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Composable Enterprise agil flexibel

innovativ Gamechanger für


Organisation Digitalisierung und
Unternehmenssoftware 4th Edition
August Wilhelm Scheer
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Nachhaltigkeit und Digitalisierung : Nachhaltiges und


verantwortungsvolles Business im Kontext von
Digitalisierung und Innovation Katrin Marquardt

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Vollständige logarithmische und trigonometrische Tafeln


zum Theil in neuer Anordnung durch Zusätze erweitert
und mit ausführlichen Erläuterungen versehen E F August

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Digitale Dienstleistungsinnovationen Smart Services


agil und kundenorientiert entwickeln 1st Edition Volker
Stich

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Digitalisierung im Filialsystem Prozesse und Module für


Umsetzung und Führung German Edition Riedl

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Über Jahrespunkte und Feste insbesondere das
Weihnachtsfest Wilhelm Hartke

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Tourismus und Authentizität Zur gesellschaftlichen


Organisation von Außeralltäglichkeit Robert Schäfer

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Daten- und Informationsqualität: Die Grundlage der


Digitalisierung Knut Hildebrand

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Erfolgsrezept Konvergenz gemeinsam innovativ Wie


Marketing und IT die Business Transformation
vorantreiben und Kunden begeistern 1st Edition Ray
Velez
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Digitalisierung und Industrie 4 0 eine Relativierung


1st Edition Peter Mertens

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August-Wilhelm Scheer

Composable
Enterprise: agil,
flexibel, innovativ
Gamechanger für Organisation,
Digitalisierung und
Unternehmenssoftware
4. Auflage
Composable Enterprise:
agil, flexibel, innovativ
August-Wilhelm Scheer

Composable Enterprise:
agil, flexibel, innovativ
Gamechanger für Organisation,
Digitalisierung und
Unternehmenssoftware

4., komplett überarbeitete Auflage

Die 1. und 2. Auflage des Werkes sind mit dem Titel


„Unternehmung 4.0“ bei AWSi Publishing,
AWS-Institut für digitale Produkte und Prozesse
gGmbH, Uni Campus Nord, 66123 Saarbrücken
erschienen.
August-Wilhelm Scheer
IDS Scheer Holding GmbH
Saarbrücken, Deutschland

ISBN 978-3-658-42482-4 ISBN 978-3-658-42483-1 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-658-42483-1

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillier-
te bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

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Über den Autor

Professor Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer gilt als einer der prägendsten Wis-
senschaftler und Unternehmer der deutschen Informationstechnik. Die von ihm entwickel-
te ARIS-Methode zur Enterprise Architecture und Prozessmanagement wird international
eingesetzt.
Seine Bücher zur Wirtschaftsinformatik haben das Fach wesentlich beeinflusst und sind
in mehrere Sprachen übersetzt. Schwerpunkt seiner Forschung liegt im Informations-, In-
novations- und Geschäftsprozessmanagement. Darüber hinaus ist Scheer Herausgeber der
Fachzeitschrift IM+io.
Er ist Gründer mehrerer erfolgreicher IT-Unternehmen. Seit 2010 ist Scheer Allein-
gesellschafter der IDS Scheer Holding GmbH. Zu dem Unternehmensnetzwerk mit über
1300 Mitarbeitern gehören als größere Unternehmen die Scheer GmbH, die imc AG und
die Scheer PAS GmbH. Weiter gehören zu dem Unternehmensnetzwerk Beteiligungen an
mehreren Start-Up-Unternehmen. 2014 hat Scheer das gemeinnützige Forschungsinsti-
tut „August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH (AWSi)“
gegründet.
Scheer war über einen Zeitraum von 20 Jahren Mitglied des Aufsichtsrats der SAP AG.
Von 2007 bis 2011 war er Präsident des Branchenverbandes Bitkom e. V. Als Unternehmer
und Protagonist der IT arbeitete und arbeitet er als unabhängiger Politikberater.
Scheer ist zudem versierter und angesehener Jazz-Baritonsaxophonist und fördert Kul-
tur und Wissenschaft mithilfe der von ihm 2001 gegründeten August-Wilhelm Scheer
Stiftung für Wissenschaft und Kunst. Er ist Inhaber zahlreicher nationaler und interna-
tionaler Ehrungen. 2017 wurde Scheer in die Hall of Fame der Deutschen Forschung
aufgenommen.
Seine Interpretation des Composable Enterprises ist seine Vision zur Gestaltung zu-
kunftsorientierter digitalisierter Unternehmen, die er auch in den eigenen Unternehmen
umsetzt.

V
Vorwort zur vierten, wesentlich neu gestalteten
Auflage

Die vierte Auflage dieses Buches hat mit „Composable Enterprise“ einen neuen Titel
gegenüber dem vorherigen Titel „Unternehmung 4.0“ bekommen. Der Zusatz 4.0 als
Kennzeichen einer Digitalisierung wird inzwischen in vielen Zusammenhängen inflatio-
när verwendet. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Erst wenn die Digitalisierung einen
konkreten Nutzen nachweist, ist sie erfolgreich. Dazu wird in dieser Auflage dem von der
Gartner Group eingeführten Begriff „Composable Enterprise“ als Ziel einer Digitalisie-
rungsstrategie gefolgt.
Ein Composable Enterprise ist fähig, durch Anwendung moderner Informationstechnik
sein Businessmodell und seine Businessprozesse aus Komponenten flexibel zusammenzu-
setzen und dabei doch ganzheitlich zu arbeiten.
Dadurch kann das Unternehmen schnell auf neue Situationen reagieren, neue Prozesse
einführen oder austauschen. So kann es neue Produkte, Dienstleistungen, Partner, Liefe-
ranten usw. schnell wechseln oder neue hinzufügen. Composable ist damit der Gegensatz
zu monolithisch, das für starr und unflexibel steht.
Der Begriff reicht von der Strategieebene bis zur Implementierung der Anwendungs-
systeme. Das Unternehmen ist deshalb von der Geschäftsstrategie bis zu den IT-Systemen
„composable“.
Das Konzept „Composable Enterprise“ spricht wichtige Anforderungen an ein moder-
nes Unternehmen an und ist deshalb ein wertvoller Kompass für dessen IT-Entwicklung.
Die zentralen Komponenten der Informationssysteme des Composable Enterprise sind
die Plattformarchitektur mit der losen Kopplung von kleinen, weitgehend autonomen Soft-
wareeinheiten, den „Packed Business Capabilities“. Diese Komponenten bilden gegenüber
zentralen, monolithischen und starr integrierten Systemen ein neues Paradigma für die
Anwendungsentwicklung.
Grundgedanken einer Plattformarchitektur werden an praxisnahen Systemen und An-
wendungsfällen erörtert. Als Demonstrationsobjekt wird mit der „Application Composi-
tion Platform“ ein konkretes System verwendet, das in über 10 Jahren von den Unterneh-
men des Verfassers entwickelt wurde und von dem Unternehmen Scheer PAS weiterent-
wickelt und vertrieben wird. Die über 10-jährige Entwicklungszeit bestätigt die Erfahrung
des Verfassers, dass wirksame Innovationen eine lange Forschungs- und Vorlaufzeit benö-
tigen.
VII
VIII Vorwort zur vierten, wesentlich neu gestalteten Auflage

Das Konzept des Composable Enterprise wird in ein Lifecycle-Modell eingebunden,


das die Eigenschaft „composable“ in allen Stationen von der Innovationsentwicklung über
die Prozess- und Enterprise-Architektur, die Plattformarchitektur, die Anwendungsent-
wicklung, die Prozessausführung, das Process Mining bis zur kontinuierlichen Verbesse-
rung betont. Diese Stationen des Lifecycles bestimmen die Gliederung der Kap. 1–8.
Die Ausführungen zu Innovation sind auf die Kap. 2 und 9 verteilt. In Kap. 2 werden
einige auf den Lifecycle bezogene Ausführungen dazu gemacht. Da Innovationstreiber die
Quelle für neue unternehmerische Ideen sind und das Composable Enterprise das Mittel
für ihre erfolgreiche Umsetzung ist, werden die Innovationstreiber gegenüber den vorhe-
rigen Auflagen ausführlicher in Kap. 9 behandelt.
Die Branchenkonzepte sind überarbeitet und auf das Konzept Composable Enterprise
ausgerichtet worden. Sie sind an das Ende des Buches als 10. Kapitel gestellt. Dadurch
bilden sie zusammenfassende Illustrationen der vorherigen Kapitel.
Nicht alle Ausführungen des Buches haben den gleichen Detaillierungsgrad. Neuere
Entwicklungen werden intensiver behandelt als gängige Themen, deren Bekanntheit vor-
ausgesetzt werden kann. Leser, die weniger an den Details interessiert sind, sondern mehr
an dem „roten Faden“ des Buches, können detaillierte Passagen überspringen, ohne den
Faden zu verlieren. Diese sind durch kursive Schrift gekennzeichnet und beziehen sich
insbesondere auf Texte zu Abbildungen und Beispielen. Jedem Kapitel ist zur Orientie-
rung eine Zusammenfassung vorangestellt.
Die Begriffswelt in der IT ist durch die englisch-amerikanische Sprache geprägt.
Deshalb werden viele englische Begriffe eingesetzt, insbesondere, wenn sie im Zusam-
menhang mit anderen englischsprachigen Begriffen stehen. Gleichzeitig wird auch die
deutschsprachige Version verwendet, wenn dieses im Zusammenhang sinnvoll ist. Dieses
führt manchmal zu etwas gemischten Sprachkonstruktionen.
Männliche und weibliche Formen von Begriffen werden so verwendet, wie es dem nor-
malen Sprachgebrauch entspricht und dem Lesefluss dient. Eine gesellschaftspolitische
Aussage ist damit nicht verbunden.
In meinen Veröffentlichungen versuche ich, wissenschaftliche Erkenntnisse mit un-
ternehmerischen Anwendungserfahrungen aus Beratungsprojekten und Produktentwick-
lungen zu verbinden. Gerade als Softwareunternehmer muss ich bei strategischen Ent-
wicklungsentscheidungen Zukunftsentwicklungen hinsichtlich ihrer Bedeutung abschät-
zen, ohne mich von kurzfristigen Hypes lenken zu lassen. In die Darstellungen fließen
deshalb auch Bewertungen von Technologien ein, so dass der Leser an unternehmerischen
Überlegungen und Entscheidungen teilnimmt.
Vorwort zur vierten, wesentlich neu gestalteten Auflage IX

Danksagungen

Für intensive Gespräche zu dem Thema der Application Composition Platform danke ich
Dr. Wolfram Jost, Chief Technology Officer (CTO) der IDS Scheer Holding GmbH. Er hat
die Architektur der Plattform maßgeblich gestaltet und ist für mich immer ein wichtiger
und kritischer Diskussionspartner.
Robert Mueller, CEO der Scheer PAS GmbH und Jürgen Rombach, Geschäftsführer
der Scheer PAS GmbH sowie allen an der PAS-Entwicklung beteiligten Softwareinge-
nieuren danke ich für Anregungen zu diesem Buch, die sie mir durch ihre Arbeit gegeben
haben.
Weiter danke ich für Unterstützungen Dr. Dirk Werth, Tobias Greff, Dr. Christian Linn,
Dr. Andreas Kronz und Dr. Olaf Homburg.
Mario Baldi, CEO der Scheer GmbH, Christian Wachter, CEO der imc AG, Sven
Becker, Vorstand der imc AG sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unter-
nehmungen des Scheer Netzwerkes danke ich für ihren großen Einsatz, Ideen erfolgreich
in Produkte und am Markt umzusetzen.
Besonders danke ich Sandra Ehlen für das sorgfältige Anfertigen der Abbildungen, die
Organisation des Verlagsprozesses und ihre freundliche Geduld. Lucie Bender und Vera
Chase danke ich für das umsichtige Korrekturlesen.
Bei Rosemarie Clarner, Geschäftsführerin der Scheer Unternehmen, bedanke ich mich
für die 25-jährige vertrauensvolle Zusammenarbeit und für die stetige Motivation.

Saarbrücken August-Wilhelm Scheer


Juni 2023
Aus dem Vorwort zur ersten bis dritten Auflage

Im Jahre 1983 wurde der PC von dem TIME MAGAZIN als „Maschine des Jahres“
ausgezeichnet, obwohl normalerweise nur wichtige Menschen benannt werden. Damit
wollte man bereits zu diesem Zeitpunkt die hohe Bedeutung des Computers herausstellen.
Seitdem sind rund 20 Moore’sche Zyklen über die Entwicklung der Informationstechnik
hinweggegangen, bei denen sich die Leistungsfähigkeit jeweils verdoppelte. Damit hat
sich die Leistungsfähigkeit um das Millionenfache erhöht. Deshalb schlägt nun Quantität
in Qualität um; es entstehen Möglichkeiten zur Entwicklung neuer Produkte und Prozes-
se, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Schlagwörter wie „Industrie 4.0“ oder
„Software is eating the world“ (Andreessen 2011) sowie die Diskussion der künstlichen
Intelligenz belegen die hohen Erwartungen, die von Wissenschaftlern und praktischen Ex-
perten an die Veränderungskraft der Digitalisierung gerichtet sind. Viele Veränderungen
im privaten Bereich sind durch Social Media und Internet offensichtlich.

Abb. 1 Time Magazin 1983 und Moore’sche Zyklen. (Quelle: Time, USA LLC. 1983)

XI
XII Aus dem Vorwort zur ersten bis dritten Auflage

In diesem Buch werden digitale Veränderungen von Unternehmen behandelt. Sie zei-
gen den tiefgreifenden Einfluss auf Strukturen und sollen den Leser zur Entwicklung von
Konzepten seines eigenen Unternehmens inspirieren.
Im Vordergrund steht die Betrachtung und Bewertung organisatorischer Auswirkungen
der Digitalisierung, sodass technische Aspekte nur so tief behandelt werden, wie es zum
Verständnis des Veränderungsprozesses erforderlich ist.

