Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 69

Die sieben Relikte Berry Steve

Visit to download the full and correct content document:


https://ebookstep.com/product/die-sieben-relikte-berry-steve/
More products digital (pdf, epub, mobi) instant
download maybe you interests ...

Trzecia tajemnica 1st Edition Steve Berry

https://ebookstep.com/product/trzecia-tajemnica-1st-edition-
steve-berry/

Die Sieben Weltwunder Wissen im Quadrat 1st Edition


Jens Jähnig Holger Sonnabend

https://ebookstep.com/product/die-sieben-weltwunder-wissen-im-
quadrat-1st-edition-jens-jahnig-holger-sonnabend/

Der Computer erscheint im Holozän Die sieben Weltwunder


der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft Andreas Meier
Fabrice Tschudi

https://ebookstep.com/product/der-computer-erscheint-im-holozan-
die-sieben-weltwunder-der-digitalen-wirtschaft-und-gesellschaft-
andreas-meier-fabrice-tschudi/

El escultor 1st Edition Steve Mccloud

https://ebookstep.com/product/el-escultor-1st-edition-steve-
mccloud/
13 1 Eddie Flynn 2019th Edition Steve Cavanagh

https://ebookstep.com/product/13-1-eddie-flynn-2019th-edition-
steve-cavanagh/

Capitã Marvel a ascensão da Starforce Steve Behling

https://ebookstep.com/product/capita-marvel-a-ascensao-da-
starforce-steve-behling/

Música Clássica Vs Pop 1st Edition Steve Turley

https://ebookstep.com/product/musica-classica-vs-pop-1st-edition-
steve-turley/

PNL Reprograme seu cérebro com PNL Steve Allen

https://ebookstep.com/product/pnl-reprograme-seu-cerebro-com-pnl-
steve-allen/

El zafiro perdido de Zangrabar 1st Edition Steve Higgs

https://ebookstep.com/product/el-zafiro-perdido-de-zangrabar-1st-
edition-steve-higgs/
Buch

Die Arma Christi, die sieben Relikte, sind von unschätzbarem Wert für das
Christentum – und sie werden überall auf der Welt aus Tresoren und
Schatzkammern gestohlen. Nachdem der ehemalige Geheimagent Cotton Malone
Zeuge eines solchen Diebstahls wird, erfährt er, dass bei einer Auktion hochsensible
Informationen über das polnische Staatsoberhaupt verkauft werden sollen.
Informationen, an denen sowohl Polen als auch die USA interessiert sind, allerdings
aus völlig verschiedenen Gründen. Der Eintrittspreis zur Auktion: eines der sieben
Relikte. Malone muss seine Prinzipien vergessen und die Heilige Lanze aus einem
Schloss in Polen stehlen, um Zutritt zur Auktion zu erhalten. Dort will er das
Schlimmste verhindern – aber er gerät mitten in einen blutigen Krieg zwischen drei
Nationen um ein Geheimnis, dass ganz Europa aus den Angeln heben und ins Chaos
stürzen könnte.

Der Autor

Steve Berry war viele Jahre als erfolgreicher Anwalt tätig, bevor er seine Leidenschaft
für das Schreiben entdeckte. Mit jedem seiner hoch spannenden Thriller stürmt er in
den USA die Spitzenplätze der Bestsellerlisten und begeistert Leser weltweit. Steve
Berry lebt mit seiner Frau in St. Augustine, Florida.

Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvalet und


www.instagram.com/blanvalet.verlag
STEVE BERRY

DIE
SIEBEN
RELIKTE
Thriller

Aus dem Amerikanischen


von Wolfgang Thon
Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »The Warsaw Protocol (Cotton
Malone 15)« bei Minotaur Books, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische
Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung
sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder
öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt
und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir
für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern
lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © der Originalausgabe 2020 by Steve Berry


Published by Arrangement with MAGELLAN BILLET INC.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, Hannover.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by Blanvalet Verlag,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Werner Bauer
Umschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Frick
unter Verwendung von Motiven von iStock.com
(titoslack; eb; Klubovy; sankai)
JB · Herstellung: sam
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN: 978-3-641-26631-8
V001

www.blanvalet.de
Für Frank Green,
einen wahrhaft inspirierenden Mann
Noch ist Polen nicht verloren,
solange wir leben – zum Glück!
Was uns fremde Übermacht genommen,
holen wir uns mit dem Säbel zurück.

– Polnische Nationalhymne
(sinngemäße Übertragung)
Prolog

Montag, 9. August 1982


Warschau, Polen
15.45 Uhr

Janusz Czajkowski wollte sich von der grausamen Szene abwenden,


doch er wusste, dass er es damit nur noch schlimmer machen würde.
Man hatte ihn extra zum Mokotów-Gefängnis gebracht, damit er
zusah. Dieser Ort hatte eine lange und wechselhafte Geschichte. Die
Russen ließen das Gebäude zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichten.
Es wurde ausgiebig von den Nazis genutzt, ebenso von den
Kommunisten nach dem Krieg. Nach 1945 wurde hier der polnische
politische Untergrund, die Intelligenzija, und auch jeder andere, den
man als Bedrohung der von den Sowjets kontrollierten Regierung
einstufte, eingekerkert, gefoltert und exekutiert. Das Gefängnis erlebte
seinen Höhepunkt während der Stalin-Ära, als Tausende im Gefängnis
Rakowiecka-Straße, wie es damals von den meisten Polen genannt
wurde, gefangen gehalten wurden. Manchmal nannten sie es allerdings
auch verächtlich bei seinem deutschen Namen: Nacht und Nebel. Ein
Ort ohne Wiederkehr. In seinem Heizkeller wurden zahllose Menschen
ermordet. Offiziell hatten solche Gräueltaten mit Stalin ein Ende
gefunden – was jedoch nicht der Realität entsprach. Auch danach
wurden jahrzehntelang Dissidenten verhaftet und für »Verhöre«
dorthin gebracht.
Der Mann vor ihm war einer von ihnen.
Er war mittleren Alters, nackt, über einen hohen Hocker gebeugt,
Handgelenke und Knöchel an die blutbefleckten Holzbeine gefesselt.
Ein Wärter stand mit gespreizten Beinen vor dem Kopf des
Gefangenen und schlug den Mann auf den Rücken und den nackten
Hintern. Der Gefangene gab unglaublicherweise keinen Ton von sich.
Der Wärter hörte auf, auf den Mann einzuschlagen, schob den
Gefesselten vom Hocker und setzte seine Stiefelsohle auf die Schläfe
des Mannes.
Dieser spuckte Rotz und Blut.
Trotzdem gab er keinen Laut von sich.
»Es ist leicht, Angst zu erzeugen«, sagte der große Mann, der neben
Janusz stand. »Aber es ist noch leichter, sie vorzutäuschen.«
Der große Mann trug die Uniform eines Majors der polnischen
Streitkräfte. Sein Haar war militärisch kurz geschoren, der schwarze
Schnurrbart gestutzt und gepflegt. Er war älter, mittelgroß, aber
muskulös, mit der arroganten und betont selbstbewussten
Persönlichkeit, wie Janusz sie allzu oft bei der Roten Bourgeoisie
wahrgenommen hatte. Die Augen waren dunkle, diamantförmige
Punkte, und es war nichts aus ihnen herauszulesen. Augen wie diese
versteckten immer mehr, als sie enthüllten, und er fragte sich, wie
schwer es sein musste, eine solche Lüge zu leben. Auf einem
Namensschild stand DILECKI. Er wusste von dem Major nur, dass er
den Gefolterten verhaftet hatte.
»Um Angst zu erzeugen«, sagte Dilecki, »muss man einen Großteil
der Bevölkerung dazu bringen, ihre Existenz zu akzeptieren. Das ist
ein hartes Stück Arbeit. Man muss Situationen schaffen, die die
Menschen sehen und spüren können. Es muss Blut vergossen werden.
Terrorismus, wenn Sie so wollen. Aber Angst vortäuschen? Das ist viel
einfacher. Man braucht nur alle zum Schweigen zu bringen, die sich
der Angst nicht beugen wollen. So wie diesen armen Kerl.«
Der Wärter fuhr fort, mit einer Art Reitgerte auf den Mann
einzuschlagen, an deren Spitze ein Metallteil befestigt war. Inzwischen
hatten sich blutige Striemen gebildet. Drei weitere Wärter schlossen
sich an und prügelten auf den Mann ein.
»Vielleicht bemerken Sie«, sagte Dilecki, »dass die Männer
vorsichtig sind. Sie wenden nur so viel Kraft auf, wie nötig ist, um
Schmerzen und Qualen zuzufügen, aber nicht genug, um zu töten. Wir
wollen nicht, dass dieser Mann stirbt. Ganz im Gegenteil. Wir wollen,
dass dieser Mann redet.«
Der Gefangene litt unübersehbar, doch er gönnte seinen Peinigern
anscheinend nicht die Befriedigung, es zu zeigen.
»Ihr habt die Nieren vergessen«, rief Dilecki.
Einer der Wärter nickte und konzentrierte seine Schläge auf den
entsprechenden Körperbereich.
»Diese Organe sind besonders empfindlich«, bemerkte Dilecki.
»Wenn man richtig zuschlägt, braucht man die Leute nicht mal zu
fesseln oder zu knebeln. Sie können sich weder bewegen noch einen
Laut hervorbringen. Es verursacht extreme Schmerzen.«
Seine durchdringende Stimme war völlig gefühllos, und Janusz
fragte sich, was geschehen musste, bevor jemand so unmenschlich
wurde. Dilecki war Pole. Die Wärter waren Polen. Der Gefolterte
ebenfalls.
Wahnsinn.
Das ganze Land war mittels Macht und Propaganda
zusammengehalten worden. Aus dem Nichts heraus hatte sich die
Solidarność-Bewegung erhoben und versucht, mit den Sowjets
fertigzuwerden, doch vor acht Monaten hatte Moskau schließlich
genug von Konzessionen und ihre Zerschlagung befohlen. Über Nacht
waren Zehntausende ohne Anklage ins Gefängnis gesteckt worden,
viele andere hatte man eingefangen und mit Bussen außer Landes
geschafft. Menschen verschwanden einfach. Sämtliche
Demokratiebewegungen wurden verboten und alle ihre führenden
Köpfe inhaftiert, darunter auch der berühmte Lech Wałęsa. Die
Machtübernahme des Militärs war schnell und koordiniert über die
Bühne gegangen. Inzwischen patrouillierten in den Straßen aller
größeren Städte Soldaten. Man hat eine Ausgangssperre verhängt, die
Landesgrenzen dichtgemacht, Flughäfen geschlossen und
Kontrollposten an Einfahrtsstraßen zu den größeren Städten
aufgestellt. Telefonverbindungen wurden entweder unterbrochen oder
abgehört, Post wurde zensiert und der Unterricht in Schulen und
Universitäten ausgesetzt.
Es hatte auch Tote gegeben.
Niemand kannte die genauen Zahlen.
Eine Sechstagewoche wurde angeordnet. Die Medien, die
Staatsbetriebe, die Gesundheitsfürsorge, die Versorgungsunternehmen,
die Kohleminen, Häfen, das Schienennetz und die meisten wichtigen
Industriebetriebe wurden der Aufsicht des Militärs unterstellt. Zur
Zerschlagung gehörte auch ein Prozess, bei dem die Einstellung jedes
Einzelnen zum herrschenden Regime überprüft wurde. Bestandteil des
neuen Loyalitätsbeweises war ein Dokument, mit dem sich der
Unterzeichner verpflichtete, alle Aktivitäten einzustellen, die in den
Augen der Regierung eine Bedrohung hätten darstellen können.
Dadurch waren viele ins Netz gegangen, darunter auch er selbst.
Offenbar waren seine Antworten nicht zufriedenstellend gewesen,
obwohl er gelogen hatte, so gut er konnte.
Die Schläge hörten einen Moment lang auf.
Er zwang sich nachzudenken und fragte: »Wer ist dieser Mann?«
»Ein Mathematikprofessor. Er wurde verhaftet, als er ein
Solidarność-Treffen verließ. Dadurch gilt er definitionsgemäß nicht
mehr als unschuldig.«
»Weiß er etwas?«
»Deshalb wird ja das Verhör durchgeführt«, sagte Dilecki.
»Manchmal stochern wir nur im Nebel. Was er weiß, wird sich noch
herausstellen.«
Sie schwiegen für einen Moment.
»Verhöre haben auch noch andere Nutzen. Sie schüchtern diejenigen
ein, die nicht gefoltert wurden, wodurch wir ihren Widerstand brechen
und sie … fügsamer machen.«
Jetzt begriff er, warum er hier war.
Dilecki sah ihn durch zusammengekniffene Lider scharf an. »Sie
hassen mich, nicht wahr?«
Lügen war sinnlos. »Absolut.«
»Ist mir egal. Denn ich will, dass Sie mich fürchten.«
Janusz’ Beine begannen zu zittern.
Dilecki richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Gefangenen
und machte ein Zeichen. Einer der Wärter trat den Hocker um, sodass
der geschlagene Mann hart auf den Zementboden fiel. Seine
Handgelenke und Knöchel wurden losgebunden, und der blutige
Mann krümmte sich vor Schmerzen. Dennoch schrie er nicht und
sagte auch kein Wort.
Das war beeindruckend.
Tatsächlich sogar noch stärker als Dileckis Furcht davor, betrogen
zu werden.
Also nahm er sich diesen Mut zum Vorbild und fragte: »Was haben
Sie mit mir vor?«
»Ich will, dass Sie die Augen und Ohren offen halten und mir sagen,
was Sie sehen und hören. Ich will, dass Sie mir alles berichten, was Sie
wissen. Ich will Informationen über unsere Freunde und unsere
Feinde. Wir gehen einer großen Krise entgegen und brauchen die Hilfe
von Menschen wie Ihnen.«
»Ich bin niemand.«
»Was Sie zum perfekten Spion macht.« Dilecki lachte. »Und wer
weiß? Eines Tages werden Sie vielleicht eine große Nummer.«
Ihm war bewusst, was die Befürworter und Unterstützer des
Kriegsrechts gerne sagten. Polen war von der UdSSR, der DDR, der
Tschechoslowakei, der Ukraine und Weißrussland umgeben, alles
Staaten, die von den Sowjets kontrolliert wurden. Man hatte in Polen
das Kriegsrecht angeblich verhängt, um das Land vor einer möglichen
Militärintervention durch jene Staaten des Warschauer Paktes zu
bewahren – wie sie 1956 in Ungarn und 1968 in der
Tschechoslowakei geschehen war, als die Sowjets jegliche Opposition
niederschlugen. Doch niemand glaubte ernsthaft solchen Unsinn. Es
ging den Mächtigen einzig und allein um ihren Machterhalt.
Der Kommunismus existierte nur durch Unterdrückung.
Der polnische Kommunismus wirkte wie eine seltsame Mischung
von Sozialismus und Faschismus; eine kleine Gruppe kontrollierte alle
anderen und die Ressourcen, während die überwältigende Mehrheit in
Hunger und Armut lebte.
Der Gefangene auf dem Fußboden regte sich, sein geschundener
Körper verdrehte sich, wie von einer furchtbaren Arthritis gepeinigt.
Einer der Wärter trat ihn in den Leib, und aus dem Mund des Mannes
spritzte Erbrochenes. Einerseits wollte Janusz dem Mann unbedingt
helfen, andererseits wollte er einfach nur entkommen und alles tun
und sagen, was dazu nötig war. Dilecki stellte wie ein fordernder
Schulmeister jede Schlussfolgerung und jede Aussage infrage und ließ
ihn nicht zur Besinnung kommen. Ihm blieb keine andere Wahl. »In
Ordnung. Ich werde tun, was Sie verlangen.«
Dilecki stand auf, hielt die Hände leicht gefaltet; sein prüfender
Blick haftete an ihm. »Vergessen Sie eines nie: Falls Sie mich anlügen
oder versuchen, mich zu täuschen oder sich vor mir zu verstecken,
wird man Sie schließlich auch an einen Hocker fesseln.« Seine
schmalen Lippen verzogen sich zum Anflug eines Lächelns. »Aber
genug der Drohungen. Sie haben sich richtig entschieden, Genosse. So
wie es in der Hymne heißt. Polen wird bestehen, solange wir noch
leben.«
»Und was … fremde Mächte … uns genommen … das werden wir
… mit dem Säbel … zurückholen.«
Die Worte kamen von dem Gefangenen, der in seinem Erbrochenen
auf dem Boden lag. Man hatte ihn geschlagen, und er blutete, doch er
unternahm keinen Versuch, den Triumph in seiner Stimme zu
verbergen, als er die zweite Zeile der Nationalhymne wiederholte.
Diese Worte waren jedem Polen heilig.
Janusz würde sie nie vergessen.
GEGENWART
1

