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Jahrbuch für Geschichte Band 24

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Jahrbuch für Geschichte Band 38

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Jahrbuch für Geschichte Band 29

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Jahrbuch für Geschichte Band 36

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Jahrbuch für Geschichte Band 28

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Geschichte der abendländischen Philosophie Band I


Antike 3 Auflage Anthony Kenny Manfred Weltecke

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Geschichte der abendländischen Philosophie Band II


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Geschichte der abendländischen Philosophie Band IV


Moderne 3 Auflage Anthony Kenny Manfred Weltecke

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Geschichte der abendländischen Philosophie Band III


Neuzeit 3 Auflage Anthony Kenny Manfred Weltecke

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J A H R B U C H FÜR GESCHICHTE
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
DER DDR
ZENTRALINSTITUT FÜR GESCHICHTE

JAHRBUCH FÜR GESCHICHTE

Redaktionskollegium:
Horst Bartel, Rolf Badstübner, Lothar Berthold,
Ernst Engelberg, Heinz Heitzer, Fritz Klein,
Dieter Lange, Adolf Laube, Walter Nimtz,
Wolfgang Rüge, Heinrich Scheel,
Hans Schleier, Wolfgang Schröder

Redaktion:
Wolfgang Schröder (Verantwortlicher Redakteur),
Gunther Hildebrandt (Stellv.),
Jutta Grimann, Dietrich Eichholtz,
Gerhard Keiderling, Klaus Mammach,
Hans Schleier
ISSN 0448-1526

JAHRBUCH 2 4
FÜR GESCHICHTE

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN
1981
Redaktionsschluß: 15. April 1980

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-x086 Berlin, Leipziger Straße 3—4


© Akademie-Verlag Berlin 1981
Lizenznummer: 202 • 100/220/81
Gesamtherstellung: Fachbuchdruck Naumburg (Saale) IV/27/14
Bestellnummer: 753 832 6 (2130/24) • LSV 0265
Printed in G D R
DDR 2 5 , - M
Inhalt

Dieter Schulte Die Monopolpolitik des Reichskolonialamts in der „Ära


Dernburg" 1906—1910. Zu frühen Formen des Funktions-
mechanismus zwischen Monopolkapital und Staat . . . . 7
Heinz Lemke Die Erdölinteressen der Deutschen Bank in Mesopotamien
in den Jahren 1903-1911 41
Wallace Morgan Die Ölpolitik der USA in Mesopotamien nach dem ersten
Weltkrieg 73
Wolf gang Rüge An den Quellen von Erfüllungs- und Katastrophenpolitik.
Antikommunismus und Antisowjetismus auf dem Wege
nach Versailles 99
Jürgen John Verbandspolitik und Rechtsentwicklung 1922—1926. Zur
politischen Rolle der Spitzenverbände des deutschen Mono-
polkapitals in der Weimarer Republik 127
Gerhard Fuchs Die Locarno-Verträge von 1925 und die deutsch-tschecho-
slowakischen Beziehungen 175
Maria Rothbarth Grenzrevision und Minderheitenpolitik des deutschen
Imperialismus. Der Europäische Minderheitenkongreß als
Instrument imperialistischer deutscher „Revisionsstrategie"
1925-1930 . . 215
Adolf Rüger Die kolonialen Bestrebungen der imperialistischen deutschen
Bourgeoisie und ihre Reaktion auf Forderungen nach
Freiheit für Afrika 1917-1933 241
Johannes Glasneck Die Strategie der internationalen Sozialdemokratie und der
Februarkampf der österreichischen Arbeiter 1934 . . . .
Hans-Jürgen Arendt Grundzüge der Frauenpolitik des faschistischen deutschen
Imperialismus 1933-1939 283
Manfred Menger Die Einbeziehung (Finnlands in den antisowjetischen Kriegs-
kurs 1940/41 315
Autorenverzeichnis 355
Abkürzungen

BzG Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung


GdA Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 1966
IML/ZPA Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED,
Berlin, Zentrales Parteiarchiv
JbfW Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte
JfG Jahrbuch für Geschichte
JGSLE Jahrbuch f ü r Geschichte der sozialistischen Länder Europas
MEW Marx/Engels, Werke, 1956 f£.
StAD Staatsarchiv Dresden
WZ Wissenschaftliche Zeitschrift
ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
ZStAM Zentrales Staatsarchiv, Merseburg
ZStAP Zentrales Staatsarchiv, Potsdam

Verlagsort ist, sofern nicht anders angegeben, Berlin.

Die Werke Lenins werden nach der 40bändigen Ausgabe des Dietz Verlages,
1956-1965, zitiert.
Dieter Schulte

Die Monopolpolitik des Reichskolonialamts in der „Ära


Dernburg" 1906—1910. Zu frühen Formen des Funktions-
mechanismus zwischen Monopolkapital und Staat

In der rund 30jährigen deutschen Kolonialgeschichte beansprucht die Etappe von


1906 bis 1910, die sogenannte Ära Dernburg, einen besonderen Platz, kennzeichnet
sie doch eine wichtige politisch-ökonomische Zäsur in der Entwicklung der direkten
Einflußnahme des Monopolkapitals auf den Staatsapparat.
Im Mittelpunkt unserer Betrachtung steht die Untersuchung wesentlicher Formen
der politischen und ökonomischen Herrschaft des Finanzkapitals in den deutschen
Kolonien während der Amtszeit des ersten Kolonialstaatssekretärs des Kaiser-
reiches und früheren Direktors der Darmstädter Bank Bernhard Dernburg. 1 Vor
allem soll versucht werden, durch die Darstellung und Analyse repräsentativer
Querverbindungen des Staatsapparates zu einzelnen kolonialen Interessengruppen
des deutschen Monopolkapitals — so des Bankkapitals — typische frühe Formen
des staatsmonopolistischen Kapitalismus, insbesondere des Funktionsmechanismus
zwischen Monopolkapital und Staatsapparat, zu umreißen. 2
1
Bernhard Jacob Ludwig Dernburg (1865—1937) entstammte einer alteingesessenen
bürgerlichen Gelehrtenfamilie und erlernte das Geschäft eines Bankiers „von der
Pike auf" (Eleve und Korrespondent bei der Berliner Handelsgesellschaft und in dem
mit Bleichröder kommanditierten Bankhaus Ladenburg, Thalmann & Co. in New
York). Nach der Rückkehr nach Deutschland avancierte der anstellige junge Mann
durch die Protektion des „väterlichen Freundes" Georg v. Siemens sehr schnell zum
Sekretär in der Direktion der Deutschen Bank, 1889 zum Direktor der „Deutschen
Treuhandgesellschaft". Als enger Mitarbeiter von Siemens und Gwinner erwarb er
sich durch finanztechnisch geschickte Manipulierungen verkrachter Bank- und Indu-
strieunternehmen bald den Namen eines „Sanitätsrates" in der deutschen Bank-
und Börsenwelt. Von 1901 bis 1906 war er neben Kaempf und Dr. Rießer einer der
Direktoren der Darmstädter Bank. Unter ihm erfolgte ein weiterer Ausbau der Bank,
die mit der B. H. G. durch eine Reihe gemeinsamer geschäftlicher Interessen ver-
bunden war. Bereits zu Dernburgs Zeiten machten sich Zeichen einer mangelnden
Liquidität bemerkbar, obwohl er noch 1904 eine Kapitalerhöhung um 22 Mill. Mark
auf 154 Mill. Mark (damit vierte Stelle der deutschen Großbanken) durchsetzte. Vgl.
Schulte, Dieter, Die „Ära Dernburg" (1906—1910). Zum Charakter der Herrschaft des
Finanzkapitals in den deutschen Kolonien, phil. Diss. Berlin 1976.
s
Vgl. Gutsche, Willibald, Probleme des Verhältnisses zwischen Monopolkapital und
Staat in Deutschland vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Vorabend des ersten
Weltkrieges, in: Studien zum deutschen Imperialismus vor 1914, Berlin 1976, S. 33 ff.
(Schriftenreihe des Zentralinstituts für Geschichte der AdW der DDR, Bd. 47.)
8 Dieter Schulte

Seit dem Verlust der Kolonien arbeiten Apologeten des deutschen Kapitals be-
kanntlich am Versuch der Rechtfertigung und Verteidigung des von den imperia-
listischen Konkurrenten angegriffenen barbarischen Kolonialsystems. Zu einer
„klassischen" Verteidigungsvariante gehört die Hypothese, mit dem Amtsantritt
Dernburgs habe eine neue Periode der deutschen Kolonialherrschaft, die „wissen-
schaftliche" oder „rationelle Ära" begonnen, deren Kernstück eine gesetzlich
fixierte staatliche „Eingeborenenschutzpolitik" gewesen sei.
In der Kolonialgeschichtsschreibung der BRD ist nach Jahren der Zurückhaltung
eine steigende Aktivität spürbar. Für die von bestimmten Kreisen des Imperialis-
mus in der BRD betriebene Politik des Neokolonialismus gegenüber den jungen
afrikanischen und asiatischen Nationalstaaten gewinnen politisch-ideologische Fra-
gen zunehmend an Bedeutung. Dies wird deutlich durch eine Reihe von „sach-
lichen" Arbeiten vorwiegend jüngerer Autoren belegt.3 Einen nicht unbedeutenden
Platz in diesen Publikationen zur Geschichte der Herrschaft des deutschen Im-
perialismus in seinen Kolonien erhielt die „Ära Dernburg" zugesprochen, liegen
doch in der Kolonialadministration des Bankdirektors wichtige politisch-ideo-
logische Anknüpfungspunkte der heutigen „Partnerschaftsideologie", wie sie von
den Apologeten des Imperialismus gegenüber den jungen Nationalstaaten, übrigens
ganz im Sinne des von Willy Brandt geforderten „Ubergangs von der Entwick-
lungshilfe zur Entwicklungskooperation"4, strapaziert wird.5

Zu einigen Grundzügen der imperialistischen deutschen Kolonial-


politik von der Jahrhundertwende bis 1906/07
Mit dem Eintritt des deutschen Kapitalismus in das imperialistische Stadium
änderte sich auch der politisch-ökonomische Stellenwert der deutschen Kolonien
für das Finanzkapital. In der Periode der Herrschaft des Monopolkapitals, in der
der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewann, die territoriale Aufteilung
der Welt beendet war und die Monopolisierung der Weltmärkte durch internatio-
nale Trusts begann, erlangte der Besitz an potentiellen Rohstoffquellen und Absatz-
märkten eine enorme Bedeutung. Lenin unterstrich dies, indem er feststellte, daß
die „Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol" eine „der wichtigsten Er-

a Zu unserem Zeitraum vgl. vor allem Schiefel, Werner, Bernhard Dernburg 1865—1937.
Kolonialpolitiker und Bankier im wilhelminischen Deutschland, Zürich/Freiburg i.
Br. 1974. Diese Studie, deren Herausgabe durch die Deutsche Bank gefördert wurde
und die Frau Fides Krause-Brewer, Enkelin Dernburgs und Wirtschaftsmoderatorin
im BRD-Fernsehen (ZDF), durch persönliches Material bereicherte, unternimmt den
krampfhaften Versuch, die deutsche Kolonialpolitik seit dem Jahre 1906 aufzuwerten
und den Amtsantritt Dernburgs zu einem „Wendepunkt" (S. 108) zu erheben.
4 Willy Brandt am 1.12.1977 im BRD-Fernsehen (ARD).
a Vgl. Preiser, Erich, Die Imperialismusdebatte, in: Wirtschaft, Geschichte und Wirt-
schaftsgeschichte, Stuttgart 1966, S. 355-370. Schiefel behauptet beispielsweise, daß
Dernburg nicht einen „ausbeuterischen Imperialismus" vertreten habe, sondern einen
„Wirtschaftsimperialismus, der die ökonomischen und menschlichen Interessen und
Ansprüche der Eingeborenen in gewissem Maße zu berücksichtigen suchte". Es sei
aber keinesfalls richtig, in ihm den Vorläufer einer „post-imperialistischen Entwick-
lungshilfe-Politik" zu sehen. Schiefel, S. 141.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 9

scheinungen — wenn nicht die wichtigste — in der Ökonomik des modernen Kapi-
talismus" ist. 6 Zwar war man nach wie vor nicht bereit, wesentliche Kapitalien in
ein „offensichtlich hoffnungsloses Unternehmen zu stecken" 7 , dazu waren die
Profitmöglichkeiten, gemessen an den Balkan- und Asiengeschäften, zu gering,
jedoch gedachte man, zumindest einen „Fuß in der Tür zu behalten", um jede Ent-
wicklung in den sogenannten Schutzgebieten von Anfang an zu kontrollieren.
Nach der Jahrhundertwende trat zugleich immer deutlicher ein latenter Wider-
spruch zwischen dem Drang des deutschen Monopolkapitals nach kolonialen Pro-
fiten und den Formen und Methoden der imperialistischen Herrschaft in den Ko-
lonien hervor. Dieser Widerspruch, eingebettet in die Auswirkungen der ersten
zyklischen Krise des Imperialismus von 1900 bis 1903, führte in den folgenden
Jahren zwangsläufig zu einer ernsten, sich ständig komplizierenden politisch-
strukturellen krisenhaften Situation in der deutschen Kolonialverwaltung. Ihrem
Inhalt und ihren Zügen nach war sie gekennzeichnet durch die wachsende Unzu-
friedenheit vor allem des Bankkapitals gegenüber der schleppenden und, wie man
meinte, ungenügenden „wirtschaftlichen Erschließung" der deutschen Kolonien.
Als besonders profithemmend erschien diesen Kreisen neben der allgemeinen
„Kolonialmüdigkeit" die „einseitige" Konzessionspolitik der Regierung zugunsten
des Handelskapitals und bürgerlicher Mittelschichten, als nicht mehr „zeitgemäß"
die brutale Politik der physischen Ausrottung und Vernichtung der Kolonial-
völker, die zum Versiegen der Hauptquelle künftiger Profite zu führen drohte. Nur
mühsam hatte der deutsche Imperialismus durch die blutige Niederschlagung der
großen Befreiungsbewegungen in Afrika seine kolonialen Herrschaftsgebiete be-
haupten und teilweise unterwerfen können. Ein Ausdruck der erbitterten In-
teressengegensätze war der rasche Wechsel der Kolonialdirektoren im Auswärtigen
Amt.
Die Kolonialreform hatte denn auch Wilhelm II. am 28. November 1905 in seiner
Thronrede zur Eröffnung des deutschen Reichstages im Weißen Saal des Berliner
Schlosses als eine der Aufgaben der neuen Sitzungsperiode bezeichnet, wobei er
durchblicken ließ, daß er dabei neben dem Bau neuer kolonialer Verkehrswege
vor allem an ein selbständiges Reichsamt mit einem Kolonialstaatssekretär an der
Spitze dachte. Bülow legte mit dem Etat f ü r 1906 als wesentlichen Teil der ge-
planten Neuordnung der Kolonialverwaltung in membris et in capite das Projekt
eines Reichskolonialamts vor. Trotz der Niederlage im Reichstag gewann sein Plan,
einen im kapitalistischen Geschäft erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen
Industrie- oder Bankmanager f ü r die Aufgabe zu gewinnen, die steckengebliebene
ü
Lenin, W. 1., Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in: Werke,
Bd. 22, S. 201 f.
' Nußbaum, Manfred, Vom „Kolonialenthusiasmus" zur Kolonialpolitik der Monopole,
Berlin 1962, S. 134. In der marxistisch-leninistischen Literatur weisen H. Stoecker,
H. Drechsler, A. Rüger, J. Ballhaus, H. Loth u. a. überzeugend nach, daß bestimmte
Kreise des Bankkapitals von Anfang an oder nach wenigen Jahren Träger der großen
Kolonialgesellschaften waren bzw. wurden; vgl. auch Drang nach Afrika. Die kolo-
niale Expansionspolitik und Herrschaft des deutschen Imperialismus in Afrika von
den Anfängen bis zum Ende des zweiten Weltkrieges, hrsg. v. Helmuth Stoecker,
Berlin 1977, vor allem zu unserem Abschnitt S. 162—165.
10 Dieter Schulte

Kolonialpolitik wieder flottzumachen, immer deutlicher an Konturen. Allein be-


reits seine ersten Versuche stießen auf Schwierigkeiten. Die von ihm in Aussicht
genommenen „Männer der Praxis", im Gespräch war u. a. neben Wiegand
(Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd) auch der einflußreiche Hamburger
Senator Justus Strandes, waren keineswegs begeistert und bereit, ihre zumeist
florierenden Unternehmen gegen einen wackelnden Direktorensessel in der Ko-
lonialabteilung zu vertauschen.
Die überraschende Ernennung des bisherigen Direktors der Darmstädter Bank,
Bernhard Dernburg, am 5. September 1906 zum neuen Leiter des Kolonialressorts
im Auswärtigen Amt war ein Versuch Reichskanzler v. Bülows, die labile Situation
in der deutschen Kolonialverwaltung zu festigen. Mit dem sensationellen Amts-
antritt Dernburgs dokumentierte das deutsche Finanzkapital zum ersten Mal in
der imperialistischen Ära seine direkte Herrschaft über die Kolonien. Dernburg
war der erste prominente Vertreter des deutschen Bankkapitals, der als Minister
in eine deutsche Reichsregierung berufen wurde. Mit ihm kam eine profilierte
Persönlichkeit der deutschen Börsenwelt an das politische Ruder, die nach Her-
kunft, Beruf und wirtschaftlichen Interessen auf das engste mit der Berliner
Handelsgesellschaft Carl Fürstenbergs verbunden war. 8
Daß es dem Reichskanzler unter Mitwirkung Loebells so schnell gelungen war,
einen prominenten Vertreter des deutschen Bankkapitals in das übel beleumdete
koloniale Geschäft zu lancieren, hing sicher nicht zuletzt damit zusammen, daß
dem dem rechten Flügel des Freisinns nahestehenden Dernburg, Mitglied in fast
40 Aufsichtsräten, der Boden unter den Füßen „zu heiß" geworden war. 9 Die
bürgerliche Presse feierte ihn indes als „Sanitätsrat" und Mann der Tat, der den
„kolonialen Augiasstall" ausräumen werde. Aber auch unter anderen Aspekten
erregte das Avancement des erst 41jährigen Bankiers — „keines Aristokraten, nicht
einmal eines Beamten, noch dazu eines Mannes, der den Antisemiten eine Angriffs-
fläche bot, obwohl er ein Muster an christlichem Bekenntnis war" 10 — beträcht-
liches Aufsehen.
Einen unmittelbaren Schwerpunkt der Tätigkeit des homo novus in den ersten
Wochen bildete die völlige Neukonzipierung der amtlichen kolonialen Propaganda.
Mit geschickten kapitalistischen Managermethoden initiierte der ehemalige Bank-
direktor auf breiter parlamentarischer Front eine großaufgezogene Propaganda-
kampagne, die die Bedeutung der deutschen Kolonien als Rohstoffquellen, Absatz-
B
J. Kuczynski folgt u. E. zu kritiklos der Bülowschen Schilderung der Ernennung:
„Dernburg war der erste monopolistische Minister der deutschen Bourgeoisie, und
seine Ernennung . . . wurde von ihr als ein großer Erfolg gefeiert. Aber man kann
nicht sagen, daß die Beherrschung des Staatsapparates durch die Monopole dadurch
verstärkt wurde — es war vor allem ein rein äußerlicher, ornamentaler Erfolg ..."
Kuczynski, Jürgen, Zur Soziologie des imperialistischen Deutschland, in: JbfW, 1962,
T. II, S. 86.
a
Der Börsenjournalist der „Zukunft", Ladon, amüsierte sich am 15.9.1906 ironisch
über den hastigen Abgang Dernburgs und gratulierte ihm, daß er dem Schicksal ent-
ronnen sei, die „nächste Bilanz der Darmstädter Bank vor den Aktionären vertreten
zu müssen". ZStAP, Pressearchiv der Reichsbank, Nr. 71, Bl. 119—121.
,u
Achterberg, Erich, Berliner Hochfinanz, Frankfurt a. M. 1965, S. 214.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts ]1

märkte und Kapitalanlagesphären hochzuspielen versuchte und vor allem die


bürgerlichen Mittelschichten als potentielle Zielgruppen zu erreichen trachtete.
In seiner Antrittsrede vor dem deutschen Reichstag erklärte er bereits am 28. No-
vember 1906 unmißverständlich, daß eine wirtschaftliche Prosperität der Kolonien
nur entstehen könne durch „die Begünstigung privater wirtschaftlicher Tätigkeit,
sei es von Personen, sei es von Gesellschaften, welche den Boden und die Natur-
schätze der Kolonien in sachgemäße Bewirtschaftung nehmen". Als Gesichtspunkt
sei im Auge zu behalten, „daß die Grundlage, auf der sich wirtschaftliche Gebilde
aufbauen, Geschenke, Konzessionen von Seiten des Reiches sind und daß das
Privatkapital nur die Befruchtung dieser Geschenke übernimmt. Auf dieser Basis
und einer gesunden Erkenntnis, was das Privatkapital an Renten, an Einkunft not-
wendig hat, werden sich die privatwirtschaftlichen und die fiskalischen Interessen
die Hand reichen."
In der mit Engagement vorgetragenen programmatischen Rede nahm das Verhält-
nis zu den kolonial unterdrückten Völkern einen wichtigen Platz ein. Mit Nach-
druck wies Dernburg auf den „gewissen Kontakt" der afrikanischen Völker hin,
der eine Kontrolle erschwere, und appellierte an die gemeinsamen und
„solidarischen" Klasseninteressen der internationalen europäischen Monopol-
bourgeoisie.11
Die Kolonialpolitik wurde für die Regierung zu dem Instrument, das in dieser
Situation am besten geeignet erschien, ihre schwache parlamentarische Position
mit einem Schlag zu verbessern, d. h. die einflußreiche Stellung des Zentrums zu
beseitigen und eine breite reaktionäre Front gegen die deutsche Sozialdemokratie,
den bewußten Vortrupp der deutschen Arbeiterklasse, zu schaffen. Die von Bülow
unter maßgeblicher Schützenhilfe Dernburgs provozierte Auflösung des deutschen
Reichstages am 13. Dezember 1906 sollte denn auch eine veränderte parlamen-
tarische Kräftekonstellation einleiten.
Der Kolonialdirektor wurde im Wahlgeschehen zur „Wahllokomotive" der Regie-
rung, zum „nationalen Trommler" für eine imperialistische Kolonialpolitik und
zu einer Schlüsselfigur in der Sammlung der Rechtskräfte. Die Bedeutung und das
Gewicht der außerordentlich geschickten, auf alle potentiellen Wählerschichten
vor allem auf kleinbürgerliche und Mittelschichten ausgerichteten kolonialpoli-
tischen Demagogie des Exbankiers ist in der Tat nur schwer zu überschätzen. Seine
Wahlreden und Vorträge in Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Frankfurt a. M.
und Darmstadt im Januar und Februar vor zahlreichem Publikum erwiesen sich
als ein wirksames Instrument der Bourgeoisie im Wahlkampfwinter 1906/07. Das
Ergebnis der Reichstagswahlen gab der Reichsregierung einen „kolonialpolitischen
Blankowechsel, den sie nach Belieben ausfüllen" 12 konnte.
Der „Bülow-Block" bildete eine sichere parlamentarische Basis, um die durch