Saarbrücken, Juli 2017

Literatur Einleitung
Andreessen, M. (20. August 2011). Why Software is eating the world. The Wall Street
Journal.
Inhaltsverzeichnis

1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma . . . . . . . . . . . . . . . 1


1.1 Gründe für einen Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.1 Anforderungen an Agilität, Flexibilität, Innovationsfreude . . 3
1.1.2 Der Begriff Composable Enterprise . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.1.3 Wesentliche Komponenten der Informationssysteme
des Composable Enterprise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4
1.2 Organisationsstrukturen des „Composable Enterprise“ . . . . . . . . .. 7
1.2.1 Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7
1.2.2 Umsetzung der Organisationsstruktur in die
Anwendungsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3 Der Composable Enterprise Lifecycle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.3.1 Phase 1: Unternehmensanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.3.2 Phase 2: Innovationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.3.3 Phase 3: Composable Process und Enterprise Architecture . . 17
1.3.4 Phase 4: Application Composition Platform . . . . . . . . . . . 18
1.3.5 Phase 5: Development und Implementation . . . . . . . . . . . 20
1.3.6 Phase 6: Execution und Case Management . . . . . . . . . . . . 21
1.3.7 Phase 7: Insight durch Mining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.3.8 Phase 8: Actions/Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2 Innovationsfreude als Merkmal des Composable Enterprise . . . . . . . . 25


2.1 Planung von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.2 Geschäftsmodellinnovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.3 Innovator’s Dilemma vermeiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

XIII
XIV Inhaltsverzeichnis

3 Von der Process- und Enterprise-Architecture zum digitalen


Unternehmenszwilling im Metaverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.1 Geschäftsprozessmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.2 Entwicklung Soll-Prozessmodell und Business Capabilities . . . . . . 37
3.2.1 Soll-Prozessmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.2.2 Fachliche Business Capabilities . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.3 Enterprise-Architecture (EA) zur Beherrschung der Komplexität
von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.4 Wege zur automatisierten Enterprise Architecture . . . . . . . . . . . . . 42
3.5 Erweiterung zu einem dynamischen automatisierten EA-System . . . . 44
3.6 Digitaler Unternehmenszwilling im Metaverse . . . . . . . . . . . . . . . 46
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

4 Application Composition Platform Architecture . . . . . . . . . . . . . ... 53


4.1 Kennzeichnung der Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 54
4.1.1 Der Integrationsanspruch der Application Composition
Platform (ACP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 54
4.1.2 Aufbau der Application Composition Platform und
Anwendungsumgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.2 Prozessautomation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.2.1 Kennzeichnung der Prozessautomation . . . . . . . . . . . . . . 60
4.2.2 Beispiele zur Prozessautomation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.3 Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.3.1 Mapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.3.2 API und API-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.3.3 Monitoring des Integrationsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.3.4 Anwendungsfall Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.4 Low-Code Development . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.4.1 Lösung für den Digitalisierungsstau . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.4.2 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4.4.3 Typische Low-Code-Anwendungen und Erweiterungen . . . . 78
4.4.4 Anwendungsfall Low-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.5 Composition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5 Development . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
5.1 Entwicklung der Packed Business Capabilities . . . . . . . . . . . . . . . 86
5.2 Modellgestütztes Customizing von Standard-Unternehmenssoftware . 89
5.3 Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
5.4 Schulung der Anwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Inhaltsverzeichnis XV

6 Execution und Operational Performance Support (Case Management) . 93


6.1 Vom Soll-Prozessmodell zu Prozessinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . 94
6.2 Prozessplanung und -steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
6.3 Process Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.4 Complex Event Processing (CEP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.5 Predictive Performance Support . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
6.6 Real-Time-Lernhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

7 Insight durch Process Mining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107


7.1 Mining auf der Basis von Logdateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.1.1 Aufbau der Logdatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
7.1.2 Auswertungen der Logdatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.1.3 Generierung des Ist-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
7.1.4 Vergleich Logdatei mit Prozessmodell . . . . . . . . . . . . . . 114
7.1.5 Vergleich generiertes Ist- mit Soll-Modell und Enhancement . 116
7.2 Task Mining und Desktop Activity Mining . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

8 Von Insight to Action: Robotic Process Automation . . . . . . . . . . . . . . 123


8.1 Organisatorische Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
8.2 Anpassung des Produktionsprogramms durch Kombination
von Process und Product Mining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
8.3 Robotic Process Automation (RPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
8.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
8.3.2 Anwendungsbeispiele und -gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . 130
8.3.3 Intelligentes oder kognitives RPA . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
8.3.4 Einbettung von RPA in das Composable Enterprise . . . . . . 135
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

9 Innovationstreiber für das Composable Enterprise . . . . . . . . . . . . . . 139


9.1 Wirtschaftliche Innovationstreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
9.1.1 Personalisierung/Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 140
9.1.2 Selbststeuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
9.1.3 Grenzkostenarme Produkte und Dienstleistungen . . . . . . . . 143
9.1.4 Smart Services . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
9.1.5 Community-/Schwarm-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
9.1.6 Lean Organization und exponentielles Wachstum . . . . . . . . 146
9.1.7 Plattformunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
9.2 Informationstechnische Innovationstreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
9.2.1 Künstliche Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
XVI Inhaltsverzeichnis

9.2.2 Blockchain-basierte Innovationen (von der Blockchain-


Architektur zum Web3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
9.2.3 Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
9.3 Gesellschaftliche und politische Innovationstreiber . . . . . . . . . . . . 168
9.3.1 New Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.3.2 Bewältigung des Klimawandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

10 Digitale Branchenkonzepte für das Composable Enterprise . . . . . . . . . 173


10.1 Die composable Industrieunternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
10.1.1 Verbindungen zwischen der composable
Industrieunternehmung und Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . 174
10.1.2 Architektur der composable Industrieunternehmung
(Y-Modell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
10.1.3 Fabriksteuerung („Smart Factory“) . . . . . . . . . . . . . . . . 184
10.1.4 Product Lifecycle Management (PLM) . . . . . . . . . . . . . . 187
10.1.5 Smart Logistic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
10.1.6 CATENA-X und MANUFACTURING-X: Strategische
Zukunftsprojekte für die Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
10.1.7 Vorgehensweisen zur Einführung des composable
Industrieunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
10.1.8 Roadmap zur composable Industrieunternehmung . . . . . . . 200
10.2 Das Composable-Consulting-Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
10.2.1 Personalisierung/Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 206
10.2.2 Selbststeuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
10.2.3 Grenzkostenlose Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
10.2.4 Smart Services . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
10.2.5 Community-/Schwarm-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
10.2.6 Lean Organization und exponentielles Wachstum . . . . . . . . 209
10.2.7 Künstliche Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
10.2.8 Consulting-Plattformunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
10.2.9 Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
10.2.10 New-Work-Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
10.3 Die composable Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
10.3.1 Studierendenzentrierte Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . 217
10.3.2 Forschung in der composable Universität . . . . . . . . . . . . . 227
10.3.3 Zentrale Dienste als Shared Services in der composable
Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
10.3.4 Strategieentwicklung für die composable Hochschule . . . . . 235
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Literatur (Gesamt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239


Das Composable Enterprise als neues Paradigma
1

Zusammenfassung
Der Begriff Composable Enterprise ist von der Analysten-Organisation Gartner einge-
führt worden und bezeichnet ein Unternehmen, das aufgrund seiner Informationssysteme
agil, flexibel und innovationsfreudig ist. Die Komponenten des Informationssystems wie
Packaged Business Capabilities und Application Composition Platform, die den Para-
digmenwechsel von einer monolithischen Architektur zu der des Composable Enterprise
begründen, werden vorgestellt. Gleichzeitig wird das Erfordernis für eine dezentral-pro-
zessorientierte Organisationsstruktur begründet.
In dem grafischen Lifecycle-Konzept der Abb. 1.11 wird der Innovationsprozess des
Composable Enterprises mit den Stufen Innovationsidee, Prozessdefinition, Plattform-
architektur, Entwicklung, Ausführung, Prozessanalyse bis zur Prozessverbesserung be-
schrieben. Die 8 Stufen bilden den Leitgedanken für die Kap. 1–8 des Buches. Die gra-
fische Darstellung des Lifecycles der Abb. 1.11 mit seiner Beschreibung sind gleichzeitig
eine Kurzfassung dieser 8 Kapitel. Die in der Abb. 1.11 verwendeten grafischen Dar-
stellungen der einzelnen Phasen werden bei den Zusammenfassungen jedes Kapitels zur
Orientierung wiederholt.
Die Abb. 1.1 demonstriert die erste Phase des Lifecycles als Unternehmensanalyse und
gleichzeitig den Inhalt dieses ersten Kapitels.

Abb. 1.1 Unternehmensanalyse. (Quelle: Adobe Stock, PureSolution)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 1
A.-W. Scheer, Composable Enterprise: agil, flexibel, innovativ,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42483-1_1
2 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

1.1 Gründe für einen Paradigmenwechsel

Die Situation der Informationsverarbeitung vieler Unternehmen kann durch folgende Ei-
genschaften beschrieben werden:

 Um einer stärkeren organisatorischen Zentralisierung nachzukommen, sind monolithi-


sche zentrale ERP-Systeme im Einsatz, die möglichst einheitlich für alle Unterneh-
mensgliederungen eingesetzt werden.
 Spezialanwendungen werden notdürftig durch komplexe Punkt zu Punkt-Verbindungen
mit den ERP-Anwendungen integriert.
 Die Unternehmenssoftware ist schwerfällig und für Entwicklungen neuer Anforderun-
gen und innovativer Anwendungen nicht aufgeschlossen.
 Der IT-Fachkräftemangel begrenzt dringend erforderliche Erweiterungen.
 Die IT-Architektur ist häufig nicht transparent; es fehlen aktuelle Dokumentationen.
 An Altsysteme, die mit Programmiersprachen wie Cobol entwickelt wurden, traut man
sich wegen fehlender Dokumentationen und fehlendem technischen Wissen kaum mehr
heran, um notwendige Änderungen vorzunehmen.
 Von Softwareanbietern erzwungene Umstellungen auf neue Infrastrukturen wie Daten-
banken oder Cloud binden erhebliche Ressourcen.
 Die IT wird eher zur Bremse als zum Treiber einer strategischen Weiterentwicklung
des Unternehmens. Chancen durch Einsatz von Techniken wie KI oder Blockchain für
neue Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse können aus Kapazitäts- und Kompe-
tenzgründen nicht genutzt werden.

Diese Situation trifft auf die Herausforderungen an Unternehmungen durch Pande-


mie, Krieg in Europa, Lieferengpässe, Energiekrise, Umweltschutz, Klimawandel, neue
staatliche Vorschriften usw., die eine schnelle Anpassung von Unternehmen an geänderte
Situationen erfordern.
Gleichzeitig entstehen neue Unternehmen, die, ohne Rücksicht auf gewachsene Struk-
turen nehmen zu müssen, die Vorteile neuer Informationstechniken für digitale Geschäfts-
modelle nutzen und bestehende Unternehmen bedrohen.
Um sich aus diesen Engpässen zu befreien, genügt es nicht, einzelne Reparaturen aus-
zuführen, sondern es bedarf einer Strategie, die beschreibt, auf welches Ziel sich das
Unternehmen mit seiner Informationsverarbeitung entwickeln soll. Anschließend erfor-
dert es eine praktikable Umsetzung durch Kenntnis der technischen Möglichkeiten und
durch eine starke unternehmerische Führung.
Es bestehen zahlreiche strategische Konzepte zur Ausrichtung von Unternehmen. Die
sie kennzeichnenden Attribute reichen von modular, lean, fraktal, virtuell bis zu dem Zu-
satz „4.0“. Die Konzepte richten dabei jeweils ihr Vergrößerungsglas auf eine vermeintlich
neu entdeckte oder besonders wichtige Herausforderung und stellen sie in den Mittel-
punkt.
1.1 Gründe für einen Paradigmenwechsel 3

Bei der „Unternehmung 4.0“ war in den vorhergehenden Auflagen die generelle Be-
tonung der Digitalisierung das Leitmotiv. Es wurden Einflüsse der Informationstechnik
auf neue Businessmodelle untersucht und neue Techniken zur Automatisierung von Ge-
schäftsprozessen vorgestellt. Dabei fehlte aber eine klare Definition des Zielsystems, auf
die alle Maßnahmen ausgerichtet werden sollen. Denn Digitalisierung ist kein Selbst-
zweck, sondern muss ihren Nutzen nachweisen. Ein Digitalisierungsprojekt, bei dem le-
diglich die bestehenden Geschäftsprozesse eins zu eins in eine neue Technologie überführt
werden, z. B. von einem Inhouse-System in eine Public Cloud Lösung, endet sonst häufig
mit dem Ergebnis: „Projekt in Time, in Budget, in Quality beendet – aber NO Benefit für
das Unternehmen“.
Dieser Situation muss sich die Digitalisierungsstrategie im Unternehmen stellen und
ihren Beitrag zur Unternehmenstransformation leisten. Dieses erfordert einen Paradig-
menwechsel für Ziel, Architektur und Anwendungen der Informationsverarbeitung.

1.1.1 Anforderungen an Agilität, Flexibilität, Innovationsfreude

Der Nutzen der Digitalisierung liegt nicht allein in dem Einsatz einer neuen Technik, son-
dern in organisatorischen Änderungen und neuen Geschäftsmodellen, die von ihr inspiriert
werden und sich in Kostenreduktionen und/oder Umsatzsteigungen auszahlen.
Diese monetären Effekte beruhen auf Eigenschaften, die ein Unternehmen befähigen,
schnell neue Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.
Solche Eigenschaften sind vor allem Agilität, Flexibilität sowie Innovationsfreude. Ihre
Forderung ist nicht neu, sie bekommt aber eine zunehmende Bedeutung im Wettbewerb.
Agilität bezeichnet die Eigenschaft, rege zu sein, neue Wege frei von Angst zu be-
schreiten und ist damit eine aktive, suchende Vorgehensweise, die auch als Discovery
bezeichnet wird.
Flexibilität bezeichnet eine anpassungsfähige, also schnell adaptierende und reagieren-
de Haltung. Beide Eigenschaften sind erforderlich, um innovationsfreudig zu sein, also
offen und suchend nach neuen Ideen zu sein und sie umsetzen zu wollen.
Dazu muss das Unternehmen wenig komplex sein, da Komplexität den genannten
Eigenschaften entgegensteht. Monolithische Unternehmen mit einer Vielzahl ineinander
verwobenen Untergliederungen und Prozessen unter zentraler Führung sind komplex. De-
zentrale, unternehmerisch und autonom arbeitende modulare Einheiten mit lockerer Kopp-
lung unterstützen dagegen die Anforderungen an Einfachheit.
Der häufig verwendete Begriff Resilienz, der die Widerstandsfähigkeit gegenüber An-
griffen von außen zum Ausdruck bringt, fügt eine weitere Eigenschaft hinzu.
4 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

1.1.2 Der Begriff Composable Enterprise

Das Konzept des „Composable Enterprise“ erfüllt die Forderungen nach Agilität, Flexibi-
lität, Innovationsfreudigkeit, geringer Komplexität und Resilienz. Die Eigenschaft „com-
posable“ wird am besten mit „zusammensetzbar“, „montierbar“, „kombinierbar“ oder
eben „komponierbar“ übersetzt.
Der Begriff Composable Enterprise wurde zuerst von der internationalen Analystenor-
ganisation Gartner um das Jahr 2020 in mehreren Forschungsbeiträgen eingebracht und
erfreut sich zunehmender Beachtung auch in der Praxis.
Die Gartner Group definiert das Composable Enterprise wie folgt:

„A composable enterprise is an organization that can innovate and adapt to changing business
needs through the assembly and combination of packaged business capabilities“ (Gartner,
2021).

Dieser Definition wird sich im Folgenden weitgehend angeschlossen.

1.1.3 Wesentliche Komponenten der Informationssysteme


des Composable Enterprise

Zur Umsetzung der Eigenschaften des Composable Enterprise dienen vornehmlich seine
Informationssysteme. Deren Architektur wird von Gartner durch die Abb. 1.2 beschrieben.
Innerhalb des großen Fünfecks wird die technische Architektur für die Anwendungs-
inhalte angedeutet. Die Begriffe am Außenkranz bezeichnen die Sicht des Anwenders auf
die Systeme und die Unternehmensumgebung.
Obwohl die Abbildung auf den ersten Blick einfach aussieht, enthält sie wesentliche
Aussagen, die Anregungen für die weiteren Ausführungen dieses Buches geben. Dieses

Abb. 1.2 Composable Busi-


ness Architecture. (Quelle:
Gaughan et al. 2020, S. 4)
1.1 Gründe für einen Paradigmenwechsel 5

gilt insbesondere für die Einführung der Definition von Packaged Business Capabilities
(PBCs) und die Betonung der Bedeutung einer Plattformarchitektur.
Das Business Ecosystem beschreibt das wirtschaftliche Umfeld des Unternehmens, das
Anforderungen an Flexibilität und Agilität bestimmt, aber auch Chancen für Innovationen
des Unternehmens bietet.
Mit der umfassenden Ausgestaltung der Grundidee des Composable Enterprise wird in
dieser Arbeit aber gegenüber dem Gartner Modell ein eigenständiger Weg verfolgt.

1.1.3.1 Packaged Business Capability (PBC)


Innerhalb des großen Fünfecks der Abb. 1.2 sind die Business Capability (PBC) als Sechs-
ecke dargestellt. Eine PBC ist eine in sich geschlossene (betriebswirtschaftliche) Anwen-
dungsfunktion oder Geschäftsprozesseinheit, die aus feineren Anwendungseinheiten oder
Services zusammengefügt (packaged) ist. Damit wird einem Modulierungskonzept für
Anwendungen gefolgt.
Die bisher veröffentlichen Ausführungen in der Literatur von Gartner lassen noch
Spielraum für Interpretationen der PBCs. Trotzdem können einige Eigenschaften fest-
gehalten werden.
Eine PBC ist demnach eine gekapselte (autarke) Softwarekomponente mit ihren inter-
nen Services. Ein Service ist in Abb. 1.2 als Kreis mit Verbindungen zu den anderen Ser-
vices der PBC dargestellt. Die Verbindungen werden durch den internen Prozess, genauer
durch dessen Kontrollstruktur, begründet. PBCs können zu komplexeren PBCs zusam-
mengesetzt werden.
Die PBCs werden zu Anwendungen (Business Applications) komponiert oder orches-
triert. Die Verbindungen zwischen den PBCs werden inhaltlich über die Kontrollflüsse der
Geschäftsprozesse definiert und durch die benötigten Daten und Dienste spezifiziert. Die
technische Integration wird über Schnittstellen wie APIs (Application Program Interface)
oder Ereignissteuerung (Events) geregelt.
Bei der Anwendung von APIs stellt eine PBC einen (Software-)Dienst bereit, über
den eine andere PBC auf Daten und Funktionen des PBC zugreifen kann. Bei einer Er-
eignissteuerung (Event Driven Architecture EDA) meldet eine PBC Ereignisse, z. B. die
Ankunft eines neuen Kundenauftrags in einem elektronischen Briefkasten, und die die
Aufträge weiterverarbeitenden PBCs reagieren darauf. Beide Verfahren führen zu einer
losen Kopplung der PBCs und damit zu einer höheren Flexibilität, da PBCs unabhängig
voneinander weiterentwickelt, ausgetauscht oder angekoppelt werden können.

1.1.3.2 Application Composition Platform


Die von Gartner in Abb. 1.2 bezeichnete „Digital Business Technology Platform“ wird
in dieser Arbeit mit dem Begriff „Application Composition Platform“ belegt. Damit wird
einerseits der grundsätzliche Bezug zum Gartner-Modell angedeutet, andererseits die ei-
genständige Interpretation und Ausgestaltung betont.
Die Application Composition Platform ist ein Herzstück der Architektur des Com-
posable Enterprise. Hier soll zunächst mit der Abb. 1.3 ein erster Eindruck von ihrer
6 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Abb. 1.3 Application Composition Platform. (Quelle: Adobe Stock, PureSolution)

Funktionalität vermittelt werden. Die Architektur wird im Kap. 4 ausführlich entwickelt


und vertieft.
Die Plattform enthält die Tools, mit denen die Business Capabilities entwickelt werden
und ist damit die Umgebung des Entwicklers. Sie unterstützt, dass das Composable En-
terprise in hohem Maße Anwendungssoftware selbst entwickelt, um innovative Ideen, für
die keine Standardlösungen bereitstehen, umsetzen zu können.
Auf der Plattform werden anschließend die einzelnen Business Capabilities zu An-
wendungen komponiert oder montiert. Gleichzeitig werden sie auch mit vorhandenen
Altsystemen, z. B. ERP-Systemen, und dem Business Ecosystem aus Systemen von Kun-
den, Lieferanten und Partnern verbunden.
Die Plattform führt die Software auf einer Cloud-Infrastruktur aus. Neue Anwendun-
gen werden in einer Cloud-Umgebung entwickelt und ausgeführt. Die Clouddienste wer-
den über das Internet, mobil und IoT bereitgestellt.
Mit Experience werden die Erfahrungen und das Erleben des Benutzers mit dem An-
wendungssystem bezeichnet. Diese Schnittstelle betrifft insbesondere das User Interface
eines Systems.
Es bestimmt, ob es ihn motiviert, mit der Anwendung zu arbeiten oder ihn eher ab-
schreckt.
Erfahrungsgemäß ändern sich die Anforderungen für das Interface häufig, so dass Mit-
arbeiter der Fachabteilung diese selbstständig anpassen möchten. Zur Entwicklung der
Experience stellt die Plattform Low-Code-Entwicklungswerkzeuge bereit, die auch für
Mitarbeiter der Fachabteilung geeignet sind.
1.2 Organisationsstrukturen des „Composable Enterprise“ 7

Zur Entwicklung der PBCs und ihre Komposition zu Anwendungen wird das Prozess-
wissen benötigt, das in Form von Prozessmodellen bereitgestellt wird.

1.2 Organisationsstrukturen des „Composable Enterprise“

Das Composable Enterprise ist ein Konzept, mit dem die Aufgaben einer Unternehmung
möglichst einfach und schnell auf allen Ebenen aus modularen unternehmerischen Fä-
higkeiten zusammengesetzt, verbessert und innoviert werden können. Es reicht von der
Unternehmensstrategie über die organisatorische Gestaltung bis zur IT-Ausführung.
Bei den Darstellungen von Gartner werden lediglich allgemeine Ratschläge zur Ent-
wicklung einer Unternehmensstrategie für das Composable Enterprise gegeben. Von die-
sen wird in einem großen inhaltlichen Schritt zur Informationstechnik gewechselt. Hin-
weise auf konkrete organisatorische Strukturen des composable Unternehmens fehlen aber
bisher.
Ein neues Informationssystem nutzt aber wenig, wenn es nicht zur Organisationsstruk-
tur passt. Bei einer starren Unternehmensstruktur gehen dann Agilität und Flexibilität des
Informationssystems durch Diskussionen über Zuständigkeiten und Abstimmungsrunden
zwischen verschiedenen Organisationseinheiten verloren. Deshalb ist der Zusammenhang
zur zweckmäßigen organisatorischen Strukturierung des Composable Enterprise wesent-
lich. Kenntnisse über organisatorische Kriterien und Begründungen liefern dem für die
Informationssysteme zuständigen CIO (Chief Information Officer) in strategischen Dis-
kussionen überzeugende Argumente für das Composable Enterprise.

1.2.1 Organisationsstrukturen

Grundsätze der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre sind bei der Gestaltung des


Composable Enterprise hilfreich. Dabei sind die organisatorischen Gegensatzpaare „funk-
tional gegenüber objektorientiert“, „zentral gegenüber dezentral“ und „Ressourcenopti-
mierung gegenüber Prozessoptimierung“ von Bedeutung. Für eine konkrete Organisa-
tionsstruktur müssen Vor- und Nachteile dieser Gestaltungsalternativen gegeneinander
abgewogen werden.
Eine generell „beste“ Organisationsstruktur für Unternehmen gibt es nicht, weil die
Gewichtung der Vor- und Nachteile von der Zielsetzung und Situation des Unterneh-
mens abhängt. Da die Zielsetzung des Composable Enterprise mit den Eigenschaften agil,
flexibel und innovativ beschrieben ist, können daraus Tendenzen für die passende Organi-
sationsstruktur abgeleitet werden.
Im Folgenden werden einige Beispiele für Organisationsstrukturen angeführt und eine
Tendenz für das Composable Enterprise gegeben.
8 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Bei einer funktionalen Organisation richtet sich die Aufbauorganisation an den Kern-
funktionen des Unternehmens aus, bei einer objektbezogenen Organisation nach den zu
bearbeitenden Produktgruppen und Absatzgebieten.
Bei einer zentralen Organisation sind alle gestalterischen Funktionen und Entschei-
dungskompetenzen in einer Zentrale gebündelt. Nachgelagerte Einheiten haben lediglich
ausführende Tätigkeiten. Bei einer dezentralen Organisation besitzen produkt- oder ge-
bietsbezogene Einheiten eigene Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnisse.
Bei einer Ressourcenoptimierung richtet sich der Prozessfluss nach den Ressourcen,
um diese hoch auszulasten. Bei einer Prozessorganisation werden die Ressourcen nach
den Arbeitsschritten des Prozesses angeordnet, um kurze Durchlaufzeiten zu erzielen.
In Abb. 1.4 ist eine funktionale, zentrale und ressourcenoptimierende Organisations-
struktur abgebildet.
Alle Aufträge durchlaufen die zentralen Funktionen Vertrieb, Logistik (Einkauf), Leis-
tungserstellung (Produktion) bis zur buchhalterischen Erfassung und Zahlung des Kunden.
Dieser häufig verwendete anschauliche Prozess vom Auftragseingang bis zur Bezahlung
wird auch als „order to cash“ bezeichnet. Zwei Abläufe für Ausprägungen zweier Pro-
duktgruppen A und B sind in Abb. 1.4 angegeben und zeigen gegenseitige Blockaden und
Rücksprünge.
Die funktionalen Einheiten sind für alle Produktgruppen zuständig. Dadurch können
ihre Kapazitäten bei Auftragsschwankungen einzelner Produktgruppen gut ausbalanciert
werden. Da alle Funktionen zentral angesiedelt sind, ist sichergestellt, dass alle gleichar-
tigen Tätigkeiten bei den Produktgruppen auch in gleicher Weise durchgeführt werden.
Diese Organisation besitzt allerdings erhebliche Nachteile. Wegen der gegenseitigen
Behinderung heterogener Aufträge bei den gleichen Ressourcen entstehen lange Durch-
laufzeiten. Sie erfordert wegen der Komplexität einen hohen Koordinationsbedarf. Sie

Abb. 1.4 Funktionale, zentrale, ressourcenoptimierende Organisation. Lange Durchlaufzeiten, ho-


her Koordinationsbedarf, fehlende Prozessverantwortung, geringe Flexibilität
1.2 Organisationsstrukturen des „Composable Enterprise“ 9

besitzt geringe Kundennähe, geringe Flexibilität bei Änderungswünschen sowie geringe


Agilität wegen des organisatorischen Beharrungsvermögens zentraler Einrichtungen. Die-
se Organisationsform ist deshalb für das Composable Enterprise nicht geeignet.
Ohne auf alle möglichen Organisationsvarianten einzugehen, wird in Abb. 1.5 und 1.6
eine Organisationsstruktur vorgestellt, die den Kriterien des Composable Enterprise folgt.
Um agil und flexibel zu sein, ist das Unternehmen in eigenständige modulare Einheiten
gegliedert.
Zur modularen Gestaltung können Kriterien wie Produkt-, Markt- oder Serviceorien-
tierung, Technologien oder eigenständige Kosten-/Ergebnisverantwortung herangezogen
werden (vgl. Wildemann, 1998, S. 48; Wildemann, o.J., S. 2).
In Abb. 1.5 sind Einheiten für Produktgruppen gebildet. Den Process Ownern sind
jeweils ihre Prozesse und unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten zugewiesen.

Abb. 1.5 Objektbezogene, dezentrale (modulare) Prozessorganisation mit zentralen Diensten zur
Ressourcenoptimierung

Abb. 1.6 Prozessorganisation


mit fraktaler Wiederholung
10 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Die Module bilden damit weitgehende autarke „Unternehmen“ innerhalb des Gesamt-
unternehmens mit eigener Leitungsinstanz des Process Owners.
Die Einheiten können schneller auf Kundenwünsche eingehen oder neue Produktinno-
vationen an den Markt bringen. Gleichzeitig sind die jeweiligen Prozesse auf homogenere
Objekte bezogen und damit gegenüber dem Gesamtprozess über alle Produktgruppen und
Gebiete hinweg wesentlich weniger komplex. Dieses Prinzip der Vereinfachung durch
Segmentierung wird auch in anderen Zusammenhängen in diesem Buch eine große Rolle
spielen.
Aus verhaltensökonomischen Erkenntnissen kommt hinzu, dass die Mitarbeiter wegen
der höheren Autonomie, ihrer stärkeren kommunikativen Einbeziehung und leichteren
Rückkopplung zu ihrem Arbeitsergebnis stärker motiviert sind. Sie identifizieren sich
mehr mit ihrer Arbeit, sehen ihren Sinn (purpose) und entfalten Einfallsreichtum und
Kreativität (Wildemann, 1998, S. 37 ff.).
Diese Argumente spielen im Zeichen des Fachkräftemangels und der geänderten Ar-
beitseinstellungen der Y-Z-Generationen eine große Rolle.
Mit dem Konzept „Zentrale Dienste“ werden in Abb. 1.5 für übergreifende Funktionen
die Ressourcenoptimierung durch Nutzung von Synergien bei gleichartigen Vorgängen
unterstützt. Dies bedeutet, dass zentral zur Verfügung gestellte Ressourcen von mehreren
modularen Einheiten genutzt werden können, ohne dass deren operative Prozesse darunter
leiden. Dieses gilt häufig für die mehr kaufmännischen Funktionen wie Einkauf, Perso-
nalabrechnung oder Rechnungswesen. Bei zentraler Bearbeitung kann z. B. die stärkere
Marktmacht bei Preisverhandlungen mit Lieferanten genutzt werden.
Diese Mischung zwischen dezentralen Modulen und zentralen Diensten kann sich
in einem Unternehmen auf unterschiedlichen Organisationsebenen wiederholen. Dieses
wird in Abb. 1.6 gezeigt. Zunächst ist die klassische Darstellung des Organigramms
der Abb. 1.5 durch eine Netzwerk-Darstellung aufgelöst. Hierdurch soll anstelle der
Hierarchie der Servicegedanke der Unternehmenszentrale stärker betont werden.
Um die Geschäftsführung mit den zentralen Diensten sind die dezentralen Module
gleichberechtigt angeordnet.
Die Module nutzen die zentralen Dienste und entwickeln eigene wertschöpfende Pro-
zesse.
Dieses Netzwerkmodell kann sich in den Organisationsmodulen fraktal, also selbst-
ähnlich, wiederholen. Innerhalb der Module werden dazu wiederum selbstständige Or-
ganisationseinheiten gebildet, die dem gleichen Prinzip von zentralen und dezentralen
Funktionen folgen, wie dieses in Abb. 1.6 gezeigt ist.
Dieses kann sich bis auf die Ebene des Arbeitsplatzes fortsetzen, indem jeweils zentra-
le Prozesse definiert sind, gleichzeitig aber auch individuelle Prozesse gestaltet werden.
Dieses Wiederholungsprinzip der Selbstähnlichkeit wurde von Warnecke bereits 1992 in
seinem Buch „Die fraktale Fabrik“ (Warnecke, 1992) herausgestellt und wird in dieser
Arbeit häufig angewendet. Obwohl es für die Fabrikorganisation entwickelt worden ist, ist
es eine gute Leitlinie für die Gestaltung des Composable Enterprise.
1.2 Organisationsstrukturen des „Composable Enterprise“ 11

1.2.2 Umsetzung der Organisationsstruktur in die


Anwendungsarchitektur

Eine zentrale Funktionsstruktur wie die der Abb. 1.4 neigt zu einem zentralen monolithi-
schen Anwendungssystem für alle Produktgruppen und Marktgebiete. Änderungen in den
Anwendungssystemen müssen dann mit den Anforderungen aller Produktgruppen und
Gebiete abgestimmt werden. Dieses zeigt die Abhängigkeit zwischen Organisations- und
Anwendungsstruktur.
Die Organisationsstruktur des Composable Enterprise der Abb. 1.5, 1.6 mit stärkerer
Agilität und Flexibilität erfordert deshalb auch eine flexiblere Anwendungsarchitektur des
IT-Systems.
Die Beziehung zwischen den PBCs und einer IT-Anwendung ist vom Typ n:m (vgl.
Abb. 1.7). Das bedeutet, dass eine Anwendung aus mehreren PBCs bestehen kann und
eine PBC in mehreren Anwendungen verwendet werden kann. Eine Anwendung kann
einen gesamten organisatorischen (betriebswirtschaftlichen) Prozess abbilden oder in ei-
nem Prozess werden mehrere Anwendungen aufgerufen. Auch die Beziehung zwischen
Anwendung und Prozess ist somit vom Typ n:m.
Die Verbindung zwischen Anwendungen zu einem Prozess wird durch das betriebs-
wirtschaftliche Prozesswissen in Form von Prozessmodellen hergestellt. Alle technischen
Verbindungen zwischen PBCs und Anwendungen werden durch API- und/oder EDA-
Technologie über die Integrationsfunktion der Application Composition Platform reali-
siert. Diese Schnittstellen werden in dieser Arbeit durch die fett schwarz ausgezogenen
Kanten dargestellt.

Abb. 1.7 n:m-Beziehungen


zwischen PBCs, Anwendungen
und Prozessen
12 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Abb. 1.8 zeigt eine mögliche Anwendungsarchitektur für die Organisationsstruktur der
Abb. 1.5.
Die Anwendungen der Organisationseinheit „Zentrale Dienste“ werden durch die
Shared Services abgebildet, auf die alle Anwendungen der dezentralen Einheiten über die
Plattform zugreifen.
Alle Komponenten sind auf der gleichen Hierarchieebene angeordnet. Dies gilt im
Prinzip auch für die Shared Services, die in Abb. 1.7 lediglich zur Annäherung an die
Zentralen Dienste in das Zentrum gezeichnet sind.
Elementare Bausteine für Anwendungen sind die PBCs, die die fachlichen Inhalte für
eine Aufgabe als autonome Softwarekomponenten enthalten und sich durch API- und/oder
EDA-Schnittstellen nach außen öffnen. Sie stellen die Bausteine der Anwendungen dar
und sind über die Plattform verfügbar. Sie sind in Abb. 1.8 durch einen Fächer darge-
stellt.
Die PBCs werden entsprechend dem Bauplan eines Prozessmodells über die Compo-
sition-Funktion der Plattform zu Anwendungen zusammengefügt oder komponiert. Die-
ses ist lediglich bei der Anwendung 1 durch drei PBCs grafisch angedeutet. Auch wird

Abb. 1.8 Mögliche Anwendungsarchitektur des Composable Enterprise aus Abb. 1.4
1.2 Organisationsstrukturen des „Composable Enterprise“ 13

das User Interface als Grundlage der User Experience der Anwendung hinzugefügt. Die
Anwendungen sind entweder bereits Geschäftsprozesse oder werden organisatorisch zu
übergreifenden Geschäftsprozessen gebündelt. Die Bündelung wird in Abb. 1.8 durch ro-
te Umrandung dargestellt. Die Umrandung der Anwendungen mit den Shared Services zu
Prozessen wird aus Gründen der Übersichtlichkeit fortgelassen; sie ist in der Regel bei
allen Prozessen gegeben und wird über die Plattform technisch realisiert.
Für die Produktgruppe A ist in Abb. 1.8 lediglich ein einziger Geschäftsprozess defi-
niert, der aus zwei Anwendungen besteht, die aus den PBCs komponiert werden.
Für die Produktgruppe B sind zwei Geschäftsprozesse definiert, die jeweils aus einer
für die Gruppe B zentralen und einer individuellen Anwendung bestehen. Die zentra-
le Anwendung ist dann ein Shared Service für die Produktgruppe B. Damit wird die
Wiederholung von zentralen und dezentralen Funktionen bei den weiterführenden Orga-
nisationseinheiten herausgestellt.
Durch die API- und EDA-Schnittstellen und die Plattform können PBCs neu verbun-
den, ersetzt, entfernt oder eingefügt werden, so dass die dezentralen Prozesse schnell
geändert werden können. Die Schnittstellen werden durch die stark ausgezogenen schwar-
zen Umrandungen gekennzeichnet.
In Abb. 1.9 ist der Bezug zu dem Beispiel fortgelassen und die prinzipielle Anwen-
dungslogik dargestellt. Sie zeigt, wie sich die dezentralen Anwendungen um die zentralen
Shared Services ranken. Die Shared Services repräsentieren dabei häufig die klassischen
Funktionen von ERP-Systemen.

Abb. 1.9 Allgemeine Anwendungsarchitektur. (Quelle: Adobe Stock, PureSolution)


14 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Die dezentralen Anwendungen werden durch die Plattform aus den PBCs und dem
Prozesswissen gebildet.
Eine dezentrale Anwendung kann auf der Ebene eines organisatorischen Prozessmo-
duls als quasi eigener „Shared Service“ zentral eingesetzt werden, um die sich dann
wiederum individuelle Anwendungen ranken. Damit wird der Ansatz einer fraktalen Or-
ganisation betont. Dieses ist in Abb. 1.9 angedeutet.
Die Sicht des Benutzers ist auf die Prozesse und Anwendungen gerichtet. Die PBCs
sind technische Bausteine und bleiben ihm verborgen. Die Infrastruktur wird durch die
Cloud dargestellt, die alle Elemente über die Plattform miteinander verbindet.
Auch externe Anwendungen von Kunden, Lieferanten oder Partnern verbinden sich
über das Internet mit dem Cloud-basierten Informationssystem und greifen über das API-
Management auf Daten und Dienste des Unternehmens zu.
Die Einführung des Composable Enterprise ist ein mehrjähriges Projekt, da bei ei-
nem bestehenden Unternehmen nicht gleichzeitig alle Systeme ersetzt werden können.
Trotzdem kann in neu eingeführten organisatorischen Prozesseinheiten oder in besonders
dringend nach mehr Flexibilität verlangenden Bereichen sofort begonnen werden. Hier ist
dann die Integrationsmöglichkeit zu bestehenden Altsystemen der Shared Services über
die Plattform besonders wichtig.
Der Gedankengang von einer agilen, flexiblen und innovationsoffenen Unternehmens-
struktur über die Application Composition Platform als Enabler bis zu der composable
Anwendungsarchitektur wird in Abb. 1.10 zusammengefasst.

Abb. 1.10 Verbindung von Organisation, Plattform und Anwendungen. (Quelle: Adobe Stock, Pure-
Solution)
1.3 Der Composable Enterprise Lifecycle 15

1.3 Der Composable Enterprise Lifecycle

Nach der Begründung des Konzeptes des Composable Enterprise mit den Konsequenzen
für Organisation und Anwendungsarchitektur wird es mit einem Lifecycle-Konzept ver-
bunden. Das Lifecycle-Konzept reicht von der Entwicklung einer Innovationsidee über die
Prozessmodellierung und Enterprise Architecture, dem Aufbau der Application Compo-
sition Platform, der Anwendungsentwicklung, dem Operational Performance Support der
Ausführung, dem Process-Monitoring und -Mining bis zur kontinuierlichen Verbesserung
der Innovation und ihrer Anwendungssysteme.
Abb. 1.11 fasst die Phasen in einem Kreislaufbild zusammen.
Diesen Phasen wird nach Vorstellung des Lifecycles jeweils ein ausführliches Kapitel
gewidmet. Der Leser kann deshalb auch zunächst die Langfassungen der Kapitel lesen
und den Lifecycle-Abschnitt als Zusammenfassung nutzen.

1.3.1 Phase 1: Unternehmensanalyse

In der ersten Phase der Entwicklung zum Composable Enterprise wird der Bedarf für
grundsätzliche Veränderungen in Organisation, Businessmodellen und Informationssyste-
men analysiert. Anlass dafür geben globale politische Entwicklungen, Marktveränderun-
gen oder neue Ideen für Innovationen. Einige Beispiele wurden am Anfang des Kapitels
genannt. Die Unternehmensanalyse zeigt dann die Notwendigkeit, flexibler, agiler und in-
novationsfreudiger zu werden, also mit der Transformation zum Composable Enterprise
durch Dezentralisierung, PBCs, Plattformarchitektur und komponierbarer Anwendungs-
architektur zu beginnen.

1.3.2 Phase 2: Innovationsprozess

Die Ergebnisse der Unternehmensanalyse sowie die Entwicklungen der Informations-


technik verlangen von dem Composable Enterprise strategische Innovationen. Dieses ge-
schieht durch neue oder geänderte Businessmodelle und Geschäftsprozesse.
Businessmodelle beschreiben, durch welche Produkte und Dienstleistungen mit wel-
chen Ressourcen ein Unternehmen auf dem Markt erfolgreich sein will.
Geschäftsprozesse dienen dabei einmal zur operativen Umsetzung neuer Businessmo-
delle, können aber bei Dienstleistungen selbst auch Geschäftsmodelle darstellen.
Viele Innovationen, die digitale Unternehmen erfolgreich machen, beruhen auf dem
Outside-in-Denken. Bei dem Outside-in-Ansatz dominiert die Frage: „Wie wird die Er-
fahrung (Experience) des Kunden mit dem neuen Produkt sein und welche Wünsche und
Erwartungen hat er zusätzlich?“
16
1

Abb. 1.11 Composable Enterprise Lifecycle. (Quelle: Adobe Stock, PureSolution und Gorodenkoff)
Das Composable Enterprise als neues Paradigma
1.3 Der Composable Enterprise Lifecycle 17

Bei dem Inside-out-Vorgehen stehen dagegen die eigenen Erfahrungen und die eige-
nen Ideen und Fähigkeiten des Unternehmens im Vordergrund. Sie werden kontinuierlich
ergänzt und verfeinert. Sprunghafte Innovationen sind dann eher selten.
Das Outside-in-Denken fällt schwer, da man gewohnt ist, seine eigenen Ideen in den
Vordergrund zu stellen.
Viele Innovationen beruhen aber auf Änderungen der Beziehungen des Unternehmens
zu Partnern außerhalb des Unternehmens, also zu den Kunden, Lieferanten, Bewerbern
und Geschäftspartnern. Ihre Erfahrung mit dem Unternehmen, seinen Produkten und
Dienstleistungen bestimmen den Geschäftserfolg. Es ergeben sich Fragen wie: welche
Erlebnisse hat ein Kunde mit dem Produkt, besitzt er die Aufnahmefähigkeit für neue
Funktionen, die ihm angeboten werden? Welche Erfahrungen macht ein Lieferant mit
dem Unternehmen? Wie wird das Unternehmen für Bewerber attraktiver? Kann die Part-
nerschaft zu externen Stakeholdern verstärkt werden?
Das sind Fragen, durch deren Beantwortung neue Businessmodelle entstehen, wie be-
kannte digitale Unternehmen, wie z. B. Airbnb oder Uber, zeigen.
Airbnb ist nicht von einer bestehenden Hotelkette gegründet worden, sondern von Stu-
denten, die überlegt haben, welche Dienste ein Kunde zum Übernachten in einer fremden
Stadt bei einem begrenzten Budget benötigt: ein sauberes Zimmer mit einem akzeptablen
Service und einer überprüfbaren Qualität. Dieses muss dann nicht ein professionelles Ho-
tel sein, sondern kann auch ein Zimmer bei einer vertrauenswürdigen Privatperson sein.
Ein einfacher digitaler Suchvorgang verbindet dann Bedarf und Angebot und die Bewer-
tung der Services bietet die Vertrauensbasis.
Aus solchen Überlegungen, unterstützt durch Kreativitätstechniken wie „Design
Thinking“, können neue Businessmodelle entwickelt werden (Meinel & Krohn, 2022).
Der „Composable“-Gedanke bezieht sich dann auf Fragen, aus welchen eigen- oder
fremderstellten Geschäftsmodulen sich die Leistung zusammensetzen soll. Das Montieren
neuer Produkte oder Dienstleistungen aus bereits am Markt befindlichen Komponenten
kann die Innovationsgeschwindigkeit gegenüber einer reinen Eigenentwicklung erheblich
steigern. Dieses setzt voraus, dass die IT-Systeme der Geschäftsprozesse die Eingliede-
rung von Geschäftsmodulen unterstützen.
Je mehr „composable“ deshalb ein Unternehmen bei der Informationsverarbeitung ist,
umso mehr kann es flexibel agieren, indem z. B. neue Partner, Geschäftsteile oder Prozesse
hinzugenommen oder ausgetauscht werden.
Ergebnis der Überlegungen ist dann ein Businessplan für eine Innovation.