Dienstag, 4. Juni
Brügge, Belgien

Cotton Malone hasste es, wenn zwei plus zwei fünf ergab. In seinem
früheren Beruf als Offizier im amerikanischen Nachrichtendienst war
es überaus häufig zu diesem beunruhigenden Ergebnis gekommen. Ob
man es Berufsrisiko oder einfach nur Pech nannte, tat nichts zur
Sache. Ungenaue Berechnungen brachten keine brauchbaren Resultate.
So wie jetzt.
Er stand in der Heilig-Blut-Basilika – die Belgier nannten sie Heilig
Bloedbasiliek –, ein düsteres Gebäude aus dem 12. Jahrhundert, das
eine der heiligsten Reliquien Europas beheimatete. Die alte Kirche
schmiegte sich in eine Ecke des Burgplatzes, eingezwängt zwischen
dem alten Rathaus und einer Reihe moderner Läden. Er war nach
Brügge zur größten europäischen Messe für antiquarische Bücher
gereist, die er bereits mehrfach besucht hatte. Er bevorzugte sie sogar
vor allen anderen. Nicht nur, weil er die Stadt liebte, sondern auch,
weil es dort den besten Nachtisch der Welt gab.
Dame blanche. White Lady.
Vanilleeis, getränkt in warmer belgischer Schokolade, mit einem
Klacks Schlagsahne. Drüben in Amerika nannte man so etwas
Sundaes. Nichts Besonderes. Aber hier war das anders. Die
Einheimischen hatten das Dessert zu einer Kunstform erhoben. Jedes
Café hatte seine eigene Version, und er war fest entschlossen, heute
nach dem Abendessen eine neue Variante davon zu genießen.
Aber jetzt war er hier, um sich ein Spektakel anzusehen. Eines, von
dem er zuvor schon gehört, das er aber noch nie mit eigenen Augen
gesehen hatte. Früher fand es nur einmal pro Woche statt, jetzt täglich,
entweder morgens zwischen 11 Uhr und Mittag oder zwischen 14 und
16 Uhr am Nachmittag, wie einem Aushang an der Tür zu entnehmen
war.
Es gab sogar einen Namen dafür.
Die Verehrung des Heiligen Blutes.
Der Legende nach wurde der Leichnam Christi nach der Kreuzigung
Joseph von Arimathäa übergeben. Er säuberte ihn mit ernster Hingabe
und sammelte alles Blut, das aus den Wunden strömte, in einem
heiligen Gefäß, das er angeblich seinen Nachkommen vererbte. Je
nachdem, welcher Version man glaubte, fanden Tropfen dieses Blutes
entweder im 12. Jahrhundert über Jerusalem oder im 13. Jahrhundert
über Konstantinopel ihren Weg nach Brügge.
Niemand wusste, welche Legende der Wahrheit entsprach.
Jedenfalls war das Blut hiergeblieben, und manchmal wurde es vor
den Calvinisten, vor Revolutionären und Eroberern versteckt. Seit
Jahrhunderten kamen Pilger, um es zu sehen. Sie wurden durch eine
päpstliche Bulle aus dem 14. Jahrhundert dazu ermutigt, in der allen,
die vor der Reliquie beteten, ein Ablass zugesichert wurde. Die ganze
Sache galt als überaus seltsam, zumal nirgendwo in der Bibel erwähnt
wird, dass das Blut Christi erhalten geblieben sei.
Das hatte die Gläubigen aber nicht abgeschreckt.
Die Basilika bestand aus zwei Kapellen. Die untere war düster und
romanisch, die obere hell und gotisch. Sie war zweimal zerstört und
jedes Mal wieder aufgebaut worden. Er schaute sich in der oberen
Kapelle um: Die drei hoch aufragenden, reich verzierten Kirchenschiffe
lenkten die Blicke gen Himmel. Die goldenen Strahlen der
Nachmittagssonne sickerten durch eindrucksvolle Buntglasfenster ins
Kircheninnere. Über ihm erstreckte sich eine prachtvolle Decke, die
wie ein umgedrehtes Boot aussah, und alles war mit atemberaubend
schönen Holzintarsien versehen. Eine brünierte, kugelförmige Kanzel
hing hoch oben an einer Wand. Vor einer Reihe weit hinaufreichender
Wandmalereien, die in prächtigen Farben – dem Ort angemessen – den
blutenden Jesus Christus darstellten, stand ein vergoldeter Altar. Auf
den Holzbänken vor der Altarschiene saßen viele Touristen, während
andere damit beschäftigt waren, Fotos zu schießen.
Doch zurück zu jener seltsamen Mathematik, bei der zwei plus zwei
fünf ergab.
Es begann mit drei Männern.
Sie sahen anders als die übrigen Besucher aus. Jung, vorsichtig, seit
Tagen unrasiert, mit glatten, ebenmäßigen Gesichtern. Auch ihre
Minen unterschieden sich von denen der Menschen um sie herum, so
als hätten sie einen wichtigeren Grund, hier zu sein, als eine bloße
Besichtigung. Ihre Konzentration beunruhigte Cotton, er spürte jene
Anspannung, die ihm verriet, dass es sich bei ihnen nicht um Touristen
handelte. Seine Alarmglocken schrillten endgültig, weil sie sich
strategisch in der Nähe der Außenmauern der Kapelle verteilten, mehr
aufeinander als auf ihre unmittelbare Umgebung konzentriert.
Er sah auf seine Armbanduhr. 14 Uhr.
Eine Glocke ertönte.
Die Show begann.
Im seitlichen Kirchenschiff, hinter den Gewölbebögen, öffnete sich
eine Tür und ein Priester trat heraus.
Die Zeremonie hatte begonnen.
Ein Prälat im Ornat trug ein rechteckiges Glaskästchen. Darin lag
die Reliquie auf einem roten Seidenkissen. Die Phiole selbst, die etwas
blutgetränkte Schafwolle enthielt, war ungefähr zehn Zentimeter hoch
und drei Zentimeter im Durchmesser. Sie bestand vorwiegend aus
klarem byzantinischem Bergkristall. Ihren Hals hatte man mit einem
goldenen Faden umwickelt, dessen Enden mit Wachs versiegelt waren
– eingebettet in einen größeren Glaszylinder, dessen goldene Krone mit
Engelsdarstellungen verziert war. Cotton hatte ein wenig über den
äußeren Zylinder gelesen und wusste, dass ein Datum mit römischen
Ziffern in den Rahmen eingraviert war.
3. Mai 1388.
Der Priester schritt mit überaus frommer Miene durch die Kapelle
auf einen Barockaltar aus weißem Marmor mit roter Samtdecke zu,
der als Thron der Reliquie bezeichnet wurde. Vorsichtig stellte der
Prälat das gläserne Kästchen auf den Altar, dann setzte er sich auf
einen Stuhl, damit die Gläubigen vor der Reliquie beten konnten.
Doch zuerst mussten sie etwas spenden.
Links bildete sich eine Schlange, dort stand ein anderer Priester vor
einer Kollektenschale. Die Menschen warfen dort Euros hinein, bevor
sie die niedrige Treppe bestiegen und ein paar stille Momente mit der
Reliquie verbrachten. Cotton fragte sich, was geschähe, wenn jemand
keine Münze fallen ließe und die Reliquie dennoch verehren wollte.
Würde man ihn abweisen?
Die drei Amigos hatten ihre Positionen verändert und waren mit
allen anderen aus dem Hauptschiff zur Seitenkapelle gegangen.
Mehrere Kirchendiener dirigierten die Menge und brachten jeden zum
Verstummen, der seine Stimme zu laut werden ließ. Fotografieren, mit
dem Finger darauf zeigen, filmen, glotzen und spenden war jedoch
erlaubt.
Gespräche waren dagegen eher nicht erwünscht.
Einer der Amigos arbeitete sich zur Schlange der Betenden vor. Die
beiden anderen hielten sich im Hintergrund in der Nähe der
Gewölbebögen und betrachteten das Spektakel aus zehn Metern
Entfernung. Eine Batterie von Votivkerzen trennte den Thron der
Reliquie von den Gläubigen; es waren ein paar Hundert kleine
Glassockel, in vielen davon flackerten Flammen. Einige der Besucher
traten heran und entzündeten eigene Kerzen. Danach warfen sie
selbstverständlich eine Münze in einen Metallkasten.
Immer wieder stiegen Menschen zur Reliquie hinauf, hielten dort
für ein paar Augenblicke inne, beteten und bekreuzigten sich. Die
beiden Amigos, die sich im Hintergrund gehalten hatten, trugen
Rucksäcke. Obwohl auch viele andere Besucher Rucksäcke
dabeihatten, schien mit denen der beiden etwas nicht zu stimmen.
Er hatte zwölf Jahre für das Justizministerium beim Magellan Billet
gearbeitet, nachdem er zuvor bei der Navy gewesen war und einige
Zeit als Anwalt beim Obersten Militärgerichtshof gearbeitet hatte.
Jetzt lebte er im vorgezogenen Ruhestand und war Besitzer eines
Antiquariats in Kopenhagen. Er nahm gelegentlich Aufträge von
Regierungen und Geheimdiensten an, die ihm ein gutes
Nebeneinkommen verschafften, aber heute war er nicht im Dienst. Er
war nur Tourist. Und anscheinend zur falschen Zeit am richtigen Ort.
Hier war etwas im Gange.
Etwas, von dem ihm alle Instinkte in seinem fast fünfzig Jahre alten
Nervensystem sagten, dass es nichts Gutes war. Es war wirklich
schwer, alte Gewohnheiten abzulegen.
Der Amigo in der Warteschlange näherte sich der Opferschale, warf
eine Münze hinein und stieg danach die wenigen Stufen zum
Marmortisch hinauf, wo der stoische Priester Wache hielt. Die beiden
anderen Amigos nahmen ihre Rucksäcke ab und öffneten die
Reißverschlüsse. Das Klingeln der Alarmglocken in Cottons Kopf
wurde einen Ton schriller, er konnte den Roboter aus LOST IN SPACE,
der alten Science-Fiction-Serie, hören. GEFAHR, WILL ROBINSON.
Ein Amigo zückte eine Waffe, der andere hielt etwas, das wie ein
Metallzylinder aussah. Er zog den Stift und warf die Dose in die
Seitenkapelle.
Eine Granate?
Sofort stieg dichter Qualm auf.
Nein.
Ein Ablenkungsmanöver.
Cottons Überlegungen wurden durch den scharfen Knall der Waffe
durcheinandergebracht, die zweimal in die Decke abgefeuert wurde.
Es regnete Gips und Holzsplitter. Schnell breitete sich Panik aus, eine
Frau kreischte. Man hörte laute Stimmen. Noch mehr Geschrei. Die
Menschen bewegten sich wie eine Herde auf den einzigen Ausgang zu,
eine reich verzierte Wendeltreppe, die nach unten führte. Es waren
circa hundert Menschen, die alle nach draußen drängten und ein
Chaos erzeugten.
Dann knallte ein weiterer Schuss.
Eine dichte graue Rauchwolke zog ins Hauptschiff hinein und
verhinderte den Blick in die Seitenkapelle und zum Reliquiar. Cotton
schob sich durch die Menge und steuerte auf den Qualm zu. Durch
den Nebel sah er, wie der Amigo, der in der Schlange gestanden hatte,
den Priester zur Seite stieß. Ein neuer Schwung aufgeregter Besucher
stand wie eine Wand zwischen ihm und den drei Amigos, die sich
gegen den Strom fortbewegten. Er drängelte weiter, die zwei anderen
Amigos bogen zum dritten Mann ab, der das Glaskästchen mit der
Reliquie zerstörte. Der Priester stürzte sich auf sie und versuchte den
Diebstahl zu verhindern, aber einer der Amigos schlug dem alten
Mann die Faust ins Gesicht, sodass er zu Boden ging.
Was war das hier?
Ein klassischer, schneller Raubüberfall?
Danach sah es jedenfalls aus.
Und es funktionierte.
Bestens.
Die drei Amigos steuerten auf die Seitentür zu, aus der der Priester
herausgekommen war und die mit Sicherheit in die hinteren Räume
der Basilika führte. Wahrscheinlich ging es von dort auch nach unten.
Und das hieß, dass diese Kerle ihre Hausaufgaben gemacht hatten.
Cotton ließ die letzten panischen Touristen hinter sich und ging in
die Seitenkapelle. Das Atmen fiel ihm schwer, er hustete Rauch aus
und seine Augen tränten. Er sorgte sich um den Priester, deshalb lief er
zum Altar, wo der alte Mann auf dem Boden lag.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
Der Mann war angeschlagen, sein rechtes Auge rot und
geschwollen. Er umklammerte Cottons rechten Arm: »Sie müssen es
… zurückholen.«
Die drei Amigos waren verschwunden.
Die Polizei war bestimmt schon unterwegs. Jemand musste sie
angerufen haben. Doch sie würden nicht viel zur Ergreifung der Diebe
tun können, denn die waren kurz davor, in die geschäftigen Straßen
von Brügge abzutauchen.
Er schaltete in den Aktionsmodus.
Das Sightseeing war vorbei.
»Ich werde es zurückholen.«
2