" Dernburgs Rede vom 28.11.1906, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen
des Reichstages, 11. Leg.Per., 2. Sess., 1905/06, Bd. 5, S. 3960-3969. Später erklärte er
sehr deutlich: „Es ist deshalb ein Hauptsatz, daß eine Solidarität der weißen Gemein-
schaft der schwarzen gegenübergestellt werden muß ..." Dernburg, Bernhard, Von
beiden Ufern, Berlin (1916), S. 57.
yl
Parvua (d. i. Alexander Helphand), Die Kolonialpolitik und der Zusammenbruch,
Leipzig 1907, S. 60.
12 Dieter Schulte

Bernhard Dernburg inaugurierte Kolonialpolitik zu sanktionieren. Bis zu seinem


Auseinanderfallen 1909 war er ein zuverlässiges Instrument zur parlamentarischen
Durchpeitschung aller Kolonialvorlagen, die den deutschen Reichstag in eintöniger,
farbloser Regelmäßigkeit passierten.
In dieser heterogenen, von Kolonialinteressenten aller politischen Schattierungen
und sozialer Schichtung getragenen parlamentarischen kapitalistischen Kolonial-
politik, die von rechts außen bis zum liberalen Freisinn reichte, fehlte nur die
deutsche Sozialdemokratie, ein Mangel, der von Dernburg besonders schmerzlich
empfunden wurde. Dernburgs demagogische Kolonialpropaganda mit der „Öff-
nung nach links" war nach britischem Vorbild darauf abgestellt, durch die Phrase
von einer vom „ganzen deutschen Volk" getragenen „nationalen" Kolonialpolitik
die Arbeiterklasse zu desorientieren und zu korrumpieren. Sie sollte als fügsamer
Sozialpartner" ihrer revolutionären Potenzen beraubt und in die bürgerliche
Gesellschaftsordnung integriert werden. Mit wohlwollender Unterstützung des
Reichskanzlers förderte der ehemalige Bankier besonders eifrig revisionistische
und reformistische Strömungen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie, erfolg-
los, wie es sich zeigen sollte. Die Losung der Vorhut der deutschen Arbeiterklasse
„Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!" bezog sich auch auf die
Kolonialadministration der Jahre 1906 bis 1910. Die parlamentarischen Anklagen
eines August Bebel und Georg Ledebour, die prinzipielle und kategorische Ab-
lehnung aller Kolonialvorlagen der Regierung sind historische Dokumente des
revolutionären Klassenkampfes der deutschen Arbeiterklasse, die, ebenso wie die
leidenschaftliche Verteidigung der Lebensinteressen der kolonial unterdrückten
Völker, die im wesentlichen richtige internationalistische Politik, das marxistische
Herangehen an den Klasseninhalt der kolonialen Frage bezeugen.13

Dernburgs koloniales Programm. Die Gründung des Reichs-


kolonialamtes 1907

Sechs Wochen nach seiner Amtsübernahme hatte Dernburg in seinem wichtigen


Runderlaß vom 17. November 1906 von den Kolonialgouverneuren gefordert: „Zur
vorausschauenden Verwaltung des Schutzgebietes ist es erforderlich, ein Pro-
gramm für längere Zeit — etwa 10 Jahre — aufzustellen, welches den Rahmen
bieten soll, innerhalb dessen sich voraussichtlich die wirtschaftlichen und kulturel-
len Anforderungen bewegen werden..." Wesentlichste Gesichtspunkte seien dabei
vor allem:
1. die Entwicklung des Verkehrs, vor allem der Eisenbahnen;
2. die Hebung und Intensivierung der kolonialen Rohstoffproduktion;
3. die Erkundung und Ausbeutung der mineralogischen Vorkommen;
4. die „Lösung" der sogenannten Arbeiterfrage. 14
Damit hatte Dernburg wesentliche Akzente seiner Politik deutlich gesetzt.
la
Vgl. Weinberger, Gerda, Zum antikolonialen Kampf der revolutionären Kräfte der
deutschen Sozialdemokratie (1884-1914), phil. Diss. Berlin 1964, S. 121-182.
'« ZStAP, Reichskolonialamt (im folg.: RKA) Nr. 767, Bl. 113 f.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 13

Während die deutschen Südsee-Kolonien stets am Rande des Blickwinkels des


Staatssekretärs lagen, wurden seine politisch-ökonomischen Vorstellungen zweifel-
los durch die Ergebnisse seiner beiden Afrika-Reisen von 1907 und 1908 präzisiert
und die konzeptionelle Erarbeitung seines kolonialen Programms nicht unwichtig
beeinflußt. Für den erfahrenen ehemaligen Bankier gehörte die genaue Son-
dierung des Arbeitsterrains, die Auslotung der vorhandenen Profitmöglichkeiten
zu den elementaren und notwendigen Voraussetzungen einer „Bestandsauf-
nahme". 15 Dies um so mehr, als er auf persönlichen Wunsch Bülows als „privaten
Berater" einen Begleiter zur Seite hatte, der diesen Reisen a priori einen gewich-
tigen ökonomischen Akzent verlieh, nämlich Walter Rathenau, Vorstandsmitglied
der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (A. E. G.), 1902-1907 Geschäftsinhaber
der Berliner Handelsgesellschaft (B. H. G.) und Mitglied des Verwaltungsrates
der Bank.
Am 15. Juli 1907 hatte die „Leipziger Volks-Zeitung" einen wichtigen Aspekt der
Reisen hervorgehoben, indem sie unterstrich, daß Dernburg „als ein kapita-
listischer Wünschelrutenmann, der im Wüstensande nach Anlageplätzen für das
Kapital sucht", nach Afrika ginge.16 Während seines Aufenthaltes in Deutsch-Ost-
afrika (D. O. A.), vom pompösen Empfang in Daressalam mit Flottenparade,
Ehrensalut und Ehrenkompanie bis zu seiner Abreise im Oktober 1907, sammelte
der Staatssekretär Eindrücke und Erfahrungen, die seine künftige Haltung gegen-
über D. O. A., das er zuvor oft als die wertvollste Kolonie des deutschen Imperialis-
mus bezeichnet hatte, weitgehend bestimmten. Dernburg wie auch Rathenau
äußerten sich fortan sehr zurückhaltend über Möglichkeiten neuer Kapitalinvesti-
tionen. Der Staatssekretär sprach sogar von einem „schlechten Land für euro-
päische Experimente". 17
Der viermonatige Besuch Süd- und Südwestafrikas (S. W. A.) 1908, eine Tour über
36 000 Kilometer, übertraf an Bedeutung und Umfang die Ostafrika-Reise bei
weitem. In London hatte Dernburg auf der Basis deutsch-britischer Annäherungs-
versuche zunächst vorsichtig die britische Meinung zu einzelnen kolonialpoli-
tischen Zielen seiner Reise sondiert. Die englische Presse hatte nicht unfreundlich
reagiert. Der „Daily Chronicle" brachte am 15. Mai ein längeres Exclusiv-Interview
mit Dernburg, der den kolonialen Eisenbahnbau als Hauptmoment seiner Politik
bezeichnete. Auf das Verhältnis Deutschlands zu England angesprochen, beteuerte
er: „But we are working together in the same t a s k . . . Cooperation, not rivalry, that
is my ideal.. ,"18
Die Südafrikareise wurde zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als die rezessiven
Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 1907 bis 1909 Fraktionen des britischen
l:
> Rathenau, Walter, Tagebuch 1907—1922, hrsg. u. komm. v. Hartmut Pogge v. Strand-
mann, Düsseldorf 1967, S. 56.
m
Leipziger Volks-Zeitung, Nr. 161, 15.7.1907, in: Pressearchiv des ehemaligen Reichs-
landbundes (im folg.: PARL), Nr. 175 F 1, Bd. 1, Bl. 8.
" Dernburgs 39seitiger Bericht über die Dienstreise befindet sich im ZStAP, Reichs-
kanzlei Nr. 924, Bl. 99; vgl. auch Rathenaus Denkschrift „Erwägungen über die Er-
schließung des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes", in Rathenau, Walter,
Reflexionen, Leipzig 1908, S. 143-198.
IS
ZStAP, RKA Nr. 1461, Bl. 59.
14 Dieter Schulte

Finanzkapitals kompromißfreudig stimmten. Gerade auf den größten Goldprodu-


zenten, Südafrika, hatte sich die Krise verheerend ausgewirkt. Der Buren-Boom
hatte sich schnell verflüchtigt, und seit 1904 waren die Johannesburger Goldminen
in eine ernste Depression geraten.
Die südafrikanische Gold- und Minenindustrie war auf der anderen Seite tra-
ditionell ein Schwerpunkt des deutschen Kapitalexports im subsaharischen Afrika.
Im Witwatersrand waren über 500 Millionen Mark deutsches Kapital angelegt.
Vor allem die „Hausbank" der A. E. G., die B. H. G., war direkt oder über die
A. Goerz & Co., Ltd., den „Swiss Bankverein", führend an den Börsengeschäften
mit den Aktien der südafrikanischen Gold- und Diamantengesellschaften beteiligt.
Einflußreiche wirtschaftliche Kreise in der Kapkolonie und in Transvaal, die ge-
schäftlich mit dem deutschen Bankkapital verflochten waren, traten seit Jahren
f ü r eine engere verkehrsmäßige Verbindung mit dem benachbarten S. W. A. ein.
Die erregten Diskussionen um den bevorstehenden politischen Zusammenschluß
der ehemaligen Burenrepubliken und der Kapkolonie schufen zusätzlichen poli-
tischen Gärstoff.
Trotz des eifrigen Bemühens beider Seiten, die Informationsreise als einen „bloßen
Erfahrungsaustausch in Verwaltungsangelegenheiten" zu deklarieren, konnte es
daher über das tatsächliche politische Gewicht der Reise eines hervorragenden Re-
präsentanten des deutschen Bankkapitals und Reichsministers in ein politisch-
ökonomisches Zentrum des britischen Weltreiches keinen Zweifel geben. Rathenau
und Dernburg schlug eine Woge nervöser Spannung und Erwartungen entgegen.
Schon am 28. April 1908 hatte der offiziöse Kapstadter „Natal Mercury" unter der
Schlagzeile „A German Route to the Rand" die Absichten der stärkeren „Er-
schließung" des Rand durch das deutsche Finanzkapital ablehnend kommentiert
und unterstellt: „We cannot imagine it possible that Lord Seiborne will readily
succumb to Herr Dernburg's blandishments in this matter." 1 9
Bezeichnend f ü r die unterschiedlichen Positionen und Interessengegensätze zwi-
schen dem deutschen, britischen und niederländischen Finanzkapital ist die War-
nung des deutschen Konsuls Reimer, Pretoria, an den Reichskanzler, einflußreiche
Kreise der Kapkolonie sähen mit „Unruhe" der Reise Dernburgs entgegen. Vor
allem die Kapkolonie und die Natal-Regierung ständen dem Plan einer Trans-
versalbahn (von Transvaal nach Südwestafrika) ablehnend gegenüber, während
sich der Transvaal und die Oranje-River Colony, f ü r die es vorteilhaft wäre, einen
Eisenbahnanschluß an S. W. A. zu besitzen, „positiv" verhielten. Der Konsul wies
darauf hin, daß die „Anbahnung von Unterhandlungen mit den Transvaal-Geld-
leuten" wohl möglich sei, „wenn ihnen entsprechende Äquivalente geboten würden
und ihnen als Gegengabe f ü r die Bewilligung der Bahn vielleicht ein Entgegen-
kommen durch Zulassung ihrer Goldaktien an den deutschen Börsen zugebilligt
würde". 20
Der Aufenthalt in Johannesburg wurde zum Höhepunkt der Reise, die den Staats-
sekretär per Eisenbahn, Automobil, Schiff und Wagen vom 2. Juni bis zum Grenz-
übertritt bei Upington durch alle Südafrika-Kolonien geführt hatte. Die selbst-

1M
Ebenda, Auswärtiges Amt Nr. 15321, Bl. 20.
® Bericht v. 4. 5.1908, ebenda, Bl. 17-20.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 15

bewußte Rede Dernburgs auf dem am 22. J u n i 1908 zu Ehren des deutschen
Ministers von der Chamber of Commerce im Johannesburger „Carlton-Hotel" ver-
anstalteten Festessen, die den Geist einer stärkeren Zusammenarbeit des deutschen
und britischen Finanzkapitals beschwor, f a n d den demonstrativen Beifall der an-
wesenden diplomatischen Vertreter ebenso wie den der Repräsentanten der
Banken und Konzerne. 2 1 Noch deutlicher w a r b der Johannesburger „Star", der die
Notwendigkeit einer k ü n f t i g engeren deutsch-britischen Zusammenarbeit bei der
„wirtschaftlichen Erschließung" Afrikas u n d bei der Intensivierung des Kapital-
exports unterstrich. Mehr als jede andere Zentrale sei Johannesburg, das Zentrum
des Goldabbaus, den Plänen des deutschen Staatsmannes v e r b u n d e n : „If t h e
leaders of throught and the people of South Africa rise to emergency, we m a y
bef ore long find British and German marching . . . together side by side in brother-
hood and friendship . . ," 22
Gemessen an dem außerordentlich politisch-ökonomischen Gewicht der S ü d a f r i k a -
Recherchen fällt der abschließende Teil der Informationsreise durch Deutsch-
Südwestafrika sichtlich ab. Die Grundzüge der großkapitalistischen Kolonialpolitik
gerieten deutlich mit den vielfältigen Profitinteressen der heterogenen klein-
bürgerlich-agrarischen Mittelschichten in Konflikt. Auf der Basis seines generellen
Mißtrauens vermochte daher Bernhard Dernburg seine Skepsis u n d Ablehnung
gegenüber den Plänen der alldeutschen u n d kolonialchauvinistischen Siedlungs-
politiker vom Schlage eines Rohrbach, Samassa u n d Liebert k a u m zu verbergen.
Der Ex-Bankier war von den in seinen Augen maßlos übersteigerten Forderungen
der F a r m e r und Siedler — dazu zählte er vor allem ihre gegenüber den A f r i k a n e r n
verlangten Zwangs- u n d Kontrollmaßnahmen — deutlich verstimmt. Er, der noch
vor Antritt seiner Ostafrika-Reise 1907 gerade die europäischen Kolonialisten in
A f r i k a durch brillante Reden in Euphorie versetzt hatte, erwies sich nach dem
Abschluß seiner afrikanischen Recherchen als ein nüchterner monopolkapita-
listischer Buchhalter, der keineswegs die wichtigste P r o d u k t i v k r a f t in den Ko-
lonien f ü r die persönlichen Interessen einer Handvoll Europäer, die noch dazu eine
völlig untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung hatten, zu „vergeuden" gedachte.
Auch diese Erkenntnis h a t t e er in Südafrika, so in Rhodesien, deutlich bestätigt
gefunden.
Unter den strukturellen Maßnahmen des deutschen Imperialismus zur Reorgani-
sation seines kolonialen Unterdrückungsapparates in den J a h r e n 1906 bis 1910
bildete die Konstituierung des Reichskolonialamtes (R. K. A.) zweifellos den wich-
tigsten Einschnitt. Am 17. Mai 1907 wurde durch kaiserliche Verordnung die bisher
dem Auswärtigen Amt unterstellte Kolonialabteilung zu einem selbständigen
Reichsamt erhoben und Kolonialdirektor Dernburg zum ersten Staatssekretär
dieses Amtes ernannt. 2 3 Das imperialistische Deutschland demonstrierte n u n m e h r
offen auch durch die Rangerhöhung seiner Kolonialverwaltung den Gel-

21
Konsul Frank (Johannesburg) hob in seinem Bericht an Bülow vom 29. 6.1908 die
„positive Ausstrahlung" Dernburgs hervor, die als Versprechen auf „bessere Zeiten"
enthusiastisch gefeiert worden sei. Ebenda, RICA Nr. 1462, Bl. 77 f.
' a The Star, 23. 6.1908, ebenda Nr. 1461, Bl. 106.
33
Reichsgesetzblatt 1907, S. 2, 239.
16 Dieter Schulte

tungsanspruch seiner in die Bülowsche „Weltpolitik" einmündenden Kolonial-


politik.
Damit begann eine neue Etappe der „kolonialen Erschließung", die sich in ihren
Hauptlinien wesentlich von den vorangegangenen Perioden unterschied. Haupt-
merkmale w a r e n die Reorganisation des zentralen und lokalen Zwangs- u n d Ver-
waltungsapparates, die Neukonzipierung und Intensivierung der gesamten kolo-
nialen Propaganda, die ungeheuer verstärkte Penetration und Ausplünderung der
Kolonien u n d der kolonial unterdrückten Völker sowie eine bis dahin in dieser
Größenordnung nicht gekannte Konzessionspolitik. Diese „neue" Kolonialpolitik
war eindeutig gerichtet auf die völlige Monopolisierung der kolonialen Rohstoff-
quellen, Absatzmärkte u n d Kapitalanlagesphären vor allem zugunsten der
deutschen Großbanken. Der koloniale Verwaltungsapparat des deutschen Im-
perialismus, der bis zum J a h r e 1914 zu den finanziell aufwendigsten aller kapita-
listischen Staaten gehörte, war nicht n u r ein relativ gut funktionierender Unter-
drückungsmechanismus gegen alle aufflackernden antikolonialen Befreiungs-
bewegungen in A f r i k a und der Südsee. Er trug auch mit äußerst geschickten
Methoden zur finanziellen Ausplünderung der werktätigen Klassen u n d Schichten
des deutschen Volkes bei.
Bernhard Dernburg inszenierte als zentrale Maßnahme zur angeblichen Sanierung
des Kolonialetats, der stets eine Farce war, einen Börsencoup, der sich als groß-
angelegter Schwindel und Betrug breiter Volksmassen, insbesondere der kolonial-
enthusiastischen Mittelschichten, demaskierte. Von bürgerlichen Apologeten als
„bedeutsamstes" Werk des Kolonialstaatssekretärs gefeiert, war die Kolonial-
anleihe ein Millionengeschäft f ü r das deutsche Finanzkapital und stand in ursäch-
licher Beziehung zum Eisenbahnbauprogramm des R. K. A. nach britisch-
französischem Vorbild.
Die Emission fiel in eine eigentlich ungünstige Situation an der Börse. Aber Dern-
burgs Aktivität überrollte geradezu die zaghafte bürgerliche Opposition sowie die
zögernde Haltung des Reichsschatzamtes und der Reichsschuldenverwaltung.
Ähnlich den Anteilen der „Deutschen Reichs- und Preussischen consolidierten
„Staatsanleihe" (Preussische Consols) w u r d e die Kolonialanleihe, deren Placierung
auf dem Börsenmarkt ein am 24. November 1908 gebildetes Konsortium von
11 Banken unter der F ü h r u n g der Deutschen Bank übernahm, mit 3V2 Prozent
verzinst. Von dem Anleihesoll der J a h r e 1908 bis 1914 in Höhe von insgesamt
283 000 000 Mark w u r d e n fast 245 000 00Ö Mark realisiert, von denen bis zum
Jahresende 1919 lediglich 4 300 000 Mark getilgt worden waren. Die Anleiheschuld
des Reiches u m f a ß t e am Ende des Rechnungsjahres 1919 etwa 246 Millionen
Mark. 2 ' 1
Hunderte Millionen Mark an Volksvermögen waren bis 1910 durch die geschickt
inszenierte und skrupellos durchgesetzte koloniale Finanzpolitik Dernburgs, durch
verschleierte Umverteilungen in die Taschen der großen Kolonialprofiteure ge-
flossen. Bernhard v. König, ehemaliger hoher Beamter der Kolonialabteilung, dem
m a n k a u m anlasten kann, die A u f w e n d u n g e n zu hoch angesetzt zu haben, bezifferte

Vgl. die jährlichen Berichte des Reichsschatzamtes in ZStAP, Reichstag Nr. 1161.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 17

beispielsweise die Summe, die ä f onds perdu vor allem dem kolonialen Eisenbahn-
bau von 1908 bis 1910 zufloß, auf r u n d 780 Millionen Mark. 2 5

Der Ausbau der Kolonien zu Rohstoffquellen und Absatzgebieten

Für Dernburg w a r die Steigerung der Rohstoffproduktion in den deutschen


Kolonien ein komplexes Problem, das den Kapitalexport — besonders den kolonia-
len Eisenbahnbau — mit einschloß. In seinem programmatischen Vortrag auf dem
Deutschen Handelstag am 11. J a n u a r 1907 hob er als Zielpunkte hervor:
— Sicherung von Exportaufträgen f ü r die deutsche Industrie;
— Erzeugung eines großen Teils von dringend benötigten Rohstoffen, u m die Mög-
lichkeit des Durchbrechens von ausländischen monopolistischen Preiskartellen
zu schaffen;
— „kräftiges strategisches und taktisches Mittel" bei internationalen Verhand-
lungen über k ü n f t i g e Absatzmärkte und Handelsbeziehungen. 2 6
Ein erklärtes konzeptionelles Ziel des Kolonialdirektors war der Ausbau der
deutschen Kolonien zu Rohstoffquellen, Absatzmärkten und Kapitalanlagen-
sphären. Damit entsprach seine Politik einer dem Wesen des Monopolkapitalismus
immanenten Gesetzmäßigkeit, nämlich die Kolonien als strukturell einseitig, aus-
schließlich auf die Bedürfnisse der imperialistischen Kolonialmacht ausgerichtete
bloße Rohstoff- und Agraranhängsel zu behandeln. 1908 modifizierte der Staats-
sekretär auf Vorwürfe des Zentrums hin seine Zeitvorstellung u n d erklärte, daß
es natürlich nicht möglich sei, „zwei oder drei Milliarden Rohprodukte in kurzer
Zeit aus den Kolonien zu ziehen", und verwies auf die langjährigen „Kolonial-
erfahrungen" Englands und Frankreichs. Durch die komplizierte klimatische
Situation könne der Reichtum der Tropen zudem n u r durch die A f r i k a n e r selbst
gehoben werden. Dernburg forderte deshalb die Entwicklung „geeigneter Macht-
mittel" und stellte fest: „Kommt das alles untereinander zusammen, so steckt in
diesen Eingeborenen die K r a f t , unter weißer F ü h r u n g sich zu solchen Konsu-
menten u n d Produzenten zu entwickeln, daß . . . die heimische Wirtschaft u n d . . .
Industrie daraus dauernd einen großen Nutzen ziehen." 27
Mit dieser Feststellung ist die tatsächliche imperialistische Zielsetzung und das
Wesen der „scientific colonisation" oder „colonisation rationelle" deutlich u m -
rissen. Bernhard Dernburg konnte sich in seiner Handels- und Rohstoffpolitik auf
die fast geschlossene Unterstützung durch das deutsche Handelskapital, ins-
besondere den alteingesessenen hanseatischen Groß- und Überseehandel, berufen.
70
König, Bernhard v., Die finanzielle Entwicklung der deutschen Kolonien bis zum Ab-
schluß der Ära Dernburg, in: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolo-
nialwirtschaft, 1910, 8, S. 600-608. Die Deutsche Bank kassierte bis 1919 135 Mill. Mark
für den Bau der ostafrikanischen Zentralbahn und den Verkauf der Ostafrikanischen
Eisenbahn-Gesellschaft, die Fürstenberg-Lenz-Gruppe über 133 Mill. Mark für die
Eisenbahnprojekte in Kamerun, S. W. A., D. O. A. und Togo.
m
Dernburg, Bernhard, Zielpunkte des deutschen Kolonialwesens, Berlin 1907, S. 37.
ZStAF, RKA Nr. 701, Bl. 106.

