , während
schlechte Wirtschaft, wie weiterhin noch näher anzuführen, zu sofor-
tiger Exmittirung führen kann.
Andererseits aber ist nicht zu läugnen, dass die Furcht, nach
Ablauf der Pachtperiode in der Pachtsumme gesteigert zu werden,
wenn der Ertrag der Hufen sich gehoben hat, die Hufner mancher
Güter von Culturverbesserungen abhalten kann.

5. Pachtzeit.

Der gewöhnlichste Termin für Anfang und Ende der Pacht ist
der erste Mai; doch kommt in den Contracten auch der Johannistag
und der Michaelistag vor.
Als die gewöhnliche Dauer der Pacht ist ein Zeitraum von 8
oder 10 Jahren zu bezeichnen, welcher mit der Zahl der Koppe n
(der Hauptkoppeln, da auch wohl kleine Nebenkoppeln vorkommen)
übereinstimmt, so dass der Hufner den 8 oder 10jährigen Turnus
durch Koppeln wenigstens einmal vollständig ausführen kann.
alle

Doch ist diese Uebereinstimmung nicht gerade nothwendig. So wurden


auf einem Gute die Hufen anfangs auf 13 Jahre verpachtet, wahr-
scheinlich weil die Pacht des Gutspächters, der die Frohndienste der
Hufher zu beanspruchen hatte, dann erst ablief. Aus einem anderen
Grunde, um den Bauern mehr Anregung zu einer besseren Wirth-
schaft zu geben, wurden die Hufen zweier anderer Güter gleich an-
fangs auf 15 und 30 Jahre verpachtet*). Wenn umgekehrt die Pacht-
zeit anfangs kürzer war, als die einmalige Rotation der Koppeln, z. B.
auf einem Gute nur fünf Jahre bei neunschlägiger Wirtschaft betrug,

•) In dem einen dieser Güter —


mit löjähriger Hufenpacht —
gestattete
der Gutsherr seinen Hufnern contractlich, alljährlich auf halbjährige Kündi-
gung die Pacht wieder aufzugeben, wenn sie sich nicht getrauen sollten, ihr Fort-
kommen dabei zu finden, während er selber sich für die gauze Zeit band.

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so mag dies entweder gleichfalls wegen der noch 5 Jahre währenden


Pachtzeit des Hofpächters geschehen sein oder auch weil die Ver-
pachtung der Hufen gewissermaassen nur probeweise eingeführt wurde,
mit der stillen Reservation, im Falle des Misslingens demnächst wie-
der zur alten Frohnwirthschaft zurückkehren zu müssen.
Dass nach Ablauf der Pachtzeit der bisherige Pächter, wenn er
sich nichts hat zu schulden kommen lassen, bei der Wiederverpach-
tung den Vorzug erhält, versteht sich von selber, ist indessen in den
Contracten einiger Güter ausdrücklich gesagt worden.
Nicht selten verspiechen dieselben auch oder eröffnen wenigstens
die Aussicht, dass wenn der Hufner während der Pachtzeit sterben
würde, die Pacht auf die Wittwe, sofern Bie Kinder zu versorgen habe
und der Wirthschaft vorstehen könne, oder auf das älteste Kind, wenn
dieses schon erwachsen (vermuthlich doch nur auf einen Sohn) oder
auch ganz allgemein «auf die Erben» bis zum Ende der Pachtzeit
übergehen solle; oder: dass der Hufner für den Fall, dass er während
der Pachtperiode sterben sollte oder der Wirthschaft nicht mehr vor-
stehen könne, einen Nachfolger für die noch übrigeu Pachtjahre be-
zeichnen dürfe, der dann auch, wenn nichts gegen ihn zu erinnern,
angenommen werden solle; seltener: dass einer der Erben nach Aus-
wahl des Gutsherrn succediren werde.
In den neuesten, für die Zeit von 1857 bis 1867 mit den Huf-
nern der holsteinischen Fideicommissgüter des Grossherzoglichen Ol-
denburgischen Hauses abgeschlossenen Pachtcontracten heisst es § 53
«Es ist die Absicht der Gutsherrschaft, ohne dass sie jedoch des-
falls rechtlich gebunden sein will, die Hufe, so weit thunlich bei der
Familie zu belassen. Sollte daher der Pächter während der Pachtjahre
versterben, so steht die Uebertragung der Pacht an einen der mündi-
gen Söhne zu gewärtigen.
Die Gutsherrschaft behält sich die Wahl vor und wird dabei die
Tüchtigkeit, so wie durch auswärtiges Dienen erworbene Erfahrung in
Betracht ziehen. Ebenfalls wird darauf Bedacht genommen werden,
beim Vorhandensein unmündiger Kinder bis zur Mündigkeit derselben
die Pacht durch die Mutter allein oder in Verbindung mit einem In-
terimswirth fortsetzen zu lassen.«
So anerkennenswerth diese oder ähnlich gefasste Zusicherungen
auch sind, so kommt auf dieselben factisch in so fern nicht viel an,
als auch ohne dieselben die Pachthufen in anderen adeligen Gütern,
wie schon oben bemerkt, der Regel nach in den Händen derselben
bäuerlichen Familien verbleiben und vom Vater auf den Sohn überge-

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hen. Die Ansicht von einer Art herkömmlichen Erbrechtes, welches


auch meistens schon unter der Leibeigenschaft respectirt wurde, ist

bei den Untergehörigen der Güter so tief gewurzelt, dass, wenn die
Verwandtschaftsverhältnisse verwickelterer Art sind,
z. B. der Hufher

und seine Frau beide schon früher verheirathet waren und sowohl
aus diesen früheren Ehen Kinder in die gegenwärtige Ehe gebracht
als auch in letzterer Kinder gezeugt haben, oder wenn männliche

Descendenten fehlen und nur Schwiegersöhne vorhanden sind, die


ganze Bevölkerung des Gutes für den Einen oder Anderen als den
nach Recht und Billigkeit succedirenden Hufner Partei nimmt und
den Beschluss des Gutsherrn fast wie eine gerichtliche Entscheidung
auffasst und beurtheilt.
Erfüllt ein Hufner wesentliche contractliche Verpflichtungen
nicht, so kann er vor Ablauf der Pachtperiode aus der Pacht gesetzt
werden: auf einigen Gütern schon, wenn er nicht prompt die Pacht
zahlt oder die vorbehaltenen Dienste nicht gehörig leistet und zwar
ohne weiteren Rechtsgang; auf anderen Gütern erst, wenn die resti-
rende Pacht nicht durch die eigene gutsherrliche Pfändung an Pro-
ducten u. s. w. des Hufners beizutreiben ist; auf noch anderen Gütern,
wenn bei säumiger Zahlung zugleich sich ergiebt, dass der Hufner
zurückgewirthschaftet und das Inventar verfallen lassen hat , wobei
zuweilen die Zusage einer vorgängigen unparteiischen, selbst einer
gerichtlichen Untersuchung gegeben ist.

Auf einem Gute behielt sich der Gutsherr die Aufkündigung der
Pacht vor Ablauf der Pachtperiode in einer sehr humanen Fassung
für den Fall vor, dass der Hufner durch eine auffallende, dann von
unparteiischenMännern zu untersuchende Vernachlässigung seiner
Wirtschaft oder der Unterhaltung seiner Gebäude und seines Be-
schlages oder endlich durch die selbstverschuldete Nichtzahlung des
Pachtgeldes bis zu dem Betrage für ein ganzes Jahr ihm (dem Guts-
herrn) «die unangenehme Nothwendigkeit auferlege, aus pflichtmässi-
ger Sorge für die Erhaltung des Seinigen ohne fernere Weitläufigkeit
denselben aus dem Besitze seiner Hufe zu setzen».
Die Hufenpachtcontracte eines anderen Gutes ermächtigen den
Gutsherrn, wenn der Hufner die Gebäude und das Inventar schlecht
unterhält, das Land nicht gehörig bewirtschaftet, säumig in der Zah-
lung sich zeigt und seine sonstigen Verpflichtungen nicht erfüllt, so-

fort auf Kosten desselben einen Aufseher in die Hufe einzulegen, dem
unbedingt Folge zu leisten ist. worauf die Pacht eo ipso mit dem
nächsten Maitag erlischt.

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Auf den Oldenb. Fideicommissgütern wurden die Hufner in den
ursprünglichen Pachtcontracten mit Entsetzung von der Hufe bedroht:
ganz im Allgemeinen, wenn sie sich träge, nachlässig, widerspenstig,

aufeätzig zeigen sollten, in welchen Fällen aber auch statt der Ent-
setzung eine «dem Vergehen angemessene» nicht näher bestimmte
Strafe verhängt werden könne; und speciell, wenu sie den contractli-
chen Bedingungen «freventlich» entgegenhandelten, besonders die
jährlichen Abgaben nicht prompt an den Terminen bezahlten und
damit ohne vorher nachgesuchte und bewilligte längere Nachsicht
über 4 Wochen in Rückstand blieben.
In den neuesten Contracten dieser Güter heisst es dagegen § 50
und 51: «Wenn Pächter ungeachtet einer schriftlichen Erinnerung von
Seiten der Gutsherrschaft eine Bedingung des Pachtcontracts uner-
füllt lässt, so steht es der Gutsherrschaft frei, entweder den Pacht-
contract als erloschen anzusehen und den Pächter mit dem folgenden
Maitag aus der Pacht zu setzen, oder den Pächter auf Erfüllung des
Contracts zu belangen und zugleich etwaigen Schadenersatz einzu-
fordern. Bei einem Concurse des Pächters erlischt der Pachtcontract
sogleich mit der gerichtlichen Erkennung desselben und wird alsdann
das Pachtobject zurückgenommen».
Dann wird in § 52 noch in einem besonderen Falle das frühere
Aufhören der Pacht vor Ablauf der contractlichen Pachtzeit auf, min-
destens 6 Monate vorhergegangene Kündigung ausbedungen, wenn
nämlich die Gutsherrschaft beabsichtigen sollte, die Hufe in Erbpacht,

Grundhäuer oder Eigenthum zu geben: eine Bestimmung, die die


Hufner sich gerne gefallen lassen konnten, da es dann nicht um ihre
Vertreibung, sondern um ihre eigene Erhebung zu Erbpächtern oder
Eigenthümern sich handeln würde.

6. Pachtgeld und Nebenleistungen.

Das Pachtgeld (Häuergeld, Pension, auch wohl Kanon, welcher


letzte Ausdruck jedoch der Regel nach nur bei dem Erbpachtsver-
hältnisse vorkommt) wird in den ursprünglichen Hufenpachtcontracten
mehrerer Güter als Dienstgelder bezeichnet, weil es an die Stelle der
bisherigen ordinairen Hofdienste trat.
Die ganze Umänderung war vor der Verordnung vom 19. De-
cember 1804 schwierig, wenn die Gutshöfe mit den Diensten der
Bauern verpachtet waren und die Pachtzeit der Hofpächter noch
mehrere Jahre dauerte; sie war dann überhaupt nicht sofort durchzu-

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führen, wenn die Hofpächter auf die Dienste durchaus nicht verzich-
ten wollen, in welchem Falle die Maassregel bis zum Ablauf der Hof-
pachtungen ausgesetzt werden musste. Einige Gutsherren brachten
das Opfer, ihre Hofpächter durch Bewilligung erheblicher Abstands-
gelder zum früheren Rücktritte von der Pacht zu bewegen *). Wohl
die Meisten aber wurden mit ihren Hofpächtern, insbesondere mit sol-
chen welche auf spätere Erneuerung der Pacht rechneten, dahin ei-
nig, dass Letztere die an die Stelle der Dienste tretenden Dienstgel-
der selber bezogen, wobei sie sich offenbar besser als seither standen,
wenn angemessen zu
die Mittel ihnen nicht fehlten, das Hof-Inventar
vermehren oder auch wenn die Gutsherren hiefür Sorge trugen.
Den Hofpächtern wurde mit den Dienstgeldern zugleich das
Recht übertragen, nöthigenfalls ohne Weiteres aus den Producten der
Hufe sich bezahlt zu machen, auch bei schlechter Leistung der vor-
behaltenen Hülfsdienste mit Genehmigung der Gutsherrschaft die
Hufner abzusetzen und andere wieder einzusetzen.
Als ein erträgliches, die Bauern bei einigermaassen guter Wirt-
schaft nicht drückendes Pachtgeld wurde damals ein Durchschnittssatz
von 2—2% Thlr. schl.-holst Cour. (c. 2y3 bis 3 Thlr. preuss. Cour.)

pr.Tonne von 240 Q. R. angesehen, so dass die Vollhufe von 60—70


Tonnen etwa 150 —
200 Thlr. jährlich aufzubringen hatte; ein Satz
von 3 Rthlr. oder mehr per Tonne wurde anfangs wohl nur auf weni-
gen Gütern genommen **).
Bei Eröffnung einer freien Concurrenz von Pachtsuchenden hätte
wohl häufig mehr erlangt werden können. Allein zu den Rücksichten
der Humanität gegen die bisherigen Hufner kam noch, dass der Guta-

*) Auf den Oldcnb. Fideicommissgütern wurden sammtliche Gutshöfe rorher


ans der Pacht und unter Administration genommen, um freie Hand für die Durch-
fahrung der Reform der bauerlichen Verhältnisse Tor dem gesetzlichen Schluss-
termin zu erlangen. Da die Gutshöfe unter der Administration sehr viel weniger
abwarfen, als unter der Verpachtung, so brachte die Gutsherrschaft für diesen
Zweck ein sehr erhebliches Opfer, welches übrigens unnöthiger Weise noch da-
durch gesteigert wurde, dass man erst mehrere Jahrzehnte spater wieder von der
Administration zur Verpachtung Oberging.
•*) Dabei ist zu bemerken, dass die Gutsherren nach wie vor die auf den
Hufen lastenden Grundsteuern selber abhalten. Das Gegentheil trat nur ganz
ausnahmsweise ein, und es konnte dann natürlich das Pachtgeld nicht so hoch
als sonst sein. Späterhin, als ohnehin Pachterhöhungen durch die gesteigerten
Erträge der Hufen motivirt waren, ist hie und da die Grundsteuer, wenigstens
die zu der alten ordinairen Coniributiou hinzugekommene Grundsteuer von 1802.
auf die Hufenpachter übergewallt worden.

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herr dieselben,wenn sie von den Hufen abgesetzt worden waren, vor
1805 als Gutsarrac hätte ernähren und nach 1805 als Altentheiler
hätte versorgen müssen.
Nor in den Contracten eines einzigen Gutes haben wir die Ein-
richtung getroffen, dass das Pacht-Prästandura zwar in Geld mit einem
gewissen Satze pro Tonne festgestellt, die hieraus sich ergebende
Pachtsumme aber sofort in eine gewisse Quantität Roggen, Gerste
und Hafer, berechnet nach den Durchschnittspreisen von 1785—94
incl. convertirt war und nun diese Quantität die Norm bildete, um

darnach die Pachtsumme nach den immer um ein Jahr vorrückenden


Durchschnittspreisen aus der zuletzt vorangegangenen zehnjährigen
Periode auszuzahlen. Die Absicht dabei war , einerseits dem Pächter
bei niedrigen Getreidepreisen die Zahlung zu erleichtern, andererseits
dem Gutsherrn bei einem nicht unwahrscheinlichen ferneren Sinken
des Geldwerthes die Einnahme zu sichern *).
Um den Hufnern den Uebergang in die neuen Wirthschaftsvcr-
hältnisse zu erleichtern, verzichteten mehrere Gutsherren im Anfange
des Pachtwesens — für die ersten 4—5 Jahre —auf die Hebung der
vollen Pachtsumme, indem sie dieselbe für diese Zeit um z. B. 20 —
30 Thlr. jährlich per Vollhufe moderirten.
Die Zahlung der Pacht wird den Hufnern überall dadurch be-
quemer gemacht, dass sie auf 2, 3 bis 4 passende Termine im Jahre
vertheilt ist
Einige Gutsbesitzer schlugen anfangs einen eigenthümlichen Mit-
telweg ein, indem sie den Pachtwerth der Hufen (die Summe, die sie
nach den gewöhnlichen Ansätzen als Pachtgeld hätten nehmen kön-
nen) nur etwa zur Hälfte in Geld feststellten und für die andere
Hälfte sich regelmässige Wirthschaftsdienste sicherten, weil sie fürch-
teten im freien Verkehr nicht hinlängliche Arbeitskräfte zu angemes-
senen Preisen erlangen zu können.
So wurden auf einem Gute die Hufner nur zu 85 Thlr. Dienst-
geld per Hufe von 60 Tonnen guten Weizen- und Roggenbodens
nebst zugehörigem Wiesenland angesetzt, mussten aber täglich jeder
einen Knecht und einen erwachsenen Jungen (kein Gespann dabei)

*) Dagegen lässt sich einwenden, dass der Pächter je nach dem Ausfalle
seiner Erudten bei niedrigen Preisen möglicherweise zahlungsfähiger sein kann,
als bei höheren, und dass in dem kurzen Zeiträume einer Pachtperiode der Werth
des Geldes nicht erheblich sich andern wird. Mehr Gründe sprechen für dieses
Verfahren bei der Vcrerhpachtuug, auf welche dasselbe auch in manchen Lan-
dern angewendet worden ist.
Hannen, Aofbeb. 4. LeiMg. 7

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; »8

zur Hofarbeit Der Gutsherr vergütete den Hufnern einen ge-


stellen.

wissen Lohn Hufher mussten also für die Bekö-


für diese Leute, die
stigung und Unterbringung derselben sorgen und auch den Zuschuss
zum Lohne bestreiten, wenn sie für die contractliche Vergütung die
Knechte nicht erlangen konnten. Zugleich wurde aber in den Con-
tracten stipulirt, dass wenn der Gutsherr dieses Verhältniss nicht
länger bestehen lassen wolle, das Dienstgeld von 85 Rthlr. auf 150
Thlr. erhöht werden solle.
Das gewöhnliche Verfahren war indessen, dass die Gutsherren
nur gewisse Hülfs- und Nebendienste neben dem Pachtgelde sich vor-
behielten, wobei die Meisten wohl davon ausgingen, dass die Hufner
diese Dienste mit den für ihre eigene Wirthschaft ohnehin zu halten-
den Leuten und Pferden und ohne sonderliche Störung ihres eigenen
Betriebes leisten könnten.
In Betreff der Art und des Maasses dieser Dienste wollen wir
folgende Beispiele aus verschiedenen Gütern anführen:
1 ) Gut Tage in der Heuerndte und vier Tage in der Ge-
A. Zwei
treide -Erndte mit Einem Gespann und Einem Manne; drei Tage im
Frühjahr und 3 Tage im Herbste zu pflügen mit Einem Gespann und
zwei Leuten; 18 Tonnen (1 T. =
reichlich 2% preuss. Scheffel) aus-
serhalb der Saat- und Emdtezeit auf zwei Tagereisen zu verfahren 3 ;

Zuber Fische aus dem Teiche und 5 Faden Holz aus dem Forste nach
dem Hofe anzufahren. (Der Halbhufner verhältnissmassig weniger.)
2) Gut B. Zehn Tage zu pflügen oder Dünger zu fahren 9 Tage
;

Handdienste mit 2 Personen in der Heu- und Getrcide-Erndte; 3 Ge-


treide-Fuhren von unbestimmter Ladung ausserhalb der Saatzeit zur
Stadt zu fahren.
3) Gut C. 24 Spanntage und 8 Handtage in der Erndte; 1 Ge-
spann auf 1 Tagereise.
4) Gut D. 2 Tage Handdienste in der Heu-Erndte mit 2 Leuten
und 2 Tage Handdienste in der Getreide-Erndte mit 4 Leuten, 1 Ar-
beiter auf 1 Tag zum Flachsaufziehen; 1 Getreide-Fuhre auf 1 Tage-
reise; Anfahren von 8 Faden Holz aus den Forsten.

5) Gut E. Das Pflügen im Frühling zu 4 T. Hafersaat und im Herb-


ste zu 2 Tonnen Roggen - oder Weizensaat; 2 Tage Einfahren in der
Heu-Erndte mit 1 Gespann; 2 Mann auf 2 Tage in der Getreide-
Erndte; 1 lange und 2 kurze Getreide-Fuhren nach Marktplätzen.
6) Gut F. Nichts weiter als 30 Tonnen Korn auf 4 Meilen zu
verfahren.
Dazu durchgängig: Leistung der nöthigen Fuhren bei gutsherrli-

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chen Neubauten, zuweilen auch bei Hauptreparaturen, die durch aus-


serordentliche Unglücksfälle veranlasst worden, auf den Höfen und in
den Dörfern (wozu dann auf manchen Gütern die Hofpächter mit den
Hufenpächtern concurriren müssen) oder in den Dörfern für sich allein;
und gewöhnlich auch 2—3 Tage Jagddienste im Herbste mit 1 —2
Mann (zuweilen in den Contracten motivirt mit der «Vertilgung der
schädlichen Raubthiere»); dann auch wohl gewisse Dienste zur Auf-
räumung des Mühlenteiches und Mühlenbaches; Anfahren von Eisen
und Kohlen auf 1 Tagereise für die gutsherrliche Schmiede, Vorspann
für herrschaftliche Reisen, Botendienste zur Beförderung von Briefen
bei Anwesenheit der Gutsherrachaft u. a> w.
Auf einigen Gütern wurden gar keine unentgeltliche Hülfs-
und Nebendienste bedungen, die Pachtgelder aber dafür etwas höher
als gewöhnlich angesetzt und dabei ausgemacht, dass der Hufenpäch-
ter auf Verlangen gewisse Dienste dieser Art gegen eine bestimmte
Vergütung zu leisten habe, deren Betrag dann alljährlich in der
Pachtsumme gekürzt wurde; z. B. 22 Tage Spanndienste zu Heu -,
Korn- und Dünger-Fuhren, zum Pflügen u. s. w. für Thlr. per Tag,%
eine Anzahl von Fuhren von und nach den Marktplätzen, die nach
Ladung und Entfernung vergütet wurden, und 8 Tage Handdienste,
zu 9 — 10 Schill. (7 —7% Sgr.) per Vollhufe auf einem Gute, wo die
Pacht 3 Thlr. per Tonne betrug. Auf einem andern Gute wurden in
dieser Weise von der Vollhufe nur 4 Spanntage im Jahre gegen 1

Thlr. Vergütung vorbehalten.


Diese Einrichtung hatte wenigstens das Gute, dass die Dienste
sicherlich nicht gefordert wurden, wenn sie nicht nöthig waren, wäh-
rend bei unentgeltlicher Leistung derselben die Versuchung für die
Hofpächter oder Verwalter nahe liegt, sie auch dann in Anspruch zu
nehmen , wenn die Hofwirthschaft allenfalls mit ihren eigenen Ar-
beitskräften ausreichen kann.
In den ursprünglichen Pachtcontracten einiger Güter sind ver-
schiedene Bestimmungen über die Ausführung der Dienste enthalten,
z. B. dass die Gespanne und Knechte der Hufner gleichmässig mit

denen der Höfe die Pflugarbeiten anfangen und fortsetzen müssen;


dass in der Erndte die Gespanne und Knechte zu der von den Höfen
zu bestimmenden Stunde auf Tages vorher beschaffte Ansage er-
scheinen sollen, dass bei der Erndte-Arbeit kein Mittag gehalten und
bis Abends, so lange es verlangt wird, fortgearbeitet werden muss
u. s. w.; auch Strafandrohungen für das Nichterscheinen, z. B. 1 Thlr.

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oder auch eine doppelt nachzuholende Leistung für jeden versäum-
ten Tag.
Späterhin ist die im dritten Abschnitte angeführte Dienstordnung
vom 17. Juli 1805 maassgebcnd geworden.
Die Naturallieferungen der Hufner an die Gutsherrschaft neben
den Pachtgeldern und den vorbehaltenen Diensten sind, wenn sie
überhaupt von früher her beibehalten wurden von keiner Bedeutung,,

wie sie denn schon zur Zeit der Leibeigenschaft unerheblich waren;
sie bestanden in Hühnern, Gänsen, Enten, Eiern für die herrschaftli-
che Küche, sogenanntem Hundehafer für die Jagdhunde, Säcken für
den Getreidetransport u. s. w.

Als eine indirekt zum Vortheil der Gutsherrschaft getroffene


Pachtbedingung, welche regelmässig in den Contracten vorkommt, ist

die anzusehen , dass die Hufner dem gutsherrlichen Mühlen - und


Schmiedezwang unterworfen blieben, insofern die gesicherte Kund-
schaft den Nutzungswerth der Mühlen und Schmieden erhöheten,
mochten dieselben administrirt werden oder verpachtet sein. Die Taxe
der Müller war herkömmlich und landesüblich mit dem 1 6ten Theile
der zu mahlendcn Frucht normirt Die Schmidte werden den Hufnern
nicht mehr abnehmen dürfen, als die Gutshöfe für die Arbeit dersel-
ben zahlen; die Hufenpachtcontracte eines schleswigschen Gutes ent-
halten die vernünftige Bestimmung, dass die Hufner nur so lange zur
Gutsschmiede pflichtig sein sollen, als der Schmidt eben so wohlfeile
und gute Arbeit liefern würde, wie andere Schmidte.

7. Pacht-Remission oder baare Vergütung in Unglücksfällen.

Die Hufenpachtcontracte weichen in diesem Puncte weit von ein-


ander ab. Zuweilen Übergehen sie denselben ganz mit Stillschweigen
und zuweilen (anfangs selten) sagen sie ausdrücklich, der Humer
müsse jedes Unglück selber tragen. In beiden Fällen war also der
Gutsherr rechtlich zu einer Remission im der Pachtsumme nicht ver-
pflichtet Anderswo verzichteten die Hufner zwar ausdrücklich auf jede
Remission, doch versprach der Gutsherr «aus besonderer Gnade» 50
Rthlr. per Vollhufe (und verhältnissmässig weniger für die kleinern
Landstellen) zu erlassen, wenn ein Wohnhaus in den ersten 10 Jahren
vom Winde ganz umgeworfen würde, und die Hälfte, wenn es nur
halb einstürze, (Ein Beweis von der damaligen Beschaffenheit der
Hufengebäude.)
Wiederum anderswo sollte der Pächter zwar alle Unglücksfälle

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toi

selber tragen, bei unverschuldeten Feuerschäden jedoch billiger <•

Weise» ersetzt erhalten, was ihm an Vieh, Korn oder Stroh aufbren-
nen mochte. Die Billigkeit hätte vielmehr für den Ersatz solcher Ver-
luste gesprochen, gegen welche der Pächter durch Versicherung sich
nicht zu schützen vermochte.
Auf einigen Gütern wurde den Hufnern bei totalem Misswachs,
Hagelschaden, Engerfrass u. dg]., ferner bei allgemeiner Viehseuche
und bei Gewitterschäden ein «billiger» Erlass an dem Pachtgelde
verhiessen.
Manche Gutsherren trugen kein Bedenken statt in dieser unbe-
stimmten Fassung die Remissionsansprüche der Hufner genauer zu
regeln, wobei sie indessen keineswegs übereinstimmend verfuhren, wie
folgende Citate aus den Contracten verschiedener Güter zur Genüge
darthun werden:
Gut V. Wenn Misswachs oder Feldschaden alle Ackerschlage
1)
betroffen hat,und der Pächter nachweisen kann, dass er in der Aus-
wahl des Saamens und in der Bestellung des Landes nichts versäumt
hat, so wird nach vorgängiger Untersuchung von Unparteiischen das
dritte Korn vergütet (d. h. das Dreifache der Aussaat, wenn weniger
geerndtet worden).
Einigt man sich nicht über das Resultat dieser Untersuchung, so
ernennt jede Partei einen beeidigten Schätzer, und wenn auch diese
Schätzer sich nicht einigen sollten, so wird von beiden Parteien ge-
meinschaftlich, nötigenfalls vom Gerichte, ein dritter Schätzer als
Obmann gewählt Im Falle eines Krieges, feindlichen Durchzuges u.
dgl. verspricht der Gutsherr dem Pächter eine «billige» Erlassung der
Abgaben angedeihen zu lassen. Was Feuerschäden betrifft, so steht es
dem Hufner wie bisher frei, in eine Mobiliargilde einzutreten, doch
nur in eine solche, welche der Gutsherr ihm bezeichnet hat (weil viele
Grundlagen beruheten); auch darf er die
dieser Gilden auf unsicheren
Entschädigung nach erlittenem Brandunglücke bei Strafe des Verlu-
stes derselben nicht ohne gutsherrlichen Erlaubnissschein in Empfang
nehmen.
2) Gut W.
a. Wenn bei Viehseuchen mehr als zwei Kühe krepiren, so wer-
den für die übrigen, höchstens aber für acht milchgebende Kühe oder
kalbige Starken 8 Thlr, per Stück vergütet, also pro maximo 64 Thlr.
b. Wenn Misswachs, Engerfrass und Hagelschaden eingetreten und
Pächter nachgewiesen, dass er in Aussaat und Feldbestellung nichts
versäumt hat, so steht er selbst den ersten dritten Theil des Schadens

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von der ganzen Koppel, worauf das Getreide durch vier unparteii-
sche Hauswirthe, wovon jeder Theil zwei wählt, auf dem Halme eid-
lich taxirt werden und wenn sich alsdann befindet, dass Pächter
soll;

entweder die Hälfte des gesammten Winterkorns oder des gesammten


Sommerkorns nicht erzielt hat, so sollen demselben die fehlenden
Körner dergestalt gut gethan werden, als: an fettem (d. h. gedüngtem)
Weizen und an Gerste das öteKorn, an fettem Roggen das 4te Korn,
an magerem Roggen das 2 ,/,te Korn.
3) Gut X.
a. Für Feldscbäden durch Naturereignisse, als Misswachs, Enger-

scbaden, Mäusefrass u. 8. w. wird nichts vergütet, mit Ausnahme der


Hagelschäden. «Wenn nach erfolgtem Hagelschlag sowohl an Winter-
korn als Sommerkorn nicht das vierte Korn eingeerndtet werden
kann, so wird dieser Verlust bis zum vierten Korn incl. von der Guts-
herrschaft nach Mittelpreisen *) ersetzt Nur muss der Schade ohne
Zeitverlust von dem Hufenpächter der Herrschaft angezeigt werden,
und dann sollen vier unparteiische Landmänner den Verlust gehörig
taxiren. Diese sind von beiden Theilen zu ernennen und können einen
Obmann unter sich durch das Loos wählen.»
b. «Wenn bei wirklich eintretender Viehseuche, worunter aber
Horn- und Lungensucht nicht gehören, dem Hufenpächter Kühe weg-
fallen, so sterben von Maitag zu Maitag zwei milcbgebende Kühe für
des Hufhers (des Vollhufhers, 1 für des Halbhufners) Rechnung; was
ohne ihre oder der Ihrigen erweisliche Schuld mehr wegfallt, wird
inventarienmässig stückweise vergütet, jedoch so, dass für jede der
Herrschaft zur Last kommende Kuh nur 1 2 Thlr. baar gut gethan wird.»

c. Bei Kriegsüberzügen soll den Hufenpächtern, was ihne,n «an


Pachtgelde und Inventarienstücken» abgenommen wird, erlassen und
ersetzt werden für sonstige Kriegsschäden aber, so wie für die gelei-
;

steten Kriegs-Fuhren und Arbeiten wird ihnen nichts vergütet; für


Einquartierungslasten haben sie «billige« Vergütung zu erwarten.
4) Gut Y. Bei Feuer- und Sturmschäden ersetzt die Herrschaft
das ihr gehörige Hufeninventar und erlässt resp. den vierten Theil
oder die Hälfte der Pachtsumme, je nachdem das Unglück innerhalb
der 7 ersten oder der 6 letzten Monate des Jahres sich ereignet hat**).

*) D. h. wohl nur nach den Mittelpreisen des betreffenden Jahres.


**) Für die letzten fünf Monate ist der Ersatz ohne Zweifel deshalb grosser
bestimmt, weil dann präsumtiv bedeutendere Productenvorrathe, als in den ersten
sieben Mouaten des Jahres auf der Hufe vorbanden sind.

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~
163 «
' '/V> -V

Bei Hagelschädeo wird die Hälfte desselben «nach unparteiischer


Männer Taxation» ersetzt Bei Viehseuchen fallen von dem (herrschaftr
liehen) Inventarvieh 1 Pferdund 2 Kühe für Rechnung des Pächters;
für die mehrfallenden werden 12 Thlr. per Kuh und der dritte Theil
von dem Taxwerthe eines Pferdes vergütet Die Inventarien-Schweine
und das dem Pächter selber gehörige Vieh krepirt für seine Rech-
nung. Bei Kriegslasten und Kriegsverlusten erhält der Pächter nur
das ersetzt, was ihm an Inventarstücken (es werden nur die herr-
schaftlichen gemeint sein) abgenommen wird; alle sonstigen Verluste
und Leiden des Krieges muss er selber tragen.
5) Gut Z. In Betreff der Feuerschäden, wie auf dem Gute Y. Von
Sturmschäden den Contracten nicht die Rede. Hagelschäden
ist in
werden auf sofortige Anzeige und gehörige unparteiische Taxation
mit % vergütet, wenn die Einbusse wenigstens 6 Tonnen Korn beträgt
Sind bei wirklich ansteckenden Krankheiten aller Art herrschaft-
liche Inventar-Pferde oder Kühe gefallen, so sterben von Maitag zu
Maitag die ersten 3 Pferde und die ersten 4 Milchkühe für des Hu-
fenpachters Rechnung; für das Plus wird 12 Thlr. per Kuh und für
jedes Pferd % des ganzen Taxatum der 6 Inventarpferde eines Huf-
ners baar gut gethan. Von etwaigen Kriegsschäden wird nur resp. er-
lassen und ersetzt, was den Hufenpächtern an Pachtgeldern*) und
Inventarienstücken abgenommen worden.

8. Gautelen und Entscheidung von Streitigkeilen über die Pacht-


contracte.

Manche Gutsherren forderten von den Hufenpächtern keine spe-


ciale Sicherheit rar die Erfüllung der contraetlichen Verpflichtungen,
indem sie sich auf die Oberaufsicht und auf das Recht, an den Pro-
dueten des Hufhers bei säumiger Zahlung durch eigene Pfändung sich
bezahlt zu machen, nöthigenfalls den Humer zu exmittiren, verliessen.
Eine Pränumeration der Pacht wurde nur selten stipulirt: auf
einem Gute bei zehnjähriger Hufenpacht als Caution in der Weise,
dass die Hufner vom fünften Pachtjahre an jährlich zu Maitag jeder
12 Thlr. pränumeriren mussten, die aber nicht in dem jährlichen

*) Diese schon beim Gute X (sub 3, c) erwähnte Bestimmung ist auffallend

und setzt jedenfalls ein grosses Vertrauen voraus. Es wird sich oft nur schwer
beweisen lassen, wie viel baar Geld der Feind den Bauern abgenommen hat und
noch schwerer, wie viel davon als zur spatem Kriegung der Pacht bestimmtes
Geld anzusehen ist.

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Pachtgelde angerechnet wurden, sondern zu 4 pro Cent Zinsen bei


dem Gutsherrn stehen blieben, und von diesem beim Ablaufe der
Pacht in der ganzen Summe zurückgezahlt wurden, wenn der Pächter
alle Prästanda geleistet und sein Inventar in Ordnung gehalten hatte.
Dagegen mussten die Ilufner gewöhnlich alle ihre Haabe und
Güter, insbesondere ihr eigenes Vieh, Mobiliar, Haus- und Feldgeräthe
u. s. w. in den Contracten zum Uuterpfande stellen.
Die Contracte enthalten auch häufig die Angelobung der Hufner,
alleBedingungen genau erfüllen zu wollen und zuweilen auch das
Versprechen des Gutsherrn, dass auch er seinerseits die übernomme-
nen Verpflichtungen getreu halten wolle, wofür in den Contracten
Eines Gutes der Gutsherr sogar gleichfalls sein sämmtliches Haabe
verpfändete.
Wie es verhalten werden soll, wenn Streitigkeiten über contractli-
che Bestimmungen entstanden sind, darüber sagen die Contracte man-
cher Güter nichts, wornach man annehmen muss, dass die Sachen bei
dem ordentlichen Forum der Parteien (wenn der Gutsherr klagt, beim
JustitiariatedesGuts, und wenn derPächter beim Landgerichte)
klagt,
anhängig zu machen sind. Ein Gutsherr erklärte in den ursprüngli-
chen Contracten, in solchen Fällen gleichfalls vor dem Justitiariate
des Gutes in erster Instanz sich einlassen zu wollen, was in den neue-
sten Contracten dahin abgeändert ist, dass nach vergeblich versuchter
gütlicher Vereinbarung eine schiedsrichterliche Entscheidung Statt
finden solle, unter Verzichtleistung beider Theile auf den gewöhnli-
chen Rechtsgang. Ein anderer Gutsherr stellte es zur möglichsten
Vermeidung allen Anscheines der Parteilichkeit in den Willen der
Huftier, mit Vorbeigehung des Justitiariates die Sache auf schieds-
richterlichem Wege endgültig entscheiden zu lassen. Diese Erledigung
ist auf den Gütern überhaupt die gewöhnliche.
Jede Partei ernennt 1 —
2 Sachverständige und diese 2 oder 4
Männer erwählen unter sich einen Obmann, über welchen, wenn sie
sich wegen der Wahl nicht einigen können, das Loos entscheidet

Auf manchen Gütern Hufen kleinere spann-


existiren ausser den
fahige Landstellen, Gross- und Klein-Kathcn, welche etwa so viel
Land haben, als die (nicht eben häufigen) Drittel- oder Viertelhufen,
mitunter sogar so viel als Halbhufncr, nur aller Wahrscheinlichkeit

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1*5

nach auf andere Weise entstanden sind, nämlich nicht durch fortge-
setzte Theilungeu der uralten Hufen, sondern auf aus der Gemeinheit
genommenen Flächen oder ausgerodetem Holzboden.
Auf einigen Gütern wurden solche Pacht-Stellen von z. B. 6—8,
1 1 — 10 Tonnen auch jetzt erst durch Niederlegnng der entferntesten
Hofkoppeln geschaffen oder durch das bei Aufhebung der Feldge-
meinschaft uud Auftheilung der Gemeinheiten zu diesem Zwecke dis-
ponibel gemachte Land gewonnen.
Mit diesen Kathnern (Stellenbewohnern, Häuerleuten) wurden
nun ähnliche Zeitpachtcontracte wie mit den Hufhern abgeschlossen.
Neben dem Pachtgelde mussten die grösseren unter ihnen, welche 2
Pferde hielten, einige Spanndienste wie die Hufner, die kleineren ei-
nige Handdienste übernehmen. Ob die Gründung kleiner Pachtstcllen
von etwa 6 — 16 Tonneu zweckmässig war, ist sehr zweifelhaft Die
(wenigen) Gutsbesitzer welche dazu schritten, setzten wohl voraus,
dass die Pächter mit ihren Kühen das Land bestellen würden, was in-
dessen nicht (oder nur ganz ausnahmsweise) in Gang gekommen ist.