Slowakei

Einschüchterung war ein Aspekt seines Geschäfts, den Jonty Olivier


hasste. Er hielt sich für einen wohlerzogenen Gentleman, einen Mann
mit exquisitem Geschmack, einen Connaisseur alter Weine und guten
Essens. Einen gebildeten Menschen, der seine Freizeit überwiegend mit
dem Studium der Klassiker verbrachte. Selbst sein Name beschwor
Filmadel herauf. Oli-vi-je. Wie in Sir Laurence Olivier. Darüber hinaus
war er ein Vollprofi. Seine Spezialität? Informationen. Sein Ruf? Der
eines Mannes, der exakt das liefern konnte, was man wissen wollte.
Interessierte man sich für das unbekannte Vermögen eines potenziellen
Geschäftspartners oder möglichen Käufers? Kein Problem. Wie viele
Automatikgewehre und wie viel Munition Boko Haram letzten Monat
nach Nigeria importiert hatte? Ganz einfach. Was die kolumbianische
Revolutionsarmee bei den nächsten bilateralen Gesprächen fordern
wird? Etwas schwieriger, aber machbar. Welche Pläne die Hisbollah-
Mudschaheddin in Kaschmir verfolgten, oder wie der Euro am Ende
des heutigen Geschäftstages von den Devisenmärkten der EU bewertet
wird? Beides nicht ganz leicht, doch seine Antworten kämen der
jeweiligen Sache recht nahe. Außerdem gewährte er einen
Preisnachlass, falls er sich nicht hundertprozentig sicher war, denn im
Großen und Ganzen waren auch unvollständige Informationen
weitaus besser als gar keine. Sein Motto? Scientia potentia est. Sir
Francis Bacon hatte recht gehabt.
Wissen ist Macht.
Aber Wissen zu beschaffen war eine Herausforderung. Gier war und
blieb eine universale Motivation, deshalb klappte es für gewöhnlich
mit Geld. Tauschgeschäfte brachten ebenfalls Ergebnisse. Er hatte
auch nichts gegen harte Verhandlungen, weil das nun einmal
dazugehörte.
Aber Spitzel? Spitzel verachtete er.
Die Arme und Beine des Mannes, der vor ihm saß, waren mit
Klebeband an einen Metallstuhl gefesselt. Ein Draht schlängelte sich
durch den Mund in die Speiseröhre hinunter. Seine Stärke war
sorgfältig bemessen: Er war fein genug, um keinen Würgereflex
auszulösen, aber ausreichend dick, um seinen Zweck zu erfüllen. An
seinem Ende hing ein stromleitender Haken aus Metall, während sich
am anderen Ende ein Gleichstromtransformator befand. Ein Amateur
hätte ihn von außen bearbeitet und die Informationen aus ihm
herausgeschnitten, -gequetscht, -geschlagen oder -getreten. Er
bevorzugte eine verfeinerte Herangehensweise. Diese Technik
vermittelte ein viel tieferes und schmerzhafteres Unbehagen und hatte
außerdem den Vorteil, keine Spuren zu hinterlassen.
Er zeigte mit dem Finger auf ihn. »Wer hat Sie geschickt?«
Keine Antwort. Er warf einen kurzen Seitenblick zu seinem
Mitarbeiter. Vic DiGenti arbeitete schon lange mit ihm zusammen.
Ihre Wege hatten sich zuerst in seinem früheren Geschäftsfeld
gekreuzt, und bei jener Gelegenheit hatte er erlebt, dass Vic mit
nahezu allem fertigwurde. Gott sei Dank. Jeder brauchte einen Helfer.
Laurel hatte Hardy, Dean Martin hatte Jerry Lewis. Er hatte Vic.
Einen dünnen, knorrigen Mann mit glattem schwarzem Haar und
schmalen grauen Augen. Einen Mann von wenig Worten, der aber sehr
diskret und absolut loyal und dabei frei von jeglicher Gier war.
Er machte ein Zeichen, und Vic betätigte den Regler des
Transformators.
Der Mann, der an den Stuhl gefesselt war, riss die Augen weit auf,
als elektrischer Strom durch das dünne Kabel seine Kehle
hinunterfloss. Er verkrampfte sich und zerrte an den Fesseln. Er gab
kein Geräusch von sich, weil ein Nebeneffekt dieser speziellen
Überzeugungsmethode die Unfähigkeit zu schreien war. Vic wusste,
wann er aufhören musste, und stellte nach fünf Sekunden den Strom
ab.
Die Krämpfe lösten sich.
Aus den Mundwinkeln des Mannes tropfte Speichel.
Es war etwas unappetitlich, aber damit hatte er gerechnet.
»Sollen wir es Ihnen noch einmal demonstrieren?«, fragte er. »Das
lässt sich auf jeden Fall einrichten. Aber ich bitte Sie, zwingen Sie mich
nicht dazu.«
Der Mann schüttelte den Kopf hin und her; er atmete schwer und
angestrengt.
Die gekalkten Wände, die ihn umgaben, rochen feucht und muffig,
und er wäre jetzt am liebsten woanders gewesen. »Ich werde meine
Frage noch einmal stellen. Es ist lebenswichtig, dass Sie antworten. Ist
das klar?«
Der Mann nickte.
»Für … wen … arbeiten … Sie?«
Schweigen.
Er atmete lange und erschöpft aus.
Vic schickte erneut fünf Sekunden lang elektrischen Strom durch
den Körper des Mannes. Sie mussten vorsichtig sein, denn Gleichstrom
tötete, wenn man ihn nicht richtig dosierte.
Dieser Spion war gestern in Bratislava gefasst worden. Er und Vic
waren da gewesen, um in letzter Minute noch ein paar Dinge
glattzubügeln. Sie hatten beide bemerkt, dass sie beobachtet wurden,
und sich Reflexionen auf Autos und gelegentliche Seitenblicke zunutze
gemacht, um den Verfolger zu identifizieren. Dann hatten sie sich
einem Tross von Schaufensterbummlern angeschlossen und bestätigt
gefunden, dass sie verfolgt wurden. Vic, der stets wachsam war, hatte
es geschafft, sich ihr Problem zu schnappen, ohne Aufmerksamkeit zu
erregen.
»Ihnen muss doch klar sein, dass Sie hier ganz auf sich allein gestellt
sind«, betonte Jonty. »Niemand kommt, um Sie zu retten. Muss ich
Ihnen eine weitere Demonstration geben?«
»Ich war da, um … Sie zu überprüfen. Und so viel herauszufinden
… wie ich konnte.«
Er keuchte es mit dem Draht in seiner Kehle; sein Englisch hatte
einen osteuropäischen Akzent.
»Das versteht sich von selbst. Was haben Sie herausgefunden?«
»Überhaupt … nichts.«
Das bezweifelte er. »Haben Sie gemeldet, dass Sie nichts
herausgefunden haben?«
»Noch nicht.«
Bestimmt alles Lügen.
»Wem erstatten Sie Bericht?«
Keine Antwort.
Der Mann war zäh.
Er gab ein Zeichen, und Vic drehte wieder am Regler. Der Körper
stemmte sich fest gegen die Fesseln, bäumte sich auf und verkrampfte.
Diesmal ließ er die Quälerei ein paar Sekunden länger dauern, aber
nicht so lange, dass das Herz dadurch paralysiert wurde. Er nickte,
und Vic unterbrach den Stromkreis. Der Mann sackte bewusstlos im
Stuhl zusammen. Vic brachte ihn mit zwei kräftigen Ohrfeigen wieder
zur Besinnung.
Sie hatten so viel vor. Hatten sieben Einladungen verteilt. Fast alle
Eingeladenen hatten Interesse gezeigt. Nur drei Bestätigungen standen
noch aus. Und morgen um Mitternacht drohte die Deadline. Bis dahin
waren es noch etwas mehr als vierundzwanzig Stunden.
»Ich mag keine Spitzel«, sagte er zu dem Mann. »Sie sammeln
Informationen und geben sie dann einfach an ihre Arbeitgeber weiter.
Sie sind meine Hauptkonkurrenten. Zum Glück sind Sie kein guter
Spitzel. Ich habe dreimal gefragt. Wenn Sie mich zwingen, noch einmal
zu fragen, für wen Sie arbeiten, werde ich den Strom fließen lassen, bis
Sie tot sind.«
Er ließ seinen Bluff einen Moment lang wirken.
Eine Regel, an die er sich stets hielt – obwohl er nie davon sprach –,
war es, niemanden zu töten. Aber er würde diesen Mann so weit
bringen, dass er sich wünschte, tot zu sein.
Die bevorstehende Operation war die komplizierteste, die er jemals
unternommen hatte. Eigentlich waren es sogar zwei in einer. Sie waren
beide kompliziert, es gab viele Variablen, und die eine hing von der
anderen ab. Aber für welchen Preis? Oh, die Belohnung. Das eine
Geschäft konnte zwanzig Millionen Euro oder mehr einbringen. Und
das andere? Das war schwer einzuschätzen, aber es konnten fast
hundert Millionen Euro werden. Das reichte, damit er für den Rest
seines Lebens tun konnte, was immer er wollte. Aber wegen dieses
Spitzels könnte nun alles auf dem Spiel stehen.
Er wechselte einen Blick mit Vic.
»Nein. Bitte. Nicht«, bettelte der Mann.
Er sah wieder den Spitzel an. »Beantworten Sie meine Frage.«
»Reinhardt hat mich geschickt.«
Als er den Namen hörte, lief ihm ein Schauer den Rücken herunter.
Sein Erzfeind.
Er hätte nie damit gerechnet, von ihm beobachtet zu werden.
Dann sah er wieder zu Vic.
Der Regler wurde abermals gedreht.
3