2 Jahrbuch 24
18 Dieter Schulte

Diese Unterstützung reichte bis in die Kreise der exportorientierten Industrie. So


erklärte beispielsweise am 24. Januar 1910 der nationalliberale Reichstagsabgeord-
nete Dr. Stresemann, Syndikus des Verbandes Sächsischer Industrieller und Mit-
glied des Präsidiums des „Bundes der Industriellen": „Man mag über Dernburg
in seiner Stellung zu den Pflanzern denken, wie man will, aber man muß doch zu-
geben, daß in das Amt ein ganz anderer Geist gekommen ist." 28
Unabhängig vom Kolonialamt hatte bereits seit 1896 das „Kolonialwirtschaftliche
Komitee" (K. W. K.) vereinzelte Versuche in den deutschen Afrikakolonien unter-
nommen, die Perspektive einer möglichen Rohstoffgewinnung, vor allem Baum-
wolle und Kautschuk, zu überprüfen. Hatte das K. W. K. vor der Konstituierung
des R. K. A. wesentliche wirtschaftliche Interessen des deutschen Imperialismus
direkt verfolgt, so verlagerten sich seit 1907 Verantwortung und Autorität immer
mehr. Nicht unerhebliche Mittel wurden vom Staatsapparat bis 1914 f ü r die „Ver-
suchsarbeiten" bereitgestellt. Nach Supfs eigenen Angaben erhielt das K. W. K.
rund 4 Mill. Mark, davon allein 1 670 000 Mark f ü r die Baumwollversuche. 29 Es
kann hier natürlich nicht auf die Spezifik und den Umfang dieser Arbeiten des
Komitees eingegangen werden, die trotz spärlicher wissenschaftlicher Ansätze sehr
stark improvisierten Charakter trugen.
1910, als das finanzielle und wissenschaftliche Dilemma der K. W. K.-Versuche
immer offenbarer wurde, entschloß sich das Kolonialamt auf Drängen der Industrie
zu einer Neuorientierung. Gegenüber dem Reichsamt des Innern motivierte Dern-
burg am 4. Februar 1910 seine Absicht, das wissenschaftliche Versuchswesen, vor
allem in den Afrikakolonien, und den Einsatz der finanziellen Mittel durch eine
umfassendere Beteiligung des Staates zu verstärken: „Besonders gibt mir hierzu
der Umstand Veranlassung, daß die landwirtschaftlichen Versuchsunternehmun-
gen des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees nicht mit genügender Sachkenntnis
geführt werden und die Erfolge daher nicht im richtigen Verhältnis zu den auf-
gewandten Mitteln stehen." 30 Die Vereinbarung zwischen dem R. K. A. und dem
K. W. K. vom 1. März 1910 betonte stärker die neuen Aufgaben des Staates. Das
Komitee nahm nunmehr ausschließlich den Charakter einer politisch-propagan-
distischen Interessenvertretung der deutschen Industrie an.
Die bescheidene Förderung der Produktivkräfte und die Entwicklung der Produk-
tionsverhältnisse stehen in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Schwerpunkten
Dernburgscher Monopolpolitik. Es gelang dem R. K. A. trotz aller Propaganda
nicht, den Ausbau der Kolonien als Rohstoffquellen wesentlich voranzutreiben und
damit die Rohstoff frage f ü r den deutschen Imperialismus im oben skizzierten Sinne
zu lösen. Nach vorsichtigen Einschätzungen der Quellen kann zusammenfassend
festgestellt werden, daß im Jahre 1914 z. B. die koloniale Erzeugung von Kaffee
rund 1/240, von Baumwolle 1/60, von Kakao 1/7 und von Kautschuk etwa 1/3 des
jährlichen deutschen Bedarfs deckte. 31

21
Schulthess' Europäischer Geschichtskalender, Bd. 51 (1910), München 1911, S. 66.
a
Supf, Wilhelm, Das Ende deutscher Kolonialwirtschaft?, Berlin 1921, S. 12.
•*> ZStAP, RKA Nr. 8156, Bl. 13.
Nußbaums Angaben über die Erzeugung bestimmter kolonialer Rohstoffe und Pro-
dukte (z. B. Baumwolle 14 Prozent) gehen an der Realität vorbei. Vgl. Nussbaum, S. 156.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 19

Ohne auf das völlig unerhebliche Handelsvolumen zwischen Deutschland und


seinen Kolonien hier eingehen zu wollen, sei vermerkt, daß das R. K. A. lockere
Kontakte zur „Ständigen Ausstellungskommission f ü r die Deutsche Industrie"
unterhielt, einer Art Dachorganisation der deutschen Industrie. Dabei ging es in
den J a h r e n von 1906 bis 1910 vor allem u m die Organisierung von Ausstellungen
in den deutschen Kolonien und in Berlin und Hamburg, u m die Vorbereitung und
Placierung von Handelsgeschäften, u m Marktanalysen u. ä. Am 26. Mai 1908 teilte
die Ausstellungskommission dem R. K. A. mit, es habe, den dortigen Anregungen
folgend, beschlossen, ein besonderes Kolonialkomitee zu bilden, das n u n m e h r die
kolonialen Ausstellungsinteressen der Industrie w a h r n e h m e n solle u n d im „Be-
darfsfalle" in Aktion treten werde. 3 2 Doch der koloniale Markt fand offensichtlich
bis 1910 nicht das Interesse der Industrie, der die vorhandenen Absatzmöglich-
keiten f ü r Maschinen, Geräte u n d chemische Produkte als viel zu gering erschienen,
obwohl Dernburg sich erneut f ü r eine breitere staatliche Unterstützung einsetzte.

D e r koloniale E i s e n b a h n b a u

Staatssekretär Bernhard Dernburg hatte die Propaganda f ü r den Ausbau des


Eisenbahnnetzes in den deutschen Kolonien schon recht f r ü h in sein koloniales
P r o g r a m m aufgenommen. Am 29. November 1906 erklärte er im Reichstag, daß es
u m die stärkere Unterstützung des Kapitals auch im Eisenbahnbau ginge, u n d hier
d ü r f e m a n nicht so sehr „knausern", sondern müsse „etwas larger" sein. 33 Der
koloniale Eisenbahnbau w u r d e in der „Ära Dernburg" zum H a u p t f a k t o r des
deutschen Kapitalexports.
Der private Gütertransport in den deutschen Kolonien band nicht n u r Tausende
vom deutschen Kapital dringend benötigter afrikanischer Arbeitskräfte, er ver-
teuerte auch die erzeugten Produkte in hohem Maße u n d machte die von Dernburg
angestrebte Orientierung am Weltmarkt u n d die „wirtschaftliche Erschließung"
illusorisch. Die Entwicklung der Transportfrage w a r daher entscheidend f ü r die
Erhöhung des Handelsvolumens, die Lösung der Rohstofffrage u n d den weiteren
Ausbau der Kolonien als kapitalistische Absatzmärkte. Kolonialeisenbahnen be-
saßen aber auch einen eminenten politisch-militärischen Stellenwert f ü r den
deutschen Imperialismus, sie w a r e n „mächtiger als die Kanone". 3 4 Der Eisenbahn-
referent des Reichskolonialamtes, Baltzer, f a ß t e diesen Aspekt sehr deutlich zu-
sammen : „Der Zweck der Kolonialbahnen ist die wirtschaftliche Aufschließung . . .
dazu gehört auch die Niederschlagung unbotmäßiger Volksstämme, die militärische
Eroberung u n d U n t e r w e r f u n g des zu erschließenden Gebietes . . . Gerade der Bau
zahlreicher Kolonialbahnen der neuesten Zeit h a t erwiesen, daß dieser eins der
besten Mittel ist, u m ein Neuland tatsächlich zu unterwerfen, seine Besitzergrei-

M
ZStAP, RKA Nr. 6346, Bl. 117 f.
33
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 11. Leg.Per.,
2. Sess. 1905/06, Bd 5, S. 4002.
a
'* König, Berhard v., Koloniale Eisenbahnpolitik, in: Das neue Deutschland, Nr. 23,
8. 3.1913 (ZStAP, Nachlaß Koenig Nr. 117).


20 Dieter Schulte

fung zu vollenden . . ,"35 Angesichts der relativ labilen politischen Situation in den
deutschen Kolonien bis 1910 war der militärische Aspekt im Eisenbahnbaupro-
gramm Dernburgs nicht zu übersehen.
Um den Boden vorzubereiten, legte Innenminister Graf v. Posadowsky am 9. April
1907 die von der Kolonialabteilung ausgearbeitete Denkschrift „Die Eisenbahnen
Afrikas, Grundlagen und Gesichtspunkte für eine koloniale Eisenbahnpolitik in
Afrika" dem neugewählten Reichstag vor. Die umfangreiche und demagogische
Propagandaschrift sollte nach Dernburgs eigenen Worten dem Zweck dienen,
„einer zielbewußten Verkehrspolitik in den deutschen Schutzgebieten Afrikas
Tatsachenmaterial und Gesichtspunkte zu liefern". 36 Nach den afrikanischen
„Ortsbesichtigungen" des Staatssekretärs waren seine Pläne über mögliche Ent-
wicklungslinien des kolonialen Eisenbahnbaus soweit gereift, daß er bereits fünf
Monate später ein bis dato an Zielstellung und Umfang noch nicht dagewesenes
Programm der Öffentlichkeit vorstellen konnte.
Am 13. März 1908 brachte Reichskanzler v. Bülow mit der Ergänzung zum Haus-
haltsetat f ü r die Kolonien 1908 ein Gesetzpaket ein, das die Kolonialbahn-Vorlagen
der Regierung umfaßte. 37 Sie forderte darin vom Reichstag die Bewilligung von
rund 175 Mill. Mark, die, verteilt auf sechs Jahre, f ü r den Bau von fünf Eisen-
bahnen in einer Länge von insgesamt 1450 Kilometern eingesetzt werden sollten.
Das Programm sah die vorrangige Förderung und den Ausbau der Zentralbahn-
trasse in D. O. A. sowie die Erschließung des innerafrikanischen Seengebietes und
damit den Anschluß an die Einzugsgebiete der britischen Ugandabahn vor. Das war
eine Forderung, die neben den von der Deutschen Bank angeführten, direkt am
Bahnbau interessierten Kreisen des deutschen Bank- und Industriekapitals vor
allem vom Handelskapital vertreten wurde, das nach der Öffnung der Konzessions-
gebiete des „Comité spécial du Katanga" im Kongo strebte.
Rathenaus Vorschläge, stärker als bisher den Staat zur Sicherung der Profite des
deutschen Monopolkapitals heranzuziehen, waren ohne Zweifel auch der theo-
retische Ansatzpunkt f ü r Dernburgs Politik der Verstaatlichung von privaten
Kolonialeisenbahnen. Als typische Methode zur Sicherung der Kapitalanlagen und
als Quelle zusätzlicher Profite der Banken forcierte Dernburg die Übernahme
privater Eisenbahnstrecken durch den Staat und deren Rückverpachtung an die
ehemaligen Besitzer. Den Kernpunkt der Vorlage von 1908 bildete daher der
fiskalische Erwerb der Aktien der „Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft". 38
Aber hier stieß Dernburg mit seinem Plan auf die skeptische Zurückhaltung
Sydows. Erst mit der Unterstützung der Reichskanzlei gelang es, das Reichsschatz-
amt „umzustimmen". Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung in der
Budgetkommission, am 1. April 1908, hatte der Staatssekretär des Reichskolonial-
amts noch in einem persönlichen Schreiben an Unterstaatssekretär v. Loebell die

3
-' Baltzer, Franz, Die Kolonialbahnen mit besonderer Berücksichtigung Afrikas, Berlin/
Leipzig 1916, S. 18 f.
^ ZStAP, Reichstag Nr. 1065, Bl. 2 (Vorwort, S. 3).
Ebenda, Nr. 1079, Bl. 2-11.
m
bie Gesellschaft (Grundkapital 21 Mill. Mark) war 1904 durch die maßgebliche Initia-
tive der Deutschen Bank gegründet worden.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 21

Intervention der Reichskanzlei gefordert, da sonst ein „bedauernswerter Zwiespalt


in den Reichsressorts" entstünde und er und sein Amt derart desavouiert würden.
Dies hätte zur Folge, daß der Erfolg seiner „ganzen Winterkampagne" in Frage
gestellt werden könnte und er f ü r seinen Einfluß bei den Parteien und im Bundes-
rat fürchten müsse. 39
Nachdem die Vorlagen durch das „Schweigegelöbnis" 40 der bürgerlichen Mehr-
heitsparteien die ersten Beratungen passiert hatten, wurden sie in der dritten
Beratung des Reichstages am 7. Mai 1908 ohne Diskussion mit der Zustimmung
der bürgerlichen Parteien en bloc angenommen. 41 Die Euphorie der Kolonial-
enthusiasten war, bis auf wenige Ausnahmen in Pflanzerkreisen, allgemein. Selbst
Rohrbach jubelte: „Daß Dernburg beim Reichstag ohne Schwierigkeit die Be-
willigung von 150 Mill. Mark f ü r Kolonialbahnen durchsetzte .. . war der größte
praktische Schritt voran, der in unserem Kolonialwesen von seiner Begründung
an je geschehen ist." 42
1909 unterbreiteten Dernburg und sein Kollege Wermuth dem Reichskanzler die
„Denkschrift über die Gestaltung des Verkehrswesens in Deutsch-Südwest-
afrika". Dem deutschen Steuerzahler, vor allem der Arbeiterklasse, wurde die
Rechnung f ü r diese zweite Bahn-Vorlage in einer Höhe von rund 76 Mill. Mark
aufgemacht. Schwerpunkte der Regierungsvorlage von 1910 waren die Verstaat-
lichung der Otavi-Bahn und die Monopolverträge mit der „Deutschen Kolonial-
Eisenbahn-Bau und Betriebs-Gesellschaft" (D. K. E. B. B. G.). Mit dem 25-Mil-
lionen-Kaufvertrag zwischen der Otavi-Gesellschaft und dem R. K. A. wurde
gleichzeitig ein Vertrag abgeschlossen, wonach die Bahn auf 10 Jahre per 1. April
1910 an die Gesellschaft zurückverpachtet wurde. Der Fiskus verpflichtete sich
darüber hinaus, den Betrieb auf der parallel verlaufenden Staatsbahnstrecke
Swakopmund — Karibib einzustellen, um jede Profitminderung der Aktionäre
auszuschließen. 43
Es gibt in der Geschichte der deutschen imperialistischen Kolonialpolitik kaum
ein treffenderes Beispiel f ü r die Ausrichtung staatlicher Politik zugunsten der
Profitinteressen einer Monopolgruppe als die Verankerung der Berliner Handels-
gesellschaft im kolonialen Diamanten- und Eisenbahnbaugeschäft. Fürstenberg
selbst vermerkt in seinen Memoiren leicht überheblich das „alte Vertrauens- und
Freundschaftsverhältnis" zu Bernhard Dernburg. 44 Es waren vor allem objektive
Bedingungen, die die B. H. G. zwangen, sich dem Kolonialgeschäft zuzuwenden.
In einer Studie vermerkt der BRD-Wirtschaftshistoriker Böhme, daß die relativ
dünne Kapitaldecke der Berliner Großbanken f ü r die weitgespannten expansiven

M
ZStAP, Reichskanzlei Nr. 919, Bl. 61 f.
w
Georg Ledebour am 5.5.1908 im Reichstag, in: Stenographische Berichte der Ver-
handlungen des Reichstages, 12. Leg.Per., 1. Sess. 1908, Bd. 232, S. 5126.
41
Ebenda, S. 5221.
ö
Rohrbach, Paul, 30 Jahre deutsche Kolonialpolitik mit weltpolitischen Vergleichen
und Ausblicken, Berlin (19222), S. 334.
43
Vertrag v. 23.11.1909/30. 3.1910, in: ZStAP, Reichskanzlei Nr. 927, Bl. 171-182.
Vl
Fürstenberg, Carl, Die Lebensgeschichte eines deutschen Bankiers, 1870—1914, Berlin
1931, S. 508.
22 Dieter Schulte

Ziele nicht immer ausgereicht habe.45 Dieser Fakt lenkte die Banken in der
Periode des Imperialismus immer stärker auf die eigenen, vor dem Zugriff aus-
ländischer Konkurrenten besser geschützten Gebiete. Auch die Wirtschaftskrise
1907-1909 hatte sich merklich auf dem Geld- und Kapitalmarkt ausgewirkt und
ein Emissionshaus wie die B. H. G. empfindlich getroffen. Der Hauschronist der
Bank, Lüke, wies auf die Geldverknappung und die 1908 voll einsetzende Rezes-
sion in der Industrie hin: „Die Berliner Handels-Gesellschaft mußte diese interne
Situation mit einer verstärkten Aktivität im Kolonialgeschäft kompensieren." 46
Carl Fürstenberg beurteilte die entstandene Situation so: „Da sich der deutsche
Expansionsdrang in Marokko nicht genügend betätigen konnte, hatte er sich mit
verstärkter Tatenlust dem bereits vorhandenen deutschen Kolonialbesitz zu-
gewandt. Von diesen Entwicklungen sollten meine Person, meine Bank und unter
anderem auch die uns nahestehende Lenz-Gruppe beeinflußt werden." 47 Das
Aktienkapital der B. H. G. wurde 1908 um 10 Mill. Mark auf 110 Mill. Mark ge-
steigert — eine Rekordhöhe in der Geschichte der Bank; die Dividenden kletterten
bis 1911 auf den offiziellen Vorkriegshöchststand.
Die dominierende Stellung der Berliner Handelsgesellschaft im kolonialen Eisen-
bahnbaugeschäft wird durch die Entwicklung des Lenz-Konzerns, einer von
Fürstenberg „ganz persönlich bearbeiteten Angelegenheit", deutlich.48 Vielfältig
verquickt mit anderen Konzernen wie den Firmen Borsig, Schwartzkopff, Oren-
stein, dem Knorr-Bremsenwerk und der Julius Pintsch-A. G. wurde er in der
„Ära Dernburg" zur größten deutschen kolonialen Eisenbahnbaugesellschaft.
1901 hatte Fürstenberg als Finanzierungsgesellschaft für die Stettiner Hoch- und
Tiefbaufirma Lenz & Co die Aktiengesellschaft für Verkehrswesen gegründet, die
sämtliche Anteile von Lenz übernahm. Die von der Tochtergesellschaft 1904 ge-
schaffene D. K. E. B. B. G.49 engagierte sich schnell im kolonialen Geschäft. In zwei
der vier deutschen Afrikakolonien (Toga, Kamerun) besaß der Lenz-Konzern,
und damit auch die B. H. G., das Eisenbahnmonopol. In S. W. A. teilte man sich
mit der Firma Arthur Koppel das große Geschäft. Während Koppel den Bahnbau
bei Karibib durchführte, arbeitete Lenz im Süden der Kolonie. In D. O. A. baute
und pachtete der Konzern die Usambara-Bahn.
Die Dernburg-Eisenbahnbau-Programme von 1908 und 1910 legten die entschei-

v
' Böhme, Helmut, Prolegomena zu einer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Deutsch-
lands i m 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 19682, S. 102; auch Fischer weist auf
die Kapitalknappheit in Deutschland nach 1905 hin und vermutet, die forcierte Expan-
sion des Kapitalexports hätte immer mehr die Finanzkraft der deutschen Kreditinsti-
tute überstiegen. Fischer, Fritz, Krieg der Illusionen, Düsseldorf 1969, S. 33 f.
46
Lüke, Rolf E., Die Berliner Handelsgesellschaft in einem Jahrhundert deutscher Wirt-
schaft. 1856-1956, Berlin 1956, S. 136; Gutsche merkt berechtigt die bisherige Unter-
schätzung des Krisenzyklus für die Politik und Ökonomie an. Gutsche, Willibald,
Probleme der Erforschung der Geschichte des deutschen Imperialismus 1898 bis 1917,
in: JfG, Bd. 15, 1977, S. 13.
Fürstenberg, S. 465.
4S
Ebenda, S. 307.
Den Vorstandsposten übernahm der Geheime Kommerzienrat Friedrich Lenz, den
des Vorsitzenden des Aufsichtsrates Carl Fürstenberg.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 23

denden Grundlagen des Eisenbahnnetzes in den deutschen Kolonien, das bis 1914
nur noch quantitativ erweitert wurde. Der Staatssekretär förderte den Mono-
polisierungsprozeß im kolonialen Eisenbahnbau in entscheidendem Maße. Nur
wenigen Firmen und den dahinter stehenden Bankkonsortien, vor allem der
B. H. G. und der Deutschen Bank, flössen die lukrativen Staatsaufträge zu. An
die „Stelle der Konkurrenz auf offenem Markt" trat die Ausnutzung der .Ver-
bindungen' zum Zweck eines profitablen Geschäfts.50 Folgt man Schätzungen
bürgerlicher Autoren, die das gesamte im Eisenbahnwesen der deutschen
Kolonien angelegte Kapital (ohne Hafenanlagen) auf über 430 Mill. Mark be-
ziffern, so gehen wir nicht fehl, wenn wir den Löwenanteil an diesem Kapital-
exportgeschäft der B. H. G.-Gruppe zuordnen.

Die staatsmonopolistische Konzessionspolitik des Reichskolonial-


amtes

Lautstark hatte Dernburg 1906 die Beseitigung der ärgsten Liefer- und Kon-
zessionsskandale angekündigt. Die bürgerliche Finanzpresse hatte das wohl-
wollend vermerkt. Noch 1930 lobte Lewinsohn, daß der „damalige Bankdirektor
Bernhard Dernburg — der erste Wirtschaftler in der wilhelminischen Bürokratie
— die ungünstigen Monopolverträge löste und eine Generalreinigung in den
Kolonien vornahm". 51 Uns interessiert hier weniger das Schicksal der Firmen
Tippeiskirch & Co. oder Dr. Kade's Oranien-Apotheke, Berlin, sondern vor allem
das Verhältnis des Kolonialamtes zu den „Großen", den Monopolgesellschaften.
Argwohn mußte eigentlich schon die vorsichtige Behandlung der Firma Woer-
mann bei der angekündigten Ablösung der Konzessionsverträge auslösen. Diese
führende Monopolgesellschaft im Afrika-Transportgeschäft hatte, durch die
heftige Reaktion der aufgescheuchten Öffentlichkeit gewarnt, bereits im Sep-
tember 1906 auf ein neues Ubereinkommen mit der Kolonialabteilung gedrängt;
Dernburg, durch die parlamentarische Opposition gegen den bestehenden Vertrag
mit dem Konzern von 1903 zur unbedingten Vorsicht gemahnt, hatte zunächst
jedoch abwartend reagiert. Nachdem schließlich Adolph Woermann im Dezember
1906 mit der Kolonialabteilung eine Vereinbarung über die Verlängerung des
Monopols bis zum März 1907 erreicht hatte, fusionierte die Woermann-Linie mit
der mächtigen Hapag. In dem bekannten Telegramm Generaldirektor Ballins an
Dernburg vom 27. März 1907 heißt es u.a.: „Eurer Exzellenz beehren wir uns
mitzuteilen, daß wir, von dem Wunsche geleitet, die von Ihnen so kraftvoll und
mit so glänzendem Erfolge eingeleitete Kolonialpolitik auch unsererseits, soweit
wir es vermögen, zu unterstützen, beschlossen haben, das Netz unserer Linien
auf Westafrika auszudehnen." 52
In Antwort darauf verband sich die konkurrierende „Hamburg-Bremer-Afrika-
Linie A. G." (Menzell & Co.) mit dem Norddeutschen Lloyd. Am 21. Juni 1907
teilte Generaldirektor Dr. Wiegand seinem Geschäftsfreund mit, Hamburg gebe

*> Lenin, S. 248.


51
Lewinsohn, Richard, Das Geld in der Politik, Berlin 1930, S. 39.
M
ZStAP, RKA Nr. 1857, Bl. 140 f.
24 Dieter Schulte

o f f e n b a r noch i m m e r nicht den Versuch a u f , die in d e n H ä n d e n des Lloyd be-


findliche Linie „an die W a n d " zu pressen. „ D a ß der N o r d d e u t s c h e Lloyd sich das
nicht g e f a l l e n läßt, ist selbstverständlich, u n d w i r w e r d e n d a h e r d e n K a m p f m i t
aller Entschiedenheit f ü h r e n . " 5 3 D u r c h die geschickte V e r m i t t l e r t ä t i g k e i t des
S t a a t s s e k r e t ä r s , d e r in dieser S i t u a t i o n e r n s t h a f t in der G e f a h r schwebte, sich
zwischen zwei S t ü h l e zu setzen, w u r d e schließlich der e r b i t t e r t e K o n k u r r e n z -
k a m p f geschlichtet. D e r V e r t r a g v o m 2./5. S e p t e m b e r 1907 sicherte b e i d e n
P a r t e i e n das w e s t a f r i k a n i s c h e T r a n s p o r t m o n o p o l . N e b e n dieser Politik des A u s -
gleichs bildete die V e r g a b e n e u e r Konzessionen, v o r allem a n n a h e s t e h e n d e
deutsche B a n k g r u p p e n , e i n e n m a r k a n t e n u n d spezifischen Z u g der D e r n b u r g s c h e n
Monopolpolitik. Als Beispiel seien h i e r die P h o s p h a t - V e r t r ä g e v o n 1908 ge-
nannt.
I n d e n J a h r e n seit d e r J a h r h u n d e r t w e n d e w u r d e der P h o s p h a t - W e l t m a r k t von
d e n U S A b e h e r r s c h t . G e r a d e das Inselgebiet v o n D e u t s c h - N e u g u i n e a e r w i e s sich
als v e r h ä l t n i s m ä ß i g reich a n diesem b e g e h r t e n Rohstoff, d e r ohne k o m p l i z i e r t e
E r s c h l i e ß u n g s a r b e i t e n d i r e k t a b g e b a u t w e r d e n k o n n t e . Bereits 1901 h a t t e die
J a l u i t - G e s e l l s c h a f t gegen H a n d e l s - u n d F i n a n z v o r t e i l e d e r britischen „Pacific-
Islands Co." (später „Pacific P h o s p h a t e Co., Ltd.") i h r P h o s p h a t - M o n o p o l auf
N a u r u (Marshallinseln) überlassen. Diese Konzession b i l d e t e die G r u n d l a g e f ü r
die T ä t i g k e i t d e r P. P . C. auf d e r r u n d 22 k m 2 g r o ß e n Insel.
E n d e 1905 m e l d e t e der B e z i r k s a m t m a n n der W e s t k a r o l i n e n , er h a b e auf d e r zur
P a l a u - G r u p p e g e h ö r e n d e n Insel A n g a u r p h o s p h a t h a l t i g e E r d e g e f u n d e n . Eine
A n a l y s e der P r o b e n in M e l b o u r n e d u r c h einen P r o d u z e n t e n k ü n s t l i c h e r D ü n g e -
m i t t e l b e s t ä t i g t e die V e r m u t u n g . D a der I n d u s t r i e l l e m i t s e i n e m V o r h a b e n , eine
Kapitalgesellschaft zur A u s b e u t u n g des V o r k o m m e n s zu g r ü n d e n , scheiterte, t r u g
G o u v e r n e u r Dr. H a h l i m S e p t e m b e r 1906 K o l o n i a l d i r e k t o r D e r n b u r g diese A n -
gelegenheit vor. D e r n b u r g schaltete schnell u n d v e r w i e s den G o u v e r n e u r a n den
G e n e r a l d i r e k t o r des N o r d d e u t s c h e n Lloyd. D e r Lloyd, der in N o r d e n h a m ( U n t e r -
weser) eine n e u e S u p e r p h o s p h a t f a b r i k e r r i c h t e t e u n d d e n w e r t v o l l e n Rohstoff
aus F l o r i d a bezog, griff sofort zu.
In d e n A k t e n des R. K. A. befindet sich ein reichhaltiges M a t e r i a l ü b e r die G r ü n -
d u n g u n d das Z u s t a n d e k o m m e n des deutschen P h o s p h a t - K o n z e r n s . 5 4 Es w i r d
deutlich, d a ß der K o l o n i a l s t a a t s s e k r e t ä r k o n s e q u e n t b e s t r e b t w a r , die Lloyd-
G r u p p e i n das v e r h e i ß u n g s v o l l e G e s c h ä f t zu b r i n g e n . A m 8. S e p t e m b e r 1906, k u r z
n a c h d e m D u r c h s i c k e r n d e r v e r t r a u l i c h e n I n f o r m a t i o n , h a t t e die „Deutsche
N a t i o n a l b a n k " (Lloyd-Gruppe), vielfältig m i t der B. H. G. u n d d e r D a r m s t ä d t e r
B a n k v e r b u n d e n , in einer E i n g a b e a n die K o l o n i a l a b t e i l u n g i h r „großes I n t e r e s s e "
a m P h o s p h a t - P r o j e k t b e k u n d e t u n d eilfertig eine „ S o n d e r b e r e c h t i g u n g " a n -
geregt, d a d u r c h die noch angeblich b e s t e h e n d e S c h ü r f f r e i h e i t die G e f a h r b e -
s t ü n d e , d a ß diese „ f ü r u n s e r e v a t e r l ä n d i s c h e I n d u s t r i e u n d L a n d w i r t s c h a f t höchst
w e r t v o l l e n Stoffe a n das A u s l a n d " v e r l o r e n g e h e n w ü r d e n . 5 5 N a c h d e m W i e g a n d
a u s d e m N o r d d e u t s c h e n Lloyd, d e r D e u t s c h e n N a t i o n a l b a n k , der F i r m a Beer,

M
Ebenda, Nr. 1858, Bl. 40 f.
" Ebenda, Nr. 2459-2463.
M
Ebenda, Nr. 2459, Bl. 6 - 9 .
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 25

Sondheimer & Co. in Franfurt a.M. und der Firma Wm. Müller & Co., Rotterdam-
Bremen, ein Syndikat gebildet hatte, wurde die „Deutsche Südseephosphat A. G.,
Bremen" am 20. Mai 1908 mit einem Grundkapital von 4,5 Mill. Mark gegründet.
Der Nationalbank als Führerin des Konsortiums wurde durch Verfügung des
R. K. A. vom 2. Juli 1908 auf die Dauer von 35 Jahren das Monopol für die Auf-
suchung und den Abbau der Phosphatlager auf Angaur und Pililju zugesprochen
(1909 begann man mit dem Abbau und der Verschiffung).
Die Erteilung der Konzession zur Ausbeutung der wertvollen Rohstoffvor-
kommen demonstriert deutlich, daß die staatlichen Sperrverfügungen nur dazu
dienten, bestimmte Gebiete von lästigen kapitalistischen Konkurrenten frei zu
halten, um sie dann Dernburg nahestehenden und einflußreichen Banken und
Konzernen in die Hände zu spielen. In den Jahren bis 1910 wurde diese besondere
Methode der Sicherung der Interessen des Großkapitals durch Bernhard Dern-
burg perfekt demonstriert.
Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur kaum widersprechende Darstellungen
über das Vorgehen Dernburgs in Sachen Landkonzessionen, wohl aber über seine
Motive und das Ausmaß des tatsächlich Erreichten. Im Mittelpunkt der Angriffe
der deutschen Öffentlichkeit standen seit 1905 die großen Konzessionsgesell-
schaften in Südwestafrika und Kamerun. Die Opposition von Repräsentanten
des Handelskapitals traf sich in diesem Punkt mit dem Protest der kleinbürger-
lichen Mittelschichten, der Alldeutschen und Agrarier sowie mit Teilen der
rheinisch-westfälischen Schwerindustrie, die, wie Ballhaus richtig einschätzt, die
Kolonien „einseitig von Spekulationsgesellschaften blockiert" sahen.56
Am 20. März 1906 hatte sich die „Kommission zur Prüfung der Südwest-
afrikanischen und Kameruner Gesellschaften" als erste parlamentarische Kom-
mission des Kaiserreiches konstituiert. Aber nur wenige Arbeitssitzungen fanden
statt; aus der angekündigten „Generaluntersuchung" wurde nichts. Lediglich fünf
Konzessionsgesellschaften wurden oberflächlich überprüft. Jäckel hebt hervor,
daß man bereits im Februar 1908 der Ansicht war, die Aufgabe der Kommission
sei gelöst, nachdem Dernburg mit einigen der wichtigsten Landgesellschaften Se-
paratverträge über die Abtretung von Land geschlossen habe. „Mit derselben
Sicherheit können wir aber im voraus sagen, daß die Gegner der Landgesell-
schaften nach einiger Zeit ihre Stimme wieder erheben werden, denn mit den
Dernburgschen Verträgen ist, mit Ausnahme der Hanseatischen Land-, Minen-
und Handelsgesellschaft, keine einzige aus der Gruppe der Landgesellschaften
verschwunden." 57
Aus dem Kommissions-Schlußbericht Erzbergers vom 13. Dezember 1909 wird die
ganze Verärgerung der Opposition über die Verhandlungstaktik Dernburgs deut-
lich.58 Gegen die heftigen Vorwürfe des Zentrumsführers verteidigte der Ko-
lonialstaatssekretär die Konzessionsgesellschaften: Sicher wäre nicht alles ge-
lungen, aber immerhin sei doch hier ein „sehr kaputter Stiefel geflickt worden".

^ Vgl. Ballhaus, Jolanda, Die Gesellschaft Nordwest-Kamerun, phil. Diss. Berlin 1966.
Jäckel, Herbert, Die Landgesellschaften in den deutschen Schutzgebieten, Jena 1909,
S. 5 f.
« ZStAP, RKA Nr. 1596, Bl. 58 (S. 81-91).
26 Dieter Schulte

Ohne Kapital könnten nun einmal die Kolonien nicht „aufgeschlossen" werden. 59
Der enttäuschte Matthias Erzberger griff wenige Monate später in einer in hoher
Auflage herausgebrachten „Kampfschrift" die „großkapitalistische Gesellschafts-
politik" Dernburgs an und beschuldigte ihn, die Reichstagskommission „vom
richtigen Wege" abgebracht und durch die hinter ihrem Rücken abgeschlossenen
Verträge regelrecht sabotiert zu haben. 60
Wie sind nun die taktische und strategische Grundkonzeption des R. K. A. in den
Verhandlungen mit den Konzessionsgesellschaften und das Resultat dieser Politik
näher zu kennzeichnen? Natürlich war der Kolonialchef von Anfang an ent-
schieden darauf bedacht, sich seine Bewegungs- und Ellenbogenfreiheit keines-
falls von einer parlamentarischen Kommission einengen zu lassen. Auf der an-
deren Seite erschien es dem erfahrenen Repräsentanten der „haute finance" auch
geraten, beabsichtigte eventuelle Veränderungen bzw. Neuformierungen der
Konzessionsgesellschaften mit den im Hintergrund agierenden Banken abzustim-
men. Diese taktische Linie wird deutlich in der bedeutsamen Aktennotiz Dern-
burgs vom 5. Juli 1907 zur Verfahrensweise in den geplanten Auseinander-
setzungen. 61 Dabei bevorzugte der ehemalige Bankier mit dem Großkapital eine
elastische und geschmeidige Verhandlungsmethode, die auch hier auf eine
stärkere Beteiligung der A. E. G./B. H. G.-Gruppe zielte. Dernburgs „Verein-
barungen" 6 2 halfen den großen Kolonialgesellschaften, sich von ohnehin wert-
losen und f ü r sie uninteressanten Gebieten mit Profit zu trennen. Die entschei-
denden Finanzgruppen verblieben unangetastet in ihren kolonialen Macht-
positionen.

Die D i a m a n t e n - M o n o p o l v e r t r ä g e

Staatssekretär Dernburg war stets an einer umfassenden und lückenlosen


Information über alle mineralogischen Funde oder Bodenschätze in den Kolonien
interessiert. Bodenproben und Erzfunde wurden umgehend einer wissenschaft-
lichen Untersuchung der Geologischen Landesanstalt Berlin zugeleitet und die
Resultate — dazu gehörte auch die Auswertung der Arbeiten der Gouvernements-
Geologen — den industriellen Interessen meistens direkt durch das R. K. A.
zugänglich gemacht. Bereits am 3. April 1907 war die „Zentrale f ü r Bergwesen",
F r a n k f u r t a. M., einer der wichtigsten Interessenverbände der deutschen Montan-,
Schwer-, Elektro- und Chemieindustrie, an "Dernburg herangetreten, „vor-
kommendenfalls" von ihren „Diensten" Gebrauch machen zu wollen. 63
Die Diamantenpolitik gehörte schon während der Amtszeit des Staatssekretärs
zu den umstrittensten Sektoren seiner Administration. Uns geht es bei ihrer
Untersuchung vor allem darum, die staatsmonopolistischen Akzente sowie die
engen Wechselbeziehungen zwischen Politik und Ökonomie deutlicher, als dies

Ebenda, S. 108-110.
WJ
Erzberger, Matthias, Millionengeschenke, Berlin 1910, S. 29 f.
B1
ZStAP, RKA Nr. 1594, Bl. 94-97.
,sä
Vgl. Deutsches Kolonialblatt, 1907, S. 999; 1909, S. 362-364, 883 £.; 1910, S. 78.
ZStAP, RKA Nr. 1279, Bl. 46.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 27

bisher in der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur geschehen ist, heraus-


zuarbeiten. Im Mittelpunkt steht daher neben der Untersuchung der Vorgänge
um die Monopolverträge mit der Deutschen Kolonialgesellschaft f ü r Südwest-
afrika (D. K. G. f ü r S. W. A.) die politisch-ökonomische Einordnung der Diaman-
ten-Regie, einer „völlig neuartigen Erscheinung eines gesetzlich konstituierten
Verkaufssyndikats" ,64
Die Akten des R. K. A. belegen fast lückenlos die amtliche Politik gegenüber der
größten Konzessionsgesellschaft in S. W. A.65 und das zähe Ringen der Gesell-
schaft um die riesigen Einnahmen aus Schürffeldgebühren, Steuern und Förde-
rungsabgaben aus dem 35 Mill. ha großen Konzessionsgebiet. Die D. K. G. f ü r
S. W. A., eine Schöpfung der Disconto-Gesellschaft, der Deutschen Bank, der
Dresdner Bank, des Bankhauses S. Bleichröder u. a. potenter Finanzgruppen,
funktionierte schließlich den Fiskus zum spesenfreien „Kassenschalter" des Bank-
kapitals um. Die strategische Konzeption Dernburgs in der Frage der Monopol-
r e c h t e " der Gesellschaft ist nicht von der Grundlinie seiner gesamten Diamanten-
politik zu trennen; sie zielte ab auf die umfassende Kontrolle des kolonialen
Bergbau- und Diamantengeschäftes durch die B. H. G.-Bankgruppe. Es konnte in
den Geheimverhandlungen, die das Gouvernement mit Protesten und Einsprü-
chen, das Reichsschatzamt mit Mißtrauen und die kleinen Kolonialprofiteure in
Südwestafrika mit lautstarkem Geschrei und Resolutionen quittierten, nur darum
gehen, die Gewinnanteile entsprechend dem gegenwärtigen Einfluß und den
Machtpositionen der einzelnen Kapitalgruppierungen neu zu verteilen und zu
ordnen.
Mit dem Vertrag über den Bergbau im Gebiet der D. K. G. f ü r S. W. A. vom
17. Februar/2. April 190866 sicherte sich die Gesellschaft ihre Privilegien und
alle künftigen Einnahmen. Die „ersprießliche Zusammenarbeit" hatte die Funda-
mente f ü r die späteren Millionenprofite gelegt. Der Diamanten-Sperrvertrag vom
28. Januar 1909 verlängerte dieses Monopol bis zum 1. April 1914.67 Am 13. März
1909 konstituierte sich als Tochtergesellschaft die „Deutsche Diamanten-Gesell-
schaft" mit einem Grundkapital von 2,5 Mill. Mark, von denen 2 Mill. Mark die
Muttergesellschaft und 500 000 Mark die mit der A. E. G./B. H. G.-Gruppe liierte
„Metallurgische Gesellschaft" übernahmen. 6 8 Der neuen Gesellschaft wurden mit
Wirkung vom 1. April 1909 sämtliche Schürf- und Abbauarbeiten übertragen.
Der daraúfhin vom konservativen Gouverneur von S. W. A., v. Schuckmann,
einem der Sprecher der Opposition, persönlich angegriffene Staatssekretär, der
sich über den Vorwurf des „Millionengeschenks" des Staates an die Gesellschaft