Hie und da schafften diese Pächter sich jeder 1 Pferd an, so dass ih-
rer zwei immer zusammenspannen, was aber eine gegenseitige Abhän-
gigkeit bewirkt und leicht zu Misshelligkeiten führt; die meisten las-
sen ihr Land von den Bauern gegen Vergütung gleich den nachher
zu erwähnenden Landinsten bestellen. Da sie von ihrem landwirth-
schaftlichen Betriebe nicht vollständig leben können, so müssen sie

(falls sie nicht Handwerker u. s. w. sind) die Tagelöhnerei zu Hülfe


nehmen, was solche Leute nicht immer gerne thun, indem sie sich
einigermaassen schon wie Bauern fühlen. Dass Gutsgehörige dieser Art
zu regelmässiger Hofarbeit gegen bestimmten Tagelohn verpflichtet
wurden, haben wir in den Contracten nicht gefunden. Ein Gutsherr,
welcher eine Anzahl solcher kleiner Pachtstellen aus den HofFeldern
abgelegt hatte, bedang sich indessen aus, dass wenn die Inhaber die-
ser Stellen durch Tagelohn etwas verdienen wollten, sie zuerst bei
den Pächtern des Haupthofes und der Meierhöfe ihre Arbeit für den-
jenigen Tagelohn der auf den benachbarten Gütern gegeben werde,
anzubieten hätten und erst, wenn sie dort nicht nöthig wären, ausser-
halb des Gutes Arbeit suchen dürften.

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Die Insten.

Die Aufhebung der Leibeigenschaft und Frohnwirthschaft machte


auch eine contractliche Regulirung der Instenverhältnisse erforderlich,
vor Allem der Verhältnisse der Hofarbeiter, welche die grösste Masse
der Insten ausmachten. Die oekonomische Lage der Gutshandwerker
wurde weniger durch die Aenderung berührt *).
Da die Höfe von jetzt an einer grösseren Zahl von eigenen Ar-
beitern als früher bedurften, so wurde auf den meisten Gütern die
Zahl der Instenwohnungen vermehrt theils durch Einziehung der frü-
her zu den Hufen gehörigen Altentheilskathen, theils durch Neubauten.
Diese Neubauten sind ausserhalb der Dörfer an den Wegen, nä-
her hin nach den Höfen und Hofkoppeln, aufgeführt worden: Kathen
von mindestens 4 Instenwohnungen mit etwas Gartenland, auch wohl
von 8 und mehr Wohnungen (a Langereihen»).
Die Altentheilskathen sind grösstentheils schon aus den Dörfern
verschwunden, indem sie, nachdem sie baufällig geworden, gleichfalls
durch solche Neubauten ersetzt wurden. Auch die für Unterbringung
armer Insten bestimmten Kathen oder die eigentlichen Armenhäuser
sind in der Regel in einer gewissen Entfernung von den Dörfern an-
gelegt Eine solche Isolirung der Insten von der übrigen Dorfbevölke-
rung hat sicherlich ihre grossen Schattenseiten in socialer Beziehung.
Getrennt von den bäuerlichen Familien und doch nicht durch Wohn-
verband den Gutshöfen angeschlossen (wie meist die unteren Gutsoffi-
cialen und Deputatisten) erscheinen sie fast wie ausgestossen aus der
bürgerlichen Gesellschaft Unter einander geben sie sich wenig gegen-
seitigen Halt, und wenn, wie wir diese Bauart noch angetroffen haben,
für je zwei Wohnuugen immer nur eine gemeinsame Vordiele und
Küche vorhanden ist, so giebt es fortwährenden Streit und Zank un-
ter den Frauen über wirkliche oder vermeintliche gegenseitige Ent-
wendungen, über die Benutzung der Räume u. s. w. Wohnten die—
Insten mehr mitten unter den Bauern, so würden diese ihnen in

*) Gelegentlich wollen wir bemerken, da&s die Niederlassung von Handwer-

kern und anderen Gewerbetreibenden in den Gütern and sonstigen Landdistricten


gesetzlich nur in sehr beschrankter Weise mit Rücksicht auf die Rechte der
Städte und der Zünfte in den Städten gestattet ist, factiscb aber wegen des un-
abweisbaren Bedürfnisses meist darüber hinausgeht. Auf vieleu Gütern haben
die Gutsherren selber das Recht zur Concessionirung der Handwerker und Hebung
einer jährlichen Recognition von ihnen, die sie aber nicht immer fordern.

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107

Krankheits- and anderen Nothßillen leichter und williger Hülfe lei-

sten, bei grosser Kinderzahl sie mit Milch und anderen Victualien
unterstützen, ihnen Ueberbleibsel und Abfälle der Hauswirthschaft
zukommen lassen u. s. w.
Dazu kommt, dass in der Regel jeder Hufher einen bestimmten
Insten fast das ganze Jahr hindurch, und vorübergehend auch mehrere,
beschäftigt, also ein ähnliches Arbeiter- Verhältniss bei den Bauern
sich ausgebildet hat, wie in Betreff der Hofinsten bei den Gutshöfen.
Es würde daher viel passender sein, wenigstens diesen Theil der In-
stenbevölkerung so zu vertheilen, dass jeder Hufher seinen Hinter-
und zur Hand hätte. Statt den
sassen in einer Hufen-Kathe zur Seite
Hufnern die Altentheilskathen zu nehmen, wäre eine Erweiterung
derselben zu zwei Wohnungen, eine für etwaige Altentheilsleute, eine
für eine Instenfamilie wünschenswerth gewesen. Während die Insten
seither für ihre Wohnung mit Gartenland, Weide und Winterfutter
für eine Kuh das Aequivalent in Diensten, meistens in denen ihrer
Frauen, leisteten, wurden sie jetzt für die Wohnung mit Gartenland
zu einem Miethgelde angesetzt und erhielten auf vielen Gütern, so
weit es möglich war, eine Parzelle von 2—3 Tonnen Land in Pacht
Es sind dies die sogenannten Land-Insten*) (die übrigens auf einigen
Gütern schon zur Zeit der Leibeigenschaft, wenn auch in geringerer
Zahl, vorhanden waren), im Gegensatze der Hausinsten oder Won-
nungsinsten, deren Zahl auf manchen Gütern mit zunehmender Be-
völkerung jetzt schon über das Bedürfniss angewachsen ist
Für das aus den herrschaftlichen Forsten oder Torfmooren den
8ämmtlichen Insten angewiesene Brennmaterial mussten sie von nun
an eine gewisse Taxe zahlen.
Mit allen Insten wurden sogenannte Häuercontracte resp. über
die Wohnung mit Gartenland und die Landparzelle, oder über erstere
allein abgeschlossen,welche nur von Jahr zu Jahr (Mai zu Mai, auch
März zu März) mit gegenseitiger halbjährlicher Kündigung laufen
und stillschweigend prolongirt werden.
Die Hufher wurden verpflichtet, das Pflügen und Eggen, die
Dünger- und Erndte- Fuhren für die Landinsten und das Anfahren
der Brennmaterialien, auch sonst nöthige Fuhren, namentlich die Hin-
und Zurückbeförderung der Hebamme und des Predigers für die
8ämratlichen Insten gegen eine vom Gutsherrn festgesetzte niedrige

*) Auch wohl Feldinsten genannt, wenn sie etwas mehr Land, z. B. 4 Ton«
nen, erhalten haben.

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108

Taxe zu übernehmen, worüber sowohl die Hufenpacht- als die Insten-


Contracte das Nöthige enthalten. Jedem Hufner wurden in dieser Be-
ziehung bestimmte Insten überwiesen.
Die Landinstenstellen erhielten vorzugsweise diejenigen Insten,
welche man regelmässig als Tagelöhner auf den Gutshöfen beschäfti-
gen wollte. Diese sogenannten Hofinsten mussten sich dann auch für
sich und ihre Frauen (soweit letztere nicht häusliche Abhaltung ha-
ben) verpflichten, auf Verlangen täglich gegen bestimmten Tagelohn
auf den Höfen zu arbeiten, mit eigenem Geräthe, wie einige Contracte
ausdrücklich besagen. Wenn auch die Gutsherren die correspondirende
Verpflichtung, ihnen täglich Arbeit zu geben, für sich oder die Hof-
pächter in den Contracten nicht immer ausdrücklich übernommen
haben, so bildet es doch durchaus die Kegel, dass die männlichen Ar-
beiter auf die eine oder andere Weise, selbst im Winter und zuweilen
mit Opfern der Wirthschaftskasse von den Gutsherren oder den Hof-
'
pächtern unausgesetzte Beschäftigung erhalten.
Die unter der Leibeigenschaft erzwungen niedrig gehaltenen Ta-
gelohn-Sätze wurden angemessen erhöht, was auch vom Gesindelohn
galtund nothwendig war, um das Wegziehen der Leute zu verhindern,
wenn sie anderswo besseres Unterkommen finden konnten.
Erscheinen die Lohnsätze der Hofinsten zum Theil niedriger als
die gleichzeitigen inden von jeher freien Districten, so ist doch im
Ganzen und auf den meisten Gütern die materielle Lage derselben
nicht blos eben so günstig, sondern sogar günstiger als in den an-
deren Districten, weil sie das ganze Jahr hindurch gesicherten Ar-
beitsverdienst haben,im Winter gegen eine gewisse Quote dreschen,
wobei sie es auf eine höhere Einnahme als bei dem gewöhnlichen
Tagelohn bringen und für Wohnung, Land und Feuerung erheblich
weniger als den wahren Nutzungswerth zahlen.
Dazu kommt, dass der Gutsherr für die Insten den Arzt honorirt
und gewöhnlich auch die Medizin bezahlt *).
Unentgeltlich haben die Insten nur wenige Tage Handdienste im
Jahre für die Gutsherrschaft zu leisten. Der Gutsherr kann von den
Insten das sogenannte Verbittelsgeld erheben **).

•) \ur diejenigen Tagelöhner, welche auf den Höfen oder bei den Bauern
keine regelmässige Beschäftigung finden, und deren Zahl auf einigen Gütern bei
rascher Zunahme der Bevölkerung stark sich vermehrt hat, sind schlimm daruu,
falls sie nicht einen Theil des Jahres anderswo Arbeit erhalten können. In die-
ser Lage befinden sich aber eben so wühl viele Iusteu iu tnaucheu Amtsdistricteu.
**) Eine Art von Gebühr für den gerichtsherrlichen und polizeilichen Schutz,

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Aas den Häuer-Contracten der Insten mögen hier noch folgende


nähere Angaben Platz finden:
Wohnung. Für die Reparaturen liefert der Gutsherr die Mate-
rialien und zahlt Handwerker, dahingegen muss der In-
die nöthigen
ste dabei mit gewöhnlicher Handarbeit helfen uud alle Reparaturen,
die keine handwerksmäßige Geschicklichkeit erfordern, selber besor-
gen. — Oder:
Der Inste muss die Wohnung stets im baulichen Stande erhalten
und alle geringeren Reparaturen an Wänden, Dielen und Fenstern, so
wie am Dache selbst bestreiten ; Hauptreparaturen werden dahingegen
von der Gutsherrschaft ausgeführt; doch ist der Inste schuldig, die
Handlanger- und Zupfleger-Arbeiten hiebei zu verrichten. Oder:
Die Wohnung mit Zubehör
wird zwar auf herrschaftliche Kosten
unterhalten, doch muss der Inste die Lehm wände, Dielen, Fussböden
und das Steinpflaster, wofür ihm Lehm, Steine und Wandstaken an-
gefahren werden, in Stand setzen, die Befriedigungen der Hofstelle
nnd des Gartens unterhalten und überhaupt nebst dem Zupflegen der
Handwerker und Dachdecker dasjenige verrichten, was ohne baaren
Kostenaufwand sich verrichten lässt; insbesondere muss er auch den
etwa vorhandenen Schornstein viermal im Jahre auf eigene Kosten
reinigen lassen, desgleichen die Fenster im Glase unterhalten und sie
beim Abgange in gutem Stande abliefern. Oder:
Die von dem Insten abzuhaltenden Reparaturen sind genau be-
zeichnet, z. B. in folgender Weise: Ausbesserung und Unterhaltung
der Lehmdielen und aller inwendigen Wände, Thüren und Luken;
das jährliche Ausweissen innerhalb der Wohnung; die Unterhaltung
des Kachelofens; die Einsetzung zerbrochener Fensterscheiben; die
Unterhaltung der Befriedigungen an Hofstelle und Garten, das Aus-
stopfen des Strohdaches. Hiezu erhält der Inste keine Materialien vom
Gutsherrn. Alle übrigen Reparaturen bestreitet Letzterer und muss
der Inste nur beim Decken des Hauses unentgeltlich Handdienste lei-

sten. Der Inste hat für monatliche Reinigung des Schornsteins zu


sorgen.
Zugleich mit den Hufen -Gebäuden werden die Insten -Gebäude
gutsherrlicherseits alljährlich oder jedes zweite Jahr besichtigt, um

welche in den Aemtern und Landschaften in die landesherrliche Kasse fliesst.


Dieselbe wird in manchen Gütern gar nicht mehr gehoben, in einigen nur von
den sogenannten EinHegern, in anderen von sammtlichen Insten, mit Ausnahme
des terheiratheten Hofgesindes, mitunter zu verschiedener Höhe, je nachdem die
Insten eine Kuh haben oder nicht Das Maxiraum wird 1 Thaler jährlich sein.

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W W V. w^W

die nöthigen, resp. vom Insten oder vom Gutsherrn zu besorgenden


Reparaturen anzuordnen. Hat der Inste ihm zufallende Reparaturen
versäumt, so werden sie auf seine Kosten gutsherrlicherseits besorgt
Für aus eigenem Antriebe ausgeführte Verbesserungen der Woh-
nungen wird den Insten beim Abgange nichts vergütet*).
Ohne gutsherrliche Genehmigung darf der Inste keine Einlieger
in Miethe nehmen, widrigenfalls ( —
dieser Zusatz kommt zuweilen
vor — ) der Inste eine Conventionalstrafe von z. B. 5 Thlr. zu erle-
gen und die Gutsherrschaft berechtigt ist, sofort die gerichtliche
hat,
Exmission der aufgenommenen Personen auf des Insten Kosten nach-
zusuchen **).

Auf einigen Gütern dürfen die Insten selbst ihre eigenen confir-
mirten Kinder nicht ohne Erlaubniss bei sich wohnen lassen.
Land. Hie und da mussten die Insten bei Gründung ihrer Stel-
len das ihnen zugemessene Land selber einkoppeln und mit lebendi-
gen Hecken bepathen. Die Art der Benutzung wurde ihnen meistens
freigestellt und nur allgemein bedungen, dass sie das Land wirt-
schaftlich und gut behandeln, die Knicken nur im Brachjahre hauen
dürfen, die Koppel-Befriedigungen in gehörigem Stande erhalten und
die erforderlichen Wasserlösungen offen halten sollen. Dazu das Ver-
bot der Veräußerung von Heu, Stroh und Dünger.
Auf mehreren Gütern wurde ihnen dagegen anfangs eine speci-
elle Fruchtfolge u. s. w. vorgeschrieben und das Tüddern des Viehes
(Anbinden auf dem Felde) anbefohlen, um an Weide zu sparen.
Um die durch die Einfriedigung so vieler kleiner Koppeln mit

) Ein Gutsbesitzer, welcher die Inste nwohnungen (eben so wie die üofen
seines Gutes) sogleich auf 30 Jahre verhäuerte, Hess ein Taxatum der Gebäude
aufnehmen, welches zur Basis für die Wiederablieferung dienen sollte; die in
der Zwischenzeit nöthigen Reparaturen fielen den Insten ganz zur Last.
*•) Dagegen wurden auf manchen Gütern anfangs den Instenfamilien Ein-

lieger aufgedrungen, wenn die Wohnungen nicht im Verhältnisse zu der Zu-


nahme der Bevölkerung von den Gutsherren vermehrt waren und es an Armen-
hausern fehlte; namentlich wurden gesell wängerte dienstunfähige Mädchen,
arme Wittwen, zurückgekommene Bauern ohne Angehörige, von anderen Behör-
den remittirte heimathsberechtigte Vagabonden u. dgl. zur grossen Belästigung
der Insten auf diese Weise unter Dach gebracht Es geschah dies auch ohne
den Contracten, da die Insten sich wohl fügen mussten,
dcsfiüligen Vorbehalt in
um nicht demnächstige Kündigung zu riskiren. Uebrigens ist uns der Vorbehalt,
dass Häuerer die Einlegung einer Familie in Nothfällcn nach Anweisung der Guts-
Obrigkeit sich gefallen zu lassen hat, noch in ganz neuen Contracten vorgekom-
men. Zu den Nothfallen gehört die Aufnahme abgebrannter Gutsuntergehöriger,
die natürlich auch eine Pflicht der Hufner ist.

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Gräben und Endwällen entstehende Einbusse von Land zu vermin*


dern, wurden auf einigen Gütern die sämmtlichen Instenländereien zu
Koppeln vereinigt, so dass in jeder Koppel jeder Landinste'seinen
gleichen Theil erhielt und nun alle einen gemeinsamen Turnus halten
mussten *).

Es lagen dann immer ganze Koppeln gleichzeitig in Dreesch


(Weide), womit die Mühe des Tüdderns erspart werden konnte.
So war eigentlich die auf der Dorffeldmark eben erst aufgehobene
Feldgemeinschaft der Hufner im Kleinen und separat für die Insten
wieder eingeführt Indessen wurde diese gebundene Wirthschaft den
Insten bald lästig; sie wünschten jeder eine separate Koppel zu er-
halten, wie anderswo geschehen; und schwerlich wird diese Einrich-
tung jetzt noch irgendwo bestehen.
In Betreff der Vergütung, welche die Insten den Hufnern für die
Spannarbeiten und Fuhren zu leisten haben, entlehnen wir aus den
Contracten eines Gutes von 1801 folgende Angaben:
Für das jedesmalige Pflügen und Eggen einer Tonne Saatlandes
1 (= 48 Schillinge, wovon 40 auf einen preusa Thaler gehen);
Thaler
für das Pflügen derselben ohne Eggen 32 Schill., für das Fahren von
einem Fuder Dünger oder Korn 4 Schill., eines Fuders Heu oder
eines Fadens Stubbenholzes 8 Schill., eines Faden Kluftholzes 16
Schill.; für Leichen-, Prediger-, Hebammenfuhren jedesmal 8 Schill.

Diese Sätze bestanden noch unverändert in den vierziger Jahren


und bestehen wahrscheinlich noch gegenwärtig auf diesem Gute.
Auf anderen Gütern haben wir theils niedrigere Sätze gefunden,
z. B. für das Pflügen undEggen von einer Tonne Landes 36 Schill.,
das Pflügen allein 24 Schill.; für ein vierspänniges Fuder Heu, Stroh,
Tor£ Holz u. s. w. 6 Schill.; dagegen auch höhere, z. B. für die Hin-
und Zurückbeförderung des Predigers oder der Hebamme 12 Schill.
Die Insten müssen rechtzeitig ihre respectiven Hufner bestellen
(z. B. zweimal 24 Stunden vorher, besonders dringliche Fälle ausge-
nommen).
Die Hufner sollen die Spanndienste, besonders die Korn- und
'

Heufuhren, den Insten aber auch zu rechter Zeit leisten, und das
Land derselben eben so gut als ihr eigenes bestellen. In den Con-
tracten findet sich auch wohl der Zusatz, dass, wenn in dieser Bezie-
hung gegründete Beschwerden von den Insten eingehen würden, ihnen

*) Z. B. Einteilung in 6 Koppeln, wovon eine gebracht (theilweise mit


Kartoffeln und Flachs bestellt), eine mit Winterkorn, eine mit Sommerkorn, unter
welches Klee geaäet, drei in Weide.

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1

m
jeder hiedurch erweislich erwachsene Schaden von dem schuldigen
Hufher zu ersetzen sei.
Zuweilen mussten die Hofpächter die ndthigen Pflug- und EgRe-
arbeiten für ihre Hof-Insten gegen ein von diesen zu zahlendes jahr-
liches Fixum übernehmen, so dass den Hufnern nur die Fuhren zur
Last fielen.

Verafterpachtung ohne gutsherrliche Genehmigung ist den Land-


Insten nicht gestattet.
Remissionsansprüche der Land-Insten nach Unglücksfallen sind
durch die Contracte abgeschnitten; die Versicherung ihrer Mobilien
und ihres Viehes gegen Feuerschäden ist ihnen neuerdings auf meh-
reren Gütern zur Pflicht gemacht.
Feuerschäden an den Gebäuden, die ohne erweisliche Schuld des
Insten oder der Seinigen entstanden ,
trägt selbstverständlich die
Gutsherrschaft.
Stirbt ein Land-Inste, so müssen die Erben die Stelle räumen,
sobald die Gutsherrschaft es verlangt, wenn es ihnen nicht contract-
lich zugesagt ist, biszum Ablaufe der Häuerzeit bleiben zu dürfen.
Ungerne lässt man die Stellen auf Wittwen übergehen, indem
man lieber einen arbeitsfähigen verheiratheten Insten wieder einsetzt *).

Ueber die etwaige Entschädigung eines Land-Insten bei seinem


Abgange für die seinem Nachfolger zu Gute kommende Feldbestel-
lung, Düngung, Aussaat u. s. w. enthalten die Contracte gewöhnlich
gar nichts; ausnahmsweise haben wir folgende Bestimmung gelesen:
«Bei seinem Abgange wird ihm die Einsaat an Korn und Klee,
sowie der verwandte Arbeitslohn, soweit das Eine oder Andere dem
Nachfolger zu Gute kommt, von diesem vergütet, aber kein Dünger,
sowie kein Heu und Stroh, soweit dieses zur AusfQttcrung der Kühe
bis 3 Wochen nach Maitag erforderlich ist»
Das Mieth- oder Pachtgeld beträgt für die Wohnung mit Zu-
behör und 2% —
3 Tonnen Land, durchschnittlich etwa 12 Thaler.
Insten ohne Land zahlen nur 3 —
4 Thaler, wofür auch solche Insten
wohnen, die in keinem Arbeits-Nexus zu den Höfen stehen und für
die der Gutsherr bei der zunehmenden Bevölkerung nothgedrungen
Wohnungen hat bauen müssen **). Wo es nicht zur Errichtung von

*) Doch haben wir auch folgenden Passus in Landinsten-Contracten gefun-


den: «Stirbt ein Inste, so bleibt die Wittwe, unter Vorbehalt der beiden Theilen
contraetlich zustehenden Kündigung, so lange in» Besitze der Instenstelle, als sie
die bestimmten Verbindlichkeiten zn erfüllen im Stande ist*
*) 12 — 16 Thaler werden ungefähr die Zinsen des Bauaufwandes für eine

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Land-Instenstellen kam und die Insten die Weide auf den Hofkop-
peln und Futter für eineKuh behielten, zahlen sie hiefiir uud für die
Wohnung auch etwa 10—12 Thaler; der Kuhdünger fällt dann der
Hofwirthschaft zu, soweit die Insten ihn nicht für ihren kleinen Ge-
müsegarten gebrauchen.
Zu niedrigen Preisen erhalten die Insten Torf oder Holz, z. B.
1 Faden Kluftholz Buchenholz (72— 90 Cubikfuss) für 1 Thaler, 1 Fu-
der Zweigholz für 16 Schill., 1000 Stück Torf für 4 Schill. — Statt
der Torflieferung wird den Insten auch blos ein Moorplatz zum Stechen
einer gewissen Menge (z. B. 9000 Stück für Jeden) unentgeltlich (oder
gegen eine kleine Abgabe) angewiesen. Von dem Holz und Torf darf
der Inste nichts veräussern, sonst verliert er dieses Emolument und
muss die Preise anderer Käufer zahlen, oder es tritt eine Preiserhö-
hung um l
/3 ein, oder eine (Jonventionalstrafe
Das Mieth- oder Pachtgeld wird alljährlich meist in zwei Termi-
nen gezahlt, zu Martini und am 1. April oder 1. Mai, oder auch zu
Weihnachten und am 1. Mai. Auf einigen Gütern ist Praenumeration
bedungen oder bei Hofinsten das Abrechnen von ihrem verdienten
Arbeitslohn stipulirt
In einem grösseren Güter-Complexe, wo die Gutsherrschaft eine
Sparkasse für die Untergehörigen gestiftet hatte, wurde den Land-
Insten vorgeschrieben, zur Sicherung des Pachtgeldes 10 Tholer in
dieser Kasse zu belegen und für die Dauer der Pachtzeit sammt. den
Zinsen darin stehen zu lassen mit der Befugniss der Gutsherrschaft,
bei Aufhebung der Pacht an diese Summe wegen rückständiger For-
derungen sich zu halten.
Die ausser dem Mieth- oder Pachtgeldc dem Gutsherrn unent-
geltlich zu leistenden Dienste der Land- und Haus-Insten bestehen
gewöhnlich nur in 2 — 4 Jagdtagen im Jahre*). Daneben kommen
Handdienste im Turnus beim Richten gutsherrlicher Gebäude und
beim Aufräumen der Mühlenteiche und Mühlenbäche vor; zuwei-
len noch Glockenläuten beim Ableben von Mitgliedern der gutsherr-

Instenwohnung allein betragen, so dass die Landinsten das Land eigentlich um-
sonst haben nud die Hausinsten etwa für ein Viertel des Koatenpreises wohnen.
In manchen Districten der Herzogtümer müssen die Insten, welche in keinem
persönlichen Verhältnisse zu dem Vermiether als ihrem Arbeitsgeber stehen, für
die Wohnung ohne Land 12 Thaler und darüber zahlen.
) Beim Ausbleiben ist wohl eine Strafe angedroht, z. B. von 12 Schillingen
für jeden Tag, die an die Armenkasse des Gutes zu erlegen. Anderswo nur 4
Schillinge an den Hof.
Hantie n, Aofheb d. Lcibeig. 8

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liehen Familie, gleichwie beim Tode von Mitgliedern des Regenten-

Für die tägliche Arbeit der Hofinsten wurden z. B. in den Con-


tracten eines schleswigschen Gutes von 1801 folgende Lohnsätze fest-
gestellt:
Mann Frau.
November, December, Januar. ... 8 Schill.!
^ Schill
sonst ausser der Erndte 10 » J
in der Erndte 12 » 8 »

In den Contracten eines holsteinischen Gutes:


Mann. Frau.
Martini — Lichtmessen 8 Schill. 7 Schill
Lichtmessen — Ostern 9 »

Ostern — Michaelis 10 » 8
Michaelis — Martini 9 »
beim Gras- und Kleemähen 12 »
10
in der Kornerndte 14 » !
Dreschen gegen y, a Scheffel Wintergetreide und l/17 Scheffel
Sommergetreide, wofür das Korn auch gereinigt und zu Boden ge-
tragen werden muss. Anderswo durchgängig gegen den yi4 Scheffel
u s. w.
Auf einem Gute wurde noch speciell ausgemacht, dass die Insten
auf Verlangen Nachts bei den Weideplätzen wachen sollen für 6 Schill,
baar; sie können dann am folgenden Vormittag von der Arbeit weg-
bleiben.
Die Instenfrauen entziehen sich auf vielen Gütern gerne der
Hofarbeit* trotz des Verdienstes, auch wenn sie nichts zu versäumen
haben. Daher ist hie und da bestimmt, dass wenn sie auf Ansagen
nicht selber kommen, sie eine tüchtige Person für sich stellen müssen,
wobei aber für die Zeit der Schwangerschaft und Niederkunft eine
Frist von 13 Wochen ausgenommen wird.

In neuester Zeit sind wohl überall mit dem allgemeinen Steigen


der Löhnungen auch die Lohnsätze der Hof-Insten gestiegen; auch

*) Beibehalten wurden auch hie und da die bisherigen Botendienste, aber

on nun an gegen eine Vergütung.

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ist das AMordsystem auf andere Arbeiten als das Dreschen ausge-
dehnt worden, wobei sie mehr verdienen.
Die Arbeitszeit betreffend.
Aus schleswigschen Contracten:
Die Hofinsten müssen mit den Hofknechten anfangen und auf-
hören, und wenn die Ilofknechte nicht mitarbeiten, so im Sommer
von 6 bis 6 Uhr mit Pausen von zusammen 1'/» Stunden; beim Heu-
und Korn-Einfahren von Morgens früh bis Abends spät ohne be-
stimmte Mittagspause, wie bisher; im Winter von Tagesanbruch bis
Abends mit Einer Stunde Mittagspause. Die Gartenarbeiten der
Frauen gehen von 7 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends.
Aus holsteinischen Contracten:
Sommers von 6 *) bis 6; in der Korn- und Heuerndte, so lange
es für uöthig befunden wird; Winters von 7 bis 6 Uhr oder bis zum
Dunkelwerden; Mittags 1 Stunde Pause, mit Ausnahme der eiligsten
Erndtearbeiten.
Bei Verhinderung durch Krankheit muss dies spätestens bis da-
hin, wo der Betreffende hätte erscheinen sollen, angezeigt werden;
in sonstigen Behinderungsfällen muss Einen Tag vorher die Erlaub-
niss zum Wegbleiben eiugeholt werden.
Anderswo: Mittagspause im Sommer 1%, im Winter 1 Stunde;
Frühstücks- und Vesperpause 20 Minuten, aber nur im Sommer; in

der Erndtezeit alles nach Ermessen des Arbeitgebers.


Einige Contracte verlangeu, dass die Insten in der Erndtezeit
nötigenfalls auch an den Sonn- und Festtagen zur Arbeit sich ein-
finden. —
Wenn die Contracte meistens nicht genau genug abgefasst sind,
um die Gutsherren, resp. die Hofpächter zu sichern, dass die Insten
ihre Verpflichtungen erfüllen (es fehlt oft die Androhung von Strafen
für Versäumnisse oder Uebertretungen), so haben sie dagegen durch

die halbjährliche Kündigung und Entziehung der regelmässigen Hof-


arbeit die Insten hinlänglich iu ihrer Gewalt. Dass übrigens den ein-
mal im Besitze der Stellen befindlichen Landinsten dieselben nicht
ohne die dringendste Veranlassung entzogen werden und sie also trotz
der halbjährlichen Kündigung bei gutem Betragen auf Lebenszeit in

der Pacht gleich den Hufuern gesichert sind, braucht kaum bemerkt
zu werden.

*) Zuweilen dabei; dass sie sich deshalb schon um halb sechs I hr auf dem
Hofe einfinden müssen.

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Für eleu Fall, dass sie schlecht wirtschaften und mit dem Pacht-
gelde für ein ganzes Jahr in Rückstand geblieben, sind sie in man-
chen Contracten damit bedroht, dass das Pachtverhältniss als von
selbst und sofort erloschen anzusehen sei.

In Betreff des auf den Höfen oder bei den Bauern dienenden
Gesindes ist hier nur Weniges anzuführen.
Wo mit dem Beginne der Pachtwirthschaft die Leibeigenschaft
nicht sogleich mit aufgehoben wurde, fiel auch der Gesindedienst-
zwang nicht sofort weg.
Die Hufner inussten, wenn sie mehr erwachsene Kinder hatten,
als sie zu ihrer Wirthschaft bedurften, dieselben den Gutshöfen gegen
den üblichen Lohn zur Disposition stellen und durften sie nicht
ohne gutsherrliche Genehmigung auswärts vermiethen. Eiuige Guts-
herren behielten sich in den Hufenpachtcontracten ausdrücklich vor,
alle Leute, die sie selber als Gesinde nöthig hatten, vor den Hufnern
(auch unter deren eigenen Kindern) auszuwählen; ja die Huftier soll-
ten sogar welche von ihren Dienstleuten an die Höfe abgeben, wenn
Vakanzen entstanden wären.
hier durch Todesfalle plötzlich
Die Hufenpächter einiger Güter mussten sich zur Zahlung eines
bestimmten Lohnes an ihre Knechte und Mägde verpflichten, wahr-
scheinlich weil der bisherige Lohn so niedrig war, dass er in Verbin-
dung mit der damals noch schlechten Beköstigung auf den Hufen
zum Entweichen des leibeigenen Gesindes Veranlassung gab.
Mit der wenige Jahre hernach erfolgenden Aufhebung der Leib-
eigenschaft verloren solche und ähnliche Bestimmungen ihre prac-
tische Bedeutung.
In die späteren Hufenpachtcontracte wurde dahingegen häufig
die Bedingung aufgenommen, dass die Hufner nicht ohne gutsherr-
liche Genehmigung Gesinde aus anderen Districten in Dienst nehmen
dürfen, um nötigenfalls zu verhindern, dass dasselbe nicht Heimaths-
reeht und damit das Recht der Armeuversorgung in dem Gute er-
lange*). Wird die Erlaubniss dazu ertheilt, so wird darauf gesehen,

*) Auch mag hiebei anfangs die Ansicht mit geleitet haben, dass das in den

Gütern geborene Gesinde den Vorzug vor dem fremden haben müsse. Einige
Gutsherren verpflichteten die Hufner auch gar dazu,«uerst immer aus den Gütern
Leute zu nehmen, so lange solche noch dienstlos vorhanden seien.

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dass solches fremde Gesinde nicht so lange in dem Gute dient, um


das Heimathsrecht (jetzt durch 15jährigen Aufenthalt) erwerben zu
können.
Manche Gutsherren baueten nun Deputatwohnungen für Knechte
zu häuslicher Niederlassung auf, um sie dadurch mehr an die Güter
zu fesseln und noch jetzt besteht auf manchen Gütern die Mehrzahl
;

der Hofknechte aus solchen Deputatisten, welche ausser der Wohnung


und dem baaren Lohn eine gewisse Quantität von Roggen und ande-
ren Lebensmitteln statt der Beköstigung erhalten.

Allgemeine Gulsangelegen heilen.

Im Vorstehenden ist gezeigt worden, wie die wirtschaftlichen


Verhältnisse der Gutsuntergehörigen zu ihrem Gutsherrn, -als dem
Eigenthümer des Grundes und Bodens, dem Verpächter und dem un-
mittelbaren oder mittelbaren Arbeitgeber geordnet wurden.
Die Aufhebung der Leibeigenschaft machte nun aber auch noth-
wendig, die Stellung der Gutsuntergehörigen als solcher, mit anderen
Worten, ihre Stellung zu dem Gutsherrn als ihrer Gutsobrigkeit,
durch welche zugleich ihre Landesunterthänigkeit vermittelt wurde,
mit allen hieraus für sie entspringenden Verpflichtungen zu regeln.
Kaum in irgend einem anderen Lande, selbst England nicht
ausgenommen, findet ein solches seif- government der Gutsbesitzer
Statt, als in den Herzogthüraern Schleswig und Holstein, wie dies
bereits in der Einleitung angedeutet worden ist.

Die Gesetzgebung der Herzogthümer, von jeher überhaupt nicht


sehr activ, nur bei dringendsten Veranlassungen eingreifend und am
liebsten die Dinge ihren eigenen Gang gehen lassend, hatte sich immer
um die adeligen Güter noch weniger gekümmert, als um die übrigen
Landdistricte und um die Städte, so dass die Güter von manchen
Landesgesetzen eximirt blieben. Hierdurch gelangten die Gutsherren
von selber und stillschweigend zu einer Art von Autonomie, die sie

ohne Zweifel gerne ausübten, aber auch gezwungen waren auszuüben,


um die unabweisbaren allgemeinen Bedürfnisse der Güter zu befrie-
digen. Es geschah dies aber fast nur durch Ausbildung einer Obser-
vanz, die indessen in manchen Punkten schwankend und auf den ein-
zelnen Gütern verschieden war.

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Ferner gab der gänzliche Mangel au landesherrlichen Lokal-


und Districtsbeamten in den Gütern und Güterdistricten der Guts-
obrigkeit eine um so höhere Bedeutung, als die höchsten Landes-
behörden ausserhalb Landes (in Kopenhagen) residirten und überdies
von den inneren Angelegenheiten der Güter nicht viel wusstcn.
Dazu kam das Gewicht der Leibeigenschaft Die beiden Ober-
gerichte derHerzogtümer, welche zugleich administrative Mittel-
behörden waren, hatten zwar in dieser Eigenschaft auch über die
adeligen Güter gewisse Befugnisse der Anordnung und Controle,
scheinen indessen zur Zeit der Leibeigenschaft nicht viel eingegriffen
zu haben*).
Es hätte nun mit Aufhebung der Leibeigenschaft eine Revision
und eine den neuen Verhältnissen angemessene Abänderung und Er-
gänzung aller die Güter betreffenden Gesetze und Verordnungen und
bei dieser Gelegenheit auch die Grundlegung zu einem Communal-
wesen der Gutsuntergehörigen erwartet werden können, worauf es
dann den Gutsherren zu überlassen gewesen wäre,, die näheren zur
zweckmäßigsten Ausführung und Handhabung erforderlichen Bestim-
mungen unter Berücksichtigung der verschiedenen Lokalverhältnisse
zu entwerfen und in besonderen, der höheren Bestätigung zu unter-
werfenden Guts-Statuten aufzustellen.
Allein die Staatsregierung verhielt sich, abgesehen von der ge-
setzlichenAufhebung der Leibeigenschaft und den ganz unmittelbar
dadurch noth wendig
gewordenen, oben angeführten Verfügungen
durchaus passiv, und die Gutsherren waren daher auch jetzt wieder
auf sich selber angewiesen.
Ueber das was damals hätte geschehen sollen, äusserte sich u.
A. auch Schräder, der von vorne herein von der möglichsten Conser-
vation der Autonomie der Gutsherren ausging, in seiner erwähnten
Abhandlung, welche 1797 kurz vor dem definitiven Beschlüsse der
Gutsherrcu über die freiwillige Aufhebung der Leibeigenschaft er-
schien. Wir wollen die betreffende Stelle (Schlesw.-holst. Provinzialber.
1797, I, 299) hier wörtlich mittheilen, weil sie die Ansicht eines com-
petenten Sachkundigen ausspricht, welcher damals Professor des

*) Hierin trat allerdings eine Aendcrung ein, als mit der Trennung der
Jnstiz von der Administration in mittlerer Instanz eine besondere administrative
Mittelbeborde für beide Herzogtümer («Regierung») errichtet wurde. Allein
dica geschah erst 1834; auch ist diese Behörde vor ungefähr zehn Jahren wieder
aufgehoben worden.

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11»

schleswig-holsteinischen Privatrechtes an der Universität Kiel und


einer der angesehensten Juristen des Landes war

«Festsetzung sicherer, treffender, dem Besonderen eines


jeden Gutes angemessener Bauern- oder Dorfsordnungen.
Es sind dergleichen bereits auf einigen Gütern vorhanden, allein
auf den mehrsten ist diese Ordnung blos das Product einer schwan-

kenden Observanz. In jedem Falle aber wird das, was, so lange die
Untergehörigen unfrei waren, vielleicht als eine gute oder eine er-
trägliche Ordnung galt, nach ihrer Freilassung eine Unordnung sein.
Die Nothwendigkeit aber erfordert doch schlechterdings, dass in die-
sem Stücke etwas auf sicheren Gründen beruhendes und zwar gleich
bei dem Anfange des neuen Standes der bisherigen Unterthänigen
festgesetzt werde, damit sie nicht vom Schwindel dieses letzten un-
glücklichen Jahrzehntes ergriffen, Freiheit und Gesetzlosigkeit für
gleich bedeutende Dinge halten.
Dass ein jeder Gutsherr solche, die innere Gutspolizei betreffenden
Ordnungen vermöge der ihm beikommenden obrigkeitlichen Macht
und Gerichtsbarkeit errichten könne, ist unbezweifelt; es liegt aber
auch in der Natur der Sache und ist die erste Bedingung derselben,
dass insofern sie Gegenstände der allgemeinen Landespolizei berüh-
ren, die darüber vorhandenen Gesetze ihre Grundlage sein und über-
haupt der Gutsherr nur in seinem hausherrlichen und ökonomischen
Fache die Stelle des Gesetzgebers vertreten dürfe.« —
Wir haben ungeachtet vielfacher Bemühungen solche von Schräder
erwähnte Bauern- oder Dorfeordnungen auf keinem Gute auffinden
oder sonst irgend etwas Näheres darüber in Erfahrung bringen können.
Das ganz gewöhnliche Verfahren nach Aufhebung der Leibeigen-
schaft und Frohnwirthschaft (oder vorläufig letzterer allein) war, dass
in den Pachtcontracten resp. Miethcontracten der Hufner
und Insten auch die öffentlichen Verpflichtungen derselben als Lan-
desunterthanen und Gutsuntergehörigc und als Theilnehmer der zu
ihrem eigenen gemeinsamen Besten etwa schon getroffenen oder noch
zu treffenden Einrichtungen in mehr oder weniger genereller oder
specieller Fassung verzeichnet wurden. Für manche Punkte wurde
kurz auf das Herkommen verwiesen, bei welchem es sein Bewenden
behalten solle. Manche Bestimmungen wurden durch spätere allge-
meine Landesgesetze von selber verändert oder ganz beseitigt.
Durch die gutsherrliche Verleihung einer Art von Communal-
verfaasung hätten die Untergehörigen daran gewöhnt werden können,

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ihre Angelegenheiten selber zu besorgen. Allein dieser Weg wurde


bei dem Zeitpachtverhältnisse nicht oder höchstens blos für den einen
oder andern Zweig des Gemeindewesens und auch dies nur aus-
nahmsweise auf einzelnen Gütern eingeschlagen, vielmehr die Guts-
bevölkerung nach wie vor durch die Gutsherren oder ihre Bevoll-
mächtigten administrirt*).
Das allgemeine Organ des Gutsherrn oder seines Bevollmächtig-
ten ist den Gütern nur
für jede Dorfschaft der Bauervoigt, der in
die Stellung ciues Officialen einnimmt, während er in anderen Di-
stricten zugleich und oft vorzugsweise den Charakter eines Vorste-
hers der Dorfgemeinde hat
Das Amt des Bauervoigts wird von einem der Hufner verwaltet;
ein jeder ist verpflichtet, dasselbe auf Verlangen des Gutsherrn zu
übernehmen, auf ein Jahr oder mehrere Jahre oder « bisweiter » oder
auf die Dauer der Pachtzeit
Da letztere in der Itegel prolongirt wird, so fungirt der Bauer-
voigt wohl auf Lebenszeit oder so lange er noch im Stande ist, den
Dienst gehörig zu versehen. Auf einigen Gütern wurde die uralte
Gewohnheit, dass das Amt im (wahrscheinlich jährlichen) Reihedienst
unter den Hufnern abwechselte, vorläufig beibehalten und späterhin
der Vorbehalt gemacht, dass es der Gutsherrschaft zu jeder Zeit frei

stehe, dasselbe einem der Hufner für immer zu übertragen.


Die Pflichten des Bauervoigts bestehen hauptsächlich darin, die
gutsherrlichen Verfügungen den Untergehörigen bekannt zu machen,
wozu er die Untergehörigen als Boten benutzen kann, und die Guts-
obrigkeit, resp. das Justitiariat von polizeilichen oder kriminellen Vor-
Kenntniss zu setzen, die Untergehörigen zu den allgemeinen
fällen in
Spann- und Handdiensten nach dem Turnus anzusagen und die des-
und loses Gesindel zu achten,
fälligen Listen zu führen **), auf Bettler
und überhaupt die niedere Polizei zu handhaben, bei Einquartirungen
und Durchmärsche u zu assistiren u. s. w. ***)
*) In gewisser Beziehung muss man sogar sagen, dass die Dorfschaften der
Güter als selbststäudiger Bewegung einbüssten, insofern mit der
solche an
Aufhebung der Feldgemeinschaft und der Auftheiluug der Gemeinheiten die
Markgenossenschaften untergingen. Freilich trat dieses uueh iu den anderen Di-
btricteu der Ilerzogthüiner ein, hier aber besteht anderweitig ein in der mannig-
faltigsten Weise ausgebildetes Communalleben.
**) Um die wirtschaftlichen Hülfsdienste für die Gutshöfe hat der Bauer-
voigt sich unsres Wissens nicht zukümmern.
***) Ein Gutsherr
machte ihnen auch zur Pflicht, darauf zu sehen, dass die
Hufner nicht Heu, Stroh oder Dünger von den Stellen verkaufen.

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Das Amt des Bauervoigtes wird entweder unentgeltlich als


Ehrenamt oder gegen eine unbedeutende Vergütung (drei bis zehn
Thaler), welche der Gutsherr zahlt, zuweilen auch die Hufner und
Insten aufzubringen haben, verwaltet
Mitunter muss der Bauervoigt (wohl von altersher) für die Dorf-
schaft, vorzugsweise für die Insten einen Stierund Eber halten, wo-
für ihm, da das niedrige Sprunggeld die Kosteu der Haltung nicht
deckt, eine Entschädigung, z. B. in der Weise zu Theil wird, dass er
zwei Tonnen Land von seiner Hufe pachtfrei nutzt. Auf den Olden-
burgischen Fideicommissgütern ist diese Einrichtung neuerdings auf-
gehoben worden.
Auf grösseren Gütern oder ganzen Güter- Complexen sind den
Bauervoigten zu ihrer grossen Erleichterung die lästigsten polizeilichen
Geschäfte durch die gutsherrliche Anstellung von berittenen Gens-
darraen (Landreutern) oder von unberittenen Polizeidienern abgenom-
men worden. Für Nachtwächter müssen die Dörfschaften selber sor-
gen, wenn sie solche für nöthig halten; die etwa von den Gutsherren
oder den Hofpächtern gehalteneu Nachtwächter dienen nur den Guts-
höfen.
Nächst den Bauervoigten sind aus der Mitte der Untergehörigen
mit der Wahrnehmung von Functionen für die einzelnen Zweige öf-
fentlicher Angelegenheiten beauftragt: die Gerichtsbeisitzer, die Lage-
männer (zur Führung der Register über die Militairdienstpflichtigcn),
die Kirchenvorsteher und die Schulvorsteher (zur Assistenz für die
oekonomische Seite des Kircheuwesens und Schulwesens) und wo die
Verwaltung des Armenwesens orgauisirt worden, auch Armeuvor-
steher. —
Die Lasten, welche die lintergehörigen unter Vermittelung der
Gutsherren, theilweise scheinbar für dieselben, neben dem Pacht-
oder Miethgelde und den wirtschaftlichen Hülfsdiensten tragen, tra-
gen sie eigentlich zu ihrem eigenen Nutzen und für ihre eigenen ge-
meinsamen Interessen. Nur sehr bedingt kann man von ihuen behaup-
ten, dass diese Lasteu — und dies mehr indirect als direct — auch
den Gutsherren zu Statten kamen, insofern sie dazu dienen, Anstalten
und Einrichtungen zu schaifen und zu unterhalten, welche den
Nutzungswerth der Güter überhaupt erhöhen*).

*) Es bringen aber auch die Gutsherren manches Opfer für die Uutergihö-
rigen durch ihre Fürsorge für die Kirchen uud Schulen, durch die Beschäftigung
übt ifluasiger Hände, durch die Unterstützung von HülisbedürUigen u. s. w.

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Zum genügen Theile sind in den contractlich übernommenen La-


sten der U utergehörigen auch Leistungen an den Staat enthalten,
namentlich ausserordentliche in Kriegszeiten
Hauptsächlich aber haben dieselben, wenn auch nicht der Form,
so ihrem Wesen nach den Charakter von Communallasten, als welche
sie auch in anderen Districten der Herzogthümer geradezu erscheinen.
Sie bestehen mehr
Fuhren und Handdieusten und demnächst
in
in Naturallieferungen, als inbaaren Geldabgabeu. Dies gilt ganz be-
sonders von den ersten Jahrzehnten nach der Aufhebung der Leib-
eigenschaft Späterhin sind die Geldabgaben, sei es um neuen landes-
herrlichen Verordnungen Genüge zu leisten (z. B. in Betreff des
Schulwesens), oder weil die Naturalwirtschaft überhaupt mehr und
mehr von der Geldwirthschaft verdrängt wird, wie sich dies u. A.
auch bei der Armen Versorgung bemerklich gemacht hat, bedeutender
geworden, als sie anfangs waren *)

Um ein deutlicheres Bild von dieser Seite der gutsherrlich-


bäuerlichen Verhältnisse zu geben, wollen wir nun aus den Hufen-
Puch tcontracten verschiedener Güter die wichtigsten Bestimmungen,
geordnet nach den einzelnen Zweigen der öffentlichen Angelegen-
heiten hier zusammenstellen.

Justizwesen.
Hin- und Herbeförderung des Gerichtshalters, oder, wenn mit
demselben hierüber akkordirt worden, ein verhältnismässiger Beitrag
zu den Beförderungskosten. Arretimng und Transportirung der Delin-
quenten; auch Bewachung derselben, wo noch keine sicheren Gefäng-
nisse vorbanden.
Bei Verhaftungen muss Jeder, den mau zuerst antrifft, alle nö-
thige Hülfe leisten.

*) Die Gutsherrschaft eines grossen Gftter-Ootnplexes in Holstein verpflich-


tete von vorn herein bei Aufhebung der Leiheigenschaft, iudem sie die Bedürf-

nisse der Zukunft schon in's Auge fasste, die TJntergehörigen , «211 den Kosten
aller künftigen, von der Gutsherrschaft etwa beliebten gemeinnützigen Einrich-
tungen und Anstalten, die nicht den Vortheil der Gutsherrschaft, sondern den der
öntergehörigen bezweckten, nach Billigkeit beizutragen.»

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Ein Gutsherr verpflichtete die Hufner, bei gerichtlichen Ver-


handlungen an den Gerichtshalter dasjenige an Gerichtskosten zu er-
legen, «was dieGtitsherrschaft in einer zu entwerfenden und von der-
selben zu bestätigenden Gerichtssporteltaxe zu bestimmen geruhen
werde», womit er offenbar seine gutsherrlichen Befugnisse überschritt
Doch geschah dies 1797, also acht Jahre vor der Verordnung
Aber die Gerichtsverfassung der adeligen Güter vom 19. Juli 1805,
welcher späterhin eine landesherrliche Sporteltaxe für die Güter
folgte.

Polizeiwesen.
«Allen, von der Gutsherrschaft bereits erlassenen oder noch zu
erlassenden Polizeiverfügungen und überhaupt allen von derselben
für die öffentliche Sicherheit und Ruhe zu treffenden Anordnungen
verspricht der Hufner unbedingt Folge zu leisten, insbesondere dem
von der Gutsherrschaft zu erlassenden Regulativ wegen Beherbergung
der Reisenden und der Polizeiverfugung wegen der Lustbarkeiten
der Untergehörigen.»
Wobei man allerdings voraussetzen muss, dass solche Polizei-
verfügungen in ihrer Beschränkung der persönlichen Freiheit und
hinsichtlich des Maasses der für polizeiliche Vergehen anzudrohenden
Strafen innerhalb der Landesgesetze sich halten.

Beispiele gutsherrlicher Gebote und Verbote.

Das «Einnehmen fremder Leute» und Beherbergeu von losem


Gesindel —
oder blos letzteres ist bei Einem Thaler Strafe verbo-
boten, in Wiederholungsfällen auch wohl mit willkührlicher Strafe
bedroht
Auf manchen Gütern ist es den Hufnern erlaubt, wenn «Fremde»
(Variante: «fremde Bettler») Dorf kommen und Nachtquartier ha-
in's

ben wollen, ihnen dieses zu gewähren, unter gehöriger Anzeige auf


dem Hofe.
Die Hufner müssen bei den (damals noch nöthigen) Gesindel-
streifen die nöthige Mannschaft stellen und Vagabonden zu Fuss oder
zu Wagen nach den Bestimmungsorten transportiren.

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Da Jagd überall der Gutsherrschaft reservirt worden, so ist


die
den Hufnem und deren Angehörigen alles Jagen und Schiessen auf

ihren Koppeln oder sonst im Gute verboten. Uebertretungen sollen


auf einigen Gütern nach den gutsherrlich festgesetzten Strafen ge-
ahndet werden.
Zuweilen ist der blosse Besitz eines Schiessgewehres mit ansehn-
licher Strafe belegt, die halb der Armenkasse halb dem Holzvoigte
zufliessen soll.
Bestrafung von Holzdiebstählen in den gutsherrlichen Forsten:
meistens nach der Konigl. Forstverordnung, auch wohl nur im ersten
Falle nach dieser Verordnung, im Wiederholungsfalle durch Verlust
der Pacht*).
Verbot des Viehhütens in gutsherrlichen Forsten oder auf den
Hofweiden. (Schüttgeld von z. B. 8 Schill., im Wiederholungsfalle ver-
doppelt.)
Beim Ausbruche von Viehseuchen hat der Hufner allen Veran-
staltungen der Gutsherrschaft Folge zu leisten.
Sofortige Anzeige der Rotzkrankheit von Pferden bei 5 Thalern
Strafe.
Die Feuerpolizei betreffend:
Auf Feuer und Licht ist mit möglichster Sorgfalt zu achten.
Allgemeiner als irgend eine andere polizeiliche Bestimmung enthalten
die Contracte das Verbot des Tabackrauchens in den Räumen, wo
Stroh und andere feuergefährliche Gegenstände liegen, bei Strafe von
mindestens 1 Thaler für den Hufner und seine Leute; auch 5 Thaler
für den Hufner und 1 Thaler für die Leute. Letzteren soll dies beim
Aufnehmen in den Dienst eröffnet werden.
In Wiederholungsfällen ist zuweilen nicht blos eine Verdoppe-
lung der Strafe, sondern eine ganz willkührliche Strafe angedroht.
Mitunter beschränkt sich die Androhung von Strafen auf den
Fall, dass beim Dreschen geraucht wird. Hie und da sollen diese
Strafgelder der Armenkasse, oder halb dieser, halb dem Denuncianteu
'
zufallen.
Verbot, Flachs aus dem Backofen zu braaken: 5 Thaler Strafe.
Das Versäumniss der monatlichen oder vierteljährigen Reinigung der
Schornsteine wird mit Einem oder mehreren Thalern bestraft

*) In den Hufenpachlcontracten vieler Güter ist hierüber nichts gesagt, sei


es weil man Holzfrevel von Hufnern nicht praeaumiren mochte, oder auch die
Strafe der König). Verordnung für genügend hielt

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Allgemeine Verpflichtung zu Feuciiösch dienst en:


Beim Ausbleiben ohne Entschuldigung Strafe von Einem oder
mehreren Thalern. Auf einigen Gütern sollen die Hufner und ihre
-Leute bei Feuersbrünsten auf Ansagung des Bauervoigtes auf an- ,

deren Gütern von selber, ohne Ansage, sich einfinden. Die Hülfe ist

auch bei Brandfallen auf benachbarten Gütern zu leisten. Diese


Dienste umfassen zugleich die Brandwachen und das Hinwegräumen
des Schuttes. Gewöhnlich pflegen nur auf den Gutshöfen Feuerspritzen
vorhanden zu sein, dagegen sind die Hufner mit sonstigen Löschge-
räthschaften, als Feuerhaken, Kesseln, Eimern u. 8. w. auf Kosten der
Gutsherrschaft versehen.
Abgebrannte Familien müssen, wie schon früher bemerkt, nach
Anordnung und Vertheilung der Gutsherrschaft aufgenommen und
beherbergt werden.

Militairwesen.
Wo vor 1800 die Pachtwirthschaft ohne gleichzeitige Aufhebung
der Leibeigenschaft eingeführt wurde, regulirten die Gutsherren con-
tractlich die auf die Soldaten -Stellung der Güter sich beziehenden
Verhältnisse (Auswahl unter den Hufnersöhnen vor denen der Käth-
ner und Insten; Beförderung von und nach den Garnisonsorten, Zu-
schuss während der Exerzirzeit u. s. w.), meistens nach der seitherigen,
auf den einzelnen Gütern in manchen Punkten differirenden Praxis.
Bei gleichzeitiger Aufhebung der Leibeigenschaft wurden einige hier-
durch gebotene Anordnungen getroffen.
Mit der Landmilitairordnung vom 1. August 1800, welche die
Soldatenstellung aus einer Reallast der Güter in eine persönliche
Dienstpflicht der Gutsuntergehörigen verwandelte und ein gleich-
massiges Verfahren für sämmtliche Landdistricte der Herzogthümer
einführte, verloren die älteren gutsherrlichen Anordnungen ihre prac-
tische Bedeutung, weshalb sie hier füglich übergangen werden können.

Wegewesen.
Auf einigen Gütern wurde sogleich jedem Hufner die von ihm
zu unterhaltende Wegestreckc genau zugemessen, auf anderen Gütern

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m
verblieb die Unterhaltung wenigstens in der ersteu Pachtperiode ge-
meinsame Sache der Hufner jeden Dorfes oder auch der ganzen
Dortschaft, in welchem Falle die nicht spanufähigen Kathner und
Insten mit Handdiensten concurriren mussten.
In den näheren Bestimmungen weichen die Contracte sehr von
einander ab, insbesondere wenn eigentliche Landstrassen durch die
Güter gehen. Heisst es ganz allgemein, dass die Hufner «die nöthige
Wegeverbesserung») unentgeltlich zu übernehmen versprechen, so
kann man vermuthen, dass die Wegepilicht der Hufner auch auf die
über die Hoffelder gehenden Wege (wenigstens wenn diese nicht
blosse Feldwege, sondern zugleich auch Communicationswege sind)
mit sich erstreckt; man ersieht daraus aber nicht, ob die Herrschaft
die Wegebaumaterialien liefert oder nicht. In manchen Contracten
wird die Lieferung an Buschholz, Pfählen u. s. w. zugesagt; vielleicht
kommt dies aber nur vor, wenn die Wegepflicht noch eine gemein-
same der Hufner ist, da die Auweisung von Material für jeden ein-
zelnen Hufner und die Controle über die Verwendung desselben we-
nigstens schwierig und lästig sein muss. —
Die Wegelast ist auch so vertheilt, dass die sämmtlichen über
die Hoffelder gehenden Wege von dem Gutsherrn (bei Verpachtung
von den Hofpächtern), alle übrigen Gutswege von den Hufenpächteru
unterhalten werden, mit Ausnahme vou Steindämmen, Brücken und
Sielen, für welche die Gutsherrschaft ganz sorgt, oder das Material
an Holz und Steinen hergiebt und die baaren Ausgaben (Löhnung von
Pflasterern, Ziminerleuten, Maurern) zahlt, während die Hufner die
Hand- und Spanndienste dabei leisten. Oder der Gutsherr zahlt nur
den Arbeitslohn für neue Pflasterungen, Chaussirungen und Siele.
Speciell über die Unterhaltung der eigentlichen Landstrassen
kommen folgende Verschiedenheiten vor:
Die Gutshöfe und die Hufner tragen die Last gemeinschaftlich.
Oder: die Gutaherrschaft zahlt blos den Pflasterlohn. Oder: die Land-
strassen werden, soweit sie über Hoffelder gehen, vou den Gutshöfen,
und soweit sie durch Dörfer und über die Feldmarken derselben
gehen, von deu Hufnern derselben unterhalten. Letztere erhalten
hierbei dann gewöhnlich die vorhin in Betreff der Wege überhaupt
angegebene gutsherrliche Beihülfe in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung. Doch kommt es auch vor, dass die ganze Last der Wege-
unterhaltung mit Einschluss der Landstrassen, auch in Betreff der
über die Hoffeider gehenden Wege, von den Dorfschaften allein (von
jeder Dorfschaft für sich) zu tragen ist, wobei innerhalb der Dorfschaft

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die haaren Geldausgaben nach der Grösse des Landbesitzes repartirt


werden, unter Haftung für die den Gutsherrn gesetzlich treffende
Strafe, wenn bei der Inspection der Laudstrassen durch den Ober-
Landwege- Iuspector dieselben nicht in gehörigem Stande befunden
worden.
Als Pertineuz der Wegeunterhaltung erscheint das Aufschaufeln
der Wege nach Schneegestöber, welche Arbeit entweder die Dorf-
schaften allein, oder die Höfe und Dorfschaften mit reeiproker Hülfe
leisten. Einige Gutsherren haben das Nähere in besonderen soge-
nannten Schnee-Reglements angeordnet.
Gutsherrlicherseits wird alljährlich eine Wegeschau gehalten,
welche für die blossen Gutswege entscheidend ist, für die durch die
Güter gebenden Landstrassen aber die Vorschau zu der später von
dem Ober-Landwege-Inspector abzuhaltenden Wegeschau bildet

Medicinalwesen.
Zur Zeit der Leibeigenschaft bestritt der Gutsherr für sämmt-
liche Untergehörige die Kosten der ärztlichen Pflege, die aber damals
nicht viel bedeutete.
Seit Aufhebung der Leibeigenschaft müssen die Hufner in dieser
Beziehung für sich und die Ihrigen selber sorgen, wählend es die
Regel bildet, dass der Gutsherr einen Arzt für die unentgeltliche
Behandlung des Dienstpersonals der Gutshöfe und der Insten (der
sämmtlichen oder wenigstens der Hofinsten) mit deren Familie fest
besoldet, meistens auch die Medizin, die chirurgischen Kosten u. & w.
für dieselben bezahlt*). Selten wird sich diese Wohlthat auch auf
das Gesinde der Hufner erstrecken.

*) Hieraus ist das eigentümliche Verhältniss entstanden dass die Hufner


,

und ihre Familien eine geringe, die Insten dagegen eine reichliche Medizinal-
pflege geniessen. Die Hufner schicken nur im aussersten Nothfalle und oft zu
spät zum Arzte, weil sie ihn honoriren und die Medizin bezahlen müssen, die
Insten dagegen requiriren (wenn sie nicht gehörig controlirt werden, was anf
grossen Gütern schwierig ist, und wenn der Arzt als ein besonders humaner und
dienstwilliger Mann ihnen bekannt ist) oft bei den kleinsten üebeln die ärztliche
Hülfe, weil sie dieselbe umsonst haben. Man hat deshalb schon angefangen, sie
die Medizin ganz oder theilweise selber bezahlen zu lassen.

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Zu dem Fixum der angestellten Hebammen müssen die Huftier


contribuiren und im Falle der Benutzung derselben noch eine guts-
herrlich bestimmte Taxe zahlen, z. B. 16 Schill. (12 Sgr.)

Armenwesen.
Gewöhnlich blieb die Armenversorgung nach wie vor Sache des
Gutsherrn, und es wurde nur hie und da den Hufneru ein fester, un-
bedeutender Beitrag zu der gutsherrlichen Armenkasse (auf den Ol-
denburgischen Fideicommissgütern 1 */, Thaler per Hufe) contraetlich
auferlegt Ganz ausnahmsweise constituirten die Gutsherren gleich
bei Aufhebung der Leibeigenschaft und mit dem Beginnen der Pacht-
wirthschaft die Untergehörigen zu Armengemeinden, welche in den
Landschaften, Aemtern und Städten schon früher bestanden. Die
Untergehörigen wählen sich dann Armen-Vorsteher, welche die Ar-
menpflege handhaben, die subrepartirten Beiträge eincassiren, die
Rechnung aufstellen u. s. w. Die Oberaufsicht hat sich die Gutsherr-
schaft vorbehalten, auch wohl das Recht, die Armen Vorsteher selber
zu ernennen, etwa mit dem Rechte der Untergehörigen, dazu geeig-
nete Männer in Vorschlag zu bringen. Die nöthigen Fuhren für die
Armen (z. B. Heranfahren von Holz oder Torf, Befördern des Arztes
u. s. w.) müssen die Hufner in dem allgemeinen Turnus ihrer Fuhren

leisten.

Schulwesen.
Zu Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts hing es
noch so gut wie ganz von dem eigenen Ermessen der Gutsherren ab,
ob und wie sie für den Schulunterricht der Kinder ihrer Gutsunter-
gehörigen sorgen wollten.
Irgend welche Sorge war wohl schon auf allen Gütern seit län-
gerer Zeit hiefür getroffen, aber die Lehrer waren der Mehrzahl nach
unfähige Leute (invalide Handwerker, alte Dorfhirten) mit höchst
kümmerlicher Einnahme, und die Kinder besuchten nur sehr unregel-
mässig die Schule.
Auf einigen Gütern hatten die Gutsherren schon vor Aufhebung

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der Leibeigenschaft ein eigentliches Schulwesen eingerichtet: durch


Anstellung wirklicher Schullehrer, Aufbau guter und geräumiger
Schulhäuser, Dotirung der Schullehrcrstcllen mit Land für zwei oder
mehrere Kühe, Verpflichtung der Untergehörigen zur Bestellung die-
ses Landes, zu Naturallieferungeu au den Lehrer und zur Erlegung
eines bestimmten Schulgeldes, durch die Ausdehnung des blossen
Winterunterrichtcs auf den Sommer und das Gebot regelmässigen
Schulbesuches u. s. w.
Auf anderen Gütern wurden diese Reformen in grösserer oder
geringerer Vollständigkeit gleichzeitig mit Aufhebung der Leibeigen-
schaft ausgeführt, auf noch anderen kam man damals nicht sogleich
damit zu Stande und stellte die demnächstige Regulirung in Aussicht.
Darnach lauten auch die Hufenpachtcontracte, wenn sie über-
haupt das Schulwesen mit berühren, verschieden, z.B. «Hufner haben
das Bisherige für die Schulen zu leisten». Oder es wurden anderen-
falls im Detail festgestellt mit Angabe
die jetzt erhöheten Leistungen
alles Dessen, was der Gutsherr seinerseits für das Schulwesen zu
thnn versprach.
Oder: «Da in Zukunft die Schulen beständig mit geschickten
Männern besetzt werden müssen, so haben die Gutsuntergehörigen
die später von der Gutsherrschaft etwa verfügten Gehaltszulagen
aufzubringen».
Auf einem Gute, wo die Hufen und übrigen Stellen sogleich auf
30 Jahre verpachtet wurden, wurden die Schulhäuser den Stcllenbe-
wohnern disti ictsweise nach vorgängiger Taxation übergeben, welche
der Wiederablieferung beim Ablaufe der Pachtzeit zur Norm dienen
sollte. Die Unterhaltung der Schulhäuser wie die etwa nöthig wer-
dende Erweiterung derselben mussten sie dabei ohne Coneurrenz
der Gutsherrschaft und statt der Hand- und Spanndienste für die von
der Gutsherrschaft zu jeder Schullehrerstelle gelegten zehn Tonnen
Land die Zahlung der Bearbeitungskosten übernehmen. Die Ausgaben
des Schulwesens sollten sie daselbst nach Verhältniss des Landbesitzes
unter sich repartiren.
Zu der Constituirung eigentlicher Schulgemeinden wird es da-
mals auf den Gütern bei der Hufenpacht nur selten gekommen sein.
Später sind nun die Bestimmungen der allgemeinen Schulordnung
vom 24. August 1814 auch für die Güter noruigebend geworden. Ge-
genwärtig wird das Schulwesen der Güter im Allgemeinen auf glei-
cher Stufe der Entwickeluug mit denjenigen der landesherrlichen
Aemter stehen. Manche Gutsherren haben über das Vorgeschriebene
Rinnen, Aufhob, d. Lribeig. Q

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ISO

hinaus Opfer für das Schalwesen ihrer Güter gebracht, z. B. durch


stattlichere Wohnungen der Schullehrer und reichlichere Land-Doti-
ruug, durch Anstellung von Lehrerinnen für weibliche Handarbeiten,
Einrichtung von sogenannten Klüterschulen zur Unterweisung der
Knaben in der Anfertigung landwirtschaftlicher Geräthe und auf
andere Weise.

Kirchenwesen.
Das Kirchenwesen gehört nicht eigentlich zu den gutsherrlichen
Angelegenheiten und ist in den Hufenpachtcontracten vieler Güter
ganz mit Stillschweigen übergangen worden. Zwar ist der Gutsherr
in der Hegel Kirchenpatron und hat also die Rechte und die Pflich-
ten dieser Stellung auszuüben. Allein der Sprengel einer Pfarrkirche
fallt sehr häufig nicht mit den Grenzen eines Gutes zusammen und
es können mehrere benachbarte Gutsherren gemeinschaftlich das Pa-
tronat einer Kirche besitzen. Nicht selten ist ein Theil der Unter-
gehörigen eines Gutes anderswo als der Gutsherr mit dem Hofe ein-
gepfarrt,zu einer benachbarten Amts- oder Stadtkirche.
Auch war selbst unter der strengsten Leibeigenschaft das Wesen
der alten kirchlichen Gemeinden nicht ganz untergegangen und den
Predigern mit Zuziehung der Kirchenvorsteher (Kirchenjuraten, Kir-
chengeschworenen) eine wesentliche Mitwirkung an der Besorgung der
öconomischen Angelegenheiten des Kirchenwesens verblieben. Eben
so haben die Hufner ihr uraltes Stimmrecht bei der Wahl eines Pre-
digers, zu welcher dem Kirchenpatronate die Präsentation von drei
Geistlichen zusteht, behauptet. Die Prästationen der Hufner für die
Kirche, den Prediger und Küster ergeben sich aus den Kircheninven-
tarien, in welcheu das Vermögen und die Einkünfte der Kirchen,
Pfarren- und Küsterstellen unter Aufsicht der Kirchenpatrone nach
allgemeinen Vorschriften von 1796 genau verzeichnet sein müssen.
Aus dem in diesem Punkte dürftigen und unvollständigen Inhalt
der Hufencontracte wollen wir nur folgende Beispiele anführen:
1. Gut A. Die Hufner haben die Prediger- und Küstergebühren
zu entrichten und im Turnus die Fuhren und Handdienste für die
Kirche (bei Reparaturen u. s. w.), auch die Predigerfuhren zum Be-
suche der Schulen, der Kranken und armen alten Leute u. s. w. zu
leisten.
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2. Gut B. Jeder Hufner muss seine bestimmte Strecke von der


Steinmauer am Kirchhofe unterhalten, auf Ansage des Kirchenge-
schworenen.
3. Gut den Kirchenbauten, Prediger- und Küstergebühren
G. Mit
u. s. ohne dass die Guts-
w. »bleibt es in allen Stücken wie bisher,
herrschaft im Mindesten sich darum bekümmert».
4. Gut D. Wie beim Gute C, mit dem Zusätze: «wogegen (d. h.

gegen Abhaltung der bisherigen kirchlichen Prästanda) die Humer


die volle Stimme bei der Predigerwahl auf immer behalten sollen».
Damals scheint auf diesem Gute noch kein gehöriges Kircheninventar
vorhanden gewesen zu sein; bei Erneuerung der Contracte wurde in
Betreff der Prästanda auf das Kircheninventar verwiesen.
5. Gut E. Neben den bisherigen kirchlichen Prästationen als

Neuerung: Entrichtung der sogenannten Kirchen -Anlagen (baaren


Ausgaben für das Kirchenwesen), welche auf diesem Gute der Guts-
herr bisher für die Hufner bezahlt hatte, und letztere nach Hufeu-
zahl entrichten sollten; desgleichen Anfahren des Deputatholzes für
den Prediger, wofür seither der Gutsherr gleichfalls gesorgt hatte.
6. Gut F. Hier wird von säinmtlichen kirchlichen Prästationen

der Hufner nur «die namhaft gemacht, dass sie dem General -Superin-
tendenten die Vorspannpferde bei der Kirchen Visitation zu .stellen
haben.

Analog den Hufenpachtcontracten enthalten auch die anfängli-


chen Instenpachtcontracte neben den auf das Pacht- oder Miethver-
hältniss sich beziehenden Bestimmungen allerlei polizeiliche Verbote
mit Strafandrohungen (betreffend das feuergefährliche Taback rauchen,
das Beherbergen von Fremden, die Ausübung von Holzfreveln in
den gutsherrlichen Forsten) und die Feststellung ihrer unentgeltlichen
Prästationen für die allgemeinen Bedürfnisse und Interessen der Gü-
ter und deren Bewohner: unentgeltliche Hülfe bei Feuersbrünsten
und allgemeinen Bettlerstreifen, im Turnus zu leistende Handdienste
für die Kirche, die Schule und das Wegewesen. Auch findet man
wohl in den Contracten angegeben, was sie dem Prediger, Küster
und Schullehrer, der angestellten Hebamme, dem Bauervoigt (wenn
sie zu dessen kleinem Gehalte contribuiren müssen) zu zahlen haben

» - —— ——

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Die gegenwärtige Zeil.


Obwohl es uicht zu unserer eigentlichen Aufgabe gehören wird,
hier die weitere Entwickelung der bäuerlichen Pachtwirthschaft und
der damit zusammenhängenden Verhältnisse in den Gütern der Her-
zogthümer zu verfolgen, so können wir uns doch einige Andeutun-
gen hierüber nicht versagen.
Im Ganzen sind die mit der Aufhebung derFrohnwirtbschaft und
Leibeigenschaft getroffenen Einrichtungen und angenommenen For-
men beibehalten worden, so dass das wirtschaftliche Leben und
Treiben der Bauern und Insten noch in den damals eingeschlagenen
Gleisen sich fortbewegt. So sind insbesondere die Pachtperioden noch
dieselben geblieben (8 — 10jährige) und das geschilderte Bewirthschafts-
system der Hufen (die schlagmässigc Feldgraswirthschaft auf einge-
hegten Koppeln) hat im Wesentlichen noch unverändert sich gehal-
ten; aber Fortschritte sind allerdings gemacht und damit auch die
Pachtcontracte abgeändert worden.
Unter den Abänderungen ist die wichtigste, dass das Pachtgeld
der Hufen, verglichen mit dem Anfange des Pachtwesens, auf das
iys fache, und da wohl auf das Doppelte gesteigert worden ist
hier
Aber die Hufner sind im Allgemeinen jetzt eher im Stande, das hö-
here Pachtgeld aufzubringen, als vor 50 —60 Jahren das niedrigere.
Sie sind den Verbesserungen der Hofwirthschaften, wenn auch
langsam und nur theilweise*) gefolgt. Ihre Erndten mögen sieh durch
Bemergelung, bessere Dünger und Feldbestellung (öfteres und tiefe-
res Pflügen), Entwässerung u. s. w. auf das Doppelte gehoben haben.
Eben so findet man wohl doppelt so viel Kühe und darüber auf der
Hufe, als zur Zeit der Frohnwirthschaft und dieselben sind auch bes-
ser genährt als früher, nur oft uoch in der Race nicht genügend.

*) Bei dem extensiven landwirtschaftlichen Betriebe der Herzogtümer


haben die grösseren Wirtschaften so entschiedene Vorzüge vor den kleineren,
dass die Bauern auch nicht im Stande sind, in allen Betrkbseinrichtnngpn und
Operationen den Gntshöfrn gleich zu kommen und relativ denselben Reinertrag
zu erzielen, wie dies auch in der Differenz des Pachtgeldes der Höfe und der
Hufen für die Tonne Landes bei gleicher Bodenbeschaffenheit sich zeigt. Anders
wird es sich wenn die Bauern eine Umgestaltung ihrer Wirtschaften zu
stellen,

einem intensiveren Betriebe (mit Stallfütterung, vermehrtem Futterbau u. s. w.)


vornehmen, und dies ist schon in Angeln, der Propstei n. s. w. im Werke, üebri-
gens scheint bei der ausserordentlichen Steigerung der Kauf- und Pachtpreise
der Höfe die Zeit gekommen zn sein, dass auch die Hofwirthschaften die exten-
sive Richtung ihres Wirthschsiftsbetriebes mehr und mehr beschranken müssen.

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Zwar ist die Kuhhaltung der Hufner verhältnissrnässig schwächer als


die der Gutshöfe, dagegen ziehen sie Jungvieh nicht blos zum eige-
nen Bedarf auf (was die Gutshöfe wenig thun), sondern auch zum
Verkaufe. Ihre Milchwirtschaft (Butterbereitung) wird derjenigen
der Gutshöfe immer nachstehen, hat sich aber gegen frühere Zeiten
sehr gebessert, insbesondere wo die Gutsherren bei Neubauten von
Hufen für gehörige Milchkeller Sorge getragen haben.
Zu der höheren Einnahme der Hufner aus Getreide, Butter,
Jungvieh ist in manchen Gütern ein erheblicher Erlös aus der Füllen-

zucht, in anderen aus dem Verkaufe von Kleesaamen gekommen.


Durch die Verbesserungen der Communicationsmittel ist der Produc-
tenabsatz leichter und vortheilhafter geworden.
Die Gebäude, das persönliche Fuhrwerk, das Mobiliar der Guts-
hufner sind zwar meistens nicht so stattlich, als die der Amtshufher;
aber die tägliche Lebensart der Gutshufner und ihres Gesindes ist

wohl ungefähr dieselbe als die der Hufner in den angrenzenden


Aemtern und die Beköstigung jedenfalls sehr viel besser, als sie vor 50
Jahren und früher war. Die Beschreibungen aus der letzten Zeit der
Leibeigenschaft von dem gedrückten Wesen und kümmerlichen An-
sehen der bäuerlichen Gutsbevölkerung sind längst antiquirt; man
sieht auf den ersten Blick, dass die Leute gut genährt und gekleidet
sind, und nicht an täglichen Nahrungssorgen leiden. So viel ist ge-

wiss, dass diese Pachtbauern auf ihren eingekoppelten Hufen von ge-
hörigem Umfange sich weit besser stehen und factisch in einer ge-
Lage befinden, als Tausende von verschuldeten, an der
sicherteren
Gemenglage der Aecker und Wiesen laborirenden kleinen Parzellen-
Grundeigenthümern auf ihren kümmerlichen Zwergwirthschaftcn in
manchen übervölkerten Gegenden des inneren, insbesondere des
südwestlichen Deutschlands. —
Vergleichen wir ausser der Pachterhöhung den sonstigen Inhalt
der Pachtcontracte aus der neueren und neuesten Zeit mit den ur-
sprünglich abgeschlossenen, so haben sich uns vornehmlich folgende
Aenderungen ergeben, von deneu wir indessen nicht behaupten kön-
nen, dass sie schon allgemeineund in welcher Ausdehnung überhaupt
sie auf den Gütern eingetreten sind. Einzelne hieher gehörige
Punkte haben wir des Zusammenhanges wegen schon vorhin berühren
müssen.
Die Last der Unterhaltung der Gebäude ist auf manchen Gütern
ingrösserem Umfange, als dies anfangs gewöhnlich der Fall war, den
Hufenpächtern zugeschoben worden. So z. B. in den Grossh. Oldenb.

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Fideicommissgütern laut der von Maitag 1857 bis dahiu 1867 abge-
schlossenen Contracte:
« Sämmtliche Reparaturen an den Gebäuden, wozu auch die Be-
legung mit Schleeten auf je neun Zoll der Länge des Balkens und
die Erneuerung einzelner Gebäudetheile gehört, hat Pächter auf seine
gerade so als ob er Eigenthümer
alleinigen Kosten zu beschaffen,
der Gebäude wäre. Doch soll er:
a) bei den Fundamenten, Mauern und Wänden aller Art;
b) bei den Verbandtheilen im Innern der Gebäude;
c) bei den Schornsteinen

das beuöthigte Eichen-, Buchen- und Föhrenholz, so wie die erfor-


derlichen Mauersteine und Dachpfannen nach dem vom Bauofficialen
anzufertigenden Bestick zur. selbst zu beschaffenden Anfuhr unent-
geltlich angewiesen erhalten.» —
In diese Contracte ist auch die
Bestimmung aufgenommen, dass wenn die Hufner eine Erweiterung
oder Vermehrung der Gebäude vornehmen (wozu sie der gutsherr-
lichen Genehmigung bedürfen), sie diese Bauten auf Verlangen der
Gutsherrschaft dem Pachtnachfolger gegen Taxat Überlassen müssen.
In Betreff des herrschaftlichen Inventars wird die früherhin auf-
gestellte Bedingung, dass die Kühe bei der Wiederablieferung einen
Minimalwerth von zehn Thaleru haben müssen, als den Preisverhält-
nissen nichtmehr entsprechend und die Entwickelung der Rindvieh-
zucht geradezu hemmend, wohl überall abgeschafft sein. Auch da»
Ein- und Ausbrennen der Kühe ist nicht mehr so allgemein.
Zur Vereinfachung des ganzen Pachtverhältnisses würde dienen
und auch aus anderen nahe liegenden Gründen zu wünschen sein, dass
die Hufner das herrschaftliche Inventar als käuflich einlösen und da-
mit als ihr Eigenthum erwerben könnten *).
Ob es hiezu schon auf einer namhaften Anzahl von Gütern ge-
kommen ist, wissen wir nicht. Bekannt ist uns nur, dass auf den
Grossh. Oldenb. Fideicommissgütern den circa 130 Hufnern dieses an-
sehnlichen Güter-Complexes schon von 1819 an die Einlösung nach
folgendem Verfahren gestattet wurde. Durch die Gutsofficialen wurde
der Durchschnittswerth des herrschaftlichen Inventars aller Hufen
nach den damaligen Preisen der Gegenstände auf 350 Thaler für die
Vollhufe, 175 Thaler für die Halbhufe, 150 Thaler für die Drittelhufe
und 100 Thaler für die Viertelhufe angenommen. Hierauf wurde das
Auf den Höfen ist das Inventar häufig und schon langst Eigenthum der
•)

Pachter geworden welches sie aber gegen Taxaium ihren Nachfolgern überlas-
,

sen müssen.

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Hufe speciell abgeschätzt,
herrschaftliche Inventar auf jeder einzelnen
und wenn der Werth desselben die angenommene Durchschnittssuiume
überstieg, so hatte der Huftier das Plus sofort der Gutsherrschaft baar
zu vergüten , während derselbe im umgekehrten Falle das Minus
ersetzt erhielt Letzteres scheint häufiger eingetreten zu sein, als
ersteres.
Der Vollhufner übernahm nun hiemit eine Geldschuld an die
Gutsherrschaft von 350 Thalern (und so abwärts die kleineren Huf-
ner) War er nicht im Stande, diese Schuld auf einmal auszuzahlen,
so musste er 14 Schuldscheine a 25 Thaler, verzinslich zu 4 pro Cent
ausstellen und konnte nun mittelst Abträge von 25 Thalern diese
Scheine allmählig einlösen, und so seine Schuld tilgen. —
So lange
die Schuld nicht ganz abgetragen war, diente das Inventar zur Hy-
pothek für die Gutsherrschaft und der Pächter durfte solches als ge-
wissermaassen eisern, in seinen wesentlichen Theilen nicht veräussern.
Ging ein Hufenpächter ab, bevor er das Inventar eingelöst hatte,
wurde verfügt, dass
so trat der Nachfolger in seine Schuld ein. 1854
nunmehr alle noch restirenden Schuldscheine (das Meiste war bis
dahin schon abgetragen) eingelöst werden sollten, und so ist jetzt die

ganze Summe gezahlt und dem Fideicommiss-Capitalfonds einverleibt


worden.
Obgleich nun das Inventar hier den Hufnern eigenthümlich ge-
hört, so sind sie doch in derVerfügung über dasselbe beschränkt.
Sie müssen während der Pachtzeit stets vollständig erhalten, be-
es
sonders die Viehzahl, und zur Veränderung in der Art des Viehes
die Genehmigung nachsuchen. Geht ein Hufenpächter ab, so muss
er das Inventar gegen taxationsmässige Vergütung dem Nachfolger
zurücklassen, durch welche Auseinandersetzung zwischen dem abge-
henden und antretenden Pächter die Gutsherrschaft nun nicht weiter
berührt wird. Es bezieht sich aber diese Verpflichtung nicht blos
auf das eingelöste herrschaftliche Inventar, sondern auch auf das
übrige Inventar, welches schon beim Anfange des Pachtwesens und
vorher den Hufnern eigenthümlich gehört hatte (wie z. B. das Jung-
und im Laufe der Jahre mit der
vieh, die Schafe, allerlei Geräthe)
Hebung der Wirthschaften vermehrt worden war.
Demnach wird als das von der Hufe nicht zu trennende Wirth-
schaftsinventar in den neuesten Hufenpachtcontracten dieser Güter
aufgezählt:
1. die Acker-, Garten- und Hand werksgeräthschaften; alle Gegen-
stände, welche zum Wirthschaftsbetrieb dienen;

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2. der ganze Viehstand;
3. das vorhandene Nutz- und Brennholz;
4. das Saatkorn, resp. gesäet und ungesäet
Zur Taxation des Wirthschaftsinventars (und zu anderen, beim
Pachtwechsel vorkommenden Ausgleichungen) ernennt sowohl der an-
gehende als der abziehende Hufner zwei Sachverständige, welche
nach vorgängiger Verpflichtung in zwei Parteien so vertheilt werden,
dass in jede Partei zwei gegenseitig ernannte Taxatoren kommen; jede
Partei giebt ihr Taxat besonders zu Protocoll, und der Durchschnitt
der beiden Angaben bildet das zu erlegende Taxat Den etwa erfor-
derlichen Obmann ernennt die Gutsherrschaft
Es werden indessen noch in den neuesten Pachtcontracten ge-
wisse Inventargegenstände als Eigenthum der Gutsherrschaft aufge-
führt, welche ausserhalb des mit 350 Thalern per Vollhufe eingelösten
Inventars liegen und dem jedesmaligen Pächter unter der Bedingung
der Rücklieferung in gleichmässiger Beschaffenheit und Güte und
unter der Verpflichtung einer gehörigeu Instandhaltung während der
Pachtzeit unentgeltlich überlassen werden. Nämlich:
1. das vorhandene Heu und Stroh;
2. der im Lande und auf dem Hofe befindliche Dünger;
ä. die erforderlichenFeldthore, Schlagbäume mit Stützen, die im
Felde befindlichen Siele, Brücken u. s. w.;

4. die auf und bei den Hofplätzen und Gärten befindlichen Plan-
ken, Staketen, Zäune, Pforten, Pumpen, Brunnen, Wasserleitungen,
Schleusen, Steinpflaster etc.;
5. die Obst- und Weidenbäume, mit der Bestimmung, dass stets
wenigstens 30 tragbare Obstbäume edler Sorte von drei Zoll im Durch-
messer vorhanden sein müssen und für jeden fehlenden Obstbaum
jährlich1 Thlr. R. M. (dänische Münze =% Thlr. preuss.) an die
Armenkasse zu bezahlen ist;
6. die bis zur Zeit des Pachtantritts nach landüblicher Wirth-
schaft beschafften Feldarbeiten *);
7. die erforderlichen Feuerlöschgeräthe.
Ob und in welchem Umfange diese Gegenstände vorhanden sein
müssen, bestimmt die Gutsherrschaft. Der Pächter muss das ad 1 —
Bestimmte auf seine Kosten ausführen und alle während der Pacht-
*) Die beim Abgänge zum 1. Mai abzuliefernde Feldbestellung haben wir

in anderen Contracten folgendermaassen bestimmt gefunden: eine Koppel mit


gedüngter Winterfrucht, eine Koppel mit Harthmdfchafer, völlig bestellt ehic ;

Koppel ans der Preesch gepflügt, eine Koppel zur Cioiste zweimal gepHügt.

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zeitvon ihm getroffenen, hierauf bezüglichen Einrichtungen beim


Abzüge unentgeltlich zurücklassen.
Wir haben dieses Beispiel angeführt, weil das Verfahren eigen-
tümlich und genau durchgebildet ist und anderen Gütern wohl als
Muster dienen könnte. —
Die Fruchtfolge und das Verhältnis der Ackerjahre zu den
Weidejahren hat sich ziemlich stabil erhalten, auch wenn man den
Hufnern nicht mehr, wie anfangs auf manchen Gütern, eine ganz be-
stimmte Rotation vorgeschrieben hat. Dass die Hufe nur in herkömm-
licher oder landüblicher Weise genutzt werde, wird auch jetzt noch
entweder stillschweigend vorausgesetzt oder in den Contracten kurz
angedeutet
In den erwähnten neuesten Contracten der Grossh. Oldenb. Fidei-
commissgüter wird die nach diesem Principe erlaubte Nutzung dabin
näher begrenzt, dass in Einer Rotation stets einmal reine Brache und
wenigstens zwei Weidesihläge gehalten werden müssen, auch höch-
stens einmal Raps oder Rübsen oder Kleesaat (d. h. Klee zur Gewin-
nung von Saamen) gebaut werden darf.
Wollen die dortigen Hufner eine intensivere Cultur einführen
(«wodurch mehreren Menschen Erwerb zugewendet oder der Ertrag
der Ländereien dauernd erhöht würde»), so können sie die Genehmi-
gung ihrer Pläne nach vorgängiger Prüfung erwarten. Dabei ist eine
Verfügung vorbehalten worden, dass die Hufner selber Rotations-
tabellen entwerfen und zur Genehmigung einreichen sollen. Der Auf-
bruch der Wiesen wird nur in so weit gestattet, als dieselben in den
Ackerländereien der Hufe liegen. Weder auf den Wiesen noch auf
moorigem Ackerlande noch aus den Gräben darf Torf genommen
werden. So weit es in ihren Kräften steht, sollen die Hufner dieser
Güter die dazu geeigneten Koppeln drainiren. Einen Ersatz für diese
oder andere Verbesserung haben sie nur auf Grund einer desfälligen
spcciellen Zusage der Gutsherrschaft zu beanspruchen, ohne Erlau b-
niss der letzteren dürfen sie irgend welche Verbesserungen nach be-
endigter Pachtzeit nicht hinwegnehmen.
Der Gutsherrschaft dieser Güter steht jederzeit frei, die Wirt-
schaft des Pächters und seinen Betrieb speciell nachsehen zu lassen.

Die Ansprüche auf Pachtremission nach Unglücksfällen sind


mehr und mehr beschränkt oder gänzlich abgeschnitten worden, wo-

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neben den Hafnern häutig die Verpflichtung auferlegt ist, gegen


Feuer- und Hagelschäden sich zu sichern.
Beibehalten ist noch hie und da eine beschränkte Ersatzverbind-
lichkeit des Gutsherrn für den Verlust von milchgebenden Kühen
bei Viehseuchen (wo das Inventar noch herrschaftlich
ist, welches

wohl noch immer die Regel bildet) und für die in Kriegszeiten an
den Feind gegen Quittung oder Bons geleisteten Zahlungen oder be-
schafften Naturallieferungen.
In den neuesten Contracten der Grossh. Oldenb. Fideicommiss-
güter heisst es dahingegen: «Pachtremissionen finden unter keinem
Vorwande und aus keinerlei Gründen Statt, also auch nicht
wegen Hagelschlag, Feuersbrunst, Misswachs, Viehsterben, Mäuse fr aas,
Wassersnoth, Einquartirung, Plünderung im Kriege u. s. w.»

Die vorbehaltenen Hülfsdienste der Hufner für die Hofwirtb-


schaften sind auf manchen Gütern vermindert oder gänzlich aufge-
geben worden. Und dies mit Recht. Sind diese Dienste in solchem
Umfange zu leisten, dass die Hufner deshalb mehr Spannkräfte hal-
ten müssen, als sie für ihre eigene Wirthschaft ohnehin bedürfen
(was allerdings wohl nur ausnahmsweise Statt findet), so erwächst
hierdurch ein Gesammtaufwand an Arbeitskräften, welcher in gar
keinem Verhältnisse zu dem Nutzen steht, den die Gutshöfe von die-
sen Hülfsdien8ten haben, und beiden Parteien würde statt dessen die
Vermehrung der Spannkräfte auf den Höfen und die Reducirung der-
selben auf den Hufen unter Erhöhung der Geldpacht der Hufner
vorth eilhafter sein. Es gilt hiefür im verkleinerten Maassstabe, was
für die eigentliche Frohn wirthschaft im Grossen und Ganzen.
Leisten aber auch die Hufner (oder ihre Knechte) diese Dienste
mit dem für die Hufen doch nöthigen Gespanne, und wie wir anneh-
men wollen, jetzt besser als die alten Frohnen, da die Hufengespanne
unter die Hofgespanne eingereiht werden und mit diesen gleichmas-
sig fortarbeiten müssen, die Hufner auch äusserstenfalls den Verlust
der Pachtung zu befürchten haben, so können sie doch, namentlich
bei ungünstigen Witterungsverhältnissen, empfindliche Nachtheile
dadurch erleiden, dass sie in ihrer eigenen Saatbestellung und Be-
sorgung der Heu- und Kornerndte gestört werden. Weniger bedenk-
lich sind die vorzugsweise in die Winterszeit fallenden Korn- und

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Holzfuhren, durch welche die Hufner gewissermaassen einen Theil


des sonst höher zu bestimmenden Pachtgeldes abverdienen können. —
Es oben angeführt worden, dass die Hufner gewöhnlich auch
ist

verpflichtet sind, den Landinsten die für die Feldbestellung und


Einerndtung nöthigen Spannarbeiten gegen eine festgestellte Vergü-
tung zu leisten und das den sämmtlichen Insten aus den herrschaft-
lichen Forsten und Torfmooren angewiesene Brennmaterial heran-
zufahren.
Dieses Verhältniss hat seine grossen Schattenseiten. Es erscheint
wie eine umgekehrte Welt, dass die Hufner den Insten dienstpflichtig
gemacht worden sind; und viele Humer empfinden es in unserer Zeit
unangenehm, wenn sie von den Insten zum Pflügen, Einfahren u. 8. w.
»angesagt» werden.
Führen die Hufner diese Arbeiten rechtzeitig für die Insten aus,
so können sie dadurch in ihrer eigenen Wirthschaft gestört werden.
Thun sie dieses nicht, so leiden andererseits die Insten darunter; und
klagen letztere und bekommen Recht bei der Gutsherrschaft, müssen
die Hufner event sogar Schadenersatz leisten, so giebt es eine
dauernde Verstimmung und allerlei Mittel und Wege, diese den In-
sten fühlbar zu machen.
Bei der niedrigen Vergütung leiden die Hufner geradezu Scha-
den, wenn sie wegen dieser Dienste ihre Spannkräfte vermehren müs-
sen, was allerdings sehr selten vorkommen wird, uns indessen doch
von einigen Gütern bekannt ist, wo wenige Hufner und viele Insten
vorhanden sind.
Auf den Grossh. Oldenb. Fideicommissgütern (wir wissen nicht,
ob auch schon auf anderen Gütern) hat man 1857 den Schritt gewagt,
die Hufner von der zwangsmässigen Bearbeitung derlnstenländereien
zu entbinden, und es sind nur die (weniger bedenklichen und zur
Zeit wohl noch nicht entbehrlichen) Holz- und Torffuhren für die
Insten beibehalten worden, ausser den unvermeidlichen Prediger-,
Hebammen- und Leichenfuhren für die Insten und die Armen.
Läugnen lasst sich nicht, dass die Landinsten, insbesondere wenn
sie zahlreich sind, theilweise in die Verlegenheit kommen können,
entweder ihr Land überhaupt nicht bestellt erhalten zu können, oder
übertriebenen Forderungen der Hufner ausgesetzt zu werden, wie
sich dies hie und dort schon auf den Gütern mit bauerlichem Eigen-
thums- oder Erbpachtsverhältnisse gezeigt hat, bei welchem das ganze
Zwangsverhältniss von vorn herein nicht eingeführt werden konnte.
Aber in der Kegel wird sich nun das natürliche Verhältniss ausbilden,

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dass die Laudinsten die nöthigen Spannarbeiten in Folge freier Ver-


abredung von ihren Brodherren —
die Hofinsteu von den Hofpäch-
tern, die sonstnoch etwa vorhandenen Landinsten ein jeder von dem
Hufner, bei welchem er das ganze Jahr oder den grössten Theil des
Jahres hindurch Arbeit findet,* geleistet erhalten. Ausserdem ist zu
erwarten, dass manche von den kleinereu Hufnern (Halbhufnern u. s.

w.) und die spannhaltenden Käthner einen Erwerbszweig aus der


Bestellung der Instenländereieu machen und durch ihre eigene Con-
currenz monopolistische Preise verhindern.
Vielleicht auch wird die Noth manche Landinsten dazu treiben
mit ihren Kühen zu arbeiten.

Was denjenigen Theil der Hufenpachtcontracte betrifft, welcher


auf die öffentlichen und gemeinsamen Angelegeuheiten der Gutsbe-
völkerung sich bezieht, so sind manche Punkte, weil durch spätere
landesherrliche Gesetze und Verordnungen geregelt, ausgemerzt, an-
dere in den Contracten genauer bestimmt oder durch besondere guts-
herrliche Reglements erledigt worden.
Allmählig bricht sich die Ansicht Bahn, dass diese Angelegenheiten
ihrem inneren Wesen nach commimale Angelegenheiten der Gutsunter-
gehörigen und dass die zur Durchführung derselben deu letzteren von
der Gutsherrschaft auferlegten Abgaben, Lieferungen und Leistungen
eigentliche Com munal lasten sind *). Diese Ueberzeugung muss über
kurz oder lang und bei der jetzt schon erreichten höheren Bildungs-
stufe der Gutsuntergehörigen zu coramunalen Einrichtungen führen,
obwohl sich nicht verkennen lässt, dass ein wahres und vollständiges
Landgemeindewesen nicht in Pistricten sich entwickeln kann, in wel-
chen der Gutsherr der alleinige Grundherr ist und die ganze übrige
Bevölkerung aus Angestellten, Hof- und Hufenpächtern und zur
Miethe wohnenden Handwerkern und Arbeitern besteht

*) Nach deu neuesten Hufenpachtcontracten der Oldenb. Fideicoramissgüter


sind «alle Abgaben, Lasten und Leistungen, welche nicht zu deu landesherr-
lichen gehören, als Communelasten anzusehen, mögen sie zu Kirchen-, Schul-,
Gutsannen- und sonstigen gemeinsamen, aus Gesetz, Verfassung,
Justiz-, Polizei*,
Herkommen oder gutsherrlichen Anordnungen herrührenden Einrichtungen ge-
fordert werden, mögen sie Reallasten oder Personal lasten seiu, uud mögen sie
in Geld, Naturalien, Vieh, Gerätschaften oder Diensten bestehen; sie werden
sowohl in Friedens- als in Kriegeszeiten vom Pachter so abgehalten, als nb er
freier Eigenthütner der Hufe wäre.»

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Am ehesten scheint eine communale Organisation des Anneu-


wesens in den adeligen Gütern auf Grund der Armenordnung für die
Herzogtümer vom 29. December 1841 Fuss zu fassen; diese liegt
auch am meisten im Interesse der Gutsherren selber, und zwar um
so mehr, je grösser und bevölkerter die Güter sind. So lange der
Gutsherr die Last der Armenversorgung allein trägt und die ganze
Masse der Armen auf ihn allein officiell hingewiesen ist, oder auch
die Hofpächter, Hufner und Insten zwar einen Zuschuss zu der guts-
herrlichen Armenkasse leisten, dieser Zuschuss aber in contraetlich
fixirten Beiträgen besteht, welche in Wirklichkeit nichts anders sind,
alsbestimmte Erhöhungen der Pacht- und Miethgelder unter fremdein
Namen, hat die erwerbs- und zahlungsfähige Bevölkerung der Güter
gar keinen Impuls, der Verarmung der Insten u. s. w. durch recht-
zeitige Hülfe möglichst vorzubeugen, gegen Alte, Schwache und Kränk-
liche gefälligund wohlthätig zu sein, den Andrang unverschämter
Armen abzuhalten, die aus der Gutskasse unterstützten oder ganz
unterhaltenen Armen zu controliren und so auf die Verminderung
der Armeuversorgungslast hinzuwirken und eine Zunahme derselben
zu verhindern. Sie müssen das Plus oder Minus der Ausgaben des
Armen wesens selber mit empfinden, dann aber auch an der Verwal-
tung desselben (Bewilligung und Vertheilung der Unterstützungen,
Beaufsichtigung der Annen, Repartition der Beiträge u. s. w.) Theil
nehmen. Dies nun auch schon auf einer Reihe von Gütern durch
ist

gutsherrlich entworfene und höchsten Ortes bestätigte Regulative zur


Ausführung gekommen und hat auch den erwarteten günstigen Er-
folg gehabt, indem entweder die bisherigen Ausgaben sich verrin-
gerten, oder die bisherige rasche Vermehrung derselben gehemmt
wurde *).
Auf den Inhalt dieser Regulative wollen wir hier nicht näher

*) Gewisse Uebelstände des Armenwesens in den Herzogtümern lassen sich

auch durch die communale Verwaltung desselben nicht auf den Gütern beseitigen,
wie die Lage der Dinge in den Aemtern. Landschaften uud Städten beweist. Sie
liegen in der Gesetzgebung, welche es den Besitz- und Erwerbslosen gestattet,
die leichtsinnigsten Heirathen zu schliessenund auf Kosten der Armenkasse
Familienväter zu werden oder die Versorgung unehelich erzeugter Kinder so
gut wie ganz von sich abzuwälzen. Die gesetzliche Pflicht der Gemeinden, ihre
Armen zu ernähren, ist, wenigstens früher, von oben herab in einer Weise inter-
pretirt worden, dass dadurch die unverschämtesten Ansprüche arbeitsfähiger,
aber fauler und liederlicher Armen begünstigt wurdeu. Gegen diese lelzte Classe
von Armen habeu übrigens die seit etwa SO Jahren in manchen Gemeinden, na-
mentlich in deu Marschen, errichteten Zwangsarbeitshäuser gute Dienste geleistet.

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eingehen. Die Landesregierung scheint bei Bestätigung derselben


bis jetzt nicht eben nach gleichen Principien zu verfahren, so dass
grosse Abweichungen auf den verschiedenen Gütern, namentlich auch
über die nunmehrige Participation des Gutsherrn an den Armenlasteu
vorkommen. Was diesen Punkt betrifft, so haben einige Gutsherren
ihre künftigen Leistungen zur Armenkasse bis weiter fixirt (Ueber-
lassung einer Anzahl von Kathen zuArmenwohnungen au die Armen-
commune oder Aufbau eigentlicher Armenhäuser für gutsherrliche
Rechnung, die dann von der Armencommune zu unterhalten sind,
Lieferung von Brennmaterialien für die Armen, jährliche Zahlung
einer bestimmten Summe an die Armenkasse), so dass es lediglich
von ihrem guten Willen abhängt, ob sie bei etwaiger späterer mit
dem Wachsen der Bevölkerung nicht unwahrscheinlicher Zunahme
der Ausgaben ein Mehreres thun wollen. Andere Gutsbesitzer dahin-
gegen sind mit der U ebernah me einer bestimmten Quote der jedesma-'
ligen Ausgaben, z. B. der Hälfte oder des dritten oder vierten Theils
der Gesammtsumme (je nach dem Grössen-Verhältnisse der Hoffelder
zu den Bauerfeldern u. 8. w.) in die von ihnen errichteten Armencom-
munen eingetreten.

Die Verhältnisse der Gutsinsten sind im Wesentlichen bis jetzt


so geblieben, wie sie nach Aufhebung der Leibeigenschaft und Frohn-
wirthschaft umgestaltet wurden und wie sie vorhin in diesem Ab-
schnitte von uns geschildert worden sind.

Nur zwei eingreifende Aenderungen, die bis jetzt zwar erst auf
der Minderzahl der Güter vorgenommen sein mögen, wahrscheinlich
aber weitere Verbreitung finden werden, verdienen hier erwähnt zu
werden.
1. Manche Gutsherren haben die Ueberzeugung gewonnen, dass
die Errichtung der Landinstenstellen eine Maassregel gewesen, welche
im Ganzen mehr Nachtheile als Vortheile mit sich führe. Ob dem
wirklich so ist, wollen wir nicht entscheiden. Dass dieses Verhältnis
aber jedenfalls seine Nachtheile hat, lässt sich nicht läugnen. Bei
der Gründung dieser Stellen ist man wohl hauptsächlich von dem
Gedanken geleitet worden , dass es gut sei , wenn die Insten ihren
Bedarf an den nothwendigsten Lebensmitteln selber erzeugen könnten
und auch, dass sie durch diese Landbewilligung mein an das Gut uud
den Gutsherrn gefesselt und als Hofarbeiter zu grösserem Fleisse an-

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gespornt werden würden. Allein da sie selber kein Gespann halten


können, und die Gutsherren sie auch nicht den beliebigen Forderun-
gen der Hufner aussetzen zu dürfen glaubten, so wurde von jenen
der bereits bei der Darstellung der Hufenangelegenheiten besprochene
bedenkliche Auskunftsweg eingeschlagen, die Hufner contractlich zur
Leistuug von Spanndiensten an die Landinsten gegen Vergütung zu
zwingen. Die sonstigen Wirthschaftsarbeiten besorgen die Insten und
ihre Frauen für ihre Ländereien natürlich selber. Darüber versäumen
sieaber Arbeit und Arbeitsverdienst auf den Gutshöfen oder bei den
Bauern; und das Resultat ist, dass sie —
diesen Verlust, das obwohl
niedrige Pachtgeld und die gleichfalls knappe Vergütung für die
Spanndienste zusammengerechnet —
doch ihr Brodkorn und Sonsti-
ges zu theuer produciren und besser thäten, bei fortwährendem Ver-
dienst auskömmlichen Arbeitslohnes ihren Bedarf an Roggen, Gerste
u. 8. w. selber zu kaufen.
Man hat auf einigen Gütern die Insten zur Spatencultur anregen
wollen. Allein die Production der gewöhnlichen Feldfrüchte mittelst
dieser Culturwürde höchst unrentabel sein und die Erhöhung der
Erndten für den grösseren Verlust der Insten an Arbeitszeit und
Arbeitsverdienst nicht entschädigen. An eine gartenähnliche Feld-
wirthschaft aber, welche werth vollere, der Spatencultur bedürfende
Früchte liefert, wie sie z.B. in den Ebenen undThälern des südwest-
lichen Deutschlands auf kleinen Parzellen getrieben wird, ist aus vie-
len Gründen in den Herzogtümern wenigstens für jetzt nicht zu
denken; und würde wären die Insten so gut wie
sie Platz greifen, so
ganz für ihre Ländereien beschäftigt und würden aufhören Arbeiter
zu sein, als welche sie doch gerade von den Gutsherren etablirt wor-
den sind *). Die Gutsherren könnten für die Instenkoppeln, mit deren
specieller Einhegung nebenbei bemerkt viel Terrain verloren gegan-
gen ist, das Doppelte und Dreifache an Pacht erhalten oder selber an
Ertrag gewinnen, wenn sie dieselben zu den Hofländereien schlügen.
Dies ist auch auf manchen Gütern bereits geschehen indem man ,

den Insten zugleich die ihnen überaus wichtige Kuhhaltung dadurch


gesichert hat, dass sie gegen ein sehr massiges Aequivalent die Som-
merweide auf den Dreeschkoppeln der Gutshöfe und das nötbige
Winterfutter geliefert erhalten. Zugleich können sie in den Koppeln,

*) Näher liegt e&, ihnen einen stärkeren Anbau von Klee and anderen

Futtergewächsen und die Sommeratallfütterung ihrer Kühe statt der Dreeach-


weide anzuempfehlen.

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welche zur Zeit nicht in Dreesch liegen, wie es im Turnus am besten


passt, kleine schon zurechtgepflügte Flächen zum Kartoffelbau, mit
welchem ihre Frauen und Kinder in freien Nebenstunden fertig wer-

den, von den Hofwirthschaften oder auch von den Hufnern (unter
Ablieferung des Düngers, soweit sie denselben nicht für ihren kleinen
Garten gebrauchen) wohl überall in Pacht erlangen. Damit wäre so
ziemlich das System wieder angenommen, welches zur Zeit der Leib-
eigenschaft das gewöhnliche in den Gütern der Herzogthümer war *),
und welches in Mecklenburg u. s. w. immer beibehalten worden ist
Gegen dasselbe ist hauptsächlich nur zu erinnern:
1) dass die Dreesch-Koppeln in manchen Jahren zufolge der
Rotation der sämmtlichen Koppeln sehr entfernt von den Wohnungen
der Insten liegen, die Frauen derselben also viele Zeit mit dem Hin-
und Hergehen zum Melken der Kühe verlieren
2) dass das Durcheinanderweiden der Hofkühc und Instenkühe
zu Unordnungen und Unterschleifen beim Melken Anlass geben kann,
die Absonderung der Instenkühe aber auf abgetheilten, provisorisch
eingezäunten Flächen der Dreeschkoppeln Umstände verursacht
Auf den Oldenb. Fideicommissgütern, wo die Landinstenstellen
bei Aufhebung der Leibeigenschaft in grosser Zahl mit bedeutenden
Opfern der Gutsherrschaft eingerichtet wurden, und auch beibehalten
worden sind (circa 300 Stellen), ist folgender eigenthümlicher Weg
eingeschlagen worden, um bei zunehmender Instenbevölkerung den
blossen Wohnungsinsteu wenigstens in zweien Dörfern die Haltung
einer Kuh möglich zu machen. Es wurden zwei Hufen aus der Pacht
genommen und Haushaltern übergeben, welche die Ackerwirthschaft
für Rechnung der Gutsherrschaft betreiben, während statt eigener
Kuhhaltung die Kühe von Insten im Sommer auf den Dreeschkoppeln
geweidet und im Winter in den Hufengebäuden durchgefüttert wer-
den, wofür die Insten ein sehr niedriges Weide- und Futtergeld zah-
len. Des ungeachtet ist der Reinertrag dieser sogenannten Instenhufen

für die Gutsherrschaft erheblich höher, als das dortige Pachtgeld der
Hufen. —
Hie und dort ist neuerdings den blossen Wohnungsinsten (die
in der Regel den späteren Zuwachs der Instenbevölkerung der Güter
seit Aufhebung der Leibeigenschaft repräsentiren) etwas Ackerland,
etwa % Tonne für die Familie, zugemessen und pachtweise gegen

*) Doch hatten damals die Instenkülic die Weide nicht auf den Hofkoppeln,

sondern auf den üemeinweiden der Hufner.