Cotton floh durch eine Seitentür aus der verqualmten Kapelle und
betrat einen kleinen Vorraum. Liturgische Gewänder hingen an einer
Garderobe, woraus sich schließen ließ, dass die Priester hier vor der
Messe ihre Talare anlegten. Er war selbst Messdiener gewesen – bis zu
seinem dreizehnten Lebensjahr, als all seine Fragen aus ihm
herausdrängten. Der Katholizismus war wirklich gut darin, das Was
zu erklären, aber beim Weshalb haperte es. Teenager hatten jede
Menge Fragen, und als die Antworten ausblieben, kam er zu dem
Schluss, dass es nichts für ihn war, katholisch zu sein. Deshalb löste er
sich davon. Wenn man ihn jetzt nach seiner Religion fragte,
antwortete er immer, dass er ein geborener Katholik sei, den Glauben
aber nicht praktiziere. Das erklärte vielleicht, weshalb er jetzt gleich
die Ärmel hochkrempelte.
War er der Kirche etwas schuldig?
Nicht unbedingt, aber er fühlte sich trotzdem zuständig.
Er lief aus dem Vorraum in einen kleinen Flur, der an einer weiteren
Treppe nach unten endete. Diese ließ sich nicht mit dem prachtvollen
Haupteingang vergleichen, aus dem die Menge nach draußen geströmt
war, als alles begonnen hatte. Hier gab es nur schmale Holzstufen. Er
lief hinunter, gelangte an eine Tür, die ins Freie führte, und wurde vom
Licht der Nachmittagssonne geblendet. Eine Menschenmenge füllte
den Platz vor dem alten Rathaus. Verängstigte Touristen aus der
oberen Kapelle drängten sich zu nervösen Haufen zusammen. Er ließ
den Blick über die Menge schweifen und suchte nach Hinweisen auf
die drei Amigos. Am gegenüberliegenden Ende des mit Kopfsteinen
gepflasterten Platzes entdeckte er sie; sie waren drauf und dran, um
eine Ecke zu biegen und zu verschwinden. Die Reliquie war nicht zu
sehen; sie befand sich höchstwahrscheinlich in einem der Rucksäcke.
Brügge war ein architektonisches Kleinod der Gotik. In seinem oval
geformten historischen Stadtkern gab es nur wenige Autos, aber dafür
viele Menschen und Fahrräder. Eine Ringstraße hielt den Verkehr aus
der Innenstadt heraus, aber sie war kreuz und quer von Kanälen
durchzogen, denen sie ihren Beinamen verdankte: das Venedig des
Nordens. Brügge war Belgiens wichtigste Touristenattraktion mit
einem Gewirr gekrümmter Straßen, die von bunten Gildehäusern
gesäumt wurden. Auf dem alten Marktplatz fanden einst
Handelsmessen, mittelalterliche Turniere und sogar Hinrichtungen
statt. Viele der mehrstöckigen, bunten Fassaden waren erhalten
geblieben. Straße um Straße bildeten sie ein lebendiges Museum, was
der Stadt den ehrenhaften Status eines Weltkulturerbes eingetragen
hatte.
Mit solchen Städten hatte er schlechte Erfahrungen gemacht.
Dabei hatte er nie absichtlich Schaden verursacht.
Aber manche Dinge passierten einfach.
Er setzte den Amigos nach und folgte ihnen um die Straßenecke. Sie
hatten fast hundert Meter Vorsprung und bewegten sich zwischen zwei
Reihen von Giebelhäusern. Sie hielten ihre Flucht für gelungen, denn
sie wirkten kaum nervös, sondern eher lässig. Er beschloss, den
Abstand zu verringern, und fing an zu laufen. In dieser Nebenstraße
waren nicht viele Menschen unterwegs, weil sie von den
Hauptattraktionen weg und zur äußeren Ringstraße führte.
Er schaffte es, die Distanz bis auf fünfzig Meter zu verringern.
Einer der Amigos bemerkte plötzlich, dass sie verfolgt wurden. Er
stieß die beiden anderen an, damit sie mitbekamen, dass sie bei ihrer
Flucht beobachtet worden waren.
Sie fingen an zu laufen.
Großartig.
Cotton stürmte voran.
Die Straße endete an einer der gewölbten Brücken, was darauf
schließen ließ, dass gleich ein Kanal folgte. Die Amigos liefen auf die
andere Seite und verschwanden nach rechts. Cotton legte einen Zahn
zu und sah, dass sie eine Steintreppe zu einem Anleger
hinunterrannten, wo ein Boot wartete. Die drei Diebe sprangen hinein,
starteten den Motor und fuhren schnell los, unter der Brücke
hindurch, auf der er sich befand, und verschwanden auf der anderen
Seite.
Zwei der Amigos winkten ihm lässig zu.
Auf seiner Seite des Kanals entdeckte er eines der vielen Boote mit
offenem Verdeck und zwanzig freien Sitzplätzen, das auf den nächsten
Schwung Touristen wartete, die gerade Tickets für eine Runde auf dem
Wasser lösten. Am Schalter hatte sich eine Schlange gebildet, die Kasse
war noch nicht geöffnet. Er drängte sich bis an den Anfang der
Schlange und ging dann weiter. Der Angestellte am Ticketschalter rief
laut. Er ignorierte den Befehl, stehen zu bleiben, und eilte die
vermodert riechenden, feuchten Steinstufen hinunter. Unten wartete
ein Mann, wahrscheinlich der Kapitän des Ausflugsbootes, der den
illegalen Zutritt mit Gesten abzuwehren versuchte. Cotton rammte
dem Mann sein Knie so fest in den Bauch, dass er sich krümmte.
»Tut mir leid«, murmelte er.
Er sprang ins Boot, dessen Motor im Leerlauf war, und löste die
beiden Festmacherleinen. Dann nahm er den Gashebel und schob ihn
nach vorn, sodass der Diesel mit einem gurgelnden Tschuck-tschuck
zum Leben erwachte. Das Boot setzte sich in Bewegung; er kurbelte
am Steuerrad und richtete den Bug auf die drei Amigos aus. Er war
schon einmal auf einem dieser Boote gewesen und hatte damit ein paar
Kanalfahrten durch Brügge unternommen. Sie tuckerten
normalerweise im Schneckentempo voran, damit man sich alles
ansehen konnte, und er hatte sich immer gefragt, ob vielleicht noch
mehr Leistung unter der Haube war.
So war es.
Er gab Vollgas.
Der Propeller beschleunigte, und der Bug hob sich, er pflügte durch
das braune Wasser des engen Kanals und zog dabei weiße Gischt
hinter sich her. Cotton fuhr wieder unter der Fußgängerbrücke durch
und kam auf der anderen Seite heraus, wo der Kanal nach links
abknickte, vorbei an einem Ensemble von Sandsteingebäuden, deren
Fassaden durch Kletterpflanzen aufgelockert wurden. Es ging noch
einmal scharf nach rechts, dann wurde die Wasserstraße wieder
gerade. Der Abschnitt vor ihm wurde von weiteren efeubewachsenen
Häusern und Holzfassaden gesäumt.
Er fuhr unter den rostigen Trägern der nächsten Spannbrücke
durch.
Die drei Amigos hatten einen soliden Vorsprung, aber sie fuhren
offenbar nicht übermäßig schnell, weil sie sich bereits in Sicherheit
wähnten.
Deshalb gelang es ihm, den Abstand zu verringern.
Der Kanal war ungefähr fünfzehn Meter breit und auf beiden Seiten
von hohen Mauern eingefasst, hinter denen Bäume aufragten. An der
nächsten Abzweigung kam plötzlich ein anderes Ausflugsboot von
rechts. Er riss das Steuerrad nach links und passierte das andere Boot
knapp vor dem Bug. Dabei wurden die meisten Fahrgäste des anderen
Bootes von seinem Kielwasser nass gespritzt. Er machte eine
entschuldigende Geste, fuhr aber weiter geradeaus und konzentrierte
sich auf die Stelle, wo sich der Kanal an einer T-Kreuzung zu einer
größeren Wasserfläche verbreiterte. Die drei Amigos warteten an
dieser Stelle, ihr Boot dümpelte quer zu seiner Fahrtrichtung, und zwei
der Männer zielten mit Waffen in seine Richtung.
Sie fingen an zu schießen.
Cotton war nahezu mit Höchstgeschwindigkeit in ihre Richtung
unterwegs und kam ihnen immer näher. Er duckte sich unter die
Windschutzscheibe, sodass die Kugeln an ihm vorbeiheulten. Das Boot
der Amigos fuhr ein Stück nach vorn, sodass er nicht mehr nach links
abbiegen konnte. Währenddessen wurde unablässig geschossen. Es
war zu spät, um noch nach rechts abzubiegen. In dem langen,
rechteckigen Wasserbecken war nicht genug Platz für eine Wende,
ohne die Einfassungsmauer zu rammen.
Ihm blieb keine Wahl.
Er sprang ins Wasser.
Das Boot fuhr führerlos weiter, aber es schaffte nur noch zwanzig
Meter, bevor es in die Steinmauer krachte und explodierte. Er tauchte
unter die Oberfläche, vergaß dabei aber nicht, was er einmal gelesen
hatte. Bis in die 1980er-Jahre hatte man ungeklärte Abwässer in die
Kanäle eingeleitet. Hoffentlich waren nach vier Jahrzehnten der
Reinigung alle Gefahren beseitigt.
Er streckte den Kopf aus dem Wasser.
Die drei Amigos waren verschwunden.
Aus dem Kanal herauszukommen konnte sich als Problem erweisen.
Er sah weder Leitern noch Stufen an den Mauern, die die Wasserstraße
einfassten.
Ein Polizeiboot mit Blaulicht raste in seine Richtung. Sein
ausgeliehenes Boot war ein brennendes Wrack, das langsam im Kanal
versank. Das Polizeiboot fuhr längsseits. Zwei Uniformierte hielten
ihre Waffen in den Händen und zielten auf ihn. Sie wirken nicht
besonders freundlich.
Aus dem Wasser herauszukommen war also kein Problem mehr.
Doch wo würde er schließlich landen?
Das konnte ein großes Problem werden.
4

Jonty goss sich einen großzügigen Schluck Krupnik ein. Das Getränk
hatte ihm schon immer geschmeckt. Eine einzigartige Kombination
aus Honig, Kräutern und Gewürzen wurde aufgekocht, gesiebt und
dann mit Wodka vermischt. Der Legende nach stammte das Rezept
von Benediktinermönchen aus Weißrussland und hatte sich bis nach
Polen verbreitet. Normalerweise wurde es warm serviert, doch er
bevorzugte Zimmertemperatur.
Er nippte an dem Gebräu; der starke Schnaps wirkte beruhigend
und schien alle Ecken und Kanten auszubügeln. Die unschönen Dinge,
die sich im Keller ereignet hatten, steckten ihm noch in den Knochen.
Der neugierige Spitzel war gefesselt und sollte bis Donnerstag bleiben.
Danach wollten sie ihn gehen lassen. Was er von ihm erfahren hatte,
war in vielerlei Hinsicht beunruhigend, und Vic wollte sich mit der
Angelegenheit befassen.
Reinhardt.
Ausgerechnet.
Gandhi hatte es am besten ausgedrückt: Die Bedürfnisse der
Menschheit können gestillt werden, jedoch nicht ihre Habgier.
Das traf auf seinen Erzrivalen zu.
Er sah sich in der alten Bibliothek um.
Die Sturney-Burg schien perfekt zu sein. Es war eine gotische
Festung aus dem 13. Jahrhundert, deren drei Flügel um einen
fünfeckigen Innenhof herum angeordnet waren. Ein stattliches
Haupttor nahm die vierte Seite ein. Die Burg lag strategisch günstig
und war am Rand des Flusses Orava auf einem terrassenförmig
ansteigenden Felshang errichtet worden – fünfzig Kilometer südlich
der polnischen Grenze und weit im Inneren der Slowakei. Fünf Türme,
die jeweils von einer Kuppel gekrönt waren, überragten die Ecken, ein
Balkon beschwor eindringlich Bilder von einer Prinzessin in Not. Die
Burg hatte jahrhundertelang regelmäßig Angriffen durch Türken,
Kosaken und Hussiten getrotzt. Es sah aus, als hätte hier zu keiner
Zeit Armut geherrscht, weil jeder Raum von Wandteppichen und
Antiquitäten aus seiner glorreichen Vergangenheit strotzte. Die
polnischen Kronjuwelen waren während der schwedischen
Besatzungszeit im 17. Jahrhundert hier versteckt gewesen. Im 18.
Jahrhundert hatte man den späteren König Madagaskars hier
eingekerkert. Die Burg gehörte einst den ortsansässigen Adeligen und
wurde in den 1950er-Jahren im Rahmen einer Landreform von den
Kommunisten vereinnahmt. Glücklicherweise waren die offiziellen
Grundbucheinträge nie geändert worden, weshalb das Gebäude nach
der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse seinen früheren
Besitzern zurückgegeben wurde, die jedoch nicht in der Lage gewesen
waren, für den Unterhalt aufzukommen. Inzwischen konnte es samt
Bediensteten und Küchenkräften von Firmen und Einzelpersonen, die
sich den hohen Preis leisten konnten, samt Bediensteten und
Küchenkräften angemietet werden.
Jonty ging zu den Flügeltüren und gelangte von dort auf eine obere
Terrasse. Farbenprächtige Kübelpflanzen säumten die Außenmauern.
So weit das Auge reichte, zogen sich Birken, Tannen, Kiefern und
Fichten durch ein uraltes Juratal. Die Nordslowakei war spektakulär.
Im Norden ragte die Tatra in den Himmel, das höchste Gebirge der
Karpaten. In den höheren Lagen gab es Schnee – ein Mekka für
Wanderer und Skifahrer.
Notgedrungen lebte er das Leben eines Einzelgängers. Sein Scheitern
bei Frauen betrachtete er philosophisch – es schien ein
wiederkehrendes Thema zu sein, und Männer interessierten ihn nicht.
Aber aufzuspüren, was schwer zu finden war, und es dann zu
verkaufen, das liebte er. Im Gegensatz zu Reinhardt zog er es vor,
eigene Geschäfte anzubahnen, anstatt sie anderen abzujagen. Er hatte
unzählige Geschäfte gemacht, und jedes war auf seine Art profitabel
gewesen. Dabei umging er das Recht, ohne Frage, aber er war nie
offiziell als Bedrohung angesehen worden. Er war sehr bemüht, sich
aus der Politik herauszuhalten, er ergriff für niemanden Partei und
hegte keine Ideale. Er verhielt sich wie die Schweiz und bewahrte sich
in allen Dingen seine Neutralität – sofern es nicht um Profit ging.
Er genoss die schönen Dinge im Leben. Sich nie um Geld zu sorgen
und jederzeit kaufen zu können, was er wollte. An jeden Ort reisen zu
können. Francis Bacon hatte recht gehabt. Geld ist ein guter Diener,
aber ein schlechter Herr. Und nun stand er kurz davor, das größte
Geschäft seines Lebens abzuschließen.
Das leise Klingeln eines eingehenden Anrufs ließ ihn sein Telefon aus
der Tasche ziehen. Das Handy des Tages. Er wechselte es alle drei
Tage, was auf seine tief sitzende Paranoia und das Prinzip gegründet
war, nach dem er schon lange lebte: Es brauchte ihn wirklich niemand
zu finden, wenn er nicht gefunden werden wollte.
»Vorhin wurde das Heilige Blut gestohlen«, meldete Vic. »Und die
Russen haben ihr Kommen bestätigt.«
Er lächelte.
Eine weitere Zusage. Somit waren es fünf. Nun waren nur noch die
Amerikaner und die Deutschen übrig.
»Irgendwelche Probleme?«, fragte er.
»Der Diebstahl in Brügge ist anscheinend glatt über die Bühne
gegangen.«
Gut zu wissen.
»Wir müssen uns vergewissern, dass nichts nach außen gedrungen
ist«, sagte er zu Vic. »Ich mache mir Sorgen wegen unseres
Kellergastes und dem, der ihn geschickt hat.«
Beim Verlassen Bratislavas waren sie besonders vorsichtig gewesen;
der Spitzel hatte gefesselt und geknebelt auf der Rückbank gelegen. Sie
hatten darauf geachtet, dass ihnen niemand folgte und dass ihr Wagen
nicht mit einem Peilsender versehen worden war.
»Kümmere dich sofort darum, Vic«, sagte er. »Reinhardt ist für
mein Gefühl viel zu dicht an uns dran.«
»Verstehe. Ich werde sehen, dass ich bald mehr Informationen
habe.«
»Und was ist mit heute Abend?«
»Es ist alles vorbereitet. Ich fahre in wenigen Stunden in den
Norden.«
Schön zu hören.
Er beendete das Telefongespräch, ging wieder hinein und stellte sein
leeres Glas auf das Nussbaum-Sideboard. Es gab mehrere Gründe,
weshalb er diesen Ort ausgewählt hatte. Erstens war er prachtvoll.
Zweitens konnte man ihn von Krakau aus in zwei Stunden erreichen –
und er lag dabei sicher auf der anderen Seite der Grenze in einem
souveränen Staat. Drittens lebte im Umkreis von zehn Kilometern kein
Mensch. Und viertens gab es hier viel Platz. Ein Ballsaal mit einer
umlaufenden Galerie, ein Speisesaal, ein Dutzend Zimmer in der
ersten Etage, eine großzügige Küche und – was am wichtigsten war –
Dienstbotengänge, durch die man unbemerkt von einem Zimmer ins
nächste kam.
Er liebte Geheimhaltung.
Es war so aufregend, mehr zu wissen als die anderen. Und hier
wusste er etwas, von dem niemand sonst auf der Welt etwas ahnte.
Alle, die über jene Information verfügt hatten, waren schon lange tot.
Es war eine Information, die ihm ganz zufällig in den Schoß gefallen
war, zunächst noch unwichtig, doch inzwischen unschätzbar wertvoll.
Den eigenen Scharfsinn zu benutzen, um seinen Lebensunterhalt zu
verdienen, hatte ihn schon immer fasziniert, ebenso die Gefahr und
der Ruhm, die mit den Intrigen verbunden waren. Ganz zu schweigen
von dem, was es einbrachte. Aber die nackte, kalte Angst, die sich
manchmal wie eine Schlange um sein Herz legte, die hasste er.
Reinhardt.
Ein Problem.
Um das er sich, falls nötig, kümmern wollte.
Aber zuerst musste er den Staatspräsidenten Polens vernichten.
5