Vgl. die Artikelfolge von Dr. Regentanz in der „Kolonialen Rundschau" 1910
(S. 223-238, 297-316).
^ Vor allem die Faszikel Nr. 1321—1327 des RKA sind von Wichtigkeit für die Erschlie-
ßung der Beziehungen Dernburgs zur Gesellschaft.
06
ZStAP. RKA Nr. 1323, Bl. 98-102.
Deutsches Kolonialblatt, 1909, S. 569-571.
Vgl. ZStAP, RKA Nr. 1323, Bl. 196. Tatsächlich zahlte die Deutsche Kolonialgesell-
schaft für Südwestafrika keinen roten Heller. Dafür standen ihr im fünfköpfigen Auf-
sichtsrat drei Plätze zu.
28 Dieter Schulte

ärgerte, warnte in einem Erlaß vom 27. November 1909 vor einer Stimmungs-
mache gegen das Großkapital. Er verteidigte noch einmal in der großangelegten
75seitigen „Diamanten-Denkschrift" des Reichskolonialamtes vom 6. Januar
191069 energisch die Prinzipien seiner Diamantenpolitik. Für die Denkschrift
zeichnete auf ausdrücklichen Wunsch des Reichskanzlers Dernburg selbst ver-
antwortlich, ein etwas ungewöhnlicher Umstand, der nur durch die allmähliche
Distanzierung Bethmann Hollwegs von der Politik seines Staatssekretärs erklär-
bar erscheint.
Dernburgs Vorstellungen gingen ursprünglich dahin, die noch abzuschließenden
Monopolverträge mit den beiden Gesellschaften ohne viel öffentliches Aufsehen
unter Dach und Fach zu bringen. Ihm war nunmehr von vornherein klar, daß
seine Politik auf eine breite Front von Gegnern auch im bürgerlichen Lager
treffen mußte. Doch schon der am 26. Januar 1910 vorgelegte erste Vertrags-
entwurf mit der D. K. G. f ü r S. W. A. und der Deutschen Diamantengesellschaft
sollte auf die entschiedene Ablehnung der Mehrzahl der Mitglieder der Budget-
kommission und des Reichstages stoßen. Der Protest der sozialdemokratischen
Fraktion, des Zentrums und anderer bürgerlicher Parteien, der von Dernburg
nur ungenügend pariert werden konnte, belastete die offizielle Kolonialpolitik in
den Augen der Konservativen schwer. Dies wurde mit ausschlaggebend f ü r die
Schwächung der parlamentarischen Position der Regierung. Als der Staats-
sekretär sich schließlich bereit erklärte, die Entwürfe zurückzuziehen und mit der
D. K. G. in neue Verhandlungen einzutreten, um „günstigere Zugeständnisse" zu
erlangen, erbat der irritierte Reichskanzler am 29. Januar vom Reichskolonialamt
eine „kurze Sachdarstellung" über die Geheimverhandlungen. 70
Politisch geschwächt durch den schwindenden Kredit bei Bethmann Hollweg und
das zunehmende Mißtrauen der bürgerlichen oppositionellen Parteien drängte
Bernhard Dernburg in einem Rennen gegen die Zeit auf die größtmögliche Be-
schleunigung der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und verschmähte auch
nicht die Zuhilfenahme der ihm nahestehenden Presse. So jammerte der „Berliner
Lokal-Anzeiger" über eine angeblich eingetretene Verstimmung der Börse und
den Rückgang der Kolonialwerte. Dazu habe in erster Linie die „hyperextreme
feindselige Stellungnahme" gewisser Parteien gegenüber der D. K. G. f ü r S. W. A.
beigetragen. 71 Nach dem Passieren der Vorlagen in der Budgetkommission prä-
sentierte Staatssekretär Dernburg kaltschnäuzig der Öffentlichkeit am 7. Mai 1910
die neuen Monopolverträge des Reichskolonialamtes mit der D. K. G. f ü r S. W. A.
und der Deutschen Diamantengesellschaft. 72 Mit den „Mai-Verträgen", die er-
gänzt wurden durch die Reichskanzler-Verordnung über den Bergbau in S. W. A.
vom 12. Mai 1910, war das Monopol der Banken im Diamantenbergbau ge-
sichert.
Deutlich reagierte die Börse, wo der Abschluß der „Mai-Verträge" die Werte der

Ba
Ebenda, Nr. 6550, Bl. 222-259.
"> Ebenda, Nr. 1324, Bl. 124.
71
Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 118, 6. 3.1910 (ebenda, Nr. 1393, Bl. 76).
Deutsches Kolonialblatt, 1910, S. 410-414.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 29

Gesellschaften emporschnellen ließ. Erfreut vermerkte der bürgerliche Börsen-


experte Otto Jöhlinger: „Ein Beweis dafür, daß man in Kreisen der Kapitalisten
hierüber nicht unzufrieden urteilt, ist die Kursbewegung an der Berliner Börse,
wo am Tage der Unterzeichnung des Vertrages die Anteile auf ungefähr
1 825 Prozent stiegen.. ."73 Auf die Dialektik von staatsmonopolistischen Maß-
nahmen und Börsengewinnen werden wir weiter unten zurückkommen. Wenden
wir uns zunächst den Aktionen zu, die der völligen Absicherung des Diamanten-
monopols der Banken insgesamt dienten und mit der Konstituierung der „Dia-
manten-Regie" zusammenhingen.
Bernhard Dernburg, der im Juni 1908 in Südafrika von den überraschenden
Diamantenfunden in S. W. A. informiert worden war, hatte, offensichtlich beein-
druckt von dem Beispiel der DeBeers, auf der Rückreise nach Europa im Sep-
tember Station in Antwerpen gemacht und die Situation der dortigen Diamanten-
schleifereien überprüft. Er entschied sich auf der Grundlage seiner kolonial-
politischen Zielvorstellungen sehr schnell und erzielte bereits im Oktober mit
dem Reichsschatzamt und dem Reichsjustizamt eine weitreichende Vorabstim-
mung über die weiteren Rahmenmaßnahmen. Offensichtlich erleichtert über
dieses Agreement mit den beiden Reichsämtern, die in der Regel seinen Leit-
linien recht skeptisch gegenüberstanden, erklärte Dernburg später: „Es war von
vornherein klar, daß sich die Regierung nicht selbst mit der Verwertung der
Diamanten befassen konnte, daß sie vielmehr darauf bedacht sein mußte, die
maßgeblichen finanziellen Kreise in der Heimat mit Diamanteninteressenten aus
dem Schutzgebiet zu einem Verbände zusammenzuschweißen, dem dieses
schwierige kaufmännische Geschäft übertragen werden konnte."74
Nach vorbereitenden ersten Gesprächen fanden dann seit Anfang Dezember 1908
die entscheidenden Verhandlungen über die Schaffung einer Diamantenregie
zwischen dem R. K. A. und der B. H. G. statt. In der bedeutsamen Geheimkon-
ferenz zwischen Dernburg und Carl Fürstenberg am 15. Dezember 1908 in der
Berliner Zentrale der B. H. G. wurde über die „Vereinigung für die Verwertung
der Diamanten" und die Pachtung der fiskalischen Edelsteinfelder Einverständnis
erzielt. Dazu heißt es im vertraulichen Protokoll Fürstenbergs: „Es wurde
zwischen uns in Aussicht genommen, für die Verwertungsvereinigung die Firma
,Diamanten-Regie des südwestafrikanischen Schutzgebietes' zu wählen und zur
Teilnahme an diesem Geschäft die Direktion der Disconto-Gesellschaft, die Darm-
städter Bank, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die Nationalbank für
Deutschland, den A. Schaaffhausenschen Bankverein, die Bankfirmen S. Bleich-
röder, Delbrück & Co., ferner M. M. Warburg & Co., in Hamburg, einzuladen. Es
soll der Berliner Handelsgesellschaft überlassen bleiben, eventuell noch andere
ihr geeignet erscheinende Firmen hinzuzuziehen."75 Nachdem Fürstenberg mit

va
Koloniale Rundschau, 1910, S. 389 f.
74
ZtSAP, RKA Nr. 6550, Bl. 237.
Das aufschlußreiche Dokument befindet sich ebenda, Nr. 1358, Bl. 27 ff. Von Bedeutung
: auf die Entschlußfindung des Staatssekretärs war zweifellos auch die „programma-
tische Aufstellung" W. Rathenaus, die dieser am 9.12.1908 seinem „lieben Freund"
Dernburg übersandt hatte (ebenda, Bl. 25 f.) und die leider in den Akten fehlt.
30 Dieter Schulte

dem Spezialagenten der B. H. G. und späteren Direktor der Diamanten-Regie,


Paul Gerlich, und dem im Diamantenhandel erfahrenen Bankier J a m e s Zutrauen
die organisatorische S t r u k t u r der Regie Ende Dezember 1908 festgelegt hatte,
informierte er am 4. J a n u a r 1909 das Kolonialamt, daß alle vorgesehenen Firmen
ihre Zustimmung erklärt hatten u n d man die Gesellschaft n u n m e h r nach der
Rückkehr der „zur Erkundung der Marktlage und sonstigen Verhältnisse ent-
sandten Herren" — Gerlach und Zutrauen waren in London und Antwerpen — zu
einer „formellen Gestaltung" bringen werde. Allerdings sei es jetzt nötig, „daß
sich das Kolonialamt mit der Verordnung, welche f ü r den Verkaufszwang und
f ü r die Produktionskontigentierung zu erlassen sein wird, beschäftigt". 7 6
Handel und A u s f u h r der Diamanten waren bereits durch zwei Gouvernements-
verordnungen in den letzten Monaten des Jahres 1908 rigoros eingeschränkt
worden. Die von Dernburg inaugurierte Verordnung vom 16. J a n u a r 190977 erhob
n u n „wunschgemäß" auch die geschäftliche Verwertung der Steine zum Staats-
monopol. In dem Immediatsbericht an Wilhelm II. vom selben Tage zu dieser
schwerwiegenden Verordnung, die die Regie unmittelbar vorbereitete, interpre-
tierte der Staatssekretär diese Maßnahme als einen Schritt zu einer „einheitlichen
Verwertung" der Diamanten. Vor allem beabsichtige m a n dadurch ein potentes
Gegengewicht zu dem den Weltmarkt beherrschenden „englischen Syndikat" zu
schaffen: „Es ist beabsichtigt, mit dem geschäftlichen Diamantenvertriebe ein, aus
den Interessenkreisen des Schutzgebietes u n d der Heimat zu bildendes Kon-
sortium zu betrauen." Dadurch, hob der Staatssekretär hervor, sei m a n viel
besser in der Lage, Preise und Produktion entsprechend zu steuern, als durch die
„ungeregelte" Konkurrenz der „geschäftsunerfahrenen" Diamantenförderer
selbst. 78 Diese w u r d e n verpflichtet, ihre gesamte Diamantenausbeute der Regie
„zwecks Vermittlung der Verwertung" zu überlassen.
Natürlich w u r d e die enge Zusammenarbeit zwischen der Berliner Handelsgesell-
schaft u n d ihrem ehemaligen Korrespondenten von anderen Kapitalgruppen
nicht ohne wachsendes Mißtrauen verfolgt. 7 9 Um vollendete Tatsachen zu schaf-
fen, reichte Fürstenberg am 4. Februar 1909 den formellen Antrag auf Ge-
nehmigung der Satzung der „Kolonialgesellschaft in Firma Diamanten-Regie des
südwestafrikanischen Schutzgebietes" ein. K n a p p eine Woche später, am

70
Ebenda, Nr. 1341, Bl. 64 f. Gerlach und Zutrauen fertigten nach Besichtigung von
Hanau, Amsterdam, Antwerpen und London eine Expertise über die Situation des
Diamantenhandels und der Schleifereien, die Antwerpen für die Regie als günstigste
Variante erschienen ließ (ebenda, Bl. 67—73).
" Reichsgesetzblatt, 1909, S. 270 f.
'» ZStAP, RKA Nr. 1354, Bl. 93.
Unter der Schlagzeile „Du hast ja Diamanten" griff „Graf's Finanzchronik" (Nr. 50,
14.12.1908) die „alten" Beziehungen des ehemaligen Direktors der Darmstädter Bank
und der in „Verlegenheitsfällen" aushelfenden B. H. G. scharf an und fragte schließ-
lich gereizt, wo denn die übrigen Banken und sonstigen Interessenten bleiben würden
und wie weit eigentlich schon die „Vorhand" Fürstenbergs reiche! Dazu Randnotiz
Dernburgs: „Das wird man ja sehen". Ebenda, Nr. 1341, Bl. 128.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 31

10. Februar, wurde die Regie gegründet. 80 Durch die Reichskanzler-Verordnung


vom 26. Februar 190981 wurde die Gesellschaft ermächtigt, in Ausführung der
Verordnung vom 16. Januar das Diamantengeschäft zu betreiben. Dieses „Er-
mächtigungsgesetz" (später bis 1915 verlängert) garantierte damit den Großban-
ken das Monopol zur Ausnutzung des Diamantensegens. Die Verordnung vom
25. Mai 1909 über den Geschäftsbetrieb der Regie, die fast wörtlich auf dem von
Mosler und Gerlich vorgelegten Entwurf basierte, sicherte als letztes Glied die
lückenlose Kontrolle, Erfassung und geschäftliche Verwertung aller in S. W. A.
geförderten Diamanten durch das B. H. G.-Konsortium, das die Förderung mit
einem ausgedehnten Detektiv- und Spitzelsystem überwachte. Die Quellen weisen
überzeugend nach, daß dieser Millionencoup in engster Tuchfühlung zwischen
Dernburg und Carl Fürstenberg aufgebaut wurde. 82
Als wahre Goldgrube erwies sich für die Regie die Pachtung der fiskalischen
Diamantenfelder. Bereits am 5. Januar 1909 war mit einem Stammkapital von
nur 100 500 Mark durch die B. H. G. in Berlin die „Koloniale Bergbau-Gesellschaft
m. b. H." gegründet worden, die die Ausbeutung der Diamantenfelder der Lenz-
Gruppe, Stauchs, Weidtmanns und Nissens übernahm. 83 Nach einer Idee Fürsten-

Ebenda, Bl. 88-112, 119, 122, 126. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates wurde Fürsten-
berg gewählt. Im 18köpfigen Aufsichtsrat waren u. a. weiter vertreten: Dr. Mosler
(B. H. G.); K. Helferich, v. d. Heydt, S. Alfred v. Oppenheim, P. v. Schwabach und
M. M. Warburg. Nach dem Protokoll der ersten Aufsichtsratssitzung v. 10. 2. 1909
(ebenda, Nr. 1360, Bl. 110 ff.) übernahmen die Stammanteile des Grundkapitals:
B. H. G. 240 000 Mark
Bank für Handel und Industrie 120 000 Mark
Berg- u. Metallbank AG 120 000 Mark
Bankhaus S. Bleichröder 120 000 Mark
Bankhaus Delbrück Leo & Co. 120 000 Mark
Deutsche Bank 120 000 Mark
D. K. G. für S. W. A. 120 000 Mark
Disconto-Gesellschaft 120 000 Mark
Dresdner Bank 120 000 Mark
Gibeon Schürf- u. Handelsgesellschaft 120 000 Mark
Bankhaus Mendelsolin & Co. 120 000 Mark
Nationalbank f. Deutschland 120 000 Mark
A. Schaaffhausenscher Bankverein 120 000 Mark
Bankhaus M. M. Warburg u. Co. 120 000 Mark
Bankhaus v. d. Heydt u. Co. 60 000 Mark
Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Co. 60 000 Mark
Bankhaus Jacob S. H. Stern 60 000 Mark
Bankhaus Lazard in Speyer-Elissen 20 000 Mark.
81
Deutsches Kolonialblatt, 1910, S. 162 f.
« Vgl. vor allem ZStAP, RKA Nr. 1341,1354-1362.
w
Ebenda, B. H. G.-Archiv, Nr. 577. Die Anteile übernahmen die Aktiengesellschaft für
Verkehrswesen (31 %), Stauch, Nissen und Weidtmann (60 %), Lenz sowie sein
Schwiegersohn Baurat Reh (9 %). Geschäftsführer war zunächst der Geschäftsinhaber
der B. H. G., Dr. Mosler. Die Gesellschaft zahlte von allen Diamanten-Gesellschaften
die höchsten Dividenden.
32 Dieter Schulte

bergs wurde am 12. Mai 1909 in den Räumen der B. H. G. in der Berliner Behren-
straße mit „mäßiger Kapitalaufwendung" die „Diamanten-Pacht-Gesellschaft"
(D. P. G.) mit Sitz in Berlin errichtet, deren sämtliche Aktien (Grundkapital
2 Mill. Mark) die Regie erwarb. 84 Durch einen Pachtvertrag mit dem Gouverne-
ment erhielt die D. P. G. das ausschließliche Recht zur Ausbeutung der fiska-
lischen Bergbaufelder, was der Regie nach dem Statut nicht möglich gewesen
wäre. Der Betriebsvertrag vom 29. Juli 1909 zwischen der Pacht-Gesellschaft und
der Kolonialen Bergbau-Gesellschaft übertrug diese Pachtrechte und die Be-
triebsführung def Fürstenberg-Schöpfung auf die nur wenige Monate ältere
Schwestergesellschaft bis zum Jahre 1919.
Das Londoner Diamantensyndikat war alles andere als entzückt über die süd-
westafrikanischen Kontingente, die drohten, das eingespielte internationale Preis-
gefüge empfindlich zu stören. Dernburg, der über vielfältige Kontakte zum Lon-
doner Markt verfügte und ständig, wenn auch mit geringem Erfolg, bemüht war,
die anrüchige Dumping-Verkaufspolitik der Regie gegen die britischen Vorwürfe
in Schutz zu nehmen, baute mit Fürstenberg über ein Antwerpener Syndikat
unter der Führung von Generalkonsul L. Coetermans-Henrich, J. M. Walk und
Jac. Kryn eine eigene Absatzorganisation f ü r Rohdiamanten auf, der rund
17 weitere Edelsteinhändler angehörten. 85 Mit den deutschen Diamanten, in
heftigem Konkurrenzkampf mit dem Londoner Diamantensyndikat auf den inter-
nationalen Markt gebracht, machten die achtzehn von der Berliner Handels-
gesellschaft geführten deutschen Banken ein Millionengeschäft. Neben der Haus-
bank der A. E. G., die sich, wie schon im kolonialen Eisenbahnbau, auch hier den
Löwenanteil durch ihre einmalige Stellung gegenüber dem R. K. A. und ihre ge-
schickten finanziellen Manipulierungen sicherte 86 , waren weitere Nutznießer die
in der „Metallgesellschaft", F r a n k f u r t a. M., und im „Südwestafrikanischen
Minensyndikat" vereinigten Finanzgruppen und Konzerne.

Das Börsengeschäft in Kolonialwerten

Der stellvertretende Direktor der Dresdner Bank, Dr. Hjalmar Schacht, tat auf
dem Berliner Kolonialkongreß am 8. Oktober 1910 die bisherigen privatkapita-
listischen Investitionen in den deutschen Kolonien als gering ab. Auch der frei-
konservativ-agrarische Publizist v. Dalwigk zu Lichtenfels fragte in seiner zeit-
84
Ebenda, Nr. 1360, Bl. 95—98. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates wurde Mosler ge-
wählt. Im Aufsichtsrat waren vertreten Fürstenberg, Zutrauen und Lenz. Vom Grund-
kapital übernahmen fiktiv 1 Mill. Mark die B. H. G. und je 500 000 Mark die Kolo-
niale Bergbaugesellschaft und Lenz & Co.
» Ebenda, Nr. 1352, Bl. 166 ff. 1910/11 wurden von der Regie von rund 799 000 Karat in
Antwerpen 96,79 %, in Hanau 3,08 % und in Amsterdam 0,13 % abgesetzt (ebenda,
Nr. 1389, Bl. 127 f.).
<"> Fürstenberg bezeichnete in seinen Memoiren die „Bewirtschaftung" der Diamanten-
felder als das wichtigste seiner kolonialen Engagements (Fürstenberg, S. 525). Die
finanzielle Diamantenausbeute der Jahre 1908 bis 1914 kann vorsichtig nach Auswer-
tung der Quellen auf rund 155 Mill. Mark angesetzt werden.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 33

genössischen polemischen Schrift: Wer ist auf Anregung von Dernburg in die
Kolonien gegangen und welches Kapital ist zu welchem Zweck in die Kolonien
geflossen? und beantwortete seine skeptische Frage mit dem vielsagenden Ver-
weis auf das Ansteigen des Börsenhandels mit Kolonialpapieren und die Grün-
dung von sogenannten Kolonialkontoren. 87 Gemessen an der Rolle und Be-
deutung der Überseebanken erscheint die Funktion der Kolonialbanken zweifel-
los gering. 88 Das „kleine Kolonialgeschäft" 89 wurde durch Tochtergesellschaften
der großen deutschen Banken, vor allem der Dresdner Bank, betrieben, die be-
reits vor Dernburgs Amtsantritt begründet worden waren („Deutsch-West-
afrikanische Bank", „Deutsch-Ostafrikanische Bank" und „Deutsche Afrika-
Bank"). Die meisten kleineren kolonialen Unternehmer gelangten durch das
raffinierte System der Bankkredite und Vorschüsse sehr schnell in eine absolute
Abhängigkeit vom Bankkapital, das damit faktisch die gesamten wirtschaftlichen
Bewegungen in den deutschen Kolonien kontrollierte.
War Staatssekretär Dernburg wenig erfolgreich bei dem Versuch der direkten
Etablierung von weiteren Kolonialbanken, so bildete die allgemeine Einführung
der Aktien der großen Kolonialgesellschaften an der Börse ein wesentliches
Novum gegenüber der Politik seiner Amtsvorgänger. Gerade hier ist ein Charak-
teristikum der Dernburgschen Kolonialpolitik überhaupt zu sehen, eine funda-
mentale Seite, die in der wissenschaftlichen Literatur in ihrer komplexen Be-
deutung bisher nicht ausreichend erfaßt wird.
Während der Amtszeit des ehemaligen Bankdirektors wurde der Handel mit
Kolonialwerten, dem bisher ein offizieller Platz an den deutschen Börsen ver-
wehrt gewesen war, fest etabliert. Dernburgs Bemühungen um die Schaffung
eines regulären Marktes f ü r Kolonialwerte seit dem Jahre 1906 belebten nicht
unerheblich die Bildung eines dauernden Stammes spekulativer Interessenten
und stimulierten die Börsengeschäfte seiner „aktiven Kollegen". Jöhlinger ver-
wies auf diese bemerkenswerte Neuorientierung des Kapitals: „Die Ursache, daß
sich die Börsenkreise jetzt mehr f ü r unsere Schutzgebiete interessieren . . . ist in
erster Linie darin zu suchen, daß ein ,Mann vom Bau' an der Spitze der Kolonial-
verwaltung steht, ein Finanzmann, dessen Fähigkeiten die Berliner Börse zur
Genüge kennt." 90 Die Auswirkungen der nordamerikanischen Finanzkrise trafen
1907 den europäischen Kapitalmarkt, um ein Jahr später die industrielle Kon-
junktur empfindlich zu dämpfen und die Depression einzuleiten. Erst mit dem
Herbst 1909 sollten Industrie und Handel eine „langsame, mäßige Besserung" 91

»' Dalwigk zu Lichtenfels, Egon Frhr. v., Dernburgs amtliche Tätigkeit im allgemeinen
und seine Eingeborenenpolitik in Deutsch-Ostafrika im besondern, Berlin 1911, S. 8 ff.
0,5
Vgl. Radandt, Hans, Zur Geschichte der kolonialen Bestrebungen deutscher Finanz-
gruppen gegenüber den Ländern Afrikas, in: JbfW, 1962, T. IV, S. 79-85; Nehls, Katja,
Zur Bewegung des deutschen Kapitalexports des deutschen Imperialismus, ebenda,
1963, T. IV, S. 57-91.
^ Müller, F. F., Deutschland — Zanzibar — Ostafrika. Geschichte einer deutschen Kolo-
nialeroberung 1884, Berlin 1959, S. 57.
'M Koloniale Rundschau, 1910, S. 80-87.
al
Feiler, Arthur, Die Konjunktur-Periode 1907-1913 in Deutschland, Berlin 1914, S. 62.

S Jahrbuch 24
34 Dieter Schulte

verzeichnen. War also zu Beginn des Jahres 1908 noch eine gewisse Liquidität an
der Börse zu verspüren, so sank diese ständig. Stimulierend und belebend wirkten
in dieser Situation vor allem die plötzlichen Diamantenfunde in S. W. A., die
damit im Zusammenhang stehende Hausse in kolonialer Bodenspekulation u n d
die Eisenbahnbaupolitik des R. K. A. Aus diesem Blickwinkel gesehen, gewinnt
die von der bürgerlichen Historiographie viel gerühmte Aktivität Dernburgs ein
bezeichnendes und vielschichtiges Bild.
Zwar konnte m a n schon 1906/07 tendenziell von einem gewachsenen Interesse an
Kolonialwerten sprechen. Dazu hatten unverkennbar die Wahlreden des Ko-
lonialdirektors beigetragen, die den spekulativen Trend besonders in den Mittel-
schichten spürbar verstärkten. Von welcher außerordentlichen Bedeutung die
koloniale Demagogie und Propaganda des Exbankiers aber f ü r die Kolonial-
börse war, dies w u r d e n u n m e h r besonders deutlich durch die wilde Hausse in
Kolonialpapieren nach Dernburgs Zahlenspielereien im Reichstag am 21. J a n u a r
1909, die zu hektischen Kurssteigerungen der südwestafrikanischen Papiere
führte. 9 2
Die Reaktionen des deutschen Monopolkapitals auf Dernburgs euphorische L u f t -
schlösser w a r nicht ungeteilt. So w a r n t e die „ F r a n k f u r t e r Zeitung", daß „im Be-
reiche wirtschaftspolitischer Abwägungen Nüchternheit und Überlegsame Vor-
sicht am Platze" seien. „Deshalb w a r e n denn auch alte Kolonialpolitiker von dem
Dernburgschen Vortrage in der Deutschen Kolonialgesellschaft stark ent-
täuscht." 9 3 Z e n t r u m s f ü h r e r Erzberger kritisierte vor dem Plenum des Reichstages
die Propagandarede des „Antreibers" und klagte: „Es hat sich an der Börse auf
G r u n d dieser Rede eine Spekulation geltend gemacht, welche die weitesten
Volkskreise ergriffen hat, ja, auch schon den Mittelstand u m f a ß t — eine geradezu
wahnsinnige Spekulation!" 9 4
Typisch f ü r die Dernburgsche Börsenpolitik sind neben der Förderung und
Etablierung der Aktien der großen Kolonialgesellschaften an der Börse vor allem
dessen ständige Bemühungen zur Verbreiterung der Spekulationsmöglichkeiten,
so u. a. durch die Schaffung kolonialer „Kleinaktien" nach britischem Muster, u m
auch kapitalkräftige bürgerliche Mittelschichten als potentielle Interessenten von
Kolonialpapieren stärker als bisher in die Börsenpolitik des Großkapitals mit ein-
beziehen zu können. Durch die 1909 erfolgte Zulassung von Wertpapieren der
deutschen Kolonialgesellschaften zum Börsenterminhandel w u r d e dieser Trend
entscheidend verstärkt. Es ist fast unnötig festzustellen, daß neben dem „offiziel-
len" Markt, der bis 1910 eine relativ begrenzte Anzahl von Shares „amtlich" zu-
gelassener Gesellschaften umfaßte, der von Dernburg besonders lebhaft ge-
förderte „freie" Markt in südwestafrikanischen Diamantenpapieren zu einem
ausgedehnten und unkontrollierten Börsenfieber beitrug. Von welcher Bedeutung
die Politik des ehemaligen Bankdirektors f ü r die Börse war, zeigte sich neben

50
„Ein wahrer Kolonialtaumel ergriff die Börse und das Publikum, jeder wollte an
dem Millionensegen beteiligt sein ..." Ebenda, S. 57.
Frankfurter Zeitung, Nr. 47, 27.1.1909, in: PARL, Nr. 175 F, Bd. 1, Bl. 172.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 12. Leg.Per.,
1. Sess. 1909, Bd. 234, S. 6648.
Mohopolpolitik des Reichskolonialamts 35

der Auswirkung der „Mai-Verträge" dann auch durch die fast schlagartige Er-
starrung des florierenden Marktes in Kolonialwerten nach der Demission Dern-
burgs im J u n i 1910. Noch sechs Monate später konstatierte Jöhlinger: „Auf
keinem Gebiet der Berliner Börse ist der Gegensatz zwischen dem vorigen J a h r
und jetzt so scharf wie auf dem Markt der Kolonialwerte . . . Es scheint, als ob
seit dem Rücktritt des Staatssekretärs Dernburg das Interesse der Börse u n d
weitester Kapitalkreise f ü r Kolonialunternehmen stark eingeschränkt worden
ist . . . " 9 5

Kapitalistische Versuche zur Lösung der Arbeitskräftefrage


Die vielfältigen kapitalistischen kolonialen Herrschaftsmethoden stellen in ihrer
auf die spezifischen Verhältnisse bezogenen Heterogenität eine vielschichtige u n d
diffizile Materie dar, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Die Re-
organisation sowie der weitere Ausbau der bestehenden Machtorgane in den
J a h r e n 1906 bis 1910 ist a priori der Forderung des Finanzkapitals nach staatlichen
Maßnahmen zur Sicherung und Erhöhung seiner Profite zuzuordnen. Dernburg
k n ü p f t e bei dem Ausbau der zentralen und lokalen kolonialen Verwaltungs-
mechanismen an die bereits praktizierte Politik seiner Amtsvorgänger im all-
gemeinen an.
Im B r e n n p u n k t der lautstark g e f ü h r t e n Auseinandersetzungen in der deutschen
Öffentlichkeit stand in den J a h r e n 1907 bis 1909 die vom Reichskolonialamt vor-
gelegte koloniale Arbeitsgesetzgebung. Gouverneur v. Rechenbergs „System"
(D. O. A.) bot ebenso wie das von Dr. Seitz (Kamerun) und Dr. Solf (Samoa)
geeignete Ansätze, u m eine elastischere Politik gegenüber den Kolonialvölkern
zu betreiben. Es ist sicher bemerkenswert, daß Dernburg wesentliche Anstren-
gungen f ü r seine Reformauffassungen aus persönlichen Studien der in Preußen
und Mecklenburg praktizierten Methoden der kapitalistischen Ausbeutung
polnischer Saisonarbeiter gewonnen hat. In die Ausarbeitungen der Verordnun-
gen über das Arbeiter- und Anwerbewesen flössen jedoch primär die britischen
Kolonialerfahrungen ein. Dabei v e r f u h r m a n in den einzelnen Kolonien recht
unterschiedlich. In den Tropenkolonien Afrikas, wo die Möglichkeit f ü r die
Europäer, längere Zeit im Lande zu leben, eingegrenzt und andererseits die Mög-
lichkeit, das Land der Afrikaner zu okkupieren u n d die ehemaligen Besitzer zu
Lohnsklaven zu pressen, politisch nicht immer gegeben war, wurde zunächst eine
F r ü h f o r m der kleinbäuerlichen Produktionsweise unterstützt. Anders in Süd-
westafrika, wo der Prozeß der Proletarisierung (mit Ausnahme des Ambolandes)
durch die politische Zerschlagung der afrikanischen Stammesorganisationen und
die Expropriierung der Afrikaner am weitesten fortgeschritten war. Hier w u r d e n
die Völker ohne Ausnahme zur zwangsarbeitsähnlichen Lohnarbeit gezwungen.
In den Südseekolonien herrschte, ähnlich wie in den afrikanischen Tropen-
kolonien, ein gemischtes System.
Die bemerkenswerten A u s f ü h r u n g e n des Bevollmächtigten zum Bundesrat, Dern-
burg, vor der Budgetkommission des Reichstages am 18. Februar 1908 umrissen
die konzeptionellen Vorstellungen des ehemaligen Bankiers zur kapitalistischen

Koloniale Rundschau, 1910, S. 775 f.

3*
36 Dieter Schulte

„Lösung" dieses Problems. In Ablehnung der Erpressungspolitik agrarischer


Kreise warnte er vor zu übermäßigem „Tempo" und zu starkem Druck auf die
Afrikaner. Das Reich habe gewissermaßen „Hüterin der in den Kolonien gültigen
Rechts- und Staatsinstitutionen" zu sein und vor allem die Kolonien zu Rohstoff-
lieferanten zu entwickeln. Dabei sei nunmal der „Eingeborene" das „wichtigste
Aktivum". Nur mit ihm könne der Europäer den Boden bestellen und Handel
treiben. Ohne ihn wäre jede Kolonisation ausgeschlossen. Dernburg, der von der
bürgerlichen Position aus den kapitalistischen Staat als klassenindifferente,
schiedsrichterliche Macht interpretierte, verwarf damit die bestialischen, exten-
siven Ausbeutungsmethoden sans phrase in den Kolonien. 96
Die Tatsache, daß Dernburg die koloniale Arbeitskraft als conditio sine qua non
des Mehrwertes erkannte, ist eine der Quellen der bürgerlichen Legende, die
Kolonialherrschaft während der „Ära Dernburg" sei humaner gewesen als in
den Perioden zuvor, eine Hypothese, die bis heute unverändert bzw. nur wenig
modifiziert von der BRD-Historiographie gepflegt wird. Die „Eingeborenen-
schutzpolitik", die allgemein in ihrem Umfang und ihrer tatsächlichen Wirkung
erheblich überschätzt wird, war in ihrem Wesen und ihrer Zielstellung nach
nichts anderes als der Versuch, die Arbeitskräftefrage auf eine den Interessen
des Monopolkapitals besser angepaßte Art und Weise zu lösen. Dernburgs so-
genanntes kulturelles und ethisches Programm lehnte eine ausschließlich
extensive Ausbeutung der Völker Afrikas und Asiens ab, da durch die physische
Vernichtung der kolonialen Arbeitskraft zugleich der eigentliche Gegenstand der
Ausbeutung und die Hauptquelle des Profits eliminiert wurden. Dem Staats-
sekretär ging es nicht um eine kurzfristige Tagesaufgabe, sondern um langfristige,
intensive kapitalistische Ausbeutung der Kolonien, die nur mit Hilfe des kolonia-
len Arbeiters möglich war. Die kolonial unterdrückten Völker hatten seiner
Meinung nach die Aufgabe, ausschließlich die kolonialen Profite des deutschen
Großkapitals abzusichern.
Aber mit den von Dernburg nach wie vor befürworteten Methoden des außer-
ökonomischen Zwanges, des Landraubs und der Enteignung — Dernburg gehörte
übrigens zu den Verantwortlichen f ü r die berüchtigten S. W. A.-„Eingeborenen-
Verordnungen" von 1907 und f ü r die Einführung der Hütten- und Kopfsteuer in
allen sechs Kolonien — wurde zugleich erbarmungslos das „wichtigste Aktivum"
ausgebeutet. Die finanzielle Erpressung gerade durch Steuern, Abgaben und Zölle
erreichte bis 1910 eine bisher nie gekannte Höhe. Die Klassenjustiz wird deutlich
in den Strafregistern der Kolonialadministration. Es gelang Staatssekretär Dern-
burg weder die Zahl der gegen Angehörige der kolonial unterdrückten Völker
verhängten Strafen zu verringern noch deren Härte und Bestialität wesentlich zu
mildern. Die erschütternden Zahlen sprechen f ü r sich und belegen das Scheitern
der hochgespielten „Rechtsreform". Das Reformprogramm demaskiert sich bei
näherem Hinsehen als eine besondere Variante der aggressiven, antihumanisti-
schen und reaktionären Politik des deutschen Imperialismus.
Die politische Bedeutung der „Ära Dernburg" kann in ihrem Klasseninhalt und
in ihrer faktischen und strategischen Zielstellung nicht erfaßt werden, eliminiert

ac
ZStAP, Reichstag Nr. 1142, Bl. 65-73.
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 37

man aus dieser Fragestellung die Ergebnisse des antikolonialen Kampfes der
Völker Afrikas und Asiens 97 . Mit der Niederschlagung des großen Aufstandes in
Deutsch-Ostafrika 1905, der Vernichtungspolitik gegenüber den Hereros und
Nama in Südwestafrika von 1904 bis 1906, der verstärkten „Befriedung" der
Völker und Stämme im Innern Kameruns, Togos, Neuguineas und auf Samoa
hatte das deutsche Monopolkapital seine politische Macht etabliert. Nach der
Periode der Militärherrschaft traten nunmehr flexiblere politisch-ideologische,
ökonomische und juristische Unterwerfungsmethoden in den Vordergrund, ob-
wohl der Einsatz des Militärs stets das letzte Mittel blieb.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die in der „Ära Dernburg" erlassenen Maß-
nahmen zur gesetzlichen Regelung der Arbeitskräftefrage zu einer neuen Stufe
verstärkter physischer Ausplünderung des „wertvollsten Aktivums" führten.
Mehr als fragwürdig erscheint daher die k r a m p f h a f t e Behauptung bürgerlicher
Historiker, daß das Kernstück der „neuen Ära" der deutschen Kolonialpolitik
eine staatliche „Eingeborenenschutzpolitik" gewesen sei. Wir meinen, daß die
elastischere Methode der kapitalistischen Ausbeutung, die Bernhard Dernburg in
den Jahren 1906 bis 1910 mit allerdings geringem Erfolg zu inaugurieren ver-
suchte, in ihrem Wesen alles andere als human war. Zwar wollte sich der Staats-
sekretär von den Pflanzern und Siedlern, den Alldeutschen und den Agrariern
nicht die „Peitsche in die Hand drücken lassen", aber die koloniale Praxis belegt
mit einer Vielzahl von Einzelbeispielen, daß nach wie vor die Riesengewinne der
kolonialen Unternehmen (vor allem im Eisenbahnbau) mit der Gesundheit und
dem Leben der kolonialen Arbeitskräfte realisiert wurden.
Wir haben andererseits bereits oben festgestellt, daß Dernburg die Lösung der
sogenannten Arbeitskräftefrage nie unter eingeengten und ausschließlich ökono-
mischen Aspekten, sondern stets als einen wichtigen politischen Komplex inner-
halb seines kolonialen Gesamtprogramms sah. Es ging dem Kolonialstaats-
sekretär mithin darum, durch die Vollendung des gesetzgeberischen Rahmens der
Lebens- und Arbeitsverhältnisse der entrechteten Kolönialvölker eine mögliche
Störung der politischen und ökonomischen Verhältnisse weitgehend auszuschal-
ten. Obwohl das Programm in wesentlichen Teilfragen die Zielsetzung nicht er-
reichte, ist es unzweifelhaft, daß das Dernburg-System zu einer weiteren Stabili-
sierung der politischen Verhältnisse in den deutschen Kolonien führte. Die Jahre
1906 bis 1910 bedeuten damit eine politische Zäsur in der Entwicklung der
Kolonialpolitik, die ihre deutlichen Spuren bis zum Ende der deutschen Kolonial-
herrschaft hinterlassen sollte.

D e r n b u r g s R ü c k t r i t t 1910
Ausgehend von der staatsmonopolistischen Kolonialpolitik des R. K. A. im In-
teresse des von Dernburg geförderten Flügels des deutschen Bankkapitals er-
wuchs ein deutlicher Gegensatz zu anderen Gruppen des Großkapitals, auch kol-

"It was the Africas initiative to which the Dernburg reforms were the European
response." Iliffe, John, Tanganyka under German Rule 1905—1912, Cambridge 1969,
S. 7.
38 Dieter Schulte

lidierte die monopolkapitalistische Zielstellung mit den vielfältigen kolonialen


Interessen der heterogenen kleinbürgerlichen Mittelschichten und der All-
deutschen. Seit Mitte des Jahres 1908 begann das innenpolitische Stimmungs-
barometer langsam umzuschlagen und die Euphorie der mittelständischen Ko-
lonialinteressenten sichtlich abzuklingen. Nach der Demission Bülows 1909 wurde
Bernhard Dernburg als letzte exponierte Persönlichkeit des „Blocks" immer mehr
zu einer parlamentarischen Belastung der neuen Regierungskoalition unter
Reichskanzler von Bethmann Hollweg. Das Zentrum, das wiederum in die alte
parlamentarische Schlüsselstellung gerückt war, hatte ihm die heftigen
polemischen Auseinandersetzungen der Wahljahre 1906/07 nicht ver-
gessen.
Der Staatssekretär reichte am 15. Mai 1910, unmittelbar nach dem Abschluß der
„Mai-Verträge", sein Entlassungsgesuch ein. Im „Allerhöchsten Handschreiben"
Wilhelms II. vom 9. Juni 1910 heißt es u. a. dazu: „Da Sie zu Meinem Bedauern
auf dem Wunsche bestanden haben, aus Ihrem Amte als Staatssekretär des
Reichs-Kolonialamts entlassen zu werden, habe Ich Mich entschlossen, Ihnen
durch Ordre vom heutigen Tage den erbetenen Abschied in Gnaden zu bewilligen.
Ich spreche Ihnen hierbei Meine vollste Anerkennung für die hervorragenden
Verdienste aus, die Sie sich in vierjähriger, an Erfolgen reicher Arbeit um die
Entwicklung der deutschen Schutzgebiete erworben haben." 98
Der plötzliche Rücktritt löste in der Öffentlichkeit eine Flut unterschiedlicher
Reaktionen aus. Besonders betroffen zeigte sich das deutsche Bank- und Han-
delskapital." Für die Sozialdemokratie kam die Demission des verantwortlichen
Ressortchefs der Kolonialadministration nicht überraschend, hatte sie doch von
Anfang an recht aufmerksam die Interessengegensätze im bürgerlichen Lager
verfolgt. Der „Vorwärts" kommentierte spöttisch Dernburgs Abgang: „Der
liberale Konzessionsschulze, dessen Ernennung zum Minister seinerzeit den
leichtgläubigen Freisinn dem Hottentottenblock Bülows in ungestümer Hurra-
begeisterung zutrieb, wird als längst überflüssig gewordenes und als unzeitgemäß
empfundenes Requisit einer verschollenen Burleske in die Rumpelkammer ge-
worfen." 100
Mit dem Rücktritt Dernburgs verlor die Berliner Handelsgesellschaft ihren aus-
gedehnten und direkten Einfluß auf die deutsche Kolonialadministration, obwohl
die Bank unter den folgenden Kolonialstaatssekretären von Lindequist und
Dr. Solf nach wie vor zu den kolonialen Hauptprofiteuren gehörte. Bernhard
Dernburgs politischer Lebensweg war mit seiner Demission keinesfalls zu Ende.
Er gehörte bis zu seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik

,J
» ZStAM, Rep. 89 H Deutsches Reich Bd. 6, Bl. 143.
Der B. D. I. versicherte Dernburg in einer Adresse v. 11. 6.1910, die deutsche Industrie
werde ihm „für alle Zeit" dankbar sein. PARL, Nr. 175 F, Bd. 2, Bl. 78. Auch Strese-
mann gab dieser Stimmung beredt Ausdruck. Stresemann, Gustav, „Das Ende der
Ära Dernburg", in: Braunschweigische Landes-Zeitung, Nr. 267, 11.6.1910 (ebenda,
Bl. 81 f.).
lm
Vorwärts, Nr. 130, 7. 6.1910 (ebenda, Bl. 47 f.).
Monopolpolitik des Reichskolonialamts 39

1932 zu einflußreichsten Männern des deutschen Bankkapitals hinter den


Kulissen. 101
1U1
Politisch der bürgerlichen Mitte nahestehend, engagierte sich Dernburg außenpoli-
tisch mit großem Einsatz für die Ziele des deutschen Imperialismus. Von August 1914
bis zum Kriegseintritt der USA leitete er in den Vereinigten Staaten die deutsche
Propaganda. Spektakuläres Aufsehen erregte seine Denkschrift über die deutschen
Kriegsziele vom Sommer 1915. Publizistisch bis 1918 in der vordersten 0 Linie tätig,
zählte Dernburg seit 1916/17 zu den Vertretern eines „Verständigungsfriedens". Nach
der Niederlage des deutschen Imperialismus 1918 wandte er sich fast ausschließlich
der deutschen Innenpolitik zu und gehörte mit Wilhelm Külz zu den Gründern der
„Deutschen Demokratischen Partei" (D. D. P.). Reichsfinanzminister im ersten Kabi-
nett der Weimarer Republik, trat er nach wenigen Monaten aus Protest gegen den Ver-
sailler Vertrag zurück. Der „Kolonialexperte" der D. D. P. war langjähriges Mitglied
des Reichstages (1919—1930), verschiedener Ausschüsse und wirkte als Finanzexperte
bei den Reparationsverhandlungen, der Ausarbeitung des Dawes- und Youngplanes
mit. Während der Jahre des Faschismus verkehrte Dernburg mit bürgerlich-oppositio-
nellen Gruppierungen um Eugen Schiffer, Theodor Heuß, Friedrich Meinecke u. a.
Er starb zurückgezogen von der Öffentlichkeit, 72jährig, am 14. 10. 1937 in Berlin.
Heinz Lemke

Die Erdölinteressen der Deutschen Bank in Mesopotamien


in den Jahren 1903-1911

Von den 90er J a h r e n des 19. Jh. bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges f a n d e n
die mit der Erdölversorgung Deutschlands zusammenhängenden Fragen wieder-
holt in der Öffentlichkeit eine breite Resonanz. Die in ihren Methoden w a h r h a f t
nicht wählerische Politik der Standard Oil Company erweckte in weiten Kreisen,
übrigens nicht n u r in Deutschland, heftigen Widerspruch. Der amerikanische
Trust w a r entschlossen, sich den deutschen Markt gänzlich zu u n t e r w e r f e n und
die seinen Monopolisierungsbestrebungen sich widersetzenden Gesellschaften im
erbitterten Konkurrenzkampf niederzuringen. Im Vordergrund der öffentlichen
Diskussion stand dabei noch immer das Leuchtöl, obwohl andere Petroleumpro-
dukte im Laufe der J a h r e zunehmend an Bedeutung gewannen. Mit der be-
absichtigten E i n f ü h r u n g des Leuchtölmonopols durch die Reichsleitung im J a h r e
1912 erlebte die Kontroverse u m die Erdölversorgung kurz vor dem Weltkrieg
einen neuen Höhepunkt. 1
F ü r den Verlauf dieser Auseinandersetzungen u n d die dabei zutage getretene
Frontbildung war wesentlich, daß vor dem ersten Weltkrieg in Deutschland, wenn
wir von der Standard Oil Company und den von ihr kontrollierten Gesellschaften
absehen, weit stärker als in anderen Ländern der Handel mit Erdölprodukten
und die Erdölgewinnung eine Domäne der Großbanken waren. Ähnlich verhielt
es sich mit den vom deutschen Kapital kontrollierten Erdölbetrieben im Ausland.
Eine Ausnahme bildeten n u r die deutschen Kapitalinvestitionen in der galizischen
Erdölindustrie, an denen vorwiegend mittlere und kleinere Gesellschaften be-
teiligt waren. 2 Die beträchtlichen Investitionen der Deutschen Bank im letzten
J a h r vor dem Kriege verschoben aber auch in Galizien die Relation zugunsten
der Großbanken.
Studien, die den überragenden Einfluß der großen Banken auf die vom deutschen
Kapital beherrschten Unternehmen der Erdölindustrie untersuchen, können w e r t -
volle Aufschlüsse vermitteln; w e r f e n doch Untersuchungen über die fast durch-

' Brack, Ulrich, Deutsche Erdölpolitik vor 1914, phil. Diss. Hamburg 1977, S. 297 ff.
- Die von Schwarz, Paul, Die Beteiligung deutschen Kapitals an der galizischen Erdöl-
industrie, Berlin 1907, mitgeteilten Tatsachen werden durch die Berichte der deut-
schen Konsuln aus Lemberg über die Erölproduktion aus den Jahren 1907-1914 weit-
gehend bestätigt; vgl. ZStAP, Auswärtiges Amt (im folg.: AA) 3075-3081.
42 Heinz Lemke

gehend vorhandene Verflechtung des Erdölgeschäfts mit außenpolitischen Be-


langen auf das Zusammenwirken der Reichsleitung mit deutschen Großbanken
und Bankgruppen außerhalb Deutschlands viel Licht. Derartige Beiträge ver-
mögen aber auch die Ursachen f ü r die wiederholt auftretenden Konflikte zwi-
schen der Reichsleitung und den Banken sowie den Banken untereinander zu
erhellen und damit Wesentliches über die Stellung des Finanzkapitals im
Wilhelminischen Deutschland auszusagen.
Da die Erdölgewinnung in Deutschland unerheblich war und nur einen Bruchteil
des Eigenbedarfs deckte, mußten deutsche Großbanken, die sich im Erdölgeschäft
betätigen wollten, nach Bezugsquellen im Ausland Ausschau halten. Dabei
wurden verschiedene Wege beschritten. Es kam sowohl zum Abschluß von Ver-
trägen mit Erdölproduzenten als auch zu Kapitalinvestitionen in den Erdöl-
industrien. Obwohl f ü r ihr Vorgehen das Profitstreben allein maßgeblich war,
konnten die Banken in der Regel auf eine weitgehende Unterstützung durch die
Reichsleitung rechnen. Diese hielt Kapitalanlagen in der ausländischen Erdöl-
industrie f ü r ein geeignetes Mittel, um die Monopolstellung der Standard Oil
Company auf dem deutschen Markt zu brechen. Ein Zusammenwirken von Groß-
banken und Reichsleitung ist selbst in Ländern wie Rußland und Österreich-
Ungarn nachweisbar, obwohl dort den Versuchen der Wilhelmstraße nach Ein-
flußnahme auf die betreffenden Regierungen relativ enge Grenzen gesetzt waren.
So bemühte sich der Reichskanzler im Sommer und Herbst 1912, ganz im Sinne
der von der Deutschen Bank verfochtenen Errichtung des Leuchtölmonopols, auf
die russische Regierung einzuwirken. 3
Viel stärker trat die Kooperation zwischen Großbanken und Reichsleitung in
Rumänen 4 , am augenfälligsten aber in der Türkei hervor. Im Osmanischen Reich
war das Hand-in-Hand-Gehen der amtlichen Vertreter des Reichs und der
Deutschen Bank bzw. der von ihr ins Leben gerufenen und kontrollierten Ge-
sellschaften eine der wichtigsten Voraussetzungen f ü r die imperialistische Durch-
dringung des Landes. Ungeachtet aller, zeitweise sogar nicht unerheblicher
Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bank und dem amtlichen Berlin nebst
dessen Diplomaten am Goldenen Horn blieben doch beide Seiten auf eine enge
Zusammenarbeit angewiesen. Die Reichsleitung konnte zur Erreichung ihrer
weitgesteckten politischen Ziele auf die wirtschaftliche Erschließung des Landes
durch das deutsche Finanzkapital nicht verzichten, da sich in der Türkei große
Beträge, die der Pforte f ü r militärische und ökonomische Zwecke durch das aus-
ländische Kapital zur Verfügung gestellt wurden, viel direkter als in manchen
anderen Ländern in politischen Einfluß ummünzen ließen. Die Vertreter der

J
Vgl. den Briefwechsel Kokovcov — Bethmann Hollweg und die einschlägigen Schrei-
ben und Berichte von Kiderlen-Waechter, Pourtales und Lucius aus dem Herbst 1912,
ebenda, 3552, 3553; die Briefe Kokovcovs und Bethmann Hollwegs sind in russi-
scher Übersetzung veröffentlicht in: Monopolisticeskij kapital v neftjanoj promyslen-
nosti Rossi 1887-1914, Moskau/Leningrad 1961, Nr. 246, 255.
4
Aufschlüsse darüber vermitteln Günther, Renate, Die Voraussetzung und der Beginn
der Kapitaloffensive deutscher Bankmonopole in der rumänischen Erdölindustrie
(1900 bis 1905) in: JbfW, 1972, IV, S. 122 ff.; Brack, S. 176 ff., 236 ff.
Erdölinteressen der Deutschen Bank 43

deutschen Finanz- und Geschäftswelt zwangen hingegen in ihrem Bestreben nach


Maximalprofiten der türkischen Regierung häufig so harte Bedingungen auf, daß
sich deren Widerstand ohne den festen Rückhalt der Reichsleitung nicht
brechen ließ.
In diesem größeren Zusammenhang müssen die Bemühungen der Deutschen Bank
um die Erlangung der Konzession zur Ausbeutung der Erdölfelder in denWilajets
Mosul und Bagdad, dem heutigen Irak, gesehen werden. Die Erdölinteressen
der Deutschen Bank in der Türkei beschränkten sich allerdings nicht allein, auf
dieses Vorhaben. Gleichzeitig liefen Bestrebungen, sich das Monopol f ü r die Ein-
f u h r von Erdölprodukten nach der Türkei und f ü r deren Vertrieb zu sichern.
Ausschlaggebend hierfür war der Wunsch, der lange Jahre hindurch mit erheb-
lichen Absatzschwierigkeiten kämpfenden größten rumänischen Erdölgesellschaft
Steaua Romana, deren Aktienmehrheit sich im Besitz der Deutschen Bank be-
fand, in der Türkei einen großen Absatzmarkt zu verschaffen.
Auch die 1905 einsetzenden Versuche der Anatolischen Eisenbahn-Gesellschaft
und der Orientalischen Bahnen, von der Feuerung mit Kohle zu der mit Erdöl-
rückständen überzugehen, dienten diesem Zweck. Zeitweise wandte die Deutsche
Bank dem Einfuhr- und Vertriebsmonopol sogar mehr Aufmerksamkeit zu als
der Erdölgewinnung in Mesopotamien. Im Folgenden wird auf die Bemühungen
der Deutschen Bank zur Erlangung des Einfuhrmonopols nur insoweit ein-
gegangen, als ihre mesopotamischen Erdölpläne davon betroffen wurden. Das war
in den Jahren 1905—1911 nicht allzu häufig der Fall. Bis zu einem gewissen Grade
stand das eine Vorhaben dem anderen sogar im Wege, da eine erhebliche Erdöl-
produktion in Mesopotamien notwendigerweise die Verkaufsmöglichkeiten der
Steaua Romana in der Türkei beeinträchtigt hätte. Bis Ende 1906 versuchte
jedoch die Deutsche Bank beide Pläne energisch zu verwirklichen. Das Einfuhr-
und Vertriebsmonopol — hierbei wurde seit Ende 1905 an ein Zusammengehen
mit der Banque Imperiale Ottomane, den Pariser Rothschilds und der Firma
Gebrüder Nobel, später mit anderen Partnern gedacht — sowie das Monopol f ü r
die Ausbeutung der Erdölfelder in Mesopotamien, ja sogar, falls es sich erreichen
ließ, f ü r die ganze Türkei, sollten der Deutschen Bank eine von Konkurrenten
unangefochtene Herrschaft im türkischen Erdölgeschäft sichern und damit
wesentlich zur Festigung ihrer Stellung in der Gesamtwirtschaft des Landes
beitragen.
Fritz Seidenzahl behandelt in seiner im Auftrage des Vorstandes verfaßten, 1970
veröffentlichten Geschichte der Deutschen Bank 5 , die ein zusammenfassendes
Kapitel über ihre Erdölinteressen vor dem ersten Weltkrieg enthält, die Ausein-
andersetzung um die Erdölkonzession in Mesopotamien nur am Rande. Ausführ-
licher ging er darauf in einem bereits 1967 erschienenen Aufsatz ein, der sich mit
der Endphase der Bestrebungen der Deutschen Bank, ihren Verhandlungen und
dem schließlichen Ausgleich mit den Engländern befaßte. 6 Jedoch wird die Ent-

ö
Seidenzahl, Fritz, 100 Jahre Deutsche Bank. 1870-1970, Frankfurt a. M. 1970.
ü
Das Abkommen über die Turkish Petroleum Company. Die Deutsche Bank und die
britisch-deutsche Verständigung vom 19.3.1914, in: Deutsche Bank. Beiträge zu Wirt-
schafte- und Währungsfragen und zur Bankgeschichte, Nr. 5, 1967, S. 16 ff.
44 Heinz Lemke

Wicklung bis Ende 1912 in diesem Beitrag kaum behandelt. Die Einbeziehung
dieses ersten Jahrzehnts der Bemühungen der Deutschen Bank um die Erdöl-
konzession im Zweistromland erscheint um so angebrachter, als in manchen
neueren Arbeiten falsche Angaben anzutreffen sind. 7
Die Deutsche Bank begann 1903 ihre Aufmerksamkeit den damals zwar festgestell-
ten, aber noch nicht näher untersuchten Petroleumvorkommen in Mesopotamien
zuzuwenden. Der Sprecher ihres Vorstandes, Artur v. Gwinner, dessen Ober-
leitung die Erdölgeschäfte der Bank unterstanden, wies im Oktober 1904 in einer
Eingabe an das Auswärtige Amt darauf hin, daß 1903 von der Deutschen Bank
in einer Reihe von Ländern beträchtliche Kapitalien in das Erdölgeschäft in-
vestiert worden waren. 8 So betrachtet, stellt sich ihr Interesse f ü r die Ölvor-
kommen in der asiatischen Türkei als Teil eines größeren Vorhabens dar: der sich
auf breiter Front vollziehenden Zuwendung einer Großbank zum Erdölgeschäft
unter Ausschöpfung aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten.
Sichtbaren Ausdruck fanden diese Bestrebungen in der im Januar 1904 erfolgten
Gründung der Deutschen Petroleum AG, von deren 20 000 Aktien die Deutsche
Bank 11100 übernahm. 9
Daß Gwinners Angaben über den zeitlichen Beginn des Interesses der Deutschen
Bank an den Erdölvorkommen in der Türkei zutreffen, ergibt sich auch aus dem
Schriftverkehr mit der von ihr kontrollierten Anatolischen Eisenbahn-Gesell-
schaft. Deren Generaldirektor, Dr. Kurt Zander, hatte der Ausbeutung türkischer
Erdölvorkommen bereits einige Jahre früher seine Aufmerksamkeit zugewandt. 10
Seine Anregungen, sich auf diesem Gebiet zu betätigen, fanden jedoch damals
bei der Deutschen Bank keinen Widerhall. 11
Für deren 1903 einsetzendes Bestreben, die gewünschte Konzession von der
türkischen Regierung zu erlangen, lassen sich aber auch noch andere Motive an-
führen. Der Abschluß der Bagdadbahnkonvention im März 1903 steigerte ihr
bereits erhebliches Interesse am Nahen Osten beträchtlich und weitete es auf den
Mittleren Osten aus. Die Bahn wurde das Hauptvorhaben der Bank und der in
Berlin herrschenden Kreise in jener Region, wobei sich alle anderen Unter-
nehmen der Deutschen Bank in der Türkei um dieses Zentralprojekt gruppierten.
Der Erschließung größerer Ölvorkommen in Mesopotamien wäre f ü r die Ent-

' So läßt Born, Karl Erich, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1977,
S. 280 f., die Anatolische Eisenbahn-Gesellschaft die Konzession für die Ölvorkommen
in Mesopotamien nicht 1904, sondern bereits 1901 erwerben.
8
Gwinner an AA, 13.10.1904: „Nachdem die Deutsche Bank im vorigen Jahr ein er-
hebliches Interesse an den Petroleumgeschäften in Rumänien, in Galizien, in Baku,
im Kaukasus, sowie in dem Transport- und Verkaufsgeschäft von Erdölprodukten
auf den europäischen Märkten erworben hat, hielt ich es für nützlich, die mir von
Seiner Majestät dem Sultan in früheren Jahren nahegelegte Untersuchung des Erdöl-
vorkommens in Mesopotamien in die Hand zu nehmen." ZStAP, AA 13 310.
a
Seidenzahl, F., 100 Jahre Deutsche Bank, S. 206.
10
Vgl. den zwischen Zander und Tom G. Corpi am 21. 4.1900 geschlossenen Vorvertrag,
der sich auf etwaige Ölvorkommen im Wilajet Adrianopel in der Nähe von Gallipoli
bezog. (ZStAP, Deutsche Bank 10 155.)
" Zander an Gwinner, 29.11.1904, ebenda.
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their former associates raised against them, the hapless brothers
were taken as prisoners, on the serious charge of incendiarism.
“That’s good for twenty years apiece,” said ’Squire Hardy, rubbing his
hands in a pleased manner. “We’re picking them off, one by one, and
now the deacon has got shut off, the work will be easier.”
CHAPTER XXVII.
“IT NEVER RAINS BUT IT POURS.”

A terrible blow to those at Break o’ Day was the misfortune which


had fallen upon Tom and Jerry. This seemed but the precursor of
even worse troubles to follow.
Aunt Vinnie was distracted, and the rest had all they could do to
keep her from going to see “her boys,” as useless as would have
been such a course.
Rob and Joe, the bravest of the little party, did all they could to
soothe the sorrow of their friends, trying to solace them with the, to
them, hopeless thought that it is always darkest just before dawn.
“Do not give up,” said Rob. “Larry and I are earning wages, and we
will hope that Tom, Jerry and Mary will be set free when their trials
come. Mrs. Cornhill only yesterday seemed very sorry that she had
proceeded against Mary.”
“But, my boys, how can you save them? Ah, it was the sorriest day
of my life when we left the city, with all its wickedness, for this
friendless wilderness, where everybody is against us.”
“Not all of them, auntie,” said Joe. “Let us not give up.”
Deacon Cornhill’s affairs were rapidly growing worse, and the poor
man seemed to be failing in strength, as if the ordeal was more than
he could stand. Mrs. Cornhill grew fretful, and more than once she
accused Rob of bringing the trouble upon them.
“It came with you,” she repeated. “If the deacon had not provoked
’Squire Hardy by bringing you and your friends to Break o’ Day, he
would never have done what he has against us, and I firmly believe
he is at the root of this evil.”
Rob would attempt no reply to this rather contradictory speech, but
kept on at his work, resolving to be faithful to his benefactor, let the
result be what it might.
About ten days after the arrest of Tom and Jerry, as Rob was down
to the village on business for the deacon, he found that everybody
there was wildly excited over a robbery that had been committed the
night before, the store and post office having been broken into by
burglars and considerable money and property stolen.
A crowd of men gathered on the piazza, among whom ’Squire Hardy
was conspicuous, were arguing the matter pro and con as Rob drew
near.
“Sam Sawyer is ready to swear on the witness stand,” the ’squire
was saying, “that the man he discovered climbing out of the store
window last night, and who was one of the burglars, if there was
more than one, was the same man he met yesterday afternoon on
the Hare road, and who inquired the way to Mount Riga, which was
the name once given to Break o’ Day.”
“Didn’t Sam give the name of this stranger?” asked a bystander.
“He did; and that is the best part of it. He said he was one Gideon
Bayne, and that he lived in town here when he was a small boy, but
thought perhaps people had forgotten him now, as he had forgotten
the country.”
“Bayne?” half queried, half exclaimed, another, as if the name was
one that he vaguely recalled. “Wasn’t that old miser’s name Bayne,
who lived and died at the old red house when such a flurry was
raised hereabouts?”
“Just that—Timothy Bayne. Folks thought he was killed by his hired
man, but neither could be found when they come to look for ’em.
They were a hard crowd.”
“But old Tim Bayne had neither chick nor child, living all alone.”
“That does not hinder him from having thieving relatives, running
around the country breaking into stores and post offices, does it?”
“But Tim Bayne owned all of that quarter of the town when he died,
though I can’t say it was very valuable.”
“Just so; and there being no one to claim it when he died or
disappeared—I never thought the man was dead—the Cornhills got
the whole of it for a mere song. But it hasn’t done the deacon much
good. Ill-gotten gains never do,” added the squire, aiming to be
philosophical.
“I don’t quite recall any other Bayne in town them days,” declared an
old resident, “though my memory doesn’t often go back on me.”
“That may be, but it doesn’t require much to recall the fag-end Bayne
that we have with us now,” remarked ’Squire Hardy, who had just
seen Rob, who had stopped at the outside of the party. “Say,
youngster, wasn’t your father Gid Bayne?”
The question was so unexpected, the situation so ominous to him in
its outcome, that Little Hickory had hard work to command his
feelings. As it was, he feared a moment later that he had betrayed
himself by his looks.
“I have just come, sir, and I do not know what you mean.”
“Calculate you’d know if you wanted to. There is no doubt you
belong to the same breed of cats, for there was never but one family
by that name. By ——! it is a mighty apt one, too! I don’t see why
Stanyan don’t come. If I was sheriff, I’d manage to be on hand once
in my life.”
Rob thought it good policy for him to withdraw from the company, but
he had not taken half a dozen steps before the ’squire thundered to
him:
“You stop where you are, Rob Bayne. We are going up to your place
as soon as the sheriff gets here, and we want you to go with us.”
“What errand can you have to our home, sir?” demanded Little
Hickory, with flashing eyes, having recovered his usual self-
possession.
“Your stupid head is thicker than I thought for, if you do not know
already. If you do not know it may save you a short time of the bitter
dose you are going to take. Here comes Stanyan, and there is no
need to delay longer.”
The sheriff was indeed driving up to the place, and the ’squire
immediately ordered his team brought in front of the store.
“Here is the chip-of-the-old-block Bayne,” declared Hardy, waving his
hand toward Rob. “I thought it would be a good thing to take him
right along.”
“A capital idea,” replied the officer. “Jump in here with me, young
man, and, mind you, no monkeying about this!”
Rob’s first thought was to refuse to go, but, fortunately, a wiser
thought decided him, and he entered the sheriff’s wagon, saying:
“I do not understand what you want of me, but I am willing to go, for I
have done no wrong.”
“That remains to be seen,” retorted the officer, sharply, and a
moment later he started in the direction of Break o’ Day, with the
’squire close behind him, while as many as a dozen teams followed
the latter.
Rob’s mind was deeply impressed that evil was about to fall upon
him and his friends, but he could not see clearly its nature. He could
not realize that his father, after all the years he had been away, had
appeared in this country town, making his coming more tragical by
being concerned in the recent robbery. As yet he could not believe
his father had sunk so low as to become a common housebreaker.
As they came in sight of his home Rob caught sight of his mother at
one of the windows, but she quickly disappeared.
“Look out sharp for the youngster, Hardy,” called out the sheriff. “I will
look after our man inside, while the rest of you”—addressing his
companions—“surround the house and see that the dog does not
escape. Remember, you will be justified in shooting him if he offers
resistance.”
Having given this command, Mr. Stanyan started toward the door.
It was opened by Mrs. Little, who asked:
“What is wanted?”
“We want him!” exclaimed the officer. “I am the sheriff, so stand
aside for the law.”
“There is nobody here that you can want, sir. We are honest——”
“We are after Gid Bayne, and we know he is hiding here. If he’ll give
up peaceably we’ll not hurt the rest of you.”
“Who said he was here?” asked the frightened woman, and through
that question the hopes of Rob fell like lead. His father was there!
“I do!” thundered the sheriff, and Mrs. Little retreated before his
terrific appearance.
How Little Hickory chafed at his own helplessness, and catching
sight of his mother at that moment, he cried to her:
“Do not let them frighten you, mother. They cannot harm you.”
“What do you accuse my husband of now?” she demanded of the
officer, bravely facing the other.
“Of breaking and entering the store and post office of Basinburg.”
“He is innocent, sir!”
“Bah! who heeds the words of such as you? It will prove a sweet job
for him when we catch him. Where is he?”
“That remains for you to say, and not me, sir. I am only a
defenceless woman, but it will be a sorry hour if you harm me.”
With these spirited words, she stepped aside, allowing the officer
and his followers to enter.
A furious search followed, when the old house was ransacked from
cellar to garret. Every corner and niche imaginable was searched,
the sheriff sparing neither time nor the building, but, look where and
how he would, he could find no trace of the fugitive.
Finally, his dark features livid with rage, he joined ’Squire Hardy,
giving expression to words unfit to repeat here.
“He must have got word of our coming and run away,” declared the
’squire. “But, if so, we can and must find him, Stanyan.”
“You can bet your bottom dollar I will find him if I have to move
heaven and earth to do it,” replied the sheriff. “More than that, I will
take the boy here with us, and if he doesn’t get a place to hang his
hat for the next ten years I’ll resign my office.”
Then the party prepared to drive away, with Little Hickory a prisoner
among them.
Seeing what was being done, Mrs. Bayne rushed out of the house,
crying, in her despair:
“Oh, sir! do not take my boy. He has done nothing but what is right.
His father had rather——”
“Stop, mother!” cried Little Hickory, sternly. “Say nothing you may
repent of later. I go without resistance, and you must keep up good
courage here until I get back.”
’Squire Hardy looked back with a mocking laugh at the weeping
spectators they were leaving behind.
CHAPTER XXVIII.
THE SKELETON IN THE CELLAR.