1.3.3 Phase 3: Composable Process und Enterprise Architecture

Anhand der strategischen Überlegungen werden die benötigten Geschäftsprozesse defi-


niert und in einer Architektur zusammengestellt. Diese enthalten noch keine IT-Begriffe,
sondern werden zunächst organisatorisch-inhaltlich beschrieben und gegliedert. Durch ei-
ne klare Strukturierung der Module wird dabei dem Composable-Gedanken gefolgt.
18 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Bei der Beschreibung der Geschäftsprozesse steht die Reihenfolge der Funktionen, in
der sie ausgeführt werden, im Vordergrund. Aber auch die verantwortlichen Organisati-
onseinheiten, die verwendeten Daten und erzeugten Leistungen oder Produkte gehören
zur Prozessbeschreibung. Zudem müssen die Prozesse in ein Rahmenkonzept, eine En-
terprise Architecture (EA), eingeordnet werden, um Überlappungen, Inkonsistenzen und
weiße Flecken der Prozesslandschaft zu entdecken.
Mit dem ARIS-Haus hat der Verfasser eine Enterprise Architecture (EA) und mit den
ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK) eine Modellierungssprache für Geschäftsprozes-
se entwickelt, die international eingesetzt werden. Die Sichten des ARIS-Hauses aus
Organisation, Daten, Funktionen, Produkten und Prozessen bilden den Rahmen der En-
terprise Architecture, um ein Unternehmen in seiner Struktur und seinen Tätigkeiten zu
beschreiben.
Für jede der Sichten werden halbformale grafische Beschreibungssprachen eingesetzt.
Auch die Methode BPMN zur Beschreibung von Geschäftsprozessen wird unterstützt.
EA-Konzepte werden bereits seit längerem angewendet, sind zwischenzeitlich etwas
zurückgenommen, werden aber aufgrund der Komplexität umfassender digitaler Transfor-
mationsprojekte wieder in den Fokus der unternehmensweiten Informationsverarbeitung
gerückt. Eine EA schafft Übersicht über vorhandene Systeme, beschreibt also die Aus-
gangssituation für eine digitale Transformation und verbindet sie mit dem Zielbild.
Es ist möglich, ein EA-Modell weitgehend aus generierten oder von Beratungsunter-
nehmen und Softwareanbietern bezogenen Prozessmodellen automatisch zu füllen, sodass
sein Erstellungs- und Pflegeaufwand reduziert werden.
Prozessmodelle bilden Unternehmensabläufe digital ab und können deshalb als digitale
Zwillinge (Digital Twins) des Unternehmens bezeichnet werden. Mit ihnen werden z. B.
die Auswirkungen alternativer Prozesse simuliert. Die Prozessmodelle können durch digi-
tale bildhafte Darstellungen, wie sie für Produkte und Fabriken bereits gebräuchlich sind,
ergänzt werden. Dieses führt perspektivisch zu dem Ansatz Metaverse. Hiermit wird eine
digitale Parallelwelt bezeichnet, die zwar z. Zt. mehr für konsumnahe Anwendungen dis-
kutiert und entwickelt wird, aber auch für die Unternehmenswelt sinnvoll ist. Simulation,
Virtual Reality, Augmented Reality und Avatare von Menschen verbinden dann virtuelle
mit realer Welt.

1.3.4 Phase 4: Application Composition Platform

Zur digitalen Umsetzung der Geschäftsprozesse des Composable Enterprise wird die Ap-
plication Composition Platform eingesetzt. Sie stellt Funktionen zur Prozessautomatisie-
rung, zur Integration, zur Entwicklung der PBCs und zu ihrer Komposition bereit.
Die Plattform ist die Entwicklungsumgebung des Entwicklers für die PBCs und die
Anwendungen. Eine PBC ist eine weitgehend autarke Programmeinheit, die auch als
Building Block, Modul oder Service bezeichnet werden kann. Die Autarkie bezieht sich
darauf, dass nur eine geringe Abhängigkeit zu Funktionen und Daten außerhalb der Ein-
1.3 Der Composable Enterprise Lifecycle 19

heit bestehen soll und eine eigene interne Datenverwaltung besteht. Dieses macht die
PBCs in ihrer Entwicklungsgeschwindigkeit voneinander unabhängig.
Aus den PBCs werden die Anwendungen zusammengestellt (komponiert). Die Anwen-
dungen werden weiter zu Prozessen gebündelt.
Die Anwendungen und Prozesse sind die Schnittstellen für den Benutzer, wobei diesem
die darunterliegenden technischen Funktionen der Plattform und die PCBs verborgen sind.
Zur Definition der Geschäftsprozesse ist in der Plattform ein Modellierungstool als
Designer installiert.
Workflow-Funktionalität der Plattform unterstützt die Ausrichtung auf eine Geschäfts-
prozessorganisation.
Eine zentrale Funktion der Plattform ist die Integration und Montage der PBCs zu
Anwendungen und Geschäftsprozessen.
Die Integration der PBCs sowie die Integration externer Komponenten wird über APIs
und/oder Event-Schnittstellen realisiert.
Eine konsequente API-Strategie unterstützt auch die Zerlegung bestehender monolithi-
scher Systeme in Building Blocks. Hersteller eher monolithischer Unternehmenssoftware
wie SAP planen, ihre Systeme auf einer Business Technology Platform aufzusetzen, so
dass eine Verbindung zwischen der Landschaft aus Alt- bzw. ERP-Systemen mit dem
Composable-Ansatz hergestellt wird.
Zur Softwareentwicklung stellt die Application Composition Platform neben Program-
miersprachen (Professional Coding, auch als Pro-Code bezeichnet) eine Low-Code-Um-
gebung mit einem Durchgriff auf eine Standardprogrammiersprache bereit. Mit Low-Code
werden einfach zu erlernende grafische Beschreibungssprachen bezeichnet, aus denen
automatisch ausführbarer Code generiert wird. Hierzu werden auf der Application Com-
position Platform eine grafische und formularorientierte Beschreibungssprache (z. B. als
Ausschnitt einer Modellierungssprache wie EPK oder BPMN) bereitgestellt. Mit Low-
Code können Mitarbeiter aus Fachabteilungen User Interfaces für die Experience eines
Systems und einfache Anwendungen entwickeln. Damit wird das Problem des IT-Fach-
kräftemangels gemildert.
Mit der Funktion Composition werden PBCs zu Anwendungen und Anwendungen zu
Prozessen zusammengestellt.
Weiterhin gehören Funktionen zum Monitoring der auszuführenden Prozessinstanzen
und Process Mining zum Standard einer Application Composition Platform. Schnittstellen
zu übergreifenden Analysefunktionen und KI-Algorithmen unterstützen eine intelligente
Prozessautomatisierung. Die Plattform als Cloud-Lösung beschleunigt leichtere Imple-
mentierung, leichteres Management und Ressourcenskalierung einer Anwendung. Die
Clouddienste werden über das Internet oder mobil angeboten.
Die beschriebenen Funktionen einer Application Composition Platform sollten in in-
tegrierter Form bereitgestellt werden. Dadurch ist sichergestellt, dass die Entwickler alle
Funktionen in der gleichen Umgebung zur Verfügung haben. Geschäftsprozesse werden
dann in der gleichen Methodik beschrieben wie Integrationsprozesse oder Entwicklungs-
20 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

prozesse von APIs. Dieses ist bei der „Scheer PAS Plattform“ des Unternehmens Scheer
PAS GmbH in Saarbrücken Leitlinie der Architektur.
Bei allen Schritten steht das Prinzip der Composability im Vordergrund; es muss also
gewährleistet sein, dass PBCs und damit Anwendungen bis Prozesse einfach hinzugefügt,
geändert oder entfernt werden können.
In einem Softwarecontainer werden alle von der Anwendung benötigten Hilfen wie
Betriebssystemfunktionen und Daten zur Verfügung gestellt. Damit ist die Anwendung
auf beliebiger Hardware ablauffähig und autark.
Mit den beschriebenen Fähigkeiten der Application Composition Platform können in
der nächsten Phase die konkreten Anwendungen entwickelt werden.

1.3.5 Phase 5: Development und Implementation

Nachdem die Funktionen Prozessautomatisierung, Integration, Entwicklungsunterstüt-


zung und Composition der Plattform zur Verfügung stehen, werden die PBCs entwickelt
und zu Anwendungen und Prozessen zusammengefügt. Neben neu zu entwickelnden
PBCs können auch Teile bestehender selbstentwickelter Software (Legacy) oder Stan-
dardsysteme (ERP) verwendet werden, indem diese Teile neu geordnet und gekapselt
werden.
Bei der Softwareentwicklung zeigt sich generell das Problem des Mangels an Infor-
matikern und Systemspezialisten. Ein wichtiger Ausweg ist deshalb, die Entwicklung so
zu vereinfachen, dass auch interessierte Mitarbeiter aus den Fachabteilungen Anwendun-
gen mittels Low-Code-Funktionen der Plattform entwickeln können. Dieses besitzt neben
der Kapazitätsausweitung den Vorteil, dass aus den Fachabteilungen ohnehin der fachli-
che Input gegeben wird. So entfallen weitgehend Pflichtenhefte und Abstimmungsrunden
zwischen Fachbereich und IT. Damit können die betriebswirtschaftlich grob beschriebe-
nen Prozesse von Mitarbeitern der Fachabteilung (Citizen Developern) weiter detailliert
werden und aus ihnen automatisch ein Softwarecode in einer Programmiersprache wie
Java oder Java Script generiert werden. Das Low-Code-System stellt dazu eine 1:1-Bezie-
hung zwischen Elementen der Modellierungssprache und entsprechenden Programmier-
konstrukten bereit.
Low-Code unterstützt auch den Einsatz von Headless-Softwaresystemen. Hier stellt der
Softwareanbieter lediglich den Verarbeitungsteil oder das Backend zur Verfügung. Das
User Interface zu der Anwendung entwickelt der Anwender mit Low-Code dann selbst.
Hiermit wird es ihm ermöglicht, sein individuelles Interface flexibel zu gestalten, ohne auf
die Hilfe des Softwareanbieters warten zu müssen.
Bei allen Prozessen sollte geprüft werden, an welchen Positionen sinnvoll KI-Algorith-
men zur Automatisierung eingesetzt werden können. Dabei ist besonders darauf zu achten,
dass diese keine Insellösungen innerhalb der Prozesse sind, sondern dass ihre Ergebnisse
in den Workflow zur automatischen Weiterverarbeitung einfließen.
1.3 Der Composable Enterprise Lifecycle 21

Die drei Objekte PBCs, Prozesse und Applications bilden zusammen mit der Platform,
der Cloud-Infrastruktur und der Verbindung zu der Außenwelt mit Kunden und Partnern
die Anwendungsarchitektur.
Bei größeren Projekten ist ein enges Projektmanagement wichtig, damit die geplante
Zeit, Qualität und das Budget nicht aus dem Ruder laufen. Negative Beispiele sind hier
zur Genüge bekannt.
Auch das Reskilling und Upskilling der späteren Benutzer ist entscheidend für den
Projekterfolg. Schon vor dem Betrieb eines Systems muss dafür gesorgt werden, dass die
künftigen Anwender in der Lage sind, die neuen Geschäftsprozesse und Systeme zu ver-
stehen, um sie richtig ausführen zu können. Wenn das nicht geschieht, können die Systeme
zwar technisch einsatzfähig sein, aber nicht effektiv genutzt werden. Zur Qualifizierung
der Mitarbeiter bieten sich digitale Lernhilfen an1 .
Die fertigen Building Blocks werden in einem Katalog zusammengestellt und veröf-
fentlicht. So wird Doppelentwicklungen vorgebeugt.
Das aus den Building Blocks orchestrierte Anwendungssystem steht dann dem Anwen-
der zur Prozessbearbeitung zur Verfügung.
Ein Containeransatz macht Building Blocks unabhängig von technischen Trägersyste-
men der IT.

1.3.6 Phase 6: Execution und Case Management

In der Ausführungsphase werden von den Anwendern die einzelnen Prozessinstanzen


gemäß den modellierten und implementierten Abläufen bearbeitet. Die Steuerung der ein-
zelnen Instanzen wird als Case Management bezeichnet. Dieses bietet insbesondere bei
länger dauernden Prozessabläufen Hilfestellungen zur Lösung von Problemsituationen an.
Auf der Ebene der einzelnen Instanz startet in Abb. 1.11 ein eigener Lifecycle vom Beginn
der Bearbeitung bis zur Fertigstellung. Dieses wird durch den kleineren Kreislauf und den
feineren Linienzug grafisch zum Ausdruck gebracht.
Die Arbeitsergebnisse und Statusänderungen der Bearbeitung werden in Datenbanken
gespeichert. Dabei gilt es zwei Datenarten zu unterscheiden.
Einmal betrifft es die Anwendungsdaten. Beispielsweise werden von einem Auftrags-
bearbeitungssystem die Auftragsdaten des Kunden in der Auftragsdatei erfasst. Diese
Daten stehen zur Weiterbearbeitung in der Produktion sowie für Auswertungen zur Ver-
fügung.
Eine zweite Datenart betrifft die Prozessausführung. Moderne Anwendungssoftware
speichert z. B. Zeitstempel von Beginn und Ende einer Transaktionsbearbeitung, die einer
Prozessfunktion entspricht, in sogenannten Logdateien.

1
Von der vom Verfasser gegründeten imc AG werden hierzu eine Lernplattform sowie digitale In-
halte und intelligente Entwicklungswerkzeuge für Inhalte angeboten.
22 1 Das Composable Enterprise als neues Paradigma

Aus den Prozessdaten der Logdateien können in Real-Time die Prozesszustände wie
Zeiten, zuständige Bearbeiter und Arbeitsergebnisse der einzelnen Prozessinstanzen er-
kannt werden. Mit diesem Monitoring können z. B. Abweichungen zu den geplanten Vor-
gaben erkannt werden.
Bei Zeitverzögerungen kann durch Algorithmen in Real-Time ein neuer Ablauf vorge-
schlagen werden, um den Zeitverzug aufzuholen. Der Algorithmus verhält sich dann wie
ein Navigationsinstrument eines Autos, das bei einer Straßensperrung für einen Fahrer
automatisch eine individuelle neue Streckenführung vorschlägt.
Bei auftretenden Problemen können während der Fallbearbeitung dem Bearbeiter Hil-
festellungen (Support) durch auf die Situation bezogene Informationen oder Schulungs-
unterlagen gegeben werden.

1.3.7 Phase 7: Insight durch Mining

Sowohl aus den Anwendungs- als auch aus den Prozessdaten der Logdateien können wert-
volle Auswertungen generiert werden, die zunächst zu neuen Erkenntnissen (Insights)
führen, aber in der nächsten Phase auch zur Prozessverbesserung genutzt werden.
Zur automatischen Auswertung der Anwendungsdaten öffnet sich das Feld der „Analy-
tics“, das ein ganzes Bündel statistischer Verfahren bereithält. Besonders interessant sind
KI-Verfahren. Sie können Datenbestände automatisch nach in ihnen enthaltenen Mustern
analysieren und Ausreißer erkennen. Dieses wird z. B. erfolgreich zur Betrugserkennung,
Reisekostenprüfung und zu automatischen Marktanalysen eingesetzt.
Aus den Prozessdaten der Instanzen eines Zeitraums kann durch Algorithmen des
Process Minings das dazu passende reale Prozessmodell automatisch generiert werden
(Model Discovery). Das generierte Modell kann mit dem geplanten Prozessmodell vergli-
chen werden, um Abweichungen festzustellen (Model Comparison).
Das generierte Modell zeigt die in dem Zeitraum tatsächlich durchgeführten Prozess-
abläufe in komprimierter Form. Die Anzahl der dabei durchlaufenen Wege können durch
nachträgliches (simuliertes) Durchlaufen der realen Instanzen an dem Modell gezählt wer-
den, um Standardabläufe und Ausreißer zu erkennen.
Process Monitoring, Model Discovery und Model Comparison wurden bereits im Jahr
2000 mit dem Produkt ARIS-PPM (Process Performance Manager) der IDS Scheer AG
entwickelt und in den Markt eingeführt. Die Konzepte wurden inzwischen von einer breiten
Community aus Wissenschaft und Anwendern weiterentwickelt und erfahren seit dem Jahr
2010 auch durch neue Produkte wie Celonis und SIGNAVIO besondere Aufmerksamkeit.

1.3.8 Phase 8: Actions/Verbesserungen

Sowohl aus der Analyse von Anwendungsdaten als auch aus Prozessdaten können Anre-
gungen für Verbesserungen abgeleitet werden.
Literatur 23

Für einfache Automatisierungsaufgaben wie den Datenaustausch zwischen verschiede-


nen Datenbanken können mit Hilfe von RPA-Werkzeugen (Robotic Process Automation)
von Mitarbeitern der Fachabteilung aus der Arbeitsplatzsicht kleine Programme erzeugt
werden. Dabei werden keine neuen Anwendungen entwickelt, sondern lediglich manuelle
Vorgänge der Datenübertragung zwischen verschiedenen Anwendungen automatisiert.
Bei Analysen der Anwendungsdaten kann für bestimmte erkannte Datenmuster auf
eine Falldatenbank zugegriffen werden, die Verbesserungsvorschläge anbietet. So kann
bei einem zu hohen Lagerbestand ein neuer Bestellalgorithmus vorgeschlagen werden.
Dieser kann durch vorgefertigte Apps direkt eingesetzt werden. Oder für ein identifiziertes
Betrugsmuster wird eine App eingesetzt, die entsprechende Betrugsversuche abfängt.
Aus den Abweichungen zwischen Ist-Prozessmodell und dem Soll-Modell können or-
ganisatorische Maßnahmen oder Schulungen für Mitarbeiter abgeleitet werden.
Diese Aktionen initiieren neue Projekte, die wiederum die Phasen des Transformations-
kreislaufs durchlaufen und in der Regel zu einer weiteren Innovation und Automatisierung
beitragen.
Das kontinuierliche Durchlaufen des Transformationskreislaufs von der Innovation zur
Ausführung und Verbesserung führt zu einer fortlaufenden Steigerung des Nutzens der di-
gitalen Transformation und zur ständigen Weiterentwicklung des Composable Enterprise.
Die Phasen des Composable Enterprise Lifecycle werden im Folgenden durch eigene
Kapitel vertieft.

Literatur

Gartner (2021). Future of applications: Delivering the composable enterprise ID: G00465932 (S.
3–4).
Gaughan, D., Natis, Y., Alvarez, G., & O’Neill, M. (2020). Future of applications: delivering the
composable enterprise.
Meinel, C., & Krohn, T. (2022). Design Thinking in der Bildung, Innovation kann man lernen.
Weinheim: Wiley.
Warnecke, H.-J. (1992). Die Fraktale Fabrik. Berlin-Heidelberg: Springer.
Wildemann, H. (1998). Die modulare Fabrik: Kundennahe Produktion durch Fertigungssegmentie-
rung (5. Aufl.). München: TCW.
Wildemann, H. (2008). Modulare Unternehmensorganisation, Leitfaden zur Einführung föderalisti-
scher Organisationsprinzipien in Unternehmen (S. 2). München: TCW.

Weiterführende Literatur

Scheer, A.-W. (1991). Architektur integrierter Informationssysteme – Grundlagen der Unterneh-


mensmodellierung (1. Aufl.). Berlin, Heidelberg: Springer.
Scheer, A.-W. (2001). ARIS – Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen (4. Aufl.). Ber-
lin, Heidelberg: Springer.
Scheer, A.-W. (2002). ARIS – Vom Geschäftsprozess zum Anwendungssystem (4. Aufl.). Berlin, Hei-
delberg: Springer.
Innovationsfreude als Merkmal des Composable
Enterprise 2

Zusammenfassung
Es werden die Chancen für das „Composable Enterprise“ durch seine Innovationsfreu-
digkeit behandelt und damit das Konzept in den Gesamtzusammenhang der Unterneh-
mensentwicklung gestellt. Dabei wird der „Outside-in“-Ansatz als besonderes Merkmal
erfolgreicher Innovationen herausgestellt und die Eigenschaften eines Geschäftsmodells
gekennzeichnet. Auf die Gefahren des Innovator’s Dilemma, zu lange an bewährten erfolg-
reichen Konzepten festzuhalten, wird hingewiesen. Um den Gedankenfluss des Lifecycle-
Konzeptes nicht zu stören, werden die Ausführungen zur Innovation zunächst knapp gehal-
ten. Wegen der Bedeutung der Innovation für das Composable Enterprise wird das Thema
in Kap. 9 mit der Diskussion wichtiger Innovationstreiber weitergeführt.
Die Abb. 2.1 stellt den Zusammenhang zu dem Lifecycle-Modell der Abb. 1.11 her.

Abb. 2.1 Innovationen führen zu neuen Businessmodellen. (Quelle: Adobe Stock, PureSolution)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 25
A.-W. Scheer, Composable Enterprise: agil, flexibel, innovativ,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42483-1_2
26 2 Innovationsfreude als Merkmal des Composable Enterprise

2.1 Planung von Innovationen

Erst die erfolgreiche Umsetzung neuer Digitalisierungstechniken in neue Organisations-


formen, Produkte und Prozesse ermöglichen ihre wirtschaftliche Durchsetzung und damit
Innovationen.
Typisch für neue Businessmodelle ist der Wandel von einer „Inside-out“- zu einer „Out-
side-in“-Betrachtung, also von der Innensicht des Unternehmens zur Erfahrungssicht, der
„Experience“ des Kunden und weiterer Stakeholder mit dem Unternehmen und seiner
Leistungen.
Auf sich ändernde Bedürfnisse der Experience des Kundenmarktes muss ein Unter-
nehmen aktuell und schnell reagieren können. Kunden müssen durch ad-hoc Marketing-
aktionen neue Produkte angeboten werden können, Lieferanten müssen zu Angeboten für
Aktionen aufgefordert und ausgewählt werden können, Hochschulabsolventen müssen mit
Motivationsaktionen zu Bewerbungen animiert werden oder Partner zu neuen Geschäfts-
ideen und Logistikketten zusammengeführt werden können.
Diesen Prozessen ist gemeinsam, dass sie für spezielle Zwecke kurzfristig entwickelt
werden und sich schnell neuen Situationen anpassen müssen.
Im Gegensatz zu ihnen stehen die administrativen Backoffice-Prozesse wie Finanzen,
operativer Einkauf und Vertrieb, Logistik oder Personal, die durch Standardsoftware der
ERP abgedeckt sind und eine nur geringe Änderungsfrequenz haben.
Die beiden Ansätze können mit den Begriffen „build to change“ und „build to last“
gekennzeichnet werden.
Die neuen Prozesse befinden sich an den Rändern des Unternehmens zu dessen ex-
ternen Partnern, während die dauerhaften Anwendungen mehr die internen Backoffice-
Prozesse betreffen. So ist die Auswahl neuer Lieferanten nach Preis, Qualität, Zuverläs-
sigkeit und Wechselkurs des Herkunftlandes ein sich ständig ändernder agiler Prozess,
während die täglichen administrativen Bestellvorgänge eine Routinefunktion sind.
Die composable Unternehmung ist durch ihren modularen Aufbau und ihre Flexibilität
besonders innovationsfreundlich. Sie kann leicht neue Geschäftsaktivitäten aufnehmen,
löschen oder austauschen.
Dabei muss ein Unternehmen nicht in einem Schritt zu einem composable Unterneh-
men werden. Zunächst kann es z. B. für ein neues Produkt mit dem Konzept starten und
dann nach und nach das Konzept auf das gesamte Unternehmen übertragen. Im Zentrum
steht aber immer, die Innovationskraft zu erhöhen.
Es werden zunächst Ansatzpunkte für Geschäftsmodellinnovationen herausgestellt und
auf die Gefahren des Innovator’s Dilemma für bestehende Unternehmen eingegangen, die
gleichzeitig die Chancen für Start-Ups bilden.
2.2 Geschäftsmodellinnovationen 27

2.2 Geschäftsmodellinnovationen

Besonders wirksame Innovationen beziehen sich auf das Geschäftsmodell eines Unter-
nehmens, das auch zu neuen Geschäftsprozessen führt.
Unter einem Geschäftsmodell wird vereinfacht die Art und Weise verstanden, wie ein
Unternehmen sein Geld verdient. Dazu gehört z. B. ein Erlös-Modell, das beschreibt, wer
die Erlöse für ein Produkt oder eine Dienstleistung bezahlt. Diese auf den ersten Blick
einfache Frage ist in der digitalen Welt bereits komplizierter. Beispielsweise bekommen
die Nutzer von sozialen Medien Leistungen des Providers quasi kostenlos, da der Anbieter
die Erlöse durch Werbeeinnahmen von Dritten erzielt. Hier wird somit über Bande gespielt
und dies macht die Frage der Erlöszuordnung komplizierter, als es auf den ersten Blick
scheint. Weitere Aspekte eines Geschäftsmodells sind die Beschreibung der benötigten
Ressourcen und die Angabe wichtiger Partner.
Eine differenzierte Beschreibung weiterer Komponenten findet sich in (Osterwalder &
Pigneur, 2011). Dort werden insgesamt 9 Bausteine für ein Geschäftsmodell beschrieben.
Diese werden nachfolgend aufgeführt und ein Kurzkommentar mit Bezug zur Digitalisie-
rung hinzugefügt:

(1) Kundensegmente
Bei der Digitalisierung ist eine Grundfrage, ob das Unternehmen den B2B-, den B2C- oder
den B2B2C-Markt bedienen will. Generell besteht ein starker Trend zur Unterstützung des
Endkunden.

(2) Wertangebot (value proposition)


Bei digitalen Geschäftsmodellen wird durch das Outside-in gegenüber Inside-out Denken
stärker auf Kundenbedürfnisse eingegangen.

(3) Verkaufskanäle
Bei der Digitalisierung besteht die Forderung nach Omni-Channel-Funktionalität, bei de-
nen alle Kanäle wie stationärer Vertrieb, Telefon-, Computer-, Internet-, Callcenter- und
Mobil-Verbindungen integriert sind.

(4) Kundenbeziehungen
Diese werden in der digitalen Welt durch die Nutzung sozialer Medien intensiviert.

(5) Einnahmequellen
Diese betreffen die bereits angesprochenen komplexen Erlösmodelle von Plattformunter-
nehmen.

(6) Schlüsselressourcen
Bei exponentiell wachsenden digitalen Unternehmen werden Ressourcen so gering wie
möglich gehalten. Insbesondere sollen keine zeit- und kapitalintensiven materiellen Res-
28 2 Innovationsfreude als Merkmal des Composable Enterprise

sourcen in Form von Anlagen oder Gebäuden erstellt oder ein großer Mitarbeiterstamm
aufgebaut werden, da dieses die Wachstumsgeschwindigkeit beeinträchtigen würde.

(7) Schlüsselaktivitäten
Diese beschreiben die Kernprozesse des Geschäftsmodells und definieren damit auch den
Ressourcenbedarf.

(8) Schlüsselpartnerschaften
Hier gilt es, in der digitalen Welt viele Aktivitäten auszulagern (Outsourcing), um das
Wachstum zu beschleunigen. Gleichzeitig kann durch Partnerschaften die Wertschöp-
fungskette zum Kunden erweitert werden.

(9) Kostenstruktur
Die Digitalisierung führt durch den Ersatz von Materie durch Information zu tendenziell
geringeren Kosten als die analoge Welt. Dieses ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil bei
der Einführung digitaler Produkte.