Warschau
18.30 Uhr

Präsident Janusz Czajkowski stürmte aus dem Palast zum wartenden


Auto. Er hatte seinen Ausflug sorgfältig geplant und sich unter
Vortäuschung eines jener seltenen Abende, an denen er sich nach dem
Abendessen früh zurückziehen wollte, für den Rest des Tages nichts in
den Kalender eingetragen. Folglich begleitete ihn auch keine Schar
selbstgefälliger Berater. Keine Medienvertreter. Niemand außer seinen
Leibwächtern, alles Agenten des Biuro Ochrony Rządu – BOR –, der
Sicherheitsbehörde für die Regierung. Er hatte für seinen heimlichen
Ausflug zwei Bewaffnete und einen unauffälligen Volvo angefordert.
Die jüngste Ausprägung der Republik Polen existierte seit 1989,
weshalb das Land relativ jung war. Es hatte eine Vorgängerversion
gegeben, aber der Zweite Weltkrieg und die sowjetische Besetzung
hatten deren Fortbestehen unterbrochen. Seit der Wiederauferstehung
hatte es neun Staatspräsidenten gegeben. Die Verfassung schrieb eine
fünfjährige Amtszeit mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl
vor, doch nur einer seiner acht Vorgänger hatte es zu einer zweiten
Amtszeit gebracht.
Die polnische Politik war jedenfalls in Bewegung.
Für den Großteil des Tagesgeschäfts war ein Premierminister
verantwortlich, üblicherweise der Vorsitzende der größten Partei im
Parlament – theoretisch konnte es jeder Parlamentarier sein. Die
Verfassung stattete den Präsidenten mit einem Vetorecht aus, das von
einer Dreifünftelmehrheit im Parlament überstimmt werden konnte.
Der Präsident fungierte als Oberbefehlshaber der Streitkräfte und
konnte eine Generalmobilmachung befehlen. Er ernannte und entließ
Botschafter, begnadigte Kriminelle und konnte gewisse
Gerichtsentscheidungen außer Kraft setzen. Aufgrund der
gegenwärtigen Zwangslage war der Präsident auch der hochrangigste
Vertreter des polnischen Staates und dazu befugt, internationale
Verträge zu unterzeichnen oder zu kündigen.
Wie gut für ihn.
Er stieg in den Wagen, sie entfernten sich vom Palast und verließen
das Gelände durch eine Nebenausfahrt.
Seine erste Amtszeit näherte sich dem Ende.
Die Anforderungen an einen Präsidenten waren einfach. Er musste
polnischer Staatsbürger und am Tag der ersten Wahlrunde mindestens
fünfunddreißig Jahre alt sein und die Unterschriften von
hunderttausend eingetragenen Wählern eingesammelt haben. Wer eine
absolute Stimmenmehrheit erhielt, war der Sieger. Falls dies keinem
Kandidaten gelang, kam es zu einer Stichwahl der beiden
Bestplatzierten. Er hatte seine erste Amtszeit durch eine knappe
Stichwahl gewonnen, und am Horizont zeichnete sich die nächste
Wahlschlacht ab, weil eine ganze Reihe von Widersachern antrat. Ein
ehemaliger Premierminister. Ein populärer Anwalt. Drei
Parlamentsabgeordnete. Ein Punkrockmusiker, der eine der eher
lautstarken Minderheitenparteien anführte. Ein ehemaliger Minister,
der verkündet hatte, dass er nur antreten wolle, falls ihn Czajkowski
verärgerte. Anscheinend war es jetzt so weit, denn der Schreihals war
dabei, die erforderlichen hunderttausend Unterschriften zu sammeln.
Die kommende Regierungsperiode versprach, lebhaft zu werden.
Zum Glück war er nicht unpopulär. Die jüngsten
Meinungsumfragen zeigten eine 55-prozentige Zustimmungsrate.
Nicht schlecht, aber auch nicht überwältigend. Auch das war ein
Grund dafür, weshalb er jetzt im Auto saß und die Kilometer
vorbeiziehen ließ, während er sich in westlicher Richtung zum
Städtchen Józefa fahren ließ. Nach dreiwöchiger Suche war die Wurzel
des Problems gefunden worden: ein treuer Gefolgsmann der
kommunistischen Ära, der schon über zehn Jahre tot war. Man hatte
sehr darauf gehofft, dass er sein Wissen mit ins Grab genommen hatte.
Aber dann waren alte Informationen nach außen gedrungen. Und
nicht nur irgendwelche Fakten und Zahlen, sondern etwas, das ihn
direkt betraf. Es konnte ihn sogar ruinieren. Vor allem angesichts der
bevorstehenden, heiß umkämpften Wahl am Horizont.
Es war dumm von ihm gewesen, die Vergangenheit als tot und
erledigt zu betrachten.
Jetzt schien sie alles zu gefährden.
Es war an der Zeit, dass er sich von Angesicht zu Angesicht damit
auseinandersetzte.

Der Wagen fuhr durch Józefa, das auf einem Felshang am Ufer der
Weichsel errichtet worden war. Das Städtchen hatte eine lange
Geschichte und einen hübschen alten Stadtkern, dazu kamen eine
Burgruine und eine Kathedrale. Am bekanntesten war es aber wegen
der nahe gelegenen Raffinerie, in der Hunderte von Menschen
beschäftigt waren. Das Haus, das er suchte, lag im Süden der Stadt in
einer Nebenstraße, die vom Fluss wegführte. Sein Fahrer parkte
abseits zwischen den Bäumen, wo der Wagen keine Aufmerksamkeit
auf sich ziehen würde. Er stieg aus und ging zur Haustür. Es war ein
warmer Abend. Auf ihn wartete ein Mann in einem schwarzen Anzug
mit schwarzem Schlips und einem undurchschaubaren
Gesichtsausdruck, der angemessen, aber kalt war. Michał Zima. Der
Chef des BOR.
Er betrat das Haus.
Es war einfach eingerichtet und sah aus wie das Haus in Südpolen
bei Rzeszów, in dem er aufgewachsen war. Seine Eltern waren Bauern
und keine Revolutionäre gewesen. Aber in den 1980er-Jahren hatte
sich alles verändert. Zu keiner Zeit war privater Grundbesitz erlaubt
gewesen. Um die wachsenden Unruhen zu besänftigen, waren der
Bevölkerung Besitzrechte durch Kauf oder Erbschaft versprochen
worden. Doch das waren alles Lügen gewesen. Schließlich waren seine
Eltern und die meisten der anderen Bauern auf die Barrikaden
gegangen und hatten sich geweigert, Lebensmittel zu den amtlich
festgesetzten, viel zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Stattdessen hatten
sie ihre Ernte an die Streikenden gestiftet.
Eine mutige Aktion mit großen Auswirkungen.
»Wo ist sie?«
»Draußen.«
»Und die andere?«
Zima machte eine Kopfbewegung. »Da drin.«
»Wie haben Sie das hier gefunden?«
»Mit etwas Glück, genau genommen. Aber das ist manchmal auch
alles, was es braucht.«
Es war klar, was der andere ihm sagen wollte. Stellen Sie nicht zu
viele Fragen.
Er ließ den Blick durch den Raum schweifen und bemerkte ein paar
gerahmte Bilder auf einem Tisch. Ein Foto fiel ihm ins Auge. Er ging
hinüber und betrachtete die Fotografie eines Uniformierten, Major der
polnischen Armee mit den Abzeichen des SB, des Sicherheitsdienstes,
auf seinem Hemd. Er erkannte das unauffällige Gesicht mit dem
Bürstenhaarschnitt und dem sorgfältig gestutzten Schnurrbart – es war
der Mann aus dem Mokotów-Gefängnis.
Aleksy Dilecki.
Seit Jahrzehnten hatte er von dem Mann nichts gehört und nichts
gesehen.
Der Zweite Weltkrieg hatte Polen zerstört, alles war zerbombt
gewesen, das Land war völlig ausgeweidet worden, verfügte über
keinerlei Mittel und nur wenige übrig gebliebene Arbeitskräfte für den
Wiederaufbau. Die Sowjets versprachen eine Wiedergeburt, und viele
glaubten ihnen. Aber in den späten 1970er-Jahren waren die Lügen
offensichtlich geworden, und die Nation hatte ihre Geduld verloren.
Damals war die Wochenarbeitszeit sehr lang gewesen, in den Läden
waren nur wenige Lebensmittel zu finden, und es war stets kalt
gewesen, weil es an Kohle und Bekleidung einschließlich Mänteln
gefehlt hatte. Die Bevölkerung war permanent bespitzelt und mit
Propaganda abgespeist worden, man hatte die Kinder einer
Gehirnwäsche unterzogen. Das alles unter ständiger
Gewaltandrohung. Der Hunger hatte kein Ende genommen, und die
Regierung hatte mithilfe von Bezugsscheinen sogar festgelegt, wie viel
jeder essen konnte. Wir haben alle die gleichen Mägen. Das hatten
viele wiedergekäut. Und wenn die Menschen Hunger hatten und ihre
Kinder hungrig waren, dann taten sie alles, um ihre Not zu lindern.
Und so kam es.
Ihm gefiel, was Orwell geschrieben hatte.
Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen.
Das traf auf Aleksy Dilecki zu.
Politiker und Polizeikräfte waren stets bevorzugt worden. Sie hatten
größere Rationen erhalten. Sie hatten in speziellen Läden eingekauft.
Ihre Wohnungen waren besser gewesen, und sie hatten Privilegien
besessen. Es gab sogar einen Namen für sie: Nomenklatura – ein
sowjetischer Begriff für die Posten in der Regierung, die stets für
Neuzugänge offen waren. Die Menschen waren nicht aufgrund ihrer
Verdienste auserwählt worden, sondern ausschließlich aufgrund ihrer
Loyalität zum Regime. So waren sie zu einer – wenn auch nicht
erklärten – herrschenden Klasse geworden. Die Rote Bourgeoisie.
Korruption und Gewalt hatten dauerhaft zu den Instrumenten ihrer
Macht gezählt.
Und er blickte jetzt auf einen ihrer Angehörigen.
Ihm fiel wieder ein, was man vor vielen Jahren im Mokotów-
Gefängnis gesagt hatte:
Wer weiß? Vielleicht wird eines Tages noch eine große Nummer aus
Ihnen.
Er schüttelte den Kopf über diese Ironie. Gut, dass Dilecki tot war.
»Kannten Sie ihn?«, fragte Zima.
Er hatte nur eine einzige Person in die relevanten Details der
Geschichte eingeweiht, und Zima war es nicht gewesen. »Zeigen Sie
mir, was Sie gefunden haben.«
Er stellte das Foto wieder auf den Tisch und folgte Zima in einen
kleinen Lagerraum, der mit Überbleibseln der Familiengeschichte
vollgestellt war. Sein Blick fiel auf zwei verrostete Aktenschränke.
»Die sind voller Dokumente«, sagte Zima. »Berichte,
Korrespondenzen, Memoranden. Alles aus den späten 1970er-Jahren
bis 1990. Unzusammenhängende Daten und Vorfälle. Dahinter steckte
kein richtiges Muster. Dilecki arbeitete lange für den Sicherheitsdienst.
Er muss Zugang zu vielen Geheimnissen gehabt haben. Anscheinend
hat er einiges davon verschwinden lassen, als es mit den Kommunisten
zu Ende ging.«
In der chaotischen Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion
und der Wiederauferstehung der polnischen Republik war sehr viel
verloren gegangen. Heute interessierten sich nur wenige für die
Vergangenheit. Alle waren einfach froh, dass es vorbei war. Die
Zukunft schien das Einzige zu sein, was zählte. Doch solche
Kurzsichtigkeit war ein Fehler.
Denn Geschichte spielte eine Rolle.
»Hat jemand diese Akten durchgesehen?«, fragte er.
»Nur ich. Und ich habe es mir nur schnell und oberflächlich
angesehen. Nur so weit, bis ich sah, dass es das sein könnte, wonach
Sie suchen.«
Er war neugierig. »Woher wissen Sie, dass ich nach etwas suche?«
»Das tue ich nicht. Ich vermute es nur, nach allem, was ich bisher
weiß.«
Er sollte nachforschen, wie viel dieser Mann wusste. Aber nicht
jetzt. »Lassen Sie den gesamten Inhalt dieser beiden Aktenschränke in
den Kofferraum des Autos laden, mit dem ich gekommen bin.«
Zima nickte bestätigend.
»Hat Dileckis Witwe irgendwelche von diesen Dokumenten
verkauft?«, wollte er wissen.
»Nein. Ihr Sohn hat das getan. Wir haben ihn in
Untersuchungshaft.«
Das war eine neue Information.
»Wir haben ihn vor ein paar Stunden verhaftet.« Zima machte ihm
ein Zeichen, und er folgte ihm ins Wohnzimmer. Auf dem Sofa lag eine
blaue Nylonreisetasche. Zima öffnete den Reißverschluss, und man
sah bündelweise Zlotys. »Eine halbe Million. Das haben wir in der
Wohnung des Sohnes sichergestellt.«
Jetzt bekam alles einen Sinn. Die Eltern waren gute, loyale
Kommunisten gewesen und der Sohn eher nicht. Es waren Jahrzehnte
vergangen. Den Vater gab es nicht mehr, und die Mutter wurde immer
älter. In den beiden Aktenschränken lag möglicherweise der Schlüssel,
der alles änderte, insbesondere wenn in einigen der Dokumente der
Name Janusz Czajkowski auftauchen würde. Man musste nur einen
Käufer dafür finden.
»Hat der Sohn etwas ausgesagt?«
Zima nickte. »Er hat einen Handel mit einem Mann namens Vic
DiGenti gemacht, der als Kompagnon von Jonty Olivier bekannt ist.«
»Sie sprechen seinen Namen aus, als würden Sie ihn kennen.«
»Das tun wir. Er geht mit Informationen hausieren. Gar nicht so
unzuverlässig. Unsere Nachrichtendienste haben gelegentlich auf ihn
zurückgegriffen. Die Mutter hatte keine Ahnung, was ihr Sohn trieb.
Sie fand es erst gestern Abend heraus, als er ihr etwas von dem Geld
anbot. Sie war alles andere als davon erbaut. Es gab eine ziemlich
heftige Auseinandersetzung. Das war, wenige Stunden bevor wir ihn
festgenommen haben.«
»Zeigen Sie mir den Rest«, sagte er.
Zima führte ihn durch die Hintertür zu einer kleinen Scheune mit
einem verrosteten Wellblechdach. Bäume und Buschwerk schirmten
das Gebäude von der nahen Schnellstraße ab. Das Scheunentor hing
geöffnet in den Angeln, und er ging hinein. Eine schwache elektrische
Funzel durchdrang die Dunkelheit. Hier gab es nicht viel zu sehen. Ein
paar Werkzeuge, eine Schubkarre, ein altes, verrostetes Auto und eine
Frau, die an einem der Balken hing. Ihre Arme hingen schlaff herunter,
und ihr Hals hatte sich verdreht, als sie starb.
»Sie hat es in der Nacht getan«, sagte Zima, eigentümlich berührt.
»Vielleicht, nachdem sie von der Verhaftung ihres Sohnes erfuhr. Oder
vielleicht aus einer Art Loyalität gegenüber ihrem Ehemann. Das
werden wir nie erfahren.«
Sie war anscheinend auf das alte Auto geklettert, hatte ein kurzes
Stück Seil verknotet und war dann in die Ewigkeit abgetreten.
Er schüttelte den Kopf.
Jetzt hing alles von Belgien ab.
6