Mrs. Bayne was wild with grief, as she saw Rob taken away in this
heartless way.
“This is the worst blow yet,” she moaned. “Oh, why have they taken
my boy—our support?”
“And my poor Mary,” cried Mrs. Little.
“And my boys, Tom and Jerry,” added Aunt Vinnie.
It was a hopeless group, and Joe, the only one among them who
could look bravely up, had all she could do to try and console them.
“Let us hope for the best,” she said. “They cannot harm Rob. He has
surely done no wrong.”
“But we are so helpless,” said Mr. Little. “That infernal——”
“Hush! Hush!” spoke up Joe. “You must be careful how you speak.
We can only hope and wait.”
“Oh, that Gideon should come home at this time and under such
conditions as these!” moaned the distracted wife.
“Don’t condemn him,” said Joe, courageously. “We know all the
others are innocent, and we will think he is until we know differently.”
“He says he is not guilty of this terrible thing. But what will become of
us? We are so helpless!”
“We must not give up,” said Joe. “I wonder what they will do with
Rob? I’ve a mind to go to the village.”
“Go, Joe. We can take care of ourselves.”
“I think you had better,” assented Mr. Little. “How I wish that I was
well again. It is so hard to suffer and do nothing when one is so
needed.”
“But you are so much better than in the city,” said Mrs. Little. “It is
that alone which keeps me from wishing that I was back to the city
once more.”
Having decided to go to Basinburg, Joe lost no more time in making
such preparations as she could for the visit, having really no idea of
what good it could do. She hoped to find out what would be done
with Rob, and that was incentive enough.
She was ready to start in less than five minutes. She had very little
change to make in her apparel, for the reason that, despite the
desires of Rob, she had not allowed much to be bought for her. She
did have a new print dress, a pair of shoes, and a straw hat. These
she put on in place of her everyday clothes, and bidding the others
be of good cheer until she returned, she started on a run toward the
village.
So rapidly did she go that inside of half an hour she came in sight of
the village.
The crowd about the store was larger than when Rob had been
there, and the excitement was running higher than even. She
learned that Rob had been put under close surveillance, and that the
sheriff and his posse were searching for Gideon Bayne.
At first nobody seemed to notice her, and then she began to attract
attention, when sneering remarks were made, and she heard several
suggest that it would be the proper thing to arrest her as one of a
gang of outlaws and public enemies.
She did not mind this as much as she would have done under
ordinary circumstances. In her anxiety to learn what she could of
Rob, she dared much, ay, jeopardized her own safety.
She had become confident that no harm would be done him until
another day, when he would be given a justice trial before being
taken to jail.
Determined to be present, she started homeward, happily
unconscious that it had already been decided to arrest her, though
she was not followed to her home.
Incidentally she had learned that Deacon Cornhill had been
demanded to meet his liabilities, and that he was about to sign over
all his property to satisfy his creditors.
These things were among those she told to her anxious friends at
home, whom she found anxiously awaiting her coming.
No new development had taken place since her departure, except
that two or three men had been seen hovering about the house, who
it was thought were spies who had been left by Sheriff Stanyan.
So the occupants of the old red house saw the shades of night fall
with dire misgivings.
To make their situation more gloomy, threatenings of a storm
appeared, and the wind moaned through the trees overhanging the
back side of the building.
“I shall go crazy,” declared Aunt Vinnie.
At that moment Chick and Ruddy, their faces white with terror, burst
into the room, exclaiming:
“We have heard it ag’in! There are ghosts, and they are crying and
moaning, ‘Murder! Murder!’”
This announcement, given at this time, sent a thrill of horror through
the frames of the little group, the most of whom shivered and
remained silent.
“Nonsense, Chick,” said Joe. “You are frightened and imagined you
heard such sounds.”
“Come up into the back chamber if you think we lie, Joe. I——”
A peal of thunder caused the frightened Chick to stop in the midst of
his speech, while he crept nearer the others.
The first alarm of the rising storm was quickly followed by another
flash of lightning, and a second peal of thunder louder and nearer
than the first.
Soon after the rain began to fall, while the lightning and the thunder
gradually passed over, but not until it seemed as if the old house
would be destroyed.
When the fury of the storm was beginning to wane, the little party of
frightened people slowly gained courage.
“It must be leaking into the chambers,” said Joe. “I will get one or two
of those old buckets in the cellar and put them under the worst
places.”
“Oh, don’t dare to move,” admonished Aunt Vinnie. “This is awful.”
Not to be deterred from her purpose, Joe lit the stump of a candle,
and carefully descended the old stairs leading to the damp, musty
cellar. But she had not gone far before she was startled to find a light
already in the dismal place.
At first she thought the house must be on fire, but a second look
showed her that the glare came from a lantern, and in a moment she
was alert for what might be discovered.
Concealing her own light behind her, instead of crying out or beating
a hasty retreat, she descended the stairs more stealthily than before
until she could command a full view of the cellar.
What she now saw was a sight calculated to have sent a thrill of
terror to the heart of a less brave girl.
Three men were near the farthest corner, one of them holding the
lantern, while another was digging hurriedly into the earth, the third
seeming to have no other occupation than to watch the work of his
laboring companion.
“Hark!” he exclaimed, suddenly. “I thought I heard some one move.”
“Bosh!” said the one with the lantern. “I never see you so nervous,
Jed, as you are to-night. It was only one of the trees scraping against
the roof of the old house.”
“I guess you’d be nervous if you were in my place. A man’s mind
plays the devil with him sometimes. I ain’t forgot——”
“So does his tongue,” interrupted the other. “The—ha! you have
reached it, Bill!”
Joe could hear the spade strike something which gave back a
hollow, metallic sound that sent a shiver through her body, but she
bravely stood her ground.
The man with the spade resumed his work, throwing up the earth
faster than before, until suddenly he stopped. He peered closer into
the pit he had dug.
“Hold the lantern lower, Bill.”
The other quickly obeyed, when the one who had made the request
gave expression to a low cry of dismay.
The one holding the light now looked sharper down into the ground,
when he exclaimed:
“Great heavens! it is a human skeleton! What does this mean, Jed?”
Then the trembling man called by this name glanced downward, to
start back with a wild cry of fear.
“I made a mistake, boys. I—I——”
He started to flee without finishing his sentence.
CHAPTER XXIX.
“I AM GIDEON BAYNE.”

Before Joe could realize just what was taking place, and the terrified
man had not taken his second step, a section of the big chimney
which had been built from the bottom of the cellar was torn down,
and from out of the midst of flying brick and débris stood the figure of
a man.
Seen by the dim lantern light he appeared like a giant in stature,
while in either hand he held a cocked revolver, one weapon leveled
at the fleeing miscreant, while the other was pointed toward his
confederates, and his stentorian voice, sounding uncommonly loud
and clear in that underground room, commanded:
“Hold! Another step and I will measure the earth with your foul body!”
“I’m lost!” cried the frightened fugitive, falling upon his knees. “It’s the
ghost of Tim Bayne!”
It was little wonder if the man’s companions stood trembling with
fear, and that Joe Willet, brave girl that she was, nearly fainted.
Slowly advancing from the cloud of dust and dirt which had
enveloped his form, the man with the deadly weapons continued:
“I have caught you in your own trap. The man who lifts a finger dies
like a dog. It would be a blessing to man if I should send these
bullets through your worthless bodies.”
“Oh, spare me! Spare me!” begged the wretch upon his knees. “I did
not want to come here, but they made me. It was the buried treasure
that did it. We were going away as soon as we got that.”
A commotion which had been suddenly started overhead at that
moment arrested the attention of the others. Besides loud voices,
could be heard the tramp of many feet, so that it seemed as if a large
party had forced an entrance into the house.
Joe had heard this sudden outbreak above, and it had suddenly
occurred to her that the sheriff and his posse had returned.
But the peril, as great as it was, seemed to arouse her to swift
action. Though the man who was holding the desperadoes at bay
was unknown to her, he was proving himself an enemy to the night
marauders, and this fact told her that she could look to him for
friendship.
In this dilemma she boldly addressed him. He showed no surprise at
her words.
“I need your assistance,” he said. “Get me some strong cord or rope,
so I may secure my birds. After that we will look further.
“I will get you the rope in a minute,” replied Joe, starting up the
stairs.
It was prudent that she should move cautiously, expecting, as she
did, that she was to find enemies in the house. But she had barely
reached the top of the stairs before the well-known voice of Little
Hickory came to her ears, sending a thrill of joy to her heart.
“Where is Joe?” he asked.
“Here!” she replied, bursting into the room; and regardless of the
others present, she threw herself into his arms, sobbing:
“I am so glad you have come, Rob.”
“I hope nothing more has happened here to harm you, Joe. Dr.
Menter got home this evening, and upon hearing of my predicament
he would not rest until he had seen me. Then he called ’Squire
Hardy out of his bed, and demanded my release in such terms that I
was given up. But he has come with us. Thank him, Joe, for what we
owe to him.”
Joe now saw that the genial doctor was present, and he stepped
forward to grasp her hand. She also saw Larry, who was clasped in
his mother’s arms. Besides these twain there were others present,
whom she did not recognize in her joy, while she murmured her
thanks to Dr. Menter for the kind assistance he had given Rob.
“I am his debtor still,” replied the physician. “I am glad I got home as
I did. I wish I had been here before, for I might have saved you much
suffering.”
Then Joe acted very queerly, as it seemed to the others, for she
suddenly sprang back, exclaiming:
“Oh, the man in the cellar. I forgot him. You must go to his help, Rob,
with a rope.”
In a few hurried words she explained the startling tableau being
enacted below them, when Rob and the men with him started to see
what could be done, while the women stood all together in a group,
half in tears and half in fright over the strange situation.
No change had taken place in the cellar, for the unknown man held
his victims so at bay not one dared to move. The lantern had
dropped from the hand of the man called Bill, but it had not been
extinguished.
“They are a string of precious scamps on whose heads there is a
good price set. Tie them fast and firm.”
Willing hands did this, and though the baffled outlaws raved and
cursed, begged and implored, they were soon prisoners.
“We came in the nick of time,” said Dr. Menter, “and though I do not
fully understand what this move means, I feel certain it is going to
work in your favor, Robert. Ha! what means this skeleton here in the
ground? I believe we are about to get at the mystery of the old red
house.”
“You are,” said the stranger, who had put aside his revolvers, and
having brushed the dirt from his clothes, appeared before the rest a
fine specimen of manhood. “I think I can give you the key. But let us
go above, as I have matters of closer interest to me that I want to
speak of first.
“Rob, though you have grown so I should not have recognized you if
your name had not been spoken, I am Gideon Bayne, your father!”
CHAPTER XXX.
THE TRIUMPH OF RIGHT.

It was not until he had been folded in the arms of his new-found
father that Little Hickory could realize the truth of what had been
spoken.
They had reached the floor now, and his mother stood close beside
them, while the others stood apart, silent but appreciative spectators.
“I am so glad,” murmured Mrs. Bayne. “Your father did come
yesterday, though I had not the opportunity to tell you. It seems
strange but natural that he should have come here. Then the officers
came, and knowing he was again a hunted man, he concealed
himself in the opening made in the old chimney for that very purpose
by his eccentric uncle, Timothy Bayne.”
“What your mother says is true, my son,” said the father. “At last I am
free from the law, and no longer a fugitive. I sought for you and your
mother in the big city till I was forced to give up. Then I came here
simply because Uncle Tim lived here when I was a boy, and I was
naturally attracted hither. I reached the village in the night to see
these miscreants here just as they left the store on their depredation.
It proved that I was wretched, and, instead of hunting for the real
culprits, I was again made a fugitive. But I did not know this until I
had reached here.
“You may judge of my surprise and pleasure at finding your mother
here.”
The others were deeply moved by the simple story of a man who
had been more wronged than guilty. He was a man still in the prime
of life, with a stalwart form and clear, fearless manner.
“Now that I have found you,” he resumed, “I mean to stay by you,
unless you drive me away, or the law does. At any rate, I shall
consider myself a fugitive no longer.”
“Neither are you,” spoke up Dr. Menter. “If I mistake not, these men
in captivity here have a story to tell which will lift much of the cloud
that hangs over you. At any rate, I am not going to let Rob remain
any longer the victim of a man who has persecuted him out of a
matter of a little spite against another.”
“You are very kind,” replied Rob.
“Not half as kind, nor one-hundredth part as brave as you were when
you staked your life to save my dear boy and girl.”
“This is a happy moment,” said Aunt Vinnie, “and if my boys were
only here I could enjoy it with the rest of you.”
“And my Mary,” said Mrs. Little.
“Mary will be with us again before another night,” spoke up Larry.
“Only this evening I learned of a strange thing, and I was coming to
tell you of it. Lucy Howlitt was up to Deacon Cornhill’s this afternoon,
and Mrs. Cornhill told how Mary, as she thought, had been taking
things, and it wasn’t half an hour after that before Lucy caught a
tame crow belonging there carrying off a silver spoon in its bill. She
called Mrs. Cornhill, and they watched the crow go straight to a place
where he had hidden all the things that had been lost. Then Mrs.
Cornhill knew that the crow, and not Mary, had stolen what she had
missed, and she cried, she felt so bad over it.”
“That will set Mary free, and Mrs. Cornhill is willing to do anything
she can to be forgiven.”
“I am so glad,” murmured the mother. “I knew my daughter could not
be guilty of such a thing as stealing.”
“It looks as if we were coming out all right,” said Rob.
“So you are, my boy,” said the doctor. “Right always triumphs in the
end. I had rather be in your place than ’Squire Hardy’s, by a big
difference. Now listen, Aunt Vinnie, for I have a bit of news that will
give you joy as well as the others.
“The boy who was out on a night’s lark with Phil Hardy has
confessed that he and Phil were at the sawmill the night it burned,
and that young Hardy set it on fire. Of course Phil denies it, but it is a
crushing blow for the Hardys, and it will save your boy from jail.”
“Hurrah!” cried Aunt Vinnie, shaking her apron in the air. “This is the
happiest moment in my life, or will be when I clasp my boys once
more in my arms. I did not never see anything like this,” getting her
language somewhat twisted, but her heart was all right, and the
others felt as joyous as she did.
Leaving the inmates of the old red house to enjoy their new peace of
mind, and to anticipate the happiness of the coming day, Dr. Menter
looked to the safety of their prisoners.
When he had seen that they were still secure, he called Rob to one
side, saying:
“While our friends here stand guard over the captives, how would it
do for you and I to do a little investigating on our own hook?”
Little Hickory and his father willingly assented, when the three
returned to the cellar.
“I thought it might be as well to keep our business to ourselves in
part,” said the doctor, as soon as they were alone. “I have reason to
think that we are about to make important discoveries.
“I do not think it good policy to say so now to every one, but I am
ready to say to you that one of these precious fellows upstairs is the
murderer of Timothy Bayne. They have said enough to let us know
that they were here after a buried treasure. Do you know anything
about this, Mr. Bayne?”
“Only that uncle was supposed to be very wealthy, but eccentric. He
was killed for his money, as it was supposed, by a man who had
been working for him. I am sure the ruffian upstairs is the man.
Whether he got uncle’s money is more than I know. They were
seeking for something of the kind here to-night.”
“Well, we will do a little digging ourselves.”
Mr. Bayne then took the shovel, and in a few minutes a skeleton of a
man was divulged to their sight. Nothing more.
“It is probably that of Mr. Bayne,” said the doctor. “I do not believe we
had better dig any more, and we will leave the bones just as we
found them.”
“I thought the shovel struck something that was not a rock. Let me
take it,” said Little Hickory.
Beginning to dig a little to one side of the exposed skeleton, he soon
unearthed an iron box of considerable size, and which proved to be
of great weight.
With what feelings the three raised the buried box may be imagined.
“Hold, my son!” said his father. “This treasure, if it shall prove such,
has been found on the property of another man. It is not ours.”
“By as good a right, and better, than any one else’s,” said Dr. Menter.
“This property is now in the hands of Deacon Cornhill, who came into
possession by a collector’s deed, it being sold for taxes some
eighteen or nineteen years ago. A deed of this kind is open to
contest for twenty years. So as the heir to Timothy Bayne, it looks to
me as if you could hold the treasure. But here we are arguing over
what may be a valueless thing. Then, too, the deacon is an honest
man, and will not try to hold what does not belong to him.”
It was decided not to open the box until another day, and further
investigation had been made, so the three returned to those who
were anxiously awaiting in the room above.
It was not told to the outsiders of the discovery that had been made,
but the inmates of the house listened to the description of the find
with unbounded interest.
Never was day waited for more eagerly than by the party here, and
as its first rosy light appeared, the harbinger of a fair and a happy
day, Dr. Menter started for the village, taking one of the men with
him. In a few hours Sheriff Stanyan came, but he brought no terror to
the members of Ragged Rob’s young republic.
He spoke graciously to them, and complimented Rob on his good
fortune.
“The ’squire is pretty badly cut up over Phil, and well he should be,
for he is a bad boy. It will take a good slice of the old man’s property
to settle this matter, but I do not think Phil will have to go to jail.”
With these words the sheriff took away the sullen prisoners from the
red house, leaving the others in easier spirits.
Half an hour later Dr. Menter returned accompanied by Deacon
Cornhill, who greeted his colonists with great affection.
“The light is breaking,” he said, gladly, “and you are coming out all
right, thanks to Rob, here.”
“Not more to me than to our friends,” said Little Hickory.
The deacon had aged in appearance more than ten years since the
others had last seen him, and the hearts of all went out to the kind-
hearted man, who had done so much for them, and had himself
suffered so much.
But the moment of darkness was already fleeting, and a new light
was coming into their lives.
The iron-bound box was soon broken into, and the overjoyed
spectators beheld a sight which made them fairly wild with strange
visions of joy and of mystery.
It was a treasure box indeed.
Made up of bank notes, government bonds, gold and silver, it held
the equivalent of over fifty thousand dollars.
Is it a wonder there were dancing and wild exclamations?
The more sober of the party could not realize it as true, while the
others did not try to realize anything but their joy.
At last, when something like rational feelings again held sway, Rob
suggested that it belonged to Deacon Cornhill, but he would not
admit it. But there was a happy compromise.
Little Hickory proposed that a portion go to him, and this, under
consideration of his difficulties, he accepted with tears in his eyes,
and blessings upon his lips.

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