Die Beschreibung von Osterwalder und Pigneur ist praxiserprobt und vermittelt gute Ein-
sichten in die Struktur von Geschäftsmodellen. Ihre Elemente werden deshalb im Weiteren
häufig angesprochen.
Typisch für die Digitalisierung ist die Entwicklung disruptiver Geschäftsmodelle. Ein
disruptives Geschäftsmodell bezeichnet den Fall, dass ein gegebenes Produkt oder eine
gegebene Dienstleistung durch die Digitalisierung völlig neu definiert wird, bestehende
Anbieter ihre wirtschaftlichen und technischen Kompetenzen verlieren und neue Anbieter
auftreten, die die bisher erfolgreichen bedrängen. In Abb. 2.2 ist dies am Beispiel des
Prozesses des Fotografierens zu sehen. In der analogen Welt benötigte man früher eine

Abb. 2.2 Disruptive Innovation: Fotografieprozess. (Quelle: piqsels)


2.2 Geschäftsmodellinnovationen 29

Kamera und einen Film. Man konnte dann ein Motiv fotografieren, musste allerdings mit
der Entwicklung des Films so lange warten, bis dieser vollständig abgelichtet worden
war. Dann musste der Film zum Entwickeln in ein Fotogeschäft gebracht werden, wobei
Wartezeiten entstanden. Nach Erhalt der Abzüge wurden diese in ein Album geklebt. Bei
benötigten weiteren Abzügen – etwa zum Versand an Freunde – mussten diese erneut von
einem Fotogeschäft angefertigt und anschließend per Post versendet werden.
Dieser Prozess ist heute in sich zusammengefallen. Bei einem Smartphone ist das Foto-
grafieren lediglich eine von vielen Funktionen. Sie ist quasi ständig verfügbar und Bilder
können sofort angesehen, gespeichert und per Knopfdruck in alle Welt versendet werden.
Diese disruptive Innovation hat zu weitreichenden Veränderungen des Marktes geführt.
Das Weltunternehmen Kodak, mit zigtausend Mitarbeitern, musste im Jahr 2012 Konkurs
anmelden. Das Internetunternehmen Instagram zur Nachbearbeitung und zum Teilen di-
gitaler Fotos und Videos wurde hingegen im gleichen Zeitraum für rund eine Milliarde
US-Dollar an das Unternehmen Facebook verkauft. Dabei betrieben weniger als 20 Mit-
arbeiter den Online-Dienst. Eine besonders bittere Pointe ist dabei, dass das Unternehmen
Kodak im Besitz der Patente für die digitale Fotografie war, diese aber nicht erfolgreich
verwerten konnte. Hier wurde es Opfer des Innovator’s Dilemma Effektes.
Abb. 2.3 zeigt weitere Beispiele für digitale oder stark digital unterstützte Geschäfts-
modelle, die klassische analoge Produkte bedrängen.
Nur flexibel aufgestellte Unternehmen wie das Composable Enterprise können diesen
Wettbewerb bestehen.

Abb. 2.3 Disruptive Innovationen/Innovator’s Dilemma. (Quelle: siehe © pro Bild)


30 2 Innovationsfreude als Merkmal des Composable Enterprise

2.3 Innovator’s Dilemma vermeiden

Bestehende (noch) erfolgreiche Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre Geschäftsmo-


delle grundsätzlich zu ändern und öffnen damit Start-Up-Unternehmen die Möglichkeit,
disruptiv und aggressiv den Markt zu verändern. Dieses von Christensen erkannte Phäno-
men wird als „Innovator’s Dilemma“ bezeichnet (Christensen, 1997).
Dabei spielen auch menschliche Faktoren eine Rolle. Manager, die bisher in ihrem Um-
feld und mit ihren Kompetenzen erfolgreich waren, sind nur schwer zu bewegen, jüngeren
Mitarbeitern mit anderen und neuen Kompetenzen, ihren Platz zu überlassen.
Die in Abb. 2.3 genannten Beispiele sind dazu typisch. Das Internetunternehmen Air-
bnb, das über keine eigenen Raumkapazitäten verfügt, sondern lediglich (private) Anbie-
ter von Übernachtungsmöglichkeiten mit Interessenten verbindet, wurde von Studenten
gegründet und besitzt bereits eine Marktkapitalisierung in der Größenordnung von be-
kannten internationalen Hotelkonzernen.
In der Zeit, in der das Unternehmen Amazon aus einer Garagengründung zu einem
Weltunternehmen aufstieg, musste das deutsche Traditionsunternehmen Quelle Konkurs
anmelden. Beide hatten als Geschäftsmodell den Versandhandel – Quelle mehr auf Basis
eines Papierkatalogs, während Amazon bereits die digitale Welt eroberte.
Auch in der Automobilindustrie steht eine Revolution an. Zusammen mit der Digi-
talisierung von Infotainment-Anwendungen ist der Elektroantrieb mit seiner digitalen
Unterstützung ein Game Changer.
Der digitale 3D-Druck bedrängt klassische materialabhebende Verfahren.
In der Finanzwelt bedrängen FinTechs und digitale Währungen klassische Geschäfts-
modelle der Banken.
Die Liste lässt sich fast beliebig für alle Branchen fortsetzen.
Bestehende erfolgreiche Unternehmen sollten selbstkritisch das Phänomen des Innova-
tor’s Dilemma beachten und durch mutige digitale Erweiterungen ihres Geschäftsmodells
die digitale Welt annehmen.
Dazu bietet das Composable Enterprise die Richtung und das geeignete Vorgehen, um
das bestehende Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell schrittweise zu transformieren.

Literatur

Christensen, C. M. (1997). The innovator’s dilemma: When new technologies cause great firms to
fail. Boston: Harvard Business School Press.
Osterwalder, A., & Pigneur, Y. (2011). Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre,
Spielveränderer und Herausforderer. Frankfurt am Main: Campus.
Von der Process- und Enterprise-Architecture zum
digitalen Unternehmenszwilling im Metaverse 3

Zusammenfassung
Die Nutzung von Innovationspotenzialen für neue Geschäftsideen erfordert die Kenntnis
der bestehenden Ausgangssituation, also der bestehenden Geschäftsmodelle und -prozes-
se. Nur dann können schnell Änderungen oder Erweiterungen angefügt werden.
Dieser Schritt trifft in vielen Unternehmen auf eine häufig über Jahrzehnte gewachse-
ne Prozess- und IT-Landschaft aus heterogener Hard- und Software ohne ausreichende
Dokumentation.
Diese Landschaft muss gegebenenfalls soweit nachdokumentiert werden, dass die
Schnittstellen zwischen Alt- und Neusystemen definiert werden können. Nur so kann
die Transformation gelingen und Voraussetzung für ein composable Enterprise sein.
Methoden wie ARIS-EPK und BPMN werden dazu vorgestellt und an einem Beispiel
demonstriert.
Die Erweiterung der Prozessmodellierung führt zur Beschreibung der gesamten Un-
ternehmenszusammenhänge in einer Unternehmensarchitektur (Enterprise Architecture).
Dazu wird das ARIS-Haus als Rahmenkonzept herausgestellt und Wege zur automatischen
Erstellung und Pflege einer EA gezeigt.
Technologien wie digitale Zwillinge und die virtuellen Welten des Metaverse eröffnen
dazu fantasievolle Perspektiven.
Ausführungen, die sehr speziell sind oder sich auf konkrete Systeme beziehen, sind
durch Kursivschrift kenntlich gemacht. Der mehr an einem Überblick interessierte Leser
kann diese Teile überspringen, ohne den inhaltlichen Leitfaden zu verlieren.
Die Abb. 3.1 stellt den Zusammenhang zum Lifecycle der Abb. 1.11 her.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 31
A.-W. Scheer, Composable Enterprise: agil, flexibel, innovativ,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42483-1_3
32 3 Von der Process- und Enterprise-Architecture zum digitalen Unternehmenszwilling

Abb. 3.1 Process Model; Enterprise Architecture. (Quelle: Adobe Stock, PureSolution und Goro-
denkoff)

3.1 Geschäftsprozessmodellierung

Ein Geschäftsprozess ist eine Folge von Funktionen zur Erzeugung eines Mehrwertes
für eine Organisation und seine Kunden. Typische Beispiele sind die Kundenauftrags-
abwicklung (order to cash) oder die Produktentwicklung. Die Prozessorganisation, also
die Gestaltung von Geschäftsprozessen von ihren Startereignissen bis zu ihren Abschlüs-
sen, als „end to end“ bezeichnet, hat seit Anfang der 1990er Jahre den Erfolg des IT-
Einsatzes in Unternehmen begründet und das bis dahin bestehende IT-Paradoxon gelöst
(Solow, 1988). Dieses besagte, dass in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den
USA entgegen der Erwartung eine negative Korrelation zwischen den Aufwänden für IT
und der Produktivitätsentwicklung beobachtet wurde.
Der Grund dafür war nach Meinung des Verfassers, dass die bestehende funktionale
Organisation beim Einsatz der IT nicht angepasst wurde. Es wurden zwar einzelne Funk-
tionen unterstützt oder sogar automatisiert, aber es entstanden hohe Kosten für die häufig
manuelle Datenübertragung zwischen den Funktionen, redundante Datenhaltungen und
Doppelarbeiten durch das Nebeneinander von digitalen Funktionen und der bestehenden
Papierorganisation.
Erst die ganzheitliche Unterstützung der Prozesse durch integrierte Datenbanken und
darauf aufbauende ERP-Systeme ermöglichten die Verschlankung der Prozesse, die Zu-
sammenführung verschiedener Tätigkeiten an den Arbeitsplätzen sowie die Verringerung
von Datenübertragungen und haben inzwischen dramatische Produktivitätssteigerungen
erzeugt.
Bei der Digitalisierungsstrategie des Composable Enterprise dürfen deshalb keine halb-
herzigen Entscheidungen getroffen werden, sondern konsequent Geschäftsmodell, Ge-
schäftsprozesse, Organisation und Anwendungssysteme aufeinander ausgerichtet werden.
Bereits in den 1980er Jahren wurden „bottom up“ bei der Implementierung von IT-
Systemen die Vorteile der Organisation ganzheitlicher Prozesse erkannt. Dabei war der
Begriff Prozess noch nicht gebräuchlich und er wurde z. B. als Vorgangskette bezeichnet
(Scheer, 1984). Dazu wurden konkrete Methoden zur Modellierung von Geschäftsprozes-
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Fig. 125.—elevation of house.

Fig. 126.—plan of cellar.


Fig. 127.—plan of first floor.

Fig. 128.—plan of second floor.


Fig. 129.—manner of building.

Fig. 130.—anchor nail.


DESIGN XXXI.
A HOUSE COSTING $3,700.

The plans here given are somewhat peculiar in arrangement,


intended for a compact and economical residence or parsonage,
containing thirteen rooms, ample halls, eleven closets, large cellar,
heater, range, cold and hot water, and, in fact, all the necessary
modern improvements suitable for the uses of a good-sized family....
Exterior.—The general outline is nearly square, 26 × 30 feet,
affording the most simple and economical form of construction, and
embraces a much better opportunity for the most desirable
distribution of rooms. The porch, bay-window, and lobby, provide
projections that serve to break up and relieve the monotony usually
observed in square buildings. Three elevations (figs. 131, 132, 133,)
are given, from which choice can be made, according to the situation
of the building.... Interior.—It will be observed that the
arrangements of the interior partake very much of the character of a
“double house,” particularly in the upper stories.... Cellar, (fig. 134.)
—The Cellar extends under the whole house, and contains the
heater and bins for coal, etc. The Heater (“portable”) is arranged to
provide warm air to each room in the two principal stories, except the
kitchen.... First Story, (fig. 135.)—The Entrance, or Reception
Hall, is large, and contains the principal stairway of the house, so
arranged that the quarter-circle is about midway of their hight,
placing the niche down, where it adds greatly to the good
appearance of the hall. The principal rooms, Parlor and Dining-room,
where it is usual for the family to congregate, are large and
accessible. Each has a large bay-window, adding to its area, and
supplying a pleasant outlook. The Kitchen adjoins the dining-room
and the rear entrance, or lobby, and has direct communication with
the cellar-stairway through a door. It is provided with a range, boiler,
sink, pump, and wash-tubs, complete. The Lobby, or rear entrance,
is arranged to connect by doors with the dining-room, kitchen, and
private stairway leading to the second floor.... Second Story, (fig.
136.)—The method of erecting the stairs make them “land” nearly in
the center of the second story. Very little space is required for the
second-story hall, leaving almost this entire floor to be “laid off” in
rooms. These rooms may all be used as chambers, or either of them
may be used as a study. Doubtless the room directly above the front
entrance would be best adapted for that purpose. The door leading
to this room should have ground-glass upper panels to supply light to
the hall of this story.... Attic, (fig. 137.)—The Attic story is reached
by the stairway shown at the front end of the second-story hall,
which has a door at the foot of them to shut off all communication at
pleasure. This story is divided into four rooms, four closets, and hall.
The Hall is lighted through an opening, or skylight, in the roof, which
also serves as a ventilator. The School, or Play-room, is put in this
part of the house, where noise is less likely to disturb the older
members of the household. A Work-shop, having ample space for a
work-bench, wood-lathe, and other tools, is provided for in our plan
on the third floor.... The estimate appended indicates the general
character of the work to be good and substantial. Provision is made
for brick foundations, a regular timber frame, double siding, slate and
tin roofs, outside blinds, panelled doors, simple and appropriate
trimmings throughout, with marble mantles and stucco cornices in
the principal rooms of the first story. The figures set down for the
cost of windows, bays, porch, lobby, and doors, include materials
and labor. The figures for carpenters’ labor are for the balance of
such work.
Estimate for house with Mansard roof:

75 yards excavation, at 20c. per yard. $15.00


13,000 brick, furnished and laid, at $12 per M. 156.00
48 ft. stone sills, steps, and coping, at 40c. per ft. 19.20
1,000 yards three-coat plastering, at 28c. per yard. 280.00
250 ft. stucco cornices, with centers. 75.00
4,181 ft. of timber, at $15 per M. 62.71
2 sills, 4 × 8 in. 26 ft. long.
2 sills, 4 × 8 in. 30 ft. long.
6 posts, 4 × 7 in. 23 ft. long.
1 girt, 4 × 8 in. 38 ft. long.
4 ties, 4 × 6 in. 26 ft. long.
4 ties, 4 × 6 in. 30 ft. long.
4 hips, 3 × 7 in. 16 ft. long.
2 plates, 4 × 6 in. 26 ft. long.
2 plates, 4 × 6 in. 30 ft. long.
4 deck plates, 3 × 8 in. 22 ft. long.
2 deck plates, 3 × 8 in. 30 ft. long.
8 beams, 3 × 8 in. 15 ft. long.
66 beams, 2 × 8 in. 15 ft. long.
66 beams, 2 × 8 in. 12 ft. long.
100 joists, 3 × 4 in. 13 ft., at 22c. each. 22.00
500 wall-strips, 2 × 4 in. 13 ft., at 11c. each. 55.00
483 sheathing for sides and roofs, at 25c. each. 120.75
300 lbs. tarred felt, at 5c. per lb. 15.00
381 novelty siding, 6-inch, at 30c. each. 114.30
112 ft. main cornice, at 60c. per ft. 67.20
10 squares of slate, at 10c. per ft. 100.00
12½ squares of tin, at 10c. per ft. 125.00
8 cellar windows, complete, at $8 each. 64.00
12 plain windows, complete, at $12 each. 144.00
8 dormer windows, complete, at $20 each. 160.00
2 bay-windows, complete, at $60 each. 120.00
1 porch, complete. 75.00
1 lobby, complete. 50.00
390 tongued and grooved flooring, complete, at 28c.
each. 109.20
46 doors, complete, at $10 each. 460.00
11 closets, complete, at $6 each. 66.00
2 marble mantles, complete, at $25 each. 50.00
1 heater, complete. 200.00
Gas-pipes. 35.71
Plumbing, including range, etc. 300.00
Painting. 188.93
Carting. 75.00
Extras for hardware, etc. 75.00
Carpenters’ labor. 300.00
Total amount. $3,700.00

Fig. 131.—mansard roof.


Fig. 132.—pointed roof.
Fig. 133.—cottage roof.
Fig. 134.—plan of cellar.
Fig. 135.—plan of first floor.
Fig. 136.—plan of second floor.
Fig. 137.—plan of attic.
DESIGN XXXII.
A HOUSE COSTING $4,000.

This plan of a large house provides ample and conveniently-


arranged apartments, containing the most requisite of modern
improvements, suitable to the requirements of a good-sized family.
The general outline of the ground plan is nearly square—30 × 36
feet—securing the greatest economy in expense of construction, and
embracing a liberal provision for comfort, and a suitable regard for
appearances, without sacrificing one for the other. There is always a
certain boldness in the exterior, or elevation, of a square double
front, which no other style affords, expressive of substantial dignity.
The two Bay-windows and Porch are united in construction, the
porch having its ends partly sheltered by the projecting bay-windows,
is a pleasant feature. The second story, attic, and cupola windows,
have circular heads, with heavy dressing. The main Cornice is
heavily trussed; the Cupola is large and roomy, and all are
proportioned to make this house worthy of almost any situation....
The Cellar extends under the whole house, with walls of hard brick
and mortar 8 inches thick, and 7 feet high, and should extend 1½
inches outside of the frame-work of the house, so as to be “flush”
with the sheathing. The cross-walls, as shown on the plan, are of the
same materials; all such walls should have “heading-courses” every
20 inches, and if in sandy bottom, a suitable bedding should be
provided, as described for Design XII., which will insure a perfectly
safe and satisfactory foundation. The Area walls should be made of
hard brick, with stone coping and steps, laid in cement mortar. All
chimneys should be started and laid up with the foundation, and the
materials interlaced to bind them together; this will insure additional
strength to both foundation and chimney. We recommend plastering,
or “laying off” the ceiling of the cellar, with one coat of brown mortar,
at a cost of $25, which would be a permanent benefit to the whole
house, in preventing the damp cellar air from rising up through the
floors and frame-work of the house. Such air is almost sure to be
vitiated by decaying vegetable matter, and is the undoubted source
of much disease. Another advantage derived from such plastering is
the shutting out of rats and mice from the frame-work of the house,
and lastly, it affords an opportunity of purifying and sweetening the
cellar easily by (the simplest of all means) a coat of white-wash....
The materials used in the Frame are indicated in the estimate
appended below. Sills should be framed for each cross and outside
wall, so as to secure equal bearings, and allow for even shrinkages;
and when put in position, they should be bedded in mortar, to
prevent any inequalities in the bearings of the frame-work, to
strengthen the foundation, and also to effectually shut out cold air
from getting between the cellar ceiling and the first floor. All beams
and studding are placed 16 inches from centers. The first tier of
beams should be framed into the sills, and their tenons wedged from
the outside, to “draw them home.” They should also bear upon the
wall equally with the sill. All beams having a span of 12 feet and
over, should have at least one row of cross-bridging of 1¼ × 3-inch
“fencing.” The second and third story beams are notched over the
ties, and spiked fast. The cupola posts rest directly on the center
girts, and the principal roof-timbers are framed and secured to these
posts. In this frame there need be no tendency to self-destruction, so
common in large buildings, such as oblique or outward thrusts, or
irregularity of bearings, but a perfect “repose” is secured to every
piece of timber in the house.... The Bay-window frame-work (see fig.
140) is 1 inch less in depth than the principal sills of the house, to
allow for the thickness of the boarding beneath them, so that the
water-table, when put around the house may be in line. The
distances given on the diagram of the bay frame may be relied upon
as correct. “Bay-windows are apt to be cold,” is often said, but a sure
preventive of such “cold” is easily secured by filling in between the
beams and panels with dry sand, which will make them as tight as
any other part of a house.—The character and quality of a house
depends greatly upon the material and manner of siding. In our
estimate we have provided for mill-worked sheathing, which should
be put on diagonally, and thoroughly nailed to the frame, which will
serve the double purpose of securing more warmth and strength
than any “filling in” of brick, and is less expensive. A strip of the
same thickness as the sheathing, and 2 inches wide, should be first
nailed to the sill, close down to the masonry, to prevent the air from
entering the joints of the sheathing, and following them upwards into
the house. Tarred paper is next stretched over the sheathing, when
the window-frames, water-table, and corner-boards should be set,
and lastly, the novelty-siding put on, and double-nailed to each stud.
The Windows are arranged for each sash to be hung, and all to have
blinds. All windows above the first story have “circular heads,” with
caps turned of 4-inch timber. The Keys shown on the elevation are
sawed out at the back, so as to fit over the caps (not cut through
them). This is much simpler, more ornamental, and does not impair
or affect the solid head.—The roof projects 27 inches beyond the
frame of the building, and is covered with IC. charcoal tin, laid and
soldered in the best manner, on sound hemlock boards. The gutters
of the main house are made as described for Design V.... The First
Story plan (fig. 141) shows the general division of four rooms and
three halls. The Entrance Hall, or Reception Room, is 7 × 12 feet.
The Stairway Hall is also 7 × 12 feet. The Rear Hall is 7 × 7 feet.
These halls are divided from each other by sash doors. The entrance
hall is divided from the parlor and dining-room by large double doors.
The advantages of dividing the halls in the manner shown will be
obvious to any one when they consider how cold, windy, and
cheerless most halls are. By this arrangement all drafts are
prevented, either when opening the entrance door, or when passing
from one room to another. The inside double doors may be swung
open altogether, throwing the principal rooms of the lower floor into
one spacious apartment, if occasion should require, for a large
company, without altering to any material degree the temperature of
these rooms. The stairway hall contains the principal stairs, which
are of the easiest “platform” construction, so arranged that a more
private stairway is entirely unnecessary. The rear hall is the common
hall of the house, and is easily reached from every part. The Parlor is
the largest room, has a bay-window, marble mantle, and fire-place
heater, and is separated from the library by sliding doors. The
Dining-room has also a bay-window, marble mantle, and fire-place
heater, and is intended as the Living-room. It is conveniently
connected with the kitchen, stairway hall, entrance hall, and has a
good pantry (c). The Kitchen is separated from the dining-room by a
single door, and in close proximity to the rear entrance and cellar
stairway doors. It contains one large closet, range with elevated
oven, warm-closet, and water-back, boiler, sink, and wash-tubs. The
Kitchen should be wainscoted 3 feet high, with ⅝ × 3-inch ceiling-
boards. The clock and lamp-shelf should be put between the closet
and hall doors, and not over the range. The advantage of having the
kitchen on the same floor with the dining-room must be apparent to
every one.... The Second Story plan (fig. 142) is divided into four
large chambers, a child’s bedroom, a bath-room, five closets, with a
good-sized hall. The two Front Chambers are heated by hot air from
the “fire-place” heaters of the first story, so that they are always
comfortable in the coldest weather. For many reasons we prefer the
fire-place heaters over any other. They take little room, are cheerful
in appearance, easy of management, and economical, requiring
attention but twice in twenty-four hours, if hard coal is used. Each
heater will keep two ordinary sized rooms comfortable in winter, and
are not unsightly in summer. Like any other device for heating, the
perfect and satisfactory results depend altogether on the manner of
setting them. In no case should a heater be expected to develop its
full power when placed in a fire-place in so close proximity with the
brick as to allow the hot air to strike against and be absorbed by
them. The heater should be enclosed in a jacket of sheet-iron,
having an 8-inch opening, and a collar at the top. Attached to the
collar, and “built in” the chimney, should be an 8-inch tin pipe,
connecting with the register-box in the second story. Above this box
this flue should be entirely closed. The smoke-pipe should be 4-inch,
and pass up through the 8-inch tin pipe to the register-box, where an
elbow should be put on, turning the smoke into the side flue
adjoining. The side flue should have no other side openings. The
Bath-room has bath-tub, seat-closet, wash-basin, with cold and hot
water faucets. Each chamber to the right of the hall to have wash-
basins. These Chambers have marble mantle shelves, resting on
plaster trusses, at an expense of $6 each, which answer the purpose
that a $20 mantle would, and are really more cheerful and
appropriate for such rooms.... The Attic is reached by the enclosed
stairway, and is arranged so that two or four bedrooms may be
“finished off” as required. The Tank is placed on the floor over the
bath-rooms, and is supplied partly from the roof, and partly by the
force-pump in the kitchen. All the remaining space in the attic may
be used for storage, etc.... The Cupola-room is 7 × 7 feet, reached
by a light stairway. The head-room is made to subserve the purpose
of a stand or table, so that really very little room is taken away by the
stairs.... Very few people have any definite idea of the expense of the
separate items that are comprehended under the head of Plumbers’
Work. The following estimate in detail of plumbing, required in this
house, gives facts and figures enough to enable any one to decide
just how much plumbing can be done for any given sum, viz.:

Sheet-lead, 3½ lbs. to square ft., for tank, 2 × 4 × 6 ft.,


with stop-cock. $21.00
Bath-tub, 10 oz., $15; plated flange and thimble-cock, $6;
plated plug and chain. 22.50
Pan-closet, $12.25; plated cup and pull, $1.50; French
bowl, $2.20; trap, 4 in., $3.75. 19.70
3 wash-basins, $1.70 each; marble slabs, $5 each; plug,
stud, and chain, $1.50 each; 2 cocks, trap, screw,
plug, $3 each. 36.60
1 iron sink, 18 × 24 inches, $2; 2 cocks, $3.50; trap and
screw, $1. 6.50
35-gallon copper boiler, $27; with stand, $2. 29.00
Force-pump, with brass cylinder. 17.00
20 ft. 4-in. iron soil-pipe, at 50c. per ft. 10.00
372 lbs. supply and circulation pipe, at 8½c. per lb. 31.62
125 lbs. waste-pipe, at 8½c. per lb. 10.63
Solder, tacks, and charcoal for this job. 3.00
5 days’ time, plumber and helper, $6 per day. 30.00
Total amount of cost. $237.55
10 per cent added by plumbers in estimating. 23.75
Total Plumber’s charges for the job. $261.30

To the bill for plumbing we add the cost of:


Range, with elevated oven, warm-closet, water-back, set
complete. $80.00
Heaters, 2 “fire-place,” with registers and heating pipes,
$45 each. 90.00

Cost.—Estimate of cost of building by this plan. It will be noticed


that the prices given for bay-windows, porch, lobby, stairs, windows,
cupola, and doors, include materials and labor complete, and that
the amount of carpenters’ work is for the balance of such labor
required on the job:

100 yards excavation, at 20c. per yard. $20.00


24,000 brick, furnished and laid, at $12 per M. 288.00
950 yards plastering, 3-coat, at 28c. per yard. 266.00
6,578 ft. timber, at $15 per M. 98.67
4 sills, 4 × 8 in. 30 ft. long.
2 sills, 4 × 8 in. 36 ft. long.
10 posts, 4 × 7 in. 24 ft. long.
Ties, 4 × 6 in. 390 ft. long.
4 cupola posts, 4 × 6 in. 15 ft. long.
Plates, 4 × 6 in. 132 ft. long.
70 beams, 2 × 8 in. 15 ft. long.
60 beams, 2 × 8 in. 22 ft. long.
15 beams, 3 × 8 in. 22 ft. long.
4 hips, 3 × 8 in. 18 ft. long.
4 valleys, 3 × 8 in. 18 ft. long.
14 rafters, 3 × 5 in. 17 ft. long.
100 joist, 3 × 4 in. 13 ft. long, at 22c. each. 22.00
400 wall-strips, 2 × 4 in. 13 ft. at 11c. each. 44.00
320 sheathing, ⅞ × 10 in. 13 ft. long, at 25c. 80.00
200 lbs. tarred paper, at 5c. per lb. 10.00
320 novelty siding-boards, 9½ inch, at 38c. each. 121.60
195 hemlock roof boards, at 22c. each. 42.90
240 tongued and grooved flooring, at 35c. each. 84.00
168 ft. cornice, at 70c. per ft. 117.60
17½ squares of tin roofing, at $10 per square. 175.00
190 ft. gutters and leaders, at 10c. per foot. 19.00
Cupola, complete, except tin (included above). 100.00
2 bay-windows, complete, at $75 each. 150.00
1 porch, complete, $75; lobby, complete, $50. 125.00
4 stairs, complete, $100; 17 windows, complete,
$15. 355.00
5 cellar windows, at $6 each. 30.00
34 doors, at $12 each. 408.00
2 marble mantles, at $30 each. 60.00
4 marble shelves, at $6 each. 24.00
5 kegs nails, at $5 each. 25.00
Painting. 250.00
Cartage, average 1 mile. 56.40
Shelving, base, bell-hanging, etc. 73.70
Carpenter’s labor. 360.00
Plumbing, as detailed above. 261.80
Range, $80; Incidentals, $162.83; 2 heaters, at
$45, $90. 296.33
Total cost of house. $4,000.00

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