Cotton saß in der Zelle, noch nass von seiner Schwimmeinlage im


Kanal. Er sollte wirklich duschen, auch wenn das hier nicht das
Vierjahreszeiten war. Aber für eine Zelle war es gar nicht so schlecht.
Geräumig. Sauber. Mit einer funktionierenden Toilette. Er war schon
viel schlimmer eingesperrt gewesen.
Das kam also dabei heraus, wenn man der katholischen Kirche
etwas schuldig war. Oder zu sein glaubte?
Es war fast 19 Uhr. Er war hier schon stundenlang allein. Die
Brügger Polizisten waren nicht in Bestlaune gewesen, als sie ihn aus
dem Kanal gefischt hatten. Sie hatten ihm gleich die Hände mit
Handschellen hinter dem Rücken gefesselt und versucht, ihn zu
verhören. Aber er wusste, wann es besser war, den Mund zu halten.
Selbstverständlich würde er früher oder später Erklärungen abgeben
müssen. Hoffentlich erzählte ihnen der Priester aus der Basilika, dass
er ihn gebeten hatte, die Verfolgung der Diebe aufzunehmen. Bis jetzt
wussten sie von ihm nur, dass er ein Boot gestohlen und damit im
Kanal einen Unfall hatte, denn beim Eintreffen der Polizei hatte
niemand mehr geschossen, und die drei Amigos waren weg gewesen.
Er war das einzige Problem.
Die Polizei hatte ihm die Brieftasche abgenommen. Sein Pass befand
sich im Hotel. Aber sie wussten zumindest seinen vollen Namen,
Harold Earl Malone. Der Spitzname Cotton stand nirgendwo in seiner
dänischen Fahrerlaubnis und auf keinem anderen offiziellen
Dokument. Er wurde oft gefragt, woher der Spitzname kam, und er
antwortet jedes Mal dasselbe: Das ist eine lange Geschichte. Und das
war es auch. Sein Vater spielte darin eine Rolle. Er erinnerte sich noch
an den Tag, als er zehn Jahre alt gewesen war und die beiden
Marineoffiziere zu ihrem Haus gekommen waren und ihm und seiner
Mutter mitgeteilt hatten, dass das U-Boot seines Vaters mit Mann und
Maus untergegangen war. Es hatte keine Leichen und keine
Beerdigung gegeben. Alles hatte der Geheimhaltung unterlegen. Er
hatte fast vier Jahrzehnte gebraucht, bis er die Wahrheit
herausgefunden hatte, und diese Erfahrung hatte ihn äußerst
misstrauisch gegen die Behörden auf allen Ebenen gemacht.
Was etwas besser erklärte, weshalb er sich bisher nicht geäußert
hatte.
Er hoffte, dass er mit der Wahrheit am weitesten kommen würde,
wenn es so weit war – und mehr hatte er schließlich nicht, mit dem er
arbeiten konnte. Inzwischen wusste die Polizei von Brügge mit
Sicherheit von dem Diebstahl. Das Heilige Blut war das wichtigste
Objekt in der Stadt. Jährlich kamen Hunderttausende, um es zu sehen.
Seit dem 14. Jahrhundert wurde es alljährlich in einer großen
Prozession durch die Stadt getragen. Doch wenn sie wussten, dass es
weg war, wieso waren sie dann nicht für eine kleine Unterhaltung zu
ihm gekommen? Denn sie interessierten sich doch bestimmt dafür, was
er wusste.
Vielleicht aber auch nicht.
Ein Scheppern riss ihn aus seinen Gedanken.
Eine der Metalltüren weiter unten im Flur ging auf und wieder zu.
Schritte kamen hallend näher. Ein langsames, gleichmäßiges
Klacken.
Er blickte auf und sah eine Frau.
Sie war zierlich, hatte eine selbstbewusste Miene; ihr dunkles Haar
war von einzelnen silbernen Strähnen durchzogen. Sie war Mitte
sechzig, auch wenn er wusste, dass in ihrer Personalakte im
Justizministerium, die er einmal gesehen hatte, an der Stelle, wo das
Geburtsdatum stehen sollte, nur N/A stand. Jeder hatte einen wunden
Punkt. Bei ihr war es das Alter. Zwei Präsidenten hatten versucht, sie
zur Justizministerin zu machen, aber sie hatte beide Angebote
abgelehnt. Warum? Wer konnte das sagen? Sie hatte ihren eigenen
Kopf. Und das machte sie richtig gut in dem, was sie tat.
Er stand auf und ging zu den Gitterstäben. »Haben wir uns nicht so
kennengelernt?«
Stephanie Nelle lächelte und nickte. »Ich erinnere mich. Es war im
Stadtgefängnis von Duval.«
Er grinste. »Ich war ein ambitionierter Marineanwalt.«
»Der gerade eine Frau erschossen hatte.«
»Kommen Sie! Sie hatte zuerst geschossen und wollte mich
umbringen.«
»Und jetzt stehen wir hier, so viele Jahre später, und Sie haben ein
gestohlenes Boot in die Kanalmauer gefahren. Sie scheinen den Ärger
förmlich anzuziehen.«
»Was ist mit den drei Dieben und dem Reliquiar, das sie gestohlen
haben?«
»Das ist der springende Punkt, Cotton. Es gibt keinen Diebstahl.«
Diese Eröffnung überraschte ihn. Dann begriff er: »Haben Sie die
Sache gedeckelt?«
Sie nickte. »Ich war in unserer Botschaft in Brüssel, als der Anruf
der Polizei hereinkam. Sie hatten herausgefunden, dass Sie einer von
uns sind, und stellten über Atlanta Nachforschungen an. Das Büro
setzte sich daraufhin mit mir in Verbindung. Ich hatte natürlich keine
Ahnung, dass Sie hier sind, aber ich habe mich trotzdem für Sie
eingesetzt.«
Er zuckte mit den Schultern. »Zur rechten Zeit am falschen Platz.
Ich war nur zufällig da. Aber die Diebe wussten genau, was sie taten.
Die ganze Sache war durchgeplant.«
»Und weiter?«
Er erzählte, was sich in der Basilika und danach zugetragen hatte.
Sie auf einer Seite der Gitterstäbe, er auf der anderen. Als er zum Ende
gekommen war, fragte er: »Was tun Sie eigentlich in Brüssel?«
»Die Antwort auf diese Frage hat einen Preis.«
Er verstand. Es gab einen Grund dafür, dass sie ihn für diese
Unterhaltung in seiner Zelle gelassen hatte. Als er vor einigen Jahren
vorzeitig aus dem Dienst des Justizministeriums ausgeschieden war,
hatte er geglaubt, er würde Stephanie Nelle nur noch selten begegnen.
Er hatte unter anderem aufgehört, weil er seine Risiken verringern und
etwas völlig anderes ausprobieren wollte. Er war sein Leben lang ein
begeisterter Bücherliebhaber gewesen. Jetzt besaß er in Kopenhagen
ein eigenes Antiquariat. Bücher waren sein Hauptberuf. Er war nach
Belgien gekommen, weil er hier einige seltene Ausgaben aufspüren
wollte, bei denen Stammkunden Kaufinteresse gezeigt hatten. Eine
DRACULA-Ausgabe von 1897. Die Erstausgabe von DER HOBBIT von
1937. Und eine Originalausgabe des Buches DER ZAUBERER VON OZ
aus dem Jahr 1900. Allesamt teuer und schwer zu finden. Er hatte sich
einen Namen als jemand gemacht, der aufspüren konnte, was die
Sammler wollten. Aber anstatt auf einer Antiquariatsmesse befand er
sich jetzt im Gefängnis, und seine Ex-Chefin besaß anscheinend den
Zellenschlüssel.
»Was wollen Sie?«, fragte er.
»Ihre Direktheit hat mir schon immer gefallen. Das spart viel Zeit.«
Während der Präsidentschaft von Danny Daniels hatte das Weiße
Haus eng mit dem Magellan Billet zusammengearbeitet. Stephanie war
nicht immer in den Genuss einer so engen Zusammenarbeit mit der
Exekutive gekommen. In Wahrheit hatten sich die meisten Präsidenten
nicht besonders für sie interessiert. Anfangs waren Daniels und sie
auch nicht gut miteinander ausgekommen, doch sie hatte sich nach
und nach sein Vertrauen verdient. Daniels’ zwei Amtszeiten hatten
geendet, und er war jetzt der Junior-Senator aus Tennessee. Nach
seiner Scheidung hatte sich eine persönliche Freundschaft mit
Stephanie entwickelt, aus der – wenn man der Gerüchteküche glauben
durfte – die Liebe erblüht war. Malone freute sich für sie. Sie verdiente
das Glück. Ein Leben sollte sich nicht nur über die Arbeit definieren.
Das sagte er sich jedenfalls selbst immer wieder.
Stephanie gehörte zu der Handvoll Menschen auf der Welt, die er zu
seinen Freunden zählte. Sie gehörte zu den engsten. Gemeinsam hatten
sie eine Menge durchgestanden. Seine gesamte berufliche Karriere als
Geheimdienstagent hatte er ihr zu verdanken. Sie hatte dem jungen
Marineanwalt eine Chance und hinreichend Gelegenheiten gegeben,
auf seinem Feld richtig gut zu werden – und das so sehr, dass sie ihn
auch nach seiner Pensionierung immer wieder zu Hilfe holte.
»Sie haben weder meine Frage beantwortet«, antwortete er, »noch
angeboten, mich hier rauszuholen. Ich vermute, beides hat
miteinander zu tun? Machen wir’s kurz: Wie viel bieten Sie?«
»Können wir das hier eventuell als Gefälligkeit behandeln?«
Jetzt war es an ihm, ihr einen fragenden Blick zuzuwerfen. »Ich
habe Rechnungen zu begleichen. Ich bin hier, um Bücher für Leute zu
kaufen, die mich dafür bezahlen. Und zwar sehr gut, möchte ich
hinzufügen. Ich habe ein Geschäft zu führen …«
»Einhunderttausend«, sagte sie.
»Wie lange?«
»Ein paar Tage. Bis Donnerstagabend, höchstens.«
»Die Gefahrenstufe?«
»Nun, lassen Sie es mich einmal so formulieren: Es könnte
herausfordernd werden.«
Stephanie war weder für Übertreibungen bekannt noch dafür, die
Dinge zu unterschätzen. Wenn sie das Adjektiv herausfordernd
verwendete, durfte man die Warnung nicht überhören. Doch wie er im
Laufe der Jahre gelernt hatte, verbarg sich hinter den sicheren Sachen
die größte Gefahr. Herausfordernd war vielleicht besser.
»Einhundertfünfzig«, erwiderte er. »Ein kleiner Aufschlag für den
herausfordernden Teil.«
Sie nickte. »Okay. Ich habe große Probleme.«
»Holen Sie mich hier raus, dann helfe ich Ihnen, sie zu lösen.«
Another random document with
no related content on Scribd:
that people care for. He was at home in the best and the worst
society.
He was a soldier and a sportsman, tall, and strongly built, a
remarkably handsome man in his best days, and handsome still in
his moral and social decadence. There was no reason, Faunce
thought, why such a man should shrink from the dangers and
hardships of the Alaska goldfields, if the whim took him to try his luck
there.
Again, there was no reason that he should not have changed his
mind at the last hour, and gone to Ostend or Spa, to risk his capital
in a more familiar way, at the gaming table instead of the goldfields.
Faunce had allies at both places, and he wrote to each of these,
bidding him find out if Rannock was, or had been, there. He was not
a man who could appear anywhere without attracting notice.
The letters written, Faunce dismissed the subject for the time being.
Colonel Rannock's proceedings seemed to him a matter of minor
importance, since he doubted if Rannock could be made
instrumental in Lady Perivale's rehabilitation. It was the woman he
wanted, the woman whose likeness to his client was the source of
evil.
Women had been the chief factors in Mr. Faunce's successful coups,
and he had seldom failed in his management of that sensitive and
impulsive sex.
He had to find out who the woman was, and her present
whereabouts. He thought it highly probable that so handsome a
woman had adorned the burlesque stage at some period of her
career, as actress or chorus-girl. The theatre is the only arena where
low-born beauty can win the recognition which every handsome girl
believes her due; and the desire to tread the stage is almost an
instinct in the town-bred girl's mind. She has heard of actresses and
their triumphs ever since she can remember. She looks in her glass
and sees that she is pretty. She picks up the music-hall tunes, and
shrills them as she goes about the house-work, and is sure that she
can sing. She skips and prances to the organ in the court, and thinks
that she can dance. She discovers some acquaintance of her
father's whose second cousin knows the stage-manager at the
Thalia Theatre; and, armed with this introduction, her pretty face
forces its way to the front row of the ballet, and her shrill voice pipes
in unison with her sister cockneys in the chorus.
Such an apprenticeship to the Drama Faunce thought probable in
the case of the lady known as Mrs. Randall; so he called upon two of
the dramatic agents, most of whom had become known to him in his
efforts to disentangle patrician youth from the snares of the theatrical
syrens.
He went first to the agent of highest standing in his profession; but
this gentleman was either too much a gentleman or too busy to help
him. He glanced at Lady Perivale's photograph with a careless eye.
Yes, a remarkably handsome woman! But he did not remember
anybody in the theatrical world who resembled her. He remembered
Sir Hubert Withernsea only as one of the wealthy young fools whom
one heard of every season, and seldom heard of long, since they
must either pull up or die.
"This young man died," said Faunce. "Now do you happen to
remember any lady in your line to whom he attached himself?"
"No; I don't. With a young man of that kind it's generally a good many
ladies in my line. He gives supper-parties, and chucks away his
money, and nobody cares about him or remembers him when he's
gone."
"Ah, but this one had a particular attachment, and the lady was like
this," said Faunce, with his hand on the photograph.
"Non mi ricordo," said the agent, and Faunce went a little way farther
east, to one of the smaller streets out of the Strand, not more than
ten minutes' walk from his own office in Essex Street, and called
upon agent number two, whose chief business lay among "the halls,"
a business that paid well and justified handsome offices, with a lady
typist, and the best and newest development in type-writing
machines.
Mr. Mordaunt was in the thick of the morning's business when
Faunce entered the office, but the detective cultivated an air of never
being in a hurry, and he seated himself near an open window in a
retired spot, from which he could observe two lady clients who were
engaging Mordaunt's attention, and one gentleman client in a white
hat and a light-grey frock-coat, patent leather boots, and a gardenia
buttonhole, a costume more suggestive of Ascot than of the Strand,
who was looking at the innumerable photographs of lovely song-
birds, skirt-dancers, lion-comiques, and famous acrobats, that
covered the wall, and reading the programmes that hung here and
there, lightly stirred by the summer air, and clouded with the summer
dust.
The ladies were young, handsome, in a pearl-powdery and carmine-
lipped fashion, and dressed in the top of the mode, with picture hats
on the most commanding scale, piled with the greatest number of
ostrich feathers and paste ornaments the human hat can carry.
"You must look slippy, and get me another turn, Mordy," urged the
taller damsel, whose name appeared in the theatrical papers as
"Vicky Vernon, the Wide World's Wonder." "Fact is, I ain't gettin' a
livin' wage."
"Come, now; forty pound from one hall and thirty from another——"
"It ain't enough, Mordy; nothink under the century suits my book, and
it didn't ought to suit yours, neither. You must get me another show—
another thirty quid. You know you'll get your commission off it."
Yes, Mr. Mordaunt reckoned that he would get his ten per cent.
"But, you see, Vicky, there's ever so many ladies who can sing bet—
nearly as well as you—walking about London, with their hands in
their tailor-made pockets."
"Not one of 'em whose songs have ever caught on like my 'Rats' and
'The Demon of Drink.'"
"Those were two ripping songs, Vicky. But your new ones haven't hit
as hard. They're mawkish, Vicky; too much milk-and-water, and not
enough Tabasco. 'Rats' was a fine song—and you did the 'D.T.' first-
class."
"The man who wrote 'Rats' is dead," said Miss Vernon, with a
gloomy look. "He was a genius, poor devil. Could knock off a song
like that in a day—if he could keep sober—band-parts and all."
"I wonder how much you gave him for 'Rats'?"
"Wouldn't you like to know? Well, then, not so much by ten touch-
me's as I give for this sun-shade," said the charmer, with a winning
laugh, flourishing her gold-handled parasol.
"You gave the poor devil a fiver for a song that has earned you five
thou.," said the agent. "Oh, I know the ladies. They haven't got much
head for figures, but they are closer——"
"Not closer than a music-hall agent, Mordy. They're the nailers. And
what would have been the good of giving that poor feller twenty thick
uns for a song he was glad to sell for five? He'd only have drunk
himself into his coffin a little sooner."
Here the gentleman in the white hat, who was on too friendly terms
with his professional sisters to think of removing that article of
apparel, broke in upon the conversation.
"Business is business, Queen of my Soul," he said, "but, if you
expect me to wait while you and Mordy indulge in casual patter, you
don't know the kind of man I am. Come, old chap, I want your private
ear for a little bit."
He took the agent by the buttonhole, and led him into a corner,
where they conversed in whispers for a few minutes, while the two
stars of the halls, the girl with fierce eyebrows and dark hair who
sang "Rats," and the girl with flaxen fringe and pink cheeks, who
sang baby-songs in a pinafore, walked about the room, or stood in
front of a looking-glass twitching their veils, and correcting the slant
of their hats, whistling softly the while with rosy, pursed-up lips.
"I say, Bill, are you going to stand Chippie and me a scrap of lunch?"
inquired Miss Vernon, when the whispered interview was over.
"Nought o' t' sort, my angel; but I'll take you to a snug little Italian
ristoranty near Leicester Square, where you'll get the best lunch in
London, and I'll give you the inestimable advantage of my company
while you eat it—but when it comes to 'lardishong,' it must be
Yorkshire, my pretty ones, distinctly Yorkshire."
"There's a little too much Yorkshire about you, Bill. Hurry up! Ta, ta,
Mordy. Skip the gutter!" wheeling sharply on her Louis heels, with an
artful turn of her skirt that revealed the crisp flounces and lace
ruchings of a cherry-coloured silk petticoat. "For surely you'll be your
pint stoup, and surely I'll be mine?" shrilled the cantatrice, in a voice
whose metallic timbre made the electric globes shiver.
The three professionals bounced out of the room, and Faunce heard
the ladies' heels rattle down the stairs, and the hall door close
behind them with a bang.
"Nice, quiet, refined style, Miss Vernon," he said, as he seated
himself opposite the agent.
"Not quite what you'd like for a permanency; gets on your nerves
after a bit—eh, Mr. Faunce?" commented Mordaunt. "But she knocks
'em at the halls with her 'Rats' and her 'Demon Drink.' She can make
their blood run cold one minute, and make 'em roar with laughter the
next. Her father died with the horrors, and she's a first-rate mimic.
She got every trick of the thing from watching the old man. It ain't
every girl of eighteen would have had the grit to do it. The song ain't
a 'Ta-ra-ra,' but it has caught on, and she's making a pot of money.
And now, my dear sir, what's up with you? Who are you lookin' for,
and what's it all about?"
"I want you to throw your memory back ten years, Mordaunt. Do you
remember Sir Hubert Withernsea? He was knocking about London
at that time, I think."
"Of course I do. Yorkshire swell, regular oof-bird, and a born mug;
ran through his money as if he had an unnatural curiosity to see the
inside of a workhouse. But he was a good-natured bloke; and I've
seen some first-class company at his Sunday dinners, in a house he
had in the Abbey Road. He used to have a dinner-party every
Sunday in May and June, and a game of cards after dinner, and one
met some queer specimens there sometimes."
"Was there a lady at the head of his table?"
"Rather! There was Lady Withernsea—everybody called her Lady
Withernsea in her own house, whatever they may have called her
out of it. I knew her as Kate Delmaine, in the chorus at the
Spectacular Theatre; but it isn't for me to say he hadn't married her.
He was fool enough for anything, and he was awfully fond of her,
and awfully jealous of every man who ventured to pay her attention."
"Did you ever meet a Colonel Rannock there?"
"Did I ever dine there without seeing him? Rannock was 'mine own
familiar friend'—the Mephistopheles to Withernsea's Faust. I believe
Rannock pouched more of his stuff than anybody else in the gang,
though they were all blackguards. I never touched a card in his
house; so I can talk of them with a clear conscience. A gang of well-
bred swindlers, that's what I call them."
"The chorus-girl was handsome, I suppose?"
"Well, strange to say, she was. She was worth all the money
Withernsea spent on her; and I suppose it's about the only bargain
he ever made in which he wasn't had. She was one of the
handsomest women that ever stepped upon the Spectacular stage;
and while she was behind the footlights not a man in the stalls had
eyes for anybody else."
"Was she anything like that?" asked Faunce, handing him Lady
Perivale's photograph.
"She was. Ten years ago you might have passed that off for her
photo. But she ain't up to that now."
"You've seen her lately."
"She was here the week before last, a wreck, looking ill and poor. I
never knew a handsome woman go off so sudden. I saw her in a box
at Drury Lane last Christmas, in fine form; but that's all over. She
wanted me to get her an engagement—chorus again—she was
never up to speaking parts, used to lose her head directly she had to
utter. I couldn't do anything for her. We've no use for anything old
and faded at the West End theatres. Managers won't consider it."
"Can you give me the lady's address?"
"I think I booked it," said the agent, "just to satisfy her, though I knew
it was no use—at any rate not till the pantomime season, when I
might get her an engagement for a Flora or a Juno at the back of the
stage, or a Queen in a historical procession, perhaps. Yes, here it is:
Mrs. Randall, Miss Kate Delmaine, 14, Selburne Street, Chelsea."
"Thank you, Mordaunt," replied Faunce, handing him a sovereign. "I
don't want to waste your time for nothing."
"Well, Faunce, time is money, ain't it?" said Mordaunt, pocketing the
coin with a pleasant smile.

CHAPTER XI.
"And the Abbé uncrossed his legs,
Took snuff, a reflective pinch.
Broke silence: 'The question begs
Much pondering ere I pronounce. Shall I flinch?
The love which to one and one only has reference
Seems terribly like what perhaps gains God's preference.'"
Faunce ate his modest luncheon at the immemorial Cock; and, after
a quarter of an hour's rest and meditation, assisted by tobacco, took
a hansom and drove to Selburne Street, which the cabman
discovered, after some research, in a labyrinth of shabby streets
between the King's Road and the Thames, to the west of the red-
brick mansions of Cheyne Walk, and all the pleasantness of
fashionable Chelsea—a wilderness of eight-roomed houses, slate
roofs, narrow areas, steep steps, dirty windows, and gutters
overcharged with small children: one of those depressing
neighbourhoods which fill the stranger's mind with a despairing pity,
but where, nevertheless, there exist worthy, hard-working people
who contrive somehow to be happy, and even comfortable—people
who have their Christmas puddings and their household affections,
like the Cratchets, and who do not desire to curse God and die.
The houses in Selburne Street were of the same pattern as most of
the other streets, and just as shabby, but a little larger. The door at
No. 14 was opened by the landlady, who did not know, or apparently
care, whether Mrs. Randall was at home or out, but who bade the
visitor go up to the first-floor front and inquire.
"She's got her key," said this lady, "and I don't always hear her come
in."
Faunce went upstairs and tapped politely at the door of the front
room.
"Come in, whoever you are," said a voice, with a listless melancholy
in its tone.
An odour of tobacco greeted Faunce as he opened the door, and a
woman sitting by the window threw the end of a cigarette into the
street.
"Is it you, Jim?" she asked drearily, with her face towards the
window; then, turning, and seeing a stranger, she gave a cry of
surprise that had a touch of fear in it.
"What do you want?" she cried sharply, and Faunce saw that her
hand shook a little as she caught hold of a chair.
"Nerves gone. The usual thing," he thought; "drink or drugs; the
usual resource when bad luck sets in."
"I have ventured to call upon you on a matter of business, Mrs.
Randall," he said, "without writing to ask leave. But as it's a business
that may be profitable—very profitable—to yourself, I hope you will
pardon the liberty."
"Who are you?" she asked fiercely. "I don't want any of your
gammon. Who are you?"
She was a wreck. The agent had been right so far. But she was a
beautiful wreck. The brilliant colouring was faded, the cheeks were
hollow, the eyes haggard, but the perfect lines of the face were
there; and Faunce saw that she had been beautiful, and also that
when she was at her best she must have been curiously like Lady
Perivale. In height, in figure, in the poise of the head, the modelling
of the throat, she resembled her as a sister might have done.
She must have fallen upon evil days since her visit to Algiers—very
evil days. There was the pinch of poverty in her aspect, in her tawdry
morning wrapper, in the shabbily-furnished sitting-room.
"Pray don't be alarmed, madam. My business is not of an unpleasant
nature."
"I want to know who and what you are!" she said in the same tone,
half fear, half fury; "and how you had the cheek to march into my
room without sending up your name first. Do you think because I'm
in cheap lodgings I ain't a lady?"
"Your landlady told me to come upstairs, or I should not have taken
that liberty. That is my name," handing her a card, which she
snatched impatiently and looked at with a scowling brow. "I am
engaged in the interests of a lady whose social position has suffered
by her resemblance to you."
"What do you mean?"
"You were in Algiers last February with Colonel Rannock."
Her face lost colour, and her breathing quickened, as she answered

"Well, what then?"
"You were seen by friends of my client, and mistaken for her, and the
result was a scandal which has seriously affected that lady. Now, in
the event of a libel suit, which is very likely to arise out of that
scandal, it will be in your power to put matters straight by stepping
into the witness-box, and stating that you were Colonel Rannock's
travelling companion in Algiers, and Corsica, and Sardinia last
winter. The lady will be in court, and the likeness between you and
her will explain the mistake."
"I'll see you and your lady client in—— first!" answered the
termagant. "I wonder at your cheek in coming to ask a lady to give
herself away like that. You just make yourself scarce, Mr. Faunce,"
looking at his card. "I haven't another word to say to you."
"Oh yes, you have, Mrs. Randall. You have got to ask me what
recompense I am prepared to offer you for your assistance in this
little matter."
"I don't believe a word of your story; and I want to see you outside
that door."
"Come, come, madam. Is it reasonable to be so touchy with a man
who comes to propose a very profitable transaction?"
"What do you mean by profitable?"
"I mean that in the event of the libel suit coming off, and your going
into the witness-box and swearing that you were with Rannock from
the beginning to the end of that little tour, I am prepared to pay you a
hundred pounds. A hundred pounds for one morning's work. Not so
bad, eh?"
Her colour had come back, and, after a long scrutiny of Faunce's
amiable countenance, she seemed reassured.
"Sit down," she said, and seated herself opposite him, with her
elbows on the table and her chin in her hands.
He noted the wedding-ring, and two or three trumpery turquoise and
garnet rings on her left hand. Her day of splendour was past, and the
spoils of her youth had vanished.
"A hundred ain't much, if your client is a rich woman," she said. "Of
course, I can guess who she is—Lady Perivale. I've been told I'm
like her. If it's her, she can afford to pay two hundred quid as easy as
one. And I ain't going to stand up in court and tell my life and
adventures for a lower figure."
"You are a hard one, Mrs. Randall."
"I'm a hard-up one, Mr. Faunce. There's no use denying it when you
see me in such a beggarly hole as this. I ain't used to it. I've lived like
a lady ever since I was eighteen years old, and this beastly lodging-
house gets upon my nerves. That's why I was so nasty with you
when you came in," she concluded, with a little laugh that didn't
sound quite genuine.
"Well, Mrs. Randall, if you oblige my client I know she will deal
generously with you."
"Two hundred quid paid down before I go into the box; not a penny
less."
"We'll see about it. In the mean time, to show good faith, there's a
trifle on account," said Faunce, handing her a ten-pound note.
He would have offered her more had he found her in better
surroundings, but he reckoned the rooms she was in at ten shillings
a week, and he thought she had come to her lowest stage.
"Thanks," she said, putting the note in a shabby porte-monnaie,
whose contents Faunce's eye discovered in the instant of its opening
—sixpence and a few coppers.
The door opened suddenly at this moment, and Faunce, who sat
opposite, caught one brief glimpse of the man who opened it, and
who, on seeing him, stepped back, shut it quickly, and ran
downstairs. Faunce started up, and was at the window in time to see
the visitor leave the house, and walk down the street. He was a big
man, with broad shoulders and a bull neck, flashily dressed, and with
a fox-terrier at his heels.
"I'm sorry I frightened your friend away," said Faunce.
"Oh, it don't matter. He can come another time if he wants to see
me," Mrs. Randall answered carelessly.
That sensitive complexion of hers had paled at the interruption, just
as at the mention of Rannock's name, and a gloomy look had come
into her eyes. The visitor could hardly have been the bringer of
pleasant things.
"An old friend of yours?" hazarded Faunce.
"Oh lord, yes; old enough! I've known him since I was a kid."
"But apparently not a favourite of yours?"
"I've got no favourites," she answered curtly. "All I want is to go my
own way, and not to be bothered."
"Nobody can call that an unreasonable desire, madam. And now will
you be so very kind as to oblige me with one of your photographs—
one that, in your own opinion, does you most justice."
"Then it had better be one that wasn't taken yesterday," she said.
"They wipe the wrinkles out, but they can't hide the lantern jaws. Oh,
you can have a photo if you want one; I've got plenty. The
photographers were the plague of my life when I was on the boards,
and as long as I was about London, driving my carriage. But they've
left off worrying now. There's new faces in the market."
"None handsomer than yours, madam."
She dragged open a reluctant drawer in an ill-made mahogany
sideboard, and produced half a dozen cabinet photographs, from
which Faunce selected two of the best, with polite acknowledgment
of the favour.
"You have my address, Mrs. Randall," he said, rising, and taking up
his hat; "let me know if you change your quarters."
"I shan't be able to do that—on a tenner," she said; "but it will keep
me out of the workhouse for a week or two."
"By-the-by, can you tell me where Colonel Rannock is to be found at
this present time?" Faunce asked, as he shook hands with her.
Her hand was in his when he asked the question, and he felt it grow
cold. She was fond of Rannock, he thought—fond of him, and angry
with him for abandoning her.
"No, I can't," she answered, looking at him steadily, but with the
same pale change in her face that he had noted before.
"I'm told he went to San Francisco, viâ New York, on his way to the
Alaska goldfields," he said.
"Yes, I believe he went to the goldfields."
"Do you know when he started?"
"Some time in March. I don't remember the date."
"Do you remember by what line he went—whether from Liverpool or
Southampton?"
"I know nothing about him—after he left London."
"Well, Mrs. Randall, expect to hear from me soon. Good-bye."
Faunce left her, pleased with his success. Everything was now easy.
There was nothing wanted but the audacious libel, which should
afford ground for an action; and that, as Mr. Faunce told Lady
Perivale, would be forthcoming.
He was satisfied, but he was also thoughtful. There had been
something unaccountable in the woman's manner: that strange
mixture of anger and apprehension, the sick, white look that came
over her face when she spoke of Rannock. Something evil there was
assuredly—some hidden thing in her mind which made that name a
sound of fear.
He had studied the woman intently during the quarter of an hour's
tête-à-tête, and he did not think that she was a bad woman, from the
criminal point of view. He did not think she was treacherous or cruel.
If any evil thing had befallen Rannock, the evil was not her doing.
And, after all, her agitation might be only that of a woman of
shattered nerves and quick feelings, who had loved intensely and
been badly treated—cast off and left in poverty—by the man she
loved. It might be that the perturbed look which he had taken for fear
was not fear, but resentment.
He telegraphed to Lady Perivale, asking for an appointment, and
presented himself at Runnymede Grange on the following afternoon.
He had not seen his client since their first interview, and he was
astonished at the change in her countenance and manner. On the
former occasion she had been all gloom: to-day she was all
brightness. The nervous irritability, the fiery indignation were gone.
She treated the subject of her wrongs in a business-like tone, almost
as a bagatelle.
"Something has happened since I saw her. Something that has
changed the whole tenor of her life," thought Faunce.
He had a shrewd idea of what that "something" was a few minutes
later, when Lady Perivale told him that she would like a friend, in
whose judgment she had confidence, to hear his report; and when
Arthur Haldane came into the room—
"This is Mr. Faunce," said Grace, in a tone that showed her friend
had been told all about him; and the two men saluted each other
politely, without any hint of their former meeting.
Faunce told Lady Perivale that he had found the woman who
resembled her, and that her evidence would be ready when it was
required.
"She will not shrink from standing up in court and acknowledging that
she was with Colonel Rannock in Algiers?" asked Lady Perivale,
wonderingly.
"No, she won't shrink—provided the reward is good enough. She is
prepared to tell the truth—and—shame the devil—for two hundred
pounds."
"Give her ten times as much if she wants it!" cried Lady Perivale.
"But what are we to do if nobody libels me? Messrs. Rosset have
sent me two or three newspaper paragraphs. They are very insolent,
but I'm afraid one could hardly go to law about them."
At Faunce's request she produced the impertinent snippets, pasted
on flimsy green paper.
From the Morning Intelligencer: "Lady Perivale, whose small dinners
and suppers after the opera were so popular last season, has not
done any entertaining this year. She is living in her house in
Grosvenor Square, but is spending the summer in strict retirement.
She may be seen in the morning riding with the 'liver brigade,' and
she occasionally takes an afternoon drive in the Park; but she has
joined in none of the season's festivities—a fact that has caused
some gossip in the inner circles of the smart world."
From Miranda's "Crême de la Crême," in the Hesperus: "Among the
beauties at Lady Morningside's ball, Lady Perivale was conspicuous
by her absence, although last season she was so prominent a
personage in the Morningside set. What can be the cause of this
self-effacement on the part of a young and wealthy widow who had
the ball of fashion at her feet last year?"
There were other paragraphs of the same calibre.
"You are right, Lady Perivale," Faunce said, after having gravely read
them. "These are not good enough. We must wait for something
better."
"And you think that somebody will libel me?"
"I am—almost—sure that you will be called upon to punish some
very gross libel within the next few weeks."
"Then I hope I shall have the pleasure of horsewhipping the writer,
and the editor who publishes it!" said Haldane, hotly.
"If you please, Mr. Haldane," cried Faunce, earnestly, "nothing of that
kind! It is necessary that Lady Perivale should be publicly insulted, in
order that she may be publicly justified. Nothing short of the
appearance of the woman who was mistaken for her ladyship can
give the lie direct to the scandal. I must beg, therefore, that the writer
of the libel may be held secure from personal violence."
Haldane was silent. His fingers were itching for a stout malacca and
for a scoundrel's back upon which to exercise it. He would have
given so much to focus the malignant slander that had followed the
woman he loved, and had made even him, her adoring lover, begin
to doubt her, with a wavering faith of which he was now so deeply
ashamed.
Oh, to have some one to punish with sharp physical pain, some
craven hound to offer up as a sacrifice to his own remorse!

CHAPTER XII.
"In the mute August afternoon
They trembled to some undertune
Of music in the silver air;
Great pleasure was it to be there
Till green turned duskier and the moon
Coloured the corn-sheaves like gold hair."
The atmosphere of Grace Perivale's life was changed. John
Faunce's keen eye for character had not erred in this particular case.
Lady Perivale at Runnymede Grange was not the same woman the
detective had conversed with in Grosvenor Square.
Happy love leaves no room for troubled thoughts in a woman's mind;
and from the hour when Grace learnt that Arthur Haldane was her
trusting and devoted lover, she began to forget the frivolous friends
whose desertion she had so deeply resented. She forgot to be angry,
because she had ceased to care. That outer world, the world of
Mayfair and Belgravia, with its sordid interests and petty ambitions,
the world of South African millionaires and new-made nobility, the
world in which every smart personage was living in some other smart
personage's house, and everybody who wasn't accredited with
millions was suspected of being on the brink of insolvency; that élite,
over-civilized and decadent world—dazzling and alluring in the
phosphorescent radiance of decay—seemed so remote from all that
makes happiness, that it could not be worth thinking about.
Her world now lay within so narrow a circle. Her world began and
ended in a poet, critic, and romancer, whose dreams, thoughts,
opinions, and aspirations, filled her mind to overflowing. He was her
world, Arthur Haldane, the man of letters, to whom she was to be
married as soon as this preposterous scandal was swept into the
world's great ragbag of forgotten things.
The words had been spoken at last, words that had been in his heart
two years ago, when Grace Perivale's beauty first flashed like
sudden sunshine into the level grey of his life, and when he
discovered that behind the beauty there was a brain and a heart.
He had held himself in check then, had courted her society under a
mask of indifference, for more than one reason. First, because she
was rich, and a much-talked-of prize in the matrimonial market; next,
because of his jealous fear that Rannock's showy accomplishments
and charm of manner had won her heart.
"How could I hope to prevail—a dry-as-dust scribbler—against a
man who had been called irresistible?" he asked, when Grace
reproached him for his aloofness in that first year of their
acquaintance.
"A dry-as-dust scribbler who had written the most pathetic story of
the last half century. Every tear I shed over 'Mary Deane' was a link
that bound me to the man who wrote the book. Of course I don't
pretend that if the man had been fat and elderly—like Richardson—I
should have fallen in love with him. But even then I should have
valued him, as the young women of those days valued the fat little
printer. I should have courted his society, and hung upon his words."
"It is not every novelist who is so lucky," said Haldane. "I think I am
the first, since Balzac, whose book has won him the love that crowns
a life."
What fairer Eden could there be than that reach of the Thames in a
fine August? Other men were turning their faces northward with dogs
and guns, ready for havoc on "the twelfth," or waiting impatiently for
"the first." But Arthur Haldane, who was no mean shot, and had
invitations to half a dozen country houses, behaved like a man who
had never lifted a gun to his shoulder. The veriest cockney could not
have been happier in that river idlesse, in which a punt-pole was his
most strenuous exertion, and to boil a tea-kettle his most exciting
sport. The summer days, the golden evenings were never too long,
and the crimson of the sunset seemed always a surprise.
"I know you must be wanting to kill things," Grace said one evening;
"and you must hate me keeping you dawdling here. I am glad you
are not grouse-shooting, for I have always dreaded the moors since
my poor Hector caught his death in the ceaseless downpour of one
dreadful August day. But why do you not go to your Norfolk friends
for the partridge-shooting?"
"You are very kind and thoughtful, but my Norfolk friends were
always a trifle boring, and they would be intolerable now, if they kept
me away from you."
"That is very flattering to my vanity. But I will not have you tied to my
apron-string."
"I will tell you if ever the string galls. Come what may, I am not going
to leave the neighbourhood of London till your lawsuit has been
settled."
They hoped that everything would be over before the late autumn, so
that they could start for Cairo at the right season; and from Cairo
they might go on to India. They were of a humour to ramble over the
world together; but in the mean time life was so sweet in the Thames
backwaters, among flowering rushes and under dipping willows, and
on the lawn at Runnymede Grange, that they seldom went as much
as a mile afield. Lovers are like children at play in a garden, who
dream of the days when they will be grown up and sail through blue
skies in a balloon, to find where the world leaves off.
Grace looked back, in many a happy reverie, and recalled that year
before the beginning of the scandal, when the man who was now her
impassioned lover had seemed to her cold and distant. Only by his
seriousness in seeking her society, his grave pleasure in ministering
to her love of books, and bringing her in touch with the choicest
things in contemporary literature, could Lady Perivale discover that
his friendship was any more than the admiring regard which every
intelligent man must needs feel for a young and beautiful woman
who is also intelligent. Much as Haldane admired beauty—from its
spiritual essence in a picture by Burne-Jones, to its earthliest form in
a Roman flower-girl on the steps below the Church of the Trinity—his
affections would never have been taken captive by beauty allied with
silliness. He was a man to whom community of thought was an
essential element in love. And, in Grace Perivale, he had discovered
mind and imagination in sympathy with his own thoughts and
dreams; and he was completely happy in her company, happy to be
her friend, yet hesitating to become her lover, till, in some future day,
her intimate knowledge of his character might make it impossible for
her to misread his motives.
And then had come the bitter blow, when he, who had tortured
himself with jealous apprehensions of her liking for Colonel Rannock,
heard the story of those chance meetings in the South.
He had been vehement in his denunciation of the slander. If the story
were so far true that she was the person who had been seen with
Rannock, could any one who knew her doubt for a moment that he
had a legal right to her company, that they had been quietly married,
and, for some reason of their own, chose to delay the publication of
their marriage.
He was laughed at for his vehemence, and for his simplicity.
"Did you never hear of a woman throwing her cap over the mill?"
asked his friend. "Have you lived so long in a civilized world, and
don't you know that women are always doing the most unexpected
things? Have you known no delicately-reared woman take to the gin-
bottle and drink herself to death? Have you never heard of the
household angel—the devoted wife and mother—who, after twenty
years of honourable wedlock, went off with her daughter's Italian
singing-master? And these rich women are the very sort who go
wrong. Their opulence demoralizes them. They are petty Cleopatras,
and pine for the fierce passion of a Cæsar or a Marc Antony."
There was not much stirring in London in the early part of that
season, and the scandal about Lady Perivale was dinned into
Haldane's ears wherever he went. Young women talked about it, in
allusive speech, with a pretence of naïveté. What was the story?
They pretended not to know what it all meant; but they knew their
mothers were not going to call upon her ever again; so they opined
that it must be something very dreadful, considering the sort of
people their mothers went on visiting and entertaining season after
season. It must be something worse than the things that were said
about Lady Such-and-Such, or even about Mrs. So-and-So.
Haldane heard, and the iron entered into his soul; and he held
himself aloof from the woman he loved, fearing, doubting, waiting.
"If that man appears upon the scene I shall know it's all over," he
thought.
He walked from his rooms in Jermyn Street to Grosvenor Square
every night, and paced the pavements within view of Lady Perivale's
windows, steering clear of the houses where there were parties, with
awnings, and blocks of bystanders, and policemen, and linkmen. He
saw the lighted windows of the morning-room, and sometimes saw a
graceful shadow flit across the blind, and knew that she was there,
and alone. No masculine form ever passed between the lamp and
the windows. Susan Rodney appeared there once or twice a week,
and he sometimes saw her driven away in a humble four-wheeler, on
the stroke of eleven. But the figure he feared to see never crossed
the threshold.
And then a man at his club told him that Rannock had not been in
London that season. He had gone under. He was said to be in
America, but that was as might be. He had come to the end of his
tether.
It had been a time of agonizing doubt, expiated by almost as
agonizing remorse. But it was over now, and life was a dream of
bliss—a dream of the fast coming days when Grace Perivale would
be his wife, when the evening shadows would bring no parting, the
night no loneliness.
Susan Rodney was an ideal third for a pair of lovers, as she had
plenty of interests and occupations of her own, spending all her
leisure in the composition of a light opera which she had been
engaged upon for years, with only a faint hope of ever getting it
produced; perhaps in Brussels, perhaps in Frankfort, she dared
hardly think of London.
Absorbed in the thrilling delight of a quintette, or a chorus, Sue only
gave the lovers her company when they wanted it, which they very
often did, as her bright and cheerful spirit harmonized with their own
happiness. They both liked her, and were both very sure of her
sympathy.
In one of their garden têtes-à-tête, their talk having drifted on to
Haldane's famous novel, the one work of fiction which had made his
reputation with the general reader, he confessed to having nearly
finished a second story.

Das könnte Ihnen auch gefallen