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Pränumeration billig überlassen worden. Es geschah dies hauptsäch-


lich in Folge der etwas .stürmischen Forderungen dieser Insten im
Jahre 1848 und zunächst zu dem Zwecke, ihnen statt einer Kuh we-
nigstens die Haltung einer Ziege zu ermöglichen, weshalb diese Land-
stücke Ziegenparzellen genannt werden. Oft hielten Insten schon
früher Ziegen, stahlen aber das Futter aus den herrschaftlichen For-
sten, den Gräben u. s. w. zusammen oder erbettelten sich die Erlaub-
niss zum Futterschneiden. Dies hat auch wohl nicht gauz aufgehört,
da sie die Parzellen gerne anderweitig benutzen.
Für die Ziegenställe müssen die Insten selber sorgen*) und unbe-
quem ist, dass diese nicht immer dicht an ihre Wohnung stossen, noch
unbequemer aber, dass die Ziegenparzellen selber zuweilen ziemlich
entfernt liegen. Die Insten bauen auf denselben Roggen, Flachs, Kar-
totfein, Klee u. s. w. und verlieren bei weiteren Wegen zu viele Zeit

mit dem Hin- und Hergehen und dem Ausfahren des Düngers und
der Einbringung der geerndteten Früchte auf der Schubkarre. Zu
Spanndiensten für diese Ländereien siud die Hufner nicht pflichtig.

Die Ziegenparzellisteu fangen zuweilen an (heimlich und wenn es


nachher entdeckt wird, ist es hart, es rückgängig zu machen), statt
der Ziege eine Kuh zu halten, was leicht den Verdacht unerlaubter
Futtererlangung erweckt Das Land zu den Ziegenparzellen mussten
auf den Oldenb. Fideicommissgütern, wo circa 500 Ziegenparzellen
angelegt wurden, meistens die Hufner nach dem gewöhnlichen gene-
rellen Vorbehalte in ihren Contracten hergeben, weil die Rücksicht
auf passende Localitäten dies nöthig machte. Doch Ist ihnen dasselbe
aus den Hofländereien oder Forsten wieder ersetzt worden.
So sehr mau nun auch allen Insten für alle Zeiten die Möglich-
keit, eine Kuh zu wünschen muss, so klar liegt die Unmög-
halten,
lichkeit vor, einer beliebig sich vermehrenden Bevölkerung hiezu
durch fortgesetzte Landabtretungen zu verhelfen, weil dies nur durch
successive Verkleinerung der Gutshöfe oder Hufen geschehen könnte
und schliesslich zu einer gänzlichen Auflösung derselben fuhren
müsste. —
II. Die Einrichtung, dass der Gutsherr (oder sein Bevollmäch-
für die Aufnahme von Hofarbeitern bestimmten Tnsten-
tigter) die

wohnungen selber an die von ihm ausgewählten Insten vermiethet

*) Mit Schweineställen dagegen sind die Instenwobuuugen wohl gewöhnlich


versehen, und es ist ganz allgemein, dass die Insten ausser der Kuh oder Ziege

jeder ein Schwein, oft auch noch ein bis zwei Schaafe halten.
Hantaen, Aulheb. d. Leibe*. 10

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146

und ihuen contractlich die Verpflichtung zu täglicher Arbeit gegen


bestimmte Lohnsätze auferlegt, ist in Betreff der verpachteten
Gutshöfe a's unzweckmässig erkannt und deshalb mehr und mehr
aufgegeben worden. in den ihnen solcherge-
Die Hofpächter fanden
stalt octroyirten Insten nicht immer die willigsten Arbeiter und be-

schwerten sich insonderheit über die Lässigkeit und häutigen Ver-


säumnisse der Instenfrauen. Das Verhältnis ist nun häufig dahin ge-
ändert, dass der Hofpächter eine Anzahl von Hofkathen mit in Pacht
bekommt und die darin befindlichen Instenwohnungen an die von ihm
ausgesuchten Arbeiter vermiethet, denen er dann auch die Wohnung
kündigen kann, wenn er mit ihnen nicht mehr zufrieden ist. Dabei
ist es ihm überlassen, mit diesen Insten über das Miethgeld, die Ver-

pflichtung zur Arbeitund die Lohnsätze selber zu contrahiren. Oder


auch, wenn Ueberfluss an Insten, mithin eine starke Concurrenz der-
selben vorhanden ist: Der Gutsherr vermiethet zwar nach wie vor
unmittelbar sämmtliehe Iustenwohnungen, aber der Hofpächter ist nicht
mehr an die seitherigen Hofinsten gebunden (so wenig wie diese an
ihn), sondern sucht sich aus den sämmtlichen Insten die geeignetsten
Arbeiter aus und vereinbart sich mit ihneu über die Leistung uud die
Zahlung der Arbeiten.
Diese freiere Bewegung ist offenbar ein wiithsch tftlicher Fort-
schritt; sie entspricht den Interessen der Hofpächter und giebt den
Arbeitern einen heilsamen Sporn. Dazu kommt, dass die Accordar-
beiten, welche doch besonderer Vereinbarungen bedürfen und mit dem
altenSysteme der festen Tagelöhnere! nicht hai moniren, immer mehr
Eingang Huden.

ZWEITES GAPITEL

Das bäuerliche Erbpachts- und Eigenthumsverhältniss auf den


adeligen Gütern.

Im dritten Abschnitte haben wir kurz berichtet, dass im Laufe


des vorigen Jahrhunderts auf einigen holsteinischen und vielen schles-
wigschen adeligen Gütern und auf sämmtlichen Domainen mit der
Auflösung der alten wirtschaftlichen Zustände (Uibeigenschaft nnd

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147

Frobnwesen) eine Parzellirung der grossen Gutshöfe vorgenommen


und sowohl für die hiedurch entstandenen neuen, als für die alten
bäuerlichen Landstellen das Erbpachts- oder Eigenthumsverhältniss
eingeführt wurde.
üeber die Ausführung und den Erfolg dieser Maassregel muss
hier nun nähere Auskunft gegeben werden.
Die Parzellirung der Hoffelder hielten Manche schon deshalb für
rathsam, weil sie meinten, dass die Bewirtschaftung der grossen
Höfe nach dem Wegfalle der seitherigen Frohndienste äusserst schwie-
rig und kostspielig werden würde.
Allgemeiner aber mag als Motiv die damalige Doctrin angesehe-
ner Politiker und Karaeralisten gewirkt haben, dass kleiner Grund-
besitz zu sorgfältigerer Cultur und damit zu einer Steigerung der
Brutto- und Netto- Erträge, zu rascher Vermehrung und grösserer
Wohlhabenheit der Bevölkerung und zur Hebung der Wehrfähigkeit
und Steuerkraft der Nation führen müsse *).
Bei der gewöhnlich stärkeren Concurrenz in der Nachfrage nach
kleinem Grundbesitze konnten die Gutsherren zugleich auf eine Er-
höhung ihrer eigenen Einnahmen rechnen; und wenn viele von ihnen
die Parzellirung und den Verkauf der Parzellen dahin begrenzten,
dass sie noch Hofwirthschaften für sich selber übrig behielten, so fiel

diese Rücksicht bei der Niederlegung der Domainen weg, weil die
Regierung in Betracht der mit der Pachtwirthschaft und noch mehr
mit der Selbstadrainistration der Doinainenhöfe unvermeidlich ver-
bundenen Nachtheile die Domainen überhaupt veräussern wollte.
Was nun zuvörderst das Maass der Parzellirung betrifft, so wurde
in der Regel aus den, dem alten Hofe zunächst gelegenen Ländereieu
eine grössere Parzelle gebildet, welche wenigstens den Umfang von
2—4 Bauerhufen, häutig den von gewöhnlichen Meierhöfen (Vorwer-
ken) adeliger Güter erhielt **). Dies war schon deshalb zweckmässig,
weil so die für die grosse Hofwirthschaft angelegten und einmal vor-
handenen Gebäude wenigstens theilweise ihren Nutzungswerth behiel-
ten. Diese Parzelle erhielt die Bezeichnung: «Stammparzelle», oder

*) lu den Herzogthüruern und in Dänemark ist in jener Zeit von grossem


Eiuflnssc eine Schrift von Oeder: «Bedenken Ober die Frage: Wie dem Bauern-
stande Freiheit und Eigenthum in den Ländern, wo ihm beides fehlt, verschafft
werden könne.» Frankfurt und Leipzig 1769 mit Zusätzen von 1771 gewesen.
Der Verfasser, welcher erst in der zweiten Auflage (Altona 1786) sich nannte,
war höherer Staatsbeamter in Kopenhagen und ging später in Oldenburg. sehe
Dienste über.
**) Grosse Meierhöfe wurdeu in ähnlicher Weise wie die Hauplhöfe parzellirt.

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148

bei erheblicher Grösse «Stammhof». An ihrem Besitze .hallet die


Ausübung der obrigkeitlichen Rechte und Pflichten des Gutsherrn *).
Der spätere Erwerber der Stammparzelle ward also zugleich
Gutsherr und zieht auch die gntsherrlichen Iiitraden aus den übrigen
Parzellen und den alten Bauerstellen, falls diese Intraden nicht durch
abgesonderten Verkauf in das Eigenthum irgend eines andern, z. H.
eines im Gute gar nicht possessionirten Kapitalisten übergingen, was
aber nicht häufig eingetreten sein wird.
Manche Gutsherren parzellirten uur so weit, dass der Stammhof
immer noch ansehnlich genug blieb, um den Charakter einer grossen
Uofwirthschaft zu behaupten.
Die Hofwirthschaften sind aber überhaupt und im Allgemeinen
nördlich von der Schlei geringeren Umfanges als im südlichen Schles-
wig und in Holstein. So wird z. B. in Angeln noch als Gutshof von
angemessener Grösse angesehen, was im östlichen Holstein nur als
gewöhnlicher Meierhof gilt
Die übrigen Parzellen wurden abwärts in den verschiedensten
Abstufungen ausgemessen und zwar arrondirt gleich der Stammpar-
zelle**). Man kann sie eintheilen iu solche, die auf Spannhaltung be-
rechnet sind, und in kleinere, die bis auf wenige Tonnen Landes
herabgehen. Erstere mögen häufiger den Halbhufen und Viertelhufen
als den Vollhufen gleichkommen. Bei Bestimmung ihres Umfanges
scheint mehr die Aussicht auf relativ höhere Kaufpreise kleiner
Landstellen als die Rücksicht auf ein angemessenes Verhältniss des
Areals zu den Kosten der Wirtschaft namentlich der erforderlichen
Spannkraft entschieden zu haben. Man trifft darunter Stellen an. die
zwarGespann halten und dies auch müssen, dasselbe aber nicht voll-
ständig beschäftigen können, so dass die Pferde, wie man zu sagen
pflegt, den Ertrag der Stelle auffressen.
Die ganz kleinen Parzellen sind etwa mit den Landinstenstellen
zu vergleichen und 2 —
3 Tonnen, auch 6—8
Tonnen gross; sie soll-
ten Tagelöhnern und Handwerkern Gelegenheit geben, etwas Grund-

*) Anders in den niedergelegton Domniuen, welche den benachbarten lan-


desherrlichen Acmtern entweder nunmehr einverleiht wurden, oder schon vorher
einverleibt worden waren.
**) Die PurztHeustelleu sind nicht blos besser arrondirt, .sondern haben auch

meist besseren Boden als die Uaucrstelleu der Güter, die zwar arrondirte Kop-
peln, aber diese nicht in einer zusammenhängenden Mäche haben, wenn nicht
ein umfassender Ausbau von Hufen aus den Dörfern Statt gefunden hat. Dass die
Gutsherren früheren Zeiten das bessere Land zu Hoffeld gemacht und das
iu
schlechtere den Bauern gelassen hatten, ist sehr erklärlich.

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J4i^
besitz für landwirtschaftlichen Nebeobetrieb zu erwerben. Da die
Inhaber dieser Parzellen nicht gleich den Landinsten auf den adeli-
gen Gütern mit Zeitpachtverhältniss die Bestellung ihrer Ländereien
von den spannfähigen Landstellen gegen eine Taxe fordern können,
so müssen sie darüber selber Akkorde treffen. Zuweilen halten sie
auch jeder ein Pferd und je zwei spannen zusammen: eine bedenk-
liche gegenseitige Abhängigkeit. In Angeln wird vermuthlich das
Pflügen mit Kühen auf diesen kleinen Stellen jetzt Eingang finden,
da die spannhaltenden Parzcl listen oder die Hufner angefangen haben,
ganz übertriebene Preise für die Feldbestellung und Fuhren zu fordern.
Die Käufer der Parzellen mussten selber für den Aufbau der
nöthigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude sorgen. Doch wurden Par-
zellen auch von Hufnern und Käthnern der Güter, die schon wirth-
schaftlich eingerichtet waren, zu ihrem Grundbesitze, resp. blossem
Hausbesitze zugekauft.
Manche Gutsbesitzer erklärten die Parzellen in der Weise für
Genehmigung eine Theilung dersel-
untheilbar, dass nicht ohne jhre
ben zur Gründung neuer Stellen oder eine Abtrennung einzelner
Ländereien zur Vergrösserung anderer Parzellen, oder eine Vereini-
gung mehrerer Parzellen zu Einer Wirthschaft unter Abbruch der
damit überflüssig werdenden Gebäude vorgenommen werden darf.
Andere gestatteten die beliebige Vereinigung mehrerer zusammen-
gekaufter Parzellen, so wie die unbeschränkteste Theilbarkeit der-
selben.
Noch andere setzten eine Minimalgrenze der Theilbarkeit, wenig-
stens für den Fall, dass auf den abgetrennten Stücken neue Familien-
stellen gegründet werdeu sollten.
Die damaligen Privilegien der Gutshöfc, wie Stempelpapierfrei-
heit, Zollfrciheit, Militairfreiheit wurden von den Gutsherren auf die
Parzellen übertragen.
Die ordinaire Contribution der Güter, welche zwar nur auf den
alten Bauernländereien ruhete, aber unter der Leibeigenschaft aus der
gutsherrlichen Kasse gezahlt wurde, verlegten die Gutsherren nun
entweder auf die bäuerlichen Landstellen allein oder zugleich mit auf
die Hofparzellcn (unterExemtion des Stammhofes oder der Stammpar-
zelle)und nahmen zu diesem Zwecke eine Reparation der sogenann-
ten Pflugzahl (des Matrikclansatzes) ihrer Güter vor, womit zugleich
der Beitragsfuss für ausserordentliche landesherrliche Prästationen
gegeben war, und auch für solche öffentliche Lasten des Gutes, die,
bisher gewöhnlich von den Gutsherren allein getragen, jetzt den Cha-

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150

rakter von Communallasten erhielten. Doch wurden für letztere auch


besondere Repartitionsnormen von ihnen eingeführt.
Manche Gutsbesitzer verfolgten bei der Parzellirung den löbli-
chen Plan, die Parzellen ausschliesslich oder vorzugsweise in den
Besitz von solchen Untergehörigen ihrer Güter gelangen zu lassen,
die nicht schon mit Grundbesitz versehen waren und auch keine Aus-
sicht hatten, diesen später zu erlangen. Hieher gehörten namentlich
die zweiten oder folgenden Söhne von Hufnern oder Käthnern, in

deren Landstellen gewöhnlich die ersten Söhne succediren.


Sie baueten ihnen dann meistenteils selber die Wohn- und Wirth-
schaftsgebäude auf und überliesseu ihnen die Stellen unter sehr mas-
sigen Bedingungen, so dass diese Classe von Erbpächtern oder Eigen-
tümern am sichersten ihr Fortkommen finden konnte. Es geschah
dies vornehmlich auf holsteinischen und südschleswigschen Gütern.
Nördlich von der Schlei, insbesondere in Angeln, wo sämmtliche
Gutshöfe parzellirt wurden, gingen die Gutsherren fiscal ischer zu
Werke, indem die Verkaufsbedingungen veröffentlicht, Auctionster-
mine angesetzt und die Parzellen den Meistbietenden zugeschlagen
wurden.
Die Höhe der Kaufgebote musste hauptsächlich davon abhängen,
ob und zu welchem Betrage eiue jährliche gutsherrliche Abgabe (Ka-
non) auf die Parzellen gelegt war. Einige Gutsherren verkauften die
Parzellen ohne eine solche Abgabe, um sofort grosse Gapitalsummen
zu erlangen, oder sie legten eine unbedeutende blos nominelle Ab-
gabe auf, um dadurch die Anerkennung des erbpachtlichen Verhält-
nisses zu sichern.
Die Meisten belasteten die Parzellen mit einem jährlichen unab-
lösbaren und nie zu erhöhenden Kanon: mit einem höheren oder
niedrigeren, je nachdem es ihnen mehr um das Capital oder mehr um
die fortdauernde jährliche Einnahme zu thun war: zu %, zur Hälfte,
auch wohl zu % der damaligen Grundrente.
Der Kanon wurdein einem und demselben Gute meist mit dem-
selben Satze für jede Tonne Landes (Heitscheffel in Angeln) oder in
zwei Sätzen per Tonne für das bessere und schlechtere Land, zuwei-
len aber auch, wo grössere Boden Verschiedenheit vorkam, nach soge-
nannten bonitirten Tonnen festgestellt*).

*) Bei der Bonitirung wurde unseres Wissens gewöhnlich so verfahren, dass

jede Tonne des örtlich besten Landes =


1 Tonne Bonität angesetzt uud das übrige

Land nach seiner schlechteren Beschaffenheit hierauf reducirt wnrde, so dass z. B.


1 j, 2, 3 Tonnen von successive schlechtcrem Boden eine bonitirte Tonne aus-

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151

Derselbe wurde fast durchweg in Geld bestimmt uud cur selten


wegen befürchteten Sinkens des Geldwerthes in Getreide-Quantitäten
tixirt, nach deren etwa 10jährigen Durchschnittspreisen die Auszah-
lung in Geld für die nächsten 10 Jahre sich richtet. Vereinzelt be-
steht er auch theils in Geld, theils in wirklich zu lieferndem Getreide.
Nach holsteinischem Rechte wurde der Kanon als eine Real last
augesehen (was er auch ohne Zweifel ist), so dass es einer hypothe-
karischen Eintragung nicht bedurfte, um ihm die Priorität vor allen
hypothekarischen Forderungen zu sichern. In Schleswig jedoch sahen
die Gerichte, wenn nicht anfangs, so doch späterhin den Kanon nicht als
eine Reallast, sondern nur als eine gewöhnliche Forderung an. Dies
hatte die Folge, dass manche Gutsbesitzer, da sie es für überflüssig ge-
halten hatten, ihn in das Schuld- und Pfandprotocoll (Hypothekenbuch)
ihrer Güter eintragen zu lassen, den hypothekarischen Gläubigern
nachgestelltwurden und in Concursen von Parzellisten ausser den
Kanon-Rückständen auch den Kanon selber für immer verloren *).
Nicht immer gelang der Verkauf der sämmtlichen Parzellen auf
einmal und es wurden dann wiederholte Licitationen, etwa nach Ab-
lauf von einigen Jahren angestellt, wenn die Gutsherren es nicht vor-
zogen, die unverkauft gebliebenen Parzellen dem Stammhofe (der
Stammparzelle) definitiv wieder einzuverleiben **).

Der Ankauf wurde den Parzellisten gewöhnlich dadurch erleich-


tert,dass sie beim Antritte nur einen Theil der Kaufsumme auszu-
zahlen nöthig hatten und das Uebrige verzinslich auf eine Reihe von
Jahren schuldig bleiben und allmählig abtragen konnten.
Ob die Parzellisteu Erbpächter oder völlige Eigenthümer wurden,

machen. Uebrigens ist die gleiche Höhe des Kanons für Land von verschiedener
Beschaffenheit kein grosser Uebelstand, da die Kaufpreise diese ungleiche Be-
lastung ausgleichen müssen.
Ueber die rechtliche Seile der Frage haben Juristen der Herzogtümer
*)

einen lebhatten Streit gegen einander geführt. Vgl.u. A. die Abhandlungen von

Burchardi, Fcddersen und Thomsen im staatsbürgerlichen Magazin Bd. 7, 8 u. U.


**) Die Concurrenz von Kauflustigen und damit auch die Höhe der Kauf-

preise war in den einzelnen Jahren sehr verschieden nach dem Stande der land-
wirtschaftlichen Conjunctureu, so dass also der pecuniaire Erfolg der Parzelli-
rung wesentlich davon abhing, zu welcher Zeit die Operation auf den einzelnen
Gütern vorgenommen wurde. Auch war von Einfluss, ob gleichzeitig in derselben
Gegeud viele oder wenige Gutshöfe parzcllirt wurden.
Manche Gutsherren, welche die Operation in ungünstigen Jahren ausführ-
ten, veräusserten die Parzellen zu sehr niedrigen Preisen, die dann von den Käu-
fern nach weuigeu Jahren zu sehr hohen Preisen wieder verkauft wurden.

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152

macht keinen wesentlichen Unterschied, was auch in Betreff der Huf-


ner und Käthner gilt
Das Erbpaehtverhältniss hat sich in den Herzogtümern fast dem
Eigenthume gleich gestaltet *). Das bei der Vererbpachtung vorbehal-
tene Vorkaufsrecht des Gufsherrn und die von ihm einzuholende Ge-
nehmigung zu anderweitigem Verkaufe ist factisch keine fühlbare
Beschränkung; eiue Beschränkung der Vererbung auf Descendenten
und eventueller Rückfall der Parzellen an den Gutsherrn findet nicht
Statt, und die Belastung mit einem Kanon, sowie' die etwaige Be-
schränkung der Theilbarkeit kommt ebensowohl bei Erbpacht als bei

völligem Eigeuthume vor.


Durch die Parzellirung entstand eine neue Klasse von mittleren
und kleinen Grundeigentümern, welche aus den verschiedensten
Elementen der Bevölkerung zusammengesetzt ist Bauernsöhne aus
den Aemtern und Landschaften, zurückgekommene und noch mit
einigen Mitteln versehene Handwerker und Kaufleute aus den Städ-
ten, kleine Rentiers, pensionirte Beamte und Offiziere mit etwas Ver-
mögen, Verwalter, deren Vermögen zur Uebernahme grosser Pacht-
wirthschaften nicht ausreichten, s.w., siedelten sich als Parzellisten an.
Im Allgemeinen wird den Parzellisten wegen ihres Herkommens,
ihrer mehr städtischen Bildung und des Vorranges der Hoffelder vor
den Bauernfeldern auch jetzt noch eine höhere sociale Stellung zu-
erkannt, als den alten Bauemfamilien.
Doch hat sich der Gegensatz zwischen Parzellisten und Bauern
schon vielfach durch die vorgeschrittene Bildung der letzteren und
durch gegenseitige Heirathen ausgeglichen. Auch sind den Parzellen
Gesetzgebung genommen
die wichtigsten Vorrechte später durch die
und die durchgängige Wohlhabenheit der Hufner ist wohl mindestens
eben so gross als die der Parzellisten.
Von der ersten Generation von Parzellisten sind viele in den
niedergelegten Domainen wie in den adeligen Gütern zu Grunde ge-
gangen, insbesondere Solche, welche in der letzten Zeit des vorigen
Jahrhunderts und zuAnfaug dieses Jahrhunderts, als durch die hohen
Productenpreise ein wahrer Güterschwindel entstanden wnr, sich an-
gekauft und bei starker Conen rrenz von Mitbietenden die Parzellen
viel zu theuer und ohne gehörige Berücksichtigung der Kanon-Bela-
stuug und der Baukosten bezahlt hatten, dabei nicht hiulanglich mit
eigenem Capitale ausgerüstet waren und schon bei der Aufführung

*) Falck, schlesw.-holst. Privatrecht V, 221 ff

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der Wohn- und Wirtschaftsgebäude tief in Schulden geriethen.
Man rechnete unbesonnener Weise auf fortdauernd hohe Producten-
preise und gute Erndten. Erklärlicher war es, dass man nicht auf den
Verlust mancher Vorrechte und auf die enorme Steigerung der öffent-
lichen Lasten gefasst war. Die anfängliche Befreiung der Hofparzel-
listcn und ihrer Söhne vom Militärdienste war mit eine Ursache der
hohen Kaulpreise der Parzellen gewesen.
Mit der neuen Landmilitairordnung vom 1. August 1800 fiel

aber diese Exemtion weg und wurden die Parzellisten hierin dem
Bauernstande gleichgestellt. Von 1802 an wurden die landesherrlichen
Abgaben durch eine neue Grundsteuer und deren successive Erhö-
hungen, sodann 1813 durch die noch tiefer eingreifende sogenannte
Reichsbankhaft, welche zu Gunsten der Reichsbank 6 Procent vom
Capitalwerthe aller Ländereien verschlang und endlich durch die
ausserordentlichen Kriegslasten jener Zeit zum unerträglichen Ueber-
maasse gesteigert*).
Die selber mit leidenden Gutsbesitzer konnten alle diese Leiden
von ihren Parzellisten nicht abwehren und auch zur Entschädigung
derselben nicht verpflichtet sein; eine Kürzung des Kanons um einige
Procente wurde deu Parzellisten wegen Auferlegung der Grundsteuer
von 1802 gesetzlich gestattet.
Aber die Parzellisten der Domainen konnten sich mit Fug und
Recht darüber beschweren, dass die Regierung selber ihnen erst we-
nige Jahrzehnte vorher für die Ländereien hohe Preise durch das
Versprechen der Conservation von Vorrechten und der Un Veränder-
übernommenen Lasten abgelockt hatte, und nun nicht
lichkeit der
Treu und Glauben hielt. Konnte dieses an und für sich unsinnige
Versprechen ans höheren und allgemeineren Rücksichten nicht ge-
halten werden, so wäre die Regierung wenigstens verpflichtet gewe-
sen, eine entsprechende Entschädigung durch Moderation des Kanons
oder in anderer Weise zu leisten.
Als nun vollends noch von 1820 an eine Periode niedrigster
Productenpreise eintrat, in welcher nicht einmal die laufenden Wirth-
schaftskosten gedeckt wurden, viel weniger eine Grundrente blieb und
das ßetriebscapital sich verzinste, da brachen eine Menge von Con-
cursen (freilich auch sonst im ganzen Lande) aus un<l die Verkaufs-

*) 1838 fiel auch die Zollfr'eihcit der adeligen Güter weg. allerdings gegen
eine massige Capitulentschadigung, die aber nicht zur Vertheilung kam, sondern
ala gemeinschaftlicher Fonds der Güter zur Beförderung gemeinnütziger Einrich-
tungen im ganzen Lande verwaltet wurde.

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preise der Parzellen sanken bis auf V'lu der ursprünglichen Ankaufs-
preise herab, wenn sie überhaupt wieder unterzubringen waren uud
nicht notgedrungen von den Gutsherren wegen rückständiger Steuern
(für welche sie dem Staate haften) und Gefälle übernommen werden
mussten.
Allerdings konnten die, welche jetzt für Spottpreise, mit denen
nicht einmal der Werth der Gebäude bezahlt wurde, in den Besitz
der Stelleu gelangten, gut bestehen, und auch diejenigen alten Par-
den zwanziger Jahr eu, wenn gleich mitNoth und
zellisten, die sich in

Sorgen haben später unter dem Einflüsse günstigerer Conjunc-


hielten,
turen wohl der Mehrzahl uach wieder sich erholt. Von Uebel bleiben
jedoch immer die vielen Parzellen, die eigentlich nicht spannfähig
sind, weil sie dazu nicht Land genug haben und doch Gespanne halten
müssen, weil die Besitzer ebeu Landwirthe sein wollen und das Land
nicht für Geld bestellen lassen können, womit sie auch selber oft un-

beschäftigt sein würden: Stellen, die überhaupt zu klein sind, um Ge-


bäude, Iuventar und Arbeitskräfte gehörig zu verwerthen, die folglich»
sehr theuer produciren. Diese haben die geringste Lebenskraft und
Existenzfahigkeit bei eintretenden Calamitäten, und es ist immer als

ein günstiger Umstand und als das passendste Remedium anzusehen,


wenn sie nach Concursen in den Besitz von anderen spannhaltendeu
Parzellisten oder von Hufnern des Gutes gelangen, welche sie mit
ihren Wirtschaften vereinigen und ohne fühlbare Vermehrung ihrer
bisherigen Betriebskosten nutzen können.
Abgeseheu von diesen Zwitterstellen, die nicht «Fisch noch Fleisch»
sind, ist häufignoch der doppelte Fehler begangen worden, zu viele
Parzellen Überhaupt auf einmal zu schaffen und den Markt mit diesen
neuen Landstellen gewissermaassen zu überführen, wie aus der an-
fänglichen Hnverkäuflichkeit mancher Parzellen in dem einen oder
anderen Gute sich ergab; und zuweuig grössere und zu viel kleinere
Parzcllenstellen zu gründen. Man hätte mehr Stellen von der Grösse
der Stamm parzellen machen und kräftige Spannwirthschafteu von
6 — 8, lieber noch von 10—12 Pfeiden ins Leben rufen, dagegen in

der Schaffung von Stellen für blos 2 Pferde, so wie von kleinen ge-
spannlosen Stellen mehr Maass halten sollen.
Die Parzellisten selber haben nun später häutig noch weiter par-
zellirt, sei es durch Abverkauf einzelner Ländereien oder durch Thei-
lung unter Erben. Wir vermuthen, dass dies gerade unter den klei-
neren Parzellisten weit öfterer vorgekommen ist, als unter den
grösseren.

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Jeusen bemerkt in seiner angefahrten Beschreibung von Angeln
p. 274, dass dort auf manchen Gütern die Zertheilung in gar zu kleine
Stellen überhand genommen und eine Uebervölkerung mit wachsen-
den Armenlasten herbeigeführt habe *).

Gleichzeitig mit der Parzellirung der Gutshöfe wurden die Huf-


ner und Käthner in Erbpächter oder Eigeuthümcr verwandelt.
Unter welchen Bedingungen dies geschah, scheint sehr von dem
Wohlwollen, auch wohl von dem Wohlstände der Gutsherren abge-
hangen zu haben. Die Meisten gingen wohl und mit Recht davon aus,
dass die vorhandenen bäuerlichen Familien an ihren Landstcllcn ur-
alte Nutzungsrechte hatten, die überdies in manchen schleswigsehen
Gütern auch bestimmten Formen conservirt waren**).
in

Sie normirtenilaher das Kaufgeld und den jährlichen Kanon nicht


hoher, oder nicht viel höher als nöthig war, um Ersatz für den Weg-
fall der Hofdienste und der verschiedenen Gefälle (Häuergelder u. s. w.)

zu erhalten. Auf südschleswigschen und holsteinischen Gütern wurden


neben dem Kanon einige Hülfsdienste (wie beim Zeitpachtverhältnisse)
vorbehalten. Mancherlei Land-Versuren wurden bei dieser Gelegen-
heit der besseren Arrondirung halber vorgenommen, insbesondere
Bauernfelder zu Hofparzellen gezogen, dagegen wieder aus den Hof-
ländereien ersetzt; hie und da wurden aber auch sämmtliche Hufen
verkleinert, um mehr Parzellenland zu gewinnen. — Nur ausnahms-
weise wurden die bestehenden Verhältnisse so gänzlich über den
Haufen geworfen, dass man völlige tabula rasa machte und alles Land,
die Hoffelder der Haupt- und Meierhöfe wie die Bauernländereien
der Hufen und Kathen in eine Masse zog, um hieraus durchgängig
Parzellenstellen zu bilden, so dass die Hufen und Kathen ganz ver-
schwanden und die neuen Stellen je nach der passendsten Lage der
Felder ganz gemischt aus ehemaligem Hofland und Land von ver-
schiedenen Hufen und Kathen bestanden. Sämmtliche Parzellen wur-
den sodann zur Auction gestellt und hiebei die bisherigen Hufner und

*) Leider fehlt es an uaheren statistischen Untersuchungen Uber die Folgen


dieser gnnzen Parzclliruugs-Operatiou in den Hcrzngthümern.
Als «Feste» auf Lebenszeit, selbst als Erbtest«; auch mit eigentümlichem
**)

Besitze der Gebäude und des Inveutars. Ueber das Feste vcrbältniss im Herzog -
thume Schleswig vgl. Wimpfen, die Lehre von den Festegatern, im staatsbürger-
lichen Mag. VI, 227 ff. und Falcks Schleswig holsteiuischeb Privatrecht V, 223 ff.

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15«

Katbner völlig wie Fremde behandelt; es kam darauf an, ob sie mit
bieten konnten und wollten und beim Meistgebote später zu bestehen
vermochten, oder ob sie von vornherein lieber auf den Kampf mit
den fremden Kauflustigen verzichten und auswärts irgend ein Unter-
kommen suchen oder im heimathlichen Gute zu Insten und Guts-
armen sich degradiren lassen wollten. Als ein empörendes Beispiel
dieser Art haben wir schon im dritten Abschnitte das Verfahren auf
dem Gute Gehe von 1790 angeführt. Die schützenden Bestimmungen
der Verordnung vom 19. December 1804 fehlten damals noch.

Es konnte nicht rathsam sein, die Kathen sammt und sonders


gleich den Hufen in Erbpacht oder Eigenthum zu geben. Ausser den
Dienstwohnungen der unteren Guts-Officialcn (Forstaufseher u. s. w.)
mussten beim Stammhofe die für die Unterbringung der Hoftagelöh-
ner und der verheiratheten Knechte des Hofes erforderlichen Kathen
verbleiben, weil dieselben, in das Privateigenthum dieser Leute über-
gegangen, späterhin durch Erbschaft oder Verkauf leicht in die Hände
von Handwerkern und sonstigen Gutseinwohnern hätte übergehen
können, worauf der Eigenthümer des Stammhofes zum Aufbau neuer
Tagelöhner- und Deputatisten-Wohnungen genöthigt sein würde.
Mit der Einführung des Erbpacht- oder Eigenthumsverhältnisses
wurden gewöhnlich auch Hypothekenbücher (in den Herzogthümern
Schuld- und Pfandprotocolle genannt) für die Gutsuntergehörigen
angelegt, um den hypothekarischen Credit derselben zu befestigen.
Während die Staatsgesetzgebung die unbegrenzte Parzellirung
der Hoffelder gestattet, mithin auch die weiteren Theilungen oder Zu-
sammenwerfungen der von den Gutsherren in beliebigem Umfange ge-
bildeten Parzellen den ursprünglichen Käufern und späteren Besitzern
derselben frei stehen, falls sie nicht durch die Verkaufsbedingungen
des Gutsherrn iu dieser Befugniss beschränkt sind, verhält es sich
anders mit den Erbpächtern oder Eigentbümern der alten bäuerlichen
Landstellen der Güter, wenigstens nach der Absicht der Verordnung
vom 19. December 1804, welche allerdings in diesem Punkte auf
manchen Gütern nicht zur factischen Geltung gekommen zu sein
scheint, weil die hier zur Rede stehenden Regulirungen schon vor
1805 ausgeführt waren und die Gutsherren dabei zum Theil andere
Bestimmungen getroffen hatten. Die gedachte Verordnung will, dass

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157

die zur Zeit auf den Gütern vorhandenen Hufenstellcn (ganze, halbe
u. 8. w. Hufen) in dieser ihrer Eigenschaft erhalten werden sollen,
wobei es dem Gutsherrn uuverwehrt blieb, einzelne Ländereien von
der einen Bauerstelle zur andern zu legen.
War auch die Tendenz dieser Bestimmung höchst wahrschein-
lich nur gegen die gutsherrliche Niederlegung dieser Stellen und die
Einziehung der Ländereien unter das Hoffeld gerichtet, so enthielt
sie doch implicite auch eine Beschränkung der Dismembrationsfreiheit
für die Bauern selber oder für Andere, welche diese Stellen ei bpacht-
lich oder eigcnthünilich erwarben.
Nun hatten aber eiuigo Gutsherren die neuen Parzellen aus
einem Gemische von Hof- und Bauernländereien gebildet, dabei die
Hufen gänzlich kassirt und den Käufern dieser neuen Stellen die
völlige Dismembrationsfreiheit eingeräumt; andere (die meisten) hat-
ten die Hufen (wenn auch zuweilen verkleinert) bestehen lassen und
dieselben gleichfalls entweder mit völliger oder mit wenig beschränk-
ter Dismembrationsfreiheit in Erbpacht oder Eigenthum gegeben *).

Hiebei scheint es nun trotz der Verordnung vom 19. Decembcr


1804 sein Bewenden behalten zu haben. Aus der späteren Zeit liegt
unseres Wissens nichts weiter vor, als ein Bescheid des schleswig-
schen Obergerichts (der damaligen mittleren Justiz- und Regiminal-
behörde für das Herzogthum Schleswig) vom 21. November 1808,
gegeben auf die Anfrage des Justitiariates eines schleswigscheu Gutes
über die Befugniss der Parzellirung von ganzen, halben u. s. w. Hufen,
dahin lautend, dass die Eigenthümer solcher Stellen nach den für die
landesherrlichen Aemter geltenden Grundsätzen**) in so weit theilen
dürfen, dass es keiner Stelle an den zum Betriebe einer «Haushal-
tung» (!) und zur Sicherheit der Gefälle und öffentlichen Lasten er-

*) Wir haben Gegenden nördlich von der Schlei im Auge. Im


hiebei die
Bildlichen Schleswigund iu Holstein machten die Gutsbesitzer die Dismembra-
tiou der Erbpacht- und Eigenthumsstellcn regelmässig von ihrer Genehmigung
abhängig.
*) Nach der sogenannten Lnudveräusserungs-Verordnung vom 28. Juli 1784
darf der Regel nach nur eine Theilung in halbe oder Viertelhufen gestattet
werden. Von einer vollen Hufe dürfen nicht mehr als 2—4, von einer halben

Hufe nicht mehr als 1 2 Katheu mit Land für 2 Kühe abgelegt werden. 4 Vier-
telhufeu oder 2 halbe Hufen oder 2 Viertelhufen und 1 halbe Hufe können unter
Abbruch der überflüssigen Gebäude vereinigt werden. Wer aber mehr Stellen
zusammenbringt als eine volle Hufe ausmachen, muss sie getrennt bestehen lassen
uud die Gebäude erhalten.

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158

forderlichem Lande fohle; doch sei hiezu die Einwilligung des Guts-
herrn erforderlich.
Da die Gutsherren häufig durch die Verkaufsbedingungen auf
diese Genehmigung als Grundherren ausdrücklich verzichtet hatten, so
konnten sie hier nur als Obrigkeit gemeint sein und würden in sol-
chen Fällen in eine eigeuthümliche Collision mit sich selber gerathen.
Mit diesem Bescheide war die wichtige Frage nicht ins Klare gebracht,
und auffallen inuss es auch, dass das Obergericht nicht auf die Ver-
ordnung vom 19.Deeember 1804, sondern auf die, die adeligen Güter
gar nichts angehende Gesetzgebung für die landesherrlichen Aemter
sich stützte. —
Der erbangesessene Bauerstand kann nicht blos durch übertrie-
bene Parzellirungen zu Grunde gehen, sondern auch durch Ueber-
schuldung, welche bei dem gemeinen Erbrechte durch die Auszahlun-
gen des die Stelle übernehmenden Erben an seine Geschwister leicht
eintritt Hiegegen schützt in den landesherrlichen Aemtern die be-
sondere bäuerliche Erbfolge, nach welcher der älteste Sohn (in eini-
gen Gegenden der jüngste Sohn) ein Näherrecht an der Hufe hat und
die Ansprüche seinei Geschwister nach einem sehr niedrigen Taxatum,
welches sich erheblich unter dem wahren Capitalwerthe der Hufe
hält befriedigt *).

Die besondere bäuerliche Erbfolge ist nun auch auf die Dorf-

schaften der niedergelegten Domainen mit Incorporirung derselben


in die Aemter ausgedehnt worden, nicht aber auf die Hofparzellisten
der Domainen und überhaupt nicht auf die adeligen Güter, weder auf
die Parzellisten noch auf die Erbpachts- oder Eigenthumsbauern
derselben.
Dies würde wohl schon allgemeiner und bemerkbarer den Wohl-
stand der Parzellisten und Bauern dieser Güter beeinträchtigt haben,
wenn nicht fast gewohnheitsrechtlich die Sitte sich ausgebildet hätte,
dass dieselben (wir glauben dies wenigstens von der Mehrzahl der
grösseren Parzellisten und Bauern behaupten zu können) durch
Disposition zu Lebzeiten oder testamentarische Verfügung das fest-
stellten, was die Gesetzgebung für die Aemter vorschreibt.
Mit der Parzellirung und der Vererbpachtung oder Eigeuthums-
verleihung schufen die Gutsherren nun auch, wie es das Bedürfuiss
unumgänglich erheischte, communale Errichtungen, wobei sie mehr

*) Heber die Succession in achleswigsche Bondeti- und Festegttler »gl. Eb-


march, Handbuch des Erbrechtes im Herzogthume Schleswig 1842, p. 108 ff.

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oder weniger die Leitung der Geschäfte sich vorbehielten und die
Stiimmhöfe von gewissen Ausgaben u. s. w. eximirten. Gewöhnlich
bildet das Gut für die allgemeinen polizeilichen Angelegenheiten
(im weiteren Sinne des Wortes) eine einzige Commune, während das-
selbe für das Schulwesen und für das Armenwesen häutig in mehrere
Districte getheilt ist, wobei die locale Lage und die Grösse und Be-
völkerung der Güter entscheiden, ob die Hofparzellen für sich und
jedes Dorf für sich oder mehrere Dörfer zusammen oder eine Ver-
einigung von Hofparzcllen und bäuerlichen Stellen einen solchen Di-
strict bilden.

An diese summarische Uebersicht wollen wir einige nähere Mit-


theilungen knüpfen, um sowohl die Verschiedenheit der befolgten
Methoden als den verschiedenen Erfolg der Operation deutlicher zu
machen.

A. Niederlegung der Domainen.


Durch Königliche Resolution vom 15. August 1763 wurde die
Veräusserung der Domainen in den Herzogthümern decretirt und
diese von 1765 —
1787 von einer besonders hiezu ernannten Com-
mission ausgeführt Die aus den Domanialhöfen gebildeten Parzellen
wurden anfangs ohne Kaufpreis blos gegen einen jährlichen aus dem
Meistgebote resultirenden Kanon veräussert, was die Folge hatte,
dass Unbemittelte coneurriren konnten und leichtsinniger Weise einen
viel zu hohen Kanon übernahmen, welcher dann späterhin oft not-

gedrungen ermässigt werden musste.


Daher wurde auch bald und für alle folgenden Niederlegungen
der Kanon fest und massig nach vorgängiger Bonitirung der Lände-
reien bestimmt und der Kaufpreis zum Gegenstande des Aufgebotes
gemacht
Von dem Kaufpreise konnte die Hälfte gegen 4 Procent Zinsen
unkündbar strhen bleiben; von dem Kanon wurde ein Theil für die
ersten 3 —6 Jahre erlassen, um den Parzellisten die Ansiedelung
(Bauten, Anschaffung von Inventar, Einhegung der Felder) zu er-
leichtern.
Der Kanon enthielt zugleich die Grundsteuer, war also eine ge-
mischte gutsherrliche und bäuerliche Abgabe. Auf jede spätere Er-
höhung derselben wurde bestimmt verzichtet, auch Befreiung von öf-

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160

fenl liehen Fuhren u. s. w. in Friedenszeiten zugesagt; desgleichen die


Befreiung vom Militärdienste. Dass dies alles nicht gehalten wurde,
ist bemerkt worden.
bereits
Auf den meisten Domainen wurden die vorhandenen Hofgebäude
besonders verkauft: an den Käufer der Stammparzelle, so weit die-
ser sie gebrauchen konnte, sonst zum Abbruche, wodurch auch die
übrigen Parzellen theilweise mit Gebäuden oder Baumaterialien sich
versehen konnten. Geschah dies nicht, so wurden die Gebäude, so weit
sie reichten, über die Parzellen als Zubehör derselben mit vertheilt
Die Parzellen dürfen nicht ohne höhere Genehmigung weiter ge-
theilt werden.
Viele Parzellen wurden mit der Bauverbindlichkeit belegt, die
indessen iu speciellen Fällen erlassen wurde, z. B. wenn Jemand meh-
rere Parzellen zusammengekauft hatte, um sie von einem Punkte aus
zu bewirtschaften. Ohne Bauverbindlichkeit wurden vorzugsweise
die ganz kleinen Parzellen gelassen, die für schon vorhandene, bis jetzt
aber noch nicht mit Land versehene Käthner bestimmt waren und
dieseu ohne Auction gegen massige Bedingungen übergeben wurden.
Anfangs wurde der grosse Fehler gemacht, die zu den Domanial-
gütern gehörigen Holzungen , welche wohl bis dahin den Pächtern
der Domanialhöfe mit zur Nutzung übergeben gewesen waren, an die
Parzellisten (wir wissen nicht, ob unter sämmtliche vertheilt oder
blos an den Käufer der Stammparzelle oder an diesen und einige der
grösseren Parzellisten) mit zu verkaufen. Die Parzellisten devastirten
dieselben und deckten durch den Holzverkauf oft ganz oder grössten-
theils den Kaufpreis der Parzellen, Später wurden die Holzungen
reservirt und den Staatsforsten einverleibt
Die Bauern der Domanialgüter wurden nicht zu Erbpächtern
gemacht, wie die Parzellisten derselben, sondern gleich zu völligen.
Eigentümern, und zwar unter Bedingungen, die nach ihren bisheri-
gen Rechtsverhältnissen und Lasten sehr verschieden gestellt wurden.
Auf den meisten holsteinischen Domainen waren sie bis dahin
leibeigen gewesen und mussten jetzt ein sogenanntes «Freikaufgeld»
zahlen, womit sie aber zugleich das Eigenthum der Stellen erwarben
und das Inventar einlösten (auch die Gebäude, wenn diese nicht ge-
gen specielles massiges Taxatum abgetreten wurden), circa 250 Thaler
bis 700 Thaler (300 Thaler bis 840 Thaler preuss. Cour.) per Voll-
hufe je nach den Gütern, der Grösse der Hufe u. s. w. In Schleswig
fand nur auf einer einzigen Domaine Leibeigenschaft Statt (Lindau
in Angeln); hier zahlten die Bauern für die persönliche Freiheit und

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161

das Eigenthum der Stellen (von 9 bis 38 Tonnen) 32 bis 140 Thaler;
dazu die Hälfte des Taxationswerthes der Gebäude, für das Inventar
nichts; die Schuld musste binnen 10 Jahren abgetragen werden und
war bis zur Tilgung mit 3 Procent zu verzinsen.
Sonst waren die schleswigschen Domanialbauern freie Festebauern,
meistens wohl Erbfester (also ungefähr wie Erbpächter), und erhielten
Land und Gebäude (falls sie nicht etwa letztere schon vorher eigen-
thümlich besassen) unentgeltlich, so dass sie, so viel ersichtlich, nur
das Inventar einzulösen brauchten.
Auf einigen holsteinischen und schleswigschen Domainen war es
zweifelhaft, ob das Inventar den Bauern oder der Gutsherrschaft ge-
hörte; in diesem Falle wurde es ihnen immer unentgeltlich überwiesen.
Mit den jährlichen Abgaben der Bauern wurde es nun entweder
so verhalten, dass man die bisherigen «Erdbuchsgefälle», unter
welchem Namen schon in früheren Zeiten alte Grundsteuern und
gutsherrliche Gefälle zusammengeworfen worden waren, unverändert
in ihrer Höhe und Vertheilung bestehen Hess und daneben ein ge-
wisses Dienstgeld*) statt der wegfallenden Hofdienste auferlegte;
oder so, dass man eine sogenannte Setzung vornahm , d. h. die alten

Gefalle und Steuern und das Aequivalent für die Hofdienste in einen
Satz zusammenfasstc und diesen nach der Güte des Bodens höher
oder niedriger stellte (l
1
/,, 1% Thaler u. s. w. für die Tonne von
320 Q.-R.).
Die wichtige Aufhebung der Feldgemeinschaft scheint nicht im-
mer vorgenommen zu sein.
gleichzeitig, sondern erst etwas später —
Vergleicht man die frühere Netto- Einnahme der 52 niedergeleg-
tenDomainen mit der späteren, einschliesslich der Zinsen der erlang-
ten Kaufsummen, so ergiebt sich eine Steigerung von circa 50 Pro-
cent**) ausser dem Ertrage der reservirten circa 6500 Tonnen Höl-
zungen. Allein theilweise wurde diese Mehreinnahme nur durch den
Ruin der ersten Generation von Parzellisten und durch lockende,
nicht gehaltene Versprechungen erlangt; theilweise fallt sie auf die

*) Da die DienstpBicht auf den verschiedenen Domainen sehr ungleich

war (in Holstein überhaupt scharfer als in Schleswig), so wurde das Dienstgeld

hiernach sehr verschieden bestimmt; dasselbe betrug in Holstein häufig 66} Tha-
ler, in einem Domanialgute auf der Insel Alsen dagegen nur 4 Thaler für die
Vollhufe.
*) In Summa betrug die Mehreinnahme circa 48000 Thaler (circa 51000
Thaler preuss. Cour ). Das ganze Object war also nicht von so grosser Bedeutung
für die Finanzen.
Hin »im, Aulhob. d Leitwi«. 11

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Regulirung der Dörfer, die auch ohne die Parzellirung der Hoffelder
hätte ausgeführt werden können.
Auch hatten die Domainen unter der bisherigen Pacht wirthschaft
nicht den Ertrag geliefert, den sie bei einer besseren Leitung der
Domanial Verwaltung hätten abwerfen müssen; und eine, wenn auch
nicht erhebliche Steigerung der Einnahme wäre bald nachher unter
dem Einflüsse günstigerer landwirthschaftlicher Conjunctureh auch
bei Fortsetzung des Pachtwesens von selber eingetreten.
Allerdings mögen überwiegende Gründe für die Beseitigung des
Pachtwesens durch Veräusserung der Domainen gesprochen haben.
Es fragt sich aber, ob man nicht volkswirtschaftlich richtiger gehan-
delt hätte, die Domanialhöfe in den bisherigen Wirthschafts-Coraplexcn,
oder nur etwa durch Ablegung von Meierhöfen verkleinert, zu ver-
äussern und zwar allmählig, wobei von den 90ger Jahren des vorigen
Jahrhunderts an selbst finanziell wohl eben so günstige, wenn nicht
noch günstigere Resultate erzielt worden wären.
Dass nach allen einwirkenden wirtschaftlichen Factoren in den
Herzogtümern der Beinertrag grösserer Höfe ein relativ grösserer
ist, Höfe also auch einen höheren effectiven Capital-
die grösseren
^ werth haben als die Parzellen, ist keinem Zweifel unterworfen. Die
allmählige, mit intensiver Gestaltung des landwirtschaftlichen Be-
triebes passende Verkleinerung der grossen Höfe hätte man mehr der
Zukunft überlassen sollen. Sicherlich sind neben den grösseren Wirth-

schaften mittlereund selbst kleine in angemessenen Proportionen


aus politischen und socialen Gründen wünscbenswerth, allein diese
waren schon, die Majorität bildend, durch den bäuerlichen Grund-
besitz im ganzen Lande hinreichend vertreten.
In die Parzellenwirtschaften der aufgelösten Höfe ist ein unge-
meines Capital für Gebäude und Inventar —
ein Plus des Aufwandes
im Vergleiche mit der für die Höfe schon vorhandenen Gebäude und
Inventarien —
verwendet .worden, ohne eine diesem höheren Aufwände
irgend entsprechende Erhöhungdes effectiven Reinertrages zu bewirken.
Uebrigens scheint doch bei der Niederlegung der Domainen mehr
Maass in der Parzellirung der Höfe gehalten zu sein, als auf manchen
adeligen Gütern. Der Durchschnitt für die Gesammtzahl der Dorna-
nial-Parzellen (circa 1 30 Tonnen ä 320 Q. Ruthen. Dabei
100) ist circa

sind Stammhöfe oder Stammparzellen von 200 —


500 Tonnen reservirt
worden, während andererseits die kleinsten Parzellen, die jedoch wohl
grösstentheils den vorhandenen landlosen Käthnern zugewendet wur-
den, nur wenige Tonnen betragen.

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I

163

B. Beispiele von holsteinischen und südschleswigschen


Gütern.
*

1. Wir müssen hier auf das bereits im dritten Abschnitte er-


wähnte rühmliche Beispiel zurückkommen, welches Graf Hans Ran-
zau auf Aschberg durch die vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts
von ihm begonnene Regulirung der bäuerlichen Verhältnisse gab,
welche unter seinen Nachfolgern fortgesetzt und bis Ende vorigen
oder Anfang dieses Jahrhunderts beendigt wurde.
Das Eigentümliche seines Planes bestand darin, dass der Haupt-
hof nicht etwa auf einmal in eine Masse von Parzellen zerstückt und
diese an beliebige auswärtige Käufer auf dem Wege öffentlichen
Kaufgebotes so hoch als möglich veräussert werden, sondern dass
zuerst auf die entferntesten Hofkoppeln und dann so weiter spann-
fähige bäuerliche Landstellen, eine nach der andern, auf gutsherrliche
Kosten aus den Intraden des Gutes selber errichtet und mit Gebäu-
den und Inventar verschen, lediglich Uutergehörigen seines Gutes
unter moderaten Bedingungen (für die Uebergangsperiode pachtweise,
dann) erbpachtlich überlassen werden, gleichzeitig auch die alten
Bauern des Gutes mit der allmähligen Verkleinerung des Gutshofes
einer nach dem andern von der Dienstpflicht entbunden und dann
gleichfalls (zuerst Zcitpächter, später) Erbpächter ihrer Stellen wer-
den sollten *).

Die Parzellisten und die Bauern wurden auf gleichen Fuss ge-
setzt, so dass zwischen einer Hofparzellc und einer Hufe kein Unter-
schied mehr existirt
Das Gut ist administrativ in drei Districte getheilt, welche nach
den drei Dörfern desselben benannt sind. Jeder District umfasst ge-
mischt eines der Dörfer und die demselben zunächst gelegenen Hof-
parzellen. In jedem Districte besorgt ein Bauervoigt die untere Poli-
zei und sonstige administrative Hülfsgeschäfte,
Abgesehen von dem Stammhofe, welchen die Gutsherrschaft mit
den Officialwohnungen und Hofkatheu, den Forsten und Mooren sich
reservirt hat und ausser einem, zu völligem Eigenthum und ohne
Kanon und Dienste verkauften, jedoch im Gutsnexus verbliebenen

*) Der Hauptübergaug vou der Zeitpacht zur Erbpacht scheint 1794 Statt

gefunden zu haben. Doch waren schon vor 1794 14 Erbpachtstolleu vorhanden.


Vielleicht sind auch manche Stellen ohne vorgängige Zeitpacht von Anfang an
in Erbpacht gegeben worden. Die Leibeigenschaft wurde, so viel bekannt, erst
1794 schliesslich im Gut« aufgehoben.

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W~ V >^ W *

Meierhofe, sowie einer Anzahl von sogenannten Eigenkathen mit fester


Grundhäuer, die wohl schon während der Leibeigenschaft entstanden
waren, ist Alles vererbpachtet worden, nach folgender Verfassung:
Die Gutsherrschaft hat das dominium directum behalten.
Die Erbpächter können ihre Stellen unbehindert verpfänden, ver-
erben und als ganze verkaufen. Bei einem beabsichtigten Verkaufe
ist der gutsherrliche Consens nachzusuchen, der ohne erhebliche Ur-
sachen nicht verweigert und unentgeltlich ertheilt werden soll. Dabei
hat die Gutsherrschaft das Vorkaufsrecht sich vorbehalten.
Die Parzellirung ist verboten , auch der Abbruch von Gebäuden,
wenn dieselben nicht in gleicher Grösse wieder hergestellt werden.
Die Erbpächter können dagegen noch mehrere Wohnungen auf ihrem
Grunde und Boden zum Vermiethen aufbauen; nur dürfen sie nicht
ohne gutsherrliche Bewilligung Fremde als Häuerlinge (Miethbewoh-
ner) einnehmen und müssen für jede Häuerfamilie Einen Thäler Schutz-
geld erlegen.
Die Erbpächter müssen in Zukunft (es war eigentlich überflüssig
dies ausdrücklich zu bestimmen, erklärt sich aber aus den Zuständen
zur Zeit der Leibeigenschaft) ihre Gebäude selber unterhalten und
alle Unglücksfälle, wie Viehseuchen, Feuer-, Hagelschäden u. s. w.
selber tragen. Die Gebäude müssen sie gegen Feuersgefahr versichern.
Die Gutsherrschaft behält die Eichen und Buchen, welche auf
denjenigen Knicken (Erdwällen der Koppeln) stehen, die längs den
Reddern (Wegen zwischen den eingehegten Koppeln) und längs den
Gehegen laufen*). Desgleichen behält sie sämmtliche auf den Feldern
der Erbpächter befindlichen Horste (kleine sporadische Baumgruppen).
Die etwa vorhandene Mast an Eicheln und Bucheckern gebührt den
Erbpächtern.
Auf den herrschaftlichen Torfmooren können die Erbpächter
nach gutsherrlicher Anweisung wie bisher Torf zu ihrem Bedarf ste-
chen; sie müssen die ausgegrabenen Moorstrecken plauiren, damit
diese zu gutsherrlichen Wiesen eingerichtet werden können.
Die auf den Koppeln der Erbpächter befindlichen Sandgruben
bleiben für den Wegebau vorbehalten.
Alle über ihre Ländereien gehenden Fusssteige, Fahrwege und
Wasserläufe müssen die Erbpächter stets frei und offen halten und
die darüber gehenden herrschaftlichen Wege (die nicht zur allgemei-

*) Hieraas ist zu schüessen, dass die Erbpachter die auf den sonstigen

Erdwillen ihrer Koppeln stehenden Richen und Buchen erhielten. Das Buschholz
der Erdwille fiel ihnen selbstverständlich überall zu.

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nen Communication bestimmt sind, z. B. von dem Hofe nach den
gutsherrlichen Hölzungen führen) erforderlichen Falls durch gang-
fertige, mit einem herrschaftlichen Schlosse belegte Thore sichern.
Alles Jagen und Schiessen ist den Erbpächtern und ihren Ange-
hörigen bei willkührlicher Strafe verboten, auf Holzdiebstahle eine
namhafte Strafe gesetzt
Die Erbpächter bleiben mühlenpflichtig *).

Der Kanon, welcher in zwei Jahresterminen zu entrichten ist,

beträgt 2 Thaler jährlich per Tonne von 240 Q.-R. durchgängig für
die grösseren Erbpachtstellen; bei den kleineren kommt theil weise
l
der Satz von nur \ /3 Thaler (4 Mark) vor, vielleicht weil sie nicht
*
so gutenBoden haben, oder weil die kleinen Stellen grösserer Scho-
nung bedürfen. Nach den Contracten über die 35 grösseren Erbpacht-
stellen von 1794 steht der Gutsherrschaft die Wahl frei, ob sie statt

der 2 Thaler per Tonne von 10 zu 10 Jahren für die nächstfolgenden


10 Jahre eine halbe Tonne Roggen (1 Tonne = circa 2% preuss.
Scheffel) verlangen will, deren Betrag dann nach den Durchschnitts-
preisen der zuletzt verflossenen 10 Jahre ausgezahlt werden muss.
Hiedurch ist z. B; für die Jahre von 1805 bis 1815 in Folge der ho-
hen Getreidepreise von 1795 bis 1805 eine Steigerung des Kanons
um 22V4 Schilling (fast l
/t Thlr.) per Tonne eingetreten. Allerdings
ist bei dieser Regulirung die Gutsherrschaft ihrerseits nicht zu einer
Minderung des Kanons unter entgegengesetzten Preisverhältnissen
verpflichtet. —
Neben dem Kanon müssen die Erbpächter dem Guts-
herrn noch folgende unentgeltliche Dienste in Summa alljährlich
leisten:

a) die grösseren zusammen genommen:


88 lange Fuhren auf 5 Meilen mit 4 Pferden, 80 kurze Fuhren
auf 3 Meilen mit 4 Pferden, 19 kurze Fuhren auf 3 Meilen mit 2
Pferden, 40 Ritte auf 5 Meilen, 9 Ritte auf 3 Meilen, 40 Eisfuhren
mit 4 Pferden, 8 Eisfuhren mit 2 Pferden; das Einfahren von 136
Faden Holz und 224,000 Soden Torf, das Fahren von Dünger, Sand
und Erde auf 69 Tage mit 4 Pferden und 21 Tage mit 2 Pferden.
Dazu ausserordentlich: die nöthigen Fuhren bei gutsherrlichen
Bauten im Turnus.
b) die kleineren zusammen genommen:

*) In neuester Zeil ist der Mahlenswang in den Herzogtümern der gesetz-


licben Ablösung allgemein unterworfen worden, was wir schon oben bei Darstel*
luug des bäuerlichen ZeitpachtverhaUnisseB der Guter hatten bemerken solin. e

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.....
166
y^-w
-'--s^,

796 Hoftage, 248 Gartentage, 80 Eiseinbringungstage, 31 Geld-


wachen in der Kieler Umschlagszeit
c) das ganze Gut: 537 Jagdtage im Herbste.

Da hiezu resp. 35 grössere und 118 kleinere Erbpächter und zu


den Jagdtagen noch andere Gutsuntergehörige concurriren, so werden
diese Dienste nicht eben drückend sein, obwohl der Wunsch, sie be-
seitigt zu sehen, bei der Erbpacht noch näher liegt als bei der Zeit-

pacht

Die Gutsherrschaft überliess diese Erbpachtstellen den Unter-


gehörigen zu äusserst niedrigen Kaufpreisen. So z. B. wurde eine
Landstelle von 60 Tonnen Saatland mit Wiesenland von 12% Fuder
Heuertrag 1794 dem seitherigen Zeitpäcbter mit Gebäuden und In-
ventar für 650 Thaler verkauft, wovon die Hälfte als hypothekarische
Schuld zu 4 Procent Zinsen eingetragen wurde, unkündbar Seitens
der Gutsherrschaft in den ersten 10 Jahren, dagegen mit halbjähr-
licher Kündigung des Erbpäcbters. Damit war noch bei weitem nicht
der Werth der Gebäude und des Inventars bezahlt Aber die Erb-
pächter konnten nun muthig Hand anlegen und sich vorwärts arbei-
ten, da sie nicht von vorne herein durch Schulden erdrückt wurden.
Jetzt haben die Aschberger Erbpachtstellen einen Capitalwerth, der
das 10 bis 15fache der ursprünglichen Kaufpreise beträgt
Mit den öffentlichen Lasten verhält es sich auf diesem Gute so:
Der Gutsherr trägt einseitig die ordinäre Contribution für das
ganze Gut nach dem Ansätze in der Landesroatrikel von 30 Sleuer-
pflügen, stelltund füttert die dem Gute auferlegten 3 Reuterpferde
gegen die gesetzliche Vergütung von Remonte- und Futtergeld, zahlt
denActuar und
die ritterschaftlichen Anlagen, besoldet den Justitiar,
den Gerichtsdiener, giebt letzterem auch freie Wohnung nebst Weide
und Futter für eine Kuh und Feuerungsdeputat
Die Erbpächter haben alle landesherrlichen Ausschreibungen
von Grundsteuern (ausser der ordinairen Contribution) und von Lie-
ferungen und Fuhren selber für ihre Landstellen zu tragen.
Die Untergehörigen des Gutes bilden eine einzige Commune zu
dem Zwecke, um die Militairkosten (Sessionskosten, Diäten, Fuhr-
und das Miethjjckl für die gutsherrliche Woh-
gelder, Marschgelder)
nung der Hebamme ohne Theil nähme des Haupthofes, ferner die Phy-

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sikats- und Criminalkostcn, wie die Ausgaben des Armenwesens unter
Tbeilnahme des Haupthofes nach einem gutsherrlich festgesetzten
Repartitiousfu8se aufzubringen.
Die Hebamme erhält von der Gutsherrschaft freie Weide für eine
Kuh und Deputatholz.
Eine ordentliche Einrichtung des Armenwesens kam erst etwa
um's Jahr 1820 zu Stande. Das aus dem Gutsherrn als Director und
sechs von den drei Districten gewählten Armenvorstehern bestehende
Armen-Collegium besorgt die Verwaltung des Armenwesens; einer der
Schullehrer ist der Rechnungsführer und Cassirer dieses Collegium.
Ausser den jährlichen Beiträgen des Haupthofes zu dem ausge-
schriebenen Armengelde hat die Gutsherrschaft der Armencommune
ein Capital von 1500 Thalern, welches als erstes Geld in Aschberg
radicirt ist, geschenkt und zwei herrschaftliche Armenhäuser für die
Dauer der ganzen Einrichtung zur Benutzung überlassen, wozu noch
ein drittes, der Armencommune selber gehöriges Armenhaus kommt
Das Gut ist in drei Schul districte getheilt, die besondere Schul-
communen ausmachen.
Der Gutsherr ernennt die Schullehrer und giebt denselben Holz-
und Torfdeputate, zweien auch ein kleines Fixum. Die Verpflichtun-
gen der Schulinteressenten (Beiträge zum Unterhalt der Schullehrer
und zu den übrigen Kosten des Schulwesens u. s. w.) richten sich
nach den landesherrlichen Verfügungen und späteren Vereinbarungen.
Das Gut ist auswärts eingepfarrt, grösstentheils nach der Stadt
Plön, ein Dorf mit einigen ausgebauten Stellen nach der Kirche zu
Bornhöved.
In beiden betreffenden Kirchenconventen hat der Gutsherr Sitz
und Stimme. Er vermittelt die Erhebung und Ablieferung der auf
die Untergehörigen des Gutes fallenden Beiträge zu den Kosten des
Kirchenwesens, ohne selber zu contribuiren, ausgenommen für eine
niedergelegte Hufe.
Die sämmtlichen Wege im Gute jedem
sind aufgetheilt, so dass
Landbesitzer seine Strecke zur Besserung zugewiesen ist Für den
Bau und die Reparatur von Brücken auf den Haupt- und Nebenwegen
liefert die Gutsherrschaft das Holz, die sonst dabei vorkommenden

Bau- und Reparaturkosten werden auf die übrigen Landbesitzer des


Gutes repartirt.
Diese öffentlichen Angelegenheiten der Gutsuntergehörigen schei-
nen anfangs nicht mit hinlänglicher Klarheit und Bestimmtheit ge-
ordnet worden zu sein, so dass manche Verwickelungen und Streitig-

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keiten entstanden; vor 1825 waren sie indessen in der angegebenen


Weise regulirt worden. Weiter gehen unsere Nachrichten nicht und
sind uns etwa später noch eingetretene Aenderungen unbekannt ge-
blieben.
Das ganze Gut Aschberg hat ohne die Landseen einen Flächen-
inhaltvon 5723 Tonnen a 240 Q.-R. (über %
Q.-Meile), wovon nur
343 Tonnen auf die Aecker und Wiesen des unserer Ansicht nach
durch die Parzellirung allzusehr verkleinerten Haupthofes kommen,
46 Tonnen auf die herrschaftlichen Gärten, 367 Tonnen auf die herr-
schaftlichen Holzungen und Moore, 203 Tonnen auf den Meierhof Lin-
dau, 4764 Tonnen auf die 153 Erbpachtstellen.
Letztere haben demzufolge eine durchschnittliche Grösse von 31
Tonnen. Da unter ihnen eine uns nicht bekannte Zahl kleiner spann-
loser Stellen von Tagelöhnern, Handwerkern u. s. w. sich befindet,
so stellt sich der Durchschnitt für die eigentlichen landwirtschaft-
um so viel höher und es scheinen diese Stellen
lichen Erbpachtstellen
demnach einen angemessenen Umfang zu haben. Gewiss ist, dass die
Eigenthümer derselben eines soliden bäuerlichen Wohlstandes sich
erfreuen. Das Gut Aschberg hatte 1760 nur 200 Einwohner, 1788
schon 1050 Einwohner, 1835 sogar 1758 Einwohner. Später ist eine,

wenn auch nicht bedeutende Abnahme der Bevölkerung eingetreten,


indem 1840 nur 1746 und 1845 nur 1683 Einwohner gezählt wurden.
Man darf hieraus schliessen, dass bis 1835 die Instenbevölkerung des
Gutes zu rasch und zu stark sich vermehrt hatte.

2. Gut Nütschau bei Oldesloe.

Mit Aufhebung der Leibeigenschaft in den beiden Dörfern dieses


Gutes 1781 und 1785 erhielten die Bauern ihre Stellen sofort in
Erbpacht. Zugleich wurden die entlegenen Hofländereien zur Grün-
dung fernerer bäuerlicher Erbpachtstellen verwendet
Mit Recht zog es der Gutsherr vor, lieber wenigere Stellen die-
ser Art von angemessener Grösse, als eine grössere Zahl von zu klei-
nem Umfange auf den Hoffeldern anzulegen. Auch wurde der Haupt-
hof nicht allzusehr dadurch verkleinert; das Areal desselben beträgt
jetzt 632 Tonnen Acker- und Wiesenland ä 240 Q.-R.
Als Beispiel der Parzellirung und Vererbpachtung auf diesem
Gute diene ein im Jahre 1785 über eine Hofkoppel von 50 Tonnen
abgeschlossener Contract

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Der Gutsherr verspricht dem Käufer, ein Bauernhaus von sechs


Fach zu erbauen und ihm die Stelle zu Maitag- 1787 mit 4 Pferden,
8 Kühen und verschiedenem Inventar zu überliefern Der Kaufpreis
beträgt 1400 Thaler, welche Summe 5.Jahre unkündbar zu 4 Procent
Zinsen stehen bleibt. Danu haben beide Theile das Kühdigungsrecht;
doch verspricht der Verkäufer, wenn der Käufer es wünschen sollte,

die Hälfte der Summe noch in den nächsten 5 Jahren nicht zu kün-
digen. Derselbe behält sich das Eigenthumsrecht bis zum gänzlicheu
Abtrage vor. Dem Erbpächter wird die Gewähr geleistet.

Der jährliche unablösliche Kanon beträgt 5 Mark (1% Thaler)


per Tonne und ist in zwei Jahresterminen zu erlegen. Dazu kommt
die unentgeltliche Leistung von 12 Spanntasen mit 4 Pferden für
das HorTeld und die Lieferung von 2 guten Kapaunen und 2 Stoppel-
g&nsen im Herbste.
Die Abtrennung von Ländereien ist dem Käufer nicht gestattet,
der Verkauf der ganzen Stelle nur mit Consens des Gutsherrn, wel-
cher das Vorkaufsrecht hat Tritt ein Besitzeswechsel bei dem Gute
oder auch bei der Erbpachtstelle ein, so ist von letzterer eine Abgabe
von 5 Thaler zu zahlen (laudemium). Der Käufer kann auf seinem
Lande mehrere Kathen bauen und darin Häuerleute einnehmen gegen
Erlegung von jährlich l Thaler Schutzgeld für jede Familie. Eine
Schenkwirthschaft oder Hökerei darf er nicht betreiben.
Etwaige Bäche und Wasserläufe darf Erbpächter nicht zum
Nachtheile Anderer aufstauen oder umleiten.
Der Gutsherr reservirt sich die Jagd und Fischerei, auch die
Eichen, Buchen und sonstiges Hartholz, woran der Erbpächter bei
«schwerer Ahndung» sich nicht vergreifen darf.

Auf dem herrschaftlichen Moor kanu der Erbpächter Torf zu


seinem Bedarf stechen gegen eine Abgabe von 4 Schillingen für 1000
Soden von 1 2 Zoll Länge und 4 Zoll Dicke.
Erbpächter muss bei Hochzeiten, Kindtaufen und sonstigen Ge-
lagen das Bier und den Branntwein vom Hofe nehmen und ist zur
Gutsmühle pflichtig. Von der Stellung und den Kosten des Landaus-
schusses ist er frei.

Er muss die Gebühren an die Kirche, den Prediger, Küster und


Schullehrer selber entrichten und in Gemeinschaft mit den Hufhern
des nächsten Gutsdorfes die Wege unterhalten.

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170

3. Out Seekamp, nördlich von Kiel in Südschleswig.


Bei der Parzellirung des Haupthofes Seekarap im Jahre 1791
wurde die Qualität des Haupt- oder Stammhofes auf den Meierhof
des Gutes, Stift, circa 700 Tonnen
gross, übertragen und der bishe-
rige Haupthof zu einer Parzelle gemacht, jedoch mit Belassung von
circa 400 Tonnen. Das übrige Hoffeld, circa 900 Tonnen, wurde zur
Formirung von 14 Parzellen bestimmt, die nachher auf 10 reducirt
wurden, so dass hier grosse und stattliche Bauernwirthschaften ent-
stehen konnten.
Contracte über diese Stellen liegen uns nicht vor. Dagegen kön-
nen wir über die gleichzeitige Regulirung der zu diesem Gute gehö-
rigen drei Dorfschaften nähere Mittheilungen machen. Mit der Auf-
hebung der Leibeigenschaft und Hofdienste wurden den Hufnern und
Käthnern ihre bisherigen Stellen zu völligem Eigenthum übergeben.
Die zugleich vorgenommene Auftheilung der Gemeinheiten wurde
dazu benutzt, um Dorfschaftsweise die Vollhufen unter sich und die
Halbhufen unter sich gleich gross zu machen. Erstere wurden in den
resp. Dörfern auf 73 bis 76 Tonnen, letztere auf 36 bis 41 Tonnen
gebracht. Die Käthner erhielten zu ihrem bisherigen Lande aus den
bei der Parzellirung des Haupthofes übrig gebliebenen Stücken so
viel zugemessen, dass ihre Stellen 20 Tonnen gross und zu Viertel-
hufen erhoben wurden.
Der Kanon wurde in zweien Dorfschaften zu 1 '/„ Thaler, in einer
Dorfschaft zu 1% Thaler per Tonne (hier ä270 Q.- Ruthen) bestimmt.
Die Voll-, Halb- und Viertelhufen mussten von jetzt an die ordi-
naire Contribution nach dem von der Gutsherrschaft festgestellten
Repartitionsfusse, so wie alle sonstigen jetzt oder künftig ausgeschrie-
benen landesherrlichen Prästanda für ihre Personen und Stellen über-
nehmen, mit monatlicher Zahlung der Gutsabgaben an den gutsherr-
lichen Hebungsbeamten. Doch lässt sich die Gutsherrschaft den Betrag
der ordinairen Contribution in dem jährlichen Kanon kürzen. Dem-
nach ist z. B. jeder Vollhufner in dem Dorfe Holtenau zu 121 Va Tha-
ler Kanon und 28 Thaler ordinairer Contribution angesetzt, zahlt aber
durch Abzug dieser Summe im Kanon letzteren nur mit 93% Thaler aus.
Als unentgeltliche Dienste für den Gutsherrn wurden jedem Voll-
und Halbhufner nur eine jährliche Fuhre nach der Stadt Kiel oder
statt derselben zwei Fuhren nach Holtenau (Verschiffungsplatz am
schlcswig-holsteinschen Kanal) und ihnen zusammen das Heranfahren
des Holzes aus den gutsherrlichen Forsten nach dem Stammhofe und
dem Pastorate auferlegt.

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Ad öffentlichen Lasten hatten sie zu abernehmen:
1) die ritterschaftlichen Anlagen des Gutes;
2) die Polizei-, Kriminal- und Physikatkosten, unter Concurrenz
der Parzellisten, repartirt nach Toonenzahl;
3) die Versorgung der Armen der Dorfschafteu, wofür sie eine

Commune für sich (also die Parzellisten auch eine Commune für sich)
bilden;
4) die kirchlichen Lasten wie bisher; doch mit nunmehriger
Concurrenz der Hofparzellisten in Betreff der baaren Geldausgaben
nach einem von der Gutsherrschaft festzustellenden Repartitionsmodus.
Das Gut ist auswärts eingepfarrt und hat daher im Ganzen nur
eine bestimmte Quote der für die betreffende Kirche und den Predi-
ger und Küster derselben zu bestreitenden Ausgaben und Leistungen
zu tragen;
5) Unterhaltung der beiden Schulhäuser und Schullehrer des
Gutes. Die Schulhänser schenkte die Gutshen-schaft den Untergehö-
rigen: das Recht, die Schullehrer zu ernennen, behielt sie sich nach
bisheriger Verfassung vor.
Die Bestimmungen über die Stellung zum Landausschusse und
die Abhaltung der damit verbundenen baaren Ausgaben übergehen
wir, weil sie bald nachher durch die Gesetzgebung ihre Bedeutung

verloren. Die Absicht des Gutsherrn war, die Parzellisten von der
Stellung selber zu eximiren und sie nur zu den desfälligen baaren
Ausgaben coneurriren zu lassen. Von der Stellung der Reuterpferde
Hess die Guteherrschaft die Dorfschaften befreit.
Die Gutsherrschaft reservirte sich die Jagd und versprach con-
tractlich, den durch dieselbe den Hufnern erweislich im Kornwuchse
zugefügten Schaden zu vergüten. Alles Gebüsch und Gesträuch auf
den Ländereien der Hufner wurde ihnen mit überlassen. Die auf deren
Feldern etwa stehenden Bäume konnten sie gegen Zahlung des taxir-
ten Werthes erhalten, eventuell liess die Gutsherrschaft dieselben weg-
räumen.
Die Hufner blieben nach wie vor pflichtig zw Benutzung der
übrigens nicht zum Gute selber gehörigen Mühle und mussten sich
verbindlich machen, wenn der Gutsherr innerhalb des Gutes eine
Mühle bauen würde, dann auf dieser ihr Korn mahlen zu lassen. Zu
den Fuhren und Handdiensten bei dem Mtihlendamm und bei der
Freischütte und zur Transportirung des Mühlensteines mussten nun
auch die Parzellisten coneurriren.
Jedem Hufner wurde die in Zukunft von ihm zu unterhaltende

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172

Wegestrecke angewiesen nach dem Principe, dass wenn auf der einen
Seite des Weges Parzellen land, auf der anderen Seite desselben Hu-
fenland liegt, der betreffende Parzellist und Huftier jeder die Hälfte
des Weges, wenn aber an der einen Seite Stammhofsländereien au
den Weg grenzen, dann der Hufner die Strecke allein unterhalten
muss. Dasselbe Princip wurde in Betreff der Unterhaltung der Befriedi-
gung der Koppeln, wenn diese unmittelbar an einander grenzen und nur
durch einen gemeinschaftlichen Erdwall geschieden sind, aufgestellt
Hufner sollen den Bächen und sonstigen Wasserzügen ihren un-
gehinderten Lauf lassen, keine Umleitungen, Stauungen, Dämmungen
zum Nachtheile Anderer vornehmen, die Abflüsse reinigen, die Grä-
ben und Siele von gehöriger Breite und Tiefe machen und das ste-
hende Wasser von den oberhalb liegenden Feldern der Nachbarn
mittelst eines Haupt- oder Stiebgrabens abnehmen und weiter leiten.
Hervorzuheben ist noch, dass die Gutsherrschaft den Hufnern

das Recht beliebiger Dismembration der Hufen ländereien einräumte.


Sie brauchen nur die desfälligen Contracte von dem Justitiar des
Gutes gegen die Gebühr errichten und hiebei eine verhältnismässige
Umschreibung und Uebertragung des Kanons und der sonstigen Prä-
stationen vornehmeu zu lassen.
Bei der Uebergabe der Stellen an die Hufner zu Eigenthum
übernahm die Gutsherrschaft die Gewähr für alle öffentlichen und
heimlichen Schulden, vorsichtigerweise aber nicht zugleich für die,
bisherigen «adeligen Freiheiten und Gerechtigkeiten» des Gutes.
Der Kaufpreis der Hufen bestand lediglich in der durch unpar-
teiische Taxation ermittelten Werthsumme der Gebäude und des In-
ventars, so weit letzteres mit übergeben wurde.
Jede volle Hufe sollte vier Pferde, jede halbe Hufe drei Pferde,
einen Pflug, einen Wagen, eine Egge und den vorhandenen Bestand
an Hornvieh, Schafen, Schweinen und Federvieh behalten *).
Was ausserdem an herrschaftlichem Inventar von früherer Zeit
her noch vorhanden war, musste der Hufner entweder abliefern oder,
wenn es ihm auf seinen Wunsch mit überlassen wurde, nach Taxatum
bezahlen, welche Summe dann zum Kaufschilling geschlagen wurde.
Die ganze Kaufsumme konnten die Hufner für immer gegen 4'/4
Procent stehen lassen, indem die Gutsherrschaft für so lange auf das

*) In dem Contracte Ober eine halbe Hufe im Dorfe Holtenau finden wir,
dass weniger herrschaftliches Inventar, als hier vorgeschrieben, abergeben wurde,*
vielleicht weil das übrige schon den Bauern gehörte. Für diese Stelle mit 36 Ton-
nen Land zahlte der Besitzer nur 480 Thaler Kaufgeld.

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178

Kündigungsrecht verzichtete, als die Hufner die Zinsen regelmassig


berichtigen würden. Den Hufnern dagegen wurde halbjährliche Kün-
digung und die allmählige Abtragung der Schuld in Posten von nicht
unter 100 Mark (33y3 Thaler = 40 Thaler preuss. Cour.) gestattet.

Gut Eckhof, an das Gut Seekamp grenzend.


4.

Auf diesem Gute wurden 1787 bei Aufhebung der Leibeigen-


schaft und Frohnwirthschaft die Hufher und Käthner in Erbpächter
verwandelt und für die Tagelöhner und verheiratheten Knechte des
Gutes kleine Erbpachtstellen auf dem dritten Theile der Hofländereien
gegründet
Ein rechtlicher Unterschied zwischen erstcren und letzteren exi-
stirt hier nicht, es ist nur von grossen und kleinen Erbpächtern die
Rede, deren Contracte übereinstimmen, so weit nicht die verschiedene
Grösse der Besitzungen einige Abweichungen veranlasste.
Jeder Hufner zahlte als Kaufgeld «für die Freiheit*), das Erb-
pachtsrecht, die Gebäude, den Beschlag und die Entlassung der bis-
herigen Wochenhoftage» 350 Thaler, die er in den ersten 15 Jahren
gegen hypothekarische Sicherheit und 4 Procent Zinsen schuldig blei-
ben oder auch allmählig in Posten von nicht unter 50 Thalern tilgen
konnte. Würde er vor Ablauf der 15 Jahre seine Stelle verkaufen, so
sollte die noch rückständige Schuld vollständig sofort ausgezahlt wer-
den. Für die 350 Thaler wurde den Hufnern auch das Holz auf ih-

ren Koppeln mit überlassen. Auf jede bonitirte Tonne (die Tonne
hier zu 280 Q.-R.) wurde ein jährlicher zu Michaelis zu zahlender
Kanon von Einem Thaler und dazu auf die Hufe im Ganzen (circa 50
Tonnen gross) eine Lieferung von 7 Tonnen Roggen, 7 Tonnen Hafer
und 7 Tonnen Buchweizen «gesundes und reines Korn» gelegt Die
Lieferung soll entweder nach dem Hofe oder auf Verlangen des Guts-
herrn nach Kiel beschafft werden, halb vor Weihnachten, halb vor
dem Kieler Fastnachtsmarkte.

*) Gelegenilich bemerken wir, dass so wie die Untergehörigen auf den' ade-
ligen Gütern mit bäuerlichem Zeitpachtverhältnisse für die Aufhebung der Leib-
eigenschaft nichts zahlten, so auch angenommen werden muss, dass sie auf den
Gütern mit bäuerlichem Erhpachts- oder Eigentumsverhältnisse die persönliche
*
Freiheit unentgeltlich erlangt haben.Richtiger wäre es daher gewesen, das auf
den letzteren Gütern von ihnen erlegte Kaufgeld oder Antrittsgeld überall nur
alä für die Landstelleu erlegt aufzufassen und in den Contracten so zu bezeichnen.

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174

Sind die Hufner in einzelnen Jahren nicht im Stande das Ge-


treide selber zu liefern, so müssen sie den Betrag nach den Preisen
des Kieler Fastnachtsmarktes auszahlen.
Jeder Hufner hat jährlich fttnf Reisefuhren und drei Fuhren bin-
nen Feldes umsonst und auf Ansagen Pflugarbeiten und Fuhren in
der Heu- und Kornerudte für den Hof gegen eine bestimmte Vergü-
tung zu leisten.

Bei Hauptbauten aufdem Hofe muss er unentgeltlich die nöthi-


gen Handdienste und Fuhren prästiren; letztere sollen aber nicht ohne
grosse Noth gefordert werden und nicht in der Heu- und Kornerndte,
ausgenommen wenn dies nach Gewitter-, Sturm- und Feuerschäden
unvermeidlich ist
Die ordiuaire Contribution zahlt der Gutsherr für die Hufuer;
sonstige Steuern und öffentliche Lasten (Criminal- und Physikats-
kosten u. 8. w.) tragen sie selber;doch werden die Reuterpferde nach
wie vor auf dem Hofe gehalten.
Die kleinen Erbpächtcr hatten theilweise schon bisher herr-
schaftliche Kathen ohne Land bewohnt, in welchem Falle ihnen das
Haus für 110 Thaler überlassen wurde; oder def Gutsherr bauete
welchem Falle sie das Bautaxat erstatten
jetzt erst für sie Häuser, in
und 10 Thaler darüber zahlen mussten. In beiden Fällen konnten
sie die Schuld für die ersten 15 Jahre zu 4 Procent Zinsen stehen
lassen und während dieser Zeit Abträge, nicht unter 1 5 Thaler, leisten *).
Der Kanon für diese kleinen Erbpachtstellen, die eine Grösse
von z. B. 8 Tonnen erhielten, beträgt 2 Thaler per bonitirte Tonne,
also doppelt so viel in Geld, als bei den grossen Erbpachtstellen, wo-
neben aber kein Getreide zu liefern ist. Sie müssen unentgeltlich
fünf Hoftage und drei Boteutage jährlich leisten und auf Verlangen
der Mann oder die Frau, nur in der Erndte beide, für den Hof ge-
gen contractliche Sätze tagelöhnern. Jeder kann einen Häuerling
aufnehmen.

*) Um ihnen die erste Einrichtung (Anschaffung von Vieh u. s. w.) zu er-


leichtern, verschaffte ihnen der Gutsherr Graf Holk eine Anleihe au» der König-
lichen Creditkasse, die 1786 für Norwegen, Dänemark und die Herzogtümer,
a. A. auch für den Zweck, die Einführung von bäuerlichem Eigenthumc zu be-
fördern, errichtet wordeu war. Diese Cusse nahm nur 2 l'rocent Zinsen, die De-
bitoren mussten die Schuld aber all mahl ig tilgen iu jährlichen Quoten, welche
für jedeu einzelnen Fall speciell hestiranit wurden. S. Urkunden und Materialien*
zur näheren Kenntnis« der Geschichte und Staatsverwaltung nordischer Reiche.
Zweite Fortsetzung 1790 p. 294 ff.

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175,

Bei Personalveränderungen im Besitze des Gutes oder der Erb-


pachtstellen ist ein Laudemium (3 Thaler von den grossen, 2 Thaler
von den kleinen Erbpachtstellen) zu erlegen und der Erbpachtcontract
zu erneuern.
Die Erbpächter können ihre Stellen verpfänden, auch mit Con-
sens des Gutsherrn im Ganzen verkaufen, wobei er das Vorkaufsrecht
hat, dürfen aber nicht parzelliren. Die Gebäude dürfen nicht ohne
Consens des Gutsherrn abgebrochen oder verkleinert werden. Die
Versicherung der Gebäude ist den Erbpächtern zur Pflicht gemacht

Sollte wegen Nichtzahlung des Kanons oder nickständiger Zin-


sen Execution nöthig werden, so hat sich der Gutsherr «aus Liebe zur
Gerechtigkeit» verbindlich gemacht, die Stelle zum öffentlichen Ver-
kauf zu bringen und den etwaigen Ueberschuss dem Erbpächter oder
seinen Nachkommen auszuzahlen.
Um
Wiederholungen zu vermeiden, übergehen wir die Bestim-
mungen wegen Reservation der Jagd, Erlaubniss zum Torfstechen auf
herrschaftlichem Moore, Unterhaltung der Wege, Beibehaltung des
Mtihlenzwanges Ausbedungen wurde noch die Einführung des
u. s. w.

Schmiedezwanges für den Fall der Anlegung einer gutsherrlichen


Schmiede. Mit der Vererbpacbtung verbesserte der Gutsherr das
Schulwesen und behielt sich weitere Reformen desselben vor, verpflich-
tete auch die Untergebörigen, ihre Kinder bis zur Confirmation täg-
lich in die Schule zu schicken, mit Ausnahme dringlicher Abhaltung
in der Erudtezeit
Streitigkeiten über den Inhalt der Erbpachtscontracte sollen
«dem Landesgebrauche zufolge» und mit Beziehung auf die ausdrück-
lich vorbehaltene obrigkeitliche Gewalt durch ein unparteiisches
Schiedsgericht, dessen Mitglieder jedoch der Gutsherr allein ernennt,
endgültig entschieden werden.
Diese Befugniss des Gutsherrn kann befremden; sie erklärt sich
aus der früheren Stellung der Gutsherrn zu ihren Bauern und aus
der Furcht der ersteren, in Prozesse mit den letzteren verwickelt zu
werden. Der damalige Gutsherr von Eckhof war der wohlwollendste
Mann, der hiebei sicherlich nicht an eine etwaige Beeinträchtigung
seiner Bauern dachte. Uebrigens behielten die Bauern ungeachtet der
Verzichtleistung auf Appellation das remedium supplicationis in casu
nullitatis et protractae aut denegatae justitiae.

Die Hufner kamen sofort und schon ohne bessere Kultur in eine
günstigere oekonomische Lage. Statt der bisherigen 12 Pferde brauchte
der Hufner jetzt nur 6 zu halten und hätte mit 4 Pferden ausreichen

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176

können, ohne die (hoffentlich später aufgegebene) Verpflichtung, für


den Hof Pflugarbeiteu und Erndtefuhren zu besorgen, wofür er zwar
Vergütung erhielt, aber durch diese keinen Ersatz für den Mehrauf-
wand an Arbeits- und Spannkraft
Jeder Hufner hielt sogleich zwei Dienstboten weniger, ersparte
die Hälfte an Schmiede- und Rademacherlohn, Sattlerarbeit, Wagen-
schmiere u. s, w., konnte jetzt Hafer verkaufen, 4 bis 6 Kühe mehr
halten u. s. w., so dass ihm trotz der Zinsenlast und des Kanons doch
ein erheblicher Ueberschuss verblieb.
Andererseits hoben sich die gutsherrlichen Intraden sofort um
25 Procente ihres bisherigen Betrages.

5. Gut Maasleben in Scbwansen, südlich von der Schlei.


Vor der 1794 ausgeführten Niederlegung dieses Gutes fielen auf
das Hoffeld 1392 Tonnen Ackerland und 456 Tonnen Wiesen und
Teichgründe, zusammen 1848 Tonnen, auf das gesammte Bauernfeld
1178 Tonnen, auf die Holzungen, Torfmoore, Wege u. s. w. 354 Tonnen.
Das ganze Gut hat demnach einen Flächeninhalt von 3380 Ton-
nen, die Tonne hier zu 320 Q.-R M welches Maass auch für das Bauern-
feld beibehalten wurde, während die Aufmessung der Hofparzellen
nach Tonnen zu 300 Q.-R. geschah.
Nachdem der Hof auf eine Stammparzelle von 294 Tonnen re-
ducirt worden (wozu die Holzungen und Torfmoore kamen), wurden
52 andere Parzellen aus 1421 Tonnen Hoffeld und einigen Holz- und
Moorgründen gebildet.
1
Der Durchschnitt dieser Parzellen beträgt mithin 27 /, Tonne;
im Einzelnen differiren sie von 163 Tonnen bis 2 Tonnen; nur 9 Par-
zellen haben eine Grösse von 50 Tonneu und darüber.
Die Parzellen wurden mit einem Kanon von nur 2 Mark (V3
Thaler) ä Tonne und mit der repartirten Quote der ordinairen Con-
tribution belegt, mit Ausnahme einiger Parzellen, welche blos zu einem
jährlichen Verbittelsgelde (Schutzgelde) von Einem Speciesthaler ( 4
1

Thaler) angesetzt wurden.


Der Gutsherr verkaufte die Parzellen nicht auf dem Wege öffent-

licher Versteigerung, sondern verhandelte unter der Hand mit den


einzelnen Kaufliebhabern. So gelangte ungefähr die Hälfte der Par-
zellen in die Hände von Untergehörigen des Gutes.

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m
Der durchschnittliche Kaufpreis betrug für die mit Kanon und
Contribution belegten Parzellen 60 l/a Thaler, für die blos zu Verbit-
telsgeld angesetzten 91 Thaler ä Tonne. Der Gutsherr begnügte sich
mit einer Antrittszahlung von 10 Thalern a Tonne und liess das übrige
Kaufgeld auf eine Reihe von Jahren zu 4 /4 Procent Zinsen stehen.
l

Nur wenige Parzellen wurden ohne die Bauverbindlichkeit ver-


kauft,weil sie von Gutsuntergehörigen erworben wurden, die schon
im Dorfe angebaut waren, eine auch von einem Grenznachbar, der
die Parzelle mit seinen übrigen Ländereien vereinigen wollte.
Die fremden Käufer wurden theils mit den aus dem Abbruche
der überflüssigen Hofgebäude gewonnenen Baumaterialien, theils mit
den auf dein Hoffelde stehenden Eichen versehen und die Käufer,
welche Gutsuntergehörige waren, in noch wirksamerer Weise für den
Bau und die Anschaffung des Inventars unterstützt.
Auf denjenigen Hofländereien, welche nach Ausmessung der
Stammparzellen und der 52 anderen Parzellen noch übrig blieben,
wurden 15 Käthnerfamilien des Gutes mit Land (9 derselben auch
mit neuen Gebäuden) versehen. Der Kaufpreis für dieses Land wurde
zu 50 Thalern ä Tonne bestimmt, wovon nur 5 Thaler sogleich zu zah-
len, 45 Thaler zu 4 % Procent verzinslich bis weiter stehen zu lassen.
Ausser dem Kanon und einer Quote der ordinairen Contribution muss-
ten diese Käthner einige Tage Handdienste im Jahre an die Stamm-
parzelle übernehmen.
Das Gut hatte 20 Vollhufen. Jede Hufe erhielt jetzt (mit Ein*
schluss von 1 Tonne Holzgrund und %
Tonne Torfmoor) 50 Tonuen
in arrondirter Fläche. Von den 20 Hufen wurden 8 in die entlege-
neren Dorffeldcr ausgebauet, und zwar zwei ganz und gar auf Kosten
des Gutsherrn, weil die Gebäude schon gänzlich verfallen waren, die
übrigen sechs mit seiner Unterstützung; ausserdem mussten die im
Dorfe bleibenden Hufner mit Hand- und Spanndiensten u. s. w. zu Hülfe
kommen. Auf den Wunsch von sechs Vollhufnern wurden deren Stellen
in halbe Hufen mit Rücksicht auf die Ansiedelung ihrer Kinder getheilt
und der hiezu erforderliche Bauaufwand vom Gutsherrn bestritten.
Das Kaufgeld für die Hufen mit Einschluss der Gebäude und des
Inventars betrug 50 Thaler ä Tonne mit 5 Thaler Anzahlung.
Die Hufen wurden ganz eben so wie die Parzellen zu Kanon und
Contribution angesetzt, ausserdem zu acht jährlichen Spanntagen von
jeder Hufe für die Stammparzelle.
Bei der Reguli rung der Hufen blieben Dorfländereien übrig, auf
welchen der Gutsherr drei sogenannte Freistellen gründete, die er
Hansiea, Aufhob, d. I.rib^m. 12

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mit Gebäuden versah und zu dem für die Hufen angesetzten Kauf-
preise weggab. Diese Stellen zahlen zwar auch gleichmässig Kanon
und Contribution, sind aber, wie die Parzellisten, von den erwähnten
Spanndiensten der Käthner frei und wurden damals auch gleich jenen
von dem Militärdienste und den Kosten des Landausschusses eximirt
38 Tonnen Land verwandte der Gutsherr, um die Armen des
Gutes (Wittwen, alte Leute) mit Kuhweide zu versehen. Zu der Un-
terstützung der Armen an Geld und Korn mussten von jetzt an die
Hufner und Parzellisten beitragen.
Zur besseren Dotirung der Schullehrerstelle schenkte der Guts-
herr sechs Tonnen Land.
üeber den Vortheil der ganzen Operation für den Gutsherrn hat
der Landinspector Otte eine Minimal-Berechnung in den schleswig-
holsteinischen Provinzialberichten von 1794, II, 292 ft angestellt Der
wirkliche Gewinn wird grösser gewesen sein und hätte noch erheblich
gesteigert werden können, wenn nicht der wohldenkende Gutsherr so
sorgsam und schonend gegen seine bisherigen Gutsuntergehörigen
bei dieser Aenderung verfahren hätte.

C. Angeln.
Wir nehmen aus Angeln, wo allgemein die Gutshöfe parzellirt
und mit den Hofparzellen zugleich die Hufen und Kathen der Güter
in Erbpacht oder Eigenthum gegeben wurden als Beispiel das Gut
,

Rundhof, welches aus einem Haupthof, einem Meierhof, den von beiden
Gutshöfen abgelegten Parzeilen und 8 Dorfschaften besteht und mit
den Hölzungen u. s. w. einen Flächeninhalt von 10551 Heidschef-
feln hat*).
Hier datirt die Parzellirung (Uebergabe der Parzellen an die
Käufer), die Aufhebung der Leibeigenschaft und Hofdienste und die
Eigenthumsverleihung an die Bauern und Käthner vom 1. Mai 1800.

Die Pachtzeit des damaligen Pächters der beiden Höfe mit den
Diensten und Häuergeldern der Untergehörigen und der Mühlen lief
erst mit dem I. Mai 1802 ab. Um die Maassregel früher unbehindert

*) Ein Heidscheffel ist= 144 Q. R. oder= 6 Schip a 24 Q. R., die Ruthe


in 16 Fuss Hamb. Maass, also ungefähr gleich der Hälfte einer Tonne, deren
grösstes und kleinstes Maass von 240 bis 860 Q. R. differiren.

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ausfahren zu können, bewog die Gutsherrschaft ihn, durch ein Abstands-


geld von 20000 Thalern, durch Zahlung einer Summe von 5000 Tha-
gemachte Meliorationen und durch Bewilligung ver-
lern für angeblich
schiedener Emolumente (freie Wohnung auf noch ein Jahr u. s. w.)
schon zum 1. Mai 1799 abzutreten*).
Dieselbe rechnete darauf, für diese grossen Opfer durch den aus der
Parzellirung zu ziehenden Gewinn reichlich wieder entschädigt zu
werden, was auch eintraf. Auch war das Gut damals stark verschuldet
und es handelte sich darum, möglichst schnell grosse Capitalsummen
herbeizuschaffen.
Der Parzellirungsplan reducirte den Haupthof auf 1094, den
Meierhof Drüllt auf 609 HeidschefFel und projectirte, unter mancher-
lei Versuren zwischen Hoffeld und Bauernfeld, die Gründung von 57
Parzellen mit 2075 Heidscheffeln, welche von einigen Heidscheffeln
bis zu 120 Heidscheffeln in den verschiedensten Grössen abgemessen
wurden. Da die Parzellen theilweise vom Meierhofe Drüllt abge-
nommen wurden, so wurde dieser von nun an gleichfalls als Stamm-
hof bezeichnet Drüllt ist später durch Erbschaftstheilung abgeson-
dertes Eigen th um geworden, zu welchem auch der Kanon der Drüllter
Parzellen gehört. Dieser Hof und seine Parzellen sind indessen im
Rundhofer Gutsnexus verblieben und der Eigenthttmer von Drüllt bil-

det für manche innere Gutsangelegcnheiten das Verbindungsglied


zwischen der Rundhofer Gutsherrschaft, die auf dem Haupthofe Rund-
hof ruht, und den Drüllter Parzellisten. — Es konnten indessen, unge-
achtet wiederholter Versteigerungen, nicht alle 57 Parzellen abgesetzt
werden, auch gelangten einige Stellen späterhin wieder an den Stamm-
hof Rundhof zurück. Dieser wurde hiedurch um circa 610 Heid-
scheffel und erhielt später auch noch einen Zuwachs
vergrössert
durch Ausrodung von Holzgründen, so dass er schon vor 1830 wieder
einen Umfang von 1868 Heidscheffeln hatte.
Auf die Parzellenländereien wurde ein unablösbarer Kanon von
1 Species- = V/4 Thaler ä Heidscheffel gelegt, fällig in zwei Jahres-
terminen, als «erstes Geld» auf der Parzelle haftend, keiner Erhöhung
unterworfen und als einzige gutsherrliche Abgabe.
Die Parzellen wurden zu völligem Eigenthumsrecht mit allen
«adeligen Freiheiten und Gerechtigkeiten der Hoffelder», doch unter
Vorbehalt der gutsherrlichen Jagd veräussert. Für Jagdschäden wurde
den Parzellisten Vergütung nach unparteiischer Schätzung zugesagt
*) Für die Verzichtleistung auf die nur noch dreijährige Nutzung, währeud
die ganze Pacht nur 7100 Thaler jährlich betragen hatte!

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Jagddienste wurden nicht bedungen, überhaupt zu Gunsten der Guts-
herrschaft ausser dem Kanon nichts weiter, als dass die Parzellisten, wie
bisher im Gute gebräuchlich gewesen, bei Hochzeiten die Brautkrone
und bei Kindtaufen das Taufzeug vom Gutshofe gegen die gewöhnliche
Gebühr nehmen sollen. —
Von der ordinairen Contribution wurden
die Parzellen eximirt, indem die Gutsherrschaft die Steuerpflüge des
Gutes ausschliesslich auf die Bauernländereien legte. Die ausserdem
von" der Regierung etwa ausgeschriebenen Steuern, Lieferungen, Fuh-
ren u.8. w. mussten die Parzellisten für ihre Stellen selber übernehmen.
Die von dem Gute zu stellenden vier Reuterpferde wurden gewissen
Parzellen zur Unterhaltung zugewiesen; mehrere Parzellen zusammen
mussten je ein Pferd übernehmen und unter einander wegen der
Haltung sich vereinbaren. Die Stellung zum Landausschusse sollte
ausschliesslich Pflicht der Dorfschaften des Gutes bleiben und den
Parzellisten nur die Concurrenz zu den dadurch erwachsenen baaren
Auslagen obliegen; doch erschien gleich darauf die neue Landmilitair-
ordnung.
Einigen Parzellen wurde und zwar ohne besondere Zahlung
beigelegt, was von den Hofgebäuden und dem Hofdünger entbehrlich
geworden war. In den Kaufpreis nicht einbegriffen war dasjenige auf
den Parzellonländereien befindliche Hartholz an Eichen und Bucheu,
welches zwei Fuss vom Stammende über sechs Zoll im Durchmesser
hielt, so wie alles auf den eigentlichen Holzgründen der Parzellen be-
findliche Holz. Doch wurde alles dieses Holz den Käufern der Par-
zellen gegen den Taxationspreis angeboten und im Falle der Ableh-
nung von der Gutsherrschaft binnen zwei Jahren weggeschafft.
Meistbietende, die nicht notorisch zahlungsfähig waren, mussten
Bürgschaft stellen, welche so lange in Kraft blieb, bis die Hälfte des
Kaufpreises der Parzellen und event das ganze Taxatum des Holzes
erlegt worden. Mangelte diese Bürgschaft, so wurde dem Nächstbie-
tenden die Parzelle unter derselben Voraussetzung zugeschlagen.
Die Käufer mussten beim Antritte '/4 des Kaufpreises, im Januar
1801 das zweite Viertel zahlen; die übrige Hälfte konnten sie auf
eine Reihe von Jahren unter Verzichtleistung der Gutsherrschaft auf
das Kündigungsrecht schuldig bleiben. Bis zum völligen Abtrage
wurde das Eigenthumsrecht reservirt. Das Holz musste im Januar
1801 und 1802 bezahlt werden; und wurde es den Parzellisten nach
Zahlung der Hälfte gestattet, die Hälfte des Holzes niederzuschlagen.
Zur Sicherheit der Käufer wurde ein landübliches Proklam über
das Gut erlassen und die Gewehre ertheilt

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Die Parzellisten können ihren Grundbesitz nach Belieben ver-


pfänden und nicht blos im Ganzen, sondern auch in einzelnen Stücken
veräussern, mehrere Parzellen zu einer Wirthschaft vereinigen, ihre
Ländereien gegen andere unter derselben Gutsjurisdiction gelegene
vertauschen, Häuser darauf bauen u. s. w., und sind hicbei gutsherr-
licherseits nur folgenden Beschränkungen unterworfen:
1) Bei partiellen Voräusserungen muss die Umschreibung zu
verhältnissmässiger Uebertragung der Lasten nach dem Landmaasse
bewirkt werden.
2) Neue Wohnstellen dürfen auf den stückweise veräusserten
Parzellenländereieu nicht errichtet werden, ohne dass ihnen minde-
stens fünf Heidscheffel Land als unzertrennliche Pertinenz beigelegt
sind. Mithin durften Parzellen, die gleich anfangs weniger als fünf
Heidscheffel enthielten oder später durch Trennungen so weit herun-
ter kamen oder neu so entstanden waren, nicht zu selbstständigen
Haushaltungen und Wirtschaften gemacht werden. Die Gutsherrschaft
wollte hiedurch das Entstehen eines landwirtschaftlichen Proletariats
verhindern. —
Eine Ausnahme von der Verleihung völligen Eigenthums mach-
ten nur die beiden gutsherrlichen Mühlen, welche mit den ihnen als
untrennbar zugelegten Ländereien erbpachtlich veräussert wurden, so
dass ein etwaiger späterer Verkauf von der Genehmigung der Guts-
herrschaft abhängt und diese auch das Vorkaufsrecht hat *). Dieses
hatte seinen guten Grund, da bei dem (damals noch stattfindenden)
Mühlenzwange die Persönlichkeit des Müllers dem Gutsherrn für die
ganze Gutsbevölkerung nicht gleichgültig sein konnte. Die Parzellen
wurden nach ihrer Lage gleich den Dorfschaften des Gutes zu der einen
oder anderen Mühle gelegt. In die Bedingungen über den Verkauf
der beiden Mühlen wurden die Rechte und Pflichten der Müller in
ihrem Verhältnisse zu den Mühlengästen aufgenommen. Das Haushalts-
korn des Haupthofes und des Meierhofes muss auf diesen Mühlen
mattenfrei (kostenfrei ohne Abzug von Getreide) vermählen werden.
,

Ein Schmiedezwang besteht in diesem Gute nicht


Die Parzellistcn dürfen so wenig als die übrigen Gutsuntergehö-
rigen Handwerke, Hökerei, Schenkwirt hschaft u. s. w. ohne gutsherr-
liche Concessiou treiben. Da das Gut Rundhof ausserhalb der Bann-

*) Ob die Gutsherrschaft vorkommendenfalls von dem Vorkaufsrechte Ge-


brauch machen wolle, darüber verpflichtet sie sich binnen acht Tagen eine Er-
klärung abzugeben. Bei späterem Verkaufe der Erbpachtsmühlcn war ein Laude-
mium von 10 Thalern zu erlegen.

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182

gebiete der nächsten Städte (Schleswig und Flensburg) liegt, so hat


der Gutsherr hier das unbeschränkteste Hecht Gewerbetreibende zu
concessioniren und eine jährliche Recognition von ihnen zu heben.
Letztere wird auf Rundhof nicht gefordert und die Concession auf
Ansuchen ohne Schwierigkeit ertheilt, so dass auf diesem Gute factisch
Gewerbefreiheit stattfindet
Die Parzellen wurden ohne Bauverbindlichkeit verkauft, was vor-
teilhaft auf die Kaufgebote einwirken musste, da nun auch Bauern
des Gutes oder angrenzende Landbesitzer aus benachbarten Gütern
Parzellen zukaufen konnten, um sie mit ihrer Wirthschaft zu vereini-
gen, oder Käufer mehrerer Parzellen Eine Wirthschaftsstelle aus den-
selben bilden konnten.
Die Gutsherrschaft hatte sich für die Versteigerung der 57 Par-
zellen vorbehalten, mehrere Parzellen vereinigt zum Aufgebote zu
bringen. Es wurden aber die kleineren Parzellen verhältnissmässig
höher bezahlt, als die grösseren. Bei jenen concurrirten ausser den
kleinen Leuten auch die Kauflustigen von der eben angegebenen Art
Bei der ersten und hauptsächlichen Versteigerung kam der Heid-
scheffel auf etwa 100 Mark (33*73 Thaler = 40 Thaler preuss. Cour.)
durchschnittlich, bei einzelnen Parzellen auf das Doppelte und dar-
über; für Wiesenland, weil davon nicht viel vorhanden, sogar 100 —
150 Thaler.
Für die Ausfertigung der Kaufbriefe hatten die Parzellisten ein
Procent der Kaufsumme nebst den Schreibgebühren zu entrichten.
Die Verkaufsbedingungen enthielten die nöthigen Bestimmungen
über die Anlegung und Unterhaltung der Befriedigungen, Gräben und
Erdwälle, je nachdem die Felder der Parzellisten unmittelbar an ein-
ander oder an Bauernfclder oder an Hoffelder oder an Wege grenzen;
ferner über Wasserlösung und über die Wegelast der Parzellisten
(unter Hinweisung auf die in der Specialbeschreibung der Parzellen
angegebene Vertheilung der Wegestrecken), endlich über die Concur-
renz derselben zu den Criminal-, Physikats-, Polizeikosten u. & w.
und zu den Ausgaben des Kirchen wesens, Schulwesens und Armen-
wesens in Gemeinschaft mit den alten Untergehörigen des Gutes und
unter Exemtion der Stammhöfe. Für diejenigen Parzellen aber, welche
an einen der beiden Stammhöfe zurückgefallen und mit demselben
wieder vereinigt worden sind, coneurrirt der Stammhofsbesitzer zu
diesen Lasten gleich den Parzellisten.

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Gleichzeitig wurden nun die Dorfschaften des Guts in folgender
Weise regulirt:
Die 37 Hufner der 8 Dorfschaften hatten bisher Stellen von 80
100 Heid8cheffel gegen tägliche Hofdienste mit 2 Pferden und 2 Mann
und 30 Thaler Häuergeld in Nutzniessung gehabt*).
Sie raussten jetzt die Gebäude, so weit sie solche nicht schon
früher auf eigene Kosten errichtet hatten, gegen niedrige Taxa-
tion einlösen (das Inventar war schon seither ganz ihr Eigenthum
gewesen) und erhielten jeder 60 Heidscheffel unentgeltlich. Die Käth-
ner, welche bis dahin meistens sehr wenig Land in Nutzniessung ge-
habt hatten, bekamen in gleicher Weise als Gross- und Kleinkäthner
resp. 12 und 6 Heidscheffel.
Diese Ländereien wurden für unzertrennliche Pertinentien der
betreffenden Stellen erklärt
Da nun bei diesem Arrangement noch Land zur Verfügung blieb,
so wurde zunächst den Hufnern freigestellt, noch Land zu dem festen
Preise von 20 Thalern ä Heidscheffel zuzukaufen, wozu die meisten
auch sich geneigt zeigten, weil sie schon früher mehr Land genutzt
hatten und ihre Gebäude sammt Inventar dazu ausreichten. Was die
Hufner nicht haben wollten, konnten die Käthner kaufen, die hiervon
auch häufig Gebrauch machten, so dass Kathenstellen von 18, 24, 30
u. s. w., selbst von 48 Heidscheffeln entstanden. In einigen Dörfern

blieb aber doch Land übrig; dieses wurde dann unter das Hoffeld ge-
zogen und zu der Bildung der Parzellen mit verwendet In anderen
Dörfern konnte dagegen die Nachfrage nach Land durch die Dorf-
felder nicht ganz befriedigt werden, und hier wurde umgekehrt Hof-
feld zu Hülfe genommen und in Bauernfcld verwandelt

Dass der Preis von 20 Thalern ä Heidscheffel für das zugekaufte


Land von der Gutsherrschaft nicht zu hoch angesetzt war, ging daraus
hervor, dass manche Bauern dasselbe gleich in den nächsten Jahren
für 25 — 30 Thaler ä Heidscheffel wieder verkauften.
Von dem Kaufgelde der Ländereien und dem Taxatum der ein-
gelösten Gebäude musste %
sogleich gezahlt werden, die übrige

*) Die Dienste waren hier also, wie Oberhaupt in Angeln, viel massiger als
in Holstein und Süd-Schleswig gewesen wo aber neben der schweren Dienst-
,

pflicht nur einige Thaler Häuergeld (Grundhäuer u. s. w.) oder auch gar nichts
bezahlt wurde. Die Rundhöfer Hufner hielten zur Zeit der Leibeigenschaft anch
nur 6 Pferde, dagegen 8 Kühe und 4— 5 Stück Jungvieh, waren also wirthschaft-
lich viel besser daran, als in der Regel die Hufner auf den südlicher gelegenen
Gütern mit ihren 12 Pferden und oft nur 4 Kühen.
184

Schuld wurde zu 4% Procent mit halbjährlicher Kündigung proto-


kollirt. Mit der Reservation resp. Ueberlassung des auf den Lände-
reien stehenden Holzes wurde es wie bei den Parzellen verhalten.
Die von den Hufnern und Käthnern zugekauften Ländereien
wurden nicht unzertrennliche Pertinentien ihrer Landstellen, sondern
für veräusserlich erklärt, doch nicht in geringeren Quoten als 6 Heid-
scheffel.

Letzteres wurde bestimmt, theils um das Entstehen allzu kleiner


Stellen zu verhindern, wie bei den Hofparzellen (wo die Grenze mit 5
Heidscheffeln gezogen wurde, weil das Hoffeld durchgängig besser als
das Bauernfeld ist), theils wegen der bequemen Berechnung der ordi-
nalen Contribution, welche bisher von der Gutsherrschaft gezahlt wor-
den war und von derselben jetzt auf die Bauernländereien (zugleich
mit jeder künftigen Steuererhöhuug) übertragen wurde. Die 41 Steuer-
pflüge des Gutes wurden hiebei so repartirt, dass auf Einen Steuer-
pflug 120 Heidscheffel kamen, also 4920 Heidscheffel contributions-
pflichtig gemacht wurden. Da die sämmtlichen Dorfländereien 5226

Heidscheffel betrugen, so blieben reichlich 300 Heidscheffel contribu-


tionsfrei, welche theils zu den Schullehrerstellen und Wohnungen von

Gutsofficialen gelegt wurden, theils zu solchen Stellen, die in den


Besitz von begünstigten Dienern (alten Hofkutschern u. s. w.) gelang ~
ten. Bei dieser Vertheilung machen je 6 Heidscheffel 0 Steuer- %
pflug aus.
Statt der bisherigen Dienstpflicht und Gruiulhäuer wurden die
Ländereien der Hufner und Käthner (die untrennbaren wie die ver-
äusserlicheu) gleichmässig mit einem Kanon von 1 Speciesthaler oder
l
1 /\ Thaler (in zweien Feldmarken 1 Thaler) belastet, dabei aber die
Stellen zu völligem Eigenthum übergeben. Für die nächsten 5 Jahre
wurden und Kleinkäthner verpflichtet, eine gewisse
die Grosskäthner
Zahl von Arbeitstagen in jedem Monate gegen bestimmte Tagelohusätze
und wohlfeile Ueberlassung des nöthigen Brennmaterials zu überneh-
men. Die Feldgemeinschaft wurde erst jetzt aufgehoben; die Guts-
herrschaft hatte damit schon 1783 und 1784 in zwei Dörfern den
Anfang gemacht, die Sache aber liegen lassen weil einige Baueru,
,

die sich dabei gegen ihre Nachbareu beeinträchtigt hielten, Unzufrie-


denheit zeigten und Verdriesslichkeiten verursachten.
In Betreff der Befriedigungen und Scheiden, der Gewässer und
Wasserleitungen, des Mühlenzwanges, der Jagd und der cominunalen
Lasten wurden die für die Hofparzellen aufgestellten Prineipien und
erlassenen Vorschriften auch auf die Dörfer zur Anwendung gebracht.

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«

Die Landstrassen und sonstigen Communicationswege wurden


jeder Dorfschaft für den Rayon ihrer Feldmark zur gemeinsamen
Unterhaltung mit der Reparation nach Heidschelfelzahl zugewiesen.
Der Bau und die Reparatur von Brücken ist gemeinsame Angelegen-
heit der sämmtlichen pflugzähligen Untergehörigen.
In Bezujj auf Criminal-, Physikats-, Polizeikosten u. dergl.^bildet
das ganze Gut Einen District, mit gleichmässiger Heranziehung der
Parzellisten und Bauern.
Die Gutsherrschaft besoldete den Justitiar und Actuar, bis vor
wenigen Jahren die Patrimonialgerichtsbarkeit der adeligen Güter im
Herzogthume Schleswig überhaupt aufgehoben und diese Güter den
landesherrlichen Gerichtsbezirken incorporirt wurden. Dieselbe trägt
allein die mit der Leitung und Verwaltung der allgemeinen Guts-
angelegenheiten und mit der Hebung der landesherrlichen Steuern
und gutscommunalen Abgaben verbundenen Kosten (Besoldung des
Inspectors, Cassirers u. s. w.).

Auch die Bauervoigte der Dorfschaften bekommen für ihre Müh-


waltung eine Vergütung aus der gutsherrlichen Kasse.
Die kirchlichen Verhältnisse der bisherigen Gutsuntergehörigen
wurden durch die ganze Aendcrung nicht berührt; das Gut hat keine
Kirche und die Höfe und Dorfschaften desselben sind, nach der Lage
vertheilt, auswärts zu zwei Kirchen eingepfarrt, denen nun auch die
Parzellisten nach der Lage ihrer Parzellen zugewiesen wurden.
Es waren schon drei gutsherrliche Schulen vorhanden, die nun
auf Kosten der Gutsherrschaft verlegt und umgebauet, mit Landbesitz
und Holzdeputat dotirt und den jetzt errichteten drei Schuldistricten
oder Schul-Interesscntschaften unentgeltlich überlassen und zu eige-
ner fernerer Unterhaltung überwiesen wurden. Die Parzellisten ge-
hören nach der Lage ihrer Parzellen zu dem einen oder anderen
Schuldistricte des Gutes.
Die Gutsherrschaft bestimmte, was die Schulinteressenten den
Schullehrern an Geld, Naturalien und Diensten für die Ländereien
leisten sollen und behielt sich die Ernennung und Entlassung der
Schullehrer und eine gewisse Leitung und weitere Verbesserung des
Schulwesens unter Zuratheziehung der Prediger vor*). Ein genaueres

*) Unter dem jetzt über das H erzog th um Schleswig verhängten dänischen

Willkühr-Regiment ist dem Gutsherrn von Ruudhof das Schulpatronat entzogen


worden, um unbehinderter die Schulen danisireu zu können, was nur gewaltthä-
tig geschehen kann, da die Muttersprache der Bevölkerung hier ausschliesslich

deutsch ist.

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landesherrlich bestätigtes Regulativ wurde 1802 für die drei Schulen
des Gutes erlassen, welches noch gilt, soweit nicht etwa Abänderun-
gen durch die allgemeine Schulordnung von 1814 erforderlich wurden.
Die ökonomischen Angelegenheiten des Schulwesens werden mit Hülfe
der Schulvorsteher besorgt; die Schulcommunen fingen über die Schul-
prästationen verschiedene Prozesse mit der Gutsherrschaft an, die sie
indessen verloren.
Für das Armenwesen wurde das Gut in zwei Communen einge-
theilt; jede ist gemischt aus einem Theile der Dorfschaften und der
Ilofparzellen zusammengesetzt Für beide Communeu behielt sich die
Gutsherrschaft die Leitung der Geschäfte vor, mit Hülfe von Armen-
vorstehern, die von den Commune - Interessenten in Vorschlag ge-
bracht werden können. Die Interessenten haben die Lasten der Ar*
menunterhaltung nach Heidscheffelzahl zu tragen.
Um einer Vermehrung der Armen möglichst vorzubeugen, ist es
den Interessenten untersagt, Fremde als Häuerlinge oder Einlie'ger
aufzunehmen, wenn sie nicht vorher über die gute Aufführung der-
selben und die Fähigkeit ihr Fortkommen zu finden, Beweise sich
verschafft und einen Erlaubnissschein von der Gutsherrschaft erhalten
haben, welche denselben erst nach Berathung mit den Armenvorstehern
ertheilt. Wer dawider handelt, muss 5 Thaler Strafe an die Armen-

kasse erlegen und haftet letzterer ausserdem für allen etwaigen Scha-
den; die mit solchen Fremden etwa abgeschlossenen Contracte sollen
als von vorne hereiu unverbindlich und ungültig angesehen werden.
Die Verpflegung der sämmtlichen Anfangs Mai 1800 noch aus der
Zeit der Leibeigenschaft vorhandenen Gutsarmen nahm die Gutsherr-
schaft allein auf sich. Dieselbe unterhält noch jetzt die in den Hof-
kathen oder sonstigen Wohnungen des Stammhofes verarmten Leute,
so dass der Stammhof gewissermaassen eiue dritte Armencomroune
für sich bildet
Aus diesem Verhältniss und wohl überhaupt aus der Zerlegung
des Einen Guts in mehrere Armen-Communen sollen in Bezug auf
Erwerbung und Verlust des Heimathsrechtes von Armen und der
hiemit zusammenhängenden Berechtigung resp. Verpflichtung zur
Armenversorgung verschiedene Verwickelungen entstanden sein, die
auch durch ein späteres Regulativ für das Armenwesen des Gutes
nicht ganz erledigt werden konnten.

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Zur Beurtheilung der Ökonomischen Lage der Rundhöfer Parzel-


listenuud Bauern in den verschiedenen Perioden dieses Jahrhunderts
werden folgende Notizen über die eingetretenen Concurse dienen:
Vom 1. Mai 1800 bis Ende des Jahres 1823 entstanden unter
den Parzellisten drei bis vier, unter den Bauern (Hufnern und Käth-
nern) sechs eigentliche Concurse; ausserdem traten mehrere ihre
Stelleu an die Gutsherrschaft für rückständige Kaufgelder, Gefälle
und Steuern freiwillig ab.
Aber die Unmöglichkeit vieler Anderer, in der seit 1820 einge-
tretenen Zeit der Producteuentwerthung länger sich halten zu können,
war nur durch die gutsherrliche Nachsicht in der Eintreibung der
Steuern *), Zinsen und Gefälle bis dahin verschleiert worden. Als nun
die durch den Druck der Zeit selber in Bedrängniss gerathene Guts-
herrschaft im Anfange des Jahres 1824 eine Untersuchung der Rück-
stände anstellen Hess, der Betrag derselben auf 9341 Thaler (circa
11200 Thlr. preuss. Cour.) sich ergab und nun die Schuldner aufge-
fordert wurden, diese in jährlichen Raten neben ihren laufenden Prä-
stationen abzutragen, da wurden Viele von einem panischen Schrecken
ergriffen, brachten und bestes Habe bei Seite und erklär-
ihr Vieh
ten sich darauf insolvent, wozu Einige auch durch auswärtige Credi-
toren und selbst durch das damalige königliche Leihinstitut, welches
1812 Anleihen an Rundhöfer Gutsuntergehörige gemacht hatte, ge-
zwungen wurden. So brachen denn in den beiden Jahren 1824 und
1825 unter den Parzellisten 7, unter den Bauern 19 Concurse aus.
Die Stellen fanden kaum noch Käufer. Hufen von 60 Heidscheffeln,
wie die Bauern sie bei Aufhebung der Leibeigenschaft ohne Kaufgeld
gegen blosse Einlösung der Gebäude zu Eigenthum erhalten hatten
und welche in den ersten Jahren, als auch die Steuern noch nicht so
hoch waren, bei vorkommenden Verkäufen mit 2000 —
3000 Thalern
bezahlt wurden, waren in den zwanziger Jahren kaum für 300 Thaler
aus den Concureen wieder anzubringen, womit natürlich nicht einmal
der Materialwert!! der Gebäude bezahlt wurde.
Es fällt auf und streitet auch wohl gegen die sonstige Erfahrung
in den Herzogtümern, dass mehr Bauern als Parzellisten zu Grunde
gingen, da jene doch von Anfang an ihre Stellen weit wohlfeiler er-
halten hatten, als diese. Vielleicht sind die Ankäufer der Rundhöfer

*) Wir bringen in Erinnerung, dass der Gutsherr für die sämmtlichen


Steuern des Gutes der Staatskasse haftet, mithin
fttr die etwaigen Rückstände der

Gutsuntergehörigen oder Defecte seines Hebungsbeamten einstehen muss.

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Parzellen der Mehrzahl nach schon mit Geldmitteln wohlausgerüstet


in das Gut gekommen und andererseits die zu Concurs gegangenen
Bauern vorzugsweise solche gewesen, welche ihre Stellen entweder
bei erbschaftlichen Uebernahmen mit zu hoher Abfindung der Ge-
schwister in der günstigeren Zeit hoher Productenpreise und noch
niedriger Steuern angetreten oder dieselben auch damals theuer aus
zweiter Hand gekauft hatten und auf die eine oder andere Weise in
starke hypothekarische Verschuldung verfallen waren.
Dass diejenigen, welche
in den zwanziger Jahren die Parzellisten-
stellen und Hufen aus den Concursen für Spottpreise ankauften, sich
emporarbeiten konnten, ist um so begreiflicher, als nachher auch die
landwirtschaftlichen Conjuncturen wieder sich besserten. Aber auch
sonst und allgemein haben die Rundhöfer Parzellisten und Bauern
wieder sich erholt und befinden sich jetzt in einem gewissen Wohl-
stande,wenn dieser auch nicht dem der Angler Amtsbauern gleich
kommt, die mit keinem Kanon für ihre Ländereien belastet sind. —
Welchen grossen Profit die Gutsherrschaft aus der ganzen Regu-
lirung gezogen haben muss, ergiebt sich aus den vorstehenden Mitthei-
lungen von selber. Der jährliche Kanon, welcher Netto- Einnahme
ist,überstieg schon allein erheblich die bisherige ganze Brutto-
Ein nähme aus den Gutshöfen und den Dürfern. Zu dem Kanon aber
kam hinzu: die Kauf3umme der Parzellen und der von den Bauern
für 20 Thaler a Heidscheffel zugekauften Hufenlandereien, oder viel--
mehr der jährliche Zinsenbetrag dieser Summen; ferner die Abwälzung
der ordinairen Contribution (1 148 Thaler) und der communaleu Lasten
von der gutsherrlicheu Casse und der nach der Parzellirung verblei-
bende reine Nutzungswerth (Grundrente oder Netto-Pachteinnahme)
der beiden Stammhöfe. Der Ertrag der Gutshölzungen kommt bei die-
sem Vergleiche nicht in Betracht.

Diese Beispiele werden genügen, um zu zeigen, wie das bäuer-


liche Erbpachts- oder Eigenthumsverhältniss auf adeligen Gütern der
Herzogtümer nach Aufhebung der Leibeigenschaft und Hofdienste
eingeführt und geordnet wurde: verschieden nach den Gesinnungen,
Ansichten und Vermögensverhältnissen der Gutsherren und auch nach
den Gegenden mit Berücksichtigung der bisherigen Verfassung und
Lage der Gutsuntergehörigen.

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Dabei tritt gleichfalls die in der ganzen Gesetzgebung und Staats-


verwaltung und speciell in der Gutsverfassung der Herzogthttmer be-
gründete, von uns schon bei der Darstellung des Zeitpachtverhält-
nisses erörterte Eigenthümlichkcit hervor, dass zugleich mit den Be-
sitzverhältnissen auch die communalen und selbst manche staatliche
Angelegenheiten der Gutsuntergehörigen privatrechtlich durch die
Contracte von den Gutsherren festgestellt und daher bald so, bald
anders normirt wurden.
So viel uns bekannt, sind alle diese Gütcrregulirungen vor der
gesetzlichen Aufhebung der Leibeigenschaft ausgeführt worden, woraus
sich erklärt, dass dabei Manches passirte, was uach der Verordnung
vom 19. December 1804 nicht gestattet ist. —
Nach einer langen Pause —
nach Verlauf von einem halben
Jahrhundert und darüber —
haben nun ganz in der neuesten Zeit
einzelne südschleswigsche und holsteinische Gutsherren sich entschlos-
sen, ihreZeitpachtbauern zu Eigentümern oder Erbpächtern zu er-
heben und denselben die Hufen- und Kathenstellen, entweder belastet
mit einem unablösbaren Kanon oder ohne diese gutsherrliche Abgabe
und dann für einen um so höheren Kaufpreis zu überlassen *).

Ob diese Gutsherren hiezu mehr durch das Interesse für die ge-
deihliche Entwickelung ihres Bauernstandes oder mehr durch die Rück-
sicht auf den eigeuen Vortheil geleitet worden sind, müssen wir dahin
gestellt sein lassen.
Jedenfalls haben auch sie damit eine sehr gelungene Finanz-
speculation ausgeführt, indem sie durch die Zinsen der Kaufgelder
und den Kanon oder durch erstere allein, wenn sie ohne Kanon ver-
kauften, eine erheblich höhere Netto-Einnahme erhielten, als die
bisherige Brutto-Einnahme an Pachtgeldern und Nebenleistungen
betragen hatte. —
Indessen halten die holsteinischen Gutsbesitzer in überwiegender
Majorität immer noch mit aller Entschiedenheit an dem bäuerlichen
Zeitpachtverhältnisse fest und gehen dabei ungefähr von folgenden
Betrachtungen aus:
Der augenblicklich durch die Vererbpachtung oder Eigenthums-
vcrleihung zu gewinnenden Mehreinnahme stellt die Verzichtleistung
auf das Steigen der Pachtrente im Verlaufe der Jahrhunderte gegen-
über.

) Damit wird aber eine Parzellirung der Hoffelder jetzt nicht mehr vor-
. bunden. wie früher. Man ist hievon mit Recht zurückgekommen und beschränkt
sich darauf, von allzugrossen Hauplhöfen einzelne Meierhöfe abzulegen.

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Der als unablösbar bedungene Kanon kann später durch die


Gesetzgebung für ablösbar erklärt werden und zwar gegen eine ganz
ungenügende Capitalzahlung, wie dies schon in mehreren Staaten mit
Erbzinsen und anderen gutsherrlichen Gefallen zum grossen Nach-
theile der Berechtigten geschehen ist.

Das durch den Verkauf erlangte Capital fliesst in die Privatkasse


der Gutsherren, die dasselbe keineswegs immer den Gütern in irgend
einer Form, z. B. durch fideicoinmissarische Stiftung erhalten, so
dass der Werth der Güter dadurch dauernd vermindert wird.
Die Conservation eines Geld-Capitals für alle künftige Zeiten ist
Oberhaupt schwierig. Verzinslich ausgeliehen oder in Staatspapieren
*
und anderen Effecten angelegt, ist dasselbe Verlusten ausgesetzt,
kann auch durch das Sinken des Sachpreises der edlen Metalle effec-
tiv vermindert werden.
Sind die Güter hypothekarisch verschuldet, so kann das durch
die Veräusserung der Bauernstellen erlangte Capital allerdings pas-
send zum Abtrage der Schulden dienen. Allein noch besser würde es
sein, wenn der Impuls bliebe, diese Schulden durch tüchtige und
sparsame Wirthschaft ohnehin zu tilgen. Am rathsamsten wäre es,

dasselbe zum Wiederankaufe von Grundbesitz zu verwenden. Allein


dies hat seine Schwierigkeiten.
Es müssten schon grössere Gutshöfe sein, die angemessene Pacht-
objecte für Oekonomen bilden, so dass die ganze Procedur der Ver-
äusserung der Gutshufen vom Standpunkte der Gutsherren aus als
eine Couvertirung von vielen kleinen Landstellen in concentrirteren
Grundbesitz aufzufassen sein würde. Allein zu dem Ankaufe solcher
Höfe ist nicht immer passende Gelegenheit vorhanden oder es reicht
auch das Capital nicht so weit
Kleine zerstreuete, nur durch Verpachtung an Bauern zu nutzende
Grundbesitzungen, etwa einzelne Hufen in benachbarten Aemtero (die
überdies selten zu haben sind) für das Capital anzukaufen, könnte
keinen Sinn haben und würde überdies als weiter um sich greifende
Maassregel gemeinschädlich indem dann wiederum anderswo die
sein,

bäuerliche Pachtwirthschaft entstände, die man ebeu erst auf den


eigenen Gütern beseitigt hat
Ferner: Der Gutsherr giebt für immer die Dorffeldmarken sei-
nes Gutes aus den Händen und behält nur noch die Gutshöfe, Hol-
zungen und Moore. Er verliert diejenige freie Verfügung über die
bäuerlichen Stellen und Ländereien, welche die Verordnung vom
19. December 1804 ihm noch gelassen hat und die zu behalten er

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aus mancherlei Granden wünschen muss. Ohne Einwilligung der


Bauern kann er später weder Rectificationen von Wegen, Bachen,
Wasserleitungen, Befriedigungen, die über bäuerlichen Grund und
Boden führen und seine eigenen Ländereien mit berühreu, vornehmen,
noch Hoffelder oder Holzgründe gegen bäuerliche Ländereien zum
Zwecke besserer Arrondirung austauschen, noch die Hufen verklei-

nern, um die Schullehrerstellen, die Armenhäuser, die Gutsofficialen,


die Insten mit Land überhaupt erst oder mit mehr Land als bisher

zu versehen u. s. w.

Durch die Einbusse der Grundberrlichkeit über die Dorffeldmar-


ken leidet auch die Gutsherrlichkeit: die Stellung des Gutsherrn zu
den Gutsuntergehörigen. Der Gutsherr behält zwar die obrigkeitliche
Gewalt, aber er verliert an obrigkeitlichem Ausehen und an persön-
lichem Einflüsse, wenn er nicht mehr der Grundeigenthümer des
ganzen Gutes ist, sondern nur noch der grössere Grundbesitzer im
Gute neben den kleineren.
Er kann jetzt in mancherlei Prozesse mit den ehemals von ihm
ganz abhängigen Bauern verwickelt werden.
Er kommt aus dem directen Verkehr mit den Hufnern, Eäthnern
und Dorfinsten heraus, kann nicht mehr so wie früher in patriarcha-
lischem Sinne auf sie einwirken; er kann z. B. schlechte Hauswirthe
nicht mehr ermahnen, bedrohen, äusserstenfalls von den Stellen ent-
setzen und dafür tüchtige Hofvoigte u. s. w. zur Belohnung für treu
geleistete Dienste wieder einsetzen.
Dahingegen muss er nach wie vor die mit der Gutsherrlichkeit
verbundenen Mühen und Ausgaben für das ganze Gut einseitig tragen :
die Interessen der Gutsuntergehörigen nach aussen vertreten, den
Justitiar, Actuar, sowie die Ofticialen für die allgemeine Administra-
und die Steuererhebung besolden, die
tion, für die Polizei Verwaltung
Bureaukosten der Verwaltung bestreiten und für die Steuern der
Gutsuntergehörigen einstehen. Und wenn er auch durch communale
Einrichtungen die Gutsuntergehörigen zur Abhaltung der speciellen
Gutsausgaben mit heranzieht oder ausschliesslich verpflichtet, so fällt
ihm doch nachher noch Manches nach alter Sitte und Uebung zur Last
So befreit ihn die Constituirung von Armencommunen, mag er
auch selber reichliche Beiträge zur Annenkasse geben, doch nicht
von einer umfassenden privativen Armenpflege. Alle Arbeitsfähigen,
die keine Beschäftigung finden können, alle Arbeitsunfähigen, alle
nothleidenden Kranken, Hülfsbedürftige aller Art sind von jeher ge-
wohnt gewesen, in dem Gutsherrn ihren Schutz und Hort zu suchen.

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Das überwiegend aus Bauern zusammengesetzte Arineu-Collegium


schont lieber die Coutribuenten zur Armenkasse, als dass es genü-
gende Unterstützungen an die Armen bewilligt, und die einzelnen
Bauern sind nach ihrer gewöhnlichen Gesinnung noch weniger ge-
neigt, privatim zu helfen.
Alle rechnen darauf, dass je weniger die communale Annenpflege
und die Privatwohlthätigkeit der Gutsuntergehörigen leistet, desto
mehr der Gutsherr thun wird, welchen dann auch Humanität wie
Rücksicht auf seine Stellung veranlassen, überall durch oft künstliche
und kostspielige Beschäftigung der überflüssigen Insten und durch
directe Unterstützung der Arbeitsunfähigen nach Kräften zu helfen.
In socialer Beziehung hat die Erhebung der Gutsbauern zu Erb-
pächtern oder Eigenthiimern den Nachtheil, dass der Abstand zwischen
ihnen und den Insten dadurch noch erweitert wird.
Die unzufriedene Stimmung der Gutsinsten, die in den Jahren
1848 und 1840 vielerwärts in bedenklicher Weise sich kund gab, lässt
sich hauptsächlich darauf zurückführen, dass sie die Hufner — schon
beim Zeitpachtverhältnisse, wie selbst früher unter der Leibeigen-
schaft —
als die mit Unrecht bevorzugte Klasse der gutsuutergehöri-
gen Bevölkerung ansehen, da sie von gleicher Abstammung, vielfach
mit den Hufnerfamilien nahe verwandt und grösstentheils aus den
zweiten und folgenden Hufnersöhnen, welche nicht in die Hufen se-
cundiren konnten, hervorgegangen sind. Die Insten meinen, dass sie

bei einer Vakanz von Hufen eben so gut berücksichtigt werden soll-

ten, als die Nachkommen der zuletzt verstorbenen Hufuer, oder wün-
schen eineThcilung der Hufen, damit auch sie zur Nutzniessung land-
wirtschaftlicher Stellen gelangen. Durch das Avancement der Pacht-
hufner zu Erbpächtern oder Eigenthiimern wird die Erbitterung der
Insten gegen sie nur noch gesteigert werden, was iu unruhigen Zeiten
die schlimmsten Folgen haben kann. Ob den Hufnern selber die Ver-
änderung ihrer Lage immer dienlich sein wird, ist auch die Frage. Die
Bauern sind, etwas emporgekommen, leicht zum Luxus und zur Be-
quemlichkeit geneigt und es wird bald dahin kommen, dass sie sich schä-
men, selber zu pflügen und sonst in der Wirthschaft Hand anzulegen. —
Wir würden die Grenzen dieser Abhandlung überschreiten, wenn
wir das Pro und Contra dieser Streitfrage, welche jetzt wieder wie in
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in den Herzogtümern
eifrig discutirt wird, hier noch zum Schlüsse ausführlich erörtern
wollten und beschränken uns daher auf folgende wenige und summa-
rische Bemerkungen:

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1) Wenn die ganze Maassregel nicht mit der grössten Sorgfalt


und Genauigkeit unter Berücksichtigung aller localen Gutsverhält-
nisse vorbereitet und ausgeführt wird, so kann der Gutsherr nachher
allerdings in grosse Ungelegenheiten kommen.
2) Legt man einen Kanon auf, so gebietet die Vorsicht, ihn in
Getreidequantitäten zu fixiren, deren Betrag nach Durchschnittsprei-
sen in baarem Gelde ausgezahlt wird. Es ist aber in unserer Zeit
richtiger, die bäuerlichen Stellen ohne Kanon oder höchstens mit
einem ganz niedrigen, nur nominellen und blos den Ursprung des
neuen Verhältnisses documentirenden Kanon an die bisherigen Pacht-
bauern zu veräussern, weil es möglich ist, dass eine spätere Gesetz-
gebung die Ablösung mit Verlust für den Gutsherrn dekretirt Besser
also, man nimmt nur Capital, welches theilweise in den bäuerlichen
Stellen verzinslich stehen bleiben kann.
3) Für die Conservation und bestmögliche nutzbringende Ver-
wendung des Capitals muss allerdings Sorge getragen werden. Die
Nutzniesser von Fideicommissgütern sind dazu ohnehin verpflichtet,
die übrigen Gutsherren werden dies bei dem wirthschaftlichen Sinne,
der jetzt durchgängig an die Stelle des unsinnigen Luxus der Guts-
herren im 17. und 18. Jahrhundert getreten ist, aus eigenem Antriebe
im Interesse ihrer Nachkommen thun. Einzelne Verschwender können
für die Frage nicht den Ausschlag geben. Diese sind auch nicht zu
verhindern, dass sie ihre Güter durch Contrahirung von Schulden und
endlichen Verkauf gänzlich consumiren.
4) Die sonstigen Befürchtungen sind grösstentheils durch die
nun schon während mehrerer Generationen gemachten Erfahrungen
widerlegt worden. Auf manchen Gütern mag aber wohl eine unbe-
hagliche Uebergangsperiode zu überwinden sein, wie früher bei Auf-
hebung der Hofdienste und Leibeigenschaft. Sollte das bäuerliche
Erbpacht«- und Eigenthumsverhältniss auf den adeligen Gütern wirk-
lich gewisse bleibende Nachtheile haben, so sind dagegen andere

Nachtheile mit dem Zeitpachtverhältnisse verbunden und es fragt


sich nur, ob letztere nicht überwiegen.
Manche Bedenken der Gutsherren könnten beseitigt werden,
wenn die ganze Gutsverfassung durch die Legislatur in Einklang mit
den geänderten Zuständen gebracht würde.
Läugnen lässt sich indessen nicht, dass der Wunsch, Eigenthum
zu erlangen, keineswegs allgemein unter den Zeitpachtbauern der
holsteinischen Güter verbreitet ist, sowie vor 60—70 Jahren Manche
HaBftea, Aqfh*b. d. Leibtic.
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lieber frohndienstpflichtige Leibeigene bleiben, als freie Zeitpacht-


bauern werden wollten.
Sie nehmen das Eigenthum der Stellen an, wenn der Gutsherr
es ihnen anbietet, aber sie ergreifen nicht die Iniative.
Auf manchen Gütern sind sie noch zu indolent, um nach Eigen-
thum zu streben und haben nicht den Muth, die Sorgen und Gefahren
desselben zu übernehmen. Der Hauptgrund ihrer Passivität aber ist
darin zu suchen, dass sie sich als Zeitpachtbauern auf den meisten
Gütern factisch in einer ganz gesicherten Lage befinden. Sie wissen,
dass wenn sie sich nichts besonderes zu Schulden kommen lassen, die

Pacht nach Ablauf der Pachtzeit wieder erneuert wird und nach ih-
rem Tode auf den ältesten Sohn oder wenn dieser nicht geeignet ist,
auf einen ihrer anderen Söhne, event. selbst auf einen Schwiegersohn
übergeht, und so entbehren sie nicht das Eigenthumsrecht, weil sie
es factisch schon zu besitzen glauben. Sie sind zwar allmählig im
Pachtgelde gesteigert worden und müssen erwarten, dass dies auch
fernerhin geschehen werde, aber sie wissen auch, dass die Erträge
ihrer Hufen in noch stärkerem Verhältnisse gestiegen sind. Obwohl
sie nicht überall unter gleich günstigen Pachtbedingungen wirtschaf-
ten, so zahlen sie doch gewiss nur auf sehr wenigen Gütern so viel,

als sie ohne eigentlichen Druck zahlen und die Gutsherren bei Er-
öffnung freier Pachtconcurrenz erlangen könnten *).

hegen das volle Vertrauen, dass sie und ihre Nachkommen


Sie
auch in Zukunft einer gelinden gutsherrlichen Behandlung sich zu
erfreuen haben werden, und sehen es auch als einen Vortheil an, dass
der succedirende Sohn die Hufe antreten kann, ohne, wie leicht beim
Eigenthum, durch die Abfindung der Geschwister in Schulden zu ge-
rathen. Sie fürchten auch die sonstige Verschuldung der Hufen von
vorne herein durch den Ankauf und später unter ungünstigen Con-
juneturen und können bei Kriegskalamitäten, gänzlichem Misswachs
u. s.w. äusserstenfalls auf Pachtremission des Gutsherrn factisch rech-

*) Auf einem grossen holsteinischen Gute kam vor Kurzem der Fall vor,
dass ein Htifher, der sich auswärts niederlassen wollte, mit Bewilligung derGuts-
herrschaft einen Anderen für die noch restirenden Pachtjahre in die Pachtung
eintreteu Hess und dafür von diesem ein Abstandsgeld von 2000 Thalern (2400
Thaler pr. Cour.) erhielt! Von manchen Gütern aus haben
die Pachtbauern nicht
unbeträchtliche Summen
in die Sparkassen der benachbarten Städte eingelegt
oder sonst verzinslich untergebracht. Nach erlangtem Eigenthnm würden sie
diese Summen ganz anders durch schwunghafteren Ketrieb ihrer Wirtschaften
v er werth en können.

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nen, währeud bei verschuldetem Eigenthume die Capitalisten sie zum


Concurse drängen würden.
Allein ein so befriedigendes Bild die patriarchalischen Zustände
auf den meisten holsteinischen Gütern beim Zeitpachtverhältnisse
auch darbieten mögen, sie werden in unserer auflösenden und vor-

wärts eilenden Zeit auf die Dauer sich nicht halten können und einer
höheren Culturstufe weichen müssen.
Mit grösserer Bildung wird das Bedürfniss nach Grundeigenthum
den Pachtbauern fühlbarer werden und das Streben nach Erlangung
desselben sie mehr und mehr ergreifen. Das Eigenthum wird sie zu
grösseren Anstrengungen anspornen und zu einer besseren Bewirt-
schaftung der Hufen veranlassen, wie das u. A. auf den adeligen Gü-
tern Angelns sich gezeigt hat.
Das bäuerliche Grundeigenthum hat aber nicht blos einen gros-
sen wirtschaftlichen Werth, sondern auch eine hohe sociale und po-
litische Bedeutung.
Wo der Bauernstand eines ganzen Landes nur aus Zeitpächtern
besteht, da fehlt es der Volkswirtschaft an einer gesunden Basis,
dem socialen Leben der ländlichen Bevölkerung an dem rechten Keru,
dem Staate selbst an der inneren politischen Festigkeit.
Es ist der Ruhm der Herzogthümer Schleswig und Holstein, in
ihren Landschaften und Aemtern und auch schon in einem Theile
der adeligen Güter einen ausgezeichneten erbangesessenen und wohl-
habenden Bauernstand zu besitzen. —
So hoffen wir denn — und mit dieser Hoffnung wollen wir unsere
Abhandlung schliessen — dass zu solchem Bauernstande
trefflichen

auch die Zeitpachtbauern der adeligen Güter im Laufe der folgenden


Jahrzehnte durch den freien Entschluss der Gutsherren und ohne die
bedenkliche Intervention der Gesetzgebung erhoben werden mögen.

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