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1910 93erla(^
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rD.Spcmann in Berlin dfcStuttctart
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jX>cItgcfd)i«ä?tIi<I}c Scttr(id?tttnöcn
Don 6em gleid)cn Derfajjcr erfd){en in
meinem Derlage:

(Srfcdjtjdje KuIturgejd)i(Jjte
f}erausgegcbcn von 3ofob fficrt
(^eftgefcpic^fficpe

von

Jakob Burckbardt
herausgegeben von Jakob Oeri

2. Huflagc

Berlin und Stuttgart


Verlag von ^* 8pemann

1910
Das ReAt der aeberictjung in fremde SpraAen vorbehalten.

Dru* der IJoRnianiil*«« 8u(t)dru*mi in Stuttgart.


Oonoort 6e$ tjerausgebers.

"^I^öl^renb ber sroeitcn ^älfte bei ^uü unb ber erften


be§ Süiguft brarf)te ^afobSurcftiQrbt im ^ai)xt 1868 feine
t)iern}öd)entlid)en ©ommerferien in ^lonftanj ju unb entwarf
bafelbft bal erfte Schema ju bem afobemifc^en 5lurfu5, ber
l)ier, bamit niemanb burc^ ben ^itel irregeführt raerbc, oll
„2Beltgefd)irf)tHc^e 33etrac^tungen" ber Deffentlic^feit übergeben
wirb, ben er felbft aber „lieber Stubium ber ©efc^ic^te"
nannte, ^ene^ S^ema niu§ bann im ^erbfte umgearbeitet
roorben fein, unb im SBinter, all bal (einftünbige) iloHeg ge-
t)alten rourbe, fanb eine norfimalige Umarbeitung ftatt, unb
jroar biejenige, bie biefer ^eraulgabe jugrunbe liegt. „®e=
lefen" — b. f). in ber pracfitoollen gönn, bie 33urdEl)arbt ju
©ebote ftanb, frei oorgetragen — rourbe ber 5lurful nur
jTOeimat, nämlic^ aufeer in bem genannten nocf) im 2Binter
1870/71; aufeerbem roar ba§ Kapitel über tiiftorifd^e ©rö^e
ber ©egenftanb breier öffentlidien 23orträge, bie er im 9^0'
oember 1870 in ber 2lula bei 9)iufeum5 ^iett, unb ebenfo fprac^
er am 7. Dioüember 1871 an ber nämlid^en ©teile über ©lüdf
unb Unglücf in ber äBeltgefc^idjte.
2)er l'efer §at el alfo f)ier mit bem ©ntrourf für ata'
bemifdje l^orträge unb nic^t mit einem jur ^eraulgabe bc=
ftimmten ©erfe ju tun, unb biefen G^arafter l)at ber ^eraul'
geber aucf) nic^t üerroifrf)en rcoQen, fonbern in feiner 2lul*
arbeitung ben ©til oon 33urcf^arbtl münblirfier 9iebe na^
5lräften geroa^rt, geroiffe grei^eiten, roie bie öftere 2Bieber»
VI Vorwort des Herausgebers.

I^ohmoi von i>WhanUn, bie Surdfljiirbt roic^tig TOorcn (5. 33.


bem (Sc^loiierfdieu „bic 3JJad)t ift böfc an fic^"). "id)t befeitigt
unb bie 5(nmerfungen fte^en laffen, bie auf roünfc^en^iuerte,
aber uon 'iHircfl)arbt nicf)t mel)r uorgeuommeue Öriuciterungen
^iniiieifcu.
2)ie 3lrt, roie biefc ^^etrac^tuugen eutftaubcn finb, roirb
e-J and) begreiflicfi erfd^einen la))tn, bafe ^urcftjarbt fic^ barin
m6)t mit einer Doluminö)en luii'ienfd^aftlic^en Literatur au§'
einonberfe^t. ^ie unb ^a bliät el burcf), bafe er fic^ bamai§
mit Scl)openl)auer unb 5)flttmQnn befc^äftigte ; Batate an^
Cuinet, 3ienan, '":prcüO)"t-'^:parQbol unb anbern franjöfifdjen
2lutoren finb nid)t ganj feiten: ©elegentieit ju öfterer 2lue=
einanberfe^ung gab i(jm aber eigentlid) nur bie «S. 5 genannte
fleine Schrift ©rnft üon Safauti:', bie iebenfaü^ ben einen
Ssorjug ^atte, t|n auf eine 3)ienge öon j^ragen ju führen,
melrf)e für i^n in Setrac^t famen. Um irgenbmeldie ^oU«
ftänbigfeit fonnte e§ fid) inbe§ bei biefen 3>orträgen nid)t
l;anbehi, bie ben befc^eibenen -^m^d oerfotgen, anbere sum
felbftänbigen ©tubium beg ©efc^ic^tlicben anzuregen. 2Ber
manc^e^ barin oermifet, möge \id) fagen, bafe biefer Ütebner
©rgänsungen üon atten benjentgen münfc^te, bie „auf if)ren
SBegen auf ba^ rieftge X\)ima gugefonimen waren", unb ba&
bie Vorträge i^ren ^raed erfüüt Ratten, rcenn man fie er»
gänjte.
Unb auc^ Serii^tigungen liebte er, roenn fie ni^t in
bem miberli^en Xone roiffenfc^aftli^er Ort^obojie famen.
3Jtan foll oon biefen 33etrad)tungen nid)t »erlangen, bo^ fie
im e-injelnen auf ber ^ö^e ber gegenroärtigen gorfc^ung fielen,
©(^on §u ber Seit, ba fie entftanben, roirb — jumal in ber
©efc^id)te bei alten Oriente — bie§ unb |ene§ überholt ge=
roefen fein, unb feitl)er l)at eine raftlofe gorfd^ung ja überaU
3^eueg entbedt unb ju neuen Urteilen geführt, ^ier i^n ju
forrigieren roar ber Herausgeber aufeerftanbe, unb roäre er
eg aud) imftanbe geroefen, fo t)ätte er e§ ni(^t getan. ®enn
bie (ginjeltatfadien, roie fie ^eute fonftatiert finb, roirb —
Vorwort des I^erausgebers.
VII

ober foüte bocf) — bei 33urcfl)arbt niemanb fud^en; ber ^et'


fucf) einee> reichen uiib l)odigebi(beten Öeifte-S aber, [ic^ uev
mittelft ber ^Tatf adieu, foineit ik il)m befannt roaren, ein
33i(b üom (5cf)affeu ber äi>e(tge)d;id)te ju machen, bürfte feinen
Ä^ert tro^ allen Irrtümern beljalten.
^ätte ^^urd^arbt fid) getjen (Snbe feinet idtbiw^ nod) mit
biefen l'hi^fiUjrungen befd)äftigt unb nid)t fc^on 1873 bie
leiten 3ufä|e baju gefdirieben, fo bürfte er aud) einiget
fc^ärfer formuliert i^aUn, unb mir mürben bie§ unb jene^^
ba§ un^ je^t lüdent)aft erfd)eint, auÄgefüEt, 2Serfd)iebeneg aud)
anberS beurteilt fe^en. ^max bie insroifc^en ftorf geworbene
eosialbemofratie bat feine ©ebanfen nid)t feljr in 3lnfprud)
genommen; baB er bie Sac^e fommen fal), wirb man au6)
an§> einigen ©teflen biefer ^Setrac^tungen erfelien. Sagegen
bewegten iijn immer ftarf bie fird)licben ^'i^^^S^"/ ""^ ^)^^^ ^f^
3U fagen, ba§ er für ben ^atl)oliji§mu5 wegen ber freieren
©teUung, bie ^apft £eo XIII. ben überlieferten ftaatlidien
formen gegenüber einnahm, eine oiel l;offnung§ooIIere 3^^^
üor 2lugen fal), al^ bamatc, ba „^()ron unb Slltar bie ^om=
plisität it)rer beiberfeitigen Äonferoatigmen anerfannten". Ter
proteftantifc^en ^irc^e bagegen, oon ber er oft fagte, ba&
in \i)v ba§ 3a unb ba§ 3iein l^eutjutage gänslid) unlogifd)
oereinigt feien, fteüte er eine weniger günftige ^rognofe, ju»
mal wenn er and) biejenige 9iid)tung, bie mit bem 2)Jr)tl)u§
gebrodien Ijatte, bie 3}kc^t oermittelft me^r politifd) all firdj'
lid^ intereffierter Siajoritäten erftreben fal).
2ßo5U aber werben nun biefe weltl)iftorifdjen 33etra(3^*
tungen tro| allem, wa§ l)ier ju fagen war, unb tro^bem
^afob Surd^arbt fie fo gewiß ni^t herausgegeben l;ätte, ber
Ceffentlidifeit übergeben? Gin SJebenswed möge t)ier genannt
fein: griebrid) 9tie^fd)e l)at fie, ali fie jum 5weiten Mak
oorgetragen würben, gel)ört, unb feit er am 7. ::iioüember 1870
barüber an ben Areil)en:n oon 0)er§borff gefc^rieben Ijat, ijat bie
g-rage, wie man fid) 'oa^i 'i>erl)ältni§ 5mifd)en ben gefd)id)t(ic^en
©runbanfc^auungen beiber 9}iänner oorsuftellen l)abe, oiel ju
VIII Vorwort des Herausgebers.

benfen gegeben. Sic nnrb mtumeliv leidet lieantroortet werben


föiiuen, \xi\iid) uieüeid)! jur l5-nttäutd)ung berjeuigen, bie eine
gauj mit ülknüaubtfdiaft ber Slnfic^ten eriuarteten.
3nbe5 bieci ift, mic gciagt, ^JicbenjiDecf. lieber beu .^aupt«
jraec! aber fic^ ju uerbreiteu, l;ä(t ber ^erou^geber für unnötig,
mh ber Sefer, ben er bcn ,/:8etra(^tungen" roünfc^t, wirb
i^m barin beiftinniien.
^er ^erau'?geber fc^lie^t, inbem er bafür um dnU
frf)ulbiguug bittet, baf3 il;m bie nid)t ganj leidet ju üerfaffenbe
gin^alt^Sangabe ju lange geraten ift, unb benjenigen greunben,
bie il)n bei ber ^orrehur unterftü^t I)aben, feinen beften ^an!
au§fprid)t.

Safel, im September 1905.

Jafob ©eti.
I.

(Einleitung.

I, Itnferc 2lufgabc.
2^ie 3(ufgabe, bie mir un§ für biefen ^urfu§ gefteßt
fabelt, befteljt barin, eine ^(nsaljl von gefd)ic^tlicf)en 33eob'
Qc^tungen unb Grforfd)ungen an einen [;alb sufädigen
Öebanfengang ansufnüpfen, mie ein anbermal an einen
anbern.
"dladi) einer allgemein einleitenben 5)arlegnng unferer
2(nnrf)t über ba^jenige, roa» in ben Ärei§ unferer Betrachtung
gef)ört, merben roir uon ben brei grofsen ^sotenjen Staat,
Sieligion unb ilultur ju fprerfjen (jaben, bann junäc^ft beren
bauernbe unb allnml)lid^e ©inroirfung aufeinanber, befonber^
bie beg Seroegten (ber Kultur) auf bie beiben ftabilen be=
t;anbeln, rceiterbin jur 53etra(f)tung ber befcf)leunigten Söe»
löegungen be§ ganzen äßeltprojeffeä übergef)en, ber ße^re üon
ben ^rifen unb 9ieoo(utionen, auc^ oon ber fprungartigen
jeitroeifen 2tbforption aüer anberen 33eiüegungen, bem 9)?it*
gären be^ ganjen übrigen Üth^nS», ben 53rüc^en unb 9ieaftionen,
alfo ju bem, ma§> man ©turmte^re nennen fönnte, barauf
Don ber ^i)erbid}tung be'5 Sßeltgefc^ic^tücfien, ber .Honjentration
ber Seroegungen in ben großen ^nbioibuen fprec^en, in welchen
bag iBiiC^iierige unb baS 3Jeue sufammen aU ibren Urljebern
ober ifirem ^auptaugbrucf momentan unb perfönürf) rcerben,
unb enblic^ in einem 3(bfc^nitt über (^'Aüd unb Unglücf in
I. 6tnleitung.

bov 'ii>eltgcfdiid)te uu|ere Objeftioitiit gegen Uebertragung beC^


^I\>üu)(^bavcn in ^ie (^)elc(nct)te 511 iiml)reu furficii.
'Ii'iv moUeii uicbt eine 'Jdiloituitg ,sum biftonfcTjen ©tubium
im gclcbvten 3iuiic geben, fonbern nnr ^A'infe snni Stnbiuni
bc'o Öefd)id)t liefen in ben uerfrf)iebenen (Gebieten bei
geiftigen Sl^elt.
äj}ir uer^idjtcn ferner auf alleS (Suftematifdie; mir niadjen
feinen 9tnfprud) auf „nieltgefd)id)tlid)e ;3been", fonbern be-
gnügen un^5 mit 2i>a()rnel)niungen unb geben Ouerburc^fd)nitte
burd) bie Gkfd)id)te unb jumr in möglidift uieten :}üd)tungen;
nur geben i)or atleni feine @efd)ic^t^pl)i(ofopt)ie.
^iefe ift ein 5lentaur, eine contradictio in adjecto;
benn ©efc^ic^te, b. l). ha§> ^oorbinieren ift 9iid)tpf)ilofopie
unb ^t)ilofopl;ie, b. i). bal Suborbinieren ift :3iic^tgefc^id)te.
S)ie ^>t)iIofop^ie aber, um un§ §unäd)ft mit i^r felbft
au^einanberjnfe^en, fteljt, raenn fie inirfüc^ bem großen aÜ--
gemeinen £'eben§rätfel bireft auf ben iieib gef)t, f)0(^ über
ber ©efdjidjte, nieldie im beften gaüe bie3 3^^^ ""^ mangels
I)oft unb inbireft üerfolgt.
9?ur muB e§ eine roirflidie, b. l). Dorau§fc^ung§(ofe
^^ilofop^ie fein, meldie mit eigenen ältitteln arbeitet.
S)enn bie religiöfe Sijfung be§ 9iätfel» get)ört einem
befonberen (Gebiet unb einem befonberen inneren a]ermögen
be» 3)Zenfdien an.

33a6 nun bie ©igenfc^aften ber bisljerigen ©efdiicbt^'


p^ilofop^ie betrifft, fo ging fie ber ©efc^i^te nad) unb gab
Sängenburc^f ($nitte ; fie oerfufir c^ronologifi^.
«Sie fuc^te auf biefe Sßeife gn einem aligemeinen ^ro^
gramm ber SSeltentroicflung burc^gubringen, meift in l)ödift
optimiftifi^em Sinne.
©0 ^egel in feiner ^l)t(ofop^ie ber ©efc^tc^te. ßr
fagt (©. 12 f.), ber einzige (Sebanfe, "oen bie ^f)iIofopf)ie mit*
bringe, fei ber einf ad)e ©ebanfe ber ^l^ernunft, ber ©ebanfe,
ha^ bie ä^ernunft bie aSelt bef)errfd)e, oa^ e^ olfo auc^ in
1. Qnlere Hufgabs.

ber 2i>eltgefrf){d)te oernünftiii siigec^angen fei, iinb bn? ©r-


gebni'5 ber ^^i'eUgefiiiidite muffe (sie!) fein, buB fie ber
»ernünftige, itotmenbige @ang be§ 3BeItaeiftey geroefen fei, —
ma« atte-S bod; erft ju liemeifen unb iiid)t „mit5ubringen"
mar. Gr fprid)t (3. 18) üon bem „oon ber enngen äöeiC^beit
.^^ejroedEten" unb gibt feine 33etrac^tung aU eine 2()eobicee
a\i^, oerniöge ber (Srfenntni^ be§ 2lf firmatiüen , in roelc^em
bt>5 ^Jtegatiue (populär: bae 53öfe) ^u einem Untcrgeorbneten
unb Ueberrounbenen üerfd;u)inbet ; er entroicfelt (S. 21) ben
■©runbgebanfen, bie 2BeItgefc^id^te fei bie ©orftellung, loic ber
©eift gu bem ä3erouHtfein beffen fomme, roa§> er an fic^ be=
beute ; i^ foU eine (Jntnndlung jur j^rei^eit ftattfinben, inbem
im Crient einer, bann bei ben flaffifi^en $l>ölfern roenige frei
geroefen, unb bie neuere 3eit alle frei mad^e. Sluc^ bie be-
fiutfam eingeleitete Seljre von ber ^erfeftibilität, b. (;, bem
befannten fogenannten 5ortfd;ritt, finbet fic^ bei i^m (S. 54).
2Bir finb ober nid^t eingeroei[)t in bie ^mtät ber eroigen
2öei^l)eit unb fennen fie ni($t. 2)iefel fede ^Intijipieren eines
äi^eltplaneS füljrt 5U ^nlümcrn, roeil eS uon irrigen ^^'römiffen
auÄgel)t.
(£§ ift aber überl)aupt bie @efa{)r aller c^ronologifd^
angeorbneten @efd)id)t^pt)ilofopl)ien, baß fie im günftigen gall
in 33eltfulturgefd)idjten ausarten (in roetd)em abufioen Sinne
man ben Sluöbrucl @efd)idjt§pl)ilofopl)ie fann gelten laffen),
fonft aber einen SBettplan 3U oerfolgen prätenbieren unb ba-
bei, feiner isorauiofe^ungSlofigfeit fä^ig, uon ^htin gefärbt
finb, roeldje bie ^^^vljitofopljen feit bem britten ober üierten
£eben5jaf)r eingefogen Ijaben.
greitic^ ift nic^t bloß bei ^Nl)ilofopl)en ber :3i^rtum gäng
unb gäbe: unfere ^tit fei bie (Erfüllung aller ßeit ober boc^
nal)e baran unb alleiS Sageroefene fei als ouf unS berechnet
5U betrad)ten, roäl)renb el, famt un§, für fic^, für baS 3?ors
l)ergegangene, für uuS unb für bie 3iif"nft üorl)anben roar.
S^r befonbereS ^Jied)t ^at bie religiöfe Wefc^ic^tSüberfic^t,
für bie ba§ grof5e ä_^orbilb 5luguftinS 5Öerf de civitate
•^ I. einlcitung.

dei ift, bae au ber vSpifee allev X()eobiceeu fte()t. Uiiö gel)t
fie ()ier lüdit^S au.
:Hud) aubere ülöeltpoteu.u'u mö(\e\\ bie (Ä5efc^icl)te nad)
iln-er 3lvt auebeuteu uub auebcuteu, 5. 33. bie ©Oäialifteu uiit
i^reu (>3e)ci^td)teu be^ isolfe^.
Uufer 3Uh5gauoi'^puuft ift ber üom eiujic^eu bleibeubeu
uub für uu'o uiöc\lirf)eu ^eutinnu, üoni bulbeubeu, ftrebeubeu
uub ^aubelubeu a)ieufcf)eu, mit er ift uub iunuer max uub
feiu wirb; ba()er uufere S3etrac^tuug geraiffermafeeu patt)ologifd^
fein rairb.
^ie ®ef(^i(^t§pf)ilofop()eu betrac^tcu ba§ ä^ergaugeuc
ole ©egeufai^ uub äjlorftufe 5U un§ al§ eutroicfelteu; — roir
betrarfjteu ba§ firf) 2öieberl)olenbe, 5?ouftaute, Xiy-
pifc{)e al§ ein tu \m§' 3lutUugeube§ uub 5ßerftöublid^eig.
^eue fiub mit ©pe!ulatiou über bie Slufäuge betiaftet
uub tttüfeten beg^alb eigeutlirf) auc^ üou ber Sufuuft reben,*
roir föuuen jeue Sel;ren üou beu 2tufäugeu eutbef)reu, uub bie
Sei)re 00m (Sube ift uid^t von m§ ju oerlaugeu.
;3mmerl)in ift mau bem ^eutaureu beu f)ö(^fteu S)anf
f(^ulbig uub begrüfst ilju gerue §ie uub ba an einem SBalbeS»
raub ber gefd^iditli^eu ©tubien. 2Belc^c§ auc6 feiu ^^rinjip
geroefen, er ^at einjelne mä^tige 31u§blide burd^ beu Söalb
geiiaucn unb ©alj in bie @efrf)id)te gebracht, teufen mir
babei nur an Berber.
UebrigeuS ift febe Wd^oht beftreitbar imb feine aügüttig.
3ebe§ betradjtenbe ^nbiüibuum fommt auf feinen SBegen,
bie jugleid) fein geiftiger SebenSroeg feiu mijgeu, auf ba§ riefige
S;^ema ju uub mag bann biefem 2ßege gemä^ feine 3)iet|obe
bilben.

2^a nun uufere Slufgabe infofern eine mäßige iftr al^


uufer ©ebanfengang feine 2(ufprüc^e mac^t, ein fyftematifc^er
ju fein, bürfen mir uu§ oud^ (|eil un§!) befc^ränfen. 2Bir
bürfen unb muffen nic^t nur abfeljen mn üermutUc^en Ur»
juftänben, üou aller Betrachtung ber ^tufünge, fonberu and}
1. Qnlere Hufgabe.

iine befrf)ränfen auf bie aftineii dlaiim unb in benfetben auf


bic -l^ölfer, bereu Wefi^id^te luv^- Äulturbilber oou geuügenber
uub unbeftrittener 2;eutlid)feit geiuäfjrt. A'vageu mit bie uad^
Ciiuioirfung oon 33oben uub £lima unb bie nad; ber Be-
wegung ber 2i>eltgefc^i(^te üüu Cften nod^ SBefteu finb Gin=
leituugäfrageu für ©efdjidjt^p^ilofopljen, uid)t für unc-^ ^), unb
hal)tx gans su übergefien, forcie aud) atte§ £o§mifd)e, bic
Se()re oon ben Diaffen, bie ©eograp^ie ber brei alten 3SeIt=
teile u. bg(.^)
Ueberatt im ©tubium mag man mit ben Stnfängen be«
ginnen, nur bei ber ©efd^idite nic^t. Uufere Silber berfelben
finb meift bod^ blof^e i^onftruftionen, wie mir befonber^ bei
©elegentjeit be^ (Staaten fef)en werben, ja blo^e 9ief(ere üon
unl felbft. ©ering ift bie ©ültigfeit beS ©d)(uffe§ oon SSoIf
gu 'iUilf ober uon 9iaffe ju ^Kaffe. 3Sag mir aU 2lnfänge
glauben nad)n)eifen ju fönnen, finb of)ne^in fd^on ganj fpäte
(Btabien. ®ag ägi)ptifd)e i^önigtum be§ 3Jleneö 5. 33. beutet
auf eine lange unb gro^e $l^orgefd)ic^te ^in. Unb nun fodten
mir gar an ?vragen mie bie fierantreten, meldieg bie 9}tenfc^'
f)eit ber ^^fal;lbauten mar? älUe fdimer fetjen mir in unfere
3eitgenoffen unb 9täd)ften unb mie üollenbl in 9)ienfd^en
anberer 9taffen ufm.

Unumgänglid) ift l;ier eine ©rörterung über bie gro§e


©efamtaufgabe ber (^efd)i(^te im aügemeinen, über ba^\ mag
mir eigentlich foHten.
Xa ha§> @eiftige mie has> -JJiateriette manbetbar ift unb
ber SBec^fel ber 3^iten bie formen, meldie ba0 ©eroanb beS
nußeren mie be§ geiftigen !i!tbtn^ bilben, unauf^örlid^ mit fic^
rafft, ift bQ'5 2^^ema ber C>)efd)id)te überhaupt, ha^ fie bie
jmei in fid) ibentifc^en ©runbridjtungen geige unb baoon

') iJBir Derroeiien I^ierii6er auf ®. v. i: afaul j, DJeuer iüerfuc^


einer alten auf bic SBoi^r^eit ber Xatiad^en gegrünbeten ^t)ilofop^ic bec
Öefd)ic^te, S. 72 u. 73 ff.
-) Gbenba 3. 34 ff., 4H f., 88 ff.
I. Ginlciluno.

auÄgef)e, luie evftlid) afle§ ©eiftige, auf melc^cm ©ebietc c§


aurf) uiahrtjenommeii merbe, eine gejitii"f)tHcf)e Seite l;abe, an
tveirfier e§ aU '^Banblung, aU i^ebingte^, ai^ üorüberge()enbe^3
3)ioment evfcbeint, ba-^ in ein grofee^?, für mvi unermef3lirf)e§
G)an5e5 aufgenommen ift, uub mie sroeiteniS alleiS 6)efd;et)en
eine geiftige ©eite ijahi, von meld^er au^ e^S an ber Unoer»
gänglirfifeit teilnimmt.
5^enn ber (>)eii't t;at äi>anbelbarfeit , aber nic^t 3^er»
ganglid)feit.
Unb neben ber äßanbelbarfcit fte^t bie 33ieIE)eit, ba^
3iebeneinanber oon 23ölfern unb i^ulturen, roeld)e roefentlid)
aU ©egenfä^e ober al» (Srgönjungen erfd)einen. älJan möchte
fic^ eine riefige ©eifte^Ianbforte auf ber 33afi§ einer un»
ermefeUdien (i-tt;nograpt)ie benfen, weldie 9}taterieIIe§ unb
©eiftige^o ^ufammen umfaffen mü^te unb allen 3kffen, 'Isölfern,
Sitten unb 9ieligionen im 3ufammen^ang gered)t ju raerbcn
ftrebte. Cbinol)! bann auä) in fpäten, abgeleiteten ^erioben
biöroeiten ein fd)einbare§ ober roirflid)eg 3iO"ß""ii^"Pii^H^^^^^
ber 3)tenfc^^eit eintritt, wie bie religiöfe 33eroegung be§
VI. QaE)r^unbert^3 o. 6§r. üon (Sf)ina bi^5 ^onien^) unb bie
religiöfe ^Bewegung §u 2utt)er§ 3^^* in 5)eutfdi(anb unb in

Snbien'^).
Unb nun bal gro^e bur^geljenbe §auptpf)änomen: ©^
entftef)t eine gefdiic^tli^e 9Jiac^t oon ^ö^fter momentaner
Berechtigung; irbifc^e :Sieben§formen aller 2(rt: 3]erfaffungen,
beoorrec^tete Stäube, eine tief mit bem gonjen 3eitlic^en oer»
ftoditene 9ieligion, ein großer Seft^ftanb, eine ooüftänbige
gefeUfdiaftlic^e Sitte, eine beftimmte ^Jiec^tSanfc^auung ent>
roideln fic^ barau§ ober {)ängen fid) baran unb Ijalten fid^
mit ber 3eit für Stufen biefer aJkc^t, jo für allein möglidie
2:räger ber fittlii^en ilräfte ber 3eit. 2t(Iein ber ©eift ift ein
äöüljler unb arbeitet weiter, j^reilic^ miberftreben biefe SebenS'

') aSgl. Safaulr, ©. 115.


^) 5ß9(. 3{ a n f e , Seutfc^e ®efc^icf)te, 23b. T, S. 226.
1. Qnicrc Hufaabc.

formen einer 9{enberung, ober ber 33rud), fei e§ burd) dk-


uolution ober burcf) ntlmaljlic^e isermefung, ber Sturj üon
2)?orQ(en unb Religionen, ber oermeintlid)e Untergang, ja
aBeltuntergang fommt toö). ^nsraifrfien ober baut ber C^5eift
tima§' Dienec, befien äu§ere§ ©efjäuje mit ber 3^^^ ba^felbe
Srf)icffal erleiben mirb.
Gegenüber oon fold^en gefc^id^tüc^en a)Mci^ten pflegt ficft
ba^ jeitgenöffifc^e ^nbioibnnm in uötliger Cljnmadit jn füljlen;
e§ fällt in ber Siegel ber angreifenben ober ber raiberftrebenben
^^HUlei jum 2)ienft anl)eim. Wenige 3ßi^öeno[Kn i)a[mi für
)iö) einen ard;imebifd)en ^^unft auf3erl)alb ber $8orgänge ge=»
raonnen unb uermögen bie Singe „geiftig ju überroinben"
unb meüeid)t ift babei bie Satiijfattion nid)t gro§, unb ik
fönnen fid^ einei elegifd^en ©efüljlS nic^t erroel)ren, meil fie
alle anberen in ber S)ienftbarfeit laffen muffen. Grft in fpäterer
3eit mirb ber ©eift üoüfommen frei über folc^er SSergangen»
l)eit fdiroeben.
Sie äi'irfung be§ i^ouptpljänomenS ift ha§> gefd)id)tlid)c
i^eben, rcie eS taufenbgeftaltig, fompler, unter allen möglid^en
33erfappungen, frei unb unfrei baljerroogt, balb burd) ^iJiaffe,
balb burt^ ^nbiüibuen fprec^enb, balb optimiftifd^, balb pefft^
miftifc^ geftimmt, <BtaaUn, 9ieligionen, 5!ulturen grünbenb
unb jerftörenb, balb iid) felbft ein bumpfe^ 3{ätfel, meljr üon
bunfeln (^efül)len, bie burc^ bie ^^Ijantafie uermittelt finb,
aU oon Sieflerionen gefüljrt, balb oon lauter 'Jieflerion be=
gleitet unb bann roieber mit einselnen S>oral)nungen be§ oiel
fpäter erft fid) (SrfüHenben.
Siefem ganjen Sßefen, bem mir a{§> 9)Jenfc^en einer be»
ftimmten 3^it unoermeiblic^ unferen paffioen Tribut bejaljlen,
muffen mir jugleic^ befdiauenb gegenübertreten.

Unb nun gebenfen mir auc^ ber ÖröRe unferer 'l^er»


pfliditung gegen bie Isergangenbeit al5 ein geiftigey Hontinuum,
roeld)ee mit 5U unferem ^ödiften geiftigen ^efit3 geljört. 2ltle!5,
mal im entfernteften 5U biefer Hunbe bleuen fann, mufe mit
8 I. einleitutuj.

nnei- Slnftrciuiunc^ iinb 9tufroanb gciammelt lucrben, bi^ \mx


5UV ^"licfoiiftruftion flanjer uevcjangeuer öeiMljOviäonte ge--
laugen. ®Q2i iser^iütui« iebe^^ ^a^rljunbert^ 511 bicfem (5rbe
ift an [irf) fcfiou erfenntni^S, b. l). etmaS 5Ieue§, luctdjeÄ uon
ber nädiften önMicvation mieber aU etnnv^ l;i)torifd) (^)CWorbeneÄ,
b. l). UeberumnbeneS jum ©rbc gefd)lagen werben roirb.
2luf biefen 3>orteK oerjic^ten junädjft nur 93arbaven,
nielrf)e il)re .S{ulturl)üüe aUi eine gegebene nie burc^brec^en.
^i)xt Barbarei ift it)re @efc{)ic^t§loftg!cit unb vice versa,
eie ^ahm etnm (5tamm[agen unb ein 33euiut3tein be§ EoU'
trafteÄ mit itiren geinben, alfo ^iftorifc^'-et^nograp^ifi^e 3(n'-
fange. 3iaein ba§ STun bleibt raffent)aft unfrei; fc^on uon
ber ©ebunbenljeit ber ©itte ufm. burd) ©i;mbote fann crft
bag SÖiffen üon einer ä^ergangenfjeit frei mad^en.
Unb fobanu uer^ic^teu auf ba« e^efd)id)tadie nod) 2lmeri=
faner, b. l). ungefd)id)tlic^e 33ilbung§meufd)en, welche e§ bann
bo^ üon ber alten 2Belt i)er uid)t ganj Io§ werben. ߧ
Ijängt it)nen alsbann unfrei, al§ ^iröbel an. ®at)in getjören
bie ^;£^appen ber Dteuijorfer 9teid)en, bie abfurbeften formen
ber falüiniftifd)en 9ieligion, ber ©eifterfpuf ufro., äu n)eld)em
attem au§ ber bunten ©inraanberung nod) bie 33ilbung eine§
neuamerifanifd;en leiblidien Xi)pu§ oon äweifeltjafter 2lrt unb
Sauer§aftig!eit fommt.

Unfer ©eift ift aber ju biefer 2Iufgabe in t)ot)em örabe


t)on ber DIatur au§gerüftet.
2)er ©eift ift bie Äraft, jebe§ Seitliche ibeal aufsufaffen.
er ift ibealer 2Irt, bie 2)inge in il)rer äußeren ©eftalt finb
e§ nic^t-
^).
Unfer 2luge ift fonnen^aft, fonft fä^e ee bie ©onne nid)t ber
®er ©eift muB bie (E-rinne rung an fein ^Turc^le ben
oerfc^iebenen (Srbenseiten in feinen 33efi| oerroanbeln. 9Ba§
0 SSgl. bie bei Ca^aulr ©. 8 jitierte, ©oet^eä befanntem ©pruc^
noinort tl<itv
jugtunbe liegenbc SteUe aug «ßlotin I, 6, 9: 01' ydo vv
i. Qnlere Hufgabe.

cinft Zs^ibd unb 3^"i"i?i' war, muf? nun ßrfenutniÄ luerbcn,


uiie eigentlid) aiut im i'eben bec' ©inseliien.
^amit erl)ält aud) ber SatJ Historiu vitae magistra
einen Ijö^eren unb jugleid) befc^eibeneren Sinn. äi?ir moKen
burd^ (S-rfnbrung nicöt fomoljl fhig (für ein anbermal) nl§
roeife (für immer) roerben.
2Bie meit ift nun ba§ Siefultot ©feptijilmul ? &z\xn^
Ijat ber matjre (Sfeptisi^mu? feine SteUuncj in einer ^öelt,
lüo 3tnfänge unb ©nbe unbefannt [inb unb bie 3}iitte in be*
ftänbiger 33en)egung ift ; benn bie 2Uifbefferung oon feiten ber
'Jieligion bleibt Ijiev auf ficf) beruben.
isom unedjten lauft 5U gemiffen ßeiten bie 2Belt obne»
t)in üoU, unb wir finb nirf)t baran fc^ulb; biäroeilen fommt er
bann plölUicf) an§' ber 9JJobe. 35om eckten fönnte man nie
genug (jaben.
2)a!c 'ii>at;re, öute, (5d;öne brourfit bei unferer Setrad;»
tung, richtig gefaßt, feine 9f?ot ju leiben. S^a^ 2Bat)re unb
@ute ift mannigfad) seitUd^ gefärbt unb bebingt; aud) 5. 33.
ha§^ ©eunffen ift jeitlid) bebingt; aber bie ioingebung jumal
bie mit @efal;ren unb Opfern oerbunbene an bal ^eitlid; be-
bingte SÖa^re unb ©ute ift etroa§ unbebingt .öerrlidie^. S)al
(Sd)öne freilid) fönnte über bie 36iten unb itjren äi>ed)fet er-
l)aben fein, biibet über()aupt eine 2Bett für fid). öomer unb
^f)ibio§ finb nod^ fc^ön, TOät)renb ba§ 3ßal;re unb ©ute jener
3eit nid^t met)r ganj ba^ unferigc ift.

Unfere Kontemplation ift aber nidit nur ein yiec^t unb


eine ^^f(ic^t, fonbern jugleid^ ein §o§e§ 33ebürfni»; fie ift
unfere Ateibeit mitten im 33emufetfein ber enormen allgemeinen
©ebunbentjeit unb bee Strome^ ber 9Jotroenbigfeiten.
3Iber freiließ fommen mir auf ha§^ 33en)uf3tfein ber all*
gemeinen unb inbiuibueüen 9}Jänge( unfere§ Grfenntni^'Oer=
mögend unb ber fonüigen 0efa(;ren, moburd) bie (i-rfenntni^o
bebrobt ift, ort jurüd.
2?or allem muffen mir ha^ 'iserfiältnil ber beiben '^oU
\0 I. einlcitung.

(^rfcnului'^ uub ^Jlbiuijteu bciicnfen. ^djou in bcr ge|cl)id;t=


lirficu :J(uf5eirf)ming begefliiet unfer äjerlangen narf) (Srfenntnie
oft einer bid)ten .s>ecfe üou iübficbten, melrfje [id) im (ÄJeiüaub
0011 UcbevUcferunöcii 511 i]ebeu fudjen. l'lufserbem aber föiinen
lüir iiiiÄ 0011 ben 3lb1u1]lcu uuicrer eigenen 3^^* unb
^:|«ierfünlid)feit nie ganj loe^nadien, unb bie» ift uieüeid)! ber
idilimmere ^einb ber (irfenntni^S. 5)ie beutlid)fte ^^^rcbe Ijic»
für ift: ©obalb bie föefd;id)te fid) unfereni 3a()i-"t)unbert unb
unjerer werten ^erfon nät)ert, finben mir nllc^o uiel „inter*
effanter", mäbrenb eigeuKid) nur mir „intereifierter" fiub.
':^a'-^i\ füiunit btv3 ^Tunfel ber Suhmft in ben ©d;id'fa(en
ber (Sinselnen unb be§ ©aujeu, in melc^eS ©unfel mir bennoc^
beftänbig bie 33Iide riditen, unb in roe(d)e§ bie jaljüofen pben
ber S8ergangenl)eit Ijineinreidjen, beutlid) unb für unfere 2l(jnung
eoibent, aber oljne ba^ mir fie oerfolgen fönnen.
2Benn bie @efd)id)te un§ irgenbmie ba§ gro^c unb fd^mere
9\ätfel be§ Seben^, auc^ nur geringftenteil^ foll löfen belfen,
fo muffen mir mieber au§ ben 9iegionen be» inbioibueHen
unb seitUdjen 53angen§ jurüd in eine ©egenb, mo unfer ^M
nidit fofort egoiftif^ getrübt ift. 'i^ielleidit ergibt fic^ au§
ber rut)igeren Setradjtung au^^ größerer gerne ein 2lnfang
ber maljren Sachlage unfereS (grbentreiben?, unb glüdlic^er*
meife finb in ber ©efc^idjte be§ 3Utertum§ einige Seifpiele
erhalten, mo mir ba§ äßerben, 33lül)en unb SBergetien na^
i^auptoorgängen unb geiftigen, politifc^en unb öfononttf(^en
3uftänben jeber 9üd)tung big auf einen l)ot)en @rab oer^
folgen !önnen, nor adem bie föefd^idjte oon 3ttl)en.
^^öefonberg gerne oerfappen fid) aber bie 2lbfid)ten auc^
all ^:]Jatriotilniu§, fo ba^ bie malere (grfenntnil in ber 35e=
fc^rän!ung auf bie öefdjic^te ber «oeimat il)re ^ouptfonfurrenj
finbet.
®ol}l gibt eg Singe, morin bie l)eimatlid)e (55efc|ic^tc
für jeben il)re emigen SSorjüge ijab^n mirb, unb fid; mit il)r
5U bef(^äftigen, ift eine mabre ^ftidit.
Slüein fie mürbe ai§> ^orreftio ein grofee» anberel ©tubium
1. Qnlcrc Huffliabc. \\

bebürfen, märe e§ aucf) nur, iveil fie in fo f)of)em (sjrabe mit


unteren '-)i>iini(^en unb ^^efüvc^tuugen üerflocfjten ift, lueil mir
bei H)v unauf{;örlic^ geftimmt fiub, uon ber Seite ber (Sr^
fenntni» auf bic Seite ber 31bud^ten binüber^uneigen.
^Ijre nufd^einenb fo uiel gröisere 'iserftttnblic{)teit berufjt
jum ^Teil auf einer optifc^en ^äufc{)ung, nämlic^ auf unfereni
r»iel narf)brüd(icberen ©ntgegenfommen , melrfje» mit großer
'^Iinbt)eit gefc{)e()en fann.
Ter '^Natriotivmu!?, h^n mir babei ju entmicfeln glauben,
ift oft nur ein .s>o(^mut gegenüber üon anberen 'isölfern unb
fc^on beebalb auf5erbalb bee "ipfabe-o ber äßa()r(jeit, oft aber
gar nur eine 3trt ber ^arteifuc^t inuerl;alb hi§> eigenen uater-
länbifrfien 5lreife§, ja er beftef)t oft nur im ^^^eljetun gegen
anbere. Xu ©efrfiic^te biefer 2lrt ift ^sublijiftif.
blieben fjeftigen g-eftftellungen metapljijfifcfier 33egriffe,
(jeftigen Definitionen be» ©uten unb 9ierf)teu, mobei, maS
auBer(;alb liegt, ^oc^oerrat ift, fann ein fortleben im orbi'
närften P)ilifter(eben unb ©rmerbtreiben befte()en.
Q§> gibt aber neben bem blinben l'obpreifen ber i^eimat
eine ganj anbere unb frfimerere ^flidjt, nämticf) fic^ augju^
bilben jum erfennenben 3}ienfc^en, bem bie äöat)r^eit unb bie
i>ermanbtfd}aft mit allem öeiftigen über aUeS geljt, unb ber
aus biefer trrfenntniö and; feine maljre 33ürgerpflid}t mürbe
ermitteln fönnen, rcenn fie il;m nid^t fc^on mit feinem Xtnu
perament angeboren ift.
3]ollenb^ im dUxdjt beS ©ebonfen^ gefien alle Sdilag»
bäume billig in bie ^öi)i. ©§ ift be5 ^ijd^ften nid)t fo oiel
über bie Grbe jerftreut, ba§ ()eute ein ^oit fagen fönnte,
mir genügen un§ üoUftänbig, ober oud) nur: mir beüorsugen
ba§ @inljeimifd)e, i)ält man e§ boc^ nid)t einmal megen ber
^nbuftrieprobufte fo, fonbern greift bei gleirfier Qualität, ^oll
unb Transport mitbered)net, einfad) nac^ bem ^IBotjlfeilern ober
bei g(eid;en ^4>J^eifen nad) bem ikfferen. 3m Ö^^tigen ©ebiet
mufe man einfach nad; bem ,\:öljeren unb .sbödiften greifen,
ba» man erreidien fann.
\2 I. Ginlcituna.

^n§ nmlirfte eiiibiiini bcv uatcrlänöiic^eu (Ä3efdiid)tc unrb


basjenige fein, lueldjc^^ bie .vteimat in ':paiQaele unb ^n--
famment^aiui mit bem ^ii?cltgefrf)iditlirf)eu unb feinen ©efcl^en
bctvaditot, aii 2i\[ be-^ c3ro[5en aSeltganjen, beftval)lt üon
benielben Oieftivnen, bie aud) anberen Reiten unb isi)lfern ge»
leuditet haben, unb bebvot)t uon benfelben Slbgrünben unb
einft Ijeinifallenb berfelben emigen ')Uu\]t unb bemjelben %oiU
(eben in ber groisen allgemeiueu Ueberlieferung.
3d)aeBlid) luirb buvd) ha^ Streben nad) reiner erfennt--
ui§ ou^ bie etiminierung ober 33efc^ränfnng ber ^^egriffe
©lud unb Unglüd für bie 3öeltgefdji($te notiuenbig. 2)ie
Darlegung, lueelialb bie§ ju gefd)eben ^at, mi)ge bem legten
ilapitel biefel 5lurfu§ üorbeljotten bleiben; ^ier aber möge
nun junädift oud) oon ber biefen 9JJängeIn unb ©efaljren
gegcnüberftelienben fpejieEen 33efäljigung unferer Seit jum
Stubium bes ©efdiiditlidien gefprodien werben.

2. X)ic 3cfä{?t3unö öes XIX. 3af?rl?undcrt5


für öas l?tftorifd?c Studium.

Ob wir eine fpesififc^ i)öi)m gefc^id^tlic^e erfenntnil be--


fi^en, iäU ftc^ fragen.
Safaulr (©. 10) meint fogar, „bafe uon bem Seben
ber l)eutigen S^ölfer ©uropai bereits fo üiel abgelaufen fei,
baB bie nac^ einem 3iel fouüergierenben S)ireftion§linien
erfannt werben, ja ©dilüffe auf bie 3u!unft gebogen werben
können."
SIber fo raenig all im Seben beS einjelnen ift e§ für
bal Seben ber g)tenf c^()eit m ü n f d) e n § w e r t, bie 3 u f u n f t ju
lüiffen. Unb unfere aftrologifc^e Ungebulb hanad) ift mabr-
l)aH töricht.
Cb mir m§> ba§ S3i(b eineä einseinen oorfteüen, ber 3. ^:8.
feinen STobeStag unb bie Sage, in ber er fid) bann befinben
würbe, üorauÄwüBte, ober baS Si(b eines 93olfel, weldieS
2. Die Befähigung für das biltorifcbc Studium. \o

ba3 ^af)rl)unbcrt fetnc§ Untergang^ üorauefenntc, beibe ^^ilber


müfjteu ali notuionbige ^-olge seigeu eine l^eriinrniug alle§
SBolieuy uiib Strebend, melc^eS fid) nur bann uoüig ent*
micfelt, menn ev „blinb", b, li. um feiner felbft roiüen, bcu
eigenen inneren iU-üften folgenb, lebt unb (janbelt. ^ie ^n-
fünft bilbet fid^ ja nur, inbenx bieg gefd^iebt, unb luenn e»
nicbt gefcbäbe, fo mürbe aucb Fortgang unb (Snbe beio 93Jenfc^en
ober 'Isolfes )id) anber§ geftalten. (£"ine uornu^gemufete ^w-
fünft ift ein äöiberfinn.
Slbgefetjen von ber 9iidf)troünfd)barfeit ift ba§ lisorau^»
feben be§ künftigen für un§ aber and) nxdjt roafirfd^cinHd).
)Sox allem fteljen il)m bie ^i-'^^^S^it ^^^ ©rfenntni^ burd)
unfer äöünfd)en, Reffen unb gürditen im Sßege, fobann unfere
Unfenntni'5 alle§ beffen, ma§> man latente ilräfte, materielle
mie geiftige, nennt, unb ba§ Unbered;enbare geiftiger Älontagien,
melcbe plö^lid) bie äi'elt umgeftalten fönnen. ferner fommt
i)kx and) bie groBe afuftifcbe ^äufcbung in ^etrac^t, in ber
mir leben, infofern feit oierljunbert ^aljren bie 9teflerion unb
iljr 3iaiifonnement, burd) bie '^reffe bi§ ju üöUiger Ubiquität
üerftärft, mit il)rem Särm aüeS übertönt unb fdieinbar aucb
bie materiellen Slräfte yöQig oon fid) abljängig bält, unb bod)
finb biefe oieüeicbt ganj nalje an einer grof5en fiegreicben
©ntfaltung anberer 2lrt, ober eS roartet eine ganj entgegen^
gefegte geiftige Strömung oor ber ^ür. (Siegt bann biefe,
fo nimmt ]i<i bie 9teflerion famt beren trompeten in il)ren
SDienft, bi§ mieberum auf ein weitere^. (Snblid) mögen mir
unl, auc^ mal bie 3wf""tt betrifft, unferer geringen ^enntni§
ber SSölferbiologie oon ber pljijftolo gif eben Seite beroufet fein.
äi>ol)t aber ift unfere ^^\t jur (SrfenntniS ber 'i^er=
gangenbeit beffer au^gerüftet al^ eine frübere.
211^ äufeere prberungen Ijat fie biebei bie 3ugänglicbfeit
aller ^Literaturen burd) ba§ oiele Dteifen unb Sprad;enlernen
ber neuereu ^ii'elt unb burd} bie große 2tuc4ireitung ber '|>l)ilo=
logie, ferner bie 3ugänglid)feit ber 3lrd)iue, bie bem Dieifeu
oerbanfte 3"9t''"9^icbi«it ber 2)enfmäler oermittelft ber %b'
3(4; I. Ginlcitung.

Inltiinuicii, 3umal t>tn- "l'boloiivapljiou, bio mafjontiaften Oiieflcn^


ViibUfationon biird) ^iegierungen imb ä^ereiue, bie jebenfall^S
inolfeiticjer iiub moljv auf bn^? 05e)rf)id)tlid;e aU fülrf)e5 gevirf)tet
fiiib, aU bieo bei ber itougvcgation uon St. -Dfaur iiub bei
3)iurotori ber %ciU war.
3)0511 fomnicn innere ^örbernngen unb jumr jnnäd^ft
negatioer 3lrt.
5Da5U geliört uor aüem bie ^nbifferenj ber meiften
(Staaten gegen bie 9iefultatc ber j^^orfc^ung, con welcher fie
für i^ren Seftanb nid)t§ fürcfiten, luäbrenb il)re bermalige
5eitlid)e gorm (bie 2)ionard)ie) unenblid) uiel näl;ere unb ge*
fä[irlid)ere jyeinbc l;at, all jene je werben fann, überljaupt
bie allgemeine ^sraril bei laisser aller et laisser dire, weil
man nod) ganj anberel aul ber täglidjen ©egenroort in jeber
Leitung mu^ paffieren laffen. (Unb boc^ lief^e fid) bel;aupten,
ba^ granfreid) bie ©adie su leicht genommen I)ot. ®er
rabifale S^ma, feiner i^iftoriograpt)ie i)at eine gro^e (Sin*
mirfung auf bie feitljerigen STatfadjen geübt ^j.
©obann ift t)ier aud) auf bie 9J?ad)tlofigfeit ber be»
ftef)enben 9ieligionen unb Honfeffionen gegenüber jeber (är--
örterung i^rer ^^ergangenl;eit unb iljrer iel3igen i^age ljin=>
guroeifen. ©ine gewaltige gorfi^ung Ijat fid) ber Betrachtung
jener 3^^ten, S3ülfer unb ^i^f^änbe jugewanbt, wo fi(^ bie
urfprünglid)en ä^orfteffungen bilbetcn, oon welchen bie 9ie=
Ugionen finb mitbeftiinmt ober gefd^affen worben. (i'ine gro^e
i)ergleid;enbe 9)hjt^ologie, 'Jieligionl= unb ®ogmengefc^id)tc ift
auf bie Sänge ni(^t au^sufc^Hefeen gewefen.
Unb nun bie görberungen pofitioer 3lrt: a>or aCent
(jaben bie gemaltigen Slenberungen feit bem ®nbe bei
XVIII. 3al)rl)unbertl etroal in fid^, wa§> gur Betrachtung
unb @rforfd)ung bei ^^rülieren unb bei ©eitlierigen gebie*
terifd) jwingt, felbft abgefeljen oon aller 9tec^tfertigung ober
2lnflage.

^) S5g(. '-Pref fenfe, les legoas du 18 raars, (S. 19 ff.


2. Die Befäbigigung für das biltorilcbe Studium, lo

Ginc bemegtc ^>criobe roie biefc breiunbacfitsin 9^^«


9lcüolutioiK^3citalter, luenii [ie nid)t alle 23efinnung uerlieveu
foü, muB firf) ein fold^e^ ©egengeinirf)! fd)aften.
':)tur ani ber ^Betradituiig bev ^vergangenfjeit geiinnneu
luir einen ältaBftab ber 0eid)iüinbigfeit nnb Rxa\t ber Sie*
niegung, in u)elc^er wir felber leben.
©obann gemöljnte ba-S Sdjaulpiel ber franjönfdjen 9?e=
üohition unb \i)xt 93egrünbung in bem, mal oorbergegangen,
ben Surf an bie ©rforfdjung nic^t blof? materieller, [onbern
üorjugSraeifc geiftiger ^aufalitäten unb an beren fiiiitbarel
Uniid)lagen in materieOe folgen. Tie ganje ai>eltgefd)ic6te,
füiüeit bie Duellen reichlicher fliegen, fönnte eben balfelbe
Iel)ren, allein biefe Seit leljrt t§> am unmittelbarften unb
beutlid)ften. (äl ift alfo ein ä>ortei( für bie gefd}ic{)tadie
^^etrad;tung i)euttger Seit, bafe ber ^sragmatilmul oiel
liötjer unb meiter gefant mirb al» früf)er. Sie ©eicf)id)te
in Sluffaming unb Tarfteüung ift unenblicf) intereffanter
geroorben.
Xa^n ijaUn fidj burc^ ben Slultaufc^ ber Literaturen
unb burd) ben fosmopolitifcfien 93ertet)r be§ XIX. Qaljrtjunbertg
überljaupt bie ©efic^tlpunfte unenblic^ oeroielfac^t. S)a§
(Sntf ernte mirb genähert; ftatt eine» einjelnen ai>iffenl um
Guriofa entlegener 3eiten unb jßänber tritt bal ^^oftuIat
cine§ ^otalbilbel ber 9:)ienf(^()eit auf.
Gnbli(^ fommen Ineju bie ftarfen Seroegungen in ber
neueren ^^t)ilofopi)ie, bebeutenb an iidj unb beftänbig üer«
bunben mit allgemeinen raeltgefc^icfitüdien Stnfc^auungen.
<Bo l;aben bie Stubien bei XIX. i^abrljunbertl eine
Uniüerfalität geminnen fönnen wie bie früljeren nie.

2Bal aber ift nun unferc älufgabe bei ber ©normität


bei gefcf)iditlid)en StubiumI, bal fid) über bie ganje fidjtbare
unb geiftige ^iL'elt erftredt, mit weiter Ueberfcfircitung jcbel
früljeren 33egriffl üon „C^efc^ic^te"?
3ur notiftänbigen 53eroältigung mürben taufcnb 3)ienfc^en>
\^ I. Ginleitung.

leben mit yoiQuegcie^ter I)örf)fter ^Begabung unb Slnftrengung


lange nicbt aui>veirf)en.
Tenn latiäd)lid) l)eriirf)t bie itäxtftt Bp^iialiikxm^ bhi
in Ih'onograpbien über bie fleinften (Sinjelljeiten Ijinein. 2Bo^
bei aurf) ]d)x niol)lmetnenben beuten bi^^meilen jeber iDiofeftab
ablianben fommt, inbeni fie uergei'fen, meldte Cnote feinet
(i-rbenleben^ ein iiefer (ber nidjt ein beftimmte» perfönlic^ey
^ntereffc am (^egenftanb ^at) anf ein folc^ei 2Berf roenben
fann. 3)ian [oute bei Slbfaffnng einer a)?onograp{)ie jebeSmal
^acituC^' 3lgrico(a neben fic^ l;aben nnb fic^ jagen: je vsüU
länfiger, befto oergänglii^er.
<Bd)on jebeö ^Qonbbncf) über eine einjelne ©poc^e ober
über einen einzelnen ^m^i^ be§ gefc^iditürfien 3Bi[fen§ weift
in eine Unenblicf)feit üon ermittelten S^atfac^en f)inein. ©in
oeräroeifinng^üoller 2lnblic! beim 33eginn beg gefcbii^tlic^en
©tubiumg !
gür ben, welcher fid} üoüftänbig biefem Otubium nnb
fogar ber t)iftorifc^en 5)arftellung roibmen roiU, fiaben mir i)ier
oucf) gar nidjt ju forgen. SBir mollen feine ^iftorifer unb
üoHenbS feine Uniüerfal^iftorifer bilben. Unferen iOJa^ftab
entnehmen mir l^ier oon berjeuigen ^äl^igfeit, roelcfier jeber
afabemifc^ ©ebilbete bi§ ju einem geroiffen ©rabe in fic§
entTOicfeln follte.
SiBir f)anbeln ja, luie gefagt, ni(f)t foroof)! uoni ©tubium
ber @efrf)icf)te, aU oom ©tubium be§ ©efcfiicfitUd^en.
^ebe einjelne ßrfenntniS üon 2:atiad)en ^at nämlii^
neben if)rem fpegiellen äöerte al§> Jlunbe ober ©ebanfe au§
einem fpegieden d\tiä)t nod) einen unioerfalen ober (jiftorifc^en
als ^unbe einer beftimmten ©poc^e be§ roanbelbaren 9}?enfcf)en'
geifteS unb gibt gugteid), in ben ri^tigen Siif'iw^i^tt^QnS 9^'
bracht, 3^"Q'ii^ oon ber Kontinuität unb UnoergängIic§feit
biefel ©eifteg.
i)teben ber unmittelbaren Stu^beutung ber 'IC^iiienfc^aften
für bae %ad) eines jeben gibt z§> eine jjyeite, auf meiere !)ier
flingeroiefen werben foü.
2. Die Bcfäbiötung für das biltorilAc Studium. \7

^üorbebintjung von QÜem ift c i n fefteg ©tubium ; ^[)eo=


(ogie, Qii'-'i'^'Pi^ii^^^ä o^^^ ^^'i^'^ ^'^ 1^^/ "^"^ ergriffen unb afa^
bettiifd; nbfolüiert luerbeii, unb ^wax nirf)t nur um be'o ^ebenS'
berufe'5 miüen, fonbern um fonfeiiuent arbeiten ju lernen, bie
©efamtbeit ber ^ifsiplinen eineso beftimmten %adß refpettieren
5u lernen, htn nötigen (£rnft in ber 2Biffenfd)aft ju befeftigen.
J^aneben aber füllen biejenigen vropübeutifcben Stubien
fortgefüljrt werben, iue(d)e bie 3wgÄnge ju allem äBeiteren
bilben, befonbersS ju ben nerfcfiiebenen Literaturen, alfo bie
beiben alten ©prad}en unb roomöglid) einige neuere. DJJan
roeife nie 5U üiele <Sprad)en. Unb fo uiel ober wenig man
geroufet ijah^, borf man bie Hebung nie üöHig einfd)lafen
laffen. ®ute Ueberfefeungen in ®l)ren — aber ben originellen
Sluebrurf fann feine erfeben, unb bie Urfprad;e ift in äBort unb
^Beübung fd;on felber ein Ijiftorifc^eiS S^iJÖ^^i'^ f)öd;ften :){ange!o.
Sobann muB negatio enipfol)len werben bie ^ermeibung
alle6 beffen, ronx^ nur bie 3^^^ oertreiben fofl, bie man bod)
fommen Ijetfeen unb feftf)alten mü^te, bie 3urüd£)altung gegen=
über ber je^igen ^Iserioüftung be§ @eifte§ burd) 3^i^ungen unb
9iomane.
^ür un§ §anbelt e§ fic^ überljaupt nur um foldie ^öpfc
unb ©emüter, metdie ber orbinären ;CangeraeiIe nidjt au^gefe^t
finb unb eine 2tufeinanberfolge oon ©ebanfen au»l)alten
fönnen, metdie ^Ijantafie genug eigen t)aben, um ber ftofflic^en
'^Nl)antafie 2Inberer nidjt ju bebürfen, ober, wenn [ie biefelbe
in fid) aufnel;men, iljr nidjt Untertan werben, fonbern fie wie
ein anbereg Cbjett fid^ gegenüberjuljalten oermögen.
Ueberljaupt mufj man imftanbe fein, fid) temporär oon
ben 2lbfid)ten oöüig wegwenbeu jn tonnen jur Srfenntni^,
weil [ie (Srfenntnig ift; man muf3 jumal ©efcbic^tlid^eg ju
betrad;ten fä^ig fein, auc^ wenn e?? fidj nidjt bireft ober inbireft
auf unfer Söoljl' ober Uebelergeljen bejieljt; unb aiid), wenn
e§ fic^ barauf besieljt, fo fotl man eg objeftio betradjten fönnen.
gerner barf bie ©eifteearbeit nid)t blofs @enu§ fein
wollen.
2Beltgef4mii(§e 33etra(^luiißen. 2
^8 '
^N/V\yN/%/\yNA^\./N/%*'%^ ' I. einUitung.

9(lle od)te Uebcvliejeruu^ ift auf hin erfteii 5(nbUcf lang»


meilig, lueil lul^ in|oferu [ie fvemDartig ift. ©ie fünbet bie
9lufd)auiingen unb ^ntercffcu iljrev ,;>nt für if)re .S^it unb
fommt uiiÄ gav nidjt entgegen, mäljvenb hai niobein Unechte
auf luhi l)crcrf)net, balier pifant unb entgegenfonimenb gemad^t
ift, mie e^^ bie fingierten 9((tertümer 5U fein pflegen. ®a()in
gel)ört befonber-:? bor (jiftorifdje ')ioman, ben fo uiete i'eute
für ®efd)id)te lefen, bie nur ein menig arrangiert, aber im
mefentUd)en maijr fei.
'^•ür ben geu)öljnUd)en Ijalbgebitbeten 9}Jenfd)en ift fd)on
alle '^^oefie überljaupt (mit 3lugnat)me ber Jenbenspoefie) unb
auv^ ber S^ergangentjeit and) ba§ 93ergnüg(id)fte (2lriftopl)ane#,
Siabetai^v 3)on Cluirote ufra.) uni)erftänbli($ unb langweilig,
meil il)m nid)t!o bauon auf hm l^eib jngefdinitten ift mie bie
l^eutigen 9iomane.
2lber auc^ bem ©eleljrten unb Genfer ift bie 93ergangen-
l)eit in il)rer äteuBerung anfangt immer frembartig unb it)re
Slneignung eine 'ilxMt.
^ollenbS ein üottftänbigeS Dueüenftubium über irgenb
einen bebeutenben ©egenftanb nad) ben Gkfe^en ber ©rubition
ift ein Unternelimen, ba» ben ganjen 9Jienfd)en üerlangt.
SDic ©efc^ic^te 5. S. einer einzigen ttieologifdien ober
pbilofopljifdien Sel;re !önnte allein fd)on ^aljre in 33efd)lag
neljmen, unb gar bie gange eigentlidie ^Ijeologie, felbft mit
9Ut§fd)lu§ ber ^ir(^engefc|id)te, Slirdienuerfaffung ufra., blo^
alg S)ogmengefc^i(^te unb @efd)id)te ber !ird)lid)en SBiffen*
fc^aft gefaxt, erfd^eint al» eine 9tiefenarbeit, menn mir an
alle patres, concilia, bullaria, ©djolaftifer, ^äretifer, neueren
2)ogmatifer,^?omilelifer unb 3ieligion2ipljilofoptjenben!en. ^max
bei tieferem (rinbringen fieljt mnn, wie fie einanber ah^
fdireiben; aud) lernt man bie 9Jfetl)oben fennen unb au§
einem fleinen Xeit ha^ ©anje erraten, läuft aber @efal)r,
bie mic^tige batbe ©eite, meldje irgenbroo in bem 3Buft oer»
borgen ftedt, 5U überfelien, menn nic^t ein glüdlidje-J 2ll)nung§=
oermögen hax^ ^uge oermeintlid) sufäüig bod; barauf fülirt.
2. Di: Befähigung für das biltorilche Studium. \9

Unb bann bic ©cfaljr be§ (SrlQ()mcn§, roenn man 511 lange
mit lauter (joniogenen ©adjen oon beic^ränfteni ^nterefie ju
tun ^at! 5öucfle Ijat ii6) an ben fc^ottif dien ^rebigten be§
XVII. unb XVIII. SabrljunbertÄ feine ©ef)irnlät)mnng
get)olt.
Unb nun uoüenb§ ber ^Nohjljiftor, ber nad; ber Ijeutigen
^•ajiung be^S 33egriff^J eigentUd) aiii^i ftubieren müBte! Senn
aUe^> ift Cueüe, nid)t blofj bie .v^iftoiifer, fonbern bie ganse
^Literatur unb 2)enfmä(ern)elt, ja le^tere ift für bie älteften
3eiten bic einjige dueüe. Mt§> irgenbmie Ueberlieferte I)ängt
irgenbiüie mit bem ©eifte unb feinen aBonblungen jufammen
unb ift ^unbe unb 3lu§brucf bauon.
pr unfere 3rocde aber foü nur 00m ßefen oulgefuc^ter
Cueüen, aber aU folc^er, bie 9iebe fein; ber ^[jeologe, ber
igurift, ber ^^l)ilo(oge möge einzelne ©cfiriftmerfe entlegener
Reiten fic^ aneignen, nid)t nur, infofern bereu ©ac^inbalt
fein %a(i) im engeren Sinne berührt, fonbern sugleid) im
Iiiftorifdjcn Sinne, al§ Beugniffe einjelner beftimmter Stabien
ber gntn3id(ung be^^ ^JJi'cnfdjengeiftel.
%üx ben, roeld)er mirflid) lernen, b. |. geiftig reidi werben
n)ia, fann nämlid) eine einjige glüdlid) gemäljtte CueUe ba§
unenblid) 93ie(e gemlffermaf^en erfet^en, inbem er burd) eine
einfadje %mUion feinel ©eifte§ bae^ Slßgemeine im (Sinjelnen
finbet unb empfinbet.
ei fd)abet nid}tÄ, luenn ber 3(nfänger ha^ Slügemeine
auc^ rooljl für ein 33efonbere§, ba§ fid) oon felbft l^erftebenbe
für etma§ (S(jarafteriftifc^e§, ba§ ^nbioibueüe für ein m--
gemeinem (jält; atlee forrigiert fid) bei weiterem Stubium, ja
fd)on baä i^in5U5iet)en einer juieiten eueüe erlaubt xipi burd)
^^ergleidjung be§ 3le^nlid)en unb bei ^ontraftierenben bereite
ed)lüffe, bie il)m sroaujig Folianten nidit reid^lidier gemäljren.
Slber man muf5 fud;en unb finben m ollen, unb bisogna
saper leggere (:5:e Soni). ^Mn muö glauben, bo^ in allem
Schutt (E-belfteine ber Grfenntnil uergraben liegen, fei e§ oon
allgemeinem U!}ert, fei el uon inbiuibuetlem für unc^; eine ein»
20 I. einlcitung.

jetne 3eile in einem uielleirfit fonft mertlofeu 3tutor fanu baju


beftimmt fein, bafe nn5 ein IHdjt nnfgetje, melc()e§ für unfcre
gnnse (£-ntiinct(nng beftininienb ift.
Unb nun Ijat bie Cluelle ijegcnübei" bei* 33eavbeitung \i)xe
eiüigen ä^orsüge.
2.Un- allem gibt fie ba§ ^nftum rein, fo bnf3 mir erft
erfennen muffen, \m§> barauS ju sietjen fei, mätjrenb bie
^Bearbeitung un§ le^terc 2(nfgabe fd)on üormegnimmt unb
ba3 g-aftum fd)on uermertet miebergibt, b. i). eingefügt in
einen fremben unb oft falfc^en 3iifa»i"^cn^)'^«g-
^ie OueHe gibt ferner ba§ gaftum in einer gorm, bie
feinem Urfpruug ober Ur(;eber norf) nal^e, ja etma beffeu 2Berf
ift. 3u i^rer originalen ©iftion liegt i^re (Sd)n)ierig!eit, aber
aud) if)r :i){eiä unb ein großer STeil it)re§ allen Bearbeitungen
überlegenen SBerteg. Sluc^ l)ier mögen mir raieber ber Se»
beutung ber Originalfprac^en unb i§rer ^enntnil gegenüber
ben lleberfe^ungen gebeufen.
2luc^ geljt unfer ©eift bie rid^tige c§emifd)e ^erbinbung
nur mit ber Originalquelle in ooUftänbigem Sinne ein, mobei
freilid) gu fonftatieren ift, ba^ ba§ SBort „original" eine
relatioe 33ebeutung i)at, inbem, mo jene oerloreu ift, auc^
fefuubäre unb tertiäre il)re ©tette üertreten fönnen.
^ie Cluellen aber, jumal folc^e, bie oon großen 2)iännern
l)errüf)ren, finb unerfd)öpflid), fo bafe jeber bie taufeubmal
ausgebeuteten 33üd)er mieber lefen mu§, meil fie iebcm Sefer
unb jebem ^aljrliunbert ein befonbereS Slntli^ meifen unb
au^ jeber 2llter§ftufe be§ einzelnen. @§ fann fein, ba^ im
3:£)ufi}bibe§ i- 33. eine STatfai^e erften 5Hange§ liegt, bie
erft in l^unbert Satiren iemanb bemerfen wirb.
a^oUenbg änbert fic^ ba§ 33ilb, roelc^eg »ergangene .^unft
unb ^oefie erraeden, unaufljörlidj. ©op^o!le§ fönnte auf
bie, mel^e je^t geboren werben, fd)on raefentlid^ auberS roirfen
alg auf ung. ©§ ift bie§ aud) gar fein Unglücf, foubern nur
eine ^yolge be§ beftänbig lebenbigen 3>erfel;r§.
3Benn mir un§ um bie CueHen aber richtig bemühen.
2. Die ßefäbigutiij jür das hi(tonlche Studium. 2\

fo ipinfen un§ aU %>rei§ aud^ bie bebeutenbcn 5lugenblic!e


unb uoiljcibeftinimteii Stuubeu, ha un^ nuc^ bem uieüeicfit
Inngft gu ©ebote ©tetjenben unb üermeintli^ längft 53efanuten
eine plö^Iidie Intuition anfgel;t.

3tun aber bie fi-^iuierige f^rage: 'S&iVi foH ber Diic^t»


{)iftorifer an-S ben auSgeraäfjIten Gueflen notieren unb ny
jerpieren?
2^en materiellen ©arf)in(;a[t i)ahm jaljKofe ^anbbüc{)er
längft ausgebeutet; nimmt er biefcn tjerau-S, fo türmen fic^
(Sr5erpte ouf, bie er nac^tjer rooljl nie mel;r anfiet)t. Unb
ein fpejieHeg 3'^^ ^)'^^ "^^^ ^^i^^ i^ "ocf) nic^t.
@^ fann fic^ ii)m aber eineiS ergeben, menn er fic^ an-
fetinlic^ meit unb nocf) o§ne ju fcfireiben, in feinen 2(utor
bineingelefen i)at; bann beginne er frifd; von üorn \mh notiere
nad) jenem einjetnen 3^^^^ ^^i"/ ^^3'^ ^f'ß^ ^"^^ groeite 'Jteitie
oon Sbtijen über aüe^ baSjcnige an, ma^ i[;m überljaupt
befonberg merfmürbig uorfommt, unb mären el nur bie
Hapitelangaben, refp. bie Seitenjatiten mit sroei 3Borten in
betreff be^ ^nt)alte§.
Heber ber 2lrbeit ergibt ficf) bann üielleic^t ein jmeite«
unb britteS 3i^I; 'parattelcn unb ^ontrafte mit anbercn Quellen
finben fic^ I;inju ufw.'

?3^rei(ic{) „mit attebcm roirb ja lauter 2)ilettanti-3mu§


gepflanst, meldjer fic^ ein iöergnügen au§ bem mac^t, rooraus
fic^ anbere löblid^erroeife eine Cual machen!"
SDa§ 2Bort ift oon ben fünften (;er im 'Verruf, roo man
freilief) entroeber nic^t^ ober ein 9Jieifter fein unb bal 2tbtn
an bie ^a^^ menben muf5, meii bie fünfte roefentüd) Die
-i'ollfommen^eit öorau»fe^en.
3n ben SBiffenfrfjaften bagegen Unn man nur noc^ in
einem begrenjten 33ereicb^ IDJeifter fein, nämlicT; a(§ Spejiatift,
unb irgenbmo foll man biel fein, ©od man aber nic^t bie
^•ä()igfeit ber allgemeinen Ueberfif^t, ja bie SBürbigung ber-
22 I. einlcititng.

felbeu eiiilnifecii, fo fei mau und} an möi]lirf)ft uieleii mibeven


Steflen Dilettant, uHMiißften^ auf eigene 'Diedjuung, jur 3}Jef)=
rimg ber eigenen (i'vfenntni^ nnb 33ei-eirf)ening an ©efirf^t^a
;nintten ; fonft bleibt man in allem, ma§ über bie ©pejialität
I;inaueliegt, ein ognocant nnb unter Umftänben im ganjeu ein
ro^er (^efeQe.
^em Dilettanten aber, uieil er bie 5Dinge liebt, luirb e§
oiefleid^t im Üauf feinet Seben^S möglid) werben, fid^ ouc^
no(^ an oerfdjiebenen ©teilen n)ai)rf)aft ju vertiefen.

(Snblid) geijört l)ierf)er and) noc^ ein SBort über uufer


3]er^ö(tni§ gn ben Statur unf[enfd;afteu nnb ber a)Jat()e=
matif al§ unferen einjigen uneigennü^igen^ameraben,n)ätjrenb
^^eologie unb ^n§> nn§ meiftern ober bod) ai§> 2lr[enat be»
nü^en moUen unb bie ^]>t}iIo[opt)ie, meiere über aÜtn fielen
raill, eigeutlid^ bei aüm l)o[pitiert.
Cb ba!§ ©tubium ber 2}iatf;ematif unb ber 9]aturn)iffen=>
fdiaften i^rerfeity alle ge]d)id;tHd)e Betrachtung fd)Iec|terbiug§
au§id)IieBe, fragen roir babei uic^t. ^ebenfaüg foHte fid) bie
©efd^idjte be§ ©eifteg nidjt con biefen §äd)ern au§fd)Iie^ert
laffen.
©ine ber riefigften ^atfac^en biefer @efd)id;te be§ ©etfteä
raar bie ©ntftefiung ber älktljematif. 9Bir fragen unl, ob
fid^ üon ben S)ingen juerfl B^^)^^" '^'^^^ Sinien ober ^läd^en
lo^löften. Unb loie fd)Io^ fid) bei ben einselneu Sölfern ber
nötige ^onfenfuS (;ierüber? äßeld)e§ roar ber älJoment biefer
^riftaüifation?
Unb bie 9taturunffenfdjaften, mann unb raie Bften fie
guerft ben ©eift oon ber j^uri^t oor ber 3tatur unb itirer
Slnbetung, oon ber 9?aturmagie? äßann unb mo mürben fie
guerft annätjernb ein freiem ^ki be§ ©eifteS?
^reilid) Ijatten and) fie iljre 2BanbIungen, i|ren geit^-
raeiligen Sienft unb if)re fijftematifdie Befdiränfung unb ge^
fä(;rlid)e <geiligung inneriialb beftimmter ©renken — bei
^rieftern.
2. Die Befähigung für das biltorifthe Studium. 23

9tiif'5 fcfimerjlidifte ift bie Uiniiöglidjfeit einer geifttgen


(Jntn:)icf(iuigegei'd)irf)te ^legiiptene 511 besagen, bie man ljöd)ftenä
in ()9potf)etifd)er Aorni, eliua a[§ 9toman, geben fönnte.
Sei ben @ried)en famen bnnn für bie :}inturiinffenfd)aften
bie Seiten ber üöüigen ^-rei^ieit; nur taten fie relatiu menig
bafür, meil Staat, Spefulation unb plaftifdjer ilunfttrieb bie
Gräfte uonnegnaijmen.
2(uf bie a(eranbrinifd}e, röniijdje unb 6i)5antinifc^-arabii"d)e
3eit folgt bann bail ofjibentalifdie 9}iitte(alter unb bie 3^ienft=
barfeit ber 'JJaturroifienfd;aften unter ber 8c^o(aftif, u)eld;e
nur ba§ Slnerfannte ftüüt.
2tber für bie 3eit feit beni XVI. ^a^rtjunbert finb fie
einer ber und)tigften förabmeffer be-3 ©eniu5 ber ;^eiten. 'ii'aS
fie etiua retarbiert, finb fef;r bäufig bie3tfabemiciunb^^^rofefforen.
31^r i>onüiegen unb iljre ^^iopularifierung im XIX. ^a[)x>
t)unbert ift ein J-aftum, bei beni wir un^^ unroiUfürlid) fragen,
lüorauf e^3 l;inaugroüf)Ie, unb mie e§ ficb mit bem ©djidffal
unferer ^dt üerfle($te.
Unb nun befteijt äiuifdjen itjuen unb ber öefc^ic^te uid)t
nur bei^alb greunbfdjaft, meil fie, rcie gefagt, allein nid)t§
üon if)r oertangen, fonbern meil biefe beiben SBiffenfdjaften
allein ein objeftice!?, abfic^tetofeg äliitleben in ben fingen
i)ahtn fönnen.

^ie @efd)id)te ift aber etma^ anbereS al§> bie '^latur,


itjr <£d)affen unb (S-ntfteI)en= unb Untergebentaffen ift ein anberc?.
2)ie ^ktur bietet bie t)öc^fte $8oüenbung be^ Crgani^mu^
ber Spejie^^ unb bie größte öteidigültigfeit gegen ba^5 3nbi=
uibuum, ja fie ftatuiert feinblidje, fämpfenbe Crgani^men,
bie bei annä()ernb gleid) (joijer organifd)er i>olIenbung einanber
ausrotten, miteinanber unt5 ^afein fämpfen. 3tud) bie
9}cenfd)engefd)Ied)ter im DJaturjuftanb get)ören nod) Ijie^er:
it)re (iriftenj mag ben 2;ierftaaten ät)n(id) gemefen fein.
^ie Öefcf)id)te ba gegen ift ber 33ruc^ mit biefer 9iatur
oermöge beS erroadienben 33eroufttfein§ ; jugteid) aber bleibt
24( I. einUitung.

nod^ immer gemu3 uom lli-|>ninglic{)cn übrig, um ben a}teu'


frf)cn al§ reif^eubeä Xicr 511 scidjuen. i0ot)c a^serfeincrung ber
0)efenfrf)aft uiib be§ Staaten bei'teljt neben üöüiger ©arnntie:'
lofigfeit beiS ^'^^i^i^ii"'"-' i^""^ mhtn beftänbigem triebe,
3lubere ju fnedjten, um nidjt oon itjuen gefned)tet ju toerben.
^n ber 9iatur beftel;! regnum, genus, species, in ber
©efdiic^te iSoU, ^-nmilie, Öruppe. ®ur(^ einen urtümlidjen
STrieb fdjafft jene fonfequent=orgamfd) in unenblid}er ;'i^arietät
ber Gattungen bei großer ®Ieid;lieit ber ^nbinibuen; l)ier ift
bie a>arietät (freilidj innertjatb ber einzigen 8pe§ie§ homo)
lange nic^t fo örüf5; e§ gibt feine fd)arfen 3Ibgren5ungen, bie
^snbioibuen aber brängen an^ Ungleic^tieit = entroid(ung.
Söäljrenb bie 9latur nad; einigen Urti}pen (mirbellofe
unb 2Sirbe(tiere, ^^sijanerogamen unb ^ryptogmuen ufiu.)
fc^afft ^)t beim $8olf ber Drgani§mu§ nidit fo feljr ^i)pu§
aU aMäi)liä)t^ ^robuft; er ift ber fpesififdje ^l^olf^geift in
feiner attmclijüc^en entnndhing.
Sebe ©pejieso ber 9iatur befi^t üoUftanbig, lua» ju i^rem
Seben get^ört; befäfee fie e§ nic^t, fo lebte fie nic^t unb pftanjtc
fid^ nic^t fort. i^ebeS ^oU ift unooßftänbig unb fudit fic^
§u ergänjen, je Ijöijer e§ ftebt, um fo me^r.
2)ort ift ber @ntftef)ung§pro3e^ ber ©pejieS bunfel: uiel*
leicht ift er in Sluffummierung oon ©rlebniffen begrünbet,
rcetdie jur 2(nlage (einzutreten, aber üiel langfamer unb a(ter=
tümlid^er. ®er entftet)ung»» unb gjlobififationSprojeB be»
a^olfStumS berutjt erroeiglic^ teilv auf ber 2lnlage, teit§ eben»
fatl§ auf 3luffummierung oon ©riebtem ; nur ift er, nieil ber
beraubte Gieift i)'m mithilft, üiel rafc^er aU in ber 9iatur,
mit nai^weisbarer 2Birfung ber ©egenfälje unb ber 5öer*
roanbfc^aften, auf bie ha^ SSolfgtum trifft.
SBäf)renb in ber 9iatur bie ^nbioibuen gerabe bei ben
Ijöd)ften ^ierfiaffen für bie anberen ^^^^öibuen — auf-
genommen etwa al§ ftärfere ^einbc ober ^reunbe — nid)t§
bebeuten, finbet in ber 9)Jenfc^enmeIt eine beftäubige (Sin=>
nnrfung beoorjugter ^nbiuibuen ftatt.
2. Die Befähigung für das bi(toriIcbe Studium . 25

®ort bleibt bie ©pcsie» relatiü unueränbcrt; SBaftarbe


fterbeu au5 ober finb von Slnfaug an uufnirfjtbar. 3'" 9^'
fd)id^tlirf)en Seben ift a(Ie§ doH 33aftQrbtum, aU gef)örte ba!o«
jelbe lyeientUrfi mit jur 33eftuc!)tung für größere geiftige
^^roäe[ie. Xa^i ©efen ber (>)e[d)id^te ift bie äBanblung.
^n ber Diatur erfolgt ber Untergang nur burcf) äußere
©rünbe: Srbfataftroptjen, flimatifd;e 5^Qtaftropt)en, lieber»
raurfierung fc^roäd^erer Spejie^ burd) frediere, ebterer burd^
gemeinere, ^n ber ©efdiic^te mirb er fteti^ oerbreitet burd;
innere 2lbnat)me, burc^ ^tulleben. 'il)ann crft fann ein äußerer
2lnftoB allem ein (Snbe madien.
II.

Oon öcn övci potcnjcn.

Unfer If)ema werben (Staat, 9te(igion unb Kultur in


Kjreiu gegenfeitigen 58er()ältnifje fein, ioierbei finb wir un§
ber SßiÜfiir unferer Trennung in biefe brei ^soten5en iüot)l
beunifet. (r^ ift, aU näl;me man au§ einem Silbe eine 3ln=
5at)( Don g-ignren ()erau§ unb ließe ben 'Mt ftetien. 3lucf)
foü bie Trennung bloß baju bienen, un^3 eine ainfc^auung
gu ermöglirfjen, unb ofineljin muß ja freiließ jebe fa^meife
trennenbe @eicl}icl)t§betrac^tung fo uerfal)ren (wobei bie ^a^-
forfc^ung jebelmat il)r %aä) für ha§i wefentliclifte l)ält).
^ie brei ^otengen finb unter fiel) l)öc^ft Ijeterogen unb
nid^t foorbinierbar, unb ließe man and) bie beiben ftabilen:
Staat unb 9ieligion, in einer S^ieilie geljen, fo wäre boc^ bie
Kultur etwas wefentlicl) anbereS.
etoat unb D^eligion, bie ber Slulbrucf bei politifc^en
unb be§ metapljijfifi^en SebürfniffeS finb, beanfpruc^en wenig»
ften§ für ha§> betreffenbe ^'olf, \a für bie 2Belt, bie unioer»
fale ©eltung.
5)ie bem materiellen unb bem geiftigen Sebürfnil im
engeren Sinn entfpreclienbe Slultur aber i[t für un§ l)kx:
ber Inbegriff atteS beffen, wag jur ^-örberung be§ materietten
unb als 3(u§brucE beS geiftig=fittlic{)en SebenS fpontan p»
ftanbe gefommen ift, alle ©efeüigfeit, alle ^ec^nifen, Mnfte,
^icl)tungen unb SSiffenf^aften. Sie ift bie Seit be§ 33e»
1. Der Staat. 2Z

Toeglirfien, ^-reien, nicfit notiuenbig Unircrfalen, beäjemgen,


wa^ feine 3ii'i^"9'Ö^lt""Ö i'i '^luiprurf) nimmt.
(Sine unnü^e ^riorität^froge fönnte smifc^en ben brcieu
aufgcnuirfcn werben; löir finb f)ier bnnon mie von aller
3pefuIntion über bie 'Jlnfünge biSpenfiert.
Unfer .^^auptgegenftanb luirb junäcfift if^re furje (i[)axaU
teriftif unb alebann bie (Srötcrung i()rer gegenseitigen Gin=
lüirfuug aufeinanber fein.
^iemeilen frfieinen fie fotjar in ber ^yunftion ai^w
merf)i'e(n; ev gibt uorsng^iueii'e politifcfjc nnb oorjugc-iüeifc
religiöfe Seiten ober luenigfteno 9Jiomente nnb enblic^ 3^^*^^^^
bie üorsug-Smeife ben grojsen ilultnr§n)ecfen jn leben [d^einen.
?s-erner medjfelt if)r Sebingen unb 33ebingtfein oft in
rafcf)em Umfrf)(ag; oft tnufrfit fic^ ber 33Iicf norf) lange bar^-
über, tuelrfje bie nftiue nnb lüelrfje bie paffiue ift.
Unb jebenfallio eriftiert in ^^^ikn (jot^er Hultur immer
aüe§ auf aüen Stufen be§ 33ebingen§ unb ber ^ebingtbeit
gleicftseitig, jumat, roenn hat- (i'rbe uieler Gporf^en fc^idjtroeife
übereinnnber liegt.

I. Der Staat,

(Sitel finb alle uufere 5lünftruftionen uon 3Infang unb


Urfptung beg <5taate^5, nnb be§l)alb raerben wir un0 I)ier
über biefe ^^rimorbien nid)t loie bie @efd)id)tÄpf)ilofop()en
tm ilopf jerbrei-^en. i^iur fo oiel ^[ä)t, bau man fel)e, wa^
für ein 2lbgrunb uor un!§ liegt, fetten bie ^^ragen geben:
2Bie roirb ein i'olf jum Ssotf? unb wie junt Staat? 2I'el=
die» finb bie ©eburt^frifen? äBo liegt bie förense ber po=
litifdien (introidlung, oon roeldjer an rair oon einem Staat
fprec^en fönncn?
3(b[urb ift bie ^ontraftl;ppotljefe für ben ju errid)teuben
Staat, bie bei 9{ouffeau aud) nur aUi ibeale Ijppotljetifdje
3tu^l)ilfe gemeint ift, inbem er nidjt jeigen loill, roie e§
gemefen fei, fonbern, mie e» nad; il)m fein fottte. l)iod;
28 II. Von den drei potenjcn.

fein ©tant ift burd) einen lua^ren, b. l). von allen Seiten
freimidigen .Üontiaft (inter volentes) entftanben; benn 3lb'
tretungen unb 3(uÄgleic()ungen mie bie swifcben jittevnben
Siomanen unb [legreidjen C>)evmanen [inb feine edjten ^oiu
trafte. ©aruui wirb quc^ fünftig feiner fo entfteljen. Unb
menn einer fo entftänbe, [o luäre e§ eine frfjrond^e ©djöpfung,
nieil man beftänbig um bie ©runblagen red)ten fönnte.
3)ie lleberlieferung, lueld^e :isoIf unb Staat nid;t untere
f(Reibet, bleibt gerne bei ber ;3bee von ber 2lbftammung ftet;en;
bav i>oIf fennt 9]amen§f;eroen unb jum 5teit eponijme 2lr(^e=
geten a(» nujttjifdje :')iepräfentanten feiner Gin^eit^), ober e§
l)at eine bunfle Runbe balb von einer Uröiel^eit (bie ägi)p=
tifdien 9lomen), balb oon einer Urein^eit, bie fic^ fpäter ge-
trennt Ijabe (ber 3:urm uon 33abel). 3tber aüe biefe ^unbe
in fürs unb niptliifc^.
^^a§ für Äunbe geljt etroa au§ bem 9iationald)arafter
in betreff ber 3lnfänge be§ Staatel fieroor? ^^^^"fflfl» "u^
eine fel)r bebingte, ha er nur in einer unbeftimmbaren Duote
au0 urfprünglidjer Einlage befteljt, fonft aber au§ ouffum»
mierter 93ergangen^eit, al^ ^onfequenj von ©rlebniffen, alfo
gum 2:eil erft burd) bie nad^l)erigen Sc^idfale bei Staate»
nnb a^olfel entftanben ift').
Oft lüiberfpric^t fid^ bie ^Ijijfiognomie unb ha5 politifc^e
Sdiidfal eineso ^^olfe§ total burd^ fpäte 5l^erfc^iebung unb
S3ergeiüaltigung.
"ferner fonn ber Staat jraar um fo oiel mö(^tiger fein,
je I)omogener er einem ganzen SSolfltum entfprii^t; aber er
entfpric^t einem folc^en nic^t leii^t, fonbern einem tonangebend
btn Seftanbteil, einer befonberen ©egenb, einem befonbern
Stamm, einer befonbern fojialen Sc^ic^t.
Cber ^ätte ba§ S^ed^t^bebürfniiS allein fc^on ben Staat

') SSgl. Safaulr, S. 18 unb 40—42.


") Heber bie Sprache a(» eine l^öc^ft raid^tige Offenbarung ber
Sßölfergeifter uergt. ben Stbfc^nitt über bie .Kultur S. 57 f.
1. Der Staat. 29

gefc^nffeti? 5Ic6, ba5 r^ätte noc^ fange irarten mü^cu! iStvoa


bu3 bie Ojemnlt fid) felber folangc gereinii^t hätte, bnfj fie
}U ifjrem eigenen 3>ortei[ uuD um baö Sf)tige firfier ju ge*
niefeen, md) 3(nbcre au^3 ber a^erjiueiflung jur :)iuf)e ju 6iin=
gen für gut fänbe. 3lud) biefer ein(abenben optiuiiftifcf)en
'}[nnd)t, raouttd) bie ©efeUfc^aft ba§ ^^riu§ uub ber Staat
5U ifjrem Sd;u^e entftanben märe, alg if;re negatioe, ab«
roebrenbe, uerteibigenbe Seite, fo bafe er unb ba§ ©trafrec^t
ibentijdien Urfprung (jätten, fönnen luir alfo uic^t beitreten.
2;ie 3)?enfc^en finb ganj anber^^.
ii}eld)e5 roaren bie früt)eften ^lotformen be§ ©taateä?
2Bir niöd)ten bie^3 j. 33. gerne für bie ^]ifa(}lbau(eute luiffen.
2tber bie ä>ern)eifung auf 9?eger unb iRotf)äule f)ilft nidit, fo
lüentg a(5 bie auf bie 9{egerreIigion bei ber :)ie(igion§frage ; benn
bie roeifee unb gelbe 9{aife finb gewiß non 3(nfang an anberS
üerfa^ren, bie bunfeht fönnen für fie nid)t niafegebenb fein,
etroag raefenttic^ anbereä finb ferner bie ^ierftaaten,
bei roeiteni uoüfominener al% bie 9}ienfc^enftaaten, aber un^-
frei. 5)ie einjelne SImeife funftioniert nur al§ Teil be»
2lnieifenftaate§, roeldier al§ ein Seib aiifjufaffen ift. 3^a0
©anje, roa§> ba uorge{)t, ift bem einjelnen ^nbioibuuni ganj
unoer^ältni^niäfeig überlegen, ein ^^h^n in oielen 3(tomen;
fc^on bie i)'6i)mn Tierflaffen aber leben blo^ a(0 gamilie,
i)öö)iitn§> aU 9iubel. 3hir ber 3)lenfdjenftaat ift eine ©efeü^
fdiaft, b. i). eine irgenbroie freie, auf beraubter ©egenfeitig»
feit berul;enbe ^Bereinigung.
So ift benn nur sroeierlei roafirfc^einlic^: a) ®ie ©e^
roalt ift roof)! immer ba» ^riu§. Um i^ren Urfprung finb
roir nie cerlegen, roeit fie burc^ bie Ungleid)t)eit ber menfd)'
ticken 2tn(ogen von felbft entfte^t. Cft mag ber Staat uid)t0
nieiter geiuefen fein aU iijre Syftematifierung. Cber b) roir
aljuen fonft einen t)öc^ft gcroaitfamen '^^^rojefe, jumat ber
2)^ifd;ung. Gin 33U|ftrat)l fdjmitjt me[}rere§ ju einem neuen
9)ietatt äufammen, etroa groei Stärfere unb ein S^roäd^ereS
ober umgefefirt. So bürften fic^ gum ^md einer Eroberung
30 II, Von den drei potenjen.

ober bei iHiilaü einer foId)eu bie brei 2)oriei-pl)i;len unb bic
brei (iJotenftämme sufammcngetan i)a'btn^). ©ine fdjrecflic^e
©eiinitt, an bie [irfi ba^? lisorljonbene anfeilte, nnb bie bann
jnv Mviift univbe, finb and) bie 9ionnannen in Untevitalien.
)i}on ben fnrrfjtbaven 5!ri[en bei ber @ntftet)ung bcS
(Staate?, üon bem, nm? er ui-fpriinglid) gefoftet Ijat, fUngt
norf; etiüa? nadj in bem enormen, ab[oInten ä.sorred)t, ba§
man ii)\n von jeljer geiüä(;rt l)at.
®ic0 erfdjeint nn§ n)ie eine oprioriftifdie ©eIbftoerftänb=
tidifeit, mä()renb e:S moljl jum Xeil uerljüflte Ueberliefermig
ift, nm bieö nod) uon mand;em gilt; benn uiele Ueberliefe»
rung getjt nnau^gefprodien, bnrd; bie blo^e 3cngung, üon
@efd){ed}t jn @e)d)Ied)t; mir fönnen bergleid)en nic^t mef)r
au^fdjeiben.
^it bie £rifi0 eine Eroberung gemefen, fo ift ber früljfte
;3nl;alt be§ ©taate^, feine .^^oltung, feine 2lnfgabe, ja, fein
Ipatl^o» mefentlid) bie 5^ned)tung ber Unterraorf enen ''^).
Qn ben früt)eften 33ilbern öom Staate brani^t hü§> ältefte
Ueberlieferte nid)t gerabe ba§ 3UtertüniIic^fte jn fein. SBüften»
üölfer, auc^ von Ijoljer 9?affe, uon benen ba§ einzelne 3nbi=
üibunm, fobalb a§> in eine anbere Umgebung fommt, fog(eiu)
in ba§ moberne Seben Ijineinmädift, bel)aupten bi§ in unfere
S:'age Ijinein einen feljr urtümlidjen ^uft^^^^- ben patriari^ali*
fd;en, mäljrenb bie äüeften erljaltenen ©taatsbilber Qnhex
cor ber ©ange^seit, ^nhtn, 2legi)pter) fd)on einen (jödjft ah
geleiteten Siift^^^^ geben, ber bie 3ci^^" ^^^' B^timung ber
9iatur, b. i). ^aljrtaufenbe hinter \id) Ijat. 2llleil erfc^eint
Ijier fd)on burc^ Dieflerion I;inburd)gegangen, jum 2^eil in
fpäter 9ieba!tion, nnb im tjeiligen Siecht biefer 33ölfcr (9}ianu,

^) Safaulr, S. 41 ff., benft bei biefen Srei^eiten on ©in?


teihmgen; un^ fc^eint e§ ftdi 3. S3. bei ben Soviern öiel ef)er um eine
Sßercinigung 511 Ijanbeln,
^) Tlan üergt. ba§ ©folion be^o Hretcrg ^pbiea^ bei 2i). Serg!,
Anthol. lyr., @. 531.
1. Der Staat. 3^

gjtofes, Senbaücfto) ift gctnifj fd^on uiele^ aufge5eid)uet, luo^


nac^ man leben foüte, aber bereite nid^t ntelir lebte. ai>äf)*
renb alfo bal 2tegi)vten be^ ^Jene§ (ca. 4000 ü. iii)x.) erft
beginnt, narfibem ber patnarcf)aliid)e ^nitanh rängft über»
rounben ift, bauert ev Ijart baneben, in 2trabien, bi^ auf ben
heutigen Xag.

^QÄ 5((tertum begnügte \id) mit ber 33etrad)tung ber


brei ariftoteliid)en i>erfafiung§formen unb it)rer ausgearteten
DJebenformen^). 2Iber bie rairfüdje ©tufenreilje ift üiel un*
gebeurer unb ge()t nic^t in biefe (iinteitung binein. ßtroaä
gnnj SefonbereS ift 5. ^. bae Königtum im iDiittelalter, in»
bem e§ 1. ftreng erbUd) ift unb 5:t;romüed)le(n unb Ufur»
pationen nur fetten unterliegt, 2. ein perfönlid)e§ 9iecbt unb
Eigentum, ba§ ©egenteil atter ^ßolfÄfouüeränetät ift, fo baß
baS a>olf auf feine Si>eife alg dueüe ber a)kd)t erfc^eint,
3. einjelrecfite aulfteüt, beren Seobadjtung man oon iljm
bur^ §et)be unb burd) a>erraeigerung ber Steuern unb be§
5lriegSbienfte§ erjunngen fann, 4. einen fel)r befdiränfien
Äreiä ber S:ätigfeit t)at, inbem e§ üon Äirc^e, Uniuerfitäten,
Crben, Stäbten, 5lorporationen ringS umgeben ift, meldte
lauter 9tepublifen unb burd^ ^rioitegien unb Statuten ge--
becEt finb, 5. ein unau§löfd)ad)e§ , nid)t einfc^lafenbeS, felbft
im größten (S'lenb nic^t fterbenbeS SlönigSredit befi^t. 2(nd)
Don ben $K^eltmonard^ien , oon ben „uereinigten Staoten",
üon ben oerfdiiebenen formen ber Eroberung, b. l). ber mir!»
lidjen mit Stffimilation ober Sierbrängung ber Ginmoljner,
unb ber uned^ten mit beren bloft oberfIäd)Iid^er 33el)errfd)ung,
00m Äotonialbefi^ unb bem Unterfdjieb 5nnfd)en bioner 5lontor»
§errfd^aft unb editem ^otonialroefen, foroie uom öefe^ ber
©manjipation ber ilolonien märe f)ier ju fpre^en.
3e nad) ber Uranlage unb ben fpäteren Grlebniffen
unb je nac^ ber (Sinmirfung üon 9kligion unb itultur finb

') 2)eren ooigeblic^er ÄreiStauf, Safaulr, 3. 105 f.


32 II. "Von den drei Potcnjcn.

'ihm bie (Staaten ciiovm Der[rf)iebeu, bafjer bei 3lulaö ber


beiben letztem Sinunvfuuöeu uon biefen S^ingen ju reben fein
Jüirb. c^ier möge nur ber C^3egenfa^ beS @ro^ftaate^> unb
be:5 iüeinftaateö unb beren :i^erl)äItni5 §ur innern 33efrf)affen'
t)eit berü()rt werben.
Ter ©roBftaat ift in ber ©efd^ic^te oorfianben jur (Ex^
reic^ung großer äußerer 3iu^cfe, jur ^-eftijaüung unb ©id^e»
rung geroiffer Kulturen, bie fonft untergingen, jur ^Xsorwärt»^
bringung paffiuer 2eile ber 53eüölferung, luefrfie, al§> ^Iein=
ftaat fic^ felbft überlaffen, uerfünimern roürben, jur ruijigen
2IU!obilbung grofser foQeftiüer iMfte,
S)er ^leinftaat ift üorljanben, bamit ein %kd auf ber
SBelt fei, wo bie grö^tniöglii^e Cuote ber ©taat3angel)örigen
33ürger im uotien Sinne finb, ein ^iel, roobei bie grierf)ifc^en
^oleiS in ii)rer beffern 3^^^ tro^ if)re§ SflaoenroefenS in
großem ^^orfprung gegen olle ie^igen 9iepublifen bleiben,
kleine 5Jionarcf)ien l^aben fic^ biefem Bi^fi^^^ möglic^ft gu
nä{)ern; !leine S'tjrannien, roie bie bes 3tltertum§ unb ber
italienifi^en 9ienaiffance, finb bie unfic^erfte ©taat§form unb
i)ah^n bie beftänbige 9ieigung, in einem gröjseren ©anjen
aufäuge()en. Tenn ber ^leinftaat ^at überhaupt ni(|t§ al§
bie roirflic^e tatfäc^lic^e ?^rei^eit, rooburc^ er bie gewaltigen
aSorteile be§ @roBftaate§, felbft beffen Maä)t, ibeal uöllig
aufwiegt; jebe 2lu§artung in bie S^efpotie entjietjt it)m feinen
33oben, auc^ bie in bie Sefpotie üon unten, tro^ allem Sörm,
womit er fic^ babei umgibt.

2BeIcf)e§ auc^ ber Urfprung eine§ Staate^ („ber politi»


f(^en 3iifß"^"t^"fßfÜ'"S ^i"f^ SSolfltums") fei, er wirb feine
Sebengfäljigfeit nur beweifen, wenn er firf) avi§> ©ewalt in
£raft oerwanbeltO-
3roar, folange ba^ äußere 3Bacf)5tum bauert, ]txiht jebe

*) aKan möqe ^ier raieber on bie DJormonnen in Unteritalien


ben!en.
5. Der Staat. 33

a)?acf)t nad) üöüiger 2Iuerunbung uiib isollenbung nad) innen


unb anßen nnb l)ä(t fein Diec^t ber Scf;niäc^ercn für giUtig.
"^öUn unb Sunaftien (nmbeln Ijier ganj g(eic(), nur baB
bei jenen lueijr l'ianengelüfte, bei biefen meljr bie Btaai^:-'
roifon entid)eibet. (5'y ift nic^t blofee ©roberung^fuc^t, fon»
bern eine fogenannte Jiotmenbigfeit, für bie ba§ dkid) ber
.Karolinger aU$ 'ikifpiet bienen fönnte^).
3Uigefeljen bnuon, umc. bie 3)?Qd}t nad) innen tut, luie
ber 2tuf()ebung aüer übernommenen ©pesialrerfite, unb ber
Stuebetjnung be§ l"liad)tbegriffe§ auf nlle^ unb jebe§, nngeb»
lirf) im 3"t^i^ßfl^ ^f^ 2t[Igemeinen bi§ jur letzten Konfequens
be§ Tetat c'est moi, fteüt ficf) i^r %\m nad) aufeen in feiner
natüften ©eftatt in ben alten iöeltmonarc^ien bar, roo man
erobert unb fnerfjtet unb plünbert unb branbfrfia^t, fo meit
unb breit ai^ man fann, unb gefolgt uon 33eute unb Sflauen
in )li)thtn ober ^iinioe mit ^riump^ einfährt unb beim 5?o(f
al§ gottgeüebter ^önig gi(t, — bi^ eine ftärfere neue 3Se(t=
monarcf)ie entfielt, ^m neueren (Europa aber med;feln ^^ittn
längerer dini)^ mit 3^iten territorialer ^rifen, meil an irgenb
einer Steße ba» fogenannte ©leic^geroid^t (ba§ gar nie en='
niert bat) geftört roorben ift.
Unb nun jeigt e» fid^ — man benfe babct an SouiS XIV,
an Diapoleon unb an bie reüolutionären 33olf§regierungen — ,
bafe bie 9Jiadjt an fid) böfe ift (©diloffer), ba^ o^ne
Diüdfidit auf irgenb eine 9{eligion ba» 9Jed)t be^ ßgoi^muS,
ba§ man bem (Sinjelnen abfpridit, bem Staate 5ugefprod)en
roirb. Sc^roäc^ere Oiadibarn werben unterroorfen unb ein»
oerleibt ober ir^enbnne fonft abl)ängig gemacht, nid)t, bamit
fie felbft nidjt me^r feinblid) auftreten, benn ha§, ift bie ge^
ringfte Sorge, fonbern bamit fie nic^t ein anberer nel)me
ober fid) iljrer politifd) bebiene; man fned)tet ben möglichen
politifd)en ^serbünbeten eine§ ^^inbe^. Unb auf biefer 33at)n

') 6in anbereä 3JtaI möge ^ier ber SJerfud) eineö Gobe biefei?
fogcnannten Sölferrec^teä gemacfit roerben, roobei man „ein SJaterunfer
beten unb barauf losgerjn mufe", raie 'Jiiebu^r fagt.
aBeligcff^ic^tlit^e Betrachtungen. 3
34 II- Von den drei potenjen.

angclaiujt, ift bann fein 3(ul;alten^ ine|r; alle^ wirb ^dn^


fabel, beim „mit ber bloBen ^efcfjauUrfifeit wäre mau ju
uid)t'5 gelangt, foiibern frül)e uou anbern S3öfeiüic^teru ge»
frefjeii worbeu/' unb ,,bic 3lnbern mad)en!§ aud) fo."
©a§ ';)iüc^fte ift, ba^ bergteic{)en im ^i^orrat gefd)iet)t,
ol}ue irgenb einen befonbern Stnla^, nad) bem @runb}a^:
„5iel)men mir e^o jur red)ten 3^^^ fo fparen mir einen tünf-
tigen gefät)rUd)en Ärieg." (Snblid) bilbet fid^ ein permonenteä
©elüfte be§ 9lrronbieren§ ; man nimmt an, roa^ einem gelegen
liegt unb mal man ermifdjen fann, namentlich „unentbe^r-
lidie" ^üftenftric^e, unb benü^t babei alle ©c^mäc^en, inncrn
^ran!^eiten unb ^-einbe bei ©c^laditopferS; ber @rab ber
äi>ünfc^barfeit, nameutlid; bes SufammeulegeUio fteinerer ©e*
biete, bie 2Iu§fic^t auf $ßerüierfad)ung be» äöertel bei bloßer
ä>erboppeluug be§ ©ebietcl ufro. mirb unroiberftetjlic^; üiel'
leidet raünfd)en bie betreffenben 33eöölferuugen felbft, jumal
Älleinftaoten o^ne j^reit;eit, eine Steunion, meil il)nen babei ©r*
Weiterung oon 3ollgebiet unb ^nbuftriejone in SluSfic^t ftet)t,
ber mobernen fünftlic^en ©c^meräenlfdjreie ufro. §u gefdjmeigen.
a)tiffetaten muffen roomöglic^ naio gefd;e^en; benn gräB=
lid) ift bie äft^etifdie ^irfung ber ^}ied)tgbebuftionen unb ber
Stefriminattonen oon beiben ©eiteu. 3)lan fd)ämt fic^ niim»
lic^ ber ^eißerfeljuten unb mit allen 93erbred)en erreid)ten
9J?adjt, ba ba§ ^ied^t nod) immer einen 3t^uberflang tiat, ben
man bei ben aJtenfdien nid^t entbehren will, ©o fommt man
ju einer ©opliiftif, wie fte 5. 33. ^riebric^ 11 beim erften
fc^lefifd)en 5lriege fid) geftattete, unb 5U ber fauberen ßetjre
üon ben „unbereditigten ©i-iftensen".
3)ie fpätere mirflid^ erreidjte 2lmalgamierung bei ©e»
raubten ift feine fittlic^e Öolfprec^ung bei 9iäuberl, wie über»
^aupt nic^tl gutel j^olgenbel ein böfel 3>orangegangenel
entfd^ulbigt.
2tud^ auf bal ©c^redtic^fte, mal gefc^el^en, mu§ ja bie
3Jienf^l)eit fid^ roieber einriditen, i§re nod^ feilen i^räfte t;er*
beibringen unb roeiterbauen.
I. Der Staat. 35

9(uc^ ber auf lauter ^-lud) errichtete Staat wirb gc-


jroungen, mit ber 3eit eine 2lrt üou 9tecf)t uub ©efittung ju
cntnncfetn, lueil fid) bic @ered)teu unb ©efitteteu feiner ad»
mäliUd) ,^u bemärf)tii;^en roiffen.
©nöUdj fommt no^ bie grojie inbirefte ©rfufe: ba&,
o^ne Rjiorau'jroiffen be§ ^äter^S, burd) feine "tat groBe, einft»
nieilen fernliegeube meltgefdjid)tlic^e Siuede geförbert werben.
©0 räfounieren befonber;^ ©päterlebenbe, bie il)ren 5eit=>
liefen :l^ortei[ auf ba§ feit()er ©eroorbene gegrünbet roiffen.
2tber e§ erl)eben fic^ bie ©egenfragen: äi>a§ luiffen roir von
3roeden? Unb, menn foldie eriftierten, fonnten fie nidit auc^
auf anbenii äBege erreidjt luerben? Unb ift bie erfc^ütterung
ber aügemeiueu (5ittlid)feit burc^ ba§ gelungene a3erbred^cn
fo gar nidjtc?
eine>5 roirb immerljin uou ben meiften jugegeben: ®al
^önigsredit ber Kultur jur (Eroberung unb Äned)tung ber
23arbarei, meiere nun bhitige innere i^mupfe unb fdieufelidie
©ebräudie aufgeben unb fid) h^n adgemeinen fittlic^en 9iormen
be^ ilulturftaateÄ fügen muffe, '^or allem barf man ber
Barbarei if)re @efä^rlid)!eit, if)re möglid^c 2(ngriff^fraft be»
nebmen. ^^ragtid) aber ift, ob man fie roirtüd) innerlich
jiüilifiert, ma? aul ben ^itac^fommen üon ^errfdjern unb oon
übermunbenen 'l^arbaren, jumal anbercr 9iaffen gute^S fommt,
ob nic^t ibr ßuriidroeidien unb 3lu^fterben (roie in 2Imerifa)
roünfc^barer ift, ob bann ber ^ioitifierte 3}tenfd) auf bem
fremben Soben iiberaü gebei()t. ^ebenfall-J barf man nic^t
in ben Wiütin ber Unterroerfung unb 33änbigung bie bi5»
I)erige ^Barbarei felber überbieten.

3Ba^ hin Staat nad) innen betrifft, fo ift er nid)t ent»


[tauben burd) 3lbbifation ber inbioitmeüen Ggoi^men, fonbern
er ift biefe 2(bbifation, er ifi i^re 2luv^gleic^ung, fo ba^
möglic^ft oiele .Intereffen unb ßgoilmen bauernb \i)xt dUd^^
nung babei finben nnh jule^t i^r 5Dafein mit bem feinigen
))öUig oerflec^ten.
36 II. Von den drei poten?cn.

3)a5 ^örfifte, irosu er e-? brinöt, ift bann ba-S ^'füdjt»


Qefii^l ber Heftern, ber ^^iatrioti§imi'5, ber auf feinen beibeu
(Elufen, nämltrf) bev ber priniitiueii uub ber ber nbi^eleitetcu
Kulturen, im i^olfe iuel;r uuunUfürlirf}, n^5 Ijolje 3{affetugeub
erfdjeint, teilmeife gefpeift üom §affe gegen bie, roelcfie nid;t
roir finb, in ben gebilbeten öeiftern aber a(§ ^ebürfni'S ber
.^»ingebung an ein i)iagemeine§, ber (£-rl;ebung über bie gelbft^
fudit bey einjelnen unb ber ^-aniilie, foioeit bie§ 23ebürfni»
nirf)t uon ber Sieligion unb oon ber (Äjefettfc^aft obforbiert
wirb.
@§ ift eine 3lu§artung unb pt;ilüfopi;ifc|=bureaufratifc^e
Uebertiebung, wenn ber ©taat bireft ba§ ©ütlic^e üerrotif»
lic|en min, ma^ nur bie ©efedfd^aft fann unb barf.
2«ot)l ift ber ©taat bie ,,eianbarte beg 9ied)tg unb
bc§ ©Uten/' roelctie irgenbroo aufgeridjtet fein muB, aber
md)t met)r ^). ®te „^ßerroirfUdjung be§ eittlidjen auf ©rben"
burd; ben ©taat müfete taufenbmat fc^eitern an ber innern
Unsulänglic^feit ber a)ienfc^ennatur übert)aupt unb aud) ber ber
Seften in^bcfonbere. SDa§ ©Utlic^e (jat ein roefentlid) anbere^
gorum als ben 6taat; e§ ift fd)on enorm üiel, bafe biefer
ba§ fonoentioneüe 9iec^t aufrecht t)ält. (Sr wirb am efjeften
gefunb bleiben, roenn er fic^ feiner 9tatur (oietleidit fogar
feines roefentli^en UrfprungS) aU ^totinftitut beraubt bleibt.
^ie 2Sot)Itat be§ ©taateS befte^t barin, bafe er ber §ort
beS 9ied)te§ ift. ®ie einjelnen ^nbioibuen t)aben über fid;
©efe^e unb mit ^roangSre^t auSgerüftete 9iic^ter, meldie fo»
root)l bie sn}if($en ^nbiuibuen eingegangenen ^rioatoerpfadj«
tungen ai§> auä) bie allgemeinen 9btroenbigfeiten fc^üt^en, —
weit weniger burd) bie roirflid) ausgeübte ©eraalt als burc^
bie ^eilfame gurc^t oon il)r. S^ie @e!urität, beren baS Seben
bebarf, befielt in ber Suoerfidjt, U^ bieS aud) in S^tm\\t
1) 2ßaS bie foäialen a3?ad)tprogrammc betrifft, meiere mon bein
©taate jumutet itnb übert)aupt luegen ber ganjen je^igen Q5ärung be§
©taatsbegrip unter bem ßinflul ber Äultur, üertüeifen rair auf ben
aibfdinitt Dom Staate in feiner 33ebingt{)eit burd) bie Kultur.
2. Die Religion. 37

cjefcf)ef)eu roerbe, b. l). baß man nie me^r nötig fiaben meubc,
innerl)a(6 be-o Staate», fo lange ber)e(be überhaupt befte^t,
gegen einanber jn ben SBaffen 5n greifen, ^eh^v roeijj, ba§
er mit ©eiualt lueber S^aht noc^ 5Jcac^t uermefiren, fonbern
nnr feinen Untergang befitlennigen wirb.
2)er Staat Ijat weiter sn uertjinbern, ba^ fic^ bie üer^
fc^icbenen 3Iuffaffnngen bei „bürgerlidfien Sebcnl" nn ben
*öaaren neljmen. @r foll über hm ^mrteien fteE)en; freiließ
fnc^t jebe '|>artei fid) feiner ju bemäcfitigen , ficf; für ba0
3tIIgenieine ane5ngeben.
©nblid): in fpäten, gemifi"^ten Staat»bilbungen, tuelc^e
Sc^ic^ten uon iierfd)iebenen , ja entgegengefe^tcn 9ieItgionen
iinb religiüfen 9Iuffaffnngen beljerbergen (unb in letalerem
Sinn finb je^t alle itniturftaaten paritätifc^) forgt ber Staat
wenigftenl bafür, ba^ nid^t nnr bie (Sgoi^men, fonbern auc^
bie uerfd)iebenen SJtetap^ijfifen einanber nid)t anfl 33lut be»
fe^ben bürfen (roa^ nod) l;eute o^ne ben Staot unüermeib^»
lic^ gefd)el;en roürbe, benn hk ^i^igften würben anfangen
unb bie anbern nadifolgen).

2. Die ^eüQion,
SDie Stetigionen finb ber Stulbrud bei ewigen unb \m>
jerftörbaren metapf)ijfifd)en Sebürfniffe» ber 2Jienfd)ennatur.
3l;re ©röße ift, baß fie bie gan^e überfinntic^e ©rgänjung bei
Scenfdien, aüel ha^, wal er fid) nic^t feiber geben fann, reprä-
fentieren. S^^S^^^'-t ^"^ H^ '^^^ dii'^kY ganjer t^öikx unö Kultur»
epod^en in ein grof^el 2Inberel hinein ober : ber Stbbrud unb
yiontour, weldien biefe inl Unenblii-^e tjineinsietjen unb bilben.
!?iefer aber ift, obwol;( fid) für ftabil unb ewig ^altenb,
wanbelbar, er ift el partiell ober ganj, allmäf)lic^ ober
plöfelic^.
Unmi^glid^ ift ee ju oergleidien, welcher 'i'roseö ber
größere gewefen: bie ©ntftet)ung bei Staatel ober bie einer
9ieligion.
38 II, Ton den drei potcnjcn.

!re§ betrarfitenben ©eifteS aber bemnr^liot fi^ eine


^oppelempiinbuiuj: :)ieben bem i^etrad)ten, 'l'ergleid)en uiib
3erfet^en ^at er ba§ SJiitgefüt)! ber ©röfee iiiib nimmt baä
riefige ^^ilb einer Sarf}e anf, bie in iljrem (i-ntfteljcn inel»
leicbt inbiuibneü mar unb in itirer 2ln§breitung mellgrofe, uni»
oerfell, fäfulär mnrbe. SBir l)aben Ijier ben f)öc^ften @egen=
ftonb für ba§ ©Inbinm ber i>errfrfjaft eine§ 3lIIgemeinen über
unjätilige ©eifter biio jnr üöUigen 3]erac^tnng aii^^ ^rbifrfien
bei firfj unb 3lnbern, b. (j. bic^ jum ©elbftmorb burrf) 3l^fefe
unb bi§ jum a)iarti)rium, ha§> man mit ^-reuben auffudit,
aber nucf) über i)(nbere uerljnngt.
^-reilid) finb bie metaplujfifc^en Einlagen unb ©d)idfa(e
ber 3>ölfer baraug üerfd^ieben. ©leic^ on^gefd^ieben mögen
t;ier bie 9ieIigionen ber geringern SJaffen, bie ber ^;)iegeroöIfer
ufro., ber "iiHlben unb ^albmilben merben. ©ie finb für bie
^^rimorbien be» ©eiftigen nod) meniger ma^gebenb a{§> ber
Diegerftaat für bie 2lnfänge be§ ©taate^ überfjaupt. 2)enn
biefe 3?ölfer finb von Slnfong an bie 23eute einer eroigen
2tngft; itire ^Religionen geroäfjren un§ nidjt einmal einen
aJlafeftab für bie 2tnfänge ber ßntbinbung be§ ©eiftigen, roeil
ber ©eift bort überi;aupt nie ju fpontaner ßntbinbung be=
ftimmt ift.
2Iber auc^ bei t)öt;ern £ulturüö(fern finbet fi^ bem ^n*
§alt nac^ eine grofee Stufenreifie üon ber S^ereljrung oon
^eid)§göttern, bie in ober SBeife eroberten aufgejroungen
morben finb, oom Crgia§mu§ unb 33acd)antentum unb älin»
Ii(^en formen unfreier Sefeffenljeit nom ©otte bi§ ju ber
reinften ©ottegüerel;rung unb ilinbfc^aft unter einem f)imm=>
lifdien 3?ater.
ebenfo groB ift bie Stufenreiije im 'iNertjältnil ber
9ieIigionen gur ©ittlic^feit. 9)(on barf an§ it)nen nod) nic^t
auf bie re(igiö§=fittlid)e Einlage ber betreffenben 'i'ölfer fdilie^en.
^ei htn ©riechen 3. S. mar bie (Sitt(id;feit oon ber iKeügion
mefentlic^ unabt;ängig unb (jing iebenfafl» enger mit ber
ibealen Sluffaffung be§ Staate» jufammen.
2. Die Religion. 39

3Iuc^ ijalU man Mittx, bie e§ nic^t über eine 9iatur*


religion „hinnuÄbraditen", beSlialb noc^ nicf)t für geiftig ober
fitllirf) geringer angelegt; e§ mar ein (£cf)icffal, bafe fid) bei
i^nen bie 9{eligion anf einem fel)r naiüen gtabinm it)rer
®eid)irf)te fixierte, iinb bais fpäter bann nic^t me()r bagegen
anfuifommen mar. Tenn ber ilioment ber g-irierung ift bei
ber :)ieligion wie beim Staalemefen t)on entfc^eibenber 2Bic^s
ligfeit nnb nnab^ängig oom 2i>o(Ien ober l'anfen ber 5l?ölfer').

)Ba§> bie entftef)ung ber Dieligionen betrifft, fo fc^eint


eine groi3e Unmöglid)feit objnfdinieben , nn^ bie primitioe
(£-nibinbung beg ©eiftigen überljanpt oorsnftellen; benn wir
finb fpäter abgeleitete i'eute. (*3egen bas primiis in orbe
deos fecit timor roenbet ficb 9tenan-), inbem er an§füt)rt,
baß, loenn bie 9ieligionen blofe bnrrf) ^kredinung beio (5d)recfen!o
entftanben wären, ber ä)ienfd) nic^t in feinen erijötjten
aiiomenten religio» fein mürbe; ik feien and) nidit, mie bie
italienifdien (5opl)iften be§ 16. ^at)r(;unbert§ glaubten, burd)
bie einfältigen unb bie Sc^madien erfunben, fonft mären
nid)t bie cbelften 3(aturen bie religiöfeften ; uielmet)r fei bie
iKeligion eine Sdiöpfnng be^ normalen 2)Jenfd)en. ©o richtig
bie§ ift, gibt eg bod) 9ieligion ber Sangigfeit genug. W\x
finben bei ben Uroölfern einen teils oereljrenben, teils er=
fdirorfenen ^nlt oon Scaturgegenftänben, 9iaturfräften unb
9Jaturerfd)einungen, fobann ben Äult ber 2ll)nen unb ^m
^ult oon ?5etifd)en, mobei ber 3)tenfd) baS ©efübl feiner
2lbl)ängigfeit in einen einjelnen, iljm inbiuibueU geljörenben
©egenftanb legt. 5^iefe 9ieligionen entfprec^en jum Xeil \u\^
l)eimlic^en ilinberträumen, beren gc^rerfgeftalten oerföbnt

') einjelnc 33ölfer Ijaben eö freilirfi Derinod;t de remettre dans


le creuset leurs id^es religieuses (Quinet); fo in fef)r früheren 3eit
bie ^nber unb bag 3enbr)olf, loelc^e i^rcn früheren (gemeini'ameii'O
^chjtficiemug uinftülptcn (unb jirar offijien) jur aSro^mareligion nnb
}um !I)uali8muö.
'') Questions contemp. S. 416.
4;0 II. Votii den drei p3tcn?cii.

merbcn, ^inn 2'ei( betii Staunen üor ben .•oimmel^ttcijtevn unb


(ilcmeuteu; iit [iiib bei beii 9cationen, bie nod) feiner i^iterotur
fä()ig finb, bie biyiüetlen einji^e Urtunbe be§ ©eifteS.
9lid)tii^er (lU bie i'tunaijme eine^? ur[prünglict)en ©otte§'
liemuBtfeiiijJ ift iebenfaU^J bie eine'o langen, unbetüu&tcn nieta*
pl;i;fiid^en 33ebürfnifiey. (Sin großer ober fd^rccflid^er SJiomcnt
ober ein jum 'Jieligion^ftifter begabter -Dienfdj bringt bie»
3um 33ennif3tfein ; ba§, roaa in ben begabteren ©tamnie'5''
genoffen oljnel^in fdjon uert^üUt lebt, finbet feinen 2(u§brud;
ber ^H-oje^ fann fic^ bei 9Jeumifc^ung unb Trennung ber
änilfer nnebertjolen.
ßntfdjeibenb ift iebenfall^ baC^ ©efüt;t ber Slbtjängtgfeit
üon einem ©eioaltigeren, ha§: fangen mitten im (^öefüt)l ber
fubjeftioen Jlraft unb @eroalttat.
2)a nun ber SInläffe juni ©c^reden, b. l). jur ^^erföbnung
be§ ^-urdjtbaren oiele finb, fo i)at bie ftärffte ^röfumption
ber ^Nriorität ber ^oh;tt)eigmul für fid) '); jene Ginfieit be§
primitioen ©otte^bemu^tfein^S ift nid)t5 al^5 ein ^raum.
®a!c Urgefüt;! beso 33angenö mar oieHeidjt ein gro^artigel;
benn fein Objeft mar baS UnenbUd;e; bagegen genmtjrte ber
93eginn ber 9ieligion eine SBegren^ung, 5lsert(einerung, Sefini'
tion, meld)e etmaS fel)r SÖot)ltuenbe§ ^aben modjte; man
glaubte oieUei^t plö^lic^ §u miffen, roie man brau fei. SDie
Stngft mod;te fic^ bann im ^etifd^* unb 2)ämonenbienft it;rcn
neuen 2öinfel fudjen.

2Bie meit finb bie Sieligionen geftiftet? ^ebenfallg


finb fie mefentlic^ al-S bie ©d)öpfungen eingetner 9}{enfd)en
ober einjelner a)Jomente, b. i). eben ber gij:ierung§momente
rudroeife, ftral)tenn)eife entftanben-). ©in 2:^eil ber 2)ienfdi«n
plt mit, meil ber Stifter ober ba» ©reigniS gerabe ben

') SSgl. ©trau^, ber a(te unb ber neue ©loubc, <B. 95 ff. unb
bef. 101 ff.
*) Sin beutlid)eg 3^^^^" einmaliger (Stiftung un'Q o^ne folc^e gar
nic^t ben!6ar ift j. 53. ba§ 2luffonnnen von jroölf 3oi>''i'f'>^^9Öttern.
2. Die Religion. ^\

«punft bc5 metapijvufc^en ^iktiüvfuifje^ getroffcti i)at, ber in


ben lebcnbigfteu ^JJienic^en empUmben roirb, bie grofee Italic
hält mit, niei( fie nicfit roiberfte^eu tann, unb raeil alle^ 33e'
ftimmtc ein Äöuiglred)t ^at gegenüber bem dumpfen, Un=
fieberen unb 3tnarc^il\i)en. Tiefe mami (jangen freiließ Ijer»
nacf) aud; am fefteften unb mütjelofeften an ber äuneren ^^orm
unb ben SBege^ungen ber betreffenben 9teligion unb lialten
fie (fintenml i^nen ber ilern jeber 9{eligion unjugängHc^
bleibt) aufrecbt, bi^ eine ftärfere 3)Ja^t, roeldje genugfam
Scbate gemonnen bat, fo bafe fie fic^ nun l)ieran balten
fönnen, fie aud) äußerlich umftößt, morauf fie fid) biejer an--
fdiliefeen.
^;)inmä§lid) föunen bie 9ieligionen nid)t moljl ent=
ftanben fein; fonft befäßen fie ben fiegreid)en ©lanj iljrer
33liite5eit nid)t, weldier ber 9ifftei: eines grof3en einmaligen
gjbmente^ ift. 5:ie un^ l;iftürifd) befannten nennen iljre
Stifter ober Erneuerer (ö. l). ßenfer großer Erifen), unb
fclbft bie teilroeifen 3iaturreligionen unb poh)tbeiftifd}en dMU
gionen fönnen burd) bloi5e§ fpätere§ 3ufammenid)mel5en früher
entftanDener, einmal geftifteter ilulte entftanben fein. ©§
waren teiU plol^Uc^e, teiU aamäljlic^e SBanblungen unb
S^eunionen, aber fein alImäl)U(^e5 Gntftet)en.
^i^iueilen uerflid)! fic^ i^r (intfteljen mit bem eine^
etaateö; ja bie 3ieligion grünbet ben Staat (^empelftaaten).
Cb fie fic^ i^n erft fpäter bienftbar madjt, unb wie fie fid^
fonft 5U it)m uerbält, wirb fpäter ju erörtern fein.

2i>clc^el finb bie geeigneten 5l^ölfer unb ihilturftuf en ?


S)a§ metapt)i)nicbe ikbürfni^o ()aben alle ^^ölfer unb alle
3eiten mh alle Ijalten eine einmal ergriffene 9ieligion feft.
3taein jum erften geftnnirseln einer 9ieligion, meld)e über
ba^ @emöl)nlid)e tiinau§gel)t, taugen weniger bie i^ölfer be5
äßeltleben^ unb ber 3lrbeit a[x> bie ber ^Kontemplation, bie,
weldje mit weniger 2(rbeit fd}on iljr fieben gewinnen, baljer
aud) eine 3ht uou 'IMlbung fel)r aügemein fein fann, o^ne
4;2 II. Ten den drei Potcnjcn.

bie Srfieibunti bcr jetügen '^tii in (Siebitbete imb 91{d^tgcbilbete,


ferner i'ölfer von großer Sobrietät imb iieroöfer tirregbarfeit,
bei meldien ein feiner, präjifer (^ieift ^errfcf)en fann, ol)nc
bem ^iBnnber, beni Uebernatürlidjen, ben 2?ifionen ©intrag
511 tun; bei foli^en l^ölferu fann and) eine längere ^isor»
bereitung, eine religiöfe ©rfjuiangerfcfinft ftattfinben. ®afe et
foId)e .3iiftänbe in concreto tennt unb feiner @efrf}irf)te be§
Urd}riftcntumu jugrunbe legt, bnrauf berul^t 'JienanS gro^e
93ebeutung.
3SiJ(fer be§ 'Ii>eltleben§ unb ber 3(rbeit neijmen luoljl bie
Religion aufo ben .'öänben non efftatifi^'-fontemplatiüen ^sölfern
an unb erfüllen fie aümäljlid) mit il)rem ©elfte. <So noc^
bei ber :}{eformation ©nglanb unb ^oüanb, bie feinen ori=>
ginalen ^Heformotor f)atten unb boc^ an bie Spl^e be§ ^ro»
teftontlSrnuiS famen. Sind) ©lied^en unb 9iömer ai§> ä?ölfer
be§ ';ffieltleben§ uennoditen raenlgften^ nid^t met;r roie bie
§inbu0 itjre 9iellglon auS eigener 5^raft umjuraäljen, fonbcrn
luaren ad hoc auf Quben (ßl)riften) angeroiefen.
2Blr begreifen bie großen rellglöfen Ü^rlfen fc^rocr, unb
bofier fommt auä) unfer eroiger ©trelt über bie fpefulotiüen
i^been in ben 9iellglonen. ®en einen roerben fle Immer ur*
tümlld^, ben anbern fpäter Ijlnelngetragen erfc^elnen, of)ne ba^
man flc^ oerftänblgen fann. ^ene roerben barin immer 9iefte
einer Urroelsljelt, ja einer Ilcfiteren ^uQcnb beg 9)Jenf^en=
gefc^tec^t^ erfennen, bie anberen einen mü£)famen fpäteren
©rtoerb.
2lber tro^ unferer geringen ^-äljlgfelt, uns einen begriff
5U machen uon bem 3"fio"^ '^o" (Sraltatlon bei ber ©eburt
einer Diellglon unb jumal üon ber cöHlgen 5lrltlf(oflgfelt
foI(^cr 3clten unb 3)ienfcf)en, ift bod^ gerabe biefer 3 u ft 0 n b,
fo furj er bauern mag, für bie ganje 3"fi"^f^ entfd)elbenb ;
er gibt ber betreffenben 9ieIlglon lt;re ^arbe unb ll)re a}i9tl)en,
— ja bl^roellen fc^on li)re (Slnrld;tungen unb \i)x ^rleftertum.
®le fpäteren „Einrichtungen" einer 9ieIlglon finb nämlic^
einjelne ^e\k ober 9iad)f länge an^^ bem ©cfamtjuftanb bei
2. Die Religion. 4ß

i^rer entfteduiig, irtie beim j. 33. bie >Hlöfter ber 9?cft bc§
anfänglidien gemeinfanien 2ibe]vi ber Urgemeiiibe finb.
Sobaiin mag aul ©rünberii unb Seugeu ber (£ntftcl)ung
einet Üieligiou burcf) (grgänsung ein bleibenbe^ i^oQegium euN
)Ui)tn, — inib (}iemit mag jufammentreffen ba§ 33ebürtui3
einer Korporation für bie {^eiligen 33egel)uugen, mit allmäl;=
liebem 3lUeinrec{)t auf Cpff^"/ '^ii"« iif"^»-
'Sei fpäteren 9leligioneu mag bergleirfien uo^ (jiftorifc^
narfimeiebar fein; bie atteu 'Xeligioncu bagegen roerben iin^
überliefert ate- faum entroHbares Äonoolut uon 3JtetapI;i)»
fifc^em, alten Krümmern früherer gefcf)ic{)t(icf)er unb Kultur^
Überlieferung, alten i'olf>5erinnerungen aller 2trt'), längft all
eine gefcfiaut oon h<in betveffenben 'iH-ilfern felbft, ja jum aU^
gemeinen, untrennbaren 8innbilb itirer ^fycfie geroorben^).

Tie 5ieligioneu merben von iiafaulr') in bie brci


folgenben großen ©ruppen eingeteilt: a) ^ie pantt)eiftifcf;cn
(5t)fteme bei CrientI unb bie poh)tl)eiftifrf)en bei CfsibentI,
jene mit ben ^nbern, biefe mit ben .^etlenen all l)öc{)ften
:)ieprüfentanten, b) ben 3)tonotl;eilmul ber Quben unb beijcn
OJacfiiüglcr, ben ^llam (toobei Sofoulr aurf) ben perfifclien
S^ualilmul l)ätte unterbringen muffen), c) bie 2:rinitötllel)re,
bie oon 2lnfang an nicl)t all nationale, fonbern all 3öelt»
religion (mobei fie freilief) auc^ ein 2ßeltreic^ oorfinbet) ouf^
tritt, (^iel 3luftreten all SBeltreligion gilt aber auc^ üc:n
33ubb^ilmul.)
Tiefer Ginteilung nacf) ©runbanfc^auungen unb Ur^
fprüngen liefee firf) aber mel)r all eine anbere gegenüber-
[teilen*), fo oor allem eine, meiere nief)t nur bie 9ieligionen

') 5Wan barf nur bie Öbtter nic^t bireft ^iftorifcf) beuten, roie
(gu^cmeros tat.
2j hierüber ic()r (ü^n L'afaul?, S. 99.
3) ©. 97 ff.
*) iSieä DoUenbg, je nac^bem man bie QJeltiing oon Sünbe unb
a3u|c jum 2Kapftab näf)nte ober bie aug ber Siterntur befannten Dcr=
4^4( II. Von doli drei potcnicn.

Sueinnnbcr niibev^ i^uppiert, touberu and) burd) bie einjelueu


^seriobcn unb ^ikfenueifrf;id)teu einer uub berfelben aieligion
mitten bnrd))d)neibct. (S^ imirben fidj ^iernad) eicieben:
a) :)icUi^ionen, meldie ein ftarf betontet, uergeltenbe-^ 3enfeit5
unb aufjevbem etiua nod; eine e§d)QtoIogie Ijaben, unb
l)) fold)e, bie bie§ luefentlid) ober gauj entbehren, wie bie ber
©riedien, roeldjc bei i^rer Ijetten (Sinfidjt in ba^^ 3)(enfd)lic^e
unb in bie ©renjen bee> Snbiüibuellen nur ein farblofeä
i^enfeitg ftatuierten unb luenifi barau baditen, bie (S^djatologie
aber al^ ein pljijfifd)e^5 ^4>robleju ben ^^ilofopl^en überliefen.
Siefe ^l)ilofopl)en aber l;ingen gum Teil ber britten fiöfung an,
uämlic^ c) ber a}Jetenipfi)d)ofe, bereu offenes ober oerfd^roiegeneS
ilorrelat bie (Sroigfeit ber 2Belt ift. ®ie§ ift ber grofee ©laube
ber ^nber, ber u. a. in ber 2Ubigenfertet)re in haS^ 3lbenb»
lanb einjubringen üerfud}t ; 33ubbl)a aber loitt d) bie 9Jlenf d)en
aud^ üon biefer 2lrt be§ aSeiterIeben§ hux6) Mrroana erlöfen.
§öd)ft Tuerftoürbig ift ha^ ungemein ftarfe Bufornmen^
ftimmen in ber ©runbibee beS SöeltuntergangS bei (Stjriften
unb ©fanbinaoen, um fo meljr, al§ bie le^teren baneben
com perfönli^en ^enfeitS be§ ©injelnen feinen fonberlid;en
©ebraud) madien unb itjr SBaltiaüa auf gefaflene gelben be--
fdjränfen. Sie großartige, umftänblic^e (gS($atologie, meld;e
ftd^ bei Otto oon greifingen') auf bie biblifc^e Sefire
rom 3lntid;rift furj oor bem Söeltuntergang ober oon ber
l'oSgebunbenl)eit ©atan» nad^ ben taufenb ^aljren feiner
g-effeluug aufbaut 2), gibt im gaujeu bie Slnfid^ten be§ djrift»
litten «Mittelalters über biefe ®inge. dlad) ber ffanbina-
üifd)en ^rabition^') finb e§ brei ^aljre ber äufeerften fittlic^en

j^errfd^enben Sc5en§ftimmungen ber Seften jener SSölfer, bie ein fo ganj


anberc§ ^ilb geben !önnten al§ bie offiäieUe; mon fönnte fo anc^ auf
eine einteilung in optiniiftifdie unb peffimiftifcfie ^Religionen !ommen.
') S^ron. 1. VIII.
-) 2ipo!al. 20. aius; ^aülu^ bejog man f)ierauf II. Xl)i\\ai. 2, 3
0 äyS-Qwnof Tr,g df^ctgrCag, 6 viog rijg ttnwXtictg.
3) 3SgI. Simrod, ^eutfc^e 9)h)t{)oI. S. 136 ff.
2. Die Religion. \^

i'erbeibiü'5, weldie beu großen ©rbfatnftropfieu üornngefjcn.


^iefe i>erfinfteruiig ber filtlid;en Wdd)\i ift bie l^ern^ftenulg
ber ©Otter, Üiagiuuöf, mit meldjem ai>orte alfo nirf)t bie ^yolge,
fonbern bie \\x\ai)t beö Untergang^ ber aSelt bejeid^net luirb.
Tie C>)ötter, unb bie üou iljiien in ^ii^aUjafla gcfnnimeltcu
gelben, fallen babei im itampfe gegen bie 9,1cärf)te ber Diadt,
unb e§ erfolgt ber äöeltbranb, mornuf freilirf) enblid^ bie
neugeborene ®elt mit einem neuen, ungenannten oberfteu
©otte unb baju aud) ein üerjüngte^ i)ienfdjengefd)(ed}t fommt.
3roifc^en beiben ^Norfteüungen ftefjt ber 9}iufpiC[i, rao (Slia^
mit bem 2Intid)rift ftreitet, aber, inbem er it)n tötet, felbft
oenrunbet mirb, unb ouy feinem ^(ut, fobalb t^ auf bie
erbe träuft, fofort ber Söeltbranb entfteljt. Sie gemeinfame
2(nfd)auung bei GEiriften unb (gfanbinaoeu ift: 2)ag ^beal
meiß gleidifam, baf3 if)m, au^ menn es fi^ üermirtlidjt f)at,
töblid)e g-einbe bro()en, bie ftärfer fein unb itjm ben Unter=
gang bringen werben, morauf bann aber balb (nad) 6 y r i ( (
üon ^erufalem nad^ breiunbein^a(bjäf)riger, anc^ nac^
Ctto üon (^ reif in gen nad) jmeiunboierjigmonatUdier
^errfdiaft be§ 2(ntidjrift§) bie allgemeine ^Nergeltung folgt.
2)a^ 3bea( fü()lt, baft e§ ju Ijeilig für biefe ai>elt fei.

3}Ut biefem ftärferen ober fdiroä^eren »gereinragen ber


X.'ef)re oom ^enfeit^ unb ben legten Singen f)ängt bisroeilen,
obg(eid) ni^t immer '), bie größere ober geringere Stuc^bilbung
ber ^^^rieftermadjt gufammen, a(§ roel^e über bie i^er=
biubung mit biefem :3^iM'«ii^ "i^^Ji^ ober weniger ju oerfügeu
£)at. Siefe mag freiließ a\x^ nod^ anbere, bieiofeitige Cueüeu
unb ©rünbe {)aben, fo bie Hraft i()re§ 9titual§ imw ©ötter»
5iiiang, bie S[)eurgie, bie Seitung oon Gottesurteilen jur Gr^
mittelung oon Satbeftänben, enblid) bie Verflechtung uon

0 2)ie ©fanbinoDen, bie freiließ neben i^rer großartigen ©gc^a-


tologie feine Sefjre üon einer inbiüibueUcn (^ortbauer f)aben, ^aben bie
^ierarcf)ie nic^t, bie ^uben l)aben fte, Iro^bem if)nen bie Se^re com
3enfeitg fef)It.
^6 II. Von den drei potenjen.

^srieftertum unb :i>eilfuube, teil5 biirdi bal näljere 5lseri)ältm5


5U bcn (^)öttent, teil^ burd) priefterlirf^e 9Btf)en[d;aft, teil^
burd) bie 3ln)d)auung, baf? iiranf()eitcu Strafen für Söe-
gaiigeuey — and) in einem früljeren 2)afein 33egangenev —
über 3Birfungen oon S)änionen feien, benen ber ^^riefter be--
getanen !önne ^). S.son felbft iierftel)t fidi fdilie&Iic^ bie aJJadit
hix '^^riefter üon Staat-J' ober i^olf'oreligionen.

3)?iffionieren werben im ganjen nur ^enfeit^reli*


gionen unb nid)t einmal biefe alle, 3. 33. taten e§ bie
2(egi)pter unb ä^'^»^^^"^« "icf)l- '^^^ ®if^^ ^^'^' 9}Jiffionieren5
ift nidjt blo§ oon ber otärfe einer 9ieligion bebingt, bcnn
gerabe fel;r ftarfe ^Jieligionen begnügen fid) etum, M§>, roa»
Kidit ift roie fie, 5U üerad)ten, ju Dernid)ten, liödjften^S ju hf
mitleiben, — fonbern er ift bebingt üon iljrem ^nöalt unb
gmar mefentlid) uon iljrem fenfeitigen, benn megen bei ©rben*
leben;! näl)me man nd) bie 9Jhil)e nid;t unb mürbe auc^
fdjroerlid; oiele ^^rofelijten madjen.
@§ brängt fic^ baljer bie ?^rage auf, ob baC- ^ubentum,
all e§ fid) 50 0. ßljr. bil 50 n. 6l;r. im oorberen Orient
ivah im Imperium aulbeljute, nic^t etma eine pljarifäifdie
Senfeitlleljre in fic^ l)atte-). Ober fc^lofe man fic^ hamw
and) ol)ne ältiffion oon feiner Seite? isertraten irbifd)
meffianifc^e Hoffnungen bal i^enfeitl?
^ebenfalll bejogen fii^ famtliche orientalifd^e ?iiyfierien*
fulte, bie im :3mperium ©ingang fanben, auf bal ^enfett».
Unb bal (iljriftentum felbft mirfte bei ben ^Jiömern roefentlii^
burc^ feine 3]er^eiBung ber feiigen Unfterblidifeit.
3a üieüeidjt l)aben überl;aupt nur bie ^enfeitlreligionen,
bie sugleic^ bogmatifd^ ftarf aulgeftattete 3ieligionen finb.
0 2luc^ kämpfe äweier J^aumaturgien um ganje ^Seoolferungen
fommen Dor ruie ber jtDil'c^cn @t. ^ilarion unb beut 3}ianta^priefter um
baä Sßolf in unb bei (3a]a. Sßgl. S- Surdiiarbt, Gon [tantin
S. 438.
2) aSgl. 2Biner, mbl. S^ealrobrterb. IT, S. 247.
2. Die Religion. 4^

bicienigeii eifrigen ^erfönHd)feiten im a>orvat, loetc^e


entiüebei roerben ober QÜe§ seriprengen müifen. "i^efonberS
QU3 ben ^srofehjten felbft, bie uorber (leftitje Weguer innren,
eruiad)[eu bie eifrigfteu ^kten.
(^an5 logifd; unb mir fdjeinbar parabor vedjnen mir
[)wi)tx and) bie ^^erbtciter be§ SBubbtii^niuÄ, n)eld)cr bie orien»
talifd)e ©eftolt bei ^enfeit-?, bie Seetenronnberung, ftitte ju
[teilen uerfpric^t ').
^n üoüem OJegenfa^ aber 5n ben miffionierenben dUlu
gionen ftet)t ber flaffifdie, befonber^ ber römifd)e ^^^oh)tt)eig'
mnl, meldjer mot)l feine ©ötter in ben 2Beften nerbreitet,
§auptfäd)Iid) aber bie Öötter anberer Mihx in fein ^antbeon
cinläbt. er ift eine Sktionalreligion, meiere jur 9ieic^§religion
geroorben ift, fid) ober babei ftarf mobifisiert l)ai.

Unb ^ier fommen mir mm anf htn ©egcnfa^ ber


9ZationalreIigtonen nnb ber 2ßeltreligionen, n)e(d)er
mit bem burc^ bas i'er^alten jum ^^"feit'J bebingten @egen=>
fat) teihueife foinjibiert.
33eibe geben ba^ 93tenfc^lic^'Uebermenfc^lid)e auf ganj
oerfdiiebenen Stufen, bie einen mit iMiHe, bie anbern o(;ne
§üae.
2)ie DIationalreligionen finb bie früt)eren. 6ic finb mit
(Erinnerungen, HuUur unb ©efd^ic^te ber betreffenben l>ölfer
eng oerfloditen, tiaben öötter, meldte biefe§ beftimmte ä^olf
ober biefen beftimmten ©taat 5U fd)üßen ober 5U fc^recfen
l^aben, finb in if)rem 33encljmen t)eroifc| unb ftolj, fo lange
ba§ ^Isotf gebeifjt, laffen alienfall« eine allgemeine .s?offnung
TOie bie ju, bau einft alle lUilfer auf 9Jtoria^ jur Slnbetung
^e^ooag erfdieinen werben, finb aber einftroeilen national
abgegrenzt, ja burc^ eine fieilige ©prad^e ebenforool)l im
Innern geftärft all nacö au§en ifoliert unb einftmeilen au(i)
nic^t profeltjtifc^ ; gegen anbere finb fie balb, luie mir bie§

») Sögt. Sünder, ®efc^. b. 3(ltert. II, 209.


4(S II. Von den drei Potcnjen.

foebeit üüii bcu (>)iied}eu uiib :)iömcrn gefeljen l)ahtn, poh)=


tl^eiftifd; fveiuiblic^, einlabenb, ^Iffinitäteu erfennenb, 311111
©öttertaiifd) geiieit^t, halh uerndjtuiigenoll, bodj mit 2lu§iial;iue
ber 'l.Hn'ier iiidjt uerfoltjcrifd).
liefen gegenüber flet)u bie ilseltreligioiieu: 33ubb^i§mu0,
Gfjvifteittiim iinb ^yilam. Sie [inb fpnt gefommeu; i(}r
ftärffteS 3>el)ifel ift iiteift ein fojialeS, inbem fie bie 2Iuf{)e6ung
oon 5?aften mit fid) bringen, unb fid; ak- 2lrmenreHgionen
unb ©flnuenreligionen, bal;er an fic^ and) antinotional geben,
luätjrenb ber ^elam eine 'Jkligion üon (Siegern ift.
Sie abftrafjieren oon einer (jeiHgen Sprad;e unb über='
fetten i^re Urhinben, aufgenommen ber 3^1<-^i»/ '^^^ feinen
"Roran arabifd) bel;au].itet unb bie 3?öl!er §u einer be='
fd)ränften SlenntnifS be§ 2lrabif(^en groingt. 9Jur eine be^
fc^rönfte 33eibet)altuiU3 einer t)eiligen Spradie ift e§, roenn
ber fattjoUfc^e i^ultuS mit einem großartigen praftifc^en 3'öed
taS' Sateinifd^e beibet)alten ijat, unb ein oereinjelter ^ad ift
ba§ merfmürbige ©d;idfal ber foptifd^en 9iationaIfprad)e, bie
baburd) gur t;eiligen Spradje geworben ift, ba§ bie Gopten,
bie je^t nur nod} 2(rabifd; fpredjen unb oerfte^en, bie ehemals
iuio ^optifdje überfe^ten Zeitigen Sdjriften unb 9{itua(ien in
biefer i^nen nun unüerftänblid)en SanbeSfprad^e beibehalten
fiaben.
®ie SSeltreligionen finb e§, lueli^e bie größten t)iftorifc^en
Ärifen herbeiführen. Sie miffen oon Slnfang an, baß fie
SBeltreligionen finb, unb rooHen e§ fein.

©norm oerfc^ieben ift bie Sebeutung ber oerfdiiebenen


Sieligionen im Seben. 33 er gl eichen mir fie junädjft
unterein anber, fo finben mir bie einen faft of)ne fennt=
lic^e Dogmen. Sie l)aben feine Urfunben geljabt ober fie
oerloren unb bie ^oefie unb ilunft bafür angenommen; fie
finb jufrieben mit gelinberer ober ftrengerer 5ßerel;rung unb
Sütjuung ber ©ötter, mit präd^tigeren ober mäßigeren ^txt'
monien; ba§ ^'ih^n ift wenig uon ber Sieligion bebingt.
2. Die Religion. 4^

^^f)ilofopl)ie unb ^tuffldriini-; mögen eine fo(d)e ^Helii^on früf)C


gerieten unb au'5fd)n)a<>en, fo bnfe roir aUeö erfaljren.
2)ie onbern ()a6en Urfunben, einen '^riefterftanb, einen
ftrengen di\tn§> hli in» 5lleinlic^fte (jinein; if)r XogmatiSmu-c mag
fetjr fünftlirf) fein, fid) red)t§ in ©eften unb Hute in -^Ujilo'
fopt)ie uerlaufen, — baö '-l^olf erfäl^tt inenig baüon unb
begnügt fic^ mit ber äu&ern <Bd)ak. 3(ber fein ^'eben fann
[)axt unb feft in ben iüiltuä cingefdinürt fein. So bie Sralj»
minenreligion.
(Snblic^ fommen bie grofeen, mefentlic^ bogmatifc^en
äC^eltretigionen, mo ba'5 Togma (nicf)t löie bort, ber dlitn^)
bie einzelne Seele ju beljerrfdien oerlangt. !3)ie Xaption
beS ^rbifc^en t)nt firf) t)iemit abjufinben, roie [ie fann.

'$iiel fc^roieriger aber ift bie 33eurteilung beg jero eiligen


liieltungägrabejo einer unb berfelben 9ietigion
nac^ ^eittn unb nad^ (gc^icfiten i^rer 33efenner.
3eitlic^ Ijötte man etroa ju unterfdieiben ba§ primäre
©tabium beg originalen Ölaubeng ober ba^ naioe ©tabium,
ba§ fcfunbäre, ba ber ©laube S^rabition geroorben, unb baS
tertiäre, ba er fic^ bereite auf fein 3lltertum beruft unb gu*
gleicf) auf§ ftärffte mit ben nationalen Erinnerungen oer»
flochten, ja ftetlenroeife ber nationale 2tn^alt geroorben ift.
^^on ber fcl)ic^troeifen ©eltung ber 3{eligton wäre
etroa ju fagen, bafe bie Üteligionen ber l)ö^eren Äutturoölfer
immer auf biefen brei unb auf noc^ oiel mel)r ©tabien ju^
gleich leben, |e nac^ fogialen Sdiic^ten unb 5lultureinflüffen.
Tlan möge Ijierbei an ben ':poli)tl)eigmu§ ber gebilbeten 9iömer
benfen ober an hivi CS^riftentum oon Ijeute, ba§ bei ben
einen ^ierar($ifd^=äuBerlicf) , bei anbern bogmatifd), bei ben
britten fromm = gemütlid) , bei oielen jur bloßen 3ieligiofität
uerinnerlid)t ober oerblafet erfdieint.
©rofe ift i)\ev bie Unf id)erl)eit unfere^ UrteiU.
(SS ift un§ j. 58. 5roeifell)aft, inroiefern bie biijantinifdje 9{eli'
gion noc^ 9ieligiofität geroefen ift, roo neben fpi^finbigem
il'ellgefc^ic^tlic^e SBettac^tungcn. 4
50 II. Von den drei potenjcn.

botjmntifc^cm .v>nbev htx Oieiftlid^en bie größte $8eräuBeiIid)ung


tu vfltljetifc^em Si)mbolbicuft iinb ^eremonieU unb eine
befpotifrfie (S-ntiin'trbiguiuj beC^ ^J)ien)c{)en cintiergetjt. Unb boc^
biuf mau and) Ijier uid)t ju fiüt) aburteilen: S)te beften
bi)5antiuiid)en CE-igenfdjaften fiub immer noä) in a>erbinbung
mit jener ^li'eligion uorljanben gemefen, meiere and^ jei^t nod)
cerbient, ba» Salj ber bortigen (Srbe genannt ju werben.

Unb nun bie 3Iuf (öfung ber ^teligionen unb if)re


©egenroetjr. ©ine 9ieligion grünbet s.S. frül; ein lieilige»
Stecht, b. i). fie üerfdjtiugt fid) enge mit einem ganzen, oon
iijr garantierten öffentlichen Buftaub, ober fie grünbet i^re
*öierardjie neben ben Staaten, aber im politifd^en 9iapport
mit i[;uen. ®iefe i(;re äußeren (£-inrid;tungen , enge mit
allem 9JcaterieUen oerflod)ten unb auf bie 9)taffen unb bercn
@eroöl)nung geftü^t, fonnen eine foldie 9ieligion unenbli(^
lang äu^erlid) aufredet ertjalten, mie ölte 33äume, innen ganj
morfc^, oon i^rer 9iinbe unb i^ren blättern leben unb noc^
groBe ?^igur bamit mad)en; ber ©eift aber ift fdjon lange
teilroeife barauS geuiidjen unb nur nod) nid^t im S8efi| eine§
neuen, flar bemühten metapl;i;fifc^en @lemente§, auf mel^e«
er eine neue, bc§ ^ampfe§ unb ©iege§ fällige ©egenreligion
aufbauen fönnte.
3Ba§ er insraifc^eu ein^elne^ auffteHt, ^ei^t bann §ärefie
unb rairb aU folc^e »erfolgt ober boc^ erefriert.
2lu^ bie fc^örfftbeauffid^tigten mikv, beren ganzer @e=
banfenfrei§ forgfältig auf bie l)errfc^enbe 9ieligion orientiert
fc^ien, fatten bi§roeilen plöfelidj fc^i^troeife ber i^ärefie ari'
lieim. 2)Zan ben!e an bie unter bem (SinfluB be0 2)lanic^äi^'
mu§ entftanbene ijärefie ber WU^hat im ©affanibenreid^e,
bie ftoatengrünbenben öärefien be§ ^^lam^, bie 2llbigenfer
bei 12. unb 13. Qal)r^unbertl, biefe 3Jeumanic^äer mit itirem
©eelenroanberunggglauben, ber ju ber grage oerfül)ren fönnte,
ob bie a}ietempf9(^ofe nidit üielleic^t beftimmt fei, noc^ ein«
mal ba§ ß^riftentum ju buri^freujen. ^ebeemal ift bie
2. Die Keligion. 5j^

•oärefie ein Seicfien, bnfe bie f)crr[c|enbe 9ieHgton bem meta*


p|i)fildjeii Söebürfni^, hci^ iit einft geic^offen, nid;t me^r ge»
nau entipvic^t.

£ef)i- iierid;ieben ift nun bie aBibcrftanbIfraft ber


9icligionen je nad) ber Scfiidit ober iiiadit, mel^e fie uerteibigt.
iUeinftaaten, mo bie ©acva enge mit bem 53ürciertum ober 2taat
yerfloc^ten finb, föiinen eine neue Ketzerei ober Sieligion üiel-
leic^t beij'er nbmeljren, all gro^e -ii^eüreidje mit niueüierter
Hultur unb allgemeinem ^^erfel;r, meldte bie Äleinftaaten
unterworfen Iiaben, lueil biefelben )d)on mübe maren. Solrfien
ift aud) uieüeidjt fd)on bie ^änbigung ber einjeloölfer eben
barum leiditer geworben, meil fie il;nen if)re 9ieligion liefen.
S^al Gtiriftentum märe burd^ bie ^oleil be§ 5. unb 4. ^al)x>
bunbert» o. 6l)r. fc^mer burdjgebrungen ; ba§ römifc^e ^m-
perium öffnete il;m alle Pforten unb roel)rte fid; bann nur
politifd) bagegcn.
Unb nun Ijot e§ jmar fe^r leichte, rafd^e unb maffen*
t)afte Uebergänge oon iHeligion su :)ieligion gegeben^); in
Si)efi aber oerlangen alle 9ieligionen minbeftenl fo eroig ju
fein all bie fid)tbare äöelt, unb jebe f)at einen bleibenben
menfc^lic^en Wel)alt in fid), roeldjer fie ^ierju teilmeife be»
red)tigt.
©d^recflid^ finb nun bie religiöfen kämpfe, jumal
bei ben 9?eligionen, roo ber ©ebonte bei ^enfeitl fefir oor-
l)errfd;t, ober roo bie Sittlidifeit fonft total an bie gegebene
9te(igionlform gebunben erfc^eint, ober roo bie 9ieligion fe^r
ftarf national geroorben ift unb in unb mit i^r ein ä.^olfl'
tum iid) uerteibigt. 2Im fc^redlic^ften ge^t el gerabe bei ben
jioilifierten il^ölfern ju: ®ie 3)iittel bei 2lngriffl unb ber
^i^erteibigung f)aben feine ©renjen; bie geroöl)nlic^e Sittlich'
feit unb hav 9ied)t roerben bem „t)öt)eren 3n?ed" ju OkfaÜen

*) 3Jlan bente an baä 1. ^a^r^unbert ber öebi'c^ra, ab^v aud) an


bie 3Kobc beä SHeligionötoec^fcI^ unmittelbar »or 3}Jo^ammeb.
52 II. Von den drei potcnjen.

röüig fufpenbievt, Iran^aftioneu unb :iNermittelungen uevnb'


fd^eut; man fanu mir aUeä ober nid)t'§ l)aben.
^i>a§ b(v5 C!-ntftet)en non iserfolginujeu betrifft, fo ift
junäcfift ein Urftabium 511 fonftatieren in ber SBeftrnfung
ber 33Ialpl)emie: SDion fürrfitet üon ben Säftenmgen eines
©otte^feinbeli eine ©träfe ber ©ottljeit unb uninfdjt if)r be§'
^alb ben 5^etreffenben ttue^§uliefern, um nirf)t mitteiben ju
muffen. Solcbe?^ fann — man möge an bie att)enifd)en
Slfebieprojeffe benfen — bei h^n tolernnteften ^'olytljeiimen
rortommen, fobalb fie bireft ^ro^ erfaf)ren.
§ierüon raefentlid) oerfdjieben ift ba§ 3?erfa^ren befon=
ber0 oon Sißcltreligionen unb igenfeit^religioncn.
^iefe ermibern ntd)t blofe gefc^ef)cne Eingriffe, fonbern
befämpfen fc^on ba« blof3e, menn aud) gefjeime ® afein einer
oon ber ifirigen abmeic^enben 9)ietapt)i)fi! mit ben nußerften
9)ZitteIn, fo lange fie fönnen.
T^ie 3enbreIigion begetirt smar nid^t ju be!e(;ren, jeigt
aber \i)xm äu^erften ^afe gegen aUeS, raaS nic^t Drmujblel)re
ifl; ^ambi)fe§ jerftört bie ägtjptifd^en Tempel unb tötet ben
2lp{§; Xerje» oerraüftet bie Heiligtümer @riec^enlanb§.
2lud) ber ^^olam miffioniert nidit ober bod^ nur §eit*
unb ftetlenroeife ; folange er fann raenigften§, be^nt er fi^
nidit burc^ 3Jiiffion, fonbern burd) ©roberung au§ unb finbet
ba§ Safein jinfenber @iaur§ fogar bequem, tötet fie ober
burc^ a3erac^tung unb SDH^anblung unb maffaWert fie in
SSutanfäHen aud) etma.
2)a§ e^riftentum aber üerlangt feit bem 4. 3al)rt)unbert,
©eele unb ©eroiffen be§ ßinselnen für iid) allein p befi|en
unb nimmt, rooüon fpäter nod^ bie 9iebe fein fott, ben wdU
lid^en 3(rm in Stnfprud), aU uerftänbe fid) bie§ üon felbft,
gegen Reiben unb ganj befonberg gegen c^riftüc^e ^e^er.
S^iefelbe 9teIigion, beren ©ieg ein STriumpf) be§ @eroiffen§
über bie ©eroalt roar, operiert nun auf bie ©eroiffen mit
^euer unb ©diroert Io§.
5urd)tbar ift bie Stärfe feiner 3{ffirmotion. 3^er a)Jär*
2. Die Religion. 53

lijrcr iiiirb, luenn er feine dualen überlebt Ijat, foniequent


rlserfolger, md)t foiüol)l aibi l^ergeltung aiv uielmeljr, lueil
il)m feine ©adie über alle» gel;t. C^nel;in max uieüeictt fein
äufeeree i'eben wenig roert; er i)atU fogar ^uit ju leiben
unb ju fterben. (3)ergleid)en aud) aufeerl;alb be§ 6l)riftcn=>
tum», ja aufeertjalb ber 9ieligiou uortommt, oljne ba& bamit
ber geringfte ^eiueie für ben objeftiüen äi>ert ber betreffenben
(Ba6:)t geleiflet roäre.)
^e^t, mit i^rer unenblic^en ^efümmernt» für bie Seele
be» (rinselnen, läBt bie Äirc^e bemfelben nur bie 2Bal;l jroifc^en
i^rem 5^ogma (il;ren (Syllogismen) unb bem Sc^eiterl)aufen.
Ö^re fc^recflic^c 3>orauSfc^ung ift, bafe ber Whn)d) ein 9lecf)t
über bie 'älieinungeu uon feineSgleic^en l)aben muffe.
SubinteHigiert ober oft jugeftanben wirb, ba^ ^rrlel)re
gleich eroiger ^Berbammni», bat)er bereu ^ßerbreitung über un»
fcf)ulbige Seelen, ja über ganje 'inilfer, burcl) alle SRittel ju
Dcrljinbern fei, bafe ber ^ob relatio ^ißeniger nirfjt in Setrac^t
tomme gegen bie eroige ^erbammni» ganjer Stationen.
Sei ben aJiaffen roirb allenfalls grobe Unroiffen^eit be»
^Naljren, bei ben :3rrlel)rern !oum je etwa» anbereS als S3oS=
Ijeit uorauSgefe^t, inbem ja ber roatire ©laube oötlig ein»
leud^te. „On est bien pres de brüler dans ce monde-ci
les gens que l'on brüle dans rautre.'" Seelenrettung gebt
allem ooran, auc^ burcl) Äinberraub unb geroaltfame (Srjiel^uug.
Snou ben Äircf)eule^rern ift fc^on St. 3luguftin für bie
blutige i^erfolgung ber 2)onatiften^): „OJic^t roir finb eS, bie
euc^ oerfolgen, fonbern eure eigenen Söerfe" (b. l). roeil il)r
nid) aus ©ottlofigfeit oon bec 5lird}e getrennt l;abt). „^ii>aS
für ein Unrecht foll barin liegen, roenn biejenigen für il)re
Sünben unb auf Sefeljl ber ^Jiegierung geftraft roerben, roelc^e
©Ott burd) bieS gegenwärtige @erid)t unb 3iifi)tigung er-
mal)nt, fic^ bem eroigen ^yeuer ju entsiel^en? Sie fotlen ju»
erft beroeifen, baB fie roeber öäretifer nod^ Sc^iSmatifer finb

') S. Aug. coutra litt. Petil. II, 42 f.


54 11- V'^" df" ''"i Potenzen.

unb Tirf) bniin lieftac3en." St. <Qi(aviu§ unb St. .<Qieroni)mu§


äiifeern [ic^ nidjt geliiiber, unb im a)iittelaUev üevpfUcf)tet
unb bebroljt ^nnocens III. bie meltUctien Ferren unb labet
gegen bie i^et^er ju einem Mveu^suge ein mit Sanbprämien
unb Ülblafe mie für ha§i I)eilige i^anb. ^vreilid; raurbe man
ben (Gegner — .»geiben ober i^e^er — nnvflid^ nur burd) materielle
a>erni(^tnng Io§. Man ^at bie Sllbigenfer rairflid) aul»
gerottet.
^ie 9?emefi'3 lai] barin, ba& bie 5!ircf)e me{;r unb me^r
ein ^oliseiinftitut rourbe, unb bafe bie ^ierarc^en banai^
rochen.
^ie Üteformatoren hadjkn über bie eraige SSerbamm»
ni§ nid)t anberS als bie fatljolifc^e ^ixd)t, [teilten aber bie
(£acf)e in praxi roefentlic^ ©ott antieim, etwa fd^roere ^älle
oon Sla§pl)emie auegenommen, roomtt man mieber in jenes
Urftabium be§ '^erfolgenS jurücftrat.
S)ie großen geiftigen 53emegungen be§ 18. 3at;rl^unbert§
matten einen ftarfen 9üß in bie 3Serfolgungen. Slbgefe^en
baoon, ba^ ber weltliche 2lrm fic^ nid)t me^r l)ergab, roeil
ein neuer Segriff be§ (Staates aufgefommen mar, mar rool)l
ganj roefentlic^ entfdieibenb, bafe — mit unter bem ©influfe
beS fopernifanifdjen ©ijftemS — bie 33efc^äftigung mit bem
QenfeitS prüdtrat, ba^ eS mauvais genre unb ^^id)m eineS
garten ^erjenS mürbe, ftd) mit ber „eroigen" 33erbammniS
cnberer ©eelen abjugeben, unb ba^ allmäljlid) eine gelinbe
Seligfeit für iebermann poftuliert merben fonnte.
Sie 2luffIärung§pl)ilofopl)te unb „Sroteranj" beS 18. ^olir^
lunberts, roeld)e eifrige, überzeugte 33efenner unb felbft aJiär»
ti)rer gel)abt unb bie ©eifterroelt umgeftaltet i)at, oljue baf3
ein aiknfd) ouf einen ^^aragrapljen uereibigt geroefen märe,
war freilii^ iljrerfeitS aud^ eine 2lrt oon ^teligion, roaS man
etroa and) oon biefer ober jener ^^Ijilofoo^ie beS 3tltertumS,
§. 33. oon ber Stoa, beljaupten fönnte, fönnen boc^ — um
baS ^l)änomen im allgemeinen 5U nennen — blofee 2)enf=
roeifen, ol)ne Sogma, ^erfammlungen unb fpejielle ä^erpflid;*
Die Religion. OD

lungen, bei grofeer a^arietnt unter Hjxtn 33efeunern, felbft


Döttig ben 2Bert einer 9ieIigion ober ©efte aunef)men.

Unb nun ber Untergang ber ^Jteligionen. ^ierju


genügt noc^ lange nid)t, roa^^ man bie innere ßerfe^ung
nennt: bie geiftige 9lbroenbung einzelner 5^ategorien ber 33e»
Dblterung (fei eö aU Sefte innerljalb ber Seüölferung ober
al§ gebilbete, ref(eftierenbe Sosietät). ^a, e^ genügt nod)
nic{)t bie 2tnuiefen()eit einer neuen, bem jeitmeiligen meta»
ptjDfifc^en 33ebürmie oiel beffer entfpredjenben ^Keligion.
©eften fönnen üerfolgt unb ausgerottet ober i^rer eige*
neu Unbeftänbigfeit unb a)cetamorp^o|e überlaffen werben.
Tie gebilbeten Stäube, meiere burc^ ÄuÜureinflüffe ber ()err=
frfienben ^Jieligion entjogen raorben [inb, feljren raot)t (roie
bie§ ba§ Schief fa[ foft fämtlicfier romanifd^er ^i^ölfer ift) mieber
ju ifjr jurücf ober arrangieren fic^ roieber mit iljr au§ S\hic\'
I)eitörüdfirf)ten (roä^renb beim ^l^ol! uon alterc^jer bie ^leligion
ba§ TOefentlic^e ©tüd ber ^u(tur ift). (Sine neue 9tcligion fann
fid) neben bie alte fteUen, [ic^ mit \i)x in bie 3Se(t teilen, aber
üon fid; an§> fie unmöglid) oerbrängen, felbft nid^t, roenn fie bie
aJJaffen für fid) ijat, - faüe nid)t bie StaatSgeroalt eingreift.
^ebe au»gebi(bete :i)ieligion t)öl)eren 3iange§ ift öielleid)t
relatiü eroig (b. i). fo roeit eroig, aUi ba§ ^thm ber fie be-
fennenben ^^ölferj, roenn nid)t it)re Öegner biefe 3)iad)t gegen
fie aufjubieten oermijgen. i^or ber ©eroalt unterliegen fie
alle, roenn biefelbe fonfeiiuent get)anbl;abt roirb, unb jumal
roenn eS fid) um ein einziges, unentrinnbare^ äßeltreid) roie
bog römifc^e l)anbelt. Cljue C^eroalt ober boc^ oljue gleich»
mafeig gel)anbl)abte ©eroalt leben fie fort unb tränten iljre
^JJac^t ftete neu au§ bem Öeifte ber ^Jcaffen, ja am (inbe
befommen fie ben roeltlidien 3lrm roieber auf il)re 8eite. So
bie Sfleligionen beS Oriente.
a)iit ^ilfe ber ftaatlic^en (^)eroalt fonnte ber 33ubb^i§s
mug in ^nbien burc^ bie ^raljminenreligion auegerottet roer»
ben. Cljne bie Äoifergefe^gebung üon (ionftantin bis auf
56 II. Von den drei potenjen.

^f)eobofiih? mürbe bic vömifc^'gncd^ifc^e ^l{eli(^ion nöd) hli


l)eute leben. Oljne ein menigflen^ jeituieife'c uötlige^, uom
n.ieltUd)cu 2lrm ge^anbljabteiS (nötigenfaU'S mit ben äufserften
3)t{tteht uerbünbeteei) ^Iserbot unirbe bie ^Keformation fid) nir=
genb§ beljaiiptet liaben. ©ie l;at aüe biejenigen S^erritorien
tüieber oerloren, luo fie biefen Vorteil bet? lueltUdieu 3trm§ nidit
be[Q^ unb irgenb eine beträd}tlid)c Ouote üon 5lQti)olifen
niufete fortleben laffen. ©o fann fetbft eine junge unb fräftig
frfjeinenbe :){eügion partiell, gebietioeife untergeljen, oielIeid)t
für fold^e ©egenben auf immer. Senn t§> fragt fi^ ob
fpäter mieber ein neuer 3lnbrang mit „einem günftigen
g-ij:ierung§moment" jufammentreffen mirb.

3. "Die Huttur.
Kultur nennen mir bie ganje ©umme berjenigen ®nt'
midelungen be§ ©eifte§, meldte fpontan gefdjeljen unb feine
unioerfale ober 3wflit9'^9^tt"iiS ^^ 2(nfprud) netjmen.
©ie wirft unoufl;örlic^ mobifisierenb unb jerfe^enb auf
bie beiben ftabilen £eben§einridjtungen ein, — aufgenommen
infofern biefelben fie üötlig bienftbar gemad)t unb ju itiren
3roeden eingegrenzt Ijaben.
©onft ift fie bie Slritif ber beiben, bie U§r, meldte bie
©tunbe oerrät, ba in jenen ^^orm unb ^aä)i: fid^ nid^t me^r
beden.
gerner ift fie berjenige millionengeftaltige ^ro^e^, burc^
meldten fid) ba§ naioe unb raffenmäfeige 3:un in refleftierte§
können umroanbett, ja in il)rem legten unb ^ödiften ©tabium,
in ber Söiffenf^aft unb fpe§iell in ber ^l)ilofopbie, in blofee
9leflej:ion.
3^rc äufeerlic^e ©efamtform aber gegenüber üon ©taat
unb 9ietigion ift bie @efettfd)aft in meiteftem ©inne.
3ebeg il;rer (Elemente l)at fo gut mie ©taat unb 9ieligion
fein 2Serben, ^lü^en, b. l). üöttigeS ©id;üerroirflic^en, ^^er^
gel)en unb SBeiterleben in ber allgemeinen S^rabition (foroeit
3. Die Kultur. 57

c§ befjeu fäljig unö luürbig ift); Unjä^ügcö lebt and} unbc=


nni^t weiter all (rnuerb, bei aiie irgenb einem uergeffenen
iSoit in bal ©eblüt ber l)ienfd)l)eit übergegangen fein fann.
ein foldiee unbenniBtee 2Iuffnmmieren üon Änlturrefnltaten in
$8ölfern unb einjelnen foüte man überbaupt immer in dkd^'
nung sieben^).
Sie^ äöac^fen nnb 33erge^en folgt I)ö{)ercn, unergrünb=
liefen X^eben^gefe^en.

9(n ber Svi^e aller iUiltur fteljt ein geiftigeg äs3unber:


bieSpracben, beren Urfprung, nnabljängig üom eingetoolfe
unb feiner Ginselfpraclie, in ber Seele liegt, fonft !önnte man
überbaupt feinen laubftummen jum 8pred)en unb jum S^er^
ftänbni'^ be^ Spred^ene bringen; nur burd^ ben entgegen^
fommenben inneren Srang ber ©eele, ben ©ebanfen in
2Borte su fleiben, ift biefer Unterricht erflärlid) ').
®ann aber finb bie (Sprad)en bie unmittelbarfte, t)öd)ft
fpejirifdie Cffenbarung be^ öeifteg ber 3>ölfer, hax, ibeale
33ilb beefelben, bas bauer^aftefte SJkterial, in roeldie^ bie
SSölfer bie Subftans it)re§ geiftigen VebenS nieberlegen, ju»
mal in ben ^Borten großer ®id)ter unb 2)enfer.
ein unermefelid^e^ ©tubium l)at fic^ l;ier eröffnet, fo»
n)ot)l aufmärti nad^ bem urfprünglic^en ©runbbegriff ber
äßörter (eti;mologifd) mit ^^ilfe ber oergleidienben ©prac^=
forf^ung), al§ abroärtg nac^ ber grammatifc^en unb fi^ntaf^«
tifc^en 2tuebreitung l)in, oon ber ^ii>ur5el au§ge^enb, bie man
burd) ^l^ierbum, Subftantio, 2lbjeftü unb beren enblofe
^•lerionen üerfolgen mag.
3m ganjen seigt fic^ bie ©pradic je frül)er, befto reidier;
bie l)ot)e ©eiftegfultur mit ibren SJieifterroerfen tritt erft ein,
roenn iit fd)on im 2ibblül;en ift.

>) S8gl. oben S. 30.


-) eigentlich genügt jum Scroeifc fc^on bag erlernenfönncn frcm-
ber Spracfien überhaupt bt§ jum geiftigen ©ebraucb. ©o oiele ©prac^en,
fo Diele öer^en befi^t man. (SSgl. bie tria corda bC'o Gnniuä.)
58 11. Ton den drei potcnjcn.

5Iin ?Infanc^, in if)rem 3Iufblü(ien, mufe bie Sprache ein


Ijöd^ft aumutigee Spiel ge(;abt Ijaimi; ade Crgane fdieinen
feiner gemefen ju fein, befonber^ ba5 Ct;r, anä) bei ©riedjen
unb ©ernianen. Ter grofee ^lejfion^reic^tum mnß fpäteftenS
fc^on sngleid) mit bem farf)ndjen ©prarf)fd)a^ , ja metteid)t
fd^on frütjer oor^nnben gemefen fein, unb fo wirb man boS
SBerfjeug in feiner Üvodfornmenl^eit fdjon üor bem ©ebraudie
befeffen Ijaben, fo baß man fdjon alle§ mögliche I)ätte fagen
fönnen, al§ man nur erft menig ju fagen (jatte. ßrft
ba§ raut)e, gefdjic^tlidje i.^eben unb bie Uebermältigung ber
©prac^e burd; bie Sachen, burd) ben ©ebraud), ftumpften
fie ab.
©norm ift aber aud^ bie Slüdunrfung ber einmal vox>
fianbenen Spradie auf bie @eifte^gefd)id)tc ber einjelnen SSöIfer.

9k(^ Safaulr (S. 28) märe bie 3ieiI)enfoIge in ber


Kultur bie geroefen, ba^ auf ben ^Bergbau (b. i). irgenb einen
©rab ber a}?eta(lbereitung), ^^ietijnc^t, 9Iderbau, ©d)iffaf)rt,
^anbel, ©eroerbe, bürgerüdier Sßofjlftanb gefolgt mären;
bann erft mären au» bem ^anbroerf bie Slünfte unb au»
biefen jule^t bie 9Biifenfd)aften entftanben ^). 3)ie§ ift eine
f^einbare 2]ermengung, inbem bie einen biefer 3)inge ii;ren
Urfprung im materiellen, bie anberen im geiftigen Sebürfniö
^aben. 2inein ber ßufammen^ang ift in ber STat ein fef)r
enger unb bie 2)inge nic^t ju fonbern. 33ei allem mit felb«
ftänbigem (Sifer, nid)t rein fnedjtifd; betriebenen materiellen
^un, entbinbet fi(^ ein, menn and) oft nur geringer, geiftiger
Ueberf(^uB. 3)a5felbe i'ermögen funftioniert a(fo rafc^ nad)=
einanber in groeierlei 2)ienft.
.,2)a§ t[t'§ ja, roag ben 2Kenfd)en jieret,
Unb baju rcarb if)m ber Serftanb,
3)a^ er im inneren £»erjen fpüret,
35>a§ er erfd^afft mit feiner 4>anb."

^) ®er 3"fömmen^ang ber 9leil)enfoIge mit tem CebenSalter ber


SBöIfer aii^ Söacon, Safaitlr ®. 30.
3. Die Kultur. 59

Unb biefcr gciftigc Ueberfcf)UB fommt entroeber ber ^orm


be'3 ©efdjQffeneu jugutc qU Sc^miid, a[§> möglic^ftc äufscre
i^oQenbuug; — bie äöaffeu unb öeräte bei isomer finb
Ijerrlicf), benor von einem ©ötterbilbe bie 3iebe ift; — ober
er roirb beroufeter ©eift, ^Keflerioii, 33erg(eicf)ung, 9tebe, —
iluuftroerf; — unb ctje e^ ber 3Jknfc^ felber weife, ift ein
ganj anbevey 33ebürfnie in it)m mad) aiv ba§, roomit er feine
2lrbeit begonnen, unb biefe§ greift unb rairft bann weiter.
3m iiienfc^en ift überl)aupt nie blofe eine Seite au5=
frf)IieBlicf), fonbern immer ba§ (^anse tätig, wenn quc§ einjelne
Seiten be^^felben nur fc^mäc^er, unberoußt.
Cf)nef)in finb biefe iTinge nicf)t naä) ber nnenbtidjen
2trbeit5teilung unb ©pejialifierung unferer Seit ju beurteilen,
fonbern nad) bem Silbe oon ^ixkn, ba no(^ aßel nöfier bei*
fammen mar.
Unb enblid^ ift nic^t nötig, für bie (Sntbinbung jcbeS
©eiftigen einen materiellen Stnlafe a[i> 33afi§ oufjufinben, obrooljl
er fic^ am ßnbe fänbe. SBenn ber (i3eift fid^ einmal feiner felbft
beroußt geworben, bilbet er oon firf) au§ feine 2Belt rociter.

5^a5 2lufeerorbem(ic^fte finb jebenfaflS bie fünfte, rätfel=


Softer all bie 3Siffenfd)aften ; bie brei bilbenben fünfte machen
t)ier feinen Unterfrf)ieb neben ^oefie unb 33hifif.
3lIIe fünf finb fiiieinbar entmeber au§ bem ilu(tu§ ^eroor»
gegangen ober bod) in früher ^üt mit iijm oerbunben go=
mefen, aber bocb aurf) üor iijm unb o^ne xljn oor^anben.
©lüdtic^erroeife finb mir auc^ Ijier ber Spefulation über bie
2lnfänge entt^oben.
9^ic^t ganj abfdjUefeenb für bie Stellung ber 5lunft in
ber Seltfultur finb SdiiUerS „Äünftler". (S» reicht nid}t,
baB ba» Sd)öne all 5)urd;gangepunft unb CS-rjiel)ung jum
SBaliren bargeftellt roirb; benn bie Äunft ift in t)o^cm ©rabe
um i^rer felbft roitlen porbanben.
^ie ^ii.Ufienfd)aften finb teils bie geiftige Seite be»
praftifc^ Unentbel)rlic^en unb bie fpftematifd^e Seite bei
60 II. Von den drei potcnjen.

niienblidi'ÜMelen, b. h. bte großen ©ammlevinnen unb Orb-


ucriniieii befKu, wa<> and) ol)ue iljv 31^^»^^ tatfäc^lic^ uor«
Iianbeu ift, — teil'? bringen [ie uoran nnb entbeden ba^felbe,
fei ev- (S'injelljeit ober Öefe^, — enbtirf) oer[urf)t bie '^Ujilo-
fopI)ie bie liödiften ©efe^je alleg ©eienben ju ergrünben, aber
uiieberunt a\» and) o^ne fie nnb cor iljv, ncimlic^ eiuig, be^
fteljenbe.
©anj anber§ bie fünfte; fie baben e» nid;t mit bem
Quci^ of;ne fie 3>ort)Qnbenen ju tnn, andi feine ©efe^e ju er--
niitteln (weil fie eben feine 9Biffenfd)nften finb), fonbern ein
f)ö^ere§ Seben barjnftellen, melc^e^ ot)ne fie nicf)t oortjonben
raäre.
©ie bernfien auf geljeimnigüoüen (Sd^raingungen, in
weld^e bie ©eele werfest rairb. ^a§> fid) burc^ biefc
Sc^roingungen entbinbet, ift bann nid)t mefjr inbioibncll unb
jeitlid), fonbern finnbilblid) bebeutnng^uott unb unoergängtidj.
2)ie großen 2llten wußten nic^tg oon unS, unb raie raeit
fie felber an bie 9iad)n)e(t badeten, mag fragli(j^ bleiben; aber
. . . „3Bev beu 33efteu feiner Qüt genug getan,
S)er t)at gelebt für aUc Reiten!"

SlU'c 2BeIt, 3^it unb 9iatur fammeln ^unft unb ^oefie


aügüUige, aHuerftänblic^e 33ilber, bie bail einjig irbif (^ SIeibenbe
finb, eine jroeite ibeale ©d^öpfung, ber beftimmten einzelnen
3eitlic^feit entf)oben, irbifc^=unfterblid), eine ©prac^e für alle
Aktionen, ©ie finb bamit ein gri)Bter (Sj:ponent ber be»
Ireffenben 3citalter, fo gut wie bie ^§ilofopf)ie.
2leuBerIic| finb ifire 9Berfe ben ©d)idfa(en alle§ ^r--
bifd^en unb Ueberlieferten unterworfen, aber e§ lebt genug
baoon weiter, um bie fpäteften ^a^rtaufenbe §u befreien, ju
begeiftern unb geiftig ju oereinigen.
Unb Ijiebei fommt un^ ©pätern glüdlic^ ju ^ilfe unfere
reftaurierenbe ^yä^igfeit, meldie au§ ^yragmenten mit ^ilfe ber
Slnalogie ha^ ©anje errät. 5Die ^unft roirft eben nod) im
©rjerpt, im Kontur, in ber bloßen 2Xnbeutung, ja noc^ fe^r
3. Die Kultur. 6^

ftnrf im Fragment, feien e§ nntife ©fufptuvcn ober Stücfe


von 3}ieIobien.

-iuiu unterer 5?ornu§fe^ung beä @Iücfe§ bei benScfjaffenben


foQ fpäter bie 3iebe fein.
^öei ben meiften fünften, felbft bei ber ^oefic, !ann
freilief; nocf) ber Sad^in^alt (pai ül^ünfc{)bare, bn§ Srfired*
lidie, bag finnlic^ Sege^ren^Muerte) in f)ol)em (^kabe mit:-
lüirfen, forootjl auf ben Mnftlcr aU auf ben 33etrac^tenben.
^a bie meiften ^L'eute glauben, bie 5!unft fei bie i)iact)Q^mung
bee pbijfifrf) isor()anbenen, (innselnen, 6)ebred)licf)en unb eigent^
lid) baju ba, um ba§, ma§ i^nen au§> anberen ©rünben
roid)tig ift, recf)t einbringlic^ bargufteQen unb ju „wer»
emigen".
©lüdüc^ermeife aber gibt e€ eine 3{rrf)iteftur, in reeller
fic^ reiner alg fonft irgenbroo, unb unabl)ängig üon jenem
ädern, ein ibealer 2ßiüe auSbrücEt. §ier jeigt fid^ am beut*
licfiften, wa^i ilunft ift tro^ if)rer freilief) nic^t ju (eugnenben
großen 2fb§ängigfeit üom 3n)e(i unb if)reg oft langen 2fug»
rufjenl auf fonoentioneüen ilöieberl^ofungen.
5^ie Sfr^iteftur beroeift nun, raie frei üon jenen ftoff*
Iicf)en giebenabfic^tcn jebe anbere 5lunft ift ober fein fann.
3^re fpejieüe ^araflele f)ierin ift bie a«ufif, in ber bal 9]q(^»
afimenbe auc^ gerabe bay i^erfe^ttefte ift.
^er ^öc^fte unb friUjefte ^ienft ber ^infte, bem fie fid^
obne ßmiebrigung fügen, ift ber bei ber ::){eligion ^). ^reilic^
mürbe fie bie 5lünfte nicf)t immer entmicfeln; benn ba§ meta*
pf}i)fifc^e 33ebürfni§, ba§ iit oertritt, fann berart fein, bafe e§
fie (roie im ^^lam) leilroeife ober (roie im ^^puritani^mu^)
gänjlid^ entbef)rt ober fogar anfeinbet.
3Son attem ^rbifc^en aber nimmt bie roaf)re .^unft nic^t
fomo^l Sfufgaben af« l'fnfäffe an unb ergef)t ficb bann frei
in ber ®c{)nnngung, bie fie ba(;er erf)alten. 2i^ef)e, menn

') 50gl. Safaulr, S. 108 f.


62 II. Von den drei potenjen.

mau [ie pviiji-J an^ 5:atläd)Ud)e5 feftnagelt ober gar auf


C^)ebauflid)ex^ ^).
9lm lelivveidifteu ift hierin bic ^oefie, uietcöe ucue» %aU
fädilid)C§ ld)afft, lieber al5 ha^ fie ^lNor()aubeue!§ erjätilt, unb
iu iljrer iHrt uou ökbaufeu uub @efül)leu beu Ijödjfteu ©egeu*
fa^ unb bie i)öd)ftc ergäujung jur ^I)ilofopl)ie bilbet-)-
äBie nnirbeu bie Webaufeu be'5 äfd)ntei)d)eu "^sromet^eu^
in ber ^^^{jilüfopbie lauten? ^jebenfaEg geben [ie un5 in bcr
poetifdjen 3)arftellung ba§ @efüt)l be§ Ungetreuem.

^nnert)olb ber 5lultur uerbrängen, erfefeen unb


bebingen fid) bie einjelnen ©ebiete. (Sl finbet ein be*
ftänbige^ ^in» unb ^erroogen ftott.
ßinjelne ^Isölfer unb einzelne ©podien seigen üor«
t)errfc^enbe 33egabung unb ä>orliebc für bie einzelnen ©ebietc.
9)iäc^tige ^nbiöibuen treten auf unb geben Diic^tungen
an, tüeldien fic^ bann gan^e 3eiten unb 2]ölfer bi§ jur ootten
©infeitigfeit anfdiliefeen.
9lnberer)eit^ fann e§ für unl fe^r fdiroer ju entfdjeiben
fein, raie roeit ein Äulturelement, ha§> für un§ je^t eine ganje
(gpodie färbt, rairflic^ bamals ba§ £eben beljerrfdit Ijat^).
^a§> ^^ilifterium unb bic 9)iad)t Ijaben immer bancben
^riftiert, unb mir Ijaben un§ in betreff atteö geiftig ©ro^en
in feiner 3eit ftet» uor optifd)en STäufc^ungen ju luiten.

1) ^iatürlic^, raer in Den alten Hunftraerfen „^öecn" öargeftettt


finbet, mu^ üon ben jeitgenöfftfc^en and) uerlangen, ba^ [ie „Öebanlen"
barftellen follen.
-) Tlan möge fic^ f)ier noc^motS an ©d^itterä „^ünftler" ennncrn.
^) 3. 33. bie Sraf^minenpljilofopfiie ba§ bra^minifc^e Snbien. Sie
rcar eine fc^olaftifd^e 3(u^beutung ber SJeligion unb gab bem gebilbeten
£eben feine g-arbe. Sie §öfe bcr Könige roaren i^te 3)iittelpun!te.
<S]gl. Sßeber, 2öe(tgefc^. I, 3. 250.) Ueber£)aupt ift üieUeictit nirgenb«
metir bie Spefulation fo fe^r GJemeingut gcraefen, ba^er ber Äampf mit
bem Subb^i'SmuS üieEeic^t ebeufo fefir ein p^iIo)opf)ifcfier aU ein reli^
^iöfer roar.
3. Die Kultur. 63

®{e einjetncn 5?ultitrclenientc unb bic ilulturftabien ucr=


fdnebenev ©egenbeu unrfen nun aufeinauber nnränglirf} ()aupt»
fäc^lirf) burd) ben ^ anbei, ber bic ^^robuftc bev t)ö()er unb
fpejicü für cjeunfye ^ädjix Gntiincfolten bei beu übrigen berum^
bringt, ^-reilirf) nic^t immer enuadjt bann geiftige dlad)'
eiferung. (i-truÄfer unb ^^üntulüö!fer faufen ober beftellen
fid) bie fdjönen gvied)ifd}en ©ad)en lieber, unb e>^ bleibt beim
bloßen ^tuetaufc^. 2^od) ift bie Slulturgefc^idite nod) immer
überreich an magneti)d)en unb fdiidfalluoüen ^erüf)rungen
oon S3olf 5U 58olf, oon %a(i) ju %aä), üon ©eift ju ©eift.
:5ebel Streben medt Streben, jum minbeften ben 2Infprud):
„Ta§ fönnen mir and)\" — Si^ enbüd) bie üerfd)iebencn
^ulturüölfer relatio gleichmäßig jene unenblic^c Äom*
pUfatur aller ^ätigleiten, jene^ allgemeine ^neinanbergreifen
barfteüen, ha§> un^ je^ü felbftuerftänblid) erfd)eint.
Unb enblid) merben roir bie großen geiftigen Xau^ö)'
plä|e mie 2lt§en, g-lorenj u. a. fennen lernen, roo fid) ba^
ftar!e lofale 23orurteil bilbet, bafj man Ijier aüe^ fönnen
niüffe, unb baß Ijier bie befte ©efeUfdiaft unb bie größte, \a
einjige 2lnregung unb 2Bürbigung üorl;anben fei.
5)iefe ^vläöe probusieren be^ljalb auc^ au§ ibren eigenen
Slcitbürgern eine unoerljältniÄmäßige SJlenge oon bebeutenben
Snbiüibuen unb mirfen burc^ biefe weiter auf bie 9Bett. ©§
ift nid)t TOie in ben mobernen ©roßftäbten (unb felbft WitkU
ftäbten!) „bie uiele S3ilbung§gelegenl)eit", benn biefe fdiafft
bloß Ijeraufgefd^raubte aJiebiofritäten, meiere bie üorljanbenen
^ofitionen burd) 2lbraarten unb gefellige 5ßorteile on fid^
reißen, unb außerbem nur ein allgemeine^ 5!ritifieren —
fonbern e^ ift äöedung ber ^öd^ften 5lräfte burd) ba^ Slußer»
orbentlid)e. e§ mürben nic^t „Talente geroedt", fonbern ber
@eniu§ rief bem ©eniu^.
Gine öauptbebingung aller ^öljer üoUenbcten ilultur ift,
aud) abgefe^en oon folgen 2:aufd)plä^en erften ^Jknge5, bie
Öefelligfeit. «Sie ift ber redete ©egenfa^ ju ben Äaften
mit i^rer einfeitigen, obwohl relatio ^o^en, ^^'aitialhiltur.
6^ II. Von den drei Potenjen.

löeld^e im Ted)nifdjeu , in ber (Srit)erbunt3 uub 3]olIeubung


äu^erUdier ©e[d)icflid)!eit 3kd}t l;nben fann, im ©eiftigeu
aber, mic ba§ «omiptbeifpiel ber 3(egvpter Icljrt, iebenfaü^
(StiÜftttub uub Sefc^räuhiug uub Sünfel gegen aufeeu tjerbei*
fütjrt. 3tIIerbiug^5 fdjü^te uieUeidjt nur bie Bmnug^erblidifeit
ber (Ä5euierbe uor einem 9tüdfatt in bie 33arbarei.
®ie ©efeUig!eit aber bringt, unb jmar bie§ auc^ bei
2lufrec^terljaltuug dou ©täuben, alle Elemente ber Kultur,
üom l)öd)ften geiftigen big jum geringften tec^nitc^en 2;reiben,
mel)r ober weniger in Serül)rung miteinanber, fo ba§ [ie
eine gro^e, taufeubfac^ burd^einanbergefdjlungene ^ette bilben,
welche burc^ einen eleftrif($en ©d)lag meljr ober weniger in
i^ren einseinen ©teilen affigiert rairb. @ine bebeutenbe
9?euerung im ©ebiete oon ©eift unb ©eele fann auc^ fd)ein=
bar wenig beteiligte 3JJenfd^en bat)in bringen, ba^ [ie iljr
geraöljulidieg, aEtägli(^e§ ^un anberö auffaffen^).
(gnblid; bilbet ba§, ma§ l)öl)ere ©efeHigfeit Ijeifet, ein
unentbe^rlidieg gorum für bie fünfte in^befonbere. Siefe
füttcn nic^t oon it)r im roefentlid^en abpngig fein, nament»
li(^ nic^t oon iliren falfdien 9iebenfonnen , oom ©efdimäfe
moberner ©alon§ ufro. -), mo^l aber fic^ au§ ber ©efeHigfeit
ba§ aJta^ be§ $ßerftänblid)en entnelimen, o^ne welches fie
in§ ^laue ju ftreben in ©efa^r finb ober fleinen anbetenben
Jlreifen anljeimfatten.

Unb nun jule^t haS^ malere unb ba§ angebliche 33 er^


l)ältni§ ber Kultur jur ©ittlidifeit'). ©uftao %xn)-
tag (33ilber aus ber beutfdien 33ergangenl)eit , ^anb I)
operiert §. S. gegenüber beut 16. unb 17. ^al)rl)unbert mit
ber 3unal)me oon „^ftic^tgefüt)l uub 9iebli(^feit" (©. 13)
0 ^ier roürbe tünftig in Äürje auc^ uon 3>erfe^r unb ^rcffe }u
reben fein.
*) 3lviv aujubeuten n^äre f)ier baä 33er^ältni§ oon i^ujuS unb-
@eift.
3) «gl. § artmann, ^t)iIof. ber Unbero.'^' ©. 723.
3. Die Kultur. 65

ober „3nha(t, Tüc^tigfeit imb 9?eblicf)feit" (©. 16). 5lber


bie Slrgumentntioiien mit '-üeftedjUdjfeit, i'teberlic^feit unb be^
fonber-o mit „Giemalttätigfeit" ber üergangeiien 3fit^n ober bei
ben Sarbaren mit Öraufamfeit, ^Treulofigfeit u)"n). finb irrig.
3}?an beurteilt eben alle§ nacb bemjenigen (^5rabe ber äußeren
Seben^fefurität, ol)iie bie mir nidjt md)x eiiftieren fönnen,
iinb uerurteilt bie 33ergangeni)eit barauft^in, baß biefe Sebeng*
luft in i()r nidjt eriftierte, uuiljrenb fid) bod) aud) je^t, fobaib
bie Sefurität, 3. S. im ivriege, fufpenbiert ift, aüe öreuet
melben^). !ij}eber Seele nod) ©e^irn ber 33tenid)en Ijoben
in l)iftorifd)en 3^iten ermei^lid) jugenommen, bie j^ä^igfeiten
jebenfaü» maren längft fomplett-j! 5)a^er ift unfere ^rä»
fumption, im S^i^^^^ter be^ fittlid)en ^^ortfdjrittS 5U leben,
t)öd)ft läd)erUdi, im -l^ergleit^e mit risfierten ^iiUn, beren
freie ^raft be5 ibealen 95>illen» in l)unbert f)odjtürmigen
<Ratl)ebralen gen i^immel fteigt. 3)a3u fommt unfer abge*
f(^madter ^ofe bei 3.^erfd^iebenen, ^Vielartigen , ber fi)mboli'
-fd^en 23egel)ungen unb l)alb ober ganj fd)lafenben ^iec^te,
unfere ^öentififation be» 8ittlid^en mit bem ^räsijen unb
unfere Unfät)igfeit beio l^erftänbniffel für ba§ Sunte, ^u--
•fällige, ^reilic^ l)anbelt e§ fid) nic^t barum, iu\§> m§> WitttU
alter §urücf5ufel)nen , fonbern um bal ^erftäubni^. Unfer
Seben ift ein ©efc^äft, bay bamalige mar ein T^afein; ha^
©efamtDolf eriftierte faum, ba!o ä>olf!ltümlid)e aber blüljte.
2Ba5 man alfo für J-ortfdjritt unb Sittlic^feit 3U Ijalten
4)flegt, ift bie: a) burdj iUelfeitigfeit uub ^üüe ber 5lultur
unb b) burc^ bie enorm gefteigerte Staatsmadit t)erbeigefül)rte
Sänbigung be§ ^nbiüibuum!§, meldte bil jur förmlidien '^ib'
bifation beefelben gebeiljen fann, jumal bei einfeitigem 'Isor«
berrfdien bei ©elberroerbe , ber sule^t alle ^nitiatioe abfor--
biert. @l ift genau ebenfouiele ©inbuße an ^nitiatine unb
5lraft ju 2lngriff unb ^verteibigung eingetreten.

') De Candolles Hist. des Sciences et des Savants, <B. 400.


") »ucflc, Öefc^. b. Gio., beutfc^ v. 21. Jiuge I, S. 149 ff.
S$eltgefd)i(^tlic^e Setrai^tungen. 5
66 II. Von den drei potcnjtn.

Tiie ©ittliitfcit aU ^^otc^5 aber \td)t um n\d)t§> Ijö^er


iinb ift iiidil in reid)Iirf)crem @efanitmaf> uorl^anben al§ in
ben fpt^enanntcn roljen 3<^itfn- 3lufopfernng be^ iiebeng für
Slnbeve fani gemife fdjon bei 'öm ^^fal)(menfd}en vor. ©ut
unb 53ölo, fogar ©lücE unb Unglüd mögen fic^ in ben üer*
fd^iebenen ^t^itf" "'ib i^ulturen ungefätjr unb im grof^en qu§=
geglirfien I;aben.
©elbft bic Steigerung ber int cllcf tu eilen ©ntmide-
lung läfet ftd^ besiueifeln, roeil mit fortfcfireitenber i^ultur bie
3lrbeit'5teilnng ba§ Serou§tfein be§ ©injelnen immer mel)r
üerengern fönnte. — ^n ben 2Bi[fen[c^aften ift ber Ueberblidf
bereite im Segriff, üor lauter ©pesialentbecfungen oon ©injel^^
tatfarfien fid^ ^u oerbunfeln. — ^n feinem Seben^gebiet mäc^ft
bie .Stapajität ber ßingelnen gleid)mä^ig mit ber 3w"(^^"^^
bc§ ©anjen; bie Kultur fönnte leidet über il)re eigenen 33einc
ftolpern.
@Ä fommt im einzelnen nid^t barauf an, in meldten
Schattierungen bie 33egriffe „gut unb böfe" mobifijiert finb
(benn bie§ l)ängt oon ber jeiueiligen Kultur unb 9teligion
ah), fonberu barauf, ob man benfelben, fo wie fie finb, mit
9tufopferung ber ©elbftfurfit pflicf)tgemö§ nad)lebe ober nirf)t.
©rft bie ^qü feit 9touffeau Ijat fid) übrigen^ fitllirf; über
ber 33ergangenl)eit en bloc gemannt, raobei fie freilid) baoou
ausging, ben 2)ienfd^en überhaupt aU raefentlidf; gut anju^^
nel)men, als l)ätte feine ©üte nur bi§ je^t nicfit ju äBorte
fommen fönnen unb müfete ficb nun glorreid) offenbaren,
roenn er einmal jur Wiaäjt fäme! SDtan legte fic^ bamit (in
ber fran^öfifd^en SJeoolution) ba§ 9ied^t jum ^^^roje^ gegen
bie ganje äsergongenl)eit bei. 3lber mit oollem ©ünfel glauben
an biefe fittlid^e Superiorität ber ©egenroart eigentlich erft
unfere legten Sejennien, meldte aud) ba§ 3Utertum nic^t mebr
aulneljmen. ®er gefieime 'i^orbel)alt babei ift, ba§ ba§ ©elb*
oerbienen l)eute leid)ter unb fid)erer fei al§ je; mit beffeii
Sebrol)ung mirb aud) ba§ betreffenbe §ocligefüfjl bal)infallen.
^a§ 6l;riftentum Ijatk iuol;l fic^ all rettenben gort-
3. Die Kultur. 6?

idjiilt betrari)tet, inbe* nur für bie Seinen, unb neben fic^
ein um io böfereS Säfulum ftaluiert mit (Sinbebinguug ber
g-(ud)t Don biefer ii'elt.

©ine (Sigentümlid)feit beigerer Äulturen ift \i)xe%ä\)\%'


feit 5U Sienaifjancen. (Sntiueber ein unb basfelbe ober
ein fpäter gefommene» 'i>oIf nimmt mit einer 2lrt oon (Srba
rerf)t ober mit bem 3ied)t bcr 33eiounberung eine oergangene
Kultur leihiieije ju ber feinigen an.
^Xiefe :)ienaiffancen finb ju unterfdjeiben oon ben poÜtifc^*
religiijfen Sieftaurotionen, mit meieren fie ftellenroeife gleid)=f
moljl jufammentreffen. äBir möchten fragen, roie weit (e^tereS
ber ^all mar bei ber igerfteüung bev 3u^^ntumg nad) bem
©i'il unb bei ber bee ^^serfertumg burc^ bie Saffaniben. 33ei
Äarl bem ©roßen fam beibes jufammen: 'Jieftauration bes
fliätrömifd)en ^'^P^i^iii^ii^ i^ri^ jugteid) :)ienaifjance ber fpät*
rbmifdien djriftlid)en i'iteratur unb ilunfi.
©ine reine 9?enaiffance bagegen mar bie italienifd)=
europäifd)e bee XV. unb XYI. 3aI)tE)unbert§. ^l)xz befonbern
Ä^ennjeid)en finb i^re Spontaneität, bie Äraft ber (S-oibenj,
moburd) fie fiegt, bie ftärfere ober fd)roäd)ere iserbreitung
über alle möglidjen ©ebiete be§ idtbm§i, 5. 33. über bie 2ln=
fi-f)auung oom Staat, enblid) iljr europäifdier (51)arafter.

Sßenn mir nun bie ilultur beg XIX. ^al^rljunbertö


aU 2:i>eltfullur betradjten, fo finben mir fie im ^efi^ ber
Xrabitionen aller ^o^iten, i^öikx unb ilulturen, unb bie
:^nteratur unferer 3^^t ift eine Sßeltliteratur.
Xer i)öd)itt ©eroinn l)ierbei ift auf Seiten ber i^etradjten-
ben. Gö befteljt eine grof3artige, allfeitige, ftitlfc^roeigenbe
Slbrebe, ein objeftioes ^'^^^i'^fi^ 0" 3lQc§ Ijeranjubringen, bie
ganje oergangene unb jegige 2Belt in geiftigen Sefi^ ju oer»
roanbeln.
Selbft in befdiränften 33erl)ältniffen geniest je^t ber
ebler ©ebilbete feine paar 5Uaffifer unb bie ^nblide ber
68 II. Von den drei Potenjcn.

9ktur üicl tiefer uub baö &iüd feinet 2tbmi ml beraubter

Staat unb .siirdje liemmen bie^S 'ikftrebeu luenig inet)r


uub ricl}ten fid) felber aümäljUd) auf feljv inelfeitige ©efid)t§''
punfte ein. 3uv Unterbrüdung fel;lt teil^ bic 9)Jad)t, teils
bie 9tbfid)t. a)iQn getraut fid), nebeu eiuer fdjeinbar fd)raufen'
l0'5 eutmidelteu Kultur beffer ju befteljeu aU bei ber ^iepref^
fion; uiie fic^ babei bie 5hi(tur tatfäd)lic^ bieuftbar erweift,
bauou foü fpäter bie 3{ebe fein.
©d)on 5nieifell)after ift ber ©eroinu ber ©rroerbenben,
iüeld)e luefentlidj ba§ uorroörtgtreibenbe Clement fiub unb
mit elementarer Seibenfd^aft : 1. auf eine nod) üiel größere
33ef^leumgung beS ^i>er!el)r§, 2. auf oöttige SBefeitigung ber
nodj t)Oii;onbenen ©^ran!en, b. I). ouf ben Uniöerfalftaat
Ijinbrcingen. Xk Strafe bafür ift bie enorme ^lonfurrenj
t)om ©rösten bi§ in§ ©eringfte unb bie 9tafttofigfeit. Ser
crwerbenbe i^ulturmenfc^ möd;te gerne gefd;rainb red^t üieleS
mitlernen unb mitgenie^en, muB aber mit ©c^merjen ba§
S3efte 2Inbern überlaffen; 3tnbere muffen für i^n gebilbet fein,
wie für ben großen §errn be§ 9JJittelalter§ 2(nbere beteten
unb fangen.
%xd[iä) eine gtofee Quote finb bie amerifanifc^en Kultur*
menfd)en, meldie auf baS ©ef^id)tli(^e, b. i). auf bie geiftige
Kontinuität großenteils oersic^tet l;aben unb Kunft unb ^oefie
nur no^ als formen beS Sui'uS mitgenieBen mödjten').
2lm unglüdlid;ften befinbet fic^ in biefer Seit .^unft unb
^oeftc felber, innerli^ otine ©tätte in biefer raftlofen 2Belt,
in biefer l)äBlicben Umgebung, roäljrenb alle 9taioetät ber
^robuftion ernftli^ bebrol)t ift. S)aß bie ^robuftion (b. ^.
bie ed^te, benn bie uned)te lebt leid)t) bennoc^ fortbauert, ift
nur bur^ ben ftär!ften S^rieb erflärbar.
S)aS 9ieufte in ber SBelt ift baS i^erlangen nac^ Sil»
bung als a)?enf(^enre^t, welches ein t)erl)üateS Segetiren nad^
SBo^lleben ift.
1) SSgt. @. 6.
4. Zur gclcbid)tli(hcn Betrachtung der poefie. 69

3^er ^liangftreit siuifiten Wefcfjidjte unb poefie ift enb-


gültig gefc^licf)tet buvdj (2d)openi)auer '). Tie ^^oefie leiftet
ntef)r für bie (i-rfeimtuig be§ 2Befcn§ ber 3}Jeiif(^I)eit; auc^
2kiftoteIe§ i)atte fd^on gefagt; ;f«t (fi/.oaocfohfooy xul anov-
öraoifoor noireric Kriooi/tg iaji'v (bte !l){rf)tung tft t\VO(X^
'^^Ijibfopljii'c^ere» unb ^Tiefereä al-5 bie @etd)id;te), unb ivoax
ift bieg beg()a(b roaljr, raeil bal Vermögen, roeld^e^ ber '^^oefie
jugrunbe liegt, nn fid) ein oiel t)öt;ere§ al» ba§ be§ größten
^iftorifere unb auc^ bie 'ilUrfung, raoju fie beftimnit ift,
eine oiel f)ö^ere al^ bie ber @efd)id)te ift.
Safür finbct bie @efd)i^te in ber ''^^oefie eine iljrer aHer«
roid)tigften Cueüen unb eine iijrer ailerreinften unb fd)önften.
3unäd)ft barf fie ber poefie banfbar fein für bie @r«
tenntni§ bes SBefenS ber 2Jienfd^t)eit überf)Qupt, fobann für
bie reidien Sluffdjlüffe über S^itlidjey unb 3tationn(eg. Sie
'^'oefie ift für bie gefdjic^tlic^e Setrad^tung ba» Silb beä ie»
juroeilen Groigen in ben SSölfern unb babei uon allen ein^
seinen Seiten belelirenb unb überbie» oft ba§ einzige (£r=
^attene ober \i(x§> 33efiert)altene.
33etrQ(^ten wir fie nun erftlic^ nad^ i^rer äußeren ©tel»
(ung in ben oerfdiiebenen 3^iten, 33ölfern unb 'Isolf^fdiid^ten,
inbem loir jebesmal fragen: 3©er fingt ober fc^reibt unb für
loen tut er es? unb fobann nad) ii)rem Stoff unb ©eift.

$8or allem erfd)eint bie ^ioefie oon f)öd^fter Sebeutung


al§ Crgan ber :)ieligion.
2)er öi)mnu'3 üerl)errlid)t nid)t nur bie ©ötter, fonbern
er beutet auf einen beftimniten ©rab be0 5lu(tug, auf eine
beftimmte ^öt)e bee ^^rieftertum^ t)in, ob roir nun an bie
.S3i)ninen ber 2(rier am '^\\'^\b:i beuten ober an bie ^]>falmen
ober (\x[ bie ^v^tnen be§ alten (E^riftentumg unb be» a)tittel«

n aBelt alg 2Biae unb SSorftettung* J, 288 ff., II, 49J».


70 H. Von den drei potenjen.

älteres ober an ba^3 proteftantifc^e EircfienUeb aU ^öcfcfteS


reUgiö)e'5 .Seugui^S befoubcrS be^ XVII. 3at)ii)unbert5.
(5ine ber freifteit iinb größten 2teuBcruncjen bc§ ganjen
•alten Orient^5 ift ber (^efaräifdie ^sropliet unb feine t^eofratifcö=
politifcöe '•^^aränefe.
2)er grierfiifc^e 5:()eogonifcr (^efiob) repräfentlert ben
3Iugenblid, ba bie ^Jtation einen 3ufammenl)ang tf)rer uner--
mefeUc^ reirfjen ^])iijtl)en uerlongte unb ert)ielt.
2)ie fc^on am beginn be§ VIII. 3Qt)r()unbert§ oori)anbenc
HBötuipa (9{ebe ber SBöIe = Offenbarung ber Setierin) ift ein
geroaltige^ 3eugni^ be^ nujtljologifc^en @efange!§ bei ben
©fanbinauen; fie umfafet aufeer beni fonftigen ^JJh)tt)U§ aurf)
nocf) ben äBeltuntergang unb bie (Sntftet)ung einer neuen @rbe.
SIber audj bie folgenben nu)tl)olo gif eben Sieber ber ©bba finb
aufeerorbentUd) reic^ an a}h)t{)en unb ©eftatten unb enblofev
9iomenf(atur. ®a§ Silb ber irbifc^en unb ber überirbifcben
23elt, roieberum mit tl)eogonifcben 53eftonbtei{en, ftettt fic§ in ber
eigentümlicfiften ^Ijantafie gefpiegelt bar^,* ber STon ift
nnßentlicf) rätfel^aft, ber e($te ©e^erton.
©obann fommen ba§ G p o § unb feine ©änger. @§ er*
fe^t bie ganje ©efc^icbte unb ein grofeeä ©tücf Offenbarung
al§ nationale Seben§äuBerung unb 3eugui§ erften 9{ange§
für ba§ Sebürfnig unb bie ^ä^igfeit eine§ 5ßolfe§, fic^ felber
tt)pifd) anjufdiauen unb barjuftellen. 3)ie ©änger, in reellen
biefe gäl)ig!eit im l)öd)ften ©rabe lebt, finb giofee 3}Mnner.
©ans oeränbert erf^cint bie ©eltung be§ (Bpo^i, fobalb
bie 3eit literarifc^, bie ^oefie eine Öiteraturgattung unb ber
ctiemalige DolfStümlid^e SSortrag jur Seftüre geroorben ift;
ooQenb^ aber, menn bie ©cftciberoanb sraifc^en <Qöl)ergebilbeten
unb Ungebilbeten fic^ erhoben §at. ^lan barf fid) l)öc^lid)
TOunbern, bafe 3Sirgtl bei allebem einen fo t)ol)en 3tang ein=
') man benfe an ©rimmi^mal unb SBaft^rubntämal. 3n le^terem
cramtnieren etnanDer Dbin, bev ftc^ al§ ©anflrabr ausgibt unb ber
«Riefe Sßaft^rubmr über mgtfiotogifd&e unb t£)eogDnifc^e ©e^eimmffe.
Sd^liefirtc^ roei^ ber 9^iefe, ba^ Dbin i^n nun töten rairb.
4. Zur gelcbicbtUcben Betrachtung der poelie. c\

netjmcn, bie ganje (^olge^eit bei)errfrf)en unb mi;tt)ifc^ raerben


fonnte.
äöie geiualticj erfc^eint erft bie ©tufenreii)e ber eriftensen
üom epifrfien ^Ji^apfoben bi§ jum l^eutigcn ^iomaufc^riftlMer!

3n ben ueri'djiebenftcn Steaungen sur äöelt finben tinr


bie antife £i;rif: qI^ iloüeftiüh;rif im Sienfte ber 9teligionen,
aU gefeüige Rm)i im ©ienfte be§ Si)mponoU':v bann (bei
^sinbar) ali 3lu^rnferin agonaler Siege, baneben aU fub=
jeftiüe l'yrif (bei ben 2teoliern), bi^> bann anc^ i)kx mit ben
Slleranbrinern ber Umfd)(ag in eine ßiteraturgattung eintritt,
mai aucf) bie römii^e In^ri! unb (Slegie oori)errfrf)enb finb.
3m aiättelalter mirb bie £i;rif Ijierauf ju einer mefent»
liefen l'eben^äu^erung be^ großen fo§mopoIitifd)en Slbel»*
oolfe^, fie wirb in ueriuanbter 2Beife bei (gübfranjofen, 9iorb»
franjofen, Seutfcf)en unb :3talienern geübt, unb bie 2trt, raie
fie an ben i^öfen [;erumgetragen roirb, ift an fid) fd)on ein
fulturgeid)id)tlic^e?^ gaftum ^o^en 9tangeg.
33ei ben ajieifterfingern jeigt ]i6) bann ba^S Söeftreben,
bie ^:poefie fo lange aii nur möglid) in fd^ulmäBigem, objef'
tioem S3etrieb ju erl)alten. (Jublid) aber tritt — neben einer
ftetg oori)anbenen 3>olf^poefie, in meldier fid) ba§ Cbjeftiüe
anfd^einenb fubjeftiu gibt — bie üöllige ©manjipation ber
ÜibjeEtioen Sijrif im neuern ©inne ein, oerbunben mit bilet«
tantijdier ^^reitieit ber ^orm unb in einem neuen a]ert)ältni§
3ur 'ü)iufif, bei ben Italienern nod^ funftreic^ gepflegt ^^^^^^
Der ';}(uffic^t uon 2(fabemien.
23om Srama roirb beffer nad)i)er bie Stiebe fein. ®a»
(gdiidfat ber neuern ^^'oefie übert)aupt ift ii)x literaturgefd)id)tli(^
beraubte» 5lserl)ältni^ jur ^:poefie aüer Reiten unb -lUnfcr,
roelc^er gegenüber fie a(§ 3Jad)at)mung ober 9{ad)ftang er--
fc^cint. 2Ba§ aber bie 2)ic^ter betrifft, fo bürfte eä fid) rooijl
Iot)nen, ber ^serföntid^feit beS ^id^ter^ in ber 2öelt unb ibrer
enorm oerfc^iebenen Wettung oon isomer bi^S beute einmal
eigeu'j nadijugeben.
72 11. Von den drei Potcnjen.

Öctrnc^ten mir nun bic ^^oefie na^ it)rem ©toff unb


©eift, fo eriiibt ficf) sunädjft folgcnbcy: Sie ift ol)net)in oft
lamje bie einjitje gorm ber äliitteihnig, fo bau man fogar
von einer unfreien '^'oefie reben fönnte; fie ift felber bie
ältefte @efd)id)tc, unb aud) ben ganjen 3)iijt()U§ ber i>ölfer
erfaijren löir meift in poetifd^er ^^orm unb aU^oefie; ferner
ift fie aU gnomifdie, bibattifdje ^^oefie ba§ ältefte (>3efä&
ber (Stt)if, im ^i)mnu§ üert)errlid)t fie bireft bie 9ieUgion;
als 2i;rif enblic^ uerrät fie unmittelbar, ma§ ben Wtn--
fd^en ber üerfdjiebenen 3^^ten gro§, mcrt, l)errlid), fc^red'
tid^ mor.
9iun fommt aber bie grofse 5\rifi§ in ber ^^^oefie: i^'^
ben frühem ^erioben finb ber ©toff unb bie nottoenbige ftrenge
^orm enge miteinanber oerbunben; bie ganje ^oefie bilbet
nur eine national^religiöfe Cffenbarung; ber ©eift ber a>ölfcr
fdieint bireft, objeftio ju un^ ju reben, fo bafe bie ©teUung
be§ 33olf§liebe§ unb ber 3?olf^balIabe üon ^erber mit bem
9Sorte „Stimmen ber Golfer in Siebern" richtig gefennjeic^net
erfc^eint; ber Stil erfd^eint a[§> ein gegebener, au§ 3"^;^^^^
unb j^orm untrennbar gemifdjt.
^ann folgt bei allen ijöijtxen ^nlturoölfern, bereu Site»
ratur mir in einiger 'l^oüftänbigfeit befi^en, auf einem be=
ftimmten Stabium ber (gnttoidelung — bei ben ©riedien
möchte bie ©renjfc^eibe etiua ^^inbar bejeic^nen — bie SSen*
bung ber ^oefie oom Diotroenbigen jum beliebigen, oom all=
gemein 3^ol!§tümlid)en jum QnbioibueHen , oon ber ©par=
famfeit ber 2^i)pen jum enbIo§ S^ielartigen.
315on ba an finb bie Siebter in einem ganj anberen
Sinne ^unben il)rer S^it unb Aktion al§ früljer; fie offen*
baren nid^t me^r ben objeftioen ©eift berfelben, fonbern i§re
eigene Subjeftioität, meldie oft eine oppofitionelle ift, finb
ober ol§ fulturgefd)iditlic^e ßeugniffe ebenfo beleljrenb mie bie
früheren, nur oon einer anbern Seite.
^ie0 offenbart fid) befonber0 in ber freien Sßatjl, auc^
in Slcuf^öpfung ber Stoffe. 'Jrüber fiatte eljer ber Stoff hm
4. Zur gcIthicbtUcbcn Betrachtung der potlic. 73

Xic^tcr %mäi)h, bo« (Sifen t)altc getüiffermaBcn ben 3}Janu


angesogen, jelU ift e5 umgctedvt.
^od) ift Ijier bie gefd}id)tlid}e 23ebeutung be§ einbringend
ber artuÄfagc in bie ganje (Spif be§ bid)tenbcn otsibentalifdien
3IbelÄrolfc§ anjufdilagen, luoneben bei ben ^entfd)en bie ganje
nite il^olfe1■a^)e, bei ben ^ii'elfdjen bie i^arlsfage relatio in«
Tnnfel jurürftrat. Xti Büi üerljarrte, aber im ©egenftanb
entiüid) man ber (Sinäeinalionalität. Unb unter bicfen ^ic^-
tungen bec ^tttuetreiieÄ gibt e^^ einen beutfd)en ^^^ar^iöal,
^n ber ^olge^eit gel)ört e§ su ben niiditigftcn Seugniijen
für jebe^ 3al)r{)unbert , für jebe 9ktion, wa§ fie uerlangt,
gelefen, rejitiert, gefangen t)aben.
Ter altgermanifdie gagenfreig, ber Äarlsfreie unb ber
2Irluc^frei§ Ijatten bann in Tiditung unb ^:profaroman bei ^ran^
5ofcn, 5}eutf(^en unb Italienern mannigf ad)e gd)idfale; in
einem gemiffen örab behauptete fid; aud; bie ^egenbe baneben,
unb jugleid) InBt fid; ba^ 3luffümmen unb ftedenmeife lieber-
uiiegen ber ^-ablianj:, ^ale§, (2d}roänfe unb 9loDeücn, bag
^reittreten ber ^ierfabel u. f. m. beobachten, niäi)renb ba§
a)?ärc^en feine befonbere fulturgefd;id)tlic^e Sebeutung für ben
neuern Crient ijat. ©nblid) erfährt ber ^artlfrei^ eine ganj
neue ftiliftifd)e 53ei)anblung bei ben großen Italienern (33ojarbo,
Dlrioft); mir finben l)ier ein faft «öüig freiet aöeitererfinnen
beä (Stoffe in flaffifdier ^-orm.
5?ann fommt ber 3lu^gang be§ ©pifc^en in ben 9bman,
ber je nad) bem ©rabe feiner ^errfd)aft unb feinet ^nl)alt§
unb nad) ber '^efd)affenljeit feinet SeferfreifeS fein ganjeg
3eitalter diaratterifieren l)ilft. @r ift roefentlic^ bie Sichtung
für ifotierte'5 fiefen. 5Kur Ijier fteüt fic^ awö:) ber quantitative
junger nad) ftet§ neuem Stoffe ein. @r mag bie einjige
^orm fein, unter meld)er bie ^voefie berjenigen großen aJiaffe,
bie fie ju liefern münfc^t, nod) ualje fommen fann: al§>
breitefte^' '3ilb bee Öeben^ mit bcftänbiger 3lnfuüpfung an
bie 3Birflid;teit, alfo bem, \va§> mir :)iealienub5 nennen. iliit
biefer (iigcnfc^aft finbet er fogar internationale l'ef erfreife ;
i-\ II. Von den drei potenjen.

ein Sanh liefert niitt mef)r genug, unb ba§ ^ublitum ift
übevreijt geuunben; barum beftel)t ein 3lu^3taufd) (freilid^ ein
fel;r ungleicöei) 5uiifd)en J-rantreic^, ©eutfc^lanb, ©nglanb
unb ?(iiierifa.

«gier ift nun aurf) be^ ®rama§ fon)ot)l md^ feiner äußeren
©teflung ali md) ©toff unb @eift ju gebenfen. ®iefe§ be--
lueift frfjon burrf) fein S^ofein unb burd) bie 2lrt feiner ©eltung
einen beftinunten fo^ialen ,3"ft'in^/ ii'^^ l^^^ "^^^f^ "'^ 3"'-
fammenljang mit beut Äultu^. isoQenbl aber nad) feinem
^nl)att ift e^ eine^5 ber größten S^wg^iffe für bie betreffenben
ä>ölfer unb Beiten, nur aber eben be§t;alb tein unbebingteS,
tueil e§ eine« 3ufammeutreffen§ glüdlic^er Umftänbe bebarf
unb felbft bei ber tjö^ften 2lnlage be» betreffenben 3>olfe§
burd) äußere ^inberniffe gehemmt, ja geti)tet raerben !ann.
(S« t)at bi^iueilen — man benfe an ha§i englifc^e 3:i;eater unb
bie englifc^e 9?eüolution — feine töblidjen ^einbe, wa?> aber
nur roieber ein 33en)ei§ feiner 5lraft unb 9Bid)tigfeit ift. —
(rinc roefentlid)e S?orau«fe^ung für feine a)Jöglid)feit beftei)t
auc^ in ber ©inftenj üon 3luffüi}rungen unb 3:t)eatern. Um
be« bloßen Sefen« mitten märe ba§ ©rama nie entftanben.
®ie Slnlage jum ^ramatifc^en ftecft tief im 3)(enf(^en,
roie fc^on ba§ Urania ber ^albfutturuölfer Ui)xt, haä etma
burd^ Pantomimen mit ©e^eut unb ©i)mnaftif eine poffen=
^afte 9iac^al)mung be» 2öir!lid)en erftrebt.
®a« c^inefifc^e ®rama get)t uid)t über bürgerlid^en Stea*
Ii§mu§ I)inau§. 2Bo§ mir oon bem relatio fpät unb öietteidjt
erft auf grie^ifdie ©inroirfung t)in entftanbenen inbifdien
fennen, ift eine ^unftpoefie von furjer 33lüteäeit ^); ber Ur*
fprung ift ^roax aud) I)ier ein religiöfer, bie ^-efte be!3 SBifc^nu^
bienfte«; aber man brachte e« ju feinem ^ijeater. ©eine
^auptbefc^ränfung — unb in biefer 33efd)ränfung ift el letjr*

>) 3)ic ©tünbe feiner nur mäfiigen entroidelung f. bei SBeber,


Sßeltgefc^. I, ®. 309 ff.
4- Zur gelcbiditlicben ßetra^tung der pociie. Zo

xtiä) — befteljt in bem geringen 25>ett, ber auf ba§ Grben-^


(eben unb befl'en Rämpit gelegt rairb, unb in bem mangeln'
ben :öeiuuf5tiein einer ftarfen, mit bem Sc^idfal ringenben
•Jl^eriönliitfeit.
3)a5 attif^e ^rama bagegen wirft Ströme oon Sirfjt
Quf ba§ ganje attifdje \[n\) griecf)ifc^e ®afein.
3unärf)ft max bie 3luffüljrung eine fosiale 2lngelegent)eit
crften ^Jiangel, agonal im l}örf;ften Sinne, bie 5)iitter im 2Bett=
[treit untereinanber, wa^i bann freilief) alcbalb jum 3)iitbeiüerb
üon Dilettanten ^) fülirte. Unb fobann i)at man e§ l;ier in
bejug auf ©toff unb Se^anblung mit jener mijfteriöfen ent--
fteljung ber Xragöbie „an§> bem (^5eifte ber 3)hifif" ju tun.
S)er ^:V^rotagonift bleibt ein äBeitert^att be§ 3)ioni)fo^, unb ber
ganje 3nl;alt ift nur aJh)ti)o§, mit 5i?ermeibung ber fid^ öfter
I)eranbrängenben ©efc^ic^te. ©5 ^errfdjt ein fefter 2ßille, ba^
3)tenfc{)lirf)e nur in tijpifrfien, nic^t in nnrfüd)feit»gemä&en
©eftalten jur 2)arfteUung ju bringen unb, bamit üerbunben,
bie Ueberjeugung uon ber Unerfdjöpflic^feit ber göttli($'
l^eroif^en ^.'orseit.
aöae brandete e§ ferner, biö aug ben flcinen bionyfifc^en
33egel)ungen eine alte attifc^e 5lomöbie mürbe, jene^ roefentlid^e
fiebengorgan einer geiftig unerhört aufgeregten Seit unb ©tabt!
(Sie ift auf ein fpätere» Theater nicf)t uerpflanjbar; fovmo»
politifc^ mitteilbar maren erft bie mittlere unb neuere Ro--
möbie mit ©tänbefomif unb ßiebe^intrigue. 2)iefe gingen ju
ben ^{ömern über unb bilbeten eublid) bie 33afi§ aud^ be§
neueren ifuftfpicls, finb aber nirgenb» mefentlic^e Seben£^=
Organe geroorben, ot)ne meiere man fid) bie 3>ölfer nidit benfen
fönnte. 53ei ben 9?ömern mar ba-? ^l;eater obnetjin frülje
bie Stätte einer abgeftumpften 3d;auluft, meldte ber Xob ber
bramatifdien "^oefie ift.
211^ fie im a^iittelalter roieber erroad)tc, mar nur @eift=
lic^eg al§ (Stoff möglich. 2)al antife 2t)eater mar feit ben

') 3)cr uvnta utio((/.i"/.'/.uc bei 3(riftop^. 5'^öfc^e 80 f.


tb II. Von den drei Potcnjcn.

.ÜirdiouDäteru in ticffter 'l^el•bammlli'? , bte ©rfinufpielov


(histriones) iDareii 5111111- norlianben, aber fo gut une eI)rlo§'t.
a)inu fpielte alfo in ben .Silöftcrn unb bann and) in beii
©tobten in Mirdicu obov auf freien 'iplät^en äl^eiI)und)t'o:= unb
Cftcvipiele (huli de nativitate Doinini, ludi paschales).
So foiiiiut eine :)ieIii3ion, meldie ben Tvang i)at, fid) (in
3iiflen iuin ^Dhilereien, S|5ortalfhitpturen, ^enftern u. f. to.)
taufenbfad) bilblid) au^jjuprägen, in üöüig naiucv il'eife aud)
auf bie Tramatifierung bei* ^eiligen (>'^efd)id)te unb iiegeube;
non i()ren t()eoIogifd)en i^enfern au^i gefeüt fid) and) ein ftarfer
alIegovifd)ev ^^eftanbteil ^inju.
^Tabei mar man aber im 33erg(eid) mit ber ©teüung
ber attifd)en ^ragöbie jum 2Jhjt{)u§ unb feiner freien ^iel»
geftaltigfeit unfrei. 2)ie attifc^e 2:rQgöbie roottte baä allgemein
3)tenfd)Iid)e in ibealen ©eftatten fpred)en laffen ; ba§ 9rn)fterium
(eigentlid) ministeriimi) be§ a)iitte(alter§ mar unb blieb ein
©tüd be§ 5lu(tu§ unb an eine beftimmte @efd)id}te gebunben.
Sie 2®eltlid)feit ber ©d)aufpieter ('Bürger unb ^anb'
roerfer) unb ber 3iifd)auer begnügte fid) auf bie Sänge un--
möglid) t)iermit; eSentftanb biea(Iegorifd)^fatirifd)e„9}ioralität",
el famen aud^ bie ©tüde an§ bem alten Xeftament unb ou§
ber profanen ©efdjic^te, unb in bie tieilige 6)efd)id;te felbft
brängten fid) ©enrefjenen, felbft foldje unflätiger 3(rt, Ijinein,
bi§ enblic^ ber ©c^roanf u. f. w. \id) aU befonbere ©attung
lostrennen fonnte.
2Öäl)renb beffen oolläog fid; in ^talkn bie ^Trennung
oom 9}ii)fterium mefentlid) burd) 9kd)bilbung ber antifen
^ragöbie unb burd) eine äufeerlid) an ^lautuS unb S^erenj
ongeteljnte ^omöbie. Unb nun fam mit ber ß^it überall ber
Uebergang uon ber gelegentlid)en feftlic^en 3luffül;rung jur
regelmäßigen, gef{^äftlid)en , Dom ©piel ber 53ürger ju bem
ber ©diaufpieler.

^) Capitulare anni 789. — 2lu^ ©t. 2'f)omo§ oon Slquino äußert


fid^ in biefem ©inne.
4- Zur gclcbicbtlichen BctraAtung der poelic. 7C

SBenn mir nun fragen, roie roeit unb in rocli^em Sinne


ba5 ^(leoter bei beu Derfcöiebeneu 'isötfern bc§ Dfjibent^
national ober roenigften^ populär geiüorben fei, fo l)älten roir
5unäd)ft uneber aw Italien 511 beiifen. 2(ber beu fpätem
;3talienern lunr tro^j bev uotorifdi groBen Sdjüufpielcrbcgabung
ber 'Station bie 'iMüte be^ ernften Srama^ uerfagt; an feine
SteQe trat bie Cper. Slnberemo blieb ber ©tanb bor Sdiau»
fpieler uneljrlid) unb ba^er aud) bie teilneljmenben 3d)id)ten
im -^vublifuni fraglid); ba^ 53eifpiel ber ^öfe Ijalf nid)t jeber-
mann über bie 53ebenten l^inraeg. ©elbft St)afefpeare^ ©tel>
lung war (nad) 'Jiünieliny 9{efultaten) aufjerorbentlid) bebingt.
S)a^ englifdje !Il)eater luar auf üoubott unb 'btw ^of be<
fdiränft, womit fd)on ber 2lnfprud) auf ben ^erniinug
„9iationalbiil)ne" wegfällt, in l'onbon feibft aber üom befferen
Sürgerftanb gemieben, geljalten bloB yon uorneljmen jungen
§errn unb uon ben geringeren erwerbenben i^laffcn, töblic^
gel;aBt non benjeuigen, welche balö ben gangen ©taat in bie
^änbe befommen follten. Unb S^afefpeareiS eigene brama-
tifdie 5iid)tung follte nod) üorljer burd) eine anbere (bie 6^a=-
rafterfomöbie be^ Söeaumont unb g-letd^er) üerbrängt werben.
2Siel nationaler in allen feinen 9tid)tungen (mit (Sin=
fd)lu§ ber autos sagramentales), bierir. ba^^ üoUe ©egenbÜb
be» gried)i|c^en, ift bag fpanifil^e Srama, fo ba^ man fic^
bie Diation o^ne basfelbe md)t benfen fönnte. S)er ^of
l^atte jwar aud) feine 2:ruppe; aber \>a^ ^lieater bing nic^t
Dom i^of, aud) nid)t com iiwxui ber großen ©täbte, fonbern
oom ©efd^made ber 9ktion ah, in welcher fd)aufpielerifc^e
Begabung übrigen? a\\.6) ftarf öerbreitet ift. ^-erner waren
bie Slutosi bleibenb (unb jwar bil in unfer ^aljr^unbert
tjinein) mit bem ^ultu^ oerfuüpft, wa§ nidit t)inberte, ba§
fie in ein fel)r reid)lic^ repräfentierte^ Suftfpiel moberner @e»
ftalten ausmünbeten.
2Ba^ ba§ europäifc^e ®rama unb ^Tlieater im XVIII.
5a{)r^unbert betrifft, fo fäÜt feine 3^epopularifierung unb
wac^fenbe 58efd)ränfung auf größere (Stäbte (in Jranfreicl
78 II. Von den drei Potcnjen.

faft nur Sßax'hi) in bie 'klugen. S^iöl^fif^ ober treten je^t be»
rühmte ^d)auf;ne(er, balb uou europnifc^em 9iiife, {jcrüor.
®ie nnvflicben 3luftii()nmgen inib bereu ^iebürfnisi? fangen
an, uon bem bramatifdjen Sdjaffeu übermogen ju merben,
fo bnfe bn5 :i)rnma eine fiiteraturgattung QU)3erl;alb ber
«Sjene wirb, wie ja nud) bal fpätere 3lt()en :^eie- ober
uienigften^? ^iejitierbramen gel)ttbt l)ntte. (Snbüd) melbet fid;
in bcr brantatifdjen i'iteratur (mit 2)iberot u. n.) ha§> Xm»
benjiöfe.
^m XIX. 3nl)r()nnbert unb fpejiell in ber ©egenn^art
fteüt fid) btv5 ^tieater ali 3ei"ftieuung§ort bar, foroot)l für
bie Strogen al% für bie 9Jtübegearbeiteten. ©eine Slonfuf
renken im S^reiben ber großen Stäbte finb ba§ (Speftafelftüd,
bie j^-eerie unb befouberfo bie Oper. ®ie ^f)eater werben
riefig grofe, unb feinere ^^isirhingen werben fd)on t)ierburd) oft
üerbannt; bie grelleren bramatifdjen ®ffe!te finb beliebt unb
werben noc^ übertrieben; ha§> ©rama ift jum ©efdjäft ge-
worben, wie je^t ber 9tomnn unb nod^ fo üiele§, ha§> noc^
i^iteratur t)eiBt.
Safür wiffen wir aber tl;eoretifd} beffer, roa^ in ber
ganjen bramatifc^en ^oefie gut war unb warum.
graglid) ift aber t)eute überljaupt, wie weit ber @eift
ber mobernen Aktionen nad) i^rem Sebürfni§ ju beurteilen
fei, dn objefliueS ^bealbilb be§ 2eben§ oon ber Sjene ^er
in fid) aufäunel)men.

^icr mögen nun nod) einige 2Borte gur gefd)ic^tlic^en Se«


traditung ber übrigen ilünfte angefdjioffen werben, wobei
wir atlerbingg öom 5yerl;ältni§ ber jeiueiligen a}?enfd)t)eit jur
9)hifif abfet)en wollen, ha§> wieber eine aBeÜ für fid) ift.
eine foldje ift aber auc^ if)r 33erl)ä(tnt§ ju ben bilben--
hin itünften, unb e§ ertjebt fid) bie ^yrage: 2Bie fpridjt bie
©efdiic^te burc^ bie ^unft?
(gg gefc^ief)t bie§ üor aQem burc^ ba§ 33auIid)»2)?onu=
mentale, welches ber willentliche 2luebrurf ber a)la^t ift.
4. Zur gcjthicbtlidien Betrachtung der ßoclie. 79

fei e§ im -IRamen bc§ (Staate^ ober bem ber 9]eIigion. 9t6er


man fnnii firf) mit einem Stoneljenge begnügen, roenn nid)!
in bcm betreffenben $lsoIfc bac 33ebürfnie r)orl)anben ift, in
^•ormen jn ün-ecl)en.
Turcf) biee il^ebürfnif^ enl|lel)en bie 8tile ; aber ber 2Beg
nom religiöc:monnmenta(en SBüIlen biio jum i^oübringen, bi§
IM einem ^'artf;enon unb Kölner 5)om ift ein meiter.
Unb bann melbet [id; ba§ 9J(onnmentaIe in Sc^tofe, '^aiait,
3?iIIa u. f. m. anrf) al§ ijebenelup'o. (Se ift (jier gugleic^ 2lu§'
brncf nnb roieberum Slnregnng beftimmter ©limmnngen, beim
33ent^er jenee, beim 33eHi)aner biefe».
So fpricf)t ber (Et)arafter ganjer yjationen, 5lnlluren
nnb 3eiten qu§ i^rem ©efamtbanroefen aU ber äußeren ^ütle
i(;re§ ^T'aiein!?.

SDie ^unft ift in ben religiöfen, monumentalen, naioen


3eiten bie unoermeiblidjc gorm allel beffen, ma^ für ben
a)?enfd)en (jeilig ober mäd)tig ift, unb fo prägt fic^ auc^ in
Sfulptur unb 'Ilcalerei uor allem bie 9ieligion an^i, unb
3roar erftlid) in ^ppen, inbem 3Iegi)pter, Crientalen, ©riechen,
^Mittelalter unb neuere Äunft ba5 ©öttlic^e ober roenigften^^
bQ§ i^eilige jebeemal in ber iljuen gemäßen ©eftatt einer er=
l)öi)Un iltenfitljcit barftetlen, unb jmeiten^ in ^giftorien, mobei
bie Äunft ju bem 3mecf entfiel)!, bog äöort in ber erjä^lung
be§ aj?9tl)u§, ber l)eiligen ©efd^ic^te nnb Segenbe gleid)fam
abgulöfen. Tiee finb il)re größten, banernben, unerfd;öpflicl)en
2luf gaben, an meldjen fid) iljr 2)iaf;ftab übert)aupt au!jbilbet,
roo fie fennen lernt, ma:§ fie fann.
3lber and; bier, in Sfulptnr unb 9JiaIerei, roirb bann
bie 5lunft l'ebeueluiuÄ; eS entfteljt eine profane i^unft, jum
2eil n)eltlid)=monumental, im ^ienfte ber ^laä)t, jum ^eil
im ^ienfte bcy 9Jeid}tumc- ; Dtebengattungen mie ^^orträt,
©eure, iilanbfc^aft Ibfen fid) ab, befonbern einjelnen ^^ermögen
unb iöcftellern entfpred^enb ; and) i)kv mirb bie ^unft 2lnö=
brud non (Stimmungen unb Slnregung ju foidien.
80 II, Von den drei Potenjen.

^n bell abijeleitetcu ober ©pätjeiteu fobann glaubt ber


3Jien)d), bie ibnift bienc iljm; er braucfit fie jur ^radit unb
beutet biemeileu mel)r it)re 9Jebeu= uub Sierformen ali il;re
4^auptformeu aibi; ja [ie luirb ©egeuftaub von 3eitocrtreib
uub üou @efc{}n)ä^.
Diebeu bem adem aber unrb fie fic^ iljrer t)ol)eu Stelluug
beunifet aU eiue ^JJia^t uub ilraft für fid), raelc^e uur ber
3tuläffe uub flüd)tit3er i^erüt)ruugeu au5 beui 2tUn bebarf,
bauu aber oou fid; au§ eiu ^ödiftec^ üerunrflidjt.
^a^5 ^uuerocrben biefeS geiualtigeu 9Jh)fteriuui§ ift e§,
tt)a§ lUhi bie ^:^^erfou be« gro^eu ilüuftler^, iu roeldiem fic^
bie§ aUe^ uoüäietit, iu fo gewaltige §öt)e uub gerne rüdt,
ob uuu ber 2lu^brud ber eiue^ uumittelbareu $8olf^geiftel,
einer 9teligiou, eine^ ^göc^fteu, ha^ einft gei)errfc^t — ober
eine ganj freie ©diroiugung eiue§ inbioibueHen ©eiftel fei.
datier bie magifcbe ©eroatt (unb t)eute bie ^oben greife) ber
Criginale.
in.

Die Betradftung öer jed)$ BeMitgtlfeltett.

Sie Setrorfitung ber fec^g 58ebtngt()eiten ift o^nc fijftc=


matifc^eu Sßert, ja fad^lid^ be^^olb bebenflic^, weil 33ebingen
unb Sebingtfein fo rafd) unb unmerfüc^ niiteinanber raed^--
fein unb ba^ TOcfentlicf) :lsort)errfd)enbe bisweilen faum ju
ermitteln ift, jumal in längftuergangenen Seiten.
3taein biefe 2Inorbnung ift ein ganj geeignete^ ©epufe
für eine Hnja^l gefrf)icbtlic^er 33eobac^tungen bes t}erfc{)iebenften
^Jiange^ unb an§> aüen Seiten, welche einen geiuiffen SBert
ber Betrachtung I^aben unb boc^ fonft nic^t unterzubringen
roären. ©ie ift — um ein anbere» Silb ju brauchen —
nur berjenige Stoß an ba§ SBoffergla^, ber bie (giefriftaÜe
anfdjiefeen mad)t.
2)ie ©efdjic^te ift ja überi)aupt bie unroiffenfd^oftU^fte
aller ®ifientc^aften , nur baf, fie oiel SBiffenS m ü r b i g e §
überliefert. (Ed)arfe Begriffebeftimmungen geljören in bie
Xiogif, aber nic^t in fie, roo nUeg fc^roebenb unb in beftänbigen
Uebergängeu unb 3)nfc^ungen eriftiert. ^^lnlofopt)ifrf)e unb
l)iftorifcl)e 33egriffe finb luefentlid) oerfrfiiebener 2lrt unb uer*
fdiiebenen Urfprungö ; jene muffen fo feft unb gefcf)loffen al§
möglid), biefe fo flüffig unb offen qI§ möglid) gefaxt raerben.
So mag benn gerabe bie fi)ftematifd^e .'öarmlofigfeit biefe
SInorbnung empfehlen. Öeiüäl)rt bod) ber rafdie Uebergang
öon Seit, refp. 5l>oIf ju anberen Seiten unb ^^ölfern n)irf=
ffleltget(^ic^tll(^e Sctrac^tunßen. 6
82 III. Die Bctraditung der jedis Bedingtheiten.

Ii($c parallelen, \mi- bie d;ronologif(^ Derfaljrenbe @t\d)iä)i§'


pbiIofop()ic nic^t gewcil^rt. 2)iefe legt mcl;r ©eroid^t ouf bie
Ci^egenfä^e 5unfc^en ben aufeinanbergefolgten ^^i^^^i «"^
il^ölfevn, inir meljv auf bie ^beutitäten iiiib ^enuanbtld)aften;
bort Ijanbelt e§ firf) me^r um ba§ 2Inber^tüerben, ^ier um
ba§ 3leljulid)lein.
Ül'eit au^einanber entlegen jeigt fid) baSfelbe 'S|.U)änomen
biemeilen in befremblict genauer 'iöieberl)ohing menigfienS
bem ^erne nac^, raenn auc^ unter fet)r oerfdjiebenem Sloftüm.
@ar nichts ()at je nid^t bebingt e^-iftiert ober bloB be*
bingenb, unb gleidijeitig ^errfdjt in einer Sejiel^ung ba§ eine,
in anberer 33e5ieE)ung ba§ anbere üor unb beftimnit ba§
Sebeu; t§> l)anbelt fid^ überall um ein blo^e^ a potiori, um
ba§ lebeSmaUge '^or^errfc^enbe.
©d)einbar bie swedmä^igfte Stnorbnung raäre: 1. Kultur
bebingt oon Staat, 2. ©taat bebingt üon Kultur, 3. Kultur
bebingt üon l^eligion, 4. 9ieIigion bebingt oon Kultur,
5. ©toat bebingt üon Üieligion, 6. Dieligion bebingt üou
©taat, mobei ber 5ßorteil märe, talß jebegmal bie ©adie it;reii
Umfd^Iag in ben ©egenfa^ mit fidi ()ätte.
3IIIein größere ^Isorteile bietet biejenige 2lnorbnung, meiere
je bie beiben 33ebingt(}eiten einer '^^otenj sufammenftettt, be»
ginnenb mit benjenigen ber Kultur, worauf bie beg (Staate^
unb enblid) bie ber Sf^eligion folgen. (g§ ift ein meljr d)ronologifc^e§
'^erfal)ren, mobei — obiuo^l Ijierauf fein ©eraidjt ju legen
ift — raenigftenS en bloc \)a§> grilliere an ben 2lnfang unb
ba§ (Spätere an» ©übe fommt.
©erne begnügen wir un§ babei mit ber einfadjen ^er-
fe|ung unb laffen ba§ gleichzeitige boppelte 33ebingtfein üon
X burd) Y unb Z au§ bem Spiel. SBieber^olungen aber
finb bei unferem Tijema, bie 2tnorbnung mag fein, rael(^e fie
min, unuermeiblid).
1. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durd) den Staat. 83

J. Die Kultur tu if?rcr 3c6tn0tl}eit ^urcf? bcn


Staat,
2Bir fef)en roieber üou aMi Stnfängen ab iinb laffcn
felbft bie g-rage liegen, ob Staat ober Mulluv früljer, ober
ob beibe miteinauber eutftauben ju benfen fiub. %ud) fontten
mir bie ^-rage, toie weit ba^^ 3te(f)t ein ^Jtefler be§ Staate^
in bie 5!ultur Ijinein fei, ()ier blo& aufroerfen. 2)a eg bei
faft uöüiger 3lbn)efen[)eit be^5 etaate^S unb oljne Xroft uon
biefer Seite boc^ als blofee ©itte (s- 33. bei ben alten ©er»
manen) ftarf fein fann, läge e§ nal)e, biefen nid)t al'? feine
einzige ^i^orau^fetuing ju betrachten.
gerner: mir befdjränfen un§ auf iuirflid)e Äulturftaaten
unb fel)en ah 5. 33. oon 9}omaben, roelcbe fid) ftelleniueife, an
einjelnen Tauf($plä^en, ilüftenplä^en ufro. mit ber 5^ultur
einlafjen, unb ebenfo oon ©efolgftaaten mit einer 2lrt §alb=
fultur, mie fie 5. 33. bie Gelten Ijatten.
^J^aÄ .Qauptbilb bietet für un^ unftreitig 2legi)vten, wtU
d)t§> üiel!eirf}t Ur= unb a>orbilb ber übrigen alten afiatifdjen
2^efpotieu mar, unb bann üergleid)§roeife 3J?ej:ifo unb ^eru.
2So irgenb eine üollftänbige, bis ju nerfeinertem Stäbte»
leben burd)gebrungene Kultur fidj finbet, ba ift in fold)en
frül)eren Stabien ber Staat immer ber uiel ftärfere ^Teil,
ob auc^ ber ältere, mag, roie gefagt, DöUig auf fid^ beruben
bleiben.
Gr bat üieaeid)t nod) bae beutlidie Slnbenten für fid),
ba6 er mit ungeheurer W\i)t burd) taufenbfäl^rige Sin»
ftrengungen unb unter fc^rerflid)en Kämpfen suftanbe gefommcn
unb buvd)au§ nid)t eine fid) üon felbft oerftebenbe, fpoutane
Rriftaüifalion ift; bie 3ieligion oerftärft \i)n burd; ein l)eilige§
9ied)t unb üerleif)t il)m eine ganj unbebingte ^errfd^aft; atle§
ili^iffen unb Teufen mie atte pbi)fifd)e 5lraft unb ^sracbt ift
in ben :?ienft biefer Xoppelmad)t gesogen; bie l)öd)fte o"'
teüigenj — ^^riefter, ei)albäer, ^«agier — umftel)t ben Xl)ron.
84: JII- Di« Betrachtung der fecbs Bedingtheiten.

®a§ beutlid^e 5leimjeirf)eu ber ^errfdioft über bie Kultur


liegt nun in bem einfeitigen ^Rirfiten unb ©tillftellen berfelben.
©oroeit bie'g biird; bie Steligiou gefd)iel)t tüirb im näc^ften
Kapitel baüou bie 9iebe fein. Sldein aiic^ ber ©taat olg
folc^er §at feinen ^eil baran.
^ier^er get)ört bie ^rage oom obgefc^Ioffenen S3er!el;r.
3ft berfelbe meljr Stoot^Sgebot ober Ijat er feinen ©runb
niel)r in nationalem ^od^mut ober met)r in inftinftioem ^a§,
^ur^t unb äßiberroiaen?^) 5)ie Kultur an unb für fid) ^ätte
bie 9?eigung, fic^ mitjuteilen unb ausigugleicfien; aber ber
^ulturftaat i)at fooiel ge!oftet, bi§ SlüeS in Ieiblid;er Drbnung
war, ba§ man oon bronzen nur ©törung unb nid^t^ ©uteä
erwartet.
2Bo biefe ©innesomeife primitio t)or£)anben ift, rcirb ber
©taat fie mit ber 36it geroi^ gefe^lid) fgftematifieren.
^^v beut(id)fte§ B^^d^^n ^f* ^ie Slbroefentieit ber ©(^iff»
fal^rt bei ^üftenoölfern, mie bie 2(egijpter unb 2l?ei-iEaner
rcaren, loäljrenb boc^ fc^on Dkturoölfer (wie ha§> ber 2lntillen
üor 5loIumbu§) biefe befi^en. ^n 2legt}pten eriftierte bafür
eine fe^r ooHfommene 9Ulfd)iffaljrt; bie ^erfer aber oerfatien
fogar ben ganzen unteren ^igri^ mit lauter fünftlid)en Äata^
ra!ten, bamit feine frembe flotte in it)r X'anb bränge"^).
2öag bie ^afteneinri^tung betrifft, fo Ijat )k oieHeidit
boppelten Urfprung: ^riefter unb Krieger mögen gegeben
geroefen fein, unb stoar fc^on bei @ntftel)ung be^3 (Staate!;
bie übrigen, ben anberen 33efd^äftigungen entfpred^enben haften
aber fdieinen eine fpätere ©inrid^tung gn fein. Unb jmar l)at
ba§ ©ntfdieibenbe, ba^ jeber an bie Sefdiäftigung feinel
33ater§ gebunben mar, raot;! eljer ber (Staat angeorbnet aU

') 2ßir erinnern baran, ba^ hospes unb hostis oom gteid^en
©tamme fommt,
^) Slrrion VII, 7, 7, ido erjä^It rcirb, icie Sllejanber l^ierüber
fpottete. — lieber ben Um[c^lag in 2legt)pten unter ^sfammetid) unb
ba§ bamoUge enorme ©ebei^en beg Sanbeö f. Gurtiuö, ®r. ®efc^. I,
345 ff.
1. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat. 85

bie ^vriefter; beim fäme e§ uou biefen §er, fo iinirbcn fte


and) ba§ ilonubium 5H)ifd)eu ben 5^aften aufgehoben l)aben,
mag, abgeietieit oon ben eine 3lrt 3(u§n)urf uorftetlenben
(Scbiueine^irteji , für 2legi)pten luenigftenS nid^t 311 beiüeifeu
ift, luäljrenb in ^ubien biefe 3(ufljebuug allevbingg befte{)t^j
3Iue biefer ftärfften "i^erneiuung be5 ^nbiDibuelleu ge^t
bann üielleic^t eine relatio ^of)e ^artialfnltur ^eröor, roeirfie
im Ted^nifc^en, in ber ererbten 'l^oüenbung äuBerIicf)er ©e^
fd)icflicbfeiten dkdjt l;abeu fonn (obgleid) auc^ Öeraebe, 2ifc^'
lerei, Wlüc- ufm. üöHig ftationär bleiben), im ©eiftigen
aber minbeftenc- StiÜftanb, ^kic{;ränfung, ^ünfel gegen außen
mit ficf) füfjrt. T^enn bei ber ^reiljeit be§ ^i^bioibuum^,
inelrfie t)ier gebrochen roirb, (jnnbelt es fid) ja nid}t um bie
SBiUfür 5U tun, raa» jebem beliebt, fonbcrn um bie ©darauf en»
lofigfeit be? (Srfonneng nnb -üiitteilen^ unb ben freien Xrieb
be§ 5d)affen§, unb biel ift e^, mac^ nun geljemmt mirb.
5)amit ging freilid^ §anb in ^anb, ha^ o^ne 3^^^if^f
bie beiben oberen Sla^kn nud) bie l)bl)ere Äunft unb SBiffen»
fdiaft in 3legi)pteu einft gemaltfam ftiüfteQten, inbem [ie fie
auf bie bebenflidjfte äBeife für Ijeilig erflärten. T'er 6tQat
mit Ijeiligem 9^ed)t fafete bamit ba§ erlaubte SBiffen unb bie
erlaubte Kunft in ein (Ei)ftem unb faffierte ba§ SBefentlic^fte
für eine beftimmte Äafte ein, tuobei bie Äunft freiließ fort»
fut)r, bem ^errfrf)ertum auf alle äl^eife unb mit l}öd)fter :gin'
gebung ju bleuen; ik erhielte babei bie l;öd)ften Sleufeerungen
beg 3JJonumentalen unb innerhalb bc§ einmal ©tiHgefteüten
bie l)ö(^fte 8id)erl)eit be§ Stil», ober allerbing§ üerbunben
mit langfamem inneren 3lbfterben unb Unfäljigfeit ber $ßer=
jüngung.
®a5 mag ber ©taat auc^ bei ben 2lffi)rern, Sabi)loniern,
'i'erfem ufiu. alles getan l)aben, um ba§ 2luftommen beä
^nbiüibuellen ju üerl)inbern, roeld^eS bamal^ für fo uiel als
baä S3öfe gegolten tiaben roirb? Der l;öd)ften 2Bat)rfc^einlid^feit
') §ier [inb bie ^auptfaften: bie SSaiciaä unb Subra^, bie gro^e
aWaffe ber 2lrier unb 9?ic^taner.
86 III, Die Betrachtung der fedis Bedingtheiten.

naci^ i)at e» an allen ©nbeu, lialb ba balb bort, emporfommen


wollen unb ift ben bürgerlid;en unb religiöfen Sd^ranfen,
5^aftencinrirf)tungen \i\m. erlegen, oljne eine Spur liinter^
laffen ju fönnen. 3)ie gröfUen tedjnifdjen unb fünftterifcfien
@enic§ oermod^ten an ben ganj ungefd)lad}ten SlönigSburgen
üon 9Hniüe nid;t§ ju änbern; bie elenbe Einlage unb bie
fned)tif(^e ©fulptur regierten bie ^a(;rl;unberte fiinburd) weiter.
9iid^t QuC-gefc^loffen mod)te etioo am% pofitioer 3^^^9
■fein ; eg tarn möglid^ermeife fdjon in ben alten 2Beltmonard;ien
au(^ ein ^sl)änonien im ©inne S\itkx§> hz^ ©ro^en üor, in*
t)em ein S)efpot feinem 'i>olfe gegen beffen 9tatur eine anber-3=
roolier erlernte Kultur auferlegte unb eg groang, eine 3Belt»
mad^t gu werben.

^m ©egenfa^e ju biefen 2)efpotien fteljt, nac^bem ein*


mal ein tatfäd)lid)e§, wenn and) md)t auf ewig feftgefteüte^
^üftenwefen unb etwaige^ l)eiltge» 9ted)t überwunben war,
bie freie ^olt§ ber flaffif d)en 9Belt, weld)e iljre einzig be»
!annten $8orgängerinnen in ben pl;öni5ifd^en ©tobten ^at.
^n il)r fommt ha§> 5öiele unb -lUelartige, in 2öanbelung SSe»
griffene, fid) felbft ^iffenbe, ^i^ergleic^enbe unb 33efd)reibenbe
§ur ©eltung, unb e^ finb feine l)eiltgen S3üc^er mit feftgeftettter
©taat^boftrin unb Slultur oorl)anben. ^ier ift wenigftenS bie
S3efd^äftigung unabl)öngig üon ber ©eburt; bie blo^ tec^nifc^e
ift jwar al:o banoufifd) gering gefd)ä^t, aber ber 2lderbau unb
meift auc^ ber iQanbel ftelien in ß^ren.
3war noc^ relatio fpdt wirft ber Orient ein unb fud)t
boS ^n^iüibuelle burc^ einen priefterlid)en 33unb ju bänbigen,
inbem er babei auf ben ©ebanfen be§ ^^nfeit^ in ber j^orm
ber 9Jietempfi)d;ofe baut; aber ha^ SSalten be§ ^M;tl)agora§ in
Proton unb 9}ktapont l;at nur furjen (Srfolg.
2lllein com ©taate würbe bie J^ultur bod; in §ol)em
©rabe, pofitio unb negatin beftimmt unb bel)errfd^t, inbem
er üon jebem ©inselnen oor aEem üerlangte, ba§ er Bürger
fei. S^^er ©injelne i)atk 'üa^i @efüt)l, baß bie ^oli^ in
1. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat. 87

il)m lebe, ^iefe 9iIImad)t ber ^uili5 aber ift inefentUd^ oei'
f(^ie^ell üon ber mobernen 3taatÄüUmadjt. ^iefe luiü nur,
ha^ il;r niemanb luaterieE entroijc^e, jene roolltc, bo^ jeber
ü;r pofitiü Diene iinö niifcbte fid) be^^alb in ^lUele^, roag jet.t
bem o'ibiuibuum iiberlaiien bleibt.
:)iebenbrauBen fteljt ooUenbiS ©parta, mtid)t§> ben ^w-
ftanb einer alten Eroberung Üinftlic^ unb graufam aufredjt
|ält. ^giemon unb von ber inneren 3Iuet)öbhing bei fünft=
liebem ^^'atljOc unb beuniBteni 3ti(e be^ l'eben^ ift auc^ [eine
bejonDere Sorte von aucmärtiger ^olitif bebingt.
^ei ber (iutfenelung be§ ^nbiüibueüen jeigt nun ba'l
griec^ifdje Staat^oiuefen in Siebe unb ^aB eine ganj befonbere
^eftigfeit. 2)te ilultur erbält baljer gewaltige Stij^e. ^eber
33rud) ift furd^tbar unb füljrt oft 5U grauenooUen, auf 2lu5=
rottung bec (>)egner!§ gerid)teten ''|>arteifämpfen unb jur 2lu»'
treibung ganjer, befonbere- böc^ftgebilbeter Sc^id^ten ber ik'
oölferung. 3Illein ber i^ian^ tt^ iHutimee unb ber 33ilbung
überwiegt am @nbe bod) 3IEei§. 9lur in einem gried)if(^en
(Staal^ioefen erreid}ten alle ilräfte bec entfeffelten ^nöiüi=
buume jene Spannung unb Sdiroingung, meiere überall ba»
ipödifte 3U leiften geftattete. ^nimeiijin aber ift ju fagen,
bat5 bie ganje Äultur, befonbers i^unft unb 'ii?iffenfc^aft, unter
faltbaren 3:i)raunien 10 gut ober beffer 5U gebei^en pflegte
ai§> in ber ^reilieit; ja, ol)ne foli^e (bi^ioeilen ()unbertjät)rige)
^altepunfte Ijätte fie fd^ioerlid) il)re oolle §übe erreid)t; auc^
2Itl)en bcburfte feiner '^ififtratibenjeit.
^m allgemeinen mag fo oiel gelten: 2^ie burc^ bie
33ürgerpflid)ten bebingte ilultur mar jebenfatl'5 bem i^önnen
(unb 5mar einem unenblic^en unb febr intenfioen) günftiger
aly bem 'ii^iffen, roeldjC^S auf ruljigem Sammeln berutit. }^üx
(e^tere^ famen bann bie ©efpotenseiten unter ben 2)iabod)en
mit ibrein ftillgefteüten politifdjen ^ihen unb if)rer 3JiuBe,
ba '4-'ohjb (l)auptfäd)lic^ im ioiublid auf bie Öeograpljie) fagen
fonnte: „3Jad)bem bie i^iänncr ber 2at uon ber el)rgei5igen
S3efc^äfligung mit Ärieg unb '^olitif freigefommen finb, l)aben
88 111. Die BctraAtung der leAs Bedingtheiten.

fic einen 9lnlaf? genommen, fid) her luiffenfdjaftUd^en 33e=>


fd^äftignng jn mibmen"^).
^)toni rettete bann uor allem bie fämtlirf)cn .^ultnren
ber alten 3öelt, fo meit fie nod^ üorf)anben unb überl)aupt
5n retten maren. (S^S ift uor allem ©taat unb bebarf feiner
3ln|.ireifung feinet StubiunuS; bcnn l)ier enblid) ift bie ^oli§
erreidjt, meldte nid^t nur roie 3Itl)en im V. 3cil)r()unbert eine
5lUenteI uon 16—18 äitillionen «Seelen, fonbern mit ber 3^'*
bie )S>dt bel^errfc^t — unb jroar nid)t burd) bie ©taat^form
(benn mit biefer mar e§ in ben ^unbert 3a()ren oor ßäfar
etenb befteHt), fonbern burd^ ben ©taat§geift, burd^ ba§ über-
mäd)tige ^Isorurteil be§ ©injelnen, jur 2Belt§errfd)erei §u ge=
^ijren. ®ie ungel^eure ^raft ju 2(ngriff unb Üisiberftanb,
meldte oon ben Samniterfriegen U§> §um ^erfeu^frieg fid)
entiüidelt l)attt unb einen neuen 9tbfd)nitt ber SBeltgefd)id)le
(ba§ acofiaioddis be§ ^^oli;b) oerfünbete, loirftc nod^ immer
nad^ unb fc^lug nic^t blojs fpäter, wie 3lel)nlic^e§ bei ben
@ried)en, in üereinjelten flammen empor, fonbern baute fid^
gu einem ßäfar jufammen, raelc^er imftanbe mar, bie großen
SSerfäumniffe nad)jul)olen, dlom vox ber ^Bölferraanberung ju
retten unb e§ bonn ju überraättigen unb ju reorganifieren.
®a§ ^aiferreid^, ba§ bann folgt, ift jebenfaUg allen alten
2Beltmonard)ien enorm überlegen unb überl;aupt bie einjige,
melclie bei allen aJtängeln ben 9hmen cerbient. @§ fragt fid)
hierbei nicEit, ob 3Beltmonarc^ien überliaupt münfc^bar feien,
fonbern, ob bie römifc^e iljren ^wid, bie gro^e Stu^gleid^ung
ber alten Kulturen unb bie ^.Verbreitung be§ 6l)riftentum§,
roelc^el allein bereu ^auptteile gegenüber ben ©ermanen
retten fonute, erfüllt ijaht ober nic^t. Dl)ne bie ri^mifcfie
SSeltmonard^ie tjätte e§ feine i^ontinuitöt ber 33ilbung ge-
geben.
^öd)ft bebeutung^DoU ift, ha^ auä) ba§> jerriffene 9lctc^

0 ^ßolpb III, 59 unb XII, 28.


). Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat. 89

immer roicber jur ©in^eit f)inftrcbt; bei ber 5lrifi5 naö) 5^ero§
-Tobe r)erfte()t iit \\d) noc^ von felbft, bei berjenigen nad; beni
2^obe be^i ßommobul unb ^^ertinar tuirb fie burrf) geroaltige
Srf)lnc^teii gerettet; aber felbft itacb ben breif^ig Xijrannen
rairb ik nod) einmal auf^J glänjeubfte burd; 31ureliau Ijer-
gefleQt unb burd) feine 9?ad)folger gegen 5Ql)lreid^e Ufurpatoren
gefidiert. 3U§ ^'rätenfion erl)ebt fie fid) mieber bei ^uftinian,
aUi umgeftaltete ^sirtlidjfeit bei ^arl bem ©rof^en. Unb
bie» finb nid)t bloß förgebniffe ber 3JJad)tfud)t, fonbern bie
^eilc felber ftreben raieber jum ©anjen. 3"ä™if<^^it ift ^i^
Äird)e eiroadifen unb l)Qt ^liom üon ben 3tpoftelgrüfteu au§
in neuem Sinn alc $Ii>eltl)errin proflamiert.
SBenn mir nun naä) dlom^ 3]orbilbung ju biefer ge-
roaltigen 3lufgabe in feiner früljeren @efd^id)te fragen, fo
finben mir ein 33olf, bOiS faft auäf erliefe lid) in Staat, *»lrieg
unb 2((ferbau lebt, mit fel)r mäßiger 5lultur.
SDqS unerl)i)rte ©lud für bie äöeltfultur lag in bem
^f)it()elleni§mu§, ber bie 9^ömer bet)errfd)te — allerbingg ju^
gleid) mit einer beutlidien Sdieu uor bem auflöfenben fremben
©cifte. i^ljm tjerbanfen wir auÄfd)liefelid) bie 5lontinuität
ber geiftigen Ueberlieferung.
2)a§ 23erl;alten be§ römifc^en dlz\<i)§> gur .flultur an fid)
mar bann ein blofeeS ©efd^eljenlaffen. ©er Staat münfd}te
gemi^ eine allgemeine ^ätigfeit, fd^on um ber vectigalia
roillen, mufete fie aber nid)t fonberlic^ ju förbern. '){om gab
fid^ nur mit bem eigentlichen ^iegieren ah unb forgte blo^
bafür, ba§ 2llleg unb 2llle il)m jin^bar blieben.
©^ fdiaffte ber müben SBelt jur ^nt ber befferen ilaifer
ein ru^igeä ^riüatleben, nerl)ielt ficb gegen alle geiftigen 2:*inge
in praxi liberal unb gegen bie Mn\k günftig, foroeit fie p
feiner ältac^tuerljerrlidjung bienten.
Sc^led)te Äaifer morbeten bie 9?eid)en in 3bm unb ben
^^^roüinjen unb raubten ber Slultur itjre Sehirität, aber boc^
nur jeitroeife. Unb roenn Tomitian üiele di^hzn aulreuten
liefe, fo burfte man fie unter ^Trajan mobl mieber pflanjen.
90 III. Die Betrachtung der Ied)s Bedingtheiten.

So foiintcu fid^ unter ber faft attgemeinen S^olcvanj bie


Kulturen inib ^ieliiiionen auf bcu meiteu ^Territorien au^i'
gleid;en. ihilturjcrftörenb mirftc ba» 9ieicf) erft im IV.
;3al)rl;uubort burd^ [ein böfey ^-inaujfijftem ber i3Qftliarmad)ung
ber ^o)|e)fore§ für bie Steuern tl;re^ Drte§. ^olge baoon
luar felbft ^-(udjt ju ben ^krbaren, mä()reub jugleic^ nodj
uiele anbere Uebel (Sntuölferung l)en)orbrac^ten.

^errfcfiaft üou erobernben Barbaren über ^ulturuölfer


bauert bi<oiueileu feljr lang, ja eiuig, raie ba§ Söeifpiel ber
dürfen letirt. 2)aB biec^ in ben (Staaten ber 33ölfer =
rcan ber ung nidjt ber %aü max, l)at feinen ©runb in bem
Umftanb, baf? Gröberer unb Groberte nid)t religiös gefdjiebcn
blieben, unb ha^ fomit boö H'onubiuni unter ifjnen möglid)
war, auf beffen ©rab unb 3lrt in fold)en ^erijältniffen aU.z§>
anfommt. Ser neue Staat retarbierte nun aber bod^ bie
Kultur, uHTc nidjt immer ein Unglüd ift, unb gmar befonber§
burd) 9teugrünbung oon i^aften. ®ai)on loar bie eine, nämtid)
ber illeruÄ, gegeben unb «ererbt, bie anbere, ber an§i ben
©efolgfc^aften fieroorgegangene 3lbel, neu.
3roiid)eu unb neben biefen beibeu, bie if)re aparte 5lultur
l;aben, fommt nur mit größter a}iüt)e ber ^auptträger ber neuen
Kultur empor: ba§ Stäbteiüefen, raeldieS feit bem Untergong
be!§ römifd;en 9Ieic^e§ juerft mieber alle B'^^iQ^ ^^^ ilultur
üertritt unb feit bem XII. ^'iljttjuubert ben "gierardien fogar
bie 5^unft abnimmt; benn bie großen 2Berfe beS fpäteren
9)iitlelaltcr§ fiub üou 33ürgern gefdjaffen. Salb emanjipievt
fic§ bann in Italien aud) bie 2öiffenf(^aft üou ber Äirdie.
So fam eine 3eit, ba lauter einjelne J^leinftaaten , nämlid)
bie Slommuuen, bie allfeitige i\uüur oertraten, n5Öt)renb bie
fpejififdie 23ilbuug§roelt üou 2lbel unb Klerus im 2lbuel;men
begriffen unb bie §öfe nur ber Sammelpla^ be§ 3lbell waren.
§ier i)ahtn wir bie ßidjtfeite ber 3evftüdelung xmh ^lein»
ftaaterei uor un§, meldte ha§> mittelalterlidje £el)en§u)efen mit
fid; brad^te. 3luy bem farolingifdjen Staat batte fid) junädjft
1. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat. 9^

ein nationales unb jugleic^ ein prouinäialeS ©taat#tnm unb


hieben in nninberlid)er iserred)nung gcbilbet, hai ju greifen unD
äu tabeln g(eicl)mä&ig unnü^ ift. Unb bieS roar nun im illeinen
nieiteroecjautjen : alle möt3Uc{)en dkäjtt, au\ a\itn Stufen ber
^Mad^t, umrben gegen beftimmte ^l^erpflic{)tungen uerlieljen, fo
baB ein beftänbigeS iUfariereu l)errfcl)te, bei beni ber S3egriü
beä 2lmte5 uevbuftete. i24 luar bie erbenflidj unfidjerfte unb
unbel)ilflid)fte 3ht, uon irgenb einer ©attung oon ilapital
^Jienten, von 5l>ergebung i'ciftungen ju bejief)en, eine 3er>
ftüdelung unb 2lbleitung ber mad)\, mie [ie unjercm mad}t=
trunfenen ,3at)rl)unbevt aU Xorljeit unb Unglüd erfd^eincn
würbe, unb regieren in je^igeni ginne !önnte man bamit
aaerbingl nid)t. 2(ber 2)inge, bie gar feine 23ebeutung für
bie 5lultur iijrer 3eit t)aben, finb nid)t oon langer Stauer,
unb ba-S l'efjumefen ift üon langer 3^auer gemefen. Sie ba^
maiigen l'ienfd)en entmideiten am bamaligen 3^f^o^^ ^^)^^
^ugenben unb Untugenben; bie ^^erfönlidifeit fonnte fid; frei
geigen unb guten 3©iUeii betätigen unb barin lag \i)X "^ati^o^.
Unb nun l)at freilidj aud) in bm 3täbten bie fUiltur iljre
furdjtbaren ©diranfen in ber Slulartung be§ 3unf troef ens ;
allein M ift e^ hod) mefentlid) nid}t ber Staat, fonbern bie
Kultur felbft, meiere [idj in ©eftalt uon ilorporalionen be--
fdiränft.

9]un aber taud)t mit ilaifer ^riebrid) II. unb feinem


unteritalifd)en didd) ber moberne, sentralifierte ©eroaltftaat
auf, berutienb auf normonnifd)er S:i;rannenprariS unb mo'
Ijammebanifdien ä>orbilbern, mit furditbarer .^errfdiaft auc^
über bie iüiltur, befonber^ burd; bie ijanbelc-monopole, bie
er fid; uorbeljiilt — man beute nur au ^riebridjÄ eigenen
priuilegierten ^anbel nac^ bem ganjen 2)iittelmeer. — ^ier
mifc^t fid) ber Staat in alle ^:V"iiuatDerl)ältniffe, fo ha^ bie
föniglid)en ^üajuli fogar ben 3lrbeit£4ot)n regulieren; ju ber
alten 33cfteuerun9 oerfdiiebener Xäligfeiten tommt ein gaitjer
^aufc neuer unb feljr quälerifd^er ; mo bie Ginnel)mer nid)t
92 III, Die Betrachtung der lecbs Bedingtheiten.

Iiavt c[cmic[ [inö, fc^t ^-riebrüf) alt? Ie^tc§ SDrucfmittcI fara*


jeiiildio liiii uiib bebicnt firf) ^iileta fogar farajeni[d)er .[^uftitiarc;
mcv nid)t ju veditev ^n\ äablt, mu(5 auf bie Galeeren; in
fteuerüevuieioievnbc ©egenbeu (egt man bcutfc^c ober farn-
3eut)d)e (>)avnifiinen. Tciju fommen ein genaue? .^atafter»
mefen, gel)eime '^'olisei, 3uiaugsan(ei()en, ©rpreffungeu , 33er*
bot ber (ilje mit ^remben ot)ne fpejiefle @rlaubni§, ©tubien»
jurnng ber Unioerfität 9{eapel, jule^t 5öerfd)Iec^terung ber
lliünje unb ."gerauftrcibeu ber 3)tünopole, fo ba[5 uon ©atj,
©ifen, ©eibe u. f. lu. 75 '^svojent an ben ©taat fommen;
ba§ grot?e @eueraberbred)en aber ift bie fulturwibrige 2lb»
fperrung UiiteritalienS uom 3lbenblanbe. '^BUm möge nur
feine liberalen oijmpatljien mit biefem großen §of)enftaufen
l^aben !
^riebric^? SJac^foIger, bie italienifdjen Tyrannen, muffen
menigften? be^utfamer oerfatiren unb bie iserjmeiflung it)rer
Untertanen uermeiben. ^m ganzen übrigen (Suropa aber
bauert e? lange bi§ p biefer 5lonjentration ber Wa6)t
Unb roo fie eintritt, l)at man bann \>(n einen fid)ern ^Ok^ftab
bafür, mie roeit e§ il;r mit il;rer ^ e r o o r f)e b u n g b e g aih
gemeinen ^nlereffeS ernft ift; ba§ ^ennjeidjen ift, ba^
ber ©toat ba? 9ied)t oon feiner 3}tad)t auSfc^eibet, befonber?
bal ^-i§falifd)e objeftio beljanbelt unb ^rojeffe gegen ben
^i?fu§ unb Ilagen gegen feine 33eamten oor unabf)ängigen
©eric^tel)öfen gulä^t.

9Jur beiläufig fei l)ier Spanien? al§ einer rein auf»


brauc^enben unb jerftörenben , of)nef)in au^ SBeltlic^em unb
©eiftli^em anber? gemifd^ten 9)cad)t G-rmä§uung getan; bie
früljefte ^ollenbung be? mobernen Staate? mit f)ö(^fter
unb ftarf geübter 3niang?mad)t faft über alle Steige ber
^nliVLx finbet fic^ bei Subroig XIV. unb feinen 9lac|al)mern ^).
eigentlid) fc^on eine geroaltfame Steftauration gegen ben

1) SScrgl. Sucfle I, ©. 157—190.


1. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat. 93

auf
roQt)ren Seift bcr Seiten, ber l'eit bem XVI. 3|Qt)rf)unbert roar
poUtifcfio unb inteUeEtueÜe ^x^\\)dt l^injubrangen fd)ien,
biefe a)iad)t eiUftaiibeu buvrf) t>a^^ 33ünbnie bee fransöfifiten
AönicjtuniÄ mit bem römiid}en 3{ecl)t feit %4}\[\vv bem Schönen
unb mit ben balb auf bemofuatifd)e Utopien, balb auf ben
3tbiolutiömu§ getid)teten Gegriffen ber iHenaiffance. ©aju
nun-en bie fran5ö|ifd)e 3ieigung für ^Uei^förniigfeit, bie ©leid)^
gültigteit gegen ^euormunbung unD bie i>orliebe für eine
StQianj mit ber Hirc^e gefommen. A-reiUd^ wäre bie§ niet)r
mongoUfc^e aU abenblänbifc^e Ungetüm, roetc^e^ l'ubroig XIV.
Ijeißt, im i^cittelalter ertommunisiert roorben; jetü aber fonnte
er fid) aii allein bered)titjt unb aU 2lUeineigentümer von
Seibern unb Seelen gebärben.
ein grüßet Uebel ift, baf?, roo einer anfängt, bie anbern
f^on um it)rer Sid;ert)eit roillen nid)t jurücfbleiben bürfen.
Siefer aJJad;tftaat mürbe alfo nad) Gräften überall im Aleinen
unb ©rofeen nad)geabmt unb roid) bann aud) nic^t, all 2Iuf»
flärung unb 9teüolulion il)n mit ganj neuem ^nlialt erfüllten,
unb aUi er nid)t meljr i'ouil, fonbern ^Jiepublif l)ie§. (Srft
im XIX. ^a^rt)unbert nimmt, roie fpäter gezeigt roerben foll,
bie Kultur iljn fo meit ale möglid) in iljren Sienft, unb
e§ beginnt ber Streit barüber, roer ben anbern bebingen unb
beftimmen foUe, in meldjem Streit fic^ bie grofec l)eutige
Arifil bei ©taatebegriffi üolljietit.
®al baÄ i^erljältniÄ ju Qmnh unb iBerfel)r betrifft,
fo rourbe ba» Sijftem CSolbertI uon .^Lnibmig felbft ju reiner
Slulbeutung gemißbrauc^t. 61 gab Broanglinbuftrien, Bwangl»
hilturen, Smanglfolonien, eine ,3roang§marine — Tinge,
roorin bie beutfdien Sultane bem l^orbilbe nad) Äräften nad)'
eiferten, unb bod) rourbe 21tlel burd) ben aligemeinen ©rucf
unb bie erpreffung me^r jurüdgeljalten all beförbert; überall
roar bie roaljre :3i^itiatiüe abgefdinilten.
tiefte biefel Xreibenl finb nod; l)eute bie Sdiu^äoü'-
inbuftrien; fdieinbar ^anbelt ber Staat babei ber ^nbuftrie
ju ©efallen, eigentlich aber meint er nur fidj.
9-j(; III, Die Bctraditung der feAs Bedingtheiten.

S)abei geuuif)nle fiel) ber «Staat an eine geiyaltfnmc aui--


luärligc ^'olitif, nn gro^e fteljenbe ^cere itiib aiibere foft=
fvielige S'^^'^'^V^niittel aller 9lit, furj an ein feparatcS Veben,
tpcldie'? von feiner eigentUd^en Ijöl^eren 3(ufgalie uöllig ge-
fc{)ieben mar. (i-'3 ronrbc bloßer ober a}iad;tgenn^; ein ^feubo*
organi^^nni'? „an nnb für firf)".
Unb nnn ba§ 'iserl)äüni'3 jnm föeift. 33ei Vubiutg XIV.
fteljt üor allem nnb aliS ha?> große c^arafteriftifc^e (Sreigni^
feiner 9iegiernng ba bie 3lnfl)ebnng be§ (Sbift^ üon 3cante§
nnb bie große .'öiiö^ttot^ß^^^ii'^treibnng, ba§ gröfste 9)iolod)?-
opfer, ba'5 je einer „Sint)eit" ober eigentlich bem füniglid)en
ä^iadjtbegriff gebracht werben tft.
3nnäd)ft fteOt bann ber (Staat (mit bem Tetat c'est moi)
eine 2)oftr{n non fid) auf, meiere mit ber allgemeinen 2ßal)r'
^eit fontraftiert nnb im ©egenfat^ forool;! gnr Jlultnr all
felbft 5ur 9ieligion ftel)t^).
T^ann werben 9lu§fd)lief5ung nnb Seförberung fi^fte»
matifd) geljanbljabt unb erftere bi§, gur Sßerfolgung geroiffer
©attungen üon ©ebilbeten gefteigert, unb wen man nid}t
öerfolgt, bem uerleibet man boc^ bie freie Stegung.
2)abei fommt ber ©eift ber potitifc^en SOJai^t gefällig
entgegen. 9Ba§ fie nic^t erzwingt, tut man tl)r üon felbft
5U ©efallen, um il)re ©unft gu genießen. @§ mürbe fi^ an
biefer Stelle ein äöort über äßert unb Unmert aller aifabe^
mien fagen laffen.
Literatur unb felbft ^stjilofopbie werben in ber 33erl)err'
lidjung be5 Staate« wol)lbienerifcb unb bie ^unft woljlbiene^
rif($''monumental, ober fie fdjaffen bod) nur, roa§ lioffäljig ift.
3^er ©eift gel)t auf aüe Slrten an bie ^oft unb fi^miegt fid)
on ba§ „©egebene" ^). Dieben ber befolbeten nnb folbwün-
fd)cnben ^robuftion plt fid) bie freie nur noc^ bei ben @j:i*

^) 3Ran bcnfe aucf) an 3?apo[eDn§ catechisme de I'erapire unb


f^on an ba§ gottä^nUdie fpanifc^e Sönig^tum.
2) ^n neuerer 3eit treten aucf) SJerleger, refp. ^'ublifum an bie
©teile ber Siegenten.
I. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch den Staat. 95

(ierten unb aöenfaß'? nod) bei bcn Süeluftigern bc§ gemeinen

^ugleidi merben bie ^öfe ba§ 'i>orbilb einer ganjen


öefeHigfeit; il)r 05efc()macf ift bev allein entfcfieibenbe.
^■ernev l)ält ber Staat mit bev 3fit felber Setjranftalten
jeber 9ht nnb bulbet feine ^onfnrrenj, fo meit er nic^t etma
bie ber Mirc^e bulben muR. j^reilirf) fann er and} ba§
(>jei|'tige nicf)t gang ber Wefeüfctjaft übertaffcn, meil biefe jeit»
meife ermübet unb einjelne ^^^^^9^ untergeijen liefee, menn
nic^t ein ftärferer 9Bi(Ie fie aufredit erljielte. Uebert;aupt
fann er ja in müben, ü'äten 3^iten ber Dioterbe unb dloU
l'djirmer uon irgenb etma^ fein, ba§ jur £u(tur geljört unb
o^ne i^n ftürbe, roie benn in 2Imerifa, wo er fid) biefe 'Olufgabe
nid)t fet^t, iDianc^eio feljlt. TieiS ift bie fpäte 33ebingtt)eit üom
Staat unb ganj anberer 3lrt ali bie primitiüe.
2)ie a[Imäi)Ud)c ©eroöljnung an gäujUdie 33eöormunbung
aber tötet enblid) jebe ^nitiatioe; man erwartet alle» oom
Staat, raorau» bann bei ber erften S^erfc^iebung ber 2)tad)t
fid) ergibt, "t^a^ man aÜe^ uon it)m verlangt, i^m a\lt§>
aufbürbet. ä^on biefer neuen SBenbung, ba bie 5^ultur bem
Staat feine ^^rogramme fdjreibt (befonberc^ foW)e, bie eigentlid;
an bie ©efeUfc^aft ju abreffieren mären), it)n jum iLsermirf^
lid^er bcö SittUd)en unb jum allgemeinen Reifer madjen mill
unb feinen Segriff aufsS ftärffte änbert, mirb fpäter ju
fprec^en fein.
tiefem oHemi gegenüber beE)auptet fid) einftroeilen ge»
roaltfam ba» ©eroaüftaatstum unb §errfci^ertum mit ^ilfe
feiner Trabition unb mit feinen aufgefammelten 3}cac^tmitteln
unb baut auf bie Öemöt)nung. SDiefer bijuaftifc^e Central'
miüe ift unb bleibt aber etroa» ganj anbere>5, ali ber mittlere
öefamtmittc ber 3cationen fein mürbe, inbcm er bie 3)Jad;t=
anfammlung in einem ganj anbern 3inne üerftcbt.
^a» moberne treiben ber ^.Uilfer 3ur (iiuljeit unb ^um
©roBftaat — ber bann and), menn er (mie bie amerifanifd)e
Union) in feinem Seftanbe bebrotjt ift unb ber Trennung ju^
96 III. Die Betraditung der fecbs Bedingtheiten.

jufteueiit fcl)ctnt, mit beii äuJ3erfteu ^J)iittelii fein 33eifammen=


bleiben beliauvtet, ift einftweileu in feineu ©rünbeu nod)
[treitig unb ber 9lu§gani^ nin-^ bunfel.
,3uiav uierben ah^ ^^luecf u. n. and) geroilfe [)öd))tt i'isoQ*
enbungen ber i^ultur {aU roäre bieje ba^ Icitenbe ^rinsip)
nambaft gemarfit: fcf)ranfen(o[er 58ertel)r, ^reijügigfeit , ^x>
l^bbung nller iöeftrebungen burd) ^injutreten einer gefamt*
nationaten ÜBeil;e, i^onjentration be^ 33er§ettelten , großer
a}}el;riüert be>5 ^i^Sereinigten, 5i>ereinfarf)ung be^ ^omplisierten.
^a e^ gibt ^^-'fiffici genug, uield)e meinen, [ie würben hann
beul einmal uijüig geeinigten «Staat ba§ ^utturprogramni
fc^reibeu.
91 dein in erfter ^iuie raitt bie 9ktiou (fd)einbar ober
tüirflid}) uor aüem ma6)t 2)a§ fleinftaatlid)e ®afeiu wirb
wie eine bi§t;erige ©diaube perljorre^jieit; alle ^^ätigfeit für
basfelbe genügt beu treibeubeu ^n^ioibueu nic^t; mau witt
nur 5u etwa§ ©roBem gepren unb oerrät bamit beutlid),
baB bie 9Jiad)t ba^5 erfte, bie Slultur ^öd)ften§ ein ganj fefuu*
bäreS Biet ift. ©an^ befonber§ witt man beu ©efomtwitten
nad) außen geltenb machen, auberu 'i^ölferu jum Xro^e.
^at)er junäi^ft bie §offnungelofigfeit jeber ^^eäentrali^
fation, jeber freiwittigen 53efc^räufuug ber Wiad)t sugunften
be§ (ofaleu unb 5lulturleben§. 9Jtan fanu beu .Sentralwitten
gar nic^t ftarf genug l;abeu.
UuD nun ift bie 9JJad}t an fid) böfe, gleidjöiel wer fie
aulübe. ©ie ift fein 33e^arren, fonbern eine ©icr unb eo
ipso uuerfüttbar, bof)er in fic^ unglüdtic^ unb mufe atfo 9(nbere
unglüdUc^ madjen.
Unfeljlbar gerät man babei tu bie ^äube fowo^l e^r»
geiziger unb ertjaltungSbebürfttger 3)i)naftien als einzelner
„grofeer 9}tänuer" u. f. w., ba§ lieifet fold)er ilräfte, welchen ge-^
rabe an bem 2Beiterblül)eu ber Kultur am wenigften gelegen ift.
9lber wer bie Tiaäji witt unb wer bie Slultur witt, —
üietteic^t finb beibe blinbe Söerfseuge eines dritten, noc^ Un--
befaunteu.
2. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durd) die Religion. 97

2. Die ßxiltur in it^rer ^c6ingt{?eit ^uvdf öic


Hcli^ion.
^ot)e 3In)piü(f)e ^aben bie Dieligionen auf bie 9)iutter^
fd)Qtt über bie iUilturen, ja bie 3ieligion ift eine il^orbebingung
jebcr Ä^ultur, bie ben ::)iamen uerbient, unb fann fogar gerabeju
mit ber einsig üorI)Qnbenen ivultur juiammenfaEen.
3n}ar ent[precf)en fie jroei roefentlii^ üer)rf)iebenen SBe»
bürfniiTen, bem metapt)i;fifd)en unb bem geiftig^materieCen.
2lIIein in ber ii>irtHd)feit reißt ba§ eine baö anbere mit fic^
unb madjt ce fid) bienftbar.
6ine märf)tige 3ieligion entfaltet firf) in alle ®inge be§
Seben^ ijinein unb färbt auf jebe :)iegung be^ ©eifte^, auf
jebe^ ©lement itultur ah ^).
{^reiüc^ reagieren bann biefe 2)inge mit ber ^tit roiebcr
auf bie üieligion; ja bereu eigentlirf)er 5leru fann erfticft werben
üon ben 'i^ürftellung»= unb 33ilbertreifen, bie fie einft in ifjren
Söereirf) gejogen \)at. ®a§ „^eiligen oller Seben^besie^ungen"
j^at feine fdiidfaUüotle Seite.
:3ebe :Keligion mürbe, roenn man fie rein machen lie^e,
Staat unb Äultur uöUig bienftbar, b. f). 5U lauter 2lut3enroerfeu
i^rer felbft marfjen unb bie ganje ©efeUfdiaft oon fic^ au^ neu
bilben. ^^xt 9iepräfentanten, b. i). i()re .^ierari^ie, mürben
üoüfommen jebe anbere §errfd)aft erfe^en. Unb roenn bann
ber ©laube Trabition geraorben unb uerfteinert ift, bann
mürbe eg ber i^ultur nii^t mebr Ijelfen, roenn fie ^ortfd^ritt
bleiben unb fid) änbern rooüte; fie bliebe gefangen.
2?iefe ©efa^r ift befonberi? grofe in ben Staaten be^
Ijeiligen 3ied)tei5-); l)ier ift e^ bie oereinte 3JJad)t oon Staat
unb ^ieligion, roeldje bie .Kultur im ^aum l)ält.

') 2Bie rccit roerben geringere iHaffen burc^ i^re ©c^redengreli^


gionen in i^rer Unfultur fcftge^alten? Cber bel)auptcn fic^ bie[e SReli=
gionen ef^er, roeil bie JHaffe nid)t fulturfäf)ig ift?
-) Ueber befjen ®ut)'tef)ung »gl. nac^l)er @. 106 ff. unb oben ©. 83 f.
S5Je(tgef{^i<^tUc^e '^etrat^tungeii. 7
98 III. Die Betrachtung der lecbs Bedingtheiten.

3luöerbem aber fann fd)on bcr ^nt)alt einer 9ieUgion,


\i)xt >^d)xt, ber >\ulniv, uub felbft einer \)od) angelegten, fel;r
[trenge unb fd)arfe ©djranfen anmeifen').
isor allem fann bie 33efd)äftigung mit bem ^enfeit^ bo§
2)ieöfeitc> uöHig überfc{)atten. 3lm 3lnfang ber ©e[d)id)te be»
gegnet nn§ fd;on bie ägi)pti[d;e ©räberreligion, bie bcn
Slegijpter ju fo grofsen Opfern für fein ©rabmefen genötigt
I)at. Unb bann finben roir trübe ^Kontemplation nnb 3lSfefe
bi§ 3ur 33erleibnng be§ (Srbenleben^ erft rec^t micber am
©nbe be!§ 2lltertum§.
So fing ta§> G^riftentum an, bie römifd^e Kultur nic^t
blof? in bnrd)bringen, fonbern fie §u erfe^en. ^m IV. ^a^r«
I)unberl überroinbet bie ^irdje bie arianifd)e Spaltung, unb
feit ^(jeobofiu^ finb 3'i^P^i"iii"i u"^ Ortl^obo^-ie frinonrim.
Unb nun ift nid^t nur bie £ird)enein(jeit ber 9^eic^§ein§eit
überlegen, fonbern bie ^irci^e oerbrängt faft äße anbere l^ite»
ratur; mir erfaliren faft nid)t§ met)r oon ben profanen @e»
banfenfreifeu ; bie 2l§fefe färbt äu§erlid) ba§ ganje :Öebcn;
2lllel ftürjt fid) in bie <Rlöfter; bie gebiibete alte 2Belt, aud^
oom Staate übel gequält, fd)eint el)elo§ au-Jleben ju moüen.
^irdie unb Barbaren fül)ren allein ba§ 3Bort; ^ierardien
finb bie mäc^tigflen ^erfonen, £uttu§ unb Sogmenftreit, felbft
im S^olf, bie ^auptbefd^äftigung.
Sod^ Ijatte bie I5;ultur babei ba§ unaugfpred)lid;e ©lud,
'üa^ roenigften^ nid)t im Slbenblanbe (roälirenb e§ in ^psanj
aUerbingg bi» ju einem gemiffen ©rabe ber ^all mar) Staat
unb £irdl)e in ein erbrüdenbeS ®in§ jufammenrannen, unb
ba^ bann bie 23arbaren roeltlicEie, junädift meift arianifc^e
9^eid)e errichteten.

S)ieg 3"fonnnenrinnen gefd^al; im ^ Slam, roeld^er feine


gonje Kultur mefentlid^ bel)errfd}t, bebingt unb färbt. @r

^) darüber, rcie rceit ber 33ubb^i§mu§ l^a^ läglid^e unb ba§ l^ifto^
rifd^e Seben feiner i^ölfer färbt, inüffen roir auf bie fünftigen ©rgebniffe
58afttan§ u. 2t. uerroeifen.
2. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch die Religion. 99

f)at nur einerlei nnDermeiblirf) befpotifcfieS ©taatsroefen,


ncimlid) bie üom grofsen ^aliiat au\ aüe Simaftien roic
felbftDerftänbUc^ übergegangene n)elt(id)=geii'tlid)e, ll)eofrntifcl)e
^Diarfjtüollfonunenbcit. 3(urf) alle 3türfe alfo uncberl)o(en nur
ba5 ar^eltreid) im tleinen, b. i). arabifiert unb befpotifd).
2lße 3Jiad)t ftammt in bem gleidjen ©inne oon ©ott rote bei
ben ^ubm.
^cr O'olam, ber eine fo furd)tbar furje ^Keligion üt, ift
mit biefer feiner ;jrodenl)eit m\h troftlofen (Sinfad;ljeit ber
i^ultur roo()l oormiegenb el)er fd)äblid) al§ nütjlid) geroefen,
unb märe e§ audi nur, meil er bie betreffenben 'XUilfer gänj-
i\d) unfäl)ig mad)t, 5U einer anbcrn ivultur überjugel^en. 2)ie
Ci-infad)l)eit erleichterte fe^r feine Verbreitung, mar aber mit
berjenigen böc^ften (£-infeitigfeit uerbunben, roeldie ber ftarre
2ltonot()ei^Mnug bebingt^), unb aller politifd)en unb 3ied)t5»
entroidlung ftanb unb ftetit ber elenbe 5loran entgegen; ba§
9ted)t bleibt Ijalbgeiftlid).
5)a§ befte oielleidit, maS oom ^ullureinfluf, be!§ 5lüran

[ic^ fagen lief5e, märe, bafe er bie 3:ätigt"eit aUi füld)e nid)t
prof fribiert , bie 33eroegUd)feit (burd) 9Mfen) üeranla^t —
morauf bie (Sin()eit biefer S3i(bung oom ©angeS biio Senegal
berut)t — unb ganj nnifte orientaüfifie ©aufelmagie auä-
fd)lie&t.
2lber auc^ bie trübfte d;riftlid)e iiontemplation unb SlSfefe
mar ber itultur nidit fo fdjäblid) a[§> ber ^Uam, fobalb man
folgenbeg erroägt:
2tbgefel)en uon ber allgemeinen 9led)tlofigfeit üor bem
Tefpoti^muS unb feiner '^^Dlijei, von ber CS-l)rlofigfeit aller
berer, bie mit ber 3}tnd)t sufammeuljängen-), mofür bie öleid)^
beit 3lller, bie ^Ibmefenbeit von 3lbel unb illeru^ feinen (Srfa^
gemäljren, entroidelt fid) ein biabolifdier .^oc^mut gegenüber
bem nid)t=islamifd)en ßinrool)ner unb gegenüber anberu "MU
') „5^enn aüe Äultur unb SlMffenfcöQft ift im 3}Jomente i^rer ^ro=
bultion pantljeiftifc^, nic^t inonotf)eiftiid)." i:;a)aul;r, <B. 71.
'■*) i^ergl. '^Jr<'Do[t^'^arabo[, France nouvelle, S. 358.
HOO III. Die Betrachtung der \ed)S Bedingtheiten.

fern, bei penobifrf)er (Erneuerung bc§ ©lauben^^frieges^ , ein


^od}niut, luoburrf) man gegen ben nodi iimiier unüerl)nttni^3»
nuifeig größten Teil ber aBett unb beffen :'lserftänbnig ah--
gefperrt ift.
Sie einjigen ^beale bei i'ebcnS finb bie belben ^ole:
ber jvürft unb ber synifd^'a^fetifd^e 2)erroifd)^©ufi, ju benen
aUenfaül nocb ber i^anbftreid;er in 2trt be^5 2lbu ©eib fommt.
^n bie ©otire, baä ganbftreid^ertum unb „Sü^ertum" mag
fic^ ba§ ^-reie unb ^nbiüibueüe nod) allenfall^3 f(üd)ten.
^n ber Silbung faßt auf ba§ ä^orbrängen ber ©prad^e
unb ©rommatif über ben ^nl^alt, bie fopt)iftifc^e ^l)i(ofopt)ie,
<m ber nur bie Jiäretifd^e ©eite frei unb bebeutenb ift, bann
«ine erbärmlidje ©efc^id)t§n}iffenfd)aft, loeil 2tIIe§ au^er^alb
bei ^§lani gleidjgültig unb 2iael innertialb bei ^llam Partei»
ober ©eftenfac^e ift, unb eine im 23erl;ältm§ p ganj unge»
t)emmter ©mpirie boc^ nur mangelfiafte ^^flege ber 9]atur=
tunbe. ©ie l^aben lange nid^t fo uiel geforfc^t unb entbedt,
ttll fie frei geburft Ijätten, cl fel;Ite ber allgemeine ©rang
jur ©rgrünbung ber SBelt unb ifirer (Sefe^e.
Sie ^^'oefie fennjeidjnet {)ier uor allem ber §a^ bei
(Spifd)en, raeil bie ©eele ber ©injelüölfer barin fortleben
fönnte; girbufi ift nur per ^onterbanbe ha. ©op fommt
noc^ bie für bal ©pol töbli^e 9tic^tung auf bal £el)rt)afte,
bie S^enben^, bal ©rjä^lenbe nur all ^üUe einel attgemeinen
öebanfenl, all ^sarabel wert ju acbten. S)er 9ieft fluttete
fic^ in haSi figurenreid)e, aber geftaltenlofe a)Järd)en. gerner
gibt el fein Sroma. Ser gatalilmul mac^t bie i^erleitung
hz^ ©c^idfall aul ^reugung ber l^eibenfdiaften unb 33ered)=
ttgungen unmöglii^ ; — ja oieHeic^t ^inbert fd)on ber S)efpo«
tilmul an fid^ bie poetifc^e Dbjeftioierung oon irgenb etmal.
Unb eine Äomöbie ift unmöglidj, fc^on meil el feine gemifd)te
©efeüigfeit gibt, unb roeil 2Bi^, ©pott, ^^arabel, ©aufler
u. f. 10. bie ganje betreffenbe ©timmung oorroegnetimen.
^n ber bilbenben ^unft ift nur bie airi^iteftur aulge^
bilbet, §uerft burc^ perfifdje 33aumeifter, bann mit SSenü^ung
2. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch die Religion. ^0^

beg bi)3antimf(f)en uub überl;aupt jehe^o üorgefunbencn Stilen


unb a)?ateriQlg. ©fulptur unb aJtalerei ejiftieren fo gut mie
gar nid)t, ineil man bie "iJorfcfirirt be^S Slovan ntcf)t nur innc'
l)ielt, fonbern uieit über beu äi>ortlaut übertrieb, äßa^ babei
bcr ©eift über{)aupt einbüßte, Iä§t ^id) benfen.
daneben befielt freilief) ba§ täufc^cnbe ?3ilb oon blü^cn^
ben, üolfreic^en, geiuerbüd^en ielamiti)'d)en ©tobten unb ^änbern
mit 2)irf)terfürftcn, ebelgcfinuten ©roßen u. f. ro. roie 3. 33.
in (Spanien unter unb nad^ ben Cmmapaben.
2lber über jene Scbranfen ()inau§, gur Totalität be§
©eiftigen, brang man and) l)ier nid)t burcb, unb Unfäl)ig'
feit §ur ©anbelung, jur ©inmünbung in eine anbere, l)öl)ere
Kultur mar aud) ^ier ba§ Snbe, raogu bann nod) bie politif($'
militärifd^e Sdninidje gegen 3llmoraüiben, 2Ilmoljaben unb
d^riften fam.

Tie ©irfung ber Dfteligionen auf bie Kulturen l)ängt


natürlid) fe^r uon il)rem ©eltung^grab im i^eben übertjaupt
ab ^), aüein nid^t blo§ üom gegenroärtigen, fonbern and) von
ben el)emaligen Öeltung^graben. (Sine 3ieligion fnidt im
entfd)eibeuben geiftigen ©ntroidlung^augenblicf eine ?^olte in
ben (Seift eine§ ä>otfe^, bie nie meljr au^juglätten ift. Unb
menn bann fpäter aud) attc Pforten in bie freie Kultur
l)ineiu geöffnet werben, fo ift bie 9ieigung ober boc^ bie befte
9ieiguug für bas früljer ^2>erroel)rte oorüber. 5^enn berjenige
3)ioment fel)rt nid)t roieber, ba ber betreffenbe ilultur§roeig,
im 3in'^^^^"t)ang mit fouftiger (i'rl)öl)ung beic nationalen
l'ebenc^, geblüht Ijaben mürbe. ii>ie große SBälber einmal
unb bann, menn ausgerottet, nid)t mieber roac^fen, fo befigen
ober erroerben älienfc^ unb 3SoIf geroiffe S)inge in ber 3"96"ö
ober nie.
Uebrigen6 lie§e fid) in betreff ber ihiltur überl)aupt
fragen, ob mir bered)tigt finb, il;re unbebingte 2lu^breitung

0 Sßergl. oben ©.48 ff.


H02 III. Die Bctrathtung der \t&ts Bedingtheiten.

oon irgenb einem ©tabium qu§ für tt)ünfrf)bar 511 l;alten, ob


nirf)t bi>5, Wivi l)ier c3efnic!t roirb iinb iinentfaltet ftirbt, be»
ftimmt ift, bei füiiftigen 'l^i)lfeiu unb i^ulturen ahi üöEicj
9ieue!2i unb juni erftenmal ©eboreneS an ben XaQ ju treten,
bamit z$ einmal naiu üorI;anben fei.
3tm menigften Ijemmenb für bie ilultur maren bie beiben
!laffifd)en 3ieIigionen al$ 9ieIigionen ot)ne §ierard)ie, ot;ne
l^eilige Urfunben unb o^ne fonberlic^e 33etonung beg 3^"ff^t§.
2)ie griedjifc^e ©ötter* unb ^eroenmelt mar ein ibealer
ateflej: ber 3)Jenfrf)enroelt mit göttlichen unb t)ecoifd)en t^ov
bilbern für iebeS l)ol}e ©treben unb für jeben @enu|. ©§
mar eine ^Vergötterung ber 5^ultur unb borf) feine 3Serfteine»
rung berfelben, roenn auS bem ^euergott ber öielfunbige
©dimieb, au§ ber 33H^' unb ^riegSgöttin bie Sd^ü^erin jeber
Kultur unb ilunft unb ber flaren unb befonnenen 9)lenfc^en,
au§ bem ^erbengott ber ^err ber Strafen, aßer 33otfc^aft
unb aUe^ äVerfetirS rourbe. ^ie 9t ö m e r üergöttlid^ten oollenbs
jebcS irbifc^e S^reiben biil auf bie pulchra Laverna t)inab.
Sei ben 3((ten fe^te bie 9ieligion bann jeber weiteren
©ntmidlung ber ©ebanfenroelt nur geringen 2Biberftanb ent=
gegen; bo, wo bie ^oefie al§ Sr^ieljerin ben 9)]enfc|en ent=
ließ, burfte il)n bie ^sf)ilofopl;ie in (Smpfang nel)iuen unb jum
3}tonotl)eiÄmug, 2ltl)ei§mu5, ^santt)ei§mu§ führen.
Unoermeiblid) l)ö()lte fic^ bann raofil bie bennod) fort=
lebenbe 9ieligion jum bloßen Sliaffenglauben, jur oer!ommen=
ben 9)kntif unb ©oetie au^, unb biefe fd)lug bann feit bem
n. ^o^rlmnbert il)re fd)roar§en ^^ittic^e roieber um bie er»
mattete Kultur. 5)ie fpäte ^lonfurrenj biefer Dieligion mit
bem einbringenben (£l)riftentum mufete jur 9iieberlage fül)ren.

©efonbert ift nun no^ in i^rer Sebingt!)eit bur^ bie


Sfieligion bie ^unft gu betra(^ten^).
2)ie fünfte, roeld)e§ au^ il)r Urfprung fei, baben jeben»

') Sßergl. oben S. 59 ff.


2. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch die Religion. 1(03

faüvi il)re miditigUe, entfrfieibenbe 3"9ßn^3fit ^ni 5)ienfte ber


^Jteligion 5ugebracf)t.
(Sd}on uoröer niüf^en ober fömien eriftiert I)aben: 9krf)'
bilbungeu be^ il^il•flid)en in plaftifc^er roie in flacher 2)ar=
fteüung mit ber garbe, 2tuÄfrf)mücfungcn beiS ©ebauten, 2In'
fange von ersätjlenbem T^idjten unb uon Seelennu^bruc! im
©efang, uieQeic^t aud) id)on ein fedr fünftlidier "Zany, roenn
and} eine 9Irt üon 9ieUgion fd)on baneben eriftierte, fo roaren
biefe 2)inge borf) nod) nidit in beten 2)ienft.
3lIIein nur ^ieligion unb 5lultu§ hxadik biejenigen feier=
Iid;en ©dinjingiingen in ber ©eele i)erüor, meiere imftanbe
roaren, in biei3 a\it^ baS \)öä)ik 33ermi)gen l)ineinjulegen ; fie
erft brachten in ben 5lünften bn§ Seroufetein [)ö\)mx ©efe^e
3ur 3ieife unb nötigten ben einselnen Mnftler, ber fid) fonft
f)ätte geljen laffen, 5um Stil; b. ^. eine einmal erreichte
^öf)enftufe roirb feftget)alten gegenüber bem baneben weiter^
lebenben 'l>olf!cgef(.^mad (nieldier r>ielleid;t uon jefjer für ha§
@üBlid)e, 33unte, ÖrauenuDÜe u. f. ro. roürbe geftimmt (jaben).
3ug(eid) ergab fid; babei eine ©ntbinbung oon ber
religiöfen 2(ngft; bic Öeftaltung ber ©ötter fidierte üor bem
©rauenbilb, ber ^tjmnu» läuterte bie ©eele.
Siuc^ bie 2)efpoten mod)ten bann bie priefterlid^ ent*
ftanbene i^unft tt)o^l für fid) au^nü^en.
Slllein bie Rnn^t roirb bann mit ber 3ßit nic^t bIo§ ouf
einer geroiffen i^öt)e erl;alten, fonbern aud) nad) oben feft-
ge{)a[ten, b. b. bie weiteren, t)öf)eren ©ntioidtungen werben cinft=
roeilen abgefd)nitten burc^ Ijieratifc^e StillfteÜung, ba^ einmal
mit enormer 3(nfttengung Grreidjte gilt aU Ijeilig, mie be=>
fonbere am 3Infang unb am 3(ulgang ber alten Äulturioelt
2Iegt)pten unb 23i;3an3 leljren.
3(egi)pten ift babei geblieben, l)at bie ©d^ritte jum ^n=
biüibuellen nie machen bürfen unb ift unfäl)ig geworben, über*
l)aupt in ein :)ieueg au^jumünben unb überjugel)en. „Sint,
ut sunt, aut non sint" mu6 man uon feinen Äünftlern
fagen.
\04( 111. Die Betrachtung der Iccbs Bedingtheiten.

SDic aüergröfete 5lnerf)tunG einer e^emal§ großen unb


oielIetrf)t bei ^Jvreilieit immer noc^ großer 3)inge fälligen Äunft
aber finbet [id) in Öijsnns; t)ier ift faft nur ba§ ^eilige er»
laubt unb nur in patentierter 2lu§TOa^l unb ©arfteUungS»
roeife, mit feftftel}enben a)iitteln; bie lunft roirb ti)pifc^er al§>
fonft je.
3lnber§mo, mie im 3§tam, rairb bie ^unft burc^ bie
9ieligion geroattfam rebujiert, ja ööttig »erneint, roie bieg ber
ÄaloiniSmul unb ^uritani§mu§ tun, roo bie fird^Iicfie $8ilber=
flurf)t fi^ unuermeiblicf) aud) auf ba§ lieben überhaupt an^>
be^nt.
2)ie ©ricdien ober burd)brac^en, mäljrenb ber l)ieratifd)e
©til nod) immer fortbauerte, bie ©c^ranfen, unb jroar nod)
immer im ^ienfte beg £ultu§. e§ !amen ber grofee, freie
©til ber i)öd)ften Slütejeit, fobonn eine reidie ©efd)id^te ber
fünftlerifd^en aSanbelungen, pgleid) bie Ueberleitung ber ^unft
avL^ auf ba§ 'Ißxo^am unb enblic^ bie auf bie ^i^er^errlic^ung
bee SnbioibueQen unb 3Jiomentanen.

S)ie Slbtöfung ber einjelnen fünfte üom J!ultu§ möd^te


nad^ i^ren ©tabien aber etroa folgenbe geroefen fein:
3uerft mad)t ftd) bie ^:poefie im roefentlid^en \o§> unb
cntroidelt eine neutrale, ^eroifd)e, h)rifd)e SBelt be0 ©c^önen;
\a bei Hebräern unb ©riechen auffattenb frü§ au^ eine bi-
baftifdie 2)ic^tung. 2)ie 9ieligion fonn fie om frül^eften ent>
beeren unb entlaffen; benn mit ben iE)r nötigen 9iitualien
roirb fie längft oerfe^en fein unb oieUeic^t bie in il)rer Ur»
jeit entftanbenen am liebften beibehalten, rooneben fic^ bann
noä) eine freie ^oefie erbauli^en ^n^alte bet)aupten mag,
inbem ein freies ^Balten ber ^l)antafie über ba§ ^eilige
feine Sebenfen l)at. ©in ©efäfe be§ 9Jh)t^ug, roo er ej:iftiert,
bleibt aufeerbem no^ ba§ 3?olf§epo§, roeil ber a)ciitl)U§ oon
ber bloßen 33ol!§fage nic^t ju trennen ift. Sie profane ^oefie
aber roirb nun um fo me{)r 33ebürfni§, als afle für ^altbarfeit
2. Die Kultur in ihrer Bedingtheit durch die Religion. \0d

iinb Ueberlieferbarfeit beftimmten 2luf5eid;mingen über{)aupt


auf bie poctifvte (^oriit angeiuiefen finb.
I'anu trennt fid) ein Webiet ber Crfcnntnis nad) bem
anbern non ber ^lioliijion, luenn biefe niri}t burdj ein l)eilige§
:)ied)t »öerrin bleibt, uub enblid^ entfteljt eine ganj profane
iBi)ienfi-t)aft.
Unb bod) fprid)t eine 2l(jnung bafür, baf3 aüee 2)ic^ten
unb aller @eift einft im 5)ienfte beso ^eiligen geinefen unb
burd^ ben Tempel l)inburd)gegangen ift.
l'änger bagegen unb für einen mic^tigen 2'eil il)re§
©c^affen>5 auf immer bleibt bie bilbenbe ilunft im 2)icnfte
ber 9ieligion, ober boc^ eng mit iljr oerbunbeu (benn bie
Ba<i)t l)ai, luie mir fpäter feljen loerben, jmei Seiten).
2)ie ^)ieIigion bietet ber 2(rd)iteftur if)re Ijödifte Stufgabe
unb ber Shilptur unb 2)JaIerei einen anerfannten, überall
uerftänblid)en ©ebantenfrei^, eine ^omogen über roeitc Sanbe
nerbreitete Sefd^äftigung.
(Snorm aber ift ber SBert be^ ©leid^artigen in ber Äunft
für bie 33ilbung ber ©tile; e§ entplt bie 2Iufforberung, im
:öängftbargeftellten eroig jung unb neu ju fein unb bennoc^
bem Heiligtum gemäB unb monumental, rooljer e^ benn fommt,
baB bie taufenbmal bargeftellten 2Jcabonnen unb i^reujab»
nal)men nic^t ba0 mübefte, fonbcrn ba^ befte in ber ganjen
Slütejeit finb.
5ieine profane Slufgobe gewährt non ferne biefen SSorteil.
2ln i^nen, bie eo ipso ftet^ roerfifeln, mürbe fic^ nie ein ©til
gebilbet l;aben; bie je^ige profane 5^unft lebt mit baoon, bafe
e^- l)eilige Stile gegeben l)at unb noc^ gibt; man fann fagen,
ba§ ol;ne ©iotto ^an Steen anber'o unb üermutlid) geringer
wäre.
Gnblirf) bietet bie Sieligion ber 3}hifit einen unuer*
gleic^lidjen ©efüljb^freie; freilid) fann, roaS bie 3Diufif inner»
i)a\h beefelben fc^afft, in feiner ^albbeftimmt^eit bie 3fieligion
felber lange überleben.
^06 111. Die Betrachtung der lecbs Bedingtheiten.

5. 'Dcx Staat in feiner 3cMTiötl?eit buvdf Me


Kelt^lon.
©oinie e§ nod; fpät anerfamit rairb, ba^ bie 9teligion
ba« l)auptfäd)Ud)fte 33anb ber menfdiac^en ©efeÜfdiQft fei^),
inbem nur fie eine genügenbe Hüterin be^^jenitjeu moraUfc^eu
3uftaube§ fei, roeld)er bie ©efettidiaft sufammentjQlle, fo ift
geiuiü bei ben ©rünbuitgen ber (Staaten — üernuitUd; na^
furchtbaren ^rifen — bie 9ieligion mäd)tig mitbeftimnienb
geroefen unb hat üon bat)cr einen bauernben ©influB auf htn
gaugen i'eben^^lauf bc§ (Staate^3 beanfpruc^t.
^VLxä) biefe a^erftedjtung erflärt fic^ bie @ntftel)ung eine§
l;eiligen, oon ben ^rieftern befeftigten 9ted)tecs ber (Staat
foüte baburd) eine größtmöglidie ^altbarfeit befommen; ^erv-
fdiern unb ^srieftern raar bamit anfangt g[eid)mäBig gebient.
Soi^ Uuglüd babei raar, felbft raenn bie je^t oerboppette
madjt nid)t fd^on üon felbft ju boppeltem 3)ciBbraud) ein»
gelaben I)ätte — bie ^emniung alle^ ^nbiüibuellen. yS^htt
Sru^ mit bem 33eftei)enben rairb §ugleic^ ein Safritegium
unb baljer mit Ijöc^ft graufamen (Strafen unb .^enfer^erfin»
bungen geaijubet; eine weitere (Sntroicfelung ift bei biefer
Ijeiligen 33erfteinerung ni^t möglid).
2)ie Sic^tfeite ift, ba& in Seiten, rao ba§ ^nbiüibueCe
gebänbigt wirb, bur^ bie ©taats-- unb ^rieftermac^t roirflic^
©roBeö gefd^eijen fann, baB grofec Broede erreid)t raerben,
oiel Söiffen gewonnen roirb unb baB bie ganje Aktion barin
i{)ren 91usbrud, ii)r ^satl)o§ unb ibren (Stolj gegenüber an»
beten Jlsölfern ju finben oermag. S)ie 58ölfer be^ t)eiligen
9fie($t§ finb rairflic^ für etroa§ bageroefen unb Ijabcn eine
mäditige Spur surüdgelaffen; e§ ift ijöc^ft raiditig, raenigften^
ein folc^eg ju ftubieren unb ^u betrad}ten, raie tjier bie ^nbi»

^) Religio praecipuum humanae societatis vinculum, Baco, ser-


mones fideles. Ueber ben neueren ®rfa^ burc^ bai (S^rgefü^I oergl.
^reooft^'iparabol, France nouvelle, 6. 357 ff.
3. Der Staat in leiner Bedingtheit durch die Religion. 1(07

üibualitüt ht^ ^injelnen gebunben unb nur bal @au5e inbi'


üibueü ift.
2^11-:^ Iieitige :)ierf)t tjetjört im f)i.irf)ften Sinne ju ben
(Sc^id|aleu ber ^iNÖlfer, bie il)m je gebient traben. 3"i-" 5^^^'
l^cit QÜcrbing^ taugen ]k nie met)r; bie ilned)tfd)aft ber
früf)eften Öenerationen roirft im ©eblüt bi^5 {)eute nac^. 2Bie
aber bie geiftige 5^ultur bei biefem 3uftanbe gebemmt roirb,
^aben mir früi)er am 33ei|;ne[e bciS a(ten 2iegi)pten^3 gefetien.
2i\)uti6i im ^örf)ften "üJiaBe finb bie Ijeiligen 33üc{)er
nämlid) nid)t allein, fonbern erft in 3.serbinbung mit ber
C^egenred)nung btücn, wai- bei einem foldien ^oih üert)inbert
unb unterbrüdt morben ift.
2)a5U fommt nod), bais über furj ober taug unfeljibar
bie S)efpotie 'äiceifter ju merben unb bie 'Jieligion aU i^re
Stü^e ju mi^braudjen pflegt.

33efonbere Sdiattierungen fteUen bie Tempel^ unb Crafel=


floaten äjorberafien^ö — eingered;net ha§> 3Immonium — bar.
§ier ift, freilid^ für einen nur fleinen ^rei^, bie 3ieIigion
ba^ 6künbenbe, 2UIein()errf(^enbe. (Sine 23ürgerfd;aft befi^en
fie feiten, meift aber ^^empelfflaoen, teil^ burd) Sd)enfung,
teil» au§ Stämmen, rneldje bem @ott irgenbmie burd) ^eilige
5lriege ober auf anbere 3(rt bienftbar gemad)t morben finb.
3Iud) X'elplji unb ©obona mögen al^ fleine Crafelftaaten
äljulidjer 2lrt Ijier genannt merben. ^ie 'i^erfaffung ^^elpt^i-J
mar fo, ba^ au§ einer Slujal)! oon ^-amilien, bie t)on S)eu»
falion abftammten (ben /ff'/.föir uoiaifTc, uraxTfc), bie fünf
regierenben ^Qauptpriefter burd) ba§ ;^o« geTOäl)lt rourben,
unb baju fam bann nod^ aU obere 23et)örbe ber 2lmpl;if=
tijonenrat^).
Iliit einem )Boüt rooHen mir Ijier aud^ be^ intereffanten
bioborifd)en 33erid)tec^ oon ber in 2)ieroe oon (irgameneis
burd)gefüf)rten Sähilarifation eine^ fold)en ^^riefterftaate^ ge=>

') 58gl. ^auh), ^Realenc. II, <B. 903 fr'.


H08 111. Die Betrachtung der jecbs Bedingtheiten.

benfen^) unb enblid) möc\t nod^ bie um 100 u. 6i)r. Mü^enbc


bactirfi^getififie Tlieofratie ertüälint fein, in ber neben bem
i\önii3e nod^ ein (ijott (b. l;. ein ilienfii) qU 6)0tt) waltete -).

^ie größten ge)($icf)t(id) bebeutenbften, ftärfften Tfieo»


fratien fanben firf) aber überhaupt niii)t bei ben '^^ohjttiei^men,
fonbern bei fold)en :)ieligiünen, bie iiä) — uieüeic^t mit einem
I)eftigen dind — bem ^solDtbei^mu^ entjogen ()aben, meiere
geftiftet, geoffenbart nnb burcf) eine 9teaftion entftanben [inb.
So [iebt man bie ^uben burcfi alle ©anbiungen il)rer
@e)d}icl)te ^inburrf) beftänbig mieber ber Xi)totxaik juftreben,
mie fic^ am beutlic^ften au^^ iljrer fpäteren 'Jteftauration aliS
Xempelfiaat jeigt. Sie t)ofien nidjt foroolil 2öelt^err|c^aft
i^rer 9iation aU il)rer 9ieligion; alle S^ölfer foüen fommen,
auf 3)iorial) anjubeten. greilic^ ffj^lägt mit T'aoib unb ©alomo
aucb bie jübifdie ^beofratie jeitmeife in roettlic^en Tefpotie^
mne um ; aber periobifdi fudjen bie ^^uben roieber oon il)rem
SÖefen alles ha§' au^sufdieiben, roae Staat unb roa§ Söclt»
fultur l)inein5umifd)en trachten.
2)urdj Umftülpen be^ arifc^en ^^^oIi)t^ei§mu§ jum ^an^
tl)ei5mu§ entftanb bie Sraljmincnreligion, bie 3ßnbreligion
bagegen burdi beffen große i'eränberung ju einem ^uali»mu§
o^negleid)en. Unb jroar fann biefe nur eine einmalige unb
plö^licfte üon einem großen (fel)r großen) ^nbioibuum ge*
tragene geroefen fein, loeSljalb benn an 3ai^bufc^tg ^^erfönlic^*
feit nid)t ju sroeifeln ift.
Sie ift im ftärfften Sinne tlieofratifc^ gemeint gemefen;
bie ganje fii^tbare unb unfi(^tbare 2!Belt, auc^ bie oergangene
(A)ef^i(^te (Sc^ab=9lame) rairb ben beiben ^^^rin5ipien unb iljreii
(faum mef)r inbioibualifierten) ©efolgreiljen sugeteilt. Unb
jroar in oormiegenb peffimiftifc^em Sinne, fo ha^ ber frülier
gottgeliebte igerrfd^er aM 33öfer in ben 9iet^en SlbrimanS
enbigt.
') ©iobor ni, 6.
-) ©trabo Vn, 3, 5.
3. Der Staat in Icincr Bedingtheit durdi die Religion. ^09

2lber gerabc liier ift ba^ leichte Umfd^tagcn bcr iBebingt»


^cit jroijc^en 3{e(igiou imb otaat roieber ju bead)ten: bie§
aüe^ ^Qt ta§ tatfäd}lic^e perfifdje Königtum (roenigften^ baS
iicfiämenibiicfie) nid)t ge^inbert, bte isertretung be^ Crmusb
auf erben iüx firf) einjufafnereu uub fid) unter beijen be»
fonberer unb permanenter i'ettung jn glauben, niäl)renb e§
fclbft ein )d)euf5Ucber orientalifd)er ^XeipotiemuS luurbe. ^o
gerabe a\bi biefem il'atju t)erau§ l)ält e§ fid) aüeö für er»
laubt unb üerfügt bie infamften Quälereien gegen feine Jeinbe.
Sie a)cagier — bereu SJ^ac^t im :öeben ungleich geringer aU
bie ber ^iU-abmiuen ift — erfd)einen nur al'o iBeforger biefer
unb jener ^offuperflition, nid)t aUi l'enfer unb SBarner. ^m
ganzen finb {)ier ©taat unb 9ieIigion ju iljrem großen a3er*
berb uerbunben geroefen.
Ueberl)aupt fiel)t mau nid)t, baß bie ©ittlic^teit uon
biefem ©ualiSmu» ben geringften ä^orteil getiabt l)ätte. ©ie
fc^eint fd)on a priori nic^t alö eine freie gemeint geraefen
5U fein; benn ^ilt)riman betört bie ©emüter ber ©uten, bi§
fie böfe Ijanbeln. Unb basu tommt bann gleid)rool)l ein
üergeltenbeä ^enfeit^.
<Bo mädjtig mar aber biefe 9icligion, um bie ^serfer ju
l)od)mütigem ^aB gegen alle§ ©Omentum ju ftad)eln. Ueber=
liaupt mar fie fräftig mit bem nationalen ^satl)0§ üerfloc^ten
unb bal;er aud) ftarf genug, um e§ gu einer 9tenaiffance ju
bringen; auf 3}iafebonier unb ^artlier folgen bie eaffaniben,
roeldie mit jenem "i^at^o^ il)r große», politifd)e§ ©efc^äft
Ulanen unb bie alte Sel)re fc^einbar rein ^erfteflen. ^reilic^
^It bann ber 3)uali§mu§ aud) nic^t ftanb gegen ben ^elam.
2Bar er fd)on eine geroaltfame Jisereinfad)ung geroefen, fo er--
lag er logifd) ber nod; geroaltfameren; eine 2lbftraftion mad)te
babei einer anberen, nod) einfacheren ^^la^.

^m Slnfc^luß an bie 9tenaiffance ber ßenbreligion in


ber Saffanibenjeit möge nun aber im $8orüberget)en oon ber»
artigen 9ieftaurationen überl)aupt furj bie :Kebe fein. ^Mer=
^0 III. Die Bctrathtung der jed^s Bedingtheiten,

bei fdieibcu mir uijllii^ a\{§> bic ^Jieftaurationen nacf) bloßen


:öürgertriei]en, auct) fommt bie äöiebcrljerftcllung a)Jeffenicng
jur Seit be^? (i-pamiuoiibiv5 in 3lbred)nuug, ebenso bie ^){eftau»
rationell uon ISlö, mo ber ©tnnt erft bie Kirdje ()erbeiiüinft,
unb ferner bie nocl) jn uoüsiel^enben 9{eftaurationen: bie ber
3uben, uield)e nadi ^uieininligem ^Iserluft it)re'5 Tempels x^xt
aeljn)ud)t a\\ einen britten ^Tempel ge{)ängt Ijaben nnb bie
ber ©riedien, weldje fic^ anf bie SSja Sophia bejietit. ®ie
9ie[tQnrationen aber, bie wir meinen, [inb faft immer Sßieber*
aufrid)tungen eines üergangenen 5l>olt§» nnb ©taat§tnni§ burc^
bie 9ieligion ober bod) mit if)rer ^ilfe, nnb bie ^nuptbeifpiele
ftnb neben ber genannten faffanibifd^en bie ber Qnben nnter
(Ei)ru§ nnb ©ariu«, ba§ ^mperinm 5larl§ be§ ©ro^en,
Don nield^em bie fird)lid)e ^i^orfteUnng einen ^nftanb loie nnter
(Eonftantin unb ^IjeobofinS poftuliert p ^aben fc^eint, unb
bie ^erfteüung be§ ^önigreid^§ ^erujalem burd) ben erften
.^reuä^ug. SBal bie ©rö^e biefer 9ie[taurationen betrifft, fo
liegt fie nid)t im (Srfolg, benn biefer ift meift geringer aU
bie anfänglid}e optif^e Xänfd)ung Ijoffen liefe, fonbern in ber
2lnftrengung, meiere baju gemadit wirb, in ber i^raft, etmaS
erfe^nteS ^bealeS, nämlic^ nic^t bie mirflidje a>ergangen*
l)eit, fonbern ii)x oerflärteS ©ebädjtniebilb tjersnfteaen. 2)ie§
fäat benn freilid), ba fid) ringsum 2lüe§ geänbert l)at, fet)r
eigentümlid) an§; roa§ übrig bleibt, ift etma eine gefd)ärfte
alte 3ieligion.

Unb nun muffen mir nod)mat§i) auf ben ^slam gurüd'


fommen mit feiner (Srtötung be§ ^l^nterlanbsgefül)l§ unb feiner
auf bie 3ieligion gepfropften elenben ©taati* unb 9ied)t§form,
über roeldje feine 58ölEer niemals ^inauSfamen. i^öc^ft un=
intereffant als politifdjeS ^ilb ift l)ier ber Staat, mo fid) beim
ilalifat faft üon 2lnfang an, unb bann burc^ eine ganj unlogifc^e
Operation auc^ bei feinen 2lbtrüitnlingen ber na6) oben unb

') 5Sg(. obiw ©. 98 ff.


3. Der Staat in feiner Bedingtheit durch die Religion. \\\

unten garantielofe Tefpotiemu» raie oon fdber üerftct)t. ^öc^ft


intereii'ant aber ift, wie bie>i fo tarn \mh fommen mußte,
unb iine ee uoni ^elam jclber uub uon ber ^^errfdjaft über
©inurc- bebinc^t ift, bat)er benn bie große 3lebnlic^feit ber
iÄlanutifdjeu Staaten oom Za\o bi» an ben ©angec^ bie
nur l;ier mit me^r, bort mit meniger ©tetigfeit unb Talent
regiert roerben; nur beim felbfciiufifd^en 2lbel fc^immert eine
9lrt Don Teilung ber Wiaäjl burd).
ei fc^eint, baß e§ bei ben 3}2o§lemin faft oon 2(nfang
an mit bem ^enfeiteglauben nie weit |er mar. ^ein Sann
auf abenblänbifd)e SJanier ()at ^raft, feine fittUc^en S8e*
ängftigungen fommen bem !3^efpoten an ben l'eib, unb fid)
bei ber Crtt)obone ober ber eben ljerrfd)enben Sefte ju i^alten
ift i^m leicht 1). greilic^ befte^t basroifc^en eine große 3ärt=
lid)feit für gered)te ^efpoten; biefe aber fönnen bod) nur in
if)rer Mäijt etmae mirfen. Unb nun mag bie %xa%t fein,
inroiemeit ber ^slam (ä^nlid) bem älteren ^arfi^muc^ unb
33t)5antini§mue) überE)au;it ein StaatStum oertritt. Sein
gtol^ ift, bafe er eben ber 3§lam ift, unb e§ ift biefer ein»
fad)ften oder :)ieligionen felbft burd) bie eigenen Üeute gar
nid)t beijufommen: ©aframente fann man bem 33öfen nid)t
entjieljen; fein ^^atali^muy Ijilft i(}m über 33ie(e^ [)inroeg; au
©eroalt unb Seftec^ung ift 2iae§ geroö^nt. Üöer bie 9Jio§'
lemin nid)t ausrotten fann ober raiH, lä^t fie am beften in
:Kul)e; il)re leeren auSgefogenen unb baumtofen iränber fann
man il)nen cielleidjt neljmen, iliren roirflidjen (^)et)orfam aber
unter ein nid)t foranifdjeä Staat^tum nid)t erjroingen. ^i)xt
Sobrietät fd^afft i^nen einen Ijo^en ©rab inbioibueüer Un=
ab^ängigfeit, ibr (Sflaoenroefen unb iljre §errfd)aft über
©iaur* Ijält bie jum )\>aÜ)o§> nötige iserac^tung ber ^^Irbeit,
foroeit biefe nid}t 2lderbau ift, aufred)t.

') 9htr fann if)m gefc^erjcn, bafe ein ediroärmer unter irgcnb einer
5af)ne fogenannte gana'ifer — '"O" ^^nfe an bie SBac^abitcn — fani-
nielt, in bcren trüben Seelenmifc^mafc^ mir nicfct mebr I;ineiniehcn.
\\2 III. Die Betraditung der fed^s Bedingtheiten.

(Sine cigentümlii^e (Stetigfeit jeigt bay o§wauifd)e


©taat^Jtum ; fic ift üielleid)t bnmit gu eiHtüen, ba^ bie Kräfte
jur Ufurpatiüii aufgebraud)t finb. IHber jebe 2tnnäl)eiung au
bie ofjibentalifdje Kultur fd)eiut für bie SJJü^lemiu unbebiugt
oerberblic^ ju feiu, augufangeu üou 2luleil)en uub ©taatS»
fd)ulbeu.

^m ootten ©egeufa^ jum ©taat^* unb 9{eIigiou§iüefen be§


alten Oriente fte^t in ber 3eit il)rer üöUigeu ßntwidluug bie
griedjifc^e unb bie römifd;e äBelt. ^^ier ift bie ^ieligion
wef entließ oom ©taat unb uon ber Kultur bebingt; e^ finb
<Btaat^' unb Kulturreligionen unb bie ©ötter ©taat§» unb
^ulturgötter, nid^t ber ©taot ein ©otte^ftaat, bat)er e0 benn
I;ier aud) teine Hierarchien gibt.
9iad)bem alfo t)ier bie 9ieligion burd; ben ©toat bebingt
^eroefen war, n)egf)alb roir auf ba§ flaffifd;e 3l(tertum fpäter
loerben ju fprec^en fommen, fdilug bie§ aüe§ mit bem c^rift*
liefen ;3iTtperium um, unb man !ann fagen: e§ ift bieg ber
größte Umfc^tag, ber jcmala oorgefommen. 2Bie fef}r in ber
nun folgenben 3eit ber diriftlic^en Kaifer unb iljrer @j:pli«
fation in ber bij^ontinifi^en ß^tt bie Kultur burd) bie 3ie»
ligion bebingt mürbe, Eiaben mir frül)er (©. 104) gefetjen;
halb mürbe e§ ber ©taat faft ebenfo fetjr, unb feitljer treffen
mir big auf bie ©egenmart bie @inmifd)ung be§ 9Jieta=
p^i)fif(^en in ade ^olitü, ade Kriege ufm. irgeubmie unb
ün irgenb einer ©tette, unb mo eg nid^t ^aupturfac^e ift,
mirft e» boc^ mit gur ©ntfd^lieBung unb ©ntfdjeibung, ober
e§ mirb naditräglid; l;ineinge§ogen (5. S. in ben je^igen^)
großen Krieg).

Ser SByjantinigmug entroidelt fid) mm analog bem


j^gtam unb in häufiger 2ßec^fclroirfung mit tl)m. §ier aber
bilbet ben ©runb ber gangen Waä)t unb ^anbhinggroeife ber

0 ©cfd^rieben anfong§ 1871.


3. Der Staat in Iciner Bedingtheit durch die Religion. ^3

^ierarci)ie immer bie ftarf betonte .V?ef)re oom ^cnfeitS. 2)icfe


war id)on bem fpäteren ^eiDeutum eigen geroefen, bei ben
Söi)3antinern fam aber in concreto noc^ bie über ben Xob
^inau^^ bauevnbe firrf)lic^e ^knnfraft Ijinju. SSlan l)at e^ Dor
nüern mit einem t)öd)it gemi)d)ten, \a uolflofen ^ieft be^
rümiid)en ;Keid)e§ mit uneinnelnnbarer ^auptflabt unb großer
3lniammlung üon aJtittetn unb politif(^=militärifcl)en pf)ig'
feiten ju tun, ber imftanbe ift, eine gro&e i(aüifrf)e ©inTOanbe*
rung ju amnigamieren unb überhaupt ikrloreneiS ftücfmeife
roieber ju gewinnen. ®q^ ä>erl)ältni» ber 33ebingt^eit aber
roec^jelt: 33i§ jum SBilberftreit Ijerrfc^t im roefentlidjen bie
^irc^e unb evfenut unb beurteilt ba^3 i^mperium nur nac^
feiner ßrgebenljeit für il)re ^mtdt, roie benn auc^ bie Slutoren
bie Äaifer rein nad^ ber j5Örberung bet)anbeln, raelc^e ber
ort{)oboren Mirrfie erroiefen wirb '). Selbft :3uftinian mufe
fid) uiefentlid) al^5 9iepräfentant ber DrtE)oboi:ie , aU i^r
(5d)roert unb i^erbreiter geltenb machen ^). 9iad^ biefem Ma^'
ftab garantiert bie 5lirc^e bem Imperium aui$ ben ©etjorfam
ber ^^ülter unb baä ©lud auf (Srben. ©eit (Sonftantin finb
famtlicbe ilaifer jum 3)M t t{)eologificren genötigt.
^ies get)t fo lange, bi§ enblid) 2eo ber ^faurier oon
fid) an^ t()eologifiert. ^ießeid^t fd^on bei iljm, iebenfaü^
aber bei Sloproni)mo§ unb beffen 9tad)folgern madjt fid) ber
politifc^e :öintergebanfe geltenb, ba^ ^eft felbcr raieber in
bie öänbe ju ne()men unb 2uft ju befommen gegen ^teru»
unb 3)iönd)e. ^m gaugen roirb bocb bas Imperium mieber
ber beftimmenbe xeil unb ift eö beutlic^ jur 3eit ber 3Jiafebonier
unb i^omnenen; bie l)ö^ere geiftige ^riebfraft ber 5lird)e ftirbt
ab, mag fid) am (?rlöfd)en aller roid;tigeren ^ärefie jeigt;
ilaifertum, Staat unb Drtljoborie gelten feit^er al^ felbft--
üerftänblic^ iöentifd) ; bie Crtljoboi-ie ift bem Imperium nic^t
me^r gefäl)rlic^, fonbern el)er bie ftüfeenbe ©eele be^ 9ieid)e«.

') ^icä gefc^iefjt aber freiließ auc^ noc^ Diel fpäter.


*) aSergl. Öibbott, Kap. 20.
®elt8cf(^ic^tnc^e Betrachtungen.
\\4( III. Die Betrachtung der JeAs Bedingtheiten.

®ic 9ieligion bient il)m in ©eftalt tum nationalen ^ati)o§,


gegen bie ^-ranfen faft nieljr aU gegen bie 3}col)annnebaner.
Ueberljanpt beginnt bann iijr merfn)ürbige§ le^te§ (Bta^
bium: (Sinmal noc^ (1261) t)ilft fie ben ©taat l^erftellen.
^ann (feit 1453) beginnt fie, jnr ^iationalfac^e geuiorben^.
ben nntergegangenen ©taat jn erfe^^en nnb beftänbig anf
beffen i^erftellnng ju bringen, ©a^ fie fo ol;ne ben Staat
loirfUrf) nnter ben dürfen roeiterbauert, fann al§ 33eleg if)rer
ßebenSfroft ober iEirer oölligen ©rtötung bienen.

^n ben germanif(^cn Staaten ber 5Bölferwonbernng,


treffen mir junäc^ft ben benfroürbigen iserfudj, üermöge be§
2lriani§niu§ ol^ne SJiitfierrjdjaft ber ^ierarcl)ie bnri^sufommen.
tiefer -i^erfuct) fdieitert im Saufe ber 3^iten überaß;
bie 0 r t ^ 0 b 0 i* e ^ixdjn roirb ^errin unb erjraingt fid) eine ge^
bietenbe poütifdie ©teHung, roe§t)alb wir benn im folgenben
groifdien ber 5tird)e unb ibrer f)ierarc^ifd)en Slu^geftaltung,
gar nic^t me^r ju unterfdjeiben braudien ; e§ l)anbelt fid) nur
barum, roer biefe ^irdie in jebem Stugenblid ift.
3roar roirb im 2lbenblanbe bie ^bentififation oon 9ie*
ligion unb ©taat glüdli(^ uermieben ; t§> bilbet fic^ eine i)ö(i))t
eigentümlid) neben unb in§ ©afein fiineingeftedte grofee be=
fi^enbe Korporation mit älnteil an ber oberften ©taat^geroalt
unb am 3te(^t§roefen unb mit fteHenroeifer ©onoeränetät.
a}cef)rmal§ fommt bie Kircbe in einen S^erfafl, ber jeber'
geit im ©inbringen ber roeltlid)en ©ier unb in ber 9tid)tung
auf ibre ftüdmeife 2lu§beutung beftetjt. 3lber ba pflegen i()r
ober bod^ roenigften§ i^rem ^entralinftitut , bem ^]3apfttum,
roeltlidje ©eroalten beipfpringen , roeldie fie geitroeife retten
unb moralifc^ beffern: i^arl ber ©ro^e, Otto ber ©ro^e,
^einrid) III. 2)iefe l;aben bie 2lbfid)t, fie bann aU instru-
mentum imperii (unb jroar über ba§ ganje 2tbenblanb) ju
braudien.
®er ©rfolg ift jebelmal ber entgegengefe^te. ®a!§ 9ieid)
5!arll serfplittert, unb bie Kirche roirb mäd^tiger al§ juoor:.
3. Der Staat in jclncr Bedingtheit durch die Religion. ^5

üon ."ocinricft III. au?' tiefftem G(enb emporgeriffen, rirfitct fic


fid; gegen feineu iJuidjfoIger unb nQe cinberen nieltUrf)eu ®e»
lualten baunil)oc^ auf. S'enu ber :!L'el)nftQat ift eigentlid) nur
in 2tüden uovijanben, nmljrenb fie a) nia§ 33efi^ unb 'Kec^te
betrifft, eben aucf) ein Stüd bauon, aber b) gegenüber ben
ivi)nigtümern in ber Siegel überftart, alfo ein 2:eil unb bann
erft norf) ha^ ©anje ift.
So fte()t fie mit iljrer (Sinljeit unb i[)reni Öeifte neben
ber 5lUeU_)eit unb fc^ioac^en Organifation ber Staaten. QJiit
(Tregor VII. frfiicft fie ficf) ju beren ätforption an, unb in=
bem fie unter Urban II. Ijieoou etroal narf)läf5t, fommanbiert
fie borf) baä Stbenblanb uacf) bem Crient.
3{ber feit bem XII. ^'^^i^t^uiibert fpürt fie ben dtüd--
fd}(ag baüon, bafe fie fic^ ju einem enormen „9ieid)e oon
biefer äi>elt", n)eld)e§ if)re geiftlid^en unb geiftigen 5!räfte ju
übeinnegen beginnt, au§geroad)fen (;at. Sie finbet fic^ gegen'
über nid)t btoB ber n)albenfifd)en 2e^re oon ber Urfirc^e, fon»
bern einem ^ant(jei^3mu§ unb (bei Imalrid) üon 33ena unb
hm ailbigenfern) einem mit illietempfijd)ofenIet)re üerbunbenen
^ualic-nuu3.
2)a groingt fie ben Staat, i^r qI§ fetbftoerftänbUc^ baS
bracliium saeculare ju Ieit)en. Soba(b man biefeS jnr
Ti^pofition [jat, ift ber 2Beg üon bem „(SinI ift 3Jot" jum
„nur (S-ineS ift ertaubt" nid)t met)r weit. So geminnt
^nno^cnä III. mit ben 2)rol)ungen unb ^i5erfprerf)ungen feiner
^nftruftionen ben Sieg.
Seitbem aber ftet;t bie Äircbe als fiegreid)e, rücf fiepte (ofe
9{eaftion gegen ben eigentlidjen Weift ber ^dt, aU ^^^olijei
ba; fie ift an bie äu&erften aJcfttel geroö(;nt unb befeftigt nun
ba§ Sliittetalter fünftlid; aufg neue.
^abei ift ]it mit ber 2ßelt burc^ iljr 33efi^' unb Wad^i'-
mefen taufenbfältig üerf(üd)ten, fie muf3 tatfäd)lid) ibre bödjft-
botierten Stellen an hen 3tbel oerfdjiebener :^änber über»
laffen, aud) ber 53enebiftinerorben üerfinft im ^unfertum,
rociter unten l)errfd)t allgemeine ^frünbenjagb unb bag ^treiben
\ ^6 III. Die Betrachtung der fedis Bedingtheiten.

ber £cute üom jus canonicum unb üon ber ©rfjolaftif ; igunfer,
2lbüofaten unb ©opt)iften [inb bie i^ouptperfonen; man f)at
eio mit einer attgenieinen 2lu§beutung unb bem größten öei^
fpiel ber Ueberroälttgung einer ^ieiigion burc^ il)re Qnftitute
unb iHepräfentanten 5U tun.
^nbem nun für j^ortbauer ber Ortt)obofie nur no6) rein
polijeili^ geforgt wirb, roälirenb fie ben 9)iäcf)tigen innerlich
gleirf)gültig wirb, fonn man von bemjenigen ^nftitut, roelc^ei
äuBerlid^ loeiter regiert, im S^^^f^^ f^^^i/ 0^ ^^ übert)aupt
nod) eine 9ieIigion repräsentiere, ©aju fommt nod^ boä
jpesielle 33ert)ältni§ be§ £irrf)enftaate!3 jur italienifc^en ^oUtif;
bie eigentlid^e Stnbac^t aber ift in ftrengere Orben, ju 2lh;fti=
fem unb einjetnen ^rebigern geflüd^tet.
S)amal5 muB in ber Äirc^e bie ©efinnung be§ ab[oluten
^onferoatismu^ bereite begonnen ^aben, ba i^r bei feiner
2lrt üon 2(enberung metir roof)l fein fonnte unb jebe 58e»
raegung \i)x oerbäc^tig war, weil ba§ fomplijierte 33efißn)efen
unb 2)Zad)troefen babei immer irgenbraie leiben fonnte.
3Sor allem befämpft fie ben auftauc^enben jentralifierten
©eroaltftaat (in Unteritalien unb in ^^ranfreid^ unter ^l;ilipp
bem ©^önen) unb brängt — boc^ immerhin mit 2tu5naf)men —
menigftcnS gro^e ^onfi^fationen gurücf. ^eife flammert fie
fic^ an bie 33ergangenf)eit in 9)tad)t unb 53efi| an unb ebenfo
in ber Unberoeglidifeit ber Se^re, nur ba§ man bie 2^|eorie
öon ben a)ia^tbefugniffen no($ emporfc^raubt, roätjrenb fie
bod^, mag fie me^r befommt, gierig annimmt, big fie einen
©ritteil aQer S)inge befi|t^). Unb ba§ aUe^ befi|t fieeigent=
lid) nur jum geringeren 2:;ei(e für fici^ unb iljre geiftlid;en
3n)e(fe, jum größeren nur für biejenigen 9Jiäd)tigen, bie ft(^
i^r aufgebrängt ^ahtn.
Dkc^bem fo ber blo^e Söiberfpru^ mit ber 9ieIigton,
roeld^er fie entfprec^en foHte, fd^on längft ba ift, ift fie bann
') ©er)f[e( (histoire du roy Louis XII) gibt an, ber Äleruä
5efi|e einen 2)ritteil be^ revenue d'iceluy royaume (granfreid^S)
unb tnef)r.
3. Der Staat in feiner Bedingtheit durd) die Religion. \\7

cnblid^ Qud^ in fianbgrcifnd^em SBiberfpruc^ mit


bcn fie umgebenbcn Staatsbegriffen unb Äultuf
fräften. 2)a^er jettroeife i^re 2Ifforbe mit bem ©taat,
melcfie tatfiidilirf) ^artiatabtretungen finb, roie 3. 33. ba§ .^on^
forbat A-rang be^ (Srften. J-reilid^ erfpart i^r bie§ in folc^en
Staaten bie 'Jieformation.

3>on ber 9ieformation an roirb fie bann raieber nad)


einer Seite ()in ernftUc^ bogmatifit; aber bie ^irdje ber
(Gegenreformation luirb ben ßi)arafter einer 9ieaftion nod)
Diel bentlic^er beiüa{)ren aU bie iUrc^e ^nnojenj be§ ©ritten.
3um feittjerigen ß^arafter be§ 5latl)o[i3iemu§ ge{)ört — uon
3ln§na{)men roie ber S)emagogie ber Signe abgefe^en — ber
Sunb oon ^^ron nnb 2lltar; beibe ernennen bie i^omplijität
it)rer beiberfeitigen .^onferoatismen gegenüber com ©eift ber
luobernen 33ölfer. ©sie Hirrf)e liebt jroar feinen Staat, neigt
fic^ aber bemjenigen Staatsroefen gu, roeld)eS baS bereit»
roiQigfte unb fä^igfte ift, für fie bie ^Verfolgungen gu erequieren.
Sie richtet fid) auf ben mobernen Staat ein, roie fie fic^ einft
ouf ba§ i'e^enSroefen eingerichtet.
dagegen ift iljr ber moberne politifc^e ^ölUx^
g e i ft ganj bireft juroiber, unb fie läfet fic^ nie felber mit il^m
ein^), TOol)l aber läßt fie e§ gefc^e^en'), bafe einzelne \i)xtx
3Sorpoften (Öeiftlid^e unb Saien, roeld^e nic^t roiffen, roas fie
babei für 5le6erei begelien) fid^ mit iljm einlaffen unb allerlei
milbe ©rensprari» befürroorten.
Sie leugnet bie i^olflfouoeränetät unb behauptet bal
göttlid)e ?)ied)t ber ^iegierungen^); fie getit babei oon ber

0 2)ic8 ift, rcaS man in granfreic^ nennt Tantagonisme entre


l'eglise catholique et la r^volution fran^aise. 2Ran benle aurf) an
ben S^IIabuä.
-) 3^. l). [ic liefe e& big 1870 gefc^e^en; bas 25?eilere lüirb bie
3eit Ief)ren.
') 3SgI. Soffuet: la politique tiree des propres paroles de
l'ecriture sainte.
\\S III. Die BetraAtung der Uäns Bedingtheiten.

mcnfrf)lid)en iNerberbtl)eit ou^ unb oon ber 3lufgobe bcr ©celcii»


rettung um jeben %^xn§> ^) ; i^re racfentlidje 6(f)öpfimg ift bie
moberuc ^bee ber Segitimitöt.
©ic t)at [id) im 3)iittelalter auf bie brei ©tänbe eiu»
gerid)tet, roooon [ie ber eine mar. 2)agegen per{)orre2igiert
fie bie moberue tonftitutioneüe 9{epväfentation fomot)l al§> bie
©emoEratie. (Sie felbft ift in iljrem ^inern juerft immer
arifto!rntifd)er unb enblid) immer mouardiifdier geworben.
6ie übt Stoleranj nur, wo unb inforoeit fie burd)au§
mu^. @ie oerfolgt jebe für fie bebenflii^e geiftige Biegung
auf ba^j äu^erfte.

®ie proteftantifi^en Rnä)tn in S)eutf(^lQnb unb in ber


(S^roeij tüie anä) in ©c^roeben unb 3)änemar! mürben oon
2lnfang an ©taat^firdjen, weit bie ^Regierungen oon 3tnfang
an übergingen unb fie einridjteten. 2)er ilaloiniSmuS, an*
fang§ bie Jlirdje berjenigen äBeftoöIfer, roeldie fatf)oUfd)e unb
oerfotgenbe Stegierungen Ratten, rourbe fpäter in ^oÜanb unb
(Snglanb ebenfattg al§ ©taatgfirdje organifiert, obraol)! in
©nglanb nod) ai§> ©tanb mit unabi)ängigem Isermögen unb
mit 9iepräfentation im Dberl;au§; t)ier ift ÄaloinilmuS auf
ein ©tüd Se^n^roefen geimpft.
®ie ©c^ulen finb in ben fat^olifc^en unb proteftantifc^en
Säubern balb me^r oom ©taat, balb mel)r oon ber ^ir^c
bebingt.

9]ac^ fo engem 3ufawmen{)ang unb fo oielfai^en SBed^fel*


beäie(;ungen graifd^en ©taat unb ^Religion ift baS Problem
unfcrer ^dt bie Trennung oon ©taat unb ^irc^e. ©ic ift
bie logifc^e golge ber Sroleranj, b. i). ber tatfäc^Iid^en un*
t)ermeiblid)en ^nbifferenj be§ ©taate§, oerbunben mit ber
roac^fenben Seljre ber ©leidiberec^tigung aller, unb fobalb e§
einen ©taat gibt, ber bie 2eute ju äBorte fommen lä^t, er»

^) Ueber bie 3Kotit)icr«ng ber Serfolguttgett »ergl. oben ©. 52 ff.


3. Der Staat in leiner Bedingtheit durch die Religion. ^9

gibt iiii) bie ©arfie uon fc(b|t; beun e^ ift eine ber ftärffteti
lleberjeiigungen unferer ^tit, bofe ^Jtcligion^unterfc^ieb feinen
Uiiterirf)ieb ber bürgerlirfien ^Kerf)te melir begrünben bürfe,
unb sugleicf) bel;ncii fid; biefe bürgerlichen dkd)tc id)x roeit
au!?: auf aügenieine 2temterfül)igfeit unb auf ^reiiieit üon
^efteuerung juni Unterljalt uon (£'inrid;tungen, an welchen
man feinen Teil nimmt.

,3u gleicher 3fit l)at ber 33egriff bei ©taatel audj fo--
iüof)l oon oben, üon ben ^err[d)enben, al» oon unten, oon
ber 33eüülferung Ijer neue ^seränberung erfai)ren, meldje il)n
nic^t mel)r jum ©efä^rten ber 5lird}e tauglich mac^t, fo baö
e-S bem Üieligionebegriff nic^tl t)ilft, roenu er berfelbe bleibt,
ba ber ©taotebegriff nid)t mc^r berfelbe ift ; benn ben ©taat
3ur 33eibel)altung be-^ billjerigen 3?erl)ältniffe!c ju jraingen,
^ängt nidjt oon ber i^raft ber :}ieligion ah.
2)er Staat ift nämlic^ erftlid) oon oben — fpejiell in
Teutfdjlanb unb ber Sc^rceij^) — paritätifc^, inbem er feit
2tnfang biefe§ 3^^i^§""^^i^t!^^ ^"^cf) 3}iifd)ungen, 2lbtretungen,
^riebenisfc^lüffe u. f. m. fogenannte „Staatsbürger" oer»
fd)iebener 5lonfeffionen, oft in ftarfen Duoten beiberfeiti, ent-
iiält unb feiner Seoölferung nun gleid^möBigel Siecht garan=
tieren muß. (Sr übernimmt junäc^ft jmei ober mel)rere
Staatsreligionen unb ©taat^firdjen, befolbet il)re ©eiftlic^en
— roa» er mu^, roeil er il)re frül)eren unabhängigen ©üter
aufgefreffen Ijot — unb Ijofft, auf biefe SÖeife burdijufommen,
fäme auc^ roirflidj burc^, roenn uid;t innert)alb ber fämtlid)en
einjelnen ^Jieligionlgemeinfdiaften ber große dli^ jmifc^en
Crtl]oboi;ie unb „Slufflärung" uor^anben märe, nnh Ijier
wirb il)m bas älufredjt^alten einer ^^'arität fo unenblidj fauer!
5)enn mit 23eüor5ugung oon „ilcajoritäten" fommt er uic^t
burd), ba biefe raeber ma^gebenb nod) auc^ nur tatfäd)lid) ju
fonftatieren finb.

'j 2tnbeie i'änber müfien roeniöftenä i^re iDlinoritätöreligionen alö


gleic^berecf)tigt anerfetinen.
^20 III. Die Bctrad)tunfl der Ied)s Bedingtheiten.

3ioeiteiu5 non bcu SBeüöIfcrungen l)er ift c§ luel^r unb


met)r bie i^uUur (im roeiteften Umfüng be§ 2Borte^5), tueld^e
an bie ©teile ber 9{eligion tritt, fobalb e§ fic^ barum t)anbelt,
wer ben ©taut bebiugen foll. ©ie fd;reibt it)m bereite im
großen feine je^igen Programme.
2)ie ^ird;cn aber werben mit ber 3^tt ^^^ $öer{;ältni§
jum ©taat fo gerne aufgeben ol0 biefer ha^ $8er^ältni§ ju
il^nen. ©Ieic|en fie je^t beut ©d^iff, rael(^e§ einft auf ben
SBogen ging, aber feit langer 3eit gu fel^r an§ 93oranfer»
liegen gemolint ift, fo werben fie roieber fc^wimmen lernen,
fobalb fie einmal im SBaffer finb; felbft ber ^at^olisiSmuS
f;at e§ ja in 3lmerifa bereite gelernt. 3)ann werben fie wieber
Elemente unb 33elege ber ^reil;eit fein.

4. X)er Staat in feiner ^eöingt^elt ^uvdf Me


Hultur.
Gegenüber ber Kultur ift ber ©taat in feinen früheren
©tabien, jumal in feiner ^ßerbinbung mit ber Sfleligion, ber
bebingenbe ^eil; ba bei feiner (Sntfte(;ung fefir oerfdiiebene,
befonber§ ^öd^ft gewattfame, momentane ga!toren sufammen*
gewirft i)ahtn, ift nid^tS irriger al§ it)n aufjufaffen at^ ein
2lbbilb ober ©efc^öpf ber bamaligen Kultur be§ bctreffenben
33olfe§. ®ie früt)eren 3"ft'i"^^ \)ahin baljer ganj in bie
Betrachtung biefer erften Bebingtl)eiten gehört ^).
^iert)er aber gel)ören, fooiel wir wiffen, juerft bie pl^öni"
Jüchen ©täbte. ©cl)on it)re mä§ig monardiifc^e ober repu»
blifanif^e, ariftofratifdie, plutofratifc^e gorm, ba§ Söalten
alter erblic^»regiment§fäl)iger ©efd^tediter neben ben Königen,
öerrät, bafe fie unter einer ^ulturabfic^t entftanben finb.
®iefe§ ©ntftelien war pm ^^eil ein ru^ige§, fijftematifd^eS ;

*) Sgl. ©. 83 ff. 3u überge{)cn ift t)ter bie DJegation ober 9?ers


l^ittbcrung ber Kultur, lüenn j. 33. 3iomaben bem l^errfd^enben SSoIfe
ben 2l(fer5au »erbieten unb if)n blo^ burc^ SKaüen betreiben laffen.
4. Der Staat in Iciner Bedingtheit durd) die Kultur. \2\

fic finb frei non nQem tieiligen 5Hecf)t^) unb aiid) frei von
Maftenmefen.
3()r äi^ellnerftanb unb i^re SJeflerion über fid) felbft
geben frfion ani^ it)rem 5ioIoniengrünben {)erüor. Sc^on im
iitutterlanb [inb bie einen ilolonien ber anberen; fo ift Xri--
poli$ oon Sibon, Tijru^^ unb 3trQbu§ ju gleichen Teilen ge->
grünbet; befonber^ aber grünben bier bie erften erf)len ^^o(ei§
bie erften ed;ten überfeeifd)en iiolonien.
^nbem nämlirf) 5"\ultur l^ier gleich @efd)äft ift, muffen
beftimmte ^ntereffen fünftlid) mit 33egütigung, Grfaufung unb
^öefitäfligung ber a)(affe obengc[)alten werben, unb baju ge>
(jört bie periobifdie 'ii^egfü()rung berfelben in i\ü(onien, meldte
ctma§ ganj anbereg ift, qI§ bie SmongsDerfe^ungen, meldje
ber il'efpoti^mus allein fennt.
^i)re @efat)ren f)aben biefe ©tobte huxä) ©ölbner (fd)on
Xprul Eiatte foId)e) unb Äonbottieren, allenfalls ouc^ burd^
bie äußeren geinbe; ber j^remb^errfc^aft fügen fie fic^ (b. i).
im ®urd}fd)nitt) leid)t, jumal wenn fie unter berfelben il)re
gauje ilultur behaupten fönnen, raoran il)nen cor allem ge»
legen ift. ^Urgenb« fc^eint e§ bi§ jur XyranniS gefommen
ju fein, unb fie Ijaben fid^ roenigftenS relatiü lange gel)allen.
53ei Döüiger Unbebenflid)feit in ben 3Jiitteln tritt ^ier
Quc^ ^o^cr Patriotismus jutage, bei grof3er ©enufefudjt bod)
menig i^ermeicblic^ung. S)abei Ijaben fie i^re enormen iser^
bienfte um bie 5lultur; iljre ^-laggen meisten oon Cpl)ir bis
(SornmaleS, unb wenn fie fd)on alle 2lnbern auSfc^loffen unb
geitroeife ben 3)Zenfd^enraub als ©croerbe trieben, fo gaben fic
boc^ ber 2Belt baS erfte Seifpiel einer freien, unbebingten

') eine bunfte 3luSnat)me ift r)ieüeid)t in Sprug ju fonftatiercn.


Jöicr erfolc\t um 950 ber Sturj ber .^"»iramiben burcfi ben 3(ftarten=
priefter ^t^obal; aber in beffen eignem ^aufe tötet ber Urenfel ^i)g*
malion ben Gnfel, feinen Df)eim, ben 5DJeltartprie[ter «Sicharbaal unb
erhält Dom S3olfe bie Ärone, rceil biefes bie 2)Utt)errfc^aft beg ':}iriefterg
nic^t rciU. 2)a§ f)ei^t möglic^eriüeifc: bie .'oerfteUung einercieUeic^t oon
Anfang i}ix beabsichtigten IempeII)errfc^aft mißlingt.
H22 III. Die BetraAtung der lecbs Bedingtheiten.

33etyei3Hd)feit unh 2ätigteit. Um biefer roiHen allein fdieint


l^ier ber (Staat i)or()anben 3U fein.

Hub mm bie ^olei§ bcr ©ried^en. 2Bie lueit t)iet ber


©taat über bie 5^ultur Ijerrfdjte, l)aben rair früt)er (©. 86 ff.)
betrachtet. §ier aber ließe fid) im ganzen erftUc^ geltenb
marfien, baB in ben 5loIonien non 2tnfang an bie 5lultur
(^anbel, ©eiuerbe, freie ^f)itoiopt)ie ufro.) ha^ Seftimmenbe
gcroefen fei, ja ha^^ fie jum ^eil bafür entftanben feien, in»
bem man bem öarten ©taat^redit ber Heimat entroid), nnb
jroeitenio, ba^ ber 2)urd)brud) ber 3)emof"ratie aU Heber«
mältigung bea Staaten bun^ bie Kultur ju betrad)ten fei,
welche l)ier fo üiel ai^ 3iaifonnement ift. Ob biefer bann
eintrete, roenn bie ilultur benjenigen ©c^ic^ten ober 5!aften,
bie bi^ljer it;re Präger geroefen finb, entiünnben unb ©emein»
gnt geworben ift, ober ob man etroa nmgc!et)rt fagen foll,
fie loerbe ©emeingut, menn ber ©uri^brud) ber SDemofratie
erfolgt fei, ift siemlid^ gleid^gültig.
i^ebenfaUS folgte bann eine ^üt, ha roenigften^ un0
©pätgeborne an ben Slt^enern met^r it)rc ©igenfc^aft al^5
^u(tur|erb benn it)r ©taat'ctoefen intereffiert, nnb bie§ gibt
unl 33eranlaffung, bei biefer einzigen Stabt befonber§ ju uer»
weilen.
S^enfen loir an ben 2Öert einer folc^en Sage in einem
fold^en 2lr(^ipel, an bie befonber'o glüdlic^e, ol)ne lieber^
roältigung erfolgte 9JJif(^ung ber Seoölferung^), beren neu=
gngeroanberte Seftanbteile in erfter Sinie neue 3Inregungen
bringen, an bie l}o()e 'Begabung unb 33ielfeitigfeit be» ionifc^en
(Stammet, an bie Sebeutung ber retarbierenben ©upatriben»
l)errf(^aft unb bann mieber an ben 'Bxn^ mit biefer unb bie
@ntftel;ung einer gteid)berec^tigten 33ürgerfc^aft, mo man nur
Bürger ift. 3kben bem oel)ementeften 53ürgertum mirb jU'
gleich ba§ ^nbioibuelle entfeffelt, bai man mit naioen ©cgen»

^) 3" i'er Sage ift i)t^t)alb Sitten jum gaftfreien 2lfi;t geftattet.
4- Der Staat in Iciner Bedingtheit durch die Kultur, ^23

mittein luie bem Cftraji^muS u. f. w. unb bann and) mit


j5elbl)erin% Stfebie» uub ^-inansprojefien befämpft. Unb nun
entmicfelt ficf) jeiie-J unbeid)iciblid)e l'eben beS V. ^aijv^
Ijunbevtg: S)ie ^"bioibuen fönuen [ic^ nur oben l^alten, uu
bem fie (mie '^^'enfle^) hai UiiorlHute im Sinne ber ©tobt
leiften ober (wie SllfibiobeS) freoeln. 2)urd) biefe 2lrt Sieg--
fam feit mirb 9lt(ien in einen fürd}terlid)en ©riftensfampf {jin*
eingeviifen unb unterliegt. 3Iber nun folgt fein ^^eiterleben
aU geiftige 2}lQd)t, ttl§ ^yenertierb berjenigen ^-lamme, bie
Don ben ^^olei§ unabl)ängig unb injmifdjen ein mäd^tige;^
33ebürfui5 ber ^eüenen gemorben ift ; ber öeift jeigt fic^ auf
einmal toSmopolitiiif). ikfonberS let;rreic^ ift t)ier bann auc^
bQ'3 ^JJad)nnrEen ber t)eroifd}en falaminifd)en 3^it ^" ^^^
bemoftljenifc^en, mo ha^ ^ll'oUen fidi oljue ba§ 'i'oübringen
barftellt, hw :il^eitergeftaltnng unb hai 6id)-'2üifnü^en ber
S^emofratie, bae fpätere genie^enbe unb genoffene 3Ü^en.
^^seld) eine unerme{5lidje gefd)id)tlid)e GrfenntniS getjt
Don biefer Stabt aui\ ^eber muf3 bei feinen ©tubien irgenbraie
bort einfe^ren unb ha§ (Sinjelne auf biefe?^ 3^^^^^""^ S" &^'
jieljen raiffen. ^ie gried)ifd)e ^U)ilofopt)ie, bei üerfd)iebenen
(Stämmen entftanben, ^at in Sltljen ^ufammengemünbet; ^^omer
ift in 2(t()en in feine gegemuärtige {^orm gebrad)t morben;
bas gried)if(^e S^rama, bie ^öä))^ Cbjeftioierung be§ ©eiftigen
in einem finnlid) 2Bal)rne^mbaren unb jugleid) 33eroeglic^en, ift
faft mu-'fd)liei3li(^ ba§ äüerf 3ltl)en^5; ber 3Itti3i§mu^ ift ber
(Stil aller fpäteren ©riechen gemorben; ja bav ungel;eure
23orurteiI beö ganjen {auö) römifd^en) fpäteren 2(ltertumg ju»
gunften ber gried)ifd^en Spradie als be!§ reidjften unb bieg»
famften Crgane^ alle^5 ©eifte^ ruljt mefentlid) auf ben Sd)ul=
lern 'äü)m^. Gnblid) bie gried)ifc^e iüinft, unabl;ängiger
oieHeic^t oon Sttl)en alio irgenb eine anbere 3teußerung be§
gried)ifd;en äßefen^, banft iljr bod) ben ^UjiöiaiS unb anbere
ber ©riJBten unb i)ai in 2ltl;eu itjren midjtigften l^ermittlnng»'
ort gefunben.
^24; III. Die Bctrad)tung der JcAs Bedingtheiten.

fi>icr möge überfiaupt ber Sebeutung gebockt fein, bie


ein Qiierfannter geiftiger 2'QufdjpIa^ unb ämnr ein freier
l)at. äßeun ein ^imur ade ilünftler, ^anbiocrfer unb @e»
Ie|rlen oul ben dou iljiu neröbeteu Säubern unb jeruidjteten
3]ölferu uarf) Somarfaub fd;Ieppt, fo fönueu folcfie bort nic^t
üiel uieljr n(§ fterbeu. 5lud) bie füuftlidjen ^onjeutrationen
ber 5\apa5itäteu in neueren «Qauptftäbten erreidien nid^t von
ferne ben geiftigen 58erfefjr üon 2ltf)en. ®ie Ferren fommen
erft ^in, roenn fie fdjon berül^mt finb, unb einige tun tjernad)
nidit meljr üiel, jebenfaü^ nid)t meJjr i()r 33eftel, fo baf5 man
auf ben ©ebaufen fommen fann, [ie müßten eigentlich roieber
jurüd in bie ^^srooinj. ©ie taufd)en fic^ loenig qu§, ja ha^
2tuetaufc|en mürbe beim je^igen gefe^lid) finansietl feftgefteHten
33egriffe üon geiftigem Eigentum fogar feljr übel genommen;
nur n)at)r[)Qft fröftige 3eiten geben einanber unb nel)men öon
einanber, ol)ne ein 2«ort ju oerlieren; fieutjulage mn'^ einer
fdjon feljr reic^ fein, um fid) nehmen ju loffen o^ne ©in»
menbung, of)ne feine ^hmi für fidi ju „reflamieren", ol;ne
^rioritätenljaber. ®q§u fommt bie je^ige geiftige ^zft: bie
Originalität; fie entfprid)t auf ber ©eite ber ©mpfangenben
bem Sebürfniffe müber a}tenfdjen nac^ Emotion. 3)agegen
im Slltertum fonnte fid), roenn unter ber fegen§reid)en ©in»
mirfung eine§ freien 3:aufd;pla^e§ ber möglid^ft maf)re, ein»
fadie unb fd)öne 3lu§brud für irgeub etroa§ gefunben mar,
ein i^onfenfuS bilben; man perpetuierte il)n ganj einfad^.
S)a§ ftärffte Seifpiel ift bie Äunft, meiere (fd)on in ber Slüte*
geit) bie trefflid)ften S^ijpeu in ©fulptur, Söanbmalerei unb
geroiB ebenfo in aßen 3tußi9en, beren S)enfmäler mir nidit
me^r ^aben, roieber^olte. — Originolität mufe man tiaben,
nid^t „banad) ftreben".
Um aber auf bie freien geiftigen 2:oufdjplä^e jurüdgu*
fommen, fo muffen rair fagen, ba§ lange nic^t jebe» 2}olf
biefen ^o^en $i>orteil erreidit. (Staat unb ©efellfdiaft unb
9ieligion fönnen f)arte, unbiegfame formen angenommen
l^aben, beoor ber inbioibuetl entbunbene Öeift fid; ein foldie^
4. Der Staat in Icincr Bedingtheit durd) die Kultur. ^25

^^erroin {)at bilben fönnen, ^ic politifc^e 3}?acl)t tut ba^


3^nge, um bie Sage ju uerfälfc^eu. T^ie ncueien i3roBfttibtifcf)eu
Äonjentratiouen, unterftü^t burd) gro&e, offisieUe 3(ufgaben
in jRunft unb ^^fieufdiaft, förbcrn nur bie einseluen ?värf)er,
aber nid)t me^r beu ©ejamtgeift, melc^em nur burd) Jreitieit
5U Reifen ift. ^^erner: a^tau müfete, fo gerne man ba bliebe
unb eroig lernte, bod) ben noc^ ftärferen Trieb empfinben,
roeg5uge£)en unb bie empfangene 3}tad)t brausen in ber Ül'elt
ju äußern; ftatt beften Hämmert man fidi in ber ^auptftabt
an unb fd)ämt fid), in ber ^:^roDin3 ju (eben, bie nun teiU
baburd) auÄgebungert mirb, baB, mer fann, fortgel)t, teile ba^
burd), baB, roer bleiben muB, unjufrieben ift. Seibige fojiale
^Hangesintereffen ruinieren unaufljörlid) bag 33efte. — 2lud)
im Slltertum blieb mand)er in Sltl^en Ijangen, aber nid)t all
2lngefteUter mit ^:pennon5bered)tigung.
Sie 23erfud)e analoger 2lrt im 2)httelalter finb aüe un--
frei unb nii^t auf bal ©anje bei ©eiftel gerid)tet, aber re=
latiü mächtig unb merfroürbig. ©inen foldjen Taufd)pla^
bilbet bie roanbernbe ^Xa)it bes 9UtterDolfel mit feiner Sitte
unb ^oefie; fie bringt es immerl)in ju großer ^omogeneität
if)rer ^eroorbringungen, ju einer (^arafteriftifd)en ^enntUc^feit.
^Tae 'li^ax'vi bei 3)nttelalterl fann für fid) bie iöerrfc^aft
ber Sc^olaftif in 2Infprud) nel)men, rooran fic^ nod^ oiel ein»
seiner Silbungeftoff unb aügemeinel 9kifonnement fnüpfte;
aber el ift eine 5lafte, bie, roenn el it)r nac^^er im ^M^n
irgenb gelingt (b. l). roenn fie il)re ^frünbe im Xrodnen Ijat)
nic^t meljr oiel oon fi^ gibt.
2lud) ber jebelmalige ©i^ ber päpftlicben ^urie, wo
enorm oiel ju l)ören unb ju lernen roar, liinterläBt nid)t üiel
mel)r all einen trüben Streif oon "DJiebifance.
Xa^ 9kuere finb immer nur igöfe, J^efiben^en ufro.
9kr bal f5loren5 ber 9ienaiffance fann ficb an bie Seite
2(tl)enl ftetten.
3)ie roa^re äi>irfung bei freien geiftigen 2aufd)pla^el
ift bie ®eutlid)feit ailel 2lulbrudel unb bie Si^evljcit beffen.
^26 III, Die BetraAtung der Ied)S Bedingtheiten.

wai' man iinll, ha?^ i)lbftreifen bcr 2Bi(Ifür unb bcg SBunbcr-
lidjen, ber ©emiim eine'5 9Jia&ftabe§ unb einey Bt\k§>, bie
Söirfung ber ixünfte unb ber Söiffenfrfjaften aufeiuanbcr.
5)en ^^srobuftionen aller 3^iten ift e» ganj beutlidi an5uf)ören,
ob fie unter einer fold^en ©inrairfung entftanben finb ober
nirfjt. 3ljre geringere 3(u^jprägung ift haS^ ilonDentionelle,
bie eblere ba§ 5^(af[iirf)e. 5)abei f(ed)ten fid) bie pofitiue unb
bie negatioe ©eite beftänbig burdjeinanber.

9htn tritt in 3Üben and) ber ©eift frei unb offen Ijeroor
ober fd)imniert raenigften^3 überall roie burd) eine lei(^te §ülle
f)inbur^ infolge ber ©infac^ljeit be§ öfonoinifc^en ^ofein§, be§
fiel Segnügen§ mit mäßigem Sanbbau, ^anbel unb ^nbuftrie,
ber großen SJiäBigfeit be§ Seben§; leid)t unb ftraljlenb ent»
binben fid) au§ biefem treiben ^eilnalime am ©taat, ©lo*
quenj, ilunft, ^soefie unb ^:pl)ilofopl)ie.
2Bir finben l)ier feine Slbgrenjung oon (Stäuben nad)
9iang, feine Trennung oon ©ebilbeten unb Ungebilbcten,
feine Quälerei, e§ einanber an 3leuBerlic^feiten gleich ober
juoorjutnn, fein 2)Htmac|en „anftanb^ljalber", bal)er auc^
fein @rlal;men nad) ber Ueberanftrengung, fein ^sl)ilifterium
im DZeglige neben aufgebonnerten ©efellf(^aften unb ?^eften,
fonbern eine gleidjmä^ige ©laftijität; bie %t\k finb etroag
regelmäßiges, fein gequälter ©ffort.
©0 ift jene ©efeHigfcit möglid), bie fic| aul ben Sia*
logen ^latoS unb 3. 33. an?-> XenopljonS ßonüioium ergibt.
3)agegen finbet fi(^ feine Ueberlabung mit 3}?ufif, roeldje
bei un§ ba§ Unsufammengeljörige oerberft; anä) finbet fic|
feine 3i"iP^^fi'^'f^^t "i^t gemeinen Ijeimlidien Sosljeiten ba«
neben. 5^ie Seute Ijaben einanber etroaS gu fagen unb machen
auc| ©ebraud; baoon.
©0 bilbete fid) ein allgemeines 3?erftänbni§ auS: 9tebner
unb ©ramatifer rechnen auf ein ^^subtifum, roie eS fonft nie
mel^r oorbanben gemefen. Sie Seute f)atten 3^^^ unb ©eift
für baS §öc^fte unb ^^einfte, weil fie nid)t im ©rroerb' unb
4- Der Staat in leiner Bedingtheit durch die Kultur. ^27

:)iQiu3giiit uuD falic^eii Slnflaub untergingen. iSi mar ^ätiigfeit


üor^anben für biv5 Sublime unb für bie feinften 3lnfpie(ungen
lüic für bcn frediften 3Bi^-
^ebe Hunbe uon 3llt)en melbct felbft bas 3teufeerlic^fte
in iverbinbung mit ©eift unb in geiftiger gorm. ߧ gibt
t)ier feine langweiligen Seiten.
Sobann [teilt firf) l)ier flarer al§ fonft irgenbroo bie
'ii}ed)felunvfung smifdjcn bem 3lUgemeinen unb ben :3nbiüibucn
bar. ^nbem fic^ ein ftarfee lofale§ 33orurteil bilbet, baß
man l)ier aUe§ fönnen muffe, unb baf3 I)ier bie befte (53efeU'
fdiaft unb bie größte, ja einsige 3lnregung fei, probujiert bie
Stabt roirflicf) eine unuerljällniemäBige ^Hcenge bebeutenber
i^nbiüibucn unb läßt ik anrf) emporfommen. 3Itt)en null fid;
beftänbig im (Sinjelnen gipfeln; e» ift Sac^e eine§ enormen
Ci-^rgeiseÄ, fid) l^ier au^sujeidjuen, unb ber iiampf um biefe§
3iel ift furd;tbar. 9(tl)en aber ertennt fi($ seitroeife mit
offenem 3ugeftänbni^5 in biefer unb jener ©eftalt, batjer e§
ein i>ert)ältni^ ju StlfibiabeA Ijat, mie feine ©tobt je ju einem
if)rer (5öl)ne gebabt f)at. g-reilid) roeiß es, ba§ eg feinen
jroeiten 2llfibiabe^ au^ljielte.
infolge ber Krifen 5U ©übe be§ peloponnefifdjen ilriege^
bemerft man bann aber ein ftarfe?^ 2lbnel)men biefc'S i2i)t'
geijeS, foroeit er ein politifc^er ift, unb bie ai>enbung auf
bie Spejialitäten, jumal fold}e, bie mit bem Staate nidjtS
me§r ju tun l)aben. ai'äl;renb in allen einjelfädjern 3Ül)en
bie ^albe SBelt mit :öeuten oerfef)en fönnte unb jumal in
2Biffenfd)aft unb 5lunft weiterlebt, mirb feine ^emotratie ba§
^Tummelfelb offijieller ÜJtittelmäfsigfeiten. ©§ ift ein 2i>unber,
^a^ c§ fpäter nod) fo uiel gute 3eit gebabt l)at, nad)beiu
über aüe§ ^^olitifc^e jene rafd^e unb oerruc^te 3tuÄartung ge»
fommen ift, beren Urfac^en unb Umftänbe bei IljutijbibeS fo
flar uorliegen.
Tie 3lu§artung fnüpft fid^ boran, bafe eine 2)emofratie
ein d\dd) bebaupten miU, roag eine 3triftofratie (mie 9iom
unb ^'enebig) niet länger fann, unb bafs Temagogen bieJ
128 III. Die BctraAtung der leAs Bedingtheiten.

^^all)0!? bei .v>eirüi)aft au^Jbeutcteii. hieran fdiÜefet fid) alleS


übrige Uiibeil foiuie Die grolle .Vlataftrüpl)^.
"Mc^i, mav ttiiberÄinü geniifd)t lutb umftäublirf) uiib im=
beutUd) ift, ift l)iei- burd)Ud)tig uub ti;pi[d), and) aüe 9.umh
J)eit!§f ormen ; )o im l)öii)ften @rabe bie brei^ig Tijrannen.
Unb bamtt ^ur geiftigeu ;i>olIftäubigfeit ber Ueberlieferung
nickte fet)[e, fommt 511 9tÜem uod) bie politifd^e Utopie "^IJlatog,
b. i). ber inbirefte 33en)ei§, roeicljalb 2lt^en ocrloreu fei.

%üx bie geic^id)tlid)e 33etrac^tung aber faun ber ^ert


eine^ foldien einjigeu ^^arabigmaä nid)t I;od) genug ge[d)ä^t
roerben, iüo Urfadjen unb äBirfungen fiarer, ilrafte wih ^nbi'
üibuen größer unb bie ©enftitäler äa()(reid)er ftnb aU [onftroo,
@^ Ijanbelt iid) nid)t um eine p^antaftifdie 5i>orliebe,
töet^e fi(^ nod) einem ibealifierten alten 3ltE)en feljnt, [onbern
um eine Stätte, wo bie @rfenntni§ reidjlid^er ftrömt al§ fonft,
um einen ©d)lüffel, ber f)ernac^ aud) noc^ anbere Citren
öffnet, um eine ©riftenj, wo ftd^ ba§ a)tenfd)lid)e oielfeitiger
äußert.
$IBa§ aber bie gried)ifd)en 2)emüfratien überijaupt be=
trifft, fo roirb !)ier bas ©taatSroefen feinem f)öt)eren Sdjimmerto
burdjroeg a(ImäE)lid) beraubt unb ftünblic^ biäfutabel.
@^5 melbet fic^ bie 3ief(ejion, angebüd) ali Schöpferin
neuer politifd)er g-ormen, tatfädilii^ aber al§ ^lU^erfe^erin,
perft in SBorten, luorauf ee bann nnuermeiblidj audj gu ben
traten fommt.
Sie fommt a[§> poUtifc^e 3:t;eorie unb nimmt ben Staat
in bie Sdiule; — iu fönnte e§ nic^t, roenn ba§ roal;re
p(aftifc^e politifdie 33ermögen nic^t fc^on tief im Sinfen roäre;
jugleid) aber beförbert fie noc^ bie^ Sinfen unb ^ebrt bog»
jenige plaftifdje 3}ermögen, ba^3 überf)aupt nocb oori;anben ift,
üollftönbig auf, roobei t^ bemfelben ungefäf)r roie ber 5lunft
ge^t, roenn fie ber 2(eft§etif in bie ^änbe fäüt.
2Be§e, roenn man bann ein a)iajebonien nthm ft(^ ^at,
unb in ber j^erne fd)on ein 9tom in 3ieferue bereit ftet)t.
4. Der Staat in leiner Bedingtheit darcb die Kultur. ^29

5n bcn [infeuben S^emofrotien l^aben foldie ©rofemäc^tc


bann i^rc unüermeibUc^ gegebenen "»^^arteien, unb jroar brauchen
e^ md)t einmal immer Beftodjcne 5U fein; — ©eblenbete
tun'» and).
freilief) läßt \\ä) fragen, ob ba5 roirflic^ eine Heber»
roältigung be^S StaatCMuefen^ burd) bie ref(eftierenbe Kultur
geroefen unb nic^t üielme^r bur(^ einfeitigen ^'arteiegoi^mu»
(uom Temagogen a(g ^nbioibuum 3U fdjuieigen). ^rgenb
ein Clement brängt fic^ gegenüber 'o^n uon 2lnfang an fef)r
fomplijierten Ji^ebenegrunblagen uor unb benü^t ratlofe unb
nuibe 3lugenblicfe ; e5 gibt firf) für bae 2Befentlic^e, ja für
bas ©anje an^ unb oerbreitet eine oft fe^r allgemeine Slen^
bung, n)el(^e erft auff)ört, roenn bay iüirflirf)e, alte, ererbte
Öanje ficbtbar an?> ben ^^ugen unb bie 33eute be§ näc^ften
2)cüc^tigen ift.

3iom aU Staat blieb feiner Kultur in allen i^ren ^sljofen


überlegen unb ift be^^alb frül^er (S. 88 ff.) bcfproc^en.
^a^ folgt, ift ha§> trübe ©taat^roefen ber germanif^»
Tomanifcf)en 3'ieid)e ber ^ölferroanberung. 2tll Staaten finb
fie rol)e ^^^fufc|arbeit, barbarifdj'-proüiforifd) unb ba^er, fo»
balb ber ^mpetuS ber Eroberung irgenb ftille fteljt, raf^em
93erfaa unterraorfen. 9lämlic^ bie 5)pnaftien finb rud^lo§
üerroilbert unb lialtungeloe^, ^Sermanbtenfriege, ^ro^ ber
öroßen unb au^Sroärtige 'Eingriffe finb an ber ^age^orbnung;
im ©runbe t)errf($t l)ier roeber Staat noc^ 5lultur nod^
9ietigion. 3)a§ Sefte mögen foldie l'önber geroefen fein, mo
fid) ioenigften§ bie germanifc^e Sitte roieber refonftruieren
fonnte, etroa t)aK> ber 2llamannen in ber fräntifdjen S^it.
Dbrool)l biefe 3"ftänbe jum 2:eit oon ber 9ieaftion be»
romanifdien (5lemente§ fommen, fo roirft biefeä bod) nic^t
burd) feine :öilbung ober burd) oerfeinerte @enüffe ein, fon=
bern t^i regt iid) fo rol) unb müft al§ ba^S germanifc^e unb
tritt, luie bie ^Jiomanen bei ©regor oon ^ouriS jeigen, eben
auc^ nur aU elementare ilraft auf.
2BeItgef4i(^tltd)e Säetrac^tungen. 9
\30 HI. DU BctraAtung der lecbs Bedingtheiten.

3lm e^eftcii erbt im ganjeii bie ilirc^e, ma^ ber ©taat


an ilind)t ueiliert; ciöcntlidi aber ^dji bie Wiadjt in ©tücfe,
lueldie meiter uid)t'5 aU dm\ rolje, wüfte ^Diadjtfragmente
finb.
S)a reiten bie ^^.Upiniben roeuigften§ baS ^ranfenreic^ a\b%
biefem SerfnO, unb biefee fdimingt fid) bnmi mit ^axi bem
©rofeeii ju einer ^löeltmonardiie onf.
3)?an fonn nidit fagen, ta^ unter Raxi ber ©taat öon
ber ^ultnr bebingt geiyefen; [ie ift nur ba§ Stritte neben
Staat unb 5lird)e, auc^ fann [ie ben rafc^en ^«erfatt be§ ^m»
perium§ nid)t aufbauen unb raeid}t balb roieber einer Sar»
barei, me(d)e ärger fc^eint als bie frül)cre be§ VII. unb VIIL
:3a^r()unbert§.
^a ! 2«enn man [ic^ ^arl§ Imperium in feinem ooden
©lang ^unbert Qa^re bouernb benft, bann trotte bie tultur
ba^ Uebergeroid)t befommen, märe auS bem 2)ritten ba§ ©rfte
geroorben. Sann mären ©täbteleben, £unft unb Literatur
ber aügemeine (Ef)arafter ber 3eit geroorben; e§ §ätte fein
3)nttelalter me^r gegeben; bie SÖett ^ctte e§ überfprungen
unb t)ätte fogleid) in bie üoüe 9ienaiffance (ftatt nur in einen
3lnfaug) eingemünbet; bie Äirc^e aber, fo fet)r ^axl fie be=.
günftigte, mürbe nie von ferne ben fpäteren a)iad)tgrab er-
reicht f)aben.
@§ maren ober ju oiele nur fdieinbar gebänbigte bar^
barifd)e Gräfte üortjanben, meiere bie faroUngifdie Kultur
bireft ^ofeten') unb nur bie erfte fd)road}e S^egierung abju-
warten braud)ten. Sunäc^ft mußten biefe ,,©roBen" it)re
3)kd)t mit ber ^ird)e teilen; — ai§> aber bie ©efal;ren oon
aufeen ^inpfamen, unb bie ^tormannenjeit ben 33emei§ leiftete,
baB bie ^vriefter nur §u ftie()en oerftanben, ba blieb in jeber
«anbf^aft berjenige 93^eifter, ber für fidj unb baneben auc^
nod^ jum B(i)n^^ 3lnberer £raft beroie§.

') 3«an benfe an bie ©efcfiicfite von Äarl bem ©rofeen unb ben
6d^ülern.
4. Der Staat in Icincr Bedingtheit dur&i die Kultur. \3\

Q-i begann ba* i'et)nswe[en, auf lueld^eS ]\d) auc^


bic 5lircf)e für il;ren 33efi^ unb i{)re diiä)k üoQftanbig einlieft.
Sei flüd)tigem 2lnblid erfdjeint t§> ber Kultur rein (jin-
berlid^, retarbierenb, unb smar nirf)t bnrd) ba§ Ueberroiegen
bey Staat^j, fonbern burcb feine Sdimädie^). S)enn rair
{)aben e^ t)ier mit einem Staate ju tun, ber fid; offen un--
fäljig befennen muf5, von iid), b. l). üom ßönig auS Crbnung
unb dkdjt ju organifieren, ber im 5n)eifeli)afteften ^^ertjältnis
5U feinen großen, mittleren unb fleinen (Snnjeletementen lebt,
ber nur burd) bie Wemot)u()eit unb burd) feine SBirfungS'
lofigfeit beifannuen bleibt unb allenfalls nur burd) 3)}itl)ilfe
unb auf ^i>erlangen ber Äird)e, in metd)em bae proüinjiale
(Staat'lleben baiS centrale roeit ju übermiegen pflegt, ja roeldjer
in ^trtli^n tatfädilid) in oöHig fonoeräne (Siuäelftüde jerfäüt
unb aud) anber-jmo (in ^eutfd)lanb) nidjt einmal bie nationale
:3ntegrität gegen ^uffiten, ^olen, ©d^roeljer, Surgunber auf»
rec|t ju erljalten imftanbe ift.
2^ar)on, roie fic^ nun ba§ X.'et)n§uiefen im ^lleinen unb
Ginjelnen aulgeftaltet, mar teihueife fdion frül;er (S. 90 f.)
bie 9tebe. ^ie 2Belt ift oöllig in haften eingeteilt ; ju unterft
ftel)t ber Ijilflofe hörige (vilain); erft aQmclblidj, unter
id)tueren 6efal)ren l)eranmnd)fenb, fommt ber ^Kirgev, bann
ber 2lbel, ber burc^ fein Siitterraefen üoüenbs uom (Sinjelftaat
abftraljiert, iubem ber Ginjelne burc^ eine folntopolitifdie
^•iftion bauon ibceH loc^gefprodien ift, unb ber als Ijöl^er ent=
roidelter allgemeiner itriegerftanb ein ofjibentalifc^eS gefell«
fd)aftlid)e» ^oc^gefüljl barfteüt, mciter bie i^ird)e in ©eftalt oon
uielen 5lorporationen (Stiftern, lilöftern, Uniuerfitäten ufiu.)-
Unb bieS ift faft alleS mit gebunbenem cyrnubbefi^j unb (^3e=
raerbe oerbunben unb mit jener unbef(^reiblid)en Unbel)ilflid)=
feit jeber politifd)eu ?vunftion, oon ber mir bereits gefprodien
Ijaben. Sdjon baS Stubium biefer enblofen 3evflüftung unb

') Ueber baä Königtum beg Seljugroefens »ergl. ®. 31. 3iec^lli(^


mar e§ gegen alte Ufuvpation roie fonft in feiner 3eit gefiebert ; aber
bie Ufurpntion tobnte rcirf(i(^ faum ber aUü^e.
-132 III. Die Betraditung der fecbs Bedingtheiten.

öebiugttieit ift iiuiljfam; faum erfährt man, rcag jeber max,


üorfteüte, [oUte uitb burfte, unb wie er mit Obern, 2lb=
bäncjigen unb Seine^gleid)en ftanb.
:i?lber, roäljrenb nun aüe 'ücad^t in ©tüdfcn (og, [tauben
biefe einjelnen ©tücfe beffen, rca§ feitfier ©taat^mad^t ge»
morben ift, unter einem ftarfen @influ& it)rer ^artiol»
fultur, fo büf3 biefe beinal;e al§ ber beftimmenbe Steil er»
fc^eint; jebe ^a\k: 9iitter, ©eiftU^e unb 33ürger, ift üon
biefer ifirer 5!u(tur auf^ ftärffte bebingt, im t)ö(^ften ©rabe
gilt bie§ uon ber ritterlichen Öefellfdiaft, meli^e rein al§ ge-
fellige Kultur lebt.
3n)ar ift ba§ i^nbiüibueHe nod^ gebunben, aber nid^t
innert)alb bc§ geiftigen 5^reife§ ber i^afte, i)ier Eonnte bie
^^erfönlic^feit fic^ frei jeigen unb guten SSiden entmideln,
unb fo beftanb benn mirüic^ fel;r üiele unb t<^k ^rei^eit.
©!§ gab einen uncnbli(^en S'teic^tum, nod^ nic^t oon ^nbi»
üibualitäten, aber oon abgeftuften Lebensformen. ^tiU unb
X)rtn)eife i)errfc^t ein bellum omnium contra omnes, ba$
aber, raie früi)er (©. 65) gefagt, nidit nad^ bem ©efuritätS'
bebürfniS unferer 3^it ju beurteilen ift.
©erabe unfere 3cit ge^rt oiellei^t baoon, ba§ bamal^
retarbiert loorben ift, unb ba^ nid^t einheitliche ©efpotiSmen
fc^on bamalS bie «Gräfte ber 3]ölEer auffraßen. Dljuel^in
foUten mir gegen ba§ 3}Uttelalter fc^on beS^alb ben 9)iunb
bolten, roeil jene ^tiUn il)ren 9fac^Eommen feine ©taatS»
fc^ulben l)interlaffen l)aben.

®ann fam allmä^lic^ ber moberne, jentralifierte ©taat,


roelcf)er raefentlic^ über bie Kultur l)errf(^te unb fie bebingte,
göttlich Derel)rt unb fultanifd) roaltenb^). Königtümer mie
bie oon ^i^anfreid) unb ©panien rooren ber Kultur fc^on
baburcf) ganj übermäßig überlegen, ba§ fie jugleirf) an ber
©pi^e ber großen religiöfen ^auptpartei ftanben. ^oneben

') SSgt. oben ©. 92 ff.


4. Der Staat in leiner Bedingtheit durd) die Kultur. ^33

ftanben bie je^t nur politifd) mac^tlofen, aber tatfädiüc^ fojiQl


uorf) priüilegierten öeburtÄftänbc unb ber Älerug. 3Iuc{)
(11^3 in ber ^{eüolution biefe Staatsaüninrfit nicf)t mel)r Siibmig,
fonbern ^Jiepublif l)ie& unb 2lUe^ anber^3 raurbe, luanfte borf)
(Sine^ nic^t, nämlicl) eben biefer ererbte ©taotsbecjriff.

3iaein im XVIII. ^aljrtiunbert beginnt unb feit 1815


eilt in gewaltigem isoriuärt§[rf)reiten ber grofeen iilrifiä ju bie
moberne Kultur. 6rf)on in ber 2tuff(ärunge^seit, al0 ber
Staat fc^einbar nod) berfelbe mar, mar er tatfäc{)Uc{) üer»
bunfelt burc^ l^eute, roelcf)e nirf)t einmal über bie (Sreigniffe
bee^ 2:age» bi^putierten, fonbern al$ philosophes bie SBclt
bel;errf d)ten : burd) einen a^oltoire, einen 3touffeau u.a.; ber
contrat social beS le^tgenannten ift Dieüeid)t ein größeres
„(S-reignis" als ber Siebenjährige Hrieg. a>or allem gerät ber
Staat unter bie ftärffte ^errfc^aft ber 9ieflej:ion, ber p^ilO'
fopl)ifcben 3lb[tratliou: e^ melbet fic^ bie :3bee ber ^^olf^^
fouDeränetät^), unb fobann beginnt ba^^ 2BeItalter be§ ®rroerbg
unb iöerfeljr?^ unb biefe ^ntereffen l;alten fid) me(;r unb me^r
für bog äBeltbeftimmenbe.
3uerft l)atte ^i ber 3raang§ftaat mit feinem 3}terfantiU
fpftem uerfuc^t. (Sine ^;)tationalöfonomie in oerfrf)iebenen Sdiulen
unb ©eften mar t)interbrein gefommen unb l)atte fogar fd^on
ben ^-reil)onbel alg 3beal befürroortet; — aüein erft feit 1815
fielen allmätilic^ bie Sc^ranfen jeber Xätigteit, aüeö Sunft»
roefen, aller ©eroerbemiang; e§ fam jur totfärf) liefen 33eroeg =

M „@g gibt feine einjige poHlifdie ^bee, bie im l'aitfe ber lefeteu
5af)r()unberte eine a()nlic^e SBirffamteit oiiögeübt [)ätte, loie bie Solfg =
jouDeränetät. Sigrceilen jutücfgebrängt unb nur bie aJJeinungen beftim=
menb, aber bann roicber t)erDorbrec^enb, offen befannt, niemals rcalificrt
iinb immer eingreifenb, ift fie bog emig beroeglic^e Ferment ber mo^
bernen 2ßelt," fagte :}(anfe, engl. &e\d}. «b. III, ©. 287. (Jrcilic^
gerabe im 3a^re 1658 trat fie in einer Jorm £)eroor, bie il)rem 3nt)alt
.V->o^n fprac^: bie tt)eoretifc^e Söet)auptung ber Doaften 3tec^te populärer
Unab^ängigleit paarte fi(^ im Parlament nad) ber Prides purge mit
faftifcfier Unterroerfung unter eine militärifc^c (Memalt.)
H34 III. Die Betrachtung der Ie6s Bedingtheiten.

licftfcit aüe^S (^runbhefi^e^ unb j;u beffen SDi^ponibiUtät für


bie ^ubuftric, unb tSuf|laub mit feinem "iöelttianbel unb
feiner ^nbuftvie mnrbe ba$ allc^emeine 'i>orbtlb.
©ngliinb brarf)te bie malicntjafte ^i^ern)enbnn(:^ oon ©tein^
foljle unb @i)en, bie ber ^Jcaldjine in ber ^nbuftrie nnb bamit
bie ©rof?inbuftrie , e5 brachte mit 2)ampf|d)iff unb (Sifen--
bahnen bie 'üiafc^ine in ben 5i>erfet)r, baju eine innere i){eüo=
lution in ber ^nbuftric burc^ '^U^yfif unb 6f)emie, unb e§
geuHinn bie i^errfrfiaft über ben @rof?fonfum ber 2öelt burcl)
bie 33aumuiolIe. ^^n Um eine unermeßliche 2(u!obet)nuni-j
ber :Qcrrfd;aft be^ Ärebit§ im meiteften 2Bortfinn, bie 2luc^'
beutung ^nbien^, bie 2lu§bel;nung ber ^lolonifation über
^ohjuefien \i]w., roä^renb jugleid) bie ^Bereinigten Staaten
fic^ faft ganj 3Jorbamerifa5 bemäd)tigten, unb jn biefem aUem
noc^ bal öftüc^e Slfien bem ^i^erfeljr geöffnet rourbe.
SSon biefen 3:atfad)en au§ mag e^ bann fd)einen, al5
fei ber ©taat nur nod) bie ^oUjei für biefe miUionenfältige
^ätigfcit, gu il)rem ©c^u^e. S)ie Sn^uftrie, welche feiner
3eit atterlei 9)iitl)ilfe oon il)m begelirte, verlangt juie^t nur
no(^, baß er Sc^ranfen abfdjaffe. 2lußerbem roünfc^t fie,
baß fein ,3oarai)on fo groß aIc^ möglid), unb baß er felbft fo
mäd)tig al§ möglid) fei.
3iaein ju gleicher 3eit roirfen bie ^beeu ber fran^
jöfifd;en 9ieoo lution auf ba§ ftärffte politifd) unb fojial
nad). Ilonftitutioneae, rabifale, fojiale Seftrebungen madien
fic^ mit §ilfe ber allgemeinen ©leidjberedjtigung geltenb unb
bringen burd) bie treffe riefent)aft in bie Deffentlic^feit; bie
©taaten)iffenfd)aften werben ©emeingut, ©tatiftif unb DJationat»
Ökonomie bal Slrfenal, roo jeber bie SBaffen t;oit, bie feiner
giatur angemeffen finb, jebe 33en)egung ift öfumenifd). 2)ic
tirdie aber erfc^eint nur nod^ aU irrationale^ Clement: man
roiU bie 9teligion, aber otine fie.
Unb anberfeitS bel)auptet ber «Staat üon biefem aUem
fo unabljängig, aU er jeroeilen fann, feine SJJac^t al^ eine
ererbte unb nad) i^räften ju mel;renbe. (gr mad)t, roo er
4. Der Staat in feiner Bedingtheit durch die Kultur. 1(35

fann, bic 33erec{)tigung ber iliäfte uon unten 5U einer btoB


Scheinbaren. ©3 gab unb gibt noc^ 3)t)naftien, 33ureaufratien
unb 'ütilitariÄmen, bie feft entfcbloffen finb, fic^ felbft ba-S
^:|?rogramm ju fcbreiben unb e^ fic^ nic^t biftieren ju (äffen.
3(u5 biefem allem entftet)t bie große Ärifil be§ (Staate»
begriffe, in lueUl^er roir leben.
'43on unten berauf nürb fein befonberel 9iec^t be!§ Staate!
me^r anerfannt. ÜlüeS ift bisfutabel; ja im Örunbe üerlangt
bie 9ieflerion uom ©taat beftänbige Sßanbelbarfeit ber gorm
na(^ if)ren Saunen.
3ugleid) aber verlangt fie für i^n eine ftet! größere unb
umfangreid)ere 3iui^ng^"^ocf)t/ 'i^Cimit er i^r ganse! fublime!
Programm, ba-^ fie periobifc^ für if)u auffegt, oerroirflic^en
fönne; feljr unbcinbige .jnbiüibuen uerlangen babei bie ftärffte
33änbigung bei ^nbiuibuum» unter ba! Slllgemeine.
Ser Staat fott alfo eine»tei(§ bie ä>erroirflid)ung unb
ber 3Iuebru(f ber ^ulturibeen jeber Partei fein, anbernteiU
nur bae fic^tbare ©eioanb be^ bürgerlidjen Seben» unb ja
nur ad hoc attmäd)tig! Gr fott atte! möglid^e fönnen,
aber nid)t§ mt\)x bürfen, namentlich barf er feine befte^enbe
gorm gegen feine ^rifi! oerteibigen, — unb fc^liefelic^ möd)te
man boc^ oor attem mieber an feiner 9Jiad)tübung teilhaben.
<Bo roirb bie Staatsform immer bi^^futabler unb ber
9)?ac^tumfang immer größer. Se^teree auc^ in geograp^ifcfiem
Sinne: ber Staat fott je^t minbeften! bie ganje betreffenbe
Dktion unb nod^ etroal baju umfaffen ; e§ entfielet ein ^ultUfS
ber ßintieit ber Staatsmacht unb ber ©röße bei Staatl^
umfanget.
^e grünblic^er ha§> ^eilige 3led^t be§ Staate! (feine
frühere SKittfür über Seben unb Eigentum) er(ifd)t, befto
rceiter breitet man if)m fein profane! 9iec^t an^. 2)ie for»
poratioen 3{ed)te finb ot)net)in tot; nic^t! beftel;t meijr, roa!
geniert. 3"^^^^ ^^^^ ^'^^ äußerft empfinblid^ gegen jeben
Unterfd)ieb; bie 33ereinfac^ungcn unb ^JcioeÜierungen, meiere
ber ©roßftaat garantiert, genügen nid)t mebr; ber ©rmerb!»
\36 III. DU Betrachtung der Icdis Bedingtheiten.

finn, bie i^^auptfraft bcr je^iflon Äultur, poftulierl eigentUct)


jrf)on um be§ lsevfel)r5 iinlleu beii Uniuerfalftaat, roogegeu
freilirf) in ber (i-igeuart ber einseluen a^ölfer unb in il;rem
HjQc^tfiuu m6) ein \iaxU^i @cgenge:üic^t tätig ift.
®a5iuifrf;en läf3t [ic^ bann t)ie unb ba ein ©ewintmer uad)
3)e5entraIifation, Selfgouernment, amerifanijc^en 'Iserein'
fac^ungen u. bgl. l)ören.
^a§ 9Bid)tigfte aber ift, ba| [id) bie ©renjen groifc^en
ben 3luf gaben uon Staat unb ©efellf^aft gänjUc^ ju oec^
rücfen breiten.
^ierju gab bie fransöfifd^e 9ieüolution mit il)ren aJZenf^en^
re(^ten') ben ftärfften Slnftoi roät)renb ber ©taat l)ätte frol)
fein muffen, roenn er in feiner 3Serfaffung mit einer t)er=
nünftigen Definition ber Bürgerrechte burcf)fam.
^ebenfattg ptte man firf) babei, wie 6arh)le mit 9ted}t
bewerft, auc^ etroaS auf aKenfc^enp flidjten unb 2)Icnfd)en*
fräfte, au(i auf bie mögli^e ^srobuftion be§ ^anbe§ be^
finnen foHen.
2)ie neuere 9^ebaftion ber 9)ienfc^enrec^te üerlangt ba§
S^ed^t auf 2lrbeit unb auf ©ubfiftenj.
^Dian roia thtn bie größten ^auptfa^en nid)t metir ber
©efeUfc^aft überlaffen, meil man ba§ Unmögliche raitt unb
meint, nur ©taat^smang fönne biefe§ garantieren.
Dücbt nur, maS „(Sinrid^tung" ober „2lnftalt" Reifet, fommt
burc^ ben je^igen literarifc^en unb pubUsiftifciien ä?erfet)r rafd^
^erum, fo bafe man e§ überatt auc^ §aben miß, fonbern man
oftropiert bem ©taat in fein täglich roa^fenbe§ ^:pflic^ten§eft
fd)lec^tmeg 3lIIeg, roooon man mei§ ober a^nt, ba^ e§ bie
©efeüfc^aft nic^t tun werbe. Ueberatt fteigen bie 33ebürfniffe
unb bie baju paffenben 2;^eorien. B^^öl^^c^ ober auc^ bie
©cfiulben, ba§ gro^e, jammerooUe^auptribifule be^XIX.^a^r»
^unbert^. ©d^on biefe 2lrt, ba§ isermögen ber fünftigen

') aSgl. ©9 bei, granj. ^ex>. m. I, ©. 76.


5- Die Religion in ihrer Bedingtheit durch den Staat. \37

Generationen oorroeg jn nevirfileubern, beroeift einen Ijerjlofen


^oc{)nuit aU roefentlirfien 6[)arafterjug.

2^a§ @nbe uoni i'ieDe ift: irgenbroo wirb bie menfc^lic^e


Ungleic^tieit wieber ju (Kjren fommen. 3l^a§ aber ©taat
iinb ©laat^begriff injroifrf^en burd)mad)en werben, wiffen bie
öijtter.

5. Die Hcligton in i()rcr ^cbin^tf^cit ^nvd} ^cn


Staat,
3u ben 9ieligionen, bie burcb ben Staat bebingt finb,
gel)ören uor aüem bie beiben ftaffifcljen ^)ieligionen.
3)?an barf iid) babei nid;t burd) bie uielen 2Iugbrüde
ber grömmigfeit irre machen laffen, wie ba§ tiorajifcle „dis
te minorem quod gevis imperas" ober (Sicero, de legibus I,
7 (unb fonft) ober bie ©teile bei 33a(eriu§ 3)Jarimu§ I, omnia
namque post religionem ponenda semper nostra civitas
duxit . . . quapropter non dubitavenint sacris imperia
servire.
äöelc^eg auc^ iljre SJeligiofität gemefen fei^), ©ried^en
unb 9tömer waren eine oöüige i:?oienwelt; fie wußten eigent»
(ic^ (wenigfteny in if)ren entwideüen ^<i\U\\) nid)t, wa§ ein
^^riefter fei; fie l)atten fte^enbe ßeremonien, aber fein Öefel
unb feine fdjriftlic^e Offenbarung, welche bie 9ieIigion über
ben Staat unb ha§ übrige Seben eniporgetjalten f)ätte.
3^re poetifc^ oermenfd)Iid}ten, gegenfeitiger ^einbfdiaften
fälligen ©ötter finb jum ^Teil fef)r auebrüdlid) Staatsgölter
(nohov/oi), unb fpejieü jum ©c^u^e be0 ©taate» uerpfHc^tet ;

') 2Dir muffen un§ iniinerf)in borüber flar fein, ba^ bem ©cfticf»
fal, baä ja über 3e«ä ftanb, mit feiner ^Religion beijufommen mar, unb
bafe man fic^ mit bem Senfeitg roenic^ abgab.
^38 III. Die BctraAtung der Ied>s Bedingtheiten.

2lpoII ift lt. a. ber ©ott beS iToloiüenou^fcubeuiS {äqyrjyiitjq)


uiib miif? in 5)elpl)i bmüber 3lu^5tiiiift geben.
lliögeu aud) bte Wötter für aüe ^cüeueu, \a mirf) für
bie 'i^avbareii imb für bie gaiije ÜBelt geltenb gebad)t merbeu
(n)a§ ber i)ieflei-iou fpäter nid)t fdjiuer fiel), fo merben fie
boc^ mit einem 3i'"ii"i^H lofalifiert unb für bie betreffenbe
©tabt, ben Staat ober eine fpe^ieHc ^ebemäfpfnire uerpflic^tet.
2Benn ©riei^en unb 9{ömer ^^riefter unb eine Tt)eotogie
gebabt bätten, fo mürben fie freilii-^ and) iijrcn anf bie
menfd)Iid}en ^ebürfniffe nnb :öeäiel;ungen gefteüten, ooHenbeten
©taat nid)t gefdjoffen tjaben ')•
®er ein3ige ^aQ, mo fid) bie römifdje ^Keligion roiUent»
lic^ profehjtifd) jeigt, mar etma bie Sf^omanifiernng ber gaüifdien
m\h anberen norblidien nnb meftlidien ©ötter; bie (Stjriften
aber roolltc man jnr 5^aiferäcit nidit etma befet)ren, fonbern
nur oon ©afrüegien ab()altcn, nnb übrigen^ 9«f<^o§ i'if^
beibe» im ^ienfte beS (Staate^.
3)ie übrige alte 3Belt, ber Orient, bie Staaten be§
Iieiligen 9ied)t§ ufm. finb oiel mel)r oon ber Sfieligion be»
bingt, oon roeldjer ja aud) iljre Kultur in ©d;ranfen geijalten
roirb, o.U bie 3ieligion oon iljnen; nur 'qo!^, mie oben
(@. 108 f.) gefagt, ber SefpotiSmu^ mit ber '^di cor»
fd^Iägt, bie 0öttli(^feit auf fid) bejiefit nnb fid) babei fa^
tanifd) auffütjrt.

2)ie 9teUgionen be()anpten ibre i^bealitöt am ef)eftcn, fo


lange fie fic^ gegen ben Staat leibenb, protefiiereub oer()aIten,
roa§ freiließ iljre fdiroerfte ^-euerprobe ift, an raeld^er geroiß
fc^on mancher Ijolje 2{uffd)mung untergegangen ift, benn bie
@efal;r, oom Staate au^njerottet gU werben, menn berfelbc

') Sien an, Apotres, ©. 364. L'inferiorite religieuse des Grecs


et des Romains etait la consequence de leur superiorite politique
et intellectuelle. La superiorite du peuple juif au contraire a ete
la cause de son inferiorite politique et philosophique. gilben unb Ur^
d^riften bauten tbm bie ©efeUfc^aft auf bie äleligion, joie ber S^Iam«
5- Die Religion in ihrer Bedingtheit durih den Staat. 1(39

eine anbevc, intolerante DieUgion uevtritt, ift unrfürf) cor»


I)anben. 2)q^ G^riftentum ift eigentlid; ba§ Seibenbe unb
feine l^eijre uovftanbeu f ür X^eibeube, unb e^S ift oie[Ieid)t oon
allen aieligioneu näd}ft bem ^iibbljiömuC^ am tuenicjften ge»
eignet, mit bem ©taat in irgenb eine i^evbinbung ju treten,
©(^on feine Uniuerfatität ift bem entgegen. 2Bie fam e§,
ba^ e§ bennod; mit bem 3taate in bie engften 'Iksieljungeit trat?
^er ©runb unube fd)on fe^r frü^, balb nadj bem apo-
ftotifc^en ^^i^o^^e^^' gelegt. 2)aä (gntfdieibenbe war, bafe bie
G^riften be§ II. unb III. ^al^rljunberte antife 3}ienfi^en
roaren, unb smar in einer 3eit bec- (£inl)eit5ftaatee. Unb nun
uerfü^rte bas ©taatetum ba^ ^irc^entum, fid) nad) feinem
^^orbitbe ju geftalten; bie Gliriften bilbeten um jeben ^rei^
eine neue (i)efeLlid}aft, fdjieben mit ber größten Slnftrengung
eine Seljre aU bie ortljobore uon allen ^lebenauffaffungen
(aU ^ärefien) au3 unb organifierten il)re ©emeinbe fc^on me^
fentlid) l)ierard)ifd). 33iele§ mar fd)on fel;r irbifd) ; man benfe
an bie 3^^t be» ^^aulu» üon ©amofata unb bie Allagen
eufebl.
©0 roor ba§ 6l)rifteutum fc^on mäljvenb ber Sserfol-
gungen eine 2(rt einl)eitlic^er :')iei(^Äreligion, unb al§ nun mit
(Sonftantin ber Umfdjtag eintrat, mar bie föemeinbe plö^lid)
fo mächtig, bafs fie ben Staat beinal)e ^ätte in fid) auflöfen
!önnen. Sie unirbe je^t roenigftenS jur iibermäd)tigen Staats^-
firdie, unb über bie gange lUilfermanberung unb bi^:- weit
in bie bi)jantinifd)e 3eit, im Cfjibent aber bQ§ ganje TlitUU
alter tiinburc^, ift bann, mie mir (©. 112 ff.) gefcl;en l)abtn,
bie 3ieligion ba§ Scftimmenbe. itarl^ bec ©ro&en ^löett*
monard)ie ift roie bie be-i (Eonftantin unb 2;i)eobofiu§ roefent»
lid^ eine d)riftlid)e, unb menn bie Ätrd)e etma ju fürchten
Ijatte, von \i)x al§ •ßerfseug mi§braud)t 5U merben, fo bauerte
biefe Sorge nid)t lange; ba§ 3nH^*^i^i""i Serfplitterte, unb bie
Äirc^e blieb im :^e^n55eitalter menigften» mäd)tiger all allel
2lnbere, mal baneben mar.
9lber jebe 33erüt)rung mit bem Qtbifdieu mirft ftarf auf
^0 III. Die Bftraditung der \e&)S Bedingtheiten.

bic -iHeligion jurücf; mit ber t'iufjercu 3}{ac{)tgeftQltung ift lui'


fel)lbin- eine innere 3eifetuing uerbnnben, idjon m'ü ganj
anbere Seutc an bie (Spitze famen al§ in ber ecclesia pressa.
Tk äBir!ungcn biefer 3ln[tec!ung be§ 5lirc{)cntum§
burd) baö (£taat^5tnni [inb nnn folgenbe: (Srftlidi ermäd)ft im
fvätrömifdien unb lii)jantinifd)en 9ieid), mo ^mpfrt""^ ii^^^
^ixdjQ fid) genau ju bedcn jenficrt finb unb bie 5lirdje gleich»
fam ein grofee» juieite!? ©taatemefen bilbet, qu§ biefem SßaxaU
Ieli^5muv ber falfdje Hi ad) tfinn in il)r. Statt eine [ittlic^c
a}hd)t im iUilferleben ju fein, lüirb [ie, inbem [ie fiit politi»
fiert, felber ein Staat, alfo eine ^raeite poUtifc^e Waä)t mit
bem t;iebei ganj unüermeiblic^ innerH(^=profanen ^erfonal.
9)iad)t unb 33efi^ [inb c«, bie in ber abenblänbifdien ^ird}e
ba§ Heiligtum met)r unb mef)r mit Unberufenen anfüllen.
9)Zad)t aber ift fd)on an fi(^ böfe.
3)ie gmeite ^olge aber ift bie enorme Ueberfd)ä^ung
ber ein^eit, in engem ä^erbanb t)iemit. 2)ie Xrabition
ftammt, roie mir fafien, fc^on au§ ber ^dt ber Urfirdje unb
ber 33erfolgung ; bie ecclesia triumphans aber bietet nun
alle gJZad^tmittel auf jur Se^auptung ber ©in^eit unb ent-
midelt au§ i|rer @inf)eit immer meljr a)kc^tmittet, ja fie
fann bereu uid)t me^r genug oor fi(^ fe^en unb füllt am
@nbe ba§ ganje ^afein mit i^ren ©räben unb ^eftung§raer!en
an. ^iel giü üon ber abenblänbifc^en ^irdje fo gut wie
üon ber bi}§antinifd)en. Umfonft ertönt ba^raifc^en immer
raieber bie Slnficbt, ba§ göttlidie SBefen freue fic^ üerfc^icben»
artiger '^erei^rung.
3e|t glaubt fein abenblänbifc^er Mtnidj mef)r an ba§
S)ogma ber ecclesia triumphans 5. 33. be§ V. 3at)r^unbert§ ;
man ()at fi^ aßmäEilid) an ben 3tnblid ber religiijfen ^l^ielE)eit
geroöijnt, bie jumal in ben englifc^ fpredienben Säubern mit
ftarföerbreiteter ^teligiofität cereinbar erfc^eint, unb fief)t bie
9teligion§mifc^ung, Rarität u. f. ra. in ben gemifdjten 33e^
üölferungen oor fic^, oon melc^em allem bamal§ no^ nie«
manbem träumte. 2Iud) übt bie gegenraärtige 3)ogmengefd}ic^te
5- Die Religion in ihrer Bedingtheit durd) den Staat. \4:\

gegen bie ^ärefien ©erec^tigfeit, von beneu man lueife, bo^


fie bi^roeilen ba§ Sefte von ©eift unb Seele ber betreffenben
3eiten entl}a(ten tiaben.
2Ibei- iueld)e ^efatombeu finb ber (£-in^eit — einer roa^ren
fijen :3bee — juni Cpfer gefaden! Unb biefe fijc i^bee ^attc
i^re Doüe Sntuncflung nur erreüten fönnen, roeil bie poli»
lifierte ^irdje abfolut macf)tgierig gemorben mar. ^ie bog=
matifcf)e '^egrünbung ber @inl;eit unb iljre poelii'dje 5i^er»
I)errlic^ung a(l> tunica inconsutilis ift 'Jiebenfarfie.

Wdt ber ^Jiefürmation, bie in bie ^di fäüt, ba ber


moberne 'üJac^lftaat an fic| )d)on in ftarfem ^^ortfc^reiten
ift, tritt bann eine gro§e allgemeine S3eränberung auf beiben
(Seiten ein.
3n ben großen Staaten be^ 2Beften^, (Snglanb au^ge»
nommen, befiegelt bie Gegenreformation ben „33unb
5roif(f)en ^{)ron unb ^Mtax", b. l). bie ^irc^e, um fid) ju ht--
Raupten, braudjt nod) einmal im roeiteften Sinne ba§ bra-
cMum saeculare. Seither befielet eine enge Äomplisität
beiber; eg ift 5. S8. in bem Spanien ^l;ilippg II faum an^--
einanberjulefen, maS jebem oon beiben geliört, unb boc^ l)at
eljer bie 5lird)e, roeldje babei an ben Staat enorm gejaljlt
^at, Reifen foUen, ben fpanifdien ^Banferott über möglicbft
üiele l^änber au^jube^nen; and) bei iiubroig XIV ift ber
Hatl)otiäi!Jmu^ loefentlic^ ein instrumentum imperii unb
feinen großen fird^lidien Sd^redenSaft l)at ber ^önig, obroot)l
aud) Don feinem iUeru» angereiht, roefentlid^ an§ politifd)er
UniformitätÄgier gegen bie 2lnfid)t be^j ^apfte^ ooüjogen.
3n neuerer 3eit ift biefer 33unb ftetS ungleidjer unb für
beibe Steile ungleidjer geworben, toeit entfernt, beiben fo
nü^lid) ju fein, mie bas (^eilige 91ed)t ben ©eroallftaaten bei
SlltertumI mar. SBäljrenb ^irinsipien emig fein fönneu, finb
Sinterefjen unter aüen Umftänben manbelbar, unb nun ift
bieg eben ftatt cine^ Sunbel ber ^^>rinjipien tatfädjlicft me^r
unb mel;r ein ^unb ber ^ntereffen, nou tueldjen e» feljr frag'
\4^2 111. Die BctraAtung der \e&)s Bedingtheiten.

iidi) ift, iine laiu^c fie iiod) sufammeugel)^! roevben. ©o fon»


ferüaliü bie .Uiidic fidi (jobcn iiuii^, ber Staat fieljt auf bic
;i^änge feine ©tüt^e, fonberu eine '^erlegent^eit in it)r.
3n '^Tanfieici^ luirb ber ©taat, fo oft er fid) lieber ber
Tenfmeife unb 'ipartei ber grofjen franjöfifc^en 9ieüolution
näijert, aurf) bereu ^obfeinbfcf)aft gegen bie fatI)o(ifd}c Äirc^e
aboplieren. ^icfe aber ift burd} Diapoteou I Houforbat
tion 1801 auf bie uertjängni'ooollfte äßeife jum ©taat-^inftitut
gemorbcn, mit <Qilfe einer allgemeinen ^l^orau^fet'iung, wonach
ber ©taat 2lÜec, ma» nun einmal uorljanbeu fei, von fic| ah'
l)ängig mad)en unb organifieren muffe, ©c^on ber IHufang
ber ^{eüolution öatte bie Constitution civile du clerge uon
1791 gebrad;t, mit 'i>erfäumui^ be§ einjigen 9)?oment§, ba
man mit ßrfolg trennen fonnte, unb 1795 mar bann bic
juribifdje Trennung ju fpät gefommen, weil bie Äirdie in»
gmifdien ein 9}iärti;rertum aufroeifen fonnte,
'Jiun ift üon biefen politifd)en ,3iift«nben nid;t blof? bie
^ird^e, fonbern au^ bie 3teligion mefentUd) mitbebingt, ©ic
ftet)t unter einem ie^igcn ©d)U^ unb ©olb be§ ©taate§, ber
it)rer unmürbig, für fie unanftänbig ift, fann aber oon
^eute auf morgen, roenn biefer ©taat in anbere ^änbe fallen
foUte, beffen fdimerfte g^einbfdiaft erleiben unb ift unter
allen Umftnnben uon ber allgemeiuen 5lrifiv be§ europäifd)en
©taatebegriffg, oon ber mir oben (©. 134 ff.) fprad)en, mit*
bebro^t.
3n ben meiften fatbolifd^en Säubern gilt me^r ober mc'
niger basfelbe; ber ©taat ift im 53egriff, ben erfrf)ütterten
Sunb jroifdjen 2;l)ron unb Slltar, ol§ je^unb unoorteilljaft
geworben, ju fünben; bie fatl)olifd)e ilirc^e aber oerlä^t fic|
oiel 3u menig auf innere i^räfte unb fuc^t t)iel ju fel;r naä)
äußeren Stü^punften.
Ob ba§ ^onjil eine Söfung bereit plt?
3Son feiten be§ ©taate§ aber ift e§ läd)erli(^, roenn er
gerne „liberale Prälaten" t)ätte, bie feiner Sureaufratie feine
fauern Xa^e machen foUen. S)en norbamcrifanifc^en 9tegie-
5. DU Religion in ihrer Bedingtheit durch den Staat. H«^

riingcn ift e« ganj gleicfigültig, w\t ultramontan ober „auf-


geflört" bic fat(}oIild;en 33ifc{)öfe ber Union finb.

3ufQfe 1873. 9tad)bem ben Siegierungen ba§ iseri)ält»


m§ 3ur fat 1)0 Uferen iUrrf)e längft Inftig geiüc[en unb
tiöcbften'^ Souie> 9iapoleon [ie aUi ^ilfe feiner 3)iad)t benü^eu
fonnte, ^^^reufeen aber iljv incnigflenS SlÜe^ geftatlete unb 2ob'
fprüc^e Don ^^iu'3 IX erntete, nacfibcm ber moberne bemo»
fratifdie unb inbuftrieüe öeift in eine ftet§ größere geinbfc^aft
mit itjr geraten, faub bie itirc^e für nötig, i[)re 2(nfprürf)e
auf bem oatifanifdjen ilonjil ju fijftematifieien ; ber fc^ou
lange oorl;anbene ©ijüabu^ nnirbe in feinen ^auptsügen
jum 5^ird)engefe^ ; bie ^nfaÜibilität frönte ha§' ganse Softem.
21lle mezzi terniini TOurben abgefdjuitten, bie fo nü^üd^
erfd^einenben Uebergänge eines liberalen ^latüiolisismu« u. bgl.
total beiHiDOuicrt, ba§ oernünftige a3erl)anbeln mit ben Staaten
fcl)roer ober unmöglich gemadjt, bie ganje (Stellung be§ Äat^oli-
jiSmue in ber äl'elt unermeBlid) erfc^mert.
äöas- mar ber 3mcd? 3.^or allem ift l)ier jebe ooraus-
fe^enbe 23e5iet)ung auf ben Ärieg oon 187U 5U eliminieren;
ben 5lrieg falj jebermann im 3lnjug; aber beim Sieg 5ia-
poleong TOäre es ber fattioiifdjeu iUrc^e faum beffer er=
gangen.
ein blo§ t^eoretifdier i^od^mut mar e§ nid)t; eine gro^c
praftifc^e 2tbfic^t mufe jugrunbe gelegen l^aben, al§ man ber
ganjen l)öl)eren fall;olifd)cn 33ilbung fo berb ben 9lbfc^ieb gab
unb unbebingte gleidjartige gnigfamfeit oerlangte — unb eub=
li(^ erljielt.
ein ftraffeg 2lnsiel)en aller 3ügel ber Sinlieit mag not--
roenbig gefc^ienen l)aben gegenüber ber allgemeinen Gntmirf'-
hing bes mobernen ©elftes, in 'isürausfid)t balbigen 'iierlufte^S
beä dominio temporale; bcnn auf offene^ ergreifen ber
äßaffen fonnte bie Äird)e gar nirgenb? Ijoffen; biefen ^^aftor
mußte fie nöüig außer :)iedinung laffeu.
^4*^ 111. Die Betrachtung der |e(hs Bedingtheiten.

Hub Ulm biv5 iol3iije üer|dnebcue ^^er()alteii ber Siegte»


riiiujcu. ^^ic mciften iieljnien bic Siute uüe ein bloftciä tljeo-
retifdicv i^eriiuiu^Mi bC'J '|>apfttum^i, btb3 mau benifclben laffeu
tonne; J'eutfdilaub unb bie Srfjweis bagegen nQt)men ben
5\ampf a(^ ilampf onf. ®ie grofee 3d)iüierigfeit babei ift,
bic 9üiygelveteneu aU 5^irrf)e ju fonftituiereu unb itjuen einen
neuen Alleru'? ju fdjaffeu.
3)ie einjige mai)Xi Sö|ung, bie S^rennung von Äirrfie
unb «Staat, ift on fid) feijr fd)iüer, unb meljrere Staaten
moUcn nid)t mel^r trennen, lueil i()nen cor einer luirfUd) un*
ab()äugigeu :)i'eIigion unb 5lird)e bange umre. — Unb gerabc
ebenfo benft in ber Siegel audi ber Siabifali^mn^.

2)a§ proteftantifc^e ©taatsüri^entum, im ©rang


be5 XVI. ^a^r^unbert^ üon felber entftanben, Ijat feine 2tb'
i)ängigfeit oom (Staate öon 3{nfang an unb oft bitter füljlen
muffen. Ot;ne ba^Sfelbe aber roäre bie Sieforniation in ben
meiften Sänbcrn fieser roieber jugrunbe gegangen, roeil bie
9}iaffe ber Unentfc^iebenen fic| balb roieber jur alten ^irdie
roürbe gehalten Ijaben, unb roeil auc^ oljnebie§ bie alte ^irc^e
i^re Staaten gegen bie ber neuen roürbe in» ^elb gefül)rt
Iiaben. 5)a§ Staat^firc^entum roar f(^on um ber 2Bel)rl)aftig=
!eit roiöen unoermeiblid).
Slber unüermeiblid) roar aud^, baß bie 5lirc^e ein ^mnq
ber ©taat^regierung roürbe. @efürd)tet unb für 'txin Staat
ein ßlement ber Wlaä)i, fo lange er fie mit feiner 2(utorität
bedte, roirb fie feit ber 2(ufflärung§3eit mel;r unb melir eine
Verlegenheit für i§n, roö^renb er einftroeilen il)r 9iotf(^irmer
bleibt.
Sie roirb e§ ri^fieren muffen, au§ einer Staats»
firc^e jur Volfsfirdie ju roerben, ja in melirere unabhängige
^iri^en unb Seften au§einanberjugel)en, fobalb einmal
5. Die Religion in ihrer Bedingtheit durA den Staat. \4(5

bie ilrifiä bei ©taatebcgriffel loeit genug gebiel)en fein


toirb ^).
^oc^gefäfirbet ift bcionberl bie anglifQni[(^e Äircfie mit
iljrem Öefi^, foiiftitutioneaem ^-Isorred)! unb iQod)mut, bei
ftatiftifc^ 5ät;lbarer 3}tenge ber 33efenner bet rectitlofen ^JJeben=
firdien.
(Sine inbirefte Sicherung erroeifen bie europäifc^en ©ro&=
ftaaten gegenroärtig allen uon ii)nen unteiijaltenen ober gc-
bulbeten SieUgionen: ii)re ^olijei unb ©efe^gebung ma^t
bal 3hiffommen einer neuen 9ieIigion (roelcfieg of)ne 'iiereini'
rerf)t u. bgl. unmöglid) ift) aut5erorbentlicf) fc^roer, roenn fic^
übert)aupt eine melben foüte.

derjenige (Staat, roeld)er feine ilirrfie im 3""ern am


meiften jum Staatlinftitut umgef^affen ^at unb fie jugleic^
jum poUtifc^en ^serfjeug nac^ aufeen braud)t, ift Üiufelanb.
5)a§ 'i>olf ift inbolent unb tolerant, aber ber Staat profe«
Iijtifc^ unb (gegen ben polnifdien ilat(;oIiäilmu§ unb ben haU
tiid;en ^i^sroteftantiemul) oerfolgenb.
2)ie br)äantinif c^e 5lird)e bauert bei ben ©riechen al§
(grfa^ unb ©tü^e be§ bijsantinifd^en 33oIf§tuml unter ber
iOerrfdjaft ber dürfen aud) ot)ne ben Staat weiter. 2lber
roie roürbe e§ in 3iuBlanb mit 5Heligion unb 5lultur ot)ne
ben SroangSftaat au?^fe[)en? ®ie 9ieUgion roürbe root)l auS'
einanberlaufen in 3huf(ärung ber 2Benigcn unb Sd^amanen»
tum ber 'i>ielen.

') einftroeilen ma<3, auc^ ber proteftantifd^e ©roPaat nod) meinen,


©e[c^äfte mad)en ju muffen mit feinem Äirc^enfc^u^. Unb unbenfbar
ift eö nic^t, ta^ biefe itrifig lüieber für lange 3eit burc^ eintreten eineg
reinen ®eioaltjuftanbe§ unterbrochen unb oerfc^oben wirb. (Januar 1869.)

®eltge{(^i(^tlic^e »etrad)tungen. 10
\4(6 III. Die BetraAtung der Ied>s Bedingtheiten.

6. Die Kcli^ion in tl^rcr ^cMu<jtI}clt 6urd? öie


Kultur.

23ei ber 33ebingtl)eit ber ^){eligion burd) bic 5lultur ^anbelt


c$ fid) um Sinei fid) bcvüljrenbe, aber öerfd)iebene ^^>f)änomene.
erftlicö nämlic^ famt bie 9icIigion jum Xdl burd) $ßergöttcrung
ber .S\uÜur eutfte^en. ©obann aber fann eine gegebene dUli-
gion aud) burc^ ©inmirfung ber Kulturen üerfd)iebener ä>ölfer
unb 3eiten wefentüd) oeränbert ober boc^ gefärbt werben;
ja mit ber 3eit eri)ebt fid^ au§ ber Mxtk ber Kultur eine
^ritif ber 9ieligion. ^n befonberem ©inne get^ört liieju auc§
bie Diüduiirfung ber 5lunft auf bie 3tcligion, raeldic fie in
2lnfpruc^ nimmt.

^n ben üaffifc^en ^teügionen, ja me^r ober


rceniger in faft atten ^oh)tt)ei§men — benn ^riegg* unb
2lderbaugott^eiten gibt e§ faft überatt — finbct fic^ neben
ber ^Vergötterung ber 9iatur unb ber aftralen Slröfte ganj
naio anä) bie geroiffer Qmi\%t ber Kultur'). 2)ie Dktur-
oergöttcrung ift bag grütiere, worauf bie Guttun) er götte»
rung erft gepfropft wirb. 2lber, nac^bem bie 3kturgott^eiten
gu ett)ifc^en unb ^ulturgottl;eiten geworben finb, überwiegt
jule^t biefe ©eite.
^ier ift fein urfprünglidier 3wiefpalt jwifd^en ^Religion
unb Kultur, beibeS ift oielmetjr in ^o^em ©rabe ibentifc^;
bie Dietigion oergöttert mit ber 3eit fo oiele 3:;ätigfeiten, al§>
man wiH, inbem fie bie einjelnen @ötter al§> ©c^ü^er ber=
felben mit ifireu 9kmen oerfie^t -). Unb nun gibt bie ßeic^tig'
!eit bei ©ötterfc^affenS freiließ fe^r p benfen unb mag bem
a«:;tt)oIogen bie grage an§ ^erj legen: 33ift bu imftanbe,
bi(^ ernftlic^ in eine folc^e 3eit unb 9iotion bineinsuoerfe^en?

') S8gt. oben ©. 102.


2) man benfe an (Stellen rate ^ßaufan. I, 24, 3, rao neben ber
'J^rjfü 'Egydyt] bcr ^novöuiiuy ö'ui/uwi' erfd^etut.
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit dard) die Kultur. X'^Z

9lber ein roo^Iigere^ 2ltitgefü{)I gibt c§ nirfit, q(» boS ^inetn»


üerfcnfen in jene 2ÖeIt, wo jeber neue ©ebanfe fogleic^ feine
poeti[d}e 'l^ergötllidiung unb fpäter bann feine eroige 5lun[t=
form finbet, roo fo iUele^ unauöfpTecf)licf) bleiben barf, roeil
bie Munft e§ au5fvrid;t.
^reilic^ J)at bann bie ^^ilofop^ie, ber ^öc^fte B^oeig ber
.Kultur, mit biefer 9ieIigion ein gar ju leichtes ©piel. Unb
na^ ber ^^f)ilofop()ie unb i£)rem fritifcfien griec^ifrf)en ©eifte
fommt erft leife unb bann mächtiger ber ©ebanfe an ba§
^enfeit^ unb mac^t — allerbing^ mit ^ilfe ber Reifer —
biefer 3^eIigion ben @arau§.
9lud) ber germanifd^e ^soh)tE)ei§mu§ ^at feine 5lultur=
götter. Sieben ber rein elementarifc^en (Seite fc^lie^t fic^ an
metirere göttli(^e Öcftalten auc^ eine ber Kultur angeijörenbe
an: iu finb ©c^miebe, äßeberinnen, Spinnerinnen, 'Jiuneu'
erfinbcr ufro.
©in 3InaIogon ift im 2l?ittelalter ber Äultuä ber dloU
Ijelfer unb ©pesiaUjeiUgen, roie St. ©eorg, S. S. ßrifpin
unb Grifpinian, S. S. 5lo^ma^ unb 2)amion, ©t. (Sligiu^ u. a.
2)0(^ finb biefe blo^e 9Jac^flänge ber antifen Äulturuergötte*
rung ^).
2Bie roürbe aber ber Ch;mp ber tjeutigen ©rroerbenben
auiofel^en, roenn fie nod^ Reiben fein müßten?

9?un ift aber feine ^ieligion jemals ganj unabhängig


von ber Äultur ber betreffenben 'Golfer unb 3^^^^^^ geroefen.
©erabe, roenn fie fel;r fouoerän mit ^ilfe bud^ftäblirf) gefaxter
t)eiligcr Urfunben f)errfrf)t unb fc^einbar 2lIIe§ fid^ nad^ \i)x

') 3m SSolfe roaren offenbar bie ^eiligen auc^ als 3> e r u r )'a c^ e r
ber Uebel gefürchtet unb mußten al§ [olc^e Derfbl)nt roerben. 58ergl.
3{abelaisi, ©organtua I, 45, roo bie ^ilger glauben, bie ^eft fomme
Don ©t. ©ebaftian, que St. Antoine mettait le feu aux jambes, St.
Eutrope faisait les hydropiques, St. Gildas les folz, St. Genoüles
gouttes (offenbar j. 2:. nac^ bem 3iamengantlang). 2lurf) U, 7 ift ©t.
2lbaura6 gut gegen baö f^e^enftrcerben.
\4ß III. Die Betrad)tun9 der |ccbs Bedingtheiten.

rid)tet, luenn fic fid) „mit bem gangen £eben üerflid;t", wirb
biefeiS i^ebeu am unfelilbavftcn aud) auf fic einunrfen, fic^
aud^ mit iljv i)erflcd)teu. Sic bat bann fpäter au fotd)cn
innigen 33erflec^tungen mit ber i^ultur feinen 9hi^en me^r,
fonbern lauter (^)cf at)reu ; aber gleidimobl mirb eine Siciigion
immer fo Ijaubeln, lo lange fie mirfUi^ leben^?fräftig ift.
2)ic @efd)id^te ber ^riftlidjcn 5!ird)e jeigt junädift
«ine ^tei^e oon SJiobifitotionen, je naä) bem fnfjeffiöen (Sin»
treten ber neuen ^lUilfer: ber ©ried^en, Siömer, (55ermanen,
Gelten, — unb je uacb ben ^tittn ift eg üoUenbS eine ganj
«nbere 9teligion, b. ^. bie ©runbftimmungen finb bic entgegen^
gefegten. S)enn ber Wun\d) ift gar nicbt fo frei, ju gunften
einer „Offenbarung" üon ber 5lultur feiner ^dt unb feiner
(5d)id^t 5n abftra^ieren. S^awQ aber erzeugt §eud)elei unb
böfes ©eroiffen^).
2)ag ß^riftentum ber apoftolifc^en '^dt i)at am roenigften
33erü§rung mit ber Slultur; e§ ift nämlid) üon ber ©rmartung
ber Sßieberfunft be§ ^errn bominiert, roelc^e bie ©emeinbc
niefentlic^ jufammenl)ä(t. 2Beltenbe unb ©rotgfeit finb üor
ber Xür, bie Slbmenbung oon ber äöelt unb i^ren ©enüffen
leicht, ber ^ommuni^mu^ faft felbftoerftänbltc^ unb bei ber
allgemeinen ©obrietät unb ©ürftigfeit unbebenflic^, ma§> ganj
anberS ift, wenn er mit einem @rroerb§ftnn in SlonfUft tritt.
3n ber t)eibnifc|en ^aiferjeit tritt an bie ©teile ber »er»
blatten 3Bieberfunft§ibee ^cnfeitS unb ^üngfteS ©eric^t; aber
bie grie(^ifc^e Silbung bringt oon allen ©eiten in bie ^Religion
ein unb jugleii^ ein buntfarbiger Drientali^muS. ^ärefien
unb gnoftif^e 9iebenreligionen mürben oieIIeid)t ba§ ©ange
gerfpreugt l)aben, roenn ba^felbe im ^rieben fic^ felbft über^
laffen geblieben märe: roa^rfc^einlic^ raaren e§ nur bie ä>er=
fotgungen, meldte ba§ 'Weiterleben einer ^errfc^enben ^aupt'
auffaffung möglii^ mad^ten.

0 Sänge nic^t fo let^rreid^ ift bic «ßaraHele ber (Sefd^id^tc beä


ggtam bei feinen nerfc^iebenen Sßöüern unb in feinen oerfd^iebencn
Reiten.
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durch die Kultur. \4(9

(Sine totale 2BanbIung bringt bic rf)riftlic|e Äatferjctt.


5)ie iürc^e roirb ein ainalocjon be^ 3teic^§ unb feiner ©in^eit
unb benifelben überlegen, unb .^ierariten werben bie ntäcf)tigften
•iperfouen, in beren ^änben enorme S)otationen unb bie
^öenefijens be^ ganzen 'Jicid^e^ finb. Unb nun [iegen einer»
feitö bie griec^ifc^e 2)ia(e!tit im (Schrauben ber 2:;rinität^=
begriffe uno ber orientalifc^e ^ogmenfinn in ber 3]ernicf)tung
ber Slnber^benfenben, roeldje fonft ber flnffifd)en äöelt gar
nic^t gemäfe mar; benn auc^ bie (5i)riftenüerfolgungen ber
(jeibnifc^en Reifer maren nic^t gegen bie S)enfroeife ber
(Sbriften gerid^tet geroefen. 3tnberfeit§ ift bie SBirfung be^
(i-inftrom^ ber großen 3}iaffen in bie Äircfie baran fenntlic^,
baB ber 5^ultu§ fic^ on bie ©tette ber 9ieligion brängt, b. l).
ba§ er bie 9^eligion genugfam mit 3etemonien, 33ilberbien[t,
';l5eret)rung ber 3)iärti)rergrober unb 9ie(iquien ufro. fättigt,
um ben im tieferen ©runbe ftet§ ^eibnifd) fül;[enben 9)iaffen
SU genügen.
®a§ G^riftentum üon 33t)jan5 ift fenntlicf) ba^ einer ge*
fnecfttelen Ttation; roäfjrenb e§ fetber nad) ilräften bie 3iation
mitfnediten f)i(ft, entbehrt eö jcber freien Sßirfung auf bie
©ittlicbfeit, benn ber Sann bejiefjt ficf) nur auf i'eijre unb
äußere 2)i^5iplin; Crttjobo^-ie unb 5aftenbeobad)tung genügen
für btt§ Sehen, unb einem mö^igen unb geizigen 33oIte roirb
bic 2l§fefe leicht. 3"^^^^ ^)ört ber ©eift üon Syrien, 2legi)pten
unb aifrifa feit bem VII. 3al)rt;unbert auf, Syjanj ju be=
einfluffen, aber erft, nad)bem er fein DoUeg Untieil geftiftet.
2)er fpätere ^n\a^ ift bann nieljr flaöifd)er 2lberg(aube,
?ßampi)rg[aube ufro., bier unb ba mit n}ieberermad)tem antifem
Siberglauben oermifdjt. 5)a0 (Stiriftentum üon Slbeffinien unb
anbern gang üerfommenen ober geiftig unfähigen 3Sölfern oer»
trägt fid) tatfädiUc^ mit oöüig f)eibnifc^em 3"^)ß^t.
aßae baS lateinifcbe (Sl)riftentum beö ^rübmitteialterS
betrifft, fo bleiben junäd)ft bie arianifd)en ©ermanen ftumm,
unb mir näl)ern un§ il)nen nur burd) ^ypotbefen ; 'ba^ 2Bort
fül)ren blofe ortbobore 33ifd)öfe unb anbere ."gierardien.
\50 III. Die Betrachtung der |ed)s Bedingtheiten.

©nblid^ naö) bem ©turj be§ genuanifd^en 2lriaui!3mu§,


bei raf($ev '•l^erll1ilbevl^lg inib 'I^enüeltlirfjiing be§ mmmeljv
aüein uorljaubeneu oi-tl)übo\-cu (Spiffopatg, erfdjcint baS
©d)reiben auf eine Korporation bc|d)ränft, meldie bann bic
ganse Ueberlicfcrung färbt, i^ier seigt fid^ nnn bie ©inioirhmg
ber 3tid)tfultur: nur noi^ bie Senebiftiner füljrcn bie (^^eber
unh l^alten (obu)ol)l infolge \i)Xi§> dkidjhum felber beftänbig
oon 9]ernieltlid)ung bebrofjt) irgenb einen ©rab ber Iateinifd)cn
Silbung aufrecht. S)er t)errfd)enbe ®efid)t^punft, ber früljer
aUgenicin firdjlid) luar, roirb ein flöfterlidier; man erfäl)rt
nur nod) iHöfterlid;e!o unb ©injelneiS au§ ber 3Belt nur al§
Beigabe; anä) von bem banialigen ä>olfglum oerneljmen mir
nur infofern etmal, a(§ e§ an bie ^loftermauern grenjt unb
mit ben aJiönd)en in ilontaft tritt, ma§ bamalio immert)in
eine ber roid)tigften i^ebenybejietjungen ift. äBäiirenb alfo
Sroei feljr uerfdiiebene Singe: SSolf^pljantafie unb aJiönd^tum
an ber Klofterpforte jufammentreffen unb ^ier ba§ Wenige
auitaufdjen, maS^ fie gemeinfam tiaben nnb empfinben, treten
bie historiae §urüd neben bem Sofalen, ben Segenben unb
annales ; e§ brol)t eine ^üt, ha bie Ueberfic^t ber SBelt unb
ber 2ßeltge[c^id)te auff)ören fönnte.
Sie Seüölfcrungen aber »erlangen öon ben Äiri^enleuten
nid)t§ me|r aU 3Ig!efe (im 9kmen ber uielen, welci)e fie nid)t
mitjumadjen brauchen) unb permanente äöunber, unb bie Äird^e
rid^tet fid) — unberouBt — auf biefe ^Solflüorau^^fe^ungen
l;infid^tli(^ ii)x^x äliagie ein unb benü^t berglei^en al§ ©tüge
für i^re roeltIic^=politifc^e Wiaä^t.
9)Jerfroürbig ift, roie ba§ SSunberroefen unb bie 21§fefe
feit ber Siettung be» 9ieic^e§ burd) bie ilarolinger unb mä^»
renb il)rer SOiaci^tperiobe gurüdtreten ^), — unter ^aü bem
©roBen ift faum bauon bie 3iebe, — mie fie bann aber im
IX. unb X. ^a^rt)unbert roieber itire alte 5IRad)t geminnen.
') e^robegang unb 33enebift dou Stniane beroeifen nid^t baö
©egenteil, ha fie nid^t eine inbiuibueü e!ftati)d^e 2l§fefc, fonbertt nur
eine (ungern angenommene) neue Sisäiplin repiäfentieren.
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durdi die Kultur. ^5^

lucil bie faroUngifd^c 5lultur roieber ber roilbeu ^i^olfebenfroeife


«piQ^ gemacht l;ot. 2)ic ©efiU)(giuelt bei X. 3al)rt)unbertl
tft fnft biefelbc mie bie be^S VI. unb VII.
©^einbar bie uiJUigfte Unterorbnung bev i^ultur unter
bie 9ieligion, welche je bageroefen, jeigt bal 6t)ri[tentum be-^
XI. 3at)r()unbertl. ^a§ insraifcfjen emporgefommene, ganj
achtbare Streben uieler 33enebiflinerflöfter u)eid)t oor bem
cluniacenfiic^en ^-anatieniuÄ. 2)ieier befteigt mit ©regor VII.
beu päpftüc^en Xf)rou unb ridjtet nunmet)r feine ^oftulate
an bie 2öett. 3(bet t§> laßt fid) fragen, ob nid)t etroa ba^3
l)errf(^enbe ^:^apittum felbft nur ba« einbringen einer befonbern
3lrt oon 2Belt in bie ^ird)e, ob nic^t etroa baS ^ricgertunt,
roeldjeS a(§ beumffnete militia S. Petri im ;3nüeftiturftreit
auftritt, boc^ nur eine üerl)üate iUaft ber bamaligen äßelt
unb it)rer i^ultur tft. ^ie ^Ireusjugeibee iebenfaÜI roar ein
gemifc^teS, geiftlid;=roeltlic^e^^ ^\)tai.
Unb ba§ XL :3a{;rljunbert öerTOirflid)t bie^S 3beal unb feufjt
nidit bloß haxiad) ; e§ fdjließt mit einem enormen SöiUenlaft
bc§ ganjen, met)r unb mef)r in ^euer geratenen Ofsibcntig.
3m XII. 3af)rt)unbert tut ]id) bann eine balbige 3ieaftion
auf M^ 2lbenblanb funb. ©roöe weltliche ^ntereffeu, Mütter»
tum unb (Stäbtetum roerben burd^ bie überijaupt geroedten
ilräfte an ben ^ag gebracht unb madien ber iUri^e unberoufet
Slonfurrenj; bie 5lirc^e felber roirb roieber unfrommer unb
roeltlidKr; ein fenntUd)e^3 Sinfen ber 3llfefe ift ju fonftatieren ;
flatt i^rer machen fid) ber i^irc^enbau unb bie Rnnit geltenb.
öl beginnt ein roeltli^e» ^faifonnement, unb e§ entftetien bie
^arifer Schulen unb bie grofien ^ärefien in ben 3iieberlanbcn,
om dü)m, in Italien unb befonberl in ©übfranfreic^ mit
i^ren teils pantt)eiftifd)en, teils bua(iftifd)en i^e()ren. @S läfet
fic^ fragen, roieroeit biefe £)ärenen ein (Einbringen frember
Multurelemente unb roieroeit fie ein blofeer 23eleg beS religiöfen
©c^roungeS ber oortiergegangenen 3^it feien. iie^tereS gilt
jebenfallS oon ben Vertretern ber ecclesia primitiva, ben
SBalbenfern.
^52 III. Die BctraAtang der \td)s Bedingtheiten.

e§ folgt ba^5 CSr^riftentum be§ XIII. biä XV. ^Q^r=


l^uiibert^, ba bie Sl\xd)e fic^ al§> ^Keaftion im Siege, \a aU
^olijci barfteüt. i^ünftUd) luiub ba§ mMaikv neu befeftigt;
bic «gierard^ie, an bie äufeerften 'Dattel gen)öl)nt, ift tatfädjlid^
großenteils mit ^unfern unb .^ononiflen befe^jt; bie aßiffen*
fd^iift ift bie fird^lic^ uödtg bicnftbare 6c^oIaftif, unb jroar
in ben Rauben ber '^kttelorben.
S)ie 'i^oIfSreligion aber mad;t bamalS ein f)öc^ft rnerf^
roürbigeS ©urd^gong^ftabium burc^; fie oerflic^t fid^ auf ba§
engfte mit ber bamaligen 33olfSfuItur, wobei man nid)t mebr
fagen fann, meldte» baS anbere bebingt. ©ie fd^üeßt ein
33ünbni'§ mit bem ganzen äußern unb innern Seben ber
Hienfd^en, mit oQ it;ren ©eiftel« unb ©eelenoermögen, ftatt
fid^ im 3n5tefptilt bamit ju erftären.
2)a§ 3Solf, fef)r religiös, mit feinem ©eelenlieil ernftlid^
befd^äftigt, unb jraar mit §ilfe bei äBerfbienfteS, ift je^t oon
pantlieiftifc^en unb buoUftifd^en SluSioegen abgefc^nitten; auc^
bie a)h)ftifer finb ort^obog unb unpopulär, gür bie Kontinuität
beS Kultus ift mon fel)r beforgt, felbft beim 33ann. 2)ie
ftarfe 3?erfenEung in baS Seiben ©lirifti, ber fel;r gefteigerte
Kultus ber ^oftie unb ber aJiarienbienft — aUeS ift fc^on
olS mefentlid^er ^roteft gegen alle ^ärefie oon 33ebeutung.
Sn bem naio polpt^eiftifc^en Kultus ber 9lotl)elfer, ©tobt«
patrone unb gad^l;eiligen ^) fpric^t fid^ eine n)irflid)e 2;eilung
ber göttlid^en Kraft auS. ^enfen mir auc^ an bie populären
aJiarienfagen, bie geiftlid^en S)ramen, bie j^ülle oon Sräuc^en,
bie ber bamalige Kalenber oerjeid^net, bie 9laiüetät ber reli=
giöfen Kunft.
Sei allen aJlißbr andren, ®rpreffungen, bem 3lblaB ufro.
I^atte bie bamalige 9ieligion ben großen S^orjug, ta^ fie
alle |öl)eren S?ermögen beS 9)tenfc|en reid^lic^ mitbefc^äftigie,
gumal bie ^^antafie. SSäfirenb bie ^ierard^ie §eitroeife über
bie Tiaren »erfaßt mar, mar fie, bie 9teligion, bal^er toir!«

') aSgl. oben ©. 147.


6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durch die Kultur. ^53

lief) populär unb ben 3}iQiJen nic^l bIo§ jugängüc^, fonbern


biefe lebten borin, fie roar \\)xe Multur.
^a, ^ier roäre bie y^va(\t aufjuaierfen , ob nid^t ber
iOQf)re i'cbeiiiSbeiDei^ einer ^ielit^ion nod) barin liegt, bafe [ie
[ic^ Quf eigene ®efa()r jeberjeit tü\)n mit ber Kultur oerfle^te.
2)Q§ (S^riftentum gab 53en)eio oon feinem 2ßac^5tum, fo lange
es neue 5)ogmen, 5^u(tformen unb Äunftformen trieb, b. §.
bi« jur ^Deformation. — 3Jur baß in ben legten 3eiten oorl^er
beben! tic^e S^ic^^n Q"^ ^orijont aufftiegen : bie rud^Iofe 3}kc^t»
fu(i)t ber {dürften, bie fdiredUdjen ^^äpfte, bie 3u"ötjme ber
^J}kd)t be§ Teufels in bem ((jalb populären, ^alb bomini=
fanifd^en) ^erenroefen.
33om (iljriftentum ber ^Deformation roirb ba§ §eil
auf einen innern ^^rojeB 3urüc!gefül)rt, nämlirf) auf bie dU(^U
fertigung unb bie Slneignung ber ©nabe burrf) ben ©lauben,
n3oneben ber ^aloiniSmuä bann nod^ bie 2el)re üon ber
©nabenmaljl auffteüt. ©erabe an§> bem ©egenfa^ jum
tat^olifdien 2Öertbienft mai^t man ba^ iQouptbogma ber
neuen Seigre. — 2Bie manbelbar finb oUe fo auf bie ©pi^e
getriebenen Tingel
5)ie ^Keligion ift „gereinigt", b. \). fie ift je^t of)ne jene
2Iu&enmerfe unb 23erpflid^tungen, in raeldie überall SBerfbienft
eingeniftet fd^ien; fie follte auf einmal mit einem mäd)tigen
33ermö9en beä üienfd^en, mit ber ^^antafie, aU einer rein
fünbüd)en unb weltlichen, irrefü^renben ^sotenj nichts mel)r
ju tun l^aben unb fic^ bafür „oerinnerlid;en". — 2)aju gehörte
fd&on 'DDu^e unb Silbung, b. \). Unpopularität, foroeit man
nid^t baS allgemeine 3)Utmac^en burc^ ©eroatt erjiüang. Unb
babei l)atte man erft noc^ bie größte Wi^c, bie unbefd^äftigt
gelaffene ^^^antafie oom 9iebenl^inauc^gel)en ab^uljalten. ®ieg
roar benn aud^ ber ©runb, roeS^alb bie Gegenreformation
roenigftenä in ber Stunft eine geroaltfame ^erfteüung beS 'i^er=
^ältnifieS jur oolfstümlid^en ^^f)antafie bur^fe^te unb ber
^omp ber 6l)arafter beS 33arofo rourbe.
ferner erfolgte bie fi^crfteüung ber 9ieligion in ber ur*
^54 ni. Die BctraAtung der fecbs Bedingtheiten.

d)riftlic{)eii ^Jluffaftung aU einer em'u} öü^tiflc" ^oä) in einer


)c§r boüon abiueid)enben 3eittid)!eit, bei öciuerblid^en, fräftig
emporftrebtMiben 93ölfern in einer (5pod)e gen)allii]er 5öilbung2'
i^ärung, lueld^e bann mit C^kroolt burd) jiüei Drtl;oboj;ien,
eine fat^olifdje unb eine proteftantifdie, jur fd^roeigenben
^Qulbiöung i^ejumnijen würbe.
I^ie i^ultur, auf boppelte aßeife(aU3 ^Ijantafie = itunft unb
Seben^geftaÜung unb aU 33itbung) gefne^tet unb abgewiefen,
legte [icä^ bann auf ^eimlid;e 3)leuterei, bi« in ber Literatur
be^ XVIII. 3at)rt)unbert§ bie Slbroenbung ber ©eifter offen
^erüorbrid)!, gegen bie !ot§otif(^e Rixä)e aU reine S^iegation,
gegen bie proteftantifd)e al§ Sluflöfung in allgemeine ä^ernunft,
alg Uiufc^lag in 3tufflärung unb ^umonität, auc^ ahi inbi'
üibueUe Jleligiofität, je nad^ ben ©emütern unb ^^ontafien.
3uleöt fann auc^ ber offijiette ^roteftanti^mug, al§ burd^
einen ^H-ojeB ber ©eifter entftanben, fic^ ber ^ongeffionen
nic^t metir erroeören.

Unb nun bo§ neuere 33er^ältni§ be§ (S^riften=


tum§ 5ur Kultur, ßunäd^ft roeift bie Kultur in ©eftolt
oon i^orfc^ung unb ^^ilofopl)ie bem ©Eiriftentum feine menfc^^
Ud^e ©ntfte^ung unb Sebingtfieit nac^; fie befianbett bie |ei'
ligen ©c^riften wie anbere ©d;riften. 2)a§ ß^riftentum, wie
atte 9ieligionen, in üöttig fritiflofen 3}iomenten unb unter
oöttig ^ingeriffenen unb fritifunfäJ)igen aJZenfc^en entftanben,
!ann fid^ ni^t me^r aU sensu proprio unb bud^ftäbltd^
gültig gegenüber einem aüfeitigen ©eifte^teben bet)aupten.
Sfieben ber rationellen Infc^auung oon ^J^atur unb ©efc^ii^te
ift bie ^eliauptung eine^ ej;imierten ©tücfe§ eine Unmöglid)'
!eit. ^e me^r bergleid^en bennoc^ uerfud^t wirb, befto uner«
bittlid^er fteigt beim ©egner bie Steigung jur ^ritif unb sur
2lufliJfung atteS Wajt^i^^en. 3)abei möge man fic^ immert)in
ber ©c^roierigfeit berou&t fein, raetdie unfere einfeitige 5lultur»
seit ^at, 5U glauben unb un§ oorsuftellen, ba§ unb wie
anbere geglaubt ^aben, unb auc^ unferer Unfäl)igfeit, un^
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durch die Kultur. ](55

bei fernen iUüfern unb 3*^^^^" biejenigc ©in[eitic3feit unb


l^artnäcfige 3)Jarterbereit^eit tlax ju inad^en, roelc^e für bie
religiöfen 33ilbung5'frifen ununujänglic^ roar.
3 n) ei t eng ftcQt fid^ bie ^oxal, fo gut fie taun, von
ber $)Jengion getrennt, auf if)re eigenen %ü^e. Sie 'Jieligionen
ftü^cn iid) in iljren fpäteren 3eiten gern auf bie 3)Jora(en
al§> il)xt angeblichen Xöd^Ut ; allein bagegen erf)ebt fid) forao^l
t{)eoretild; bie S^oftrin einer öom (Siiriftentum unabf)ängigen,
rein auf bie innere Stimme begrünbelen 6ittlic^feit, aU aucf)
piaftifd; bie ^Tatfac^e, ba§ im großen unb ganjen bie heutige
^^füc^tübung enorm oicl met)r üom ß[;rgefü§I unb com eigent»
lidjen ^flidjtgefü^t im engeren Sinne a(5 oon ber ?Keligion
beftimmt roirb. 3)eutlic^e ^-Unfänge ijkvon treten feit ber
'Jienaiffance jutage. 2)a5 fnnfttic^e Sieupflanjen üon (Ei)riften-
tum jum ^mede ber guten Sluffü^rung ober luar immer
Döüig oergeblid^. SiMe lange freilid) ba5 ©firgeiütjt noc^ aU
„le^ter mäd^tiger 2)anim gegen bie atlgemeine ^ytut" öor=
galten roirb, ift fraglid^.
©in einjelner ikleg von ber 3Ibtrennung ber 3Jiora( oom
Gtiriftentum liegt 5. i&. in ber heutigen oon optimiftifc^er
©runböoraugfe^ung au§gel)enben ^^l;ilantI;ropie, raeld^e, in-
fofern fie ben älJenfc^en Dorroärtio tjelfen, S^ätigfeit beförbern
roiÜ, üiel mel)r ein Korrelat beä (Srroerbfinne^ unb ber Xk^--
feitigfeit übertjaupt alg eine ^ruc^t be» G^riftentumS ift, ba^
ja fonfequenterroeife nur äßeggeben aller ^abe ober 2llmofen
fennt. 3»bem ferner bie liberalen 3tnfi(^ten oom ^enfeit^ in
ftar!em 5ort)d)reiten begriffen finb, abfirat)ierl bie i^ioral oon
einer gufünftigen 58ergeltung. lleberl)aupt bringt ber moberne
Seift auf eine 2)eutung be^5 ganzen ^o^en :^ebengrätfel§ un»
abl)ängig oom (Sl)riftentum.
2)ritten^ finb bas Söeltleben unb feine ^"tereffen, ^u
fdiroeigen oon berjenigen ©orte oon Dptimi^mu^, bie einen
ibealen 3"ftanb auf ©rben Ijer^uftellen l^offt, ftärfer aU 2tlle§
geroorben. Xk geioaltige jeitlic^'irbifc^e 'Bewegung unb Sir»
beit jebel ©rabe^, mit ^n^^esriff ber freien geiftigen 2^ätigfeit,
^56 III. Die Betrachtung der jeAs Bedingtheiten,

lüobei fci^on materiell bic 3)hi§e 3ur Montemptation fe{)lt, fielet


in einem großen ^lif^uerljältnig 5um ^ogma ber ^ieformation,
meldjC'? - ob man nun an bie ^{edjtfertigung ober an bie
©nobcnuialjl bcnfe — an fid) fc^roierig unb o^net)in nie
Öebermannci Sadje märe. 5l>olIenb§ aber fielet ba§ Urd^riften*
tum felbft juni cjefdiärfteften (S()riftentum unserer %a^c (ttroa
bie 2^rappi[ten aufgenommen) im iRontraft. 3)ian Hebt ba§
bemütige Sidjroegiuerfen unb bie ©efd^id^te üon ber rediten
unb linfen ^arfe nic^t mef)r: man roid bie gefeUfd^aftlii^e
©pt;äre beljaupten, mo man geboren ift; man muB arbeiten
unb öiel ©elb oerbienen, überl)aupt ber 2Belt aUe möglid^e
einmifd)ung geftalten, felbft roenn man bie ©^ön^eit unb
ben ®enu^ Jiafet; in ©umma man mill bei aller 9ieUgiofität
boc^ nid)t auf bie 58orteile unb SBo^ltaten ber neueren 5lu(tur
oerjid^ten unb gibt bamit roieberum einen SeroeiS öon ber
SBanblung, in roeld^er fid) bie 2Iniic^ten üom ^enfeitl befinben.
^ie faloiniftifd^en Sänber, bie fc^on oon ber S^ieformation
an raefenttic^ bie erroerbenben finb, finb su bem anglo=ameri=
fanifc^en i^ompromi^ 5mifd)en faloiniftifc^em ^effimi§mu§ in
ber 2;Ejeorie unb raftlofem ©rroerb in ber ^rai:i§ gekommen.
(Sie t)aben bamit einen ftarfen ©influfe ausgeübt, fönnen e§
ober, foHte man benfen, mit bem petit nombre des elus
nie fo re(^t ernft genommen §aben.
^ebenflic^e SJ^itlel ber je^igen Drt^oborien finb ba§ ®in»
ge^en auf bie „(Solibarität ber fonferoatiüen ^ntereffen", ba§
Slufdiliefeen an ben Staat, ber boc| ni^t me^r gerne mit»
l^alten mag, bal 3lufre(^terf)atten be^ 2Jit)t§u§ um jebcn ^^rei§
u. a. Srgenbmie aber mirb fi($ ba§ ßliriftentum §urüdjie§en
auf feine ©runbibee üom Seiben biefer Söelt ; mie fid^ bamit
ba§ Seben» unb ©d;affentooIIen in berfelben auf bie Sänge
aulgleid^en wirb, a^nen loir nod^ nid^t.

3ufa^ 1871. Ob mir je^t am ©ingang einer großen


religiöfen ^rift§ fielen, roer oermag eS §u a^nen ? (Sin ^räu»
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durch die Kultur. ^57

fein auf ber Cberfläd^e roirb man batb innc roerben - aber
erfi in ^a^rjc^nten, ob eine ©runboeränberung oorgegangen.

3um Sc^luB möge {)ier nod^ al^ (Srgänjung unb 03egen«


fiücf ju früher (B. 102 ff.) ©efagtem üon ber befouberen ^Se--
bingtbeit ber :Keligion burc^ ilunft unb ^^oel'ie bie ^Jiebe fein.
58eibe |aben Don je^er in I)ot)em ©rabe jum 31uebru(f
beS iHeligiöfen beigetragen. 3I[Iein jebe 'Bad)t roirb burd^
i§ren Slulbrud iri^enbraie oeräußerü^t unb entioeil^t.
<Bä)on bie Sprachen üben 33errat an ben Sachen: „ut
ubi sensus vocabulum regere debeat, vocabulum imperet
sensui'- ^), rooju bann !ommt, baB bie Un5ät)ligen, wtlä)e
\i^, obroo^I unberufen, mit ben ©ad)en abgeben muffen, fro^
finb, fic^ mit bem aSort abfinben ju fönnen.
jßoüenbs aber ift bie ^unft eine a^erräterin, erftenä in*
bem fic ben ^nbalt einer ^Religion auafdjioafet, b. \). bas 'i^er»
mögen ber tieferen ^i(nba^t wegnimmt unb i^m :Uugen unb
O^ren fubftituiert, ©eftaüen unb Hergänge an bie ©teile ber
(^3efüt)(e fe^t unb biefe bamit nur momentan fteigert, smeitenS
aber, inbem i^r eine l)ol)e unb unabhängige (Sigentümlic^feit
inneroo^nt, oermöge beren fie eigentlid) mit 2lQem auf (Srben
nur temporäre Öünbniffe fc^lie^t unb auf Äünbung. Unb
biefe Sünbniffe finb fe§r frei; benn fie läfet fic^ oon ber
religiöfen ober anberen Slufgabe nur anregen, bringt aber
ba§ Sßefentlid^e auö ge^eimni^ooUem eigenem Sebenggrunbe
{)eroor.
greilic^ fommt bann eine Seit, ba bie 3ieligion inne
roirb, roie frei bie freie Äunft oerfä^rt, if)re ©toffe baUt ufro.
©ie oerfuc^t bann bie fteti gefährliche ^Jieftauratiou eine^
©ergangenen unb befangenen ©tilee al^5 eineö Ijieratif^en,
ber nur baä ^eilige an ben 2)ingen barftetlen foH, b. I;. oon
ber Totalität ber lebenben Grfdjeinung abftral)iert unb na«

Baco, Sermones fidd. 3.


158 !'•• D" Betrachtung der leths Bedingtheiten.

lürlid^ neben bem gleid^seitigen aSoÜbelebten (wobei bie 5lunft


oon bem 33aum bcr (grtenntni^ geQeften) um ein ©rofeeS
jurürffteljt.
^ieti)ex öe^ört bie mürriirfie ©e^enj unb Se^utfamfeit
iiott«
j. 33. ber neueren fat^oUfd^en K^unft unb 3)iufif. Unbwarum
enb« reiften ^alüini^muS unb 3)ielt)obi§mnS red^t gut,
fie bie Äunft mit ©eioalt obweifen, fo gut el ber S^^atn
iDufete. hierbei ^at man e§ freili^ oietteidit an6) mit einer
unberoufeten 3fiad^roirfung be^ ^:V'efmni^ntu§ be§ älteren (Sf)riften^
tum§ ju tun, loeldier feine «Stimmung jur I^arfteÜung üon
irgenb etroa§ übrig l^atte, au^ roenn i^m bie ©ünbli^feit
ber Kreatur beren 9ia(^bilbung nid^t fc^on oerleibet ^ätte.
e§ fommt eben auf ba§ 3^aturea ber SSölfer unb ber
9ieligionen an. S)al ©egenbitb üon biefem aUem finb Seiten,
in roetdien bie ^unft ben ^n^ait ber 9ieIigionen beftimmen
^ilft. ©0, roenn ^omer unb ^§ibia§ ben ©riechen iEire
©Otter fciiaffen, roenn im gjiittelalter bie 33ilberfreife, ^umal
bie ber ^affion, bie ganje 3tnba^t unb bie ©cbete ftüdroeife
üorfdireiben, ober roenn ba§ religiög'-feftad^e gried^ifd^e ©roma
bie Ijö^ften fragen coram populo oon fid) au§ barftcUt,
unb roenn bie fat^olifcEien ©ramen be§ a)iittelalter§ unb bie
autos sagramentales bie ^eiligften ©reigniffe unb 33ege^ungert
berb ber 3Solf«p{)antafie jur 33eute Einlegen, o^ne aüe ©orge
oor ^rofanation^).
Sa bie ^unft ift eine rounberfam jubringlid^e SSerbünbete
ber Dteligion unb lä^t fid) unter ben befremblid^ften Um-
ftänben nic^t au§ bem Xempel roeifen; fie ftellt bie 9teIigion
bar, felbft nac^bem biefe, roenigfteng bei ben ©ebilbelen (unb
felbft bei einigen 3)klern roie bei ^ielro ^erugino), erlofd^en
ift ; im fpäteren ©riedjenlanb, in Italien jur Seit ber 9ftenaif*
fonce lebt bie ^Jieligion (auBer etroa nod^ als ©uperftition)
roefentlic^ nur nod§ al§ Slunft fort.

') 2lug guten ©rünben beföiränfte fi^ bagegen ber ^ßroteftatttiä*


mug be§ XVI. 5af)rt)unbertä in [einen ijffentlic^en gramen auf Mt'
gorien, 5!Jlora[itäten, altei Xeftament unb etraa ®eirf)id^tlic]^e§.
6. Die Religion in ihrer Bedingtheit durdi die Kultur. \o9

2tber bie ^lieligionen irren fid^ fef)r, locnn fie glauben,


bofe bie Äunft bei if)nen einfach naö) Srot gef)e.
©ie t3ef)t in iljren ^o^en nnb primären 9ieprä[entQnten
Qud^ nid^t bei ber jeroeiligen ^>rofQnfuItur naä) Srot, fo fe^r
e3 oft biefen 2Inf^ein |at, raenn gefd^icfte unb berütimte fieute
fid^ baju ^ergeben, bie :l^eflüre ber ^^ilifter ju iQuftrieren.
IV.

Die gefdii^tUdien Krifen.

SBenn e§ fid^ im 33i§^erigeii um bie Setrod^tung ber


ollmä^lid^en unb bauernben ©inintrfungen unb 2Ser=
fted)tungen ber großen Söettpotenjen auf^ unb miteinanber
getianbelt f)at, fo möge je^t bie ber bei'd^leunigten ^ro=
gefje folgen.
©iefe jeigen eine enorme 3Serfc^iebenl;eit unb babei bod)
eine befrembli(^e, auf bem allgemein 3)?enfd^lid)en beruf;enbe
3Serroanbtfd)ait in oielen einjelnen 3"9^"-
^ennod^ finb oorläufig au!o3U|d^eiben : bie primitioen
Ärifen, beren Hergang unb 2öir!ung mir nii^t genau genug
!ennen ober nur au^ fpätern 3uftänben erralen muffen.
So bie älteren 58ölferroanberungen unb ^noofionen.
$Diefe finö entmeber au§ 9iot entftanben, roie bie ber ©tru^fer
aul St)bien nad^ Italien unb ba^ ver sacrum ber alten,
befonberc mittelitalifc^en 5ßötfer, ober aug einer plö^lid;en
innern ©ärung, luie bie ©rljebung oon 9iomaben ju großer
(groberung burd) 2luftreten eines großen ^nbiüibuuni'o, mofür
^auptbeifpiete bie ber 9}iongolen unter SDfd^ingiSfljan, ja aud^
bie ber Slraber unter SJioljammeb finb.
Diaioe Golfer laffen fid; in fold^en {yäÜen frembe Sänbcr
üon i^rem 3fiationalgott fdienfen unb fid^ mit ber 2Iu§rottung
IV. Die gcIthiAtljcben Kn\tn. \6\

ber bis^eritjen ©iiirool^ner beauftragen, wie 5. 33. bie ^^röelilen


in .Üanaan.
(Sine etroa^ rool^Ifeile optimiflifd)e Slnfid^t von bcm 58e«
fruc^tenbon folc^er ^"öafionen finbcn roir bei ^aiautj^).
(Sinjeitig au^ge^enb Don ber gennanijd^en ^"üafion in^ rö=
mifc^e dkid), fagt er : „i^ebeS grofee ^i^olf, roenn eg in feiner
@efamt(;eit ni^t niel)r eine geroiffe aJiaffe unoerbraud)ter
Diaturfräfte in fid^ trägt, au^3 benen ei fic^ erfrifc^en unb üer»
jungen tann, ift feinem Untergang na^e, fo bafe ee bann nid^t
anberio regeneriert werben fann aU hni6) eine barbarifc^e
Ueberflutung."
9Mmlic^ nid)t jebe ^noafion ift eine $8erjüngung, fonbern
nur bie, n3elc^e dou ein^m jungen !ulturfät)igen ^^oit
gegen ein ältere^ ^ulturool! ing 2Berf gefegt roirb.
®ie a)?ongoten Ijaben — loofern un^o t)ier nid^t ein
post hoc, ergo propter hoc begegnet — auf ben afiatifd^en
iD?ot)ammebani^mu§ rein erlötenb geroirft, fo bafe feitler
beffen ^öfjere geiftige ^^'robuftionefraft aufgebort f)at, — roo»
gegen nic^t^ beroeift, bafe unmittelbar nac^ 2)fd)ingi^f^an noc^
einige gro§e perfifd)e ^ii^ter auftraten, bie entioeber fd^on
t)ort)er geboren unb gebitbet roaren ober qI§ ©ufis überl^aupt
üon feiner irbi)d)en Umgebung me^r abt)ingen. iUifen treiben
bog @ro§e mo^l ^eroor, aber e^ fann ba5 le^le fein. 2lu^
ba& ein paar fpätere oöüig mo()ammebanifierte mongolif(^e
Spnaftien präd;tige ^JJtofd)een unb ^^aläfte bauten, beroeift
nidit öieL 3m ganjen maren bie 3}tongo(en bod) (fouieit fie
nic^t 2:ürfen in fic^ begriffen) eine anbere unb geiftig geringere
ataffe, roie i^u bödifte^ geiftige^ ^ulturprobuft, nämtid) (Stjina,
beroeift.
Unb felbft i)od)fte^enbe faufafifd^e Staffenoölfer tonnen
burd) nomabiid)e unb friegerifc^e ^Jlnlagen in i^erbinbung mit
einer befonberen Dieligion ju permanenter 53orbarei, b. F). Un-
fä^igfeit in f)öi)ere iUilturen einjumünben, oerurteilt fein, roie

') ©. 80 ff. unb befonberg 93.


SBeltgefcf>i(^tIi(^e iöetraditungen. 11
1(62 IV. Die gelcbid^tUcbcn Krileii.

j. 33. bie o«mamf(J^cu dürfen aU ^crrf(^cr über baS ef;c«


luolige lujjantinifd^e ^-Heid^.
aßäljrcnb fd^on ber ^iiam fclbcr eine öewifje Barbarei
mit fid^ bringt, t)at man e§ ^ier mit bem (ÄJegcnfafe einer
!ned)tenben unb einer gefnec^teten Oieligion ju tun. ®aju
fommt bie UnmögUd)feit beg «Ronubium^, bie aümä^lid^e ®e»
roö^nung an permanente a)ii&l;anblung, \a langfame 2lu§rottung
be§ gefned^teten t^olk^, mit infernalem ^od;mut im ©ieger,
ber fid^ an uötlige '^erad^lung be^ aj^enfd^enlebenl gewöhnt
unb bie[e ©orte oon ^errfd^aft über Slnbere jum integrieren*
ben ^eil feinel ^atl^og mad;t.
Sf^ur beim ^onubium ber beiben SSölfer fann 3ftettung fein,
unb 5U einem ^eilbringenben £onubium muffen e§ bod^ mo^l
minbeften^ 35öt!er berfelben 9iaffe fein, wenn nic^t mit ber
3eit bie tieferfte^enbe 9inffe mieber oorfc^lagen foll. 2lud^
bann fief)t bie ©ac^e junäd^ft bod; e^er aU 3Serfüfl au§.
©enfen roir babei an bie raufte ä^errailberung ber germanifd^en
9iei4)e auf bem 33oben be§ römifd;en. S)aB el ein abfolut
entfe|lid)e§ Seben roor, erließt ani ber oielen, bem germani=
fc^en SBefen entgegen geübten Untreue; e§ fielet au§, al§
l^ätten bie ©ermanen i|re 3iaffeeigenfd^aften eingebüBt unb
oon ben 9tömern nur ba§ 33öfe angenommen. 3Iber mit ber
3eit flärte fid) bie ^rifiä ah, unb e§ enlftanben ed^te neue
^iationen — nur mu^te man lange ©ebulb liaben. ©umma:
(S§ gibt eine gefunbe 33arbarei, rao bie |öl)cren ©igenfc^aften
latent fd^lummern, aber e^ gibt auc^ rein negatioe unb 3er*
ftörenbe 33arbareien.

©obann ift l)ier oorau^junelimen fd^on ber ^rieg über^


l^aupt al§ a3ölferfrifi§ unb aU notroenbige^ aJJoment §ö|erer
©ntioidelung ^).
e§ gehört mit jur ^ämmerlidifeit alleg ^rbifc^en, ba^
fc^on ber ©injelne jum uollen @efül)l feinet 2Berte§ nur gu
') ©. and) unten beim Ärieg ai% aSeftanbteil ber politifd^en
^rifen.
IV. Die gelAiAtUcben Krifcn. ]|63

gelangen glaubt, roenn er \i<i) mit 2lnberen oergleid^t unb e§


biefen je nad^ Umftänben tatfäc^Iid^ ju füllen gibt, ©taat,
©efe^, 'Jieligion unb ©itte ^aben alle ^änbe üoU ju tun, um
biej'en ^ang be^ (Sinjelnen §u bänbigen, b. b. inei 3"»ßre bei
i)ien)(^en jurücfjubrängen. ^ür ben (Sinjelnen gilt el bann
aU läcfierÜd^, uncrträgUd;, abgefd^macft, gefäf)rli(^, oerbred^e»
rifd^, fid^ itjm offen binsugeben.
Sm grofeen aber, oon ^olf ju 93oIf, gilt e§ a(§ jeit»
roeifc erlaubt unb unoermeiblid^, aul irgenb loeld^en 33or=
roänben übereinanber fierjufallen. 3^er ^auptoorroanb i)!, im
23ölferleben gebe el feine anbcre 2lrt oon ©ntfd^eib, unb
„roenn roir'l nic^t tun, fo tun'l bie anbern." ®ie fe§r oer=
fdnebenen inneren (Sntftel^ung'3ge)c^id^ten ber Kriege, bie
oft äufeerft fompüsierter 3Irt finb, (äffen roir einftroeilen au^er
23etra^t.
(Sin 'Ißoit lernt roirfürf) feine ooHe ^iationalfroft nur im
.Kriege, im oergleic^enben Äampf gegen anbere ^iötfer fennen,
roeil fie nur bann üorl;anben ift; auf biefeni ^sunft roirb el
bann fud^en muffen, fie feftsu^alten ; eine allgemeine ^ergröfee*
rung bei SRa^ftabel ift eingetreten.
Sn p^ilofop^ifc^er ^orm füfirt man für bie 2Bof)Itätig'
feit bei ilriegl ^eratlitl ,,n6).f,uog nazr^Q navion'-'- on. ^em-
gemä^ füf)rt Safaulj (©. 85) aul, ber Slntagonilmul fei
bie Urfac^e allel SSerbenl: aul bem 2Biberftreit ber Gräfte
entfte^e erft bie Harmonie, bie rerum concordia discors^)
ober bie discordia Concors^), — on roeld^en ©teilen inbel
beiberfeiti roeitcrroirfenbe unb (ebenbe .Hräfte gemeint finb,
nic^t eine fiegreicbe wtUn einer jerf^melterten — ; ja ber
^rieg fei etioal (^)öltUd;el, ein SBeltgefe^, fc^on in ber ganjen
9iatur Dor^anben; nic^t umfonft Rotten bie ^w'Qtx aud^ einen
Serftörungigott, Siroa ; ber 5trieger fei mit bem entljufiaemul
ber ^erftörung erfüllt; bie Kriege reinigten bie Sttmofpljäre

') .t)oro5, epist. I, 12, 19.


-) 3}kni[ug, astron. J, 141.
\64( IV. Die getd)id)tlicbcti Krifcn.

wie ©eiüilterftürme, ftärften bie D'ieröen, erfd;üttcrten bie ®c»


mütcr, ftefllen bie Iieroifc^en 2:ugenben 'i)ei\ auf roeld)e ur»
fpvüntjlid; bie ©taateii gegrünbet geroefen, gegenüber (Snt-
nerüung, ^alfd;ljeit unb {^-eig^eit. 2)en!en rair Ijier ooHenb^
anä) an ^. 2eo^ äBort oom „frifd^en unb fröl)Iid^en Erieg,
ber ba§ ffrofulöfe ©efinbel loegfegen foU."
Unfer gajit ift: 2)ie a)ienfc^en finb 3)Jenfc^en im {^rieben
toic im Kriege; ba§ ©lenb beS ^rbifdien pngt il)nen in
beiben 3»f^^*"^^" Ö^^^^ f^'^^ ^"- Ueber^aupt waltet oiel
optifd^e 2:äufd^ung jugunften berjenigen Parteien unb il)rer
^nbioibuen ob, mit bereu ^ntereffe ba§ unfrige irgenbmie
jufammenl^ängt.
©er lange ^^riebe bringt nic^t nur ©ntneröung ^eroor,
fonbern er lä§t bag ©ntfte^en einer Sltenge jämmerlid^er,
angftöoller 3flotej:iften§en ju, roelc!^e o^ne i^n nid^t entftäuben
unb fid^ bann bod) mit lautem ©efc^rei um „dUä)i" irgenb*
mie an ba$ S)ofein flammern, ben magren 5lräften ben ^la^
üorroegnel)mtn unb bie Suft oerbiden, im ganjen aud^ ba§
©eblüt ber 9{ation oerunebeln. S)er 5lrieg bringt mieber bie
magren Gräfte gu eijren, 3ene ^^otepftenjen bringt er
roenigften^ üielleid)t jum ©d^roeigen.
©obann l^at ber ^rieg, welcher fo oiel ai§> Unterorbnung
alles £eben§ unb Sefi^eS unter einen momentanen 3it)ed ift,
eine enorme fittlid^e ©uperiorität über ben bloßen gemalt*
famen ©goigmuS be§ (Sinjelnen; er entroidelt bie ilräfte im
S)ienft eines 2lllgemeinen unb jmar beS l)öd^ften 2lllgemeinen
unb innerhalb einer SDiSjiplin, meldte jugleid^ bie ^öc^fte
Ijeroifd^e Xugenb fid^ entfalten lä^t ; ja er allein geroäljrt ben
ajtenfc^en ben großartigen 2lnlilid ber allgemeinen Unterorb*
nung unter ein 2llIgemeineS.
Unb ba ferner nur roirflic^e aJJac^t einen längeren
^rieben unb ©id;er^eit garantieren fann, ber ^rieg aber bie
mir!li(^e a)iad§t fonftatiert, fo liegt in einem folcben ^rieg
ber !ünftige ^^^riebe.
9^ur müjste eS toomöglid^ ein geredeter unb elirenooller
IV. Die gcIchiditUAcn Krifen. ^65

5^riei3 fein, etiim ein ^-IJerteibigungefrieg, roie ber ^|>erierfneg


war, n)e(rf)er bie Kräfte ber Hellenen in aüen 9iic^tungen gtor»
reic^ enlmirfette, ober luie ber ber .'öoüänber gegen Spanien.
ferner ein ioirfIirf)cr .Urieg um ba5 gefamte 3)afein.
ein permanentem^ Heiner ^eijbeiuefen 5. 33. erfe|t ben Ärieg,
l;at aber feinen SBert aU 5Uife ; bie beutfdjen gel)be^e[ben be§
XV. 3at)rtjunbertö erftaunten fel;r, 01^5 fie mit einer (SIementar=
mad^t roie bie ^uffiten ju tun befanien.
yiud) ber biÄjipUnierte ^abinelt^frieg be^ XVII. unb
XYIII. SaljrflunbertS brarfite nirf)t üiel mef)r aU Slenb
mit fi(^.
@an5 befonber^ aber finb bie (jeutigen i^riege sroor lool^t
breite einer großen allgemeinen iUifiy, aber einjeln für ficfi o|ne
bie S3cbeutung unb SBirfung cd)ter krifen; ba^ bürgerli(^e
^eben bleibt babei in feinem ©eleife, unb gerabe bie jämmer»
liefen 9iotej:iften5en bleiben alle am Seben ; biefe ilriege Ijinter«
laffen aber enorme S^ulben, b. i). fie fparen bie ^auplfrifi'S
für bie 3ufunft sufammen. Slud; iljre furje ®auer nimmt
i^nen ben Sßert a(§ krifen; bie oollen Eräfte ber aSersroeif«
lung werben nidjt angefpannt, bleiben bal)er aud) nid)t fieg*
reid) auf bem Sc^laditfelbe fielen ; unb boc^ fönnte nur burc^
fie bie malire Erneuerung be5 Seben^ erfolgen, b. ^. bie oer-
fö|nenbe 2lbfd)affung be§ 2lltcn burc^ ein roirflid) lebenbigel
9?euel.
enblid; ift überhaupt nic^t nötig — fo raenig roie oben
bei ben ^noafionen — bei jeber ßerftörung eine fünftig barauS
^eroorgeljenbe 33erjüngung üorau^jUDerfünben. Unfer ©rbbaH
ift Dietleidjt fd;on gealtert, (wobei eg nic^tg auemad)t, wie
alt er sensu absoluto ift, b. f). wie oft er um bie ©onne
gewanbelt ift; er fönnte babei fe^r jugenblic^ fein); oou
großen oerfalfien £änbern ift nici^t abjufeljen, wie fie nad)
'^erluft il)rer (gbeloegetation je roieber eine neue erljalten
foQen, unb fo !önnen auc^ $ßölfer oernic^tet werben, ol)ue in
anberen i^öltern als a}iifd)ung5bruc^teil weilerjuleben.
Unb bäufig ift jumal bie gered;tefte i^erteibigung ganj
j(66 IV. Die gelAiAtUAen Krilen.

nu^Ioö geiüe|"en, unb eS ift aUz^ ^Köglid^e, wenn roenigfteng


dtom hendiuljm von Taimaniia roeiter oerfünben ^ilft, wenn
bie ©ieger ©inn für bie &xö^e ber UnlerlieQenben l)aben.
6d)le(^t ift ber ^roft mit einem l;öt)eren äöeltplon u. bgL
3ebe erfolgreid)e ©eioalttat ift aüerminbeftenä ein ©fonbot,
b. 1^. ein böfe^ 23eifpiel; bie einjige Seigre an§> gelungener
3)äffctat be^ ©tärferen ift bie, ba^ man ba§ ©rbenleben
überhaupt nid^t l^ö^er frfjä^e, atö e§ oerbient.

3unäc^ft möge nun bie allgemeine (£§arafteriftif ber


^rifen folgen.
<B6)on im fernen 2lltertum finb geroi^ nic^t feiten Ak-
tionen au^einonber gebro(3^en burd) ©rl^ebungen oon
i^laffen unb 5laften gegen einen S)efpoti§mui? ober ein
brüdenbeg §eiligeg Siecht; unoermeiblid^ toirb auf beiben
©eiten bie ^teligion fiin^ugetreten, \a i§> mögen auf biefem
äßege neue $8olf»tümer unb 9ieligionen entftanben fein. ätHein
mir fennen ben geiftigen Hergang nid^t genug.
©obann fommen ja^lreidie, un5 fd;on nä^er bekannte
5^rifen in ben gried;ifd^en ©laaten oor, raelc^e ben 5lreiö»
lauf oon Jlönigtum, 2lriftofralie, 2;9ranni§, S)emo!ratie,
3)efpotie burd^taufen. 2mein biefe finb jroar ed^t, aber lo!al
unb werben nur beiläufig mitjuoerglcidjen fein; benn in
©ried^enlanb öerjettelte fi^ ber ^roje^ in lauter lo!ate ©injel»
projeffe unb auc^ ber peloponnefifdie Kriege oertritt nid^t bie
©teile einer großen nationalen ilrifig, meldte l^ier nur im
Uebergang in einen ©ro&ftaat ptte liegen fönnen. ®ie§ ge=
fd^ie^t aud^ unter 9Jk!ebonien nid^t, ja felbft !aum unter bem
römifd^en Imperium, bog in bem oeröbelen ©ried^enlanb fo
oiele 2lutonomie unb felbft 2lbgabenfreil^eit befielen liefe, bafe
man immer glauben fonnte, bie ^oli^ lebe nod^.
3n 9iom ift bei allen fogenannten Jieöolutionen bo(^
bie eigentlid^e, grofee, grünblid^e ^rifil, b. ^. ber ^urd^gang
ber ©efd^id^te burd^ a)?affenl)errfd^aft, immer oermieben roorben.
5Rom war bereite ein 3Beltreic^, beuor bie ^teoolutionen be«
IV. Die gelAiAtUAen Krilen. \67

gannen. 5Inber§ aU in 5lt§en aber, wo im V. ^Q^rljunbert


bie lif äffen ber regierenben Stabt ein )He\ä) t)on etiuo 18
DiiÜionen Seelen, bie attifd^e Hegemonie, regieren rooHten,
bi^ 9teic^ unb Stabt barob jugrunbe gingen, ging l^ier ber
©tüQt immer oon ^J)iäc^ligen an 3Jiäc^tige über. ^2iuä) f)alte
9iom bamaU neben fid) feine j^einbe, lüie 2ltl)en an ©porta
unb ^^erfien befo^; Mart{)Qgo unb bie Siabod^en roaren längft
ruiniert; man §atte e§ nur mit ben immerl)in gefährlichen
3imbern unb Teutonen unb einem 9)Zit|ribQt ju tun.
Unb nun jeigen bie fogenannten ^ürgerfriege feit ben
©racd^en folgenbe§ 33ilö: ©egcn eine allein geniefeenbe, mel)r
unb meljr entartenbe DiobiUtät werben mS> i^elb geführt : ^er^
armenbe 23ürger, i^atiner, ^taliter, ©flaoen. Unb jroar ge-
fc^ie^t bie^ befonberl burc^ einjelne nobiles felbft, roenn aud^
aU i^o(^5tribune, ober bur^ Seute roie 3)?ariug. ^ie Siobilität
aber, burd^ enormen fc^on gewonnenen ober au3 ben ^roöinjeu
3U eri)offenben 'öefife gefeffelt, fann erfteng nur in deinen
2)ingen nad^geben unb roirb jraeiten^ burc^ i§re eigenen ruinier»
ten ©ö§ne, roie Gatilina, im 33elagerung^juftanb gehalten.
2)ann rettet (Säfar burc^ feine Ufurpation 9iom oor
aflen bamaligen unb fünftigen Gatilinariern. @r rooHte feinen
9J?iUtärbefpoti5mu§, entfd^ieb aber tatfäd^Ucb ben @ang ber
2^inge burc^ ergebene (Solbaten. !Da^er ift aud^ ber oon
feinen ©rben geführte fogenannte le^le iBürgerfrieg ebenfo
eine ©olbatenfad^e.
2)a§ juUfd^e ^au5 ooüenbete bann ru£)ig bie oon a)?ariu0
unb ben 33ürgerfriegen begonnene 2lu§rottung ber DIobilität.
2lber ba§ i^aifertum roar nun roirflid^ ber triebe, mit auf'
faQenber Sefurilät oor i^eroegungen im 3""e'^"- ®i6 ))WvO'
lulionen in einzelnen ^^rooinjen Ijaben iijre fpejieüen, nac^«
roeiebaren ©rünbe in fojialen it^er^ältniffen, roie bie gaüifd^en
3lufftänbe roegen beiS aes alienum, j. 33. ber burd) ^-(oruä
unb (Sacrooir jur 3eit Xiber^. Ober ec finb religiöfe 2öut»
au^brüc^e roie unter ^abrian ber ber o^ben burc^ 33ar
5!oc^ba, 2)ie!? aüe^ ift rein lofal.
1(68 IV. Die gcfdiicbtUcbcn Krilen.

©ie einjige @efal;r ift bie ^leifluiui foiuol;! ber ^rä»


torioner a(5 ber ©renjlei^ionen jur (Srl)ebung von Kaifern.
9lllcin aud) bie fogenannten i^rifen beim 2:obe be§ ^fiero unb
be^ ''^l.'ertinai; finb [tünnifd^e aJiomente, feine maijven Erifen,
9^iemanb luill bie gorm be§ 9ieid)e§ änbern, gro^e Äaifer
befd^äftigen bie 2lrmeen burd^ gro^e Kriege; ooUenb^ ift bie
Ufurpation be§ HI. ^a^r^unberts wefentUc^ eine rettenbe;
afle§ (SrbenfUc^e gefd^iel)t, bamit dtom erfialten werbe o(§ ba?,
roaö e§ ift. ^Jiom§ ^errfc^crgeift ift aud^ in ©renaproüinjialen,
lüie bie illt;rifd)en Kaifer waren, immer ftar! genug, um ba§
©anje oben ju l^alten.
Drganifc^e 2Ienberungen unb onbere fromme SBünfd^e,
weld^e bie neuere 2öiffenfd)aft biSioeiten ben bamaligen ^mpera^
toren ^at onralen rooQen, fommen o^nel;in ju fpät. Unb
raenn man 3^om geroefen ift, fo änbert man fid; nid^t metjr
freiroiüig unb iebenfoü^ nid^t mit 3lu^en, fonbern man lebt
fo au§, mie man ift.
Unter ßonftantin unb feinen 9?ac^folgern überbauert ba^
9leid^ noc^ bie allmäljUc^e ©ubftitution einer d)rift(id^'0rt^0'
bojen ©efeUfc^aft unb Kirche, roeld;e fic^ bem frad^enben ^m-
perium unierbaut, ©o lange baSfelbe tebt, muB e§ jur un»
erbittlid)en ä^erfotgung öon 2trianern unb Reiben ben weit«
liefen 3lrm Iei()en. Unb enblid^, na^bem bie Ortt)oboj:ie fid^
öoüftänbig organifiert unb einen ^eil ber ^^rabition be^
2lltertuml unter ii)xe j^ittid^e genommen ^at, barf ba§ ^VX'
perium fterben.
^ie e d^ t e n Krifen finb überljaupt feiten, ^n oerf d^ie»
benen 3eiten ^aben bürgerlid^e unb firc^lic^e ^änbel bie fiuft
mit fe^r langem unb intenfioem :^ärm erfüllt, o§ne bocb oi«
lale Umgeftaltungen mit fid^ ju führen, ©old^e SSeifpiele,
wo bie politifc^e unb fojiale ©runblage nie erfd)üttert wirb
ober in ^-rage !ommt, unb bie be^4)alb aud^ nic^t aU ed^te
Krifen gelten fönnen, finb bie englifdjen 9tofenfriege, in benen
bo§ 5ßolf Ijinter jroei 3lbelg* unb ^of^^aftionen Ijerläuft, unb
bie franjöfifd^en 9ieformation§friege, roo eigentli(^ smei 3tbel§*
IV. Die gcIcbiAtUcben Krilcn. \()^J

gefofge bie ^ouptfacfie finb unb ei fidf) barum f)Qnbelt, ob


ber iUinig fiel) außeilialb bec beiben ^aftioneii behaupten, ober
luelc^er ooii beiben er an9e[)ören foü.
Um aber auf dlom 5urücf5ufommen, fo ift bann i)ier erfi
bie ^i>ölferiuanbcruiu"i bie lualjre iuific-- tjeioejen. Sie i)at im
^ödjften ©rabe beii (Ei;arafter einer folrfieu: SSerfc^metäunt]
einer neuen materiellen Straft mit einer niten, iüe(d)e aber in
einer tjeifticjen ^HJetamorpIjofe, a\bl einem Staat ju einer Mirc^c
gemorben, lueiterlebt.
Unb biefe ÄrifiS g(eirf}t feiner anbern un§ nä^er be-
fanntcn unb ift ein^ii] in ifirer IHrt.

^nbem unr luv} nun auf bie^rifen großer Äu(tur=


oötfer befc^ränfen, aber auc^ bie gefc^eiterten 5lrifen mit in
33etrod^t jiefien, ergibt fic^ mvi ba§ fotgenbe allgemeine %4)ä''
nomen:
33ei bem enorm fomp(ej;en ß^ft'^'i^ ^f» Seben^, n)o
Staat, Steügion unb Kultur in t)öd)ft abgeleiteten formen
neben unb übereinanber gefd^ii^tet finb, mo bie meiften 2)inge
in i^rer bermaligen ^erfafjung il^ren rec^tfertigenben 3")'^"^'
men^ang mit ibrem Urfprung eingebüßt ^aben, wirb längft
ba§ eine ©dement eine übermäßige 3iu5be^nung ober 9Jiadjt
errei^t i)ahen unb nac^ 2(rt oUe^ ^r^ifcä^en mifebraui^en,
roäf)renb anbere (gtemente eine übermäßige ©infc^ränfung er=
leiben muffen.
2)ie gepreßte ilraft aber fann, je nod; ii)xex 2In[agr,
{)ierbei i^re (Staftijität entiueber oerlieren ober fteigern, ja
ber '^^ol^:'geift im größten Sinne be§ SBorte-J fann fid; aUi
ein unterbrüdt gemefener bemut3t roerben. ^n le^3lerem %ü\ie
brid^t irgenbiüo irgenbiua^o au^, rooburc^ bie öffenlüd)e Orb^
nung gcftört rcirb, unb roirD entioeber unterbrüdt, worauf
bie i^erri^enbe 3J?ad)t, raenn fie mcife ift, einige 3(bf)ilfe fd)afft,
ober eS fnüpft fid) baran, ben meiften unenuartet, eine ÄrifiS
be^ ganjen allgemeinen 3uftönbe5 bi^ jur foloffalften 3Iu^'
be^nung über ganje ß^italter unb aüe ober oiele iUUfer bei--
1(^0 IV. Die gcIcbiAtlicben Krifcn.

felben 53ilbuni3^frei[e^ ; benn ^iiüafionen nad^ au^cn unb oon


au^en l^öngen firf) oon felber baran. 5^er SBeltproje^ gerat
plö^Iic^ in furc^lliare ©d^neHitjfeit ; (Sntraicflungen, bie fonft
3al^r{;unberte braudjen, fd^einen in ^JJtonaten unb 3Bod^en roie
flü^tige ^fiantome oorüberjui^el^en unb bamit erlebigt ju [ein.

©§ ergebt fic^ nun bie j^roge, ob unb roeld^e Ärifen


tnan abfdjneiben fönnle unb loarum bie§ nic^t gefd^iel^t.
3)ie Hrifi^ beS römifd^en i^ntperiumS roar nidit Qb^ufd^nei»
ben. Da fie auf bem Sj^rang jugenblic^er Wöikv oon großer
grud^tbarfeit nad; bem 33efife fübUdier, meufd^enarm geworbener
l'änber berutjte; eö loar eine Slrt p^pfiologifd^er 2lu§gleid^ung,
bie ft«^ jum ^eil blinb ooUjog.
2lnatog oer^ielt e^ fid^ mit ber Sluebreitung beS 3§lüm^.
Saffaniben unb Sijjantiner Rotten ganj anbers werben muffen,
als fie waren, um jenem ^^anatilmuä p toiberftel^en, roetc^er
bem ©etöteten 'oa^ ^arabie^o unb bem ©ieger ben ®enuB ber
^errfd^aft über bie 9Belt oerfprac^.
dagegen ^ätte fönnen roefentlic^ abgefd^nitten werben bie
^Deformation, unb in Ijo^em ©rabe gemilbert fonnte bie fran»
jöfifd^e ^ieoolution werben.
Sei ber ^Deformation l)ätte ^ierju eine 'Jieform bei
Uterus unb eine mäßige, oöllig in ben ^änben ber lierrfd^en*
ben ©tänbe bleibenbe 9Debu!tion ber ^ird^engüter genügt,
^einrid^ VIII. unb ^ernac^ bie Gegenreformation beweifen,
wag überliaupt möglid^ war. @l lag wol)l oiele Unjufriebens
l^eit, aber fein aßoerbreitete» pofitioeS ^beal einer neuen
^ird^e in ben ©emütern.
©d^on oiel fc^werer wäre 1789 in ^ranfreid^ bie ©ewalt»
tat §u oermeiben gewefen, weil in ben ©ebilbeten eine Utopie
unb in ben ^Raffen ein oufgefpeidierter <Bä)a^ von ^a§ unb
9tac^e lebenbig war.
3t(Iein Slaften wie bie ^ierard^ie unb wie ber alte fran=>
jöfifd^e 3lbel finD abfolut inforrigibel, felbft bei flarer @infid^t
beS Slbgrunbel in oielen ©injelnen. ©» ift für ben 3)toment
IV'. Die gelcbicbtUchcn Knien. \7\

unongcnel^mcr, mit feineSgleid^en anjubinbcn unb babei j e b e n«


falU unter jugetjeu, q(§ eine allgemeine Sintflut nur oiel-
leid^t erleben ju müfien. Unb auc^ abgefe^en üon einer
foldien ^robabilität^3red)nung fönnen bie 5l^er^ältni]le fdjon
ju oerborben fein, aU boB haften fic^ nodi) mit (^3lücE
5U beffern uermöd^ten; oielleid^t ift fd^on eine überroiegenbe
33orou5fi(^t ba, bo^ anbere (Stemente von brausen fid^
ber 33eiüegung, roenn fie nun einmal ba ift, bemächtigen
roerben.
Cb ber ^rifen oorbereilenbe ^citgeift bie blo^e Summe
ber Dielen gleid^benfenben Ginjelnen ift, ober el)er, roie 2a-
faulr (S. 24 f.) meint, bie ljöl)ere Urfac^e il)rer ©ärung,
mag ba^ingeftetlt bleiben mie bie ^rage über ^reilieit unb
Unfreiheit überhaupt.
2tm Gnbe liegt ein ©rang ju periobifd^er großer S3er»
änberung in bem 3Jtenfd^en, unb meldten ®rab oon burd^»
fc^nittlicEier ©lücffeligfeit man i^m aud) gäbe, er mürbe (ja
gerabe bann erft rec^t!) eine» 2:age5 mit Samartine an^--
rufen: La France s'ennuye!

eine fd^einbar roefentlid^e ^^orbebingung für bie Ärifen


ift bas 2)afein eines fe^r auggebilbeten ^i^crtelirS unb bie
33erbreitung einer bereite ä^nlic^en Denfroeife in anberen
2)ingen über gro^e Strecfen.
allein, roenn bie Stunbe ba ift unb ber roal)re Stoff,
fo gel)t bie Slnftecfung mit eleftrifc^er ScfineHe über l)unberte
öon aJteilen unb über 53eDölferungen ber oerfc^iebenften 2lrt,
bie einanbtr fonft faum fennen. ©ie Sotfd^aft ge^t burc^
bie Suft, unb in bem (Sinen, roorauf el anfommt, Derftel)en
fie fic^ plöfelic^ üllle, unb märe e§ au^ nur ein bumpfe^:
„(S'5 mufe anbere loerben."
Seim erften 5^reujjug brachen gerabe bie großen SJlaffen
fc^on menige iNonate, ja äöoc^en nad) bem beginn ber ''^re»
bigt auf, entroeber nac^ einer neuen, unbefannten ^eimat ober
bem fid^ern ^obe entgegen.
H?2 IV. Die getcbicbtlid>cn Krifcn.

(£-6enfo im 33Querntrieg, wo, in ^unberten üon fleinen


Territorien jugteid), ber 33auer eines ©inne§ mar.
^-rantreid^ mar 1789 oUerbingS fd)on fc()r niuediert unb
ber 3}erfef)r i^ro^, bod) nidjt üon ferne mit je^t; nur waren
bofür bie t^ebitbelea bereits fel;r I)omogen im 3)enfen.
33on unlerer ßeit mit ifjrem unerl^örten ^l^erfef;rSiüefen
liefee fid^ im (i)egenteil bef)aupten, bafe fie ju 5lri)en weniger
geeignet fei, bofe baS oiele Sefen, 9iäfonnieren unb Steifen
fd^on in iiewö^nlidien 3^^^^" ^i^ S^"te ei)er abftumpfe.
j^reilidi, wenn einmal bie ^rifen bod) fommen, werben bie
©ifenba^nen babei if)re 9toüe fpielen, öon weld^em jwei»
fd^neibigen 33iitte( wir fpater iioc^ ju fprec^en ^aben.
®ie ftäblif(^en ^öeoötferungen finb ber ^rife üon feiten
beS 9iäfonnementS jugängüd^er, für Demagogen erreid}barer;
aber je nad^ ber 3(rt ber :Rrifi§ finb öielleid^t bie länblic^en
hoö) furcbtbarer.

2BaS bie ^InfangSpfirifiognomie ber ^rifen betrifft, fo


tritt §unäii)ft bie negatioe, anflagenbe Seite jutage, ber on*
gefammelte ^^roteft gegen baS 33ergangene, oermifd)t mit
©d^redenSbilbern öor nod) größerem, unbefanntem SDrud.
SBenn biefe Ie|tern öon S3acon^) überfd^ä^t werben, fo finb
fie bod; üieOeid;! f(^on etwas, bos ben 2luSbrud^, b. l). bie
(Störung ber öffentlichen Orbnung in ifirer bisherigen j^orm,
entfc^eiben t)i(ft. ?^ataliter I;etfen Ijiebei befonberS aQe bie»
jenigen 2lufgeregten mit, wel(^e bann con ben erften ©gjeffen
an in Reuter umfcf)lagen.
2)ie um einer Sac^e wiQen beginnenbe ErifiS §at ben
übermäd^tigen ^aJirwinb Dieter anbern ©ac^en mit fic^, wobei
in betreff berjenigen ^raft, weld;e befinitio baS ^elb befiaupten
wirb, bei aüen einjelnen ^eitnefimern oöflige 33tinb^eit ijerrfd^t.
3)ie ©injelnen unb bie 2)kffen fc^reiben überhaupt 2l[IeS, waS
fie brüdt, bem bisherigen testen 3"^^"^ ""t ^i^ iKe^nung,

') Sermones fid. 15, de seditionibus et turbis.


IV. Die gelAicbtUchen Krilen. ^73

roä^renb e^ meift 5)iiu]e fiiib, bie ber menid)üd)en Unooa'


fommen^eit oU folcper oiu^e^ören. — ©in ^Ucf auf bie
5)ürftigfeit aüe^ ^rbifc^en, auf bie a^ariamfeit ber Diotur
in i^reiu ^aue^alt auBerljalb bee aJienj^enleben^ ioüte jum
^öeroeife biefür genüöen; nmii meint aber geroöiinlid), bie ©e*
^6)\6)W mad^e e^ anbers als bie 9?atur.
©nblic^ mad)en 2lIIe mit, mddje irgenb etiüai^ anber^
§aben rooüen, ale eS bilt;er geroe[en ift.
Unb für ben gansen bieE)erigen B^ft^nb roerbeii burd^aug
bellen bermalige Xräger oerantroortUd) gemad^t, fd)on raeit
man nid)t nur äubern, fonbern diad^e üben roill unb ben
^oten nid^t mef)r beifommen fann.
3u bem roo{)lfei(en ^elbenmut gegen bie Setreffenben,
jumal lüo mau fie einzeln erreidien unb öerfolgen fann,
fommt eine fc^recflic^e Unbitligfeit gegen aüe^ iUs^erige; e^
fie^t au», aU märe bie eine ^älfte ber ®inge faul geraefen,
unb bie anbere c^ätfte Ijätte längft gefpannt auf eine attge'
meine SIenöeuung geroartet.
2l(lerbing5 nur burc^ biefe blinbe Koalition 2111er, bie
etma^i anbetet f)aben rooüen, wirb es übertiaupt mijglid^,
einen alten ßuftanb au§> ben ringeln ju Ijeben; ot)ne fie
würben bie alten ^nftitutionen, gut unb fd)(erfit, fid^ eroig,
b. \). bis jum SSerfaU ber betreffenbcn 9ktion überl)aupt,
behaupten.
Unb nun fönnen el freiließ befrcmblic^e SlÜianjen fein,
roelc^e fic^ einer ^rifv^ in if)ren IHnfängen an ben ^aliS
roerfen; aber fie fann fic^ biefelben nic^t üerbitten, felbft
roenn 2l{;nuug oor^anben ift, man möchte bereinft burc^ bie-
felben beifeite geftoßen roerben, unb anbere 5lräfte alc- bie,
roelc^e bie ^Jteöolution begonnen, möchten fie meiteifü^ren.
Um relaiiü nur SBenige? ju erreichen, roobei man fragt,
roieroeit eS fic^ um WeroünfdjteS ober gar um 'iC^ünf^en^S»
roertel ge^onbelt \)ahen roirb, broud^t bie @efd)ic^te ganj
enorme ^^eranftaltungen unb einen ganj unoerljäUniemäBigen
Särm. — SaSfelbe "'^^^änomen fommt fc^on im ^'eben beS
X^'k IV. Die gdchiAtlicbcn Krileti.

ßinjetnen uor: mit 3ln[panMung he& größten ^ot^oä roerbcn


Snlfcteibungen getroffen, nu§ rüe(d;en 2Bunber wa§> ^eroor»
gelten foUtc, uiib an§> roelc^en bann ein orbinäre^, aber not»
toenbigel Sd^idEfoI folgt.

3lm\ aber bie pofitioc, ibeale «Seite ber Slnfängc.


(3ie f)ängt baran, ba& nidjt bie (Stenbeften, fonbern bie
©mporftrcbenben ben cigenllid^en Slnfang machen; fie finb e3,
roeld^e ber beginnenben ilrifii§ ben ibealen ©(anj oerleil^cn,
fei e5 burd^ bie Siebe ober burd^ fonftige perfönli(|e ©aben.
Unb nun beginnt ba§ brillante Slarrenfpiel ber iQoffnung,
bie^mal für ganje gro§e ©djid^ten eineS lsoIfe§ in foloffalem
3}Jofeftob. 2lud) in ben a)iaffen oermifd^t ftd^ ber ^^roteft
gegen ba§ 3Sergangene mit einem glän^enben ^^antafiebilbe
ber 3iifii"ft/ roetd)e§ aQe faltblütige Ueberlegung unmöglid^
mad^t; biSroeilen mag fid; barin bie innerftc Signatur be§
betreffenben 3Solfe§ »erraten; oieQeid^t judt babei aud^ rfieu»
matifc^ ein ©efü^l be§ SÜternS mit, raeld^eS man burd^ ba§
^oftulat einer Verjüngung übertäubt. 2)ie ^eliaben fod^ten
ja auf 3»!^^^^" ^^^ SJiebea i§ren eigenen $ßater, aber er
blieb tot.
3n folc^en Seiten fonftatiert man eine 2Ibna§me ber ge«
meinen 'lNerbred;en ; felbft bie 23öfen werben oon bem großen
aJcoment berührt 0-
Unb felbft ein ©liamfort, in feinen maximes unb feinen
caracteres fonft ein in ber 2BoIIe geförbter ^^effimift, fo
lange e§ fic^ um ba^ ©rbenleben im ganjen l^anbelt, roirb
beim 2lu5brud^ ber Sieoolution anflagenber Optimift.
eine fold^e 3eit ber l)offnung§oolIen Slufregung fdjilbert
^§ufi)bibe§ (VI, 24) bei ©elegenfieit ber 5lser^anbtungen üor
ber figilifd^en (Srpebition, 2)ie ©tinimung ber 2ltl^ener toar
gemifd^t aul Hoffnung auf ben 53efi^ be§ SanbeS, ouf bie
üon ben egeftäern oorgeroiefenen ©d^ä^e unb auf bauernben

*) S3g(. Guibert. Novigent. ap. Bongars <B. 482.


IV. Die gelAichtlicben Knien. 1(75

Äriegefolb; bie 3üngern ober mad)len mit, „roeil fic ein


fernes :^anb ju fe^cn unb feniien ju lernen roünfd^ten unb
ooll *Qoffnung roaren, iljr i^eben ju exl)aiten". Ueberall fa^
man banmlÄ in ben .»gemicyflien ©ruppen oon l'euten, roeld^e
bie @efta(t ber ^nid auf ben Soben jeic^neten '); unb ju
bem allem fam noc^ baS uon ben ^eimlid^cn Wegnern be»
jiöerftc lieber be^ .'germofoptbenprojcffeiS.
Seim erften i^reujjug, roelc^er barum fo [)od^bebeutenb
ift, toeil bie roirflid^en, roell()iftoriid^en, bleibenben ^^olgen [id>
auf einem ganj anbern ©ebiet aU in bem erfe^nten ^aläftina
offenbarten, mu§ nad^ ©uibert in ben SJtaffen ein furiofeS
irbif^'I)immlii(^e§ ^^^anta[iebilb mitgefpielt f)aben.
2)enfen mir aud^ an bie 'iUfionen oor 5larl§ VIII. ßug
nacf) ^toHen, ber fic^ ganj unöer^ältniSmä^ig wichtig, mie
eine Sßettfrifis, anliefe, aber nur ber Slnfang einer 3nter=
oenliongära rourbe.
2)agegen im 33auernfrieg mar gerabe ber 2lnfang nid^t
pl^antaftifd^ unb bie ßinmifc^ung ber ß{)iliaften nur fefunbär^).
Unb gar bei ber englifd&en ^eoolution finbet fi(^ nid^lS
ber 2Irt. Sie fann t)ier überliaupt nid^t iur Spraye fommen,
roeil fie bac^ bürgerliche lieben feinen 2tugenblicf in ?5rage
[teilte, bie fjöd^ften ?iationalfräfte gar nie aufregte, in ben
erften ^ö^ren bie ?5orm eineic langfamen 9tcd^t^projef|e§ F)atte
unb im ©runbe )d)on hUA in bie §änbe be^ ^^NartamenlS»
§eere§ unb feinem 3iapoIeon geraten mar, meldjer ber 9Jation
bie Sahire 17U2— 1794 erfporte. 2Iud^ ift aüer ed^te RaU
üiniSmug unb ^uritanilmuS oon ^aufe au§ ju peffimiftifd^^
um @lanjbitber 5U entfalten; bie närrifc^en ^"^epenbenten*
prebigten erfd)ütlerlen bal^er baS ßeben nid^t.
@anj glänjenb bagegen jeigt fic^ bie igerrfdjaft beS ur=
fprünglic^en '^^^antafiebilbeS in ben (Eo(;ierS oon 1789-^)
') ^Maxd) miib. 17.
-) Heber bie ^'bzen ber le^teren nergl. diank, 3^eutfc^c @e[c^ic^te
im 3eitalter ber 9kformation, S3b. II, S. 185, 207 ff.
') Ed. (idaffin.
\76 IV. Die gcIAicbtUcben Krilen.

unter ber <Q*''rr)<^'ifi »o" 3Unii'jeait§ M)u Don ber ©üte ber
meiifd)lid^en 3iatur unb üom 9Beite ber @e[ül)lc qI§ ©arantie
ber ^Tui^enb. IS-^ war bie ^seriobe ber ^^efte unb f^Qt)nen,
bereu lefeter glänjenber 3}loinent 1790 baä %e\t auf bem
chainp de IMars war. (So ift, al§ müBte bie menfc^lid^e
9tatur in fotd^en Slugenblicfen i§re ganje ^offnungSfät^igfeit
in 33ert)egung fe^en.
3u k\d)t Mit man bann biefe ibeale ©eftalt für ben
fpesifijc^en ©eift einer ^^rifiS, roäijrenb e^ nur it)r ^od^jeitS*
ftaat tft, auf meieren böfe aBer!tage folgen roerben.
emig nnrb e§ unmöglich fein, ©rab unb SBert einer
i^rifi? unb befonber^ iljre iserbreitungSfn^igfeit beim 33eginn
richtig ju fd)ä^en; benn Ijier entfd^eibet nid^t fo fe()r ba§
Programm, aU üielmefir bie 9J^affe be0 oorfianbenen entjünb«
lid^en gtoffeS, b. ^. bie 3aljl unb ©ilpofttion ber nic|t blo&
ßeibenben, fonbern auc^ längft ju einer allgemeinen ä^eränbe^
rung ©eneigten. 9iur @in§ ift fieser : SBalire ^rifen geraten
burd^ ben materiellen SBiberftanb erft red^t in ?3'tammen, nn»
ma^re ober ungenügenbe erlahmen bobei, nad)bem oieHeii^t
ber Särm oorl^er überaus gro^ unb laut geroefen.
Söenn am 2lnfang in einem entfc^eibenb fd;einenben
3Jfoment bie (Sadie üerfd^oben wirb unb unau§getragen hkibt,
fo glaubt fi^ e^er bie Partei ber 9^euerung im ^Isorteil, weil
e§ ja an ben ©egnern gemefen unb in beren SBünfc^en be*
grünbet loäre, fie §u üernic|)ten, roenn biefe gefoiuit l;ätten.
man benfe an bie ^rifi§ auf bem madt in 3}iünfter 1534,
meiere ol)ne ^ampf ben ©ieg ber 9Biebcrtäufer entfd^ieb.
Ueberliaupl aber fommt oiet bar auf an, nad^ welcher ©eite
ingroifd^en bie ^^^antafie u.'terorbeiten mirb. ®ie Slrifii
mufe beren ?^ül)rerin bleiben, xomn fie uic^t jurürfgelien foll.
©ie oerfud^t bie§ burc^ ©emonftrationen; benn fd^on bie
blofec ©emonftration fann ein 9}?ad)tben)ei§ fein unb foll in
ber Spiegel einer fein; man foü fe^en, mie oiel fic^ bie bisherige
aJk^t mufe bieten laffen.
Dffiäieüe ^ummclplä|3e ber ^rifen finb bie großen
IV. Die gelcbi*tli(hen Krilcn. ^7c
«A
SanbeÄDerfammluntjen. 2I6cr fie oeraltcn oft fe^r ge-
fc^roinb unb linb mit bem 5)afein eineS roirflid^ Wäd^tic^en
unoerträglid) (roie bie^3 5Japoleon 1815 betonte)'). ®er roirf--
lic^e ^JJiac^tbQrometer i[t etjer in Älub§ unb ^etärien 5U
fu^en, roelc^e fid^ jeben 2Iuiienblicf bem roirüi^en 3"ftonb
gcmäfe neu bilben fönnen unb beren (Ef)arQ!ter bie Unbebenf»
lid^feit ift.
^m erften ©tabium ber Ärifi^, roenn einftroeilen brüdenbe^
2llte5 Qb9ejd)afTt unb bellen 9iepräientanten oerfolgt werben,
beginnt bann fc^on ba^ ^^i)änomen, roelc^eä fo oiel töric^te^
etouncn ent(\{: bQ§ nämlid) bie anfänglichen 2lnfü{)rer bei*
feite gejc^oben unb erfe^t roerben.
®ie roaren entroeber bie Organe ganj oerfdiiebener Gräfte,
TOäf)renb nunmeJir eine ilraft ai§> roirflic^e ^-üfirerin fi^ ent=
j^üÜt \)a: unb bie anbern uernic^tct ober mitfc^leppt, roie benn
bie englifc^e 9ieoo(ution metir burd) bie ^aoaliere begonnen,
aber entfc^ieben nur bur(^ bie 9ftunb!öpfe au^gefüört roirb,
wobei e^ fic^ ^eigt, bafi nic^t fonftitutioneder Dte^lölinn,
fonbern ^nbepenbenti^mul bie roefentlid^e 2;riebfraft roar.
Ober fie roaren burc^ bie (eigene ober frembe) ^fjantafie
bei jiemlic^ trübem ^^eroufetfein milgenommen roorben unb
unberufen, etroa burc^ ben bloßen i)kbegeift, an bie ©pige
geraten.
Ober e§ roaren (Sitle unb (Sfirgeisigo, roie ^^eter oon
3lmienÄ unb .^onforten am 2tnfang be§ erften ^reusjugee;
fie hielten fic^ für Urt)eber unb roaren nur armfeUge ^^t)äno»
mene ober ©umptome, ©etriebene, bie fic^ für ^Treiber bieUen.
Sa» bunte unb ftarf gebläßte 3egel bätt fid) für bie
Urfac^e ber 'Bewegung be5 3c^iffe^, roäbrenb eS boc^ nur
ben 3Binb auffängt, welcher jeben Slugenblid fic^ bre^en ober
auff)ören fann.
^iöer im geringften ermübet ober ber rafc^er roerbenbeit
33eroegung nic^t me^r genügt, roirb erftaunU^ fc^neü erfe^t;

') %[, gUurp be G£)abou[on, 33b. II, 3. 111.


2BeItgci(ti(^tli<^e Setra^tungen. 12
^78 IV. Die gejcbiAtlidicn Krilcn.

in ber fürjeften 3^^^ \)at eine jioeite ©cnetation von Se*


roegungeleuten reifen fönnen, roeld^e fc^on nur bie 5^rifi§ unb
beren luefentlid^e, fpejififci^e ^riebfroft qU foldjc barfteHen
unb [ic^ mit bem frül;eren S^^f^'^"^ f<^0" ^" ^^^^ loferem
3ufammen^ang füi)(en, qI§ bie :^eute ber erften Steige. 2)ie
a)iac^t bulbet gerabe in fold^en ^txkn am roenigften eine
Unterbred^ung ; roo ©in er ober eine Partei mübe juiammen*
fin!t ober untergeht, fte^t gleid) ein 2lnberer ba, welcher felbft
roieberum für feinen aJJoment fel)r ungenügenb fein fann
unb e^ bennod) erlebt, ba& fid^ für biefen 9Jtoment aÜeS um
i^n friftaflifc^ aufd^liefet. ©§ liegt im 2)ienfd^en bie fülle
33orauSfe^ung, ba| jebe 3)ia(^t am @nbe rationell oerfa^ren,
b. f). bie aflgemeinen Sebingungen be^ S)afein§ auf bie £änge
anerfennen unb ju ß^ren bringen muffe. 3lud^ fogenannte
2lnar(^ie bilbet fid^ fo raf^ aU mögürf) ju ©injelftüden oon
aJiac^t, b. ^. ju wenn auc^ nod^ fo ro^en SSertretungen eine§
Slflgemeinen; bie 3^ormannen foioo^l in 3'iorbfran!reid^ al^
fpäter in Unteritalien beginnen al§ 9täuber unb grünben bod^
rafd^ fefte Btaakn.
Ueber^aupt finbet fic^ in ben ^rifen bag fd^neflfte Um»
fc^Iagen oon Unbänbigfeit in ©el^orfam unb umgefel^rt. 3ebe§
2lnfd^lieBen unb ©e^orc^en aber fteüt bie 23erantn)ortlid^!eit
unb ha^ bamit oerbunbene ©efü^l oon (Seefran!E)eit ftiE.

Sei weiterem gortfc^reiten bringt eine gro^e ^rifi§ ba§'


jenige „©ojiate", wobei i^ren ibea(iftifd^en Segrünbern bie
^aare ju Serge ftet)en, nämlid^ bie 9Zot unb bie ©ier mit
in§ ©piel, teil! burd^ ba§ ©tiüefte^en beS bürgerlid^en Ser=
!e|r§, teil§ burc^ ben oerfügbar geworbenen 'Stanh, teils burd^
©traftofigfeit.
3e nad^ Umftänben wirb fie ourfi balb bie 9teIigion
für fid^ ober wiber fid^ ober einen dii'^ burdfi bie 9?eIigion,
eine Leitung berfelben in jroei Btüde jum ^nfiatt {)aben,
womit alle kämpfe jugleid^ ben ßfiarafter oon Sieligiong^^
Wegen annehmen.
IV. Die gelAicbtlicben Krilen. ^?9

3[a ba§ i^anje ü briete fieben bcr SBelt tritt mit in


®ärung unb mifd^t fic^ freunblic^ unb feinblid) taufenbfältii^
mit ber 5^riu^. (Sä frfieint foi^ar, aU ob biefe bie 33eiuegunci6'
fäljii^feit einer o,an},en 3eit mit unb in [ic^ abforbiere, fo roie
bei einer ßpibemie bie anberen i^ranf^eiten abneiimen, wobei
bann ©prüni^e, ^öi^eruni^en, ';)iücffälle unb neue Sprünge
miteinanber abroed^feln, je nacö ben im 3)foment roirtfamen
^aupltrieben.
3Benn 510 ei i^rifen fi(^ freujen, )o frifet momentan
bie ftärfere fic^ burc^ bie fd^roäd^ere ^inburd^. 3^^^"^^^ M't
ber ©ec^enfa^ oon ^abäburg unb ^"ranfreic^ burd^ ben ®egen=
fa^ öon 3terormation unb Gegenreformation in ben Sd^atten
gefteüt unb übertäubt roorben, nämlid^ cor 1589 unb bann
roieber 00m ^obe :Qeinri(^§ IW big auf 'lüc^elieu.
5^em Kampfe jroifd)en ^uffiten unb Äattjoüfen fub=
ftituierlc }i^ tat\äd)[\ä) ein ^ampf junfc^en S3ö^men unb
^eutfc^en big jur fc^ärfften flaoifd^en Slusprägung auf bot)«
mifc^er 3eite.

Unb nun bie toiberftrebenben ^röfte. Sold^e


finb aüe bisherigen ©inrid^tungen, bie längft ju beftetienben
Siedeten, ja jum rKed^te geroorben finb, on beren :rafein fic^
©ittlic^feit unb Itultur auf aüe Sßeife gefnüpft l^aben, unb
ferner bie ^nbioibuen, roeldie bie bermoligen Präger baoon unb
burd) '^'flic^t unb i^orteil baran gefettet finb. (hiergegen gibt
eg rool^l iHebengarten, aber feine ÜJiijtur.)
^af)er bie Sc^redlic^feit biefer kämpfe, hie QnU
feffelung beg ^atljog auf beiben Seiten, ^ebe ^^artei oer^
teibigt if)r „^eiligftes", ^ier eine abftrafte 2^reupfUc^t unb
eine Dfleligion, bort ein neues „©eltpiinsip".
Unb babei bann bie ©leid^gültigfeit in ben 3}?itleln,
ja ber 2^aufc^ ber 2Baffen, fo ba^ ber ^eimiic^e ^{eaftionär ben
^emofraten fpielt unb ber „^^^rei^eitämann" mit allen mög =
lid^en C^etoaltftreic^en oertraut mirb.
Tenfen roir babei an bie ;)erfe^ung beg griec^ifc^en
1(80 IV. Die gelcbiditUdicn Kriten.

(Staat'3lebeib5 im peloponnefifd^en 5^rieg, lüic fie ^(»ufijbibe^


(III, 81—83) fd^ilbcrt, im ©runbe bereite eine 9ieaftion
(gegenüber bcm Xerrori^mu^ be^ ©emoä unb ber ©ijfop^anteu
c^ecien jeben, ber etroa» mar. ^JJarfibem bie ©reuel oon Rov
lr)xa er^ä^It finb, ^ei^t e§ t)ier, bafe bo§ gonjc «geüenentum
erfd^üttert tuurbe. ®er ^riecs, ber überl^aupt ein Se^rer ber
©eioalttat ift, erlaubte ben ^^ßarteien, ^nteroentionen gerbet»
jurufen; bei üerfpäteten 5lu§brüd^en ^olte man oerfäumte
9kcl^e nad) ; fc^on in ber ©prad^e änberte fic^ bie 33ebeutun(^
aller 2tu§brüde; in ber So^^eit fud^te man fic^ gegenfeitig
juoorjufommen ; mon trat ju ^etärien jufammen, um ben
©efe^en 5um ^ro^ feine ©ac^e burd^jufe^en, unb bag 33anb
berfelben mor bie gemeinfame Uebertretung ; 5ßerfö§nung§»
f(^tüüre waren roertlol; in ber §anblung§roeife l^otte bie
%üde ben SSorjug, fo ba^ man lieber böfe unb geraanbt, all
gut unb ungefd^icft fein wollte. Ueberall walteten §errfd^'
fud)t, (Sigennul, ©^rgeij; bie ^arteilofen würben au§ 3ieib,
weil fie fid^ aufrecbt hielten, erft red^t bem 58erberben geweil)t.
3ebe 2lrt von ©d^led^tigfeit war oertreten, ba^ ©infac^reblid^e
würbe ücrljölint unb oerfd^wanb, unb ber allgemeine 2^on
war fred^e 2;ätlid^!eit.
S)ie 9totwenbig!eit, ben (Srfolg um jeben ^reis für fidb
ju laben, fü^rt in folc^en Seiten biefe oöllige ®lei(^gültig'
feit in ben 33iitteln unb ein totale^ SSergeffen ber anfänglich
angerufenen ^rinjipien balb mit fid^, unb fo gelangt man ju
einem alleä ec^te, frud^tbringenbe, grünbenbe ©efc^e^en un«
möglich mad^enben unb bie ganje ^rifi§ fompromiltierenben
^errorigmu^, ber für feinen Urfprung bie befannte ©jfufe
ber 53ebro|ung oon au^en ju l^aben pflegt, wä^renb er aus
ber ^öd^ft gefteigerten SBut gegen jum 5:eil unfaPare innere
geinbe entfielt, fowie au0 bem 33ebürfni§ narf) einem leidsten
3)tittel beS Stegierenä unb au§ bem wac^fenben 33ewufetfein,
ba^ man in ber 9JHnorität ift. 3" feinem Fortgang uerfte^t
er fid^ bann oon felbft, weil beim Df^ad^laffen fofort bie S^er^
geltung für baS bereite ^Begangene eintreten würbe. Slüer»
IV. Die gelcbicbtlicheTT Knien. ^8^

bingS ntufe er fid^ bei ber '-8ebrot)ung öon aufeen bann avLÖ)
iiüd) [teigern, roie bie^ in SJhinfter lö35 gefc^Q^.
^ie 3ernid^tung be§ ®egner§ erfc^eint alSbann bem
irren 3Iuge aUi einjige ^Ketlung; es foUen auc^ feine ©ö^ne
unb Grben bleiben; colla biscia iniiure 11 veleno. ^"bem
eine roa^re ©efpenfterfe^erei ()errf(^t, jernid)let man nac^
ÄQtei^orien mit prinjipieUer 2lu§roabl, looneben bie größten
33ca)lengemet>cl, anonym unb in^ 23 taue gefc^et)enb, nur ge^
ringen (gffett madjen, toeit fie gelegentlich, jene Einrichtungen
periobii'c^ unb enblog fein werben. S)ie§ rourbe in Un grie»
c^ifct)en unb italieni|rf)en 9{epubliten Ijäufig fo meit aU möglich
burc^gefül)rt unb aud) bie ^roffriptionen be§ roaliniinnigen
alten ^J)?oriu0 gegen bie 9iobilität überljaupt al» 5ta[te (87—86
D. (Sbr.) geliören ba^in. (Sine (SnticbulDigung finbet man in
bem 'Seioufetfein, ber ©egner würbe es, wenn er fönnle,
ebent'o mad)en.
2)ie böitfte 9But beftebt gegen aUe Emigranten, meldte
man fi^ mit enormer Ueberfd^ägung öiel ju mäd)tig benft
ober ju benfen öorgibt. Tlan adjkt e^ roie einen 9taub,
roenn fid) jemanb ber 3)iiBl)anblung unb bem 9)?orb ent*
jogen bot. 2Benn bie dürften, roie bie ©rofjberjoge Gofimo
unb grancceco 3Kebici, itiren Emigranten in ber ^erne mit
©ift jufe^en, fo ift alle SBelt entrüftet; wenn aber 9iepu'
blifen bie ^urücfgelaffenen 3tngebörigen ber Emigranten in§
öefüngnie werfen ober binrid;ten, fo gilt bieö ai§> eine „po*
litifcbe a)ta&regel".
Etnftweilen aber trifft ber ^liüdfc^lag be§ ^errori^mui
bie ^rifi» felbft. La R'volutiou devore ses enfants; jebe
Stufe ber ^rifi» oerje^rt aucb bie 9tepräfentonten ber näc^ft«
üorbergegangenen ale aJioberantiften.

aßäbrenb nun melleid)t bie Ärifi§ auf mehrere ^i>ölfer


besfelben Multurfreife^ einwirft (befonber-^ 5lleinftaaten reißt fie
gerne mit), fic^ üieüeii^t mit ben bortigen fomprimierten Gräften
unb Seibenfcboften oerflicbt unb eigentümlid)e Spiegelungen
^82 IV, Dic'9clcbid)tlid)en Krilen.

in ben bortigeu ©ciftern ^eröorruft, tarn fie in i^rem ^eimat»


lanb bereite im @rtaf)men unb 3"fötnmenfinfen be»
griffen fein, loobei i^re urfpriuu^Hd^e Tenben^ fic^ in^3 @egcn=
teil oerfel;ren fann, alfo ba^ eintritt, roa^S man 3ieaftion
nennt. ^ie5 fiat fo(genbe Urfad^en:
1. 3tuf bie bie^berige enorme Uebertreibung müfete fd^on
nad^ geroö^nlid^er menfd^lid^er 9ied^nung eine ©rmübung folgen.
2. 2)ie aJiaffen, beren ^rritobilität nur am 2lnfang groB
ifi, faden ah ober werben oud^ fd^on bIo§ gleid^gültig. ©ie
mögen i^re Seute fd^on im ^rocfenen ^ben, l)ahen aber
oielleic^t überhaupt nie über ein befc^ränfteS 3JJoB mitgef)olten,
unb man t)at nur b(inbling§ üorau^gefe^t, fie l;te[ten unbe»
bingt mit, ja bie grofee 3Jiaffe ber Sanbleute ^at man tt)oJ)l
überhaupt nie fonberlid^ gefragt').
3. ^nbem bie ©emalt überhaupt auftjetoecft rourbe, finb
eine 9}ienge fdilummernber Gräfte burdb bie ^rifil geroecft
roorben, bie nun ^ofto faffen, im Getümmel plö^lid^ ibr
©tücE 33eute oertangen unb bie Seroegung auffreffen, ofine
fic^ um beren ehemaligen ibealen ©el)alt im minbeften gu
!ümmern. '^ie meiften ©uelfen tote ©^ibeHinen im XIII.
3a§rl)unbert Ratten biefe ©efinnung.
4. ^nbem ba§ ©d^afott üorjug^toeife auf biejenigen greift,
in benen jeber ^ulmination^punft ber Krifi^ am beutlic^ften
auSgefproc^en toar, finb bie ^räftigften untergegangen; bie
fogenonnte jraeite ©eneration l)at fd^on ein fd)iua(^eg, ja
epigonifd^eS Sluöfe^en.
5. ®ie Überlebenben ^träger ber 33emegung l^aben fic^
innerlich geänbert; fie moUen teil^ genießen, teil§ itjenigfien^
fid^ retten.
Unb aud^, treitn bie causa am Seben bleibt, fo gerät
fie bod^ in anbere^^iänbe unb bü^t tbre Untt)ibeTfteljli(^-
!eit ein. Sie beutfc^e ^Deformation raar bi§ 1524 ^l^olfsfac^e
0 3Jlon fragte j. 33. bie röiiüfc^en Colonen bei IV. Si^rl^unbertS
nic^t, ob fie djriftlid^ unb bie polnifd^en Sattem beö XVI. nid)t, ob fie
protcftantifcfi rcerben rooHten; ber ©utöl^err cerfügle über fie.
IV. Die gelAicbtUAen Knien, ^83

unb oöaig baju angetan, bie alte Äird^e in nid^t langer 3eit
gänjlic^ 5U überioinben; ba na^m fie ber 33auernfrieg fc^ein*
bar auf feine Sdjultern, um fie rafd) burc^ ba^ ganje 3J^cer
5U tragen; fein fc^lec^ter 3(uägang roar il)r bann bleibcnb
fc^äblic^, roeil fie erftenS, too fie fiegte, «RegierungSfac^e unb
<Ba^e oon bogmatifc^en Si)ftematifern rourbe unb äroeiten^
loegen ber Kräftigung ber fat^olifc^en :}{egierungen nic^t me^r
nac| bem norbroeftlic^en 2)eutfc^lanb Einbringen fonnte. ^a^
anabaptiftifcle 9ia(^fpiel in 3)iünfter tat ^icrju noc^ ein
^JJe^rerei?.

Unglaublich ift bann bie örnüc^terung, felbft unab«


gängig oon aüfattfigem ©lenb. 3JJit ber größten ©ebulb
läBt man fic^ auc^ bie erbärnilic^ften ^Jtegierungen gefaüen
unb fid) alles baSjenige bieten, worüber noc^ roenige 3eit
oor^er Slüeä in bie :^uft gefprungen märe. 3" ©nglanb
unter Raxi II. roerben 5. 23. biejenigen ^re^Jbpterianer oöflig
aufgeopfert, roeld^en er feine Krone oerbanft').
2)ieie (Srnüc^terung fann, roie bie fran§öfifd^e 3teDolution
Seigt, mit glänjenben erfolgen nac^ amn unb einem ganj
leiblichen öfonomifc^en Buftanb im Innern gleidläeitig fein;
fie ift loeit uerfd^ieben oon ber auf Süeberlagen folgenben
Erbitterung unb l)at auc^ nad^meisbar anbere Quellen.
^rgenb etroa^ oon ber urfprünglid^en 23eioegung fefet
ftc^ roo^l bleibenb burc^. So in ^-ranfreic^ bie ©leid^ljeit,
wä^renb bie Dfleoolution boc^ naioerroeife meinte, fie i)aht
bie ^Utenfdien auc^ jur ^reiljeit erjogen ! Sie ^at fi^ ja aud^
felber für bie grei^eit gehalten, roä^renb fie fo elementarifd^
unfrei roar, roie etroa ein äöalbbranb. ^aö bleibenbe
9iefultat erfd^eint aber 3um (Srftaunen gering im iserglei^
mit ben ^o^en Slnftrengungen unb Seibenfc|aften, bie roälirenb

') 3u ber (Snttäu)cf)ung, loelc^e auf bie bcutfcl^c JHeformation


folgte, Dcrgl. Scbaftian gra"^» SSorrcbe jum III. 23ud) ber (S^ranif,
50I.
lanbe 25.5.
156H— unb3Jlan mag1577
bann t)ierbenfen.
au(^ an bie fatl)olii'(^ bleibenben 9Jieber=
\S4: IV. Die gclcbicbtUchcn Kriten.

ber Rxi\i^ jutage getreten '). greilid) überficl)t man von einer
ganj großen KrifisS bie luafiren (b. t). bie relatio roatiren)
j^olgen in i^rer ©efamtfumme (ba§ fogenannte ©ute unb
83öfe, b. i). ba§ für ben iebe^maligen 33etrad)ter 2Bünfc^bare
ober ^Wid^troünfdibare, benn barüber fommt man hoä) nie
l)inau§) erft m^ 3lbflu§ eine§ 3^itraum§, ber ju ber ©röfee
ber ÄrifiS proportionol ift; e^ fragt fid^, in welchen ©eftalten
fie if)ren fpejififc^en ©eljalt bei i(;rem fe!unbären unb tertiären
Sluftreten bel;auptet.

®g ift ein grofeeS &iM, wenn eine Ärifiä nid)t in bie


^änbe einer fremben ^nterüention fällt ober gerabeju
ben ©rbfeinb 5um ^errn maä)t ©in Unifum ift l)ier bao
^uffitentum, roo fid^ neben ber heftigen terroriftifd)en Partei
in ben ©täbten bie gemäßigte ^^artei (fpäter ©alij-tiner ge»
nonnt) beftänbig ht^aupkt, bei ber SSerteibigung gegen ben
Singriff oon au^en mit ben ^erroriften \)ält, x^nm aber
fpöter, nadibem fie etroo§ ermattet finb, ben ®arau§ mac^t,
felbftl;errlid^ ben SIbgrunb ber Sfieoolution fc^tie§t unb ^unbert
$5a^re lang loefentlic^ itiren äöiHen behauptet.
3)er peloponnefifc^e £rieg mar urfprünglid^ ein ©treit
berjenigen beiben igegemonien, raeld^e, eine roie bie anbere,
©efamtgried^enlanb gegenüber oon ^erfien anführen, ja e§
erjiel^en looßten! 3" 3tnfang be§ ilriegg wirb i|r ®egen=
fa| unter fic^ fo §oc^ al§ möglid^ genommen, unb ^eri!le§
unb anbere 9iebner fieüen i§n fogar al§ ben jroeier ftreitenber
SBeltanfd^auungen bar, wa^ nid^t f)inbert, ba^ in ber golge
ein oon fid^ felbft abgefallene^ ©parta mit perfifc^em ©elb
ein paar iöo^rje^nte bie 6jene bet)auplet.

(g§ fommt nun aud^ bie ^iücf toirf ung ber neu ent*
ftanbenen ®üt er wert eilung in Setrad^t. ^iebei ift ju*
näd^ft ha^ p^gfiologifd^e ^^aftum feftjufteflen, ba^ in jeber

1) Sßgl. oben ©. 173 f.


IV. Die gelAicbtlicben Kri(cn. \So

Rxiiii eine beftimmte Cuote oon fähigen, entirf)(oiienen unb


eüfalten ^JJienfc^en mitjdjroimmt, meiere mit her ilrifiiS nur
©efc^äfle madjen unb uorroärt^ fommen moUeu i unb eben
ba^5fe[be mit bem Gegenteil ober überhaupt mit eimaa ^ituberem
mollen luerben. SDiefe 3lrt ber ^altefeft, :){aubebQtb unb
eilebeute fd^roimmt um leben ^srei^ oben, unb um fo oiel
lieberer, ba fein l)ö()cre§ Streben ]it irre mad)t. tiefer unb
jener oon it)nen luirb freitirf) erraifdit unb get)t unter -j, aÜein
bie ©orte olg fold)e ift eioig, luäfirenb bie primären, Qnfü^=
rcnben ^reubensmenfdjen jäblbar finb unb oon ben fid) ftei=
gernben ilrifen untenoeg^ Derjeljrt toerben. 2Iuf (Srben ift
ba^ Unfterbli^e bie ©emeinf)eit *). S)ie|e Soite ober gibt
bann ben 2:on unter ben neuen 23e[i^ern an.
^\m tann f^on jeber iüefit auä) ber fäfulare, au feiner
causa Iserrat üben, ^on bem Sc^a^ oon S)elp^i fagte fc^on
^verifle^ oorauS, ba^ er einft mit SBerbungen fönnte augge=
geben roerben, unb nad)bem fd)on ^ofon oon ^i)erä unb ber
ältere 5Diont)§ bie Stugen barauf gerid^tet f)atten, traf bie^j
im ^eiligen ^rieg ein. 2luc^ juc ^Deformation \)ahen bie
5^irc^engüter ben ftärfften 2Inta§ gegeben.
iNOÜeubS aber betrachtet neuer ^efi^^ fid) felbft unb
feine er^altumj, nid)t aber bie 5lrifi^, burc^ bie er entftanben
ift, als ba§ 2Befentad)e; bie ^rifig foü ja ni(^t rüdgängig
gemalt roerben, roo^l aber genau an ber Stelle innehalten,
ba ber i^efit inö Irodene gebraut ift. So finb bie neuen
eigentümer in ^^ranfreid; feit 1794/95 ooU oon 2lbfd^eu gegen
ben frül)eren Suftanb, aber ebenfo ooü oon Sel)nfu^t nad^
einer befpotifc^en öeroalt, roeld^e ben 39efi^ garantieren foQ,
ge^e eS bann ber j^reiljeit, roie es rooUe.

') 3SgI. oben <B. 182.


*) SJan benfe an ben jum Jeil affeftierten fittlic^en 3orn ber
fran}o[tfc^en gienolution gegen einen %abte b'CSglantine. 2lnno 1794
mi)m man eg nit^t me^r fo genau, obnjoI;l ber l'ärm gegen bie vendus
bauerte.
3) Sgl. (yoetl}eä 9kim: „Ueberö •iMeberträc^tige ufio."
H86 IV. Die 9«IcbiAtU(hcn Krifcn.

3le§nli(^ geftaltetcu fid^ bie 2)in9e mä) bem 3l(bigenfer'


frieg. S)ie üierbunbertunbbreiBig l^efienlträger im 9}Jibi l^atten
hai ^ntextiie, ba& bie i^ronc j^ronfreic^ ben ©rafen oon
2^ouloufe nid;t mel)r auffommen lafi'e, wobei bie ^^rage über
Meierei gar nid^t me^r auffam ; b. i). in U)xem Innern roäre
el ifinen ganj gteicf) geioefen, ob i^re ©ul^bauern albigenfifd^
ober fatöolifd^ loaren.
3[n ben gried^ifdien ©täbten fc^lägt bie 33ef)auptung beS
Öcfi^eS au^ogetriebener ober au^gemorbeter Parteien, ben man
im 3?amen irgenb eineä ^rinjip^, fiei^e e§ 5Demol ober
2lriftotratie, ergriffen l)at, leicht in 2;ijranni'3 um, wobei
toeber ©emofratie no^ 2lriftofratie betiauptet werben.

Unb nun fpielcn ouc^ bie Kriege unb ber 9)?ili»


tari§mu§ i^re 'JtoIIe. '^exU bnxä) bie Sänbigung folc^er
©egenben unb ^^arteiungen im Innern, roeldie fic^ gegen bie
^rifi§ empören, fo bQ§ 5. 53. ein Sromroett in ^rlanb, bie
fronjöfifc^en ©enerale gegen j^öberoliften unb 33enbee ju
fämpfen l^aben, teil§ burc^ Eingriff unb ®egenroel)r gegen
ba§ bebrof)te ober angreifenbe Stu^Ianb, wie ber SBiberftanb
ber Dränier gegen bie ©panier^), ber ^ranjofen gegen bie
Koalitionen feit 1792, entfielen unoermeibli(j^ Kriege unb 3tr»
meen. S)ie S3eroegung bebarf auäi fc^on an fid^ äußerer ©e=
toott, um bie lo^gebunbcnen Kräfte aller 2trt in irgenb ein
33ette ju leiten. 2tllein fie pftegt ben 9?ü(ffd)lag berfelben
auf i^r ^^rinjip ju fürd^ten'-) unb gibt bie§ junäc^ft burd^
2^errori^5mu§ gegen i§re ©enerale ^u erfennen. 3)af)in getiött
in geroiffem Sinne fd^on ber ^eIbi)errnproje§ nac^ ber Str-
ginufenfd^Iad^t unb ganj befonberS bal 33enef)men ber gran«
jofen in ben Qa^ren 1793 unb 1794.
21llein ben Siedeten erroifd^t man nid^t, weit man i§n
nod^ nid^t fennt.

') §ier entftef)! bann eine eigentlid^e ÜJlilitärpartei unter 3)}ori§,


ber fic^ i^rer für feinen potitifd^en S^^'^ bebiente.
^) ©t. "^iift fagte }U Sarere: tu fais trop mousser nos victoires.
IV. Die gcIcbiAtUAen Krilen. 187

Unb fobalb bann bie ÄrifiS fid^ überftürjt ^t unb bic


epod^e ber ßrmübung eintritt, fo orgonifieren fid^ o^net)in
bie früheren lltQc^t mittel ber älteren i)toutine, ^solisei
unb a)?i(itär, roie Don felbft luieber in i^rer älteren ^orm.
etroa^ ^obmübe^ aber fäüt unfeI)lbQr bem ©tärfften in ben
2lrm, ber gerobe in ber 9Jä{)e ift, unb bieä roerben nic^t neu--
geroäf)lte unb gemöBigte ^^erfammlungen fein, fonbern BoU
baten.
9iun ^ot man e§ mit ben ©taatsftreid^en ju tun.
©in folc^er ift bie 33efeitigung einer für fonftitutioneÜ gel«
tenben, aul ^^rifen übrig gebliebenen ©taaticrepräfentation
burd) militärifc^e a)Jac^t, unter beifälligem ober gleidigültigem
33er§alten ber 9iation, roie fie Gäfar 49 d. 6|r., ©romroea
1653 unb bie beiben 5iapo(eonS wagten, ^abei roirb ba^
5^onftitutionelIe 5um ©d^ein beibehalten unb refonftruiert, ja
erioeitert, roie benn (Säfar ben (Senat üermel)tt, Dkpoleon III.
ba§ suffraf?e imiversel l)erftellt, ba§ burd^ baä @efe| oom
31. Tlai 1850 bcfc^ränft roar.
2)er aWilitärgeift aber rairb bann unfehlbar nad^ einigen
3Romenten be§ Uebergangeg auf eine aJionard^ie, unb jroar
auf eine befpotifd^e, ^inbrängen. Sr fc^afft ben ©taat nad^
feinem Silbe um.
9^ic^t jebe 2lrmee oerfc^ioinbet fo befd^eiben roie bie
2lrmee GromroeH^, roeld^e aDerbing^ erft roäbrenb ber eng^
lifc^en JReoolution enti'tanben unb bal)er nid^t fäljig roar, an
frühere monarc^ifc^ = militärifc^e (Jinrid^tungen an^ufnüpfen.
Sie ^atte ©romroeH felbft ba^3 5lönigtum nid^t geroäl^rt,
fonbern roar befpotifc^^republifanif^ geroefen unb geblieben;
bie 9ieftauration ber 3)ionard^ie erfolgte, inbem 3)ionf fie
täufc^te, ni^t bur^ fie. Unb nun oerfc^roanb fie 1660 im
^|>riüatleben unb äl;nlid) aud^ bie ameritanifc^e nac^ bem
legten Äriege. ^eibeS freili(i) gefc^al) bei ganj unmilitärifc^en
Stationen.
2Benn ooQenb^ bie i^rifiS in ber 2lrt auf anbere Imitationen
geroirft bat, ba^ fid^ bort i^r (^egenfatj (dvoa gegenüber non
](88 IV. Die 9etd)icbtlid>en Knien.

a^erfuc^en ber Siodja^mung) befeftigt t)at ^), roä[;renb [ie ba^eim


ebenfalls in \i)v ©etjenleil umgefd^lagen ift, fo erlebigt fid)
ta^ Uebrige in reinen, uon S)elpoten gegen 2)e|polen ge[ül}rlen
9iationQlfriegen.

Ser ®efpoti§mug naä) ben ilrtfen i[t junäc^ft


bie ^ö^rftfüung jioecfmä&igen 'i^efel)Ien§ unb railligen ®e«
I)ord;eng, wobei fid^ bie gclöften 33anbe be» Biaateä roieber
neu unb feft fnüpfen. ©r beru{)t nid^t foraoljl auf ber bireft
jugeftanbenen ©infii^t, ba& man felber nid^t regierungefäljig
roäre, also oielmetjr auf bem ©d^auber cor ber bur^gekbten
^crrfdjaft be§ erften 'i^eften, bes 3tücf|ic§t5lo)e[ten unb ©c^red»
lid^ften. S)ie 3Ibbifation, meiere man lüünfc^t, i[t nid)t
foroot)t bie eigene aU bie einer dloüe von ©eroalttätern.
2lud^ Slriftüfratien abbijieren mit 2ßitlen äeitiocife. So
bie römi[d^e Siepublit, roenn fie einen ©iflator ernannte;
benn „creato dictatore magnus plebem metus incessit" ^).
2)ie oenejianifdje Slriftofratie längte permanent über fid^ unb
i^rem 3]olfe mit bem dlat ber ^i\)\\ ein iDamofte^fc^roert auf,
aU traute ik ]i(i) felber nic^t.
@anj befonber» leidet aber obbijieren bi^roeilen ®emo=
fratien. Qn ^eHaö mad)en ik ben, roetdier i^rc 2lriftofratie
gebrochen ober oerjagt Ijat, jum Tyrannen unb fegen bann
üoraul, ba^ ein fold^er bauernb it)ren bauernben 3BilIen ooU*
giel)e. SBenn bie§ bann bod; nid^t fo ganj ber gaU ift, fo
fagt etroa ber ^Demagog ^tjbreaä gum Sprannen @ut|t;bemol
in9)Ir)lafa: „@ut(jr)bemo§, bu bift ein nottüenbiges Uebel für
ben ©toat; benn mir fönnen weber mit bir, nod^ o§ne bic^

leben')."
S)er ®efpot fann unenblic^ oiel ©uteS fttften, nur nid^t

V Sie fran5Öfifcf)e Sieoolution ruft 3. S. nad^ Sofcp^ö 11. Sobe in


Dcfterreicf) ein gefd^ärfteS '^oliäeiregiment ^erüor.
-) 6ioiu§ II, 18.
3) ©trabo XIV, 2, 24. Sie 2tnefbote fäüt freiließ fpctt, in bie
Qeit be§ jroeiten Jriumoiratg.
IV. Die gdcbicbtlithen Krilen. ^89

eine c3efe^mä§i9C %xe\[}t\t {)erfteaen; an6) ßromioeU regierte


©niilanb biftriftroeiie burc^ ©enerole. ©äbe ber 2)efpot eine
freie a^lerfafluna, fo tuürbe er ind)t nur balb felbft bcifeite
gefc^oben, fonbern burc^ einen anbern unb i^eringern Xeipoten
erfe^t, aber nic^t burc^ bic ^reit)eit; benn biefe roiü man
cinftroeiien nid)t, mcit man jie in ju fc^limmen ^änben ge»
leiten Ijat. llion möge fic^ erinnern, loie ba§ je^ige ^ranf»
rei^ i\6) üor feinem eigenen Schalten fürd^tet.
©a^ näc^fte '"^Ujänomen unter bem 2^efpotigmu5 fann
bann ein gro§e§ materieQe^ ©ebei^en fein, roomit fid^ bie
erinnerung an bie ilrifi^ oerroifc^t. ^Jtur i)at ber ^efpo=
tiSmu^ roieber feine eigenen inneren ^onfeguenjen ; er ift an
fid^ garantielos, perfönlic^ unb aU ©rbe einer großen gefun=
benen a)tac^t ju ©eiualiftreic^en nac^ auf^en aufgelegt, märe
e§ aud) fc^on nur, meit er biefe ai§> eine aJietaftafe ber bi^=
berigen inneren Unruhe er!ennt.

e^ folgen nun au^ ^Reftourationcn. S)iefe finb


non ben früt)er (S. 109 f.) befprod^enen roobl ju unterfd^eiben ;
benn bort Eianbelte e» fid^ um bie ^erfteüung eineg 33olf§*
ober Staatltum^, ^kx bagegen um bie ^erfteüung einer be--
fiegten %^axki innerf)ulb belfelben a3olfes, alio um bicjenigen
partieUen poUtifc^en 9ieftaurationen, meiere nad^ 5lrifen burd^
5urücfgefeE)rte Emigranten erfolgen.
3ie finb oießeic^t an unb für fid^ eine ^erfteüung ber
@ered)tigfeit, ja eine ^erfteüung ber unterbrochenen Totalität
ber Diation, praftifc^ aber genau um fo oiel gefäljrlid^er, je
umfaffenber bie HrifiS geroefen ift.
©0 fe^en luir fc^on bei ben ©riechen jaljtreid^e aufge-
triebene Sürgerfc^aften i^re ©tobte roieber begießen. 2)a fie
aber meift mit ben neuen ^T^efi^ern teilen muffen, gefd)iebt eS
nic^t immer ju ber ©täbte unb il)rem eigenen ©lüde.
2Bät)renb man eben einige 2;rümmer unb ^rinjipien be§
a3ergangenen roieber aufsufteüen bemüljt ift, bat man e§ },ü
tun mit ber neuen ©eneration, roelc^e feit ber ilrifiS
](90 IV. Die gcfcbiAtUAen Krilen.

Qufijeiüad^fcn ift uub fd)On boS Privilegium juventutis für


ficf) t)at. Unb bie|'e gonje neue ©inftenj beruht auf ber 3^^'
ftöriuu^ beS 'l^orI)ergegangenen, ift grofeenleils fc^on nid^t mei;r
felber fd^ulb baron unb betrod^tet bol^er bie 9teftitution, bie
man uon il^r »erlangt, aU 33erle^ung eineä eriüorbenen
^Ited^te^. Unb baneben lebt in tocfenber 5ßerflärung ba§
^eroufetfein tociter, roie Ieid;t einft ber Umfturj geroefen, roo*
gegen bie (Erinnerung an bie Seiben oerbla^t.
2Bün)'d)bar wäre, bafe Emigranten nie ober raenigftenä
nicE)t mit (Srfa^anfprüd^en äurücffel;rten, baä (Erlittene al^ ifir
S^eil (Srben[d;icffal auf fi($ nttl;men unb ein ©efe^ ber 33er*
jäl^rung anerfennlen, ba!3 nid^t bto^ nac^ ^Q^^en, fonbern
nad^ ber @rö§e be» 9?iffe§ feine ©ntfd^eibe gäbe^).
®enn bie neue ©eneration, von ber man üerlangt, ba^
fie il)rerfeitö in fic^ ge^en foflte, tut e§ ehtn nid^t, fonbern
finnt auf neuen Umfturj, ai^ auf Sefeitigung einer erlittenen
©c^mad^. Unb fo erljebt fid; ber ©eift ber Steuerung bod^
raiebcr, unb je öfter unb unerbittlidier eine ^nftitution über
il)n gefiegt l)at, befto unoermeiblii^er roirb iljr enblid^er ©turj
burd^ bie fefunbären unb tertiären 9ieubilbungen ber ^rifi§.
Les institutions perissent par leurs victoires (Stenan).

SiSioeilen fommt bann etroa ein ^l)ilofopl) mit einer


Utopie barüber, toie unb wa^maBen ein 23olf oon Slnfang
an organifiert fein müßte ober liätte fein muffen, um feinen
bemofratifc^en ©c^minbel, feinen peloponnefifd^en .^rieg, feine
neue ©inmifd^ung oon ^erfien burdimad^en p muffen, ©ine
foldie Sel)re oom 5ßermeiben ber ^rifen fann mon in ^latoo
©taat finben. 2lber freilid^ um ben ^rei^ roeld^er Unfreiheit
foll bte§ möglid) werben! Unb erft nod^ wäre fraglich, roie
balb auc^ fogar in Utopien eine Steootution au^bräd^e. ^n
^latol ®taat märe bie^ gar nid)t fo fc^roer; fobalb feine

') Ueber emigrierte 3JJänner ber fonftituttoneßen grei^eit unb bie


SBünfd^barJeit ifirer Slücffel^r f. üuinet, la revolutioc, Sb. II, ©. 545.
IV. Die gelAJAtliAcn Krilcn. \9\

^{)i(o)op^en unter fid^ §änbel befämen, würben fic^ bie übrigen


foniprimierlen Stäube Don felber regen.
'Jtnbere 3)kle ift aber ber Utopift fd^on frü^ier bageroefen
unb i)at bog g-euer anjünben I)elfen, roie ^Jiouffeou mit feinem
contrat social.

3umSobc ber Ärifen Iäi3t fid; nun oor allem fachen:


^ie Seibenfcboft ift bie 3)cutter großer ®inge, b. ^. bic voixV
lid^e Seibcnfd^aft, bie etroa^ DfeueS unb nid^t nur ba§ Um=
ftürjcn be§ 2llten roifl. Ungeal^nte Gräfte toerben in ben ©iu'
jelnen unb in ben äliaffen waä), unb aud^ ber ^immel ^at
einen anbern 2;on. 2Bag elroag ift, fann fid^ geltenb mad^cn,
roeil bie ©d;ranfen ju '43oben gerannt finb ober eben toerben.
Sie 5!rifen unb felbft iljre ganQ^i^inc" finb (freilid^ je
nac^ bem Seben^atter, in n)eld)em ba^ betreffenbe SSolf fte^t !)
als ed^te 3^^^" ^^^ SebenS ju betra(^ten, bie 9.x\)i§> felbft
al5 eine Slu^^ilfe ber Statur, gleid^ einem ?^ieber, bie ^^ano'
tigmen ale ^ei^tn, ba§ man nod^ Tinge fennt, bie man
l^ö^er al§ ^ahz unb ^eben fd^ä^t. 9iur mu^ man ehen
nid^t bloB fanatifc^ gegen Slnbere unb für fid^ ein §itternber
©goift fein.
Ueberljaupt gefc^el^en äße geiftigen (Sntroicflungen fprung*
unb ftoferoeife, roie im ^nbioibuum, fo l^ier in iri^enb einer
©efamtbeit. Tie ^rifiS ift alg ein neuer ßnttoicflunfletnoten
ju betrachten.
2)ie ^rifen räumen auf: junäd^ft mit einer 9)ienge oon
Lebensformen, aue roeid)en baS fieben längft entmic^en mar,
unb meiere fonft mit iljrem Ijiftorifd^en 9iec^t nid^t auS ber
2Belt roären megsubrincien gcioefen. Sobann aber aud^ mit
maleren ^feuboorganigmen, meldte überl;aupt nie ein 9terf)t
beS 2)afein§ geljabt unb fid^ bennoc^ im Saufe ber 2)^\t auf
ba§ ftärffte bei bem ganjcn übrigen Seben affcfuriert, ja
bauptfäc^tid^ bie 33orliebe für aUeS 9}Jittelmä6ige unb ben
^afe gegen ba» Ungetoöljnlid)e oerfdjulbet batten. T^ie ^rifen
befettigen aud) bie gonj unoerliältnic'mäfeig angeioad)fenc Sdjeu
H92 IV. Die 9eld)id)tlicben Krifen.

cor „©törung" unb bringen frifd^e unb mäd^tige ^nbiöibucn


empor.

®in befonbere^ 3?erl;ältm§ Iioben bieilrifcn ju Literatur


unb 5lunft, roofern fic m6){ gerabeju ^erflörenb roirten
ober mit teilroeifer bleibenber Unterbrüdfung geifticier ©inje^
fräfte oerbunben finb, mie 5. 33. ber ^Uam 33ilb^auerei,
ajlalerei unb (SpoS unmögüd) machte.
^ie blo^e ©töruni^ nämlid) fd^obet ber ^unft unb
ßiterolur bann rocnig ober nid^tS; mitten in ber allgemeinen
Unfid^erbeit treten gro^e, bi^^er latente geiftige Gräfte auf
ben ©d^aupla^ unb mad^en bi^raeiten bie bloßen 3lu§beuter
ber i^rifi§ gan^ oerbtüfft; bie bloßen ©dtimä^er aber finb in
fd^redftic^en ^äkn o{)nel;in machtlos ^).
(S^ §eigt fid;, ba§ fräftige XmUt, ^ic^ter unb 5lünftler
be§{)alb, roeit fte fräftige a)ienf^en finb, eine SltmofpEjäre oon
©efaljren lieben unö fid) in ber frifc^eren Suftftrömung roof)[
befinben. ©rofee unb tragifc^e ©riebniffe reifen ben ©eift
unb geben tf)m einen anbern 9}JaBftab ber S)inge, eine unab»
flängigere ^a^-ation be^ ^rbifc^en. Sluguftinu^ de civitate dei
märe of)ne hm @infturj bei n)efirömif(^en 9ieid)e§ fein fo
bebeutenbeS unb unabhängige! 23ud^ gemorben, unb SDante
bid^tete bie divina coraraedia int @jil ").
Slünftter unb ©id^ter braud^en nid^t gerabe ben 3 " E) 0 1 1
ber betreffenben 5?rifen ju fd^ilbern ober gar §u oerljerrlidien,
roie S)aüib unb 2)conti taten; — roenn nur roieber ein neuer
©el^att in ba§ Men ber 'DJenfdien gefommen ift, menn
man nur roieber roeife, ma§> man liebt unb i)a^t, mag 5?leinig<
feiten unb roa§> SebenSbebingungen finb.
„Quant ä la pensee philosophique eile n'est Jamals
plus libre qu'aux grands jours de l'histoire," fagt 9ienan.
*) 3ufa|- 3ir a^er leiber bie 9Iarren nic^t.
^) 2luc^ "bii großen perfifd^en Sid^ter ber 3)Jongolenaext, wenn fte
fcfion bann bie legten raaren, get)ören ^ie|er; (saabi fagt: „'Cic SBeft
nav ftaug raie 3iegerl)aar."
IV. Die gelcbiditlidien Krifen. ^93

5Dic ^^^iloi'op^ie gebiel) in 3Iti)en trofe be^ ©eroagten unb


©efpannten be^ at^eiüfc^en !diben^, baä fid^ im ©runbe in
einer beftänbu^en MrifiS mit beftänbigem ^erroriemu? beroegte,
Iro^ ben 5tnegen, ben ©taQt§= unb Sliebieprojeilen, ber ©i;fO'
pljantie, ben gefüt^rüd^en i)ieifen, toobei man aU ©flaoe oer»
lauft roerben fonnte ufro.
dagegen umfpinnt in ganj ruhigen 3eiten ba0 ^rioat=
leben mit feinen ^^ntereffen unb ^equemlic^feiten ben jum
©d^affen ongelegten @eift unb raubt i^m bie ©röfee ; oollenb^
aber brängen fid^ bie bloßen ^Talente an bie erfte ©teile,
baran fenntlic^, ba§ ifmen Äunft unb Literatur al^ ©pe!u*
lationeäiueige, aU WdM, luffe^en 5U mad^en, gelten unb
bafe i^nen bie 2tu«beutung i^rer ©ef^icflid^feit feine a3efd^toerbe
mac^t, loeit i^nen fein Ueberqueüen be§ ©eniu^ im 2Bege ift.
Unb oft nid^t einmal boi? Talent.
3)ie gro^e Originalität, Ijier übertönt, übermault, mufe
auf Sturmjeit warten, 100 alle ^l^erlegerfonlrafte famt ben
^aragrapl)en gegen ben DJad^brud Don felber aufhören; in
biefer ©turmjeit finb auc^ rool)l anbete Seute ba^ ^ublifum,
unb bie Protektionen, roel(^e bi^^er Seute sui generis prote^
giert unb „befcl)äftigt" ^aben, finb oon felber am Snbe.

gür ben befonberen (Sl)arafter ber ^rifcn unferer


3eit weifen mir befonbers auf unfere früljere ©rörterung
(©. 133 ff.j jurücf, mo mir nac^juroeifen fud^ten, mie bie
Kultur ^eute bem «Staate bog Programm fd^reibt.
(Sie finb üonoiegenb bebingt burd^ bie tägliche, nid^t
ejseptioneile, balier je nad^ Umftänben aufregenbe ober ab»
ftumpfenbe iöirfung oon "ilireffe unb 5üerte^r ; fie l)aben einen
5U jeber Stunbe öfumenifd^en ß^arafter.
2^a§er bie oiele contrefat^on, bie gemad^te ©ct^einfriftS,
bie falf^en, aur Eünftlid^er 3lgitation, Seftüre, unberechtigter
SRaiia^mung an ungehöriger ©teüe, fünftlic^cr Impfung be*
ru^enben ilrifen, meldte bann in i^rem Krepieren ganj elma»
Slnbereä an ben T^ag bringen, al^ fie bejroecft unb geabnt
\94^ IV. Die gcIAicbtlicben Krilcn.

I^Qtten, etraa§, ha§> längft borunter la(\, unb ba^ man länc^ft
^ätle [eljen fönnen, ba^ aber erft burd^ eine $8erfc^iebung ber
3)iad^t an ben Taii fam.
(Sin fpred^enbeS 33eifpiel t)iefür bietet ^^ranfreid^ im
3a^rc 1848, ba bie plö^lid^ aufgebrungene 9tepubtif einem
^5efi^= unb ßriöerbfSfinne roeid)en mu^, üon beffen ^ntenfioität
man no6) nic^t ben roatjren Sei^riff c^el^abt §atte.
UebrigenS wirb je^t Sliand^e^ aud^ jerfd^roa^t, beoor e§
ein Clement einer ^rifi^ rocrben fann.
9?eu ift bie ©c^roäd^e ber ben ilrifen gegenüberfte^enben
Sf^ed^tSüberjeugungen. ^rü^ere ^rifen l;atten [id^ gegenüber
ein göttliches 3ted^t, roeld^eä im '^aüe feinet ©iege§ su ben
äuBerften ©Irafmittetn bered^tigt roar. ^e^t bagegen fierrfd^t
baS allgemeine ©timmred^t, roeld^eS oon ben ai>a^Ien au5 auf
3lIIe§ auSbe^nbar ift, bie abfolute bürgerlid^e ©leidi^eit ufto.
3]ion £)ier au§ roirb fid^ bereinft gegen ben erraerbggeniuS
unferer 3^^* bie ^aupt!rifi§ ergeben.
^i)v befonbereS ^er^äUnie 5U Oieoolution, 9ieaftion unb
^rieg \)ahtn bie ©ifenba^nen. 3Ber fie roirflic^ ober aud^ nur
il^r 33ioteriat befi^t, !ann ganje 33ölfer regungslos mad^en.
2)rol;enb aber fteE)t bie a^erflec^tung ber gegenwärtigen
^rifiS mit geroaltigen 33ölfer!riegen in 2luöfid^t,

Sie Sedre 00m 33erfall unb Xob ber Aktionen muffen


mir uns oerfagen ju bel^anbeln ^). SllS parallele mögen bie
^fiantafiebilber ber oerfc^iebenen SSöIfer unb 9leligionen bienen,
oon benen mir früher (©. 44 f.) gefproct)en ^aben, befonberS
baS VIII. 33u^ Ottos oon ^reifingen, unb ouc^ auf ©ebaftian
grandS £e|ercf)ronif^) ift §u oerroeifen. 93on ber ©eite ber
DorauSfic^tlid^en ä^eränberungen beS ©rbballS beljanbelt baS
Slbleben ber Stationen 2)ecanboIIe^).
') aSgl. barüber Safaulr, ©. 93. 101. 107. 139—153.
2) gor. 252.
^) Histoire des Sciences et des Savants, ©. 411. (De ravenir
probable de Tespece humaine.)
Zulätje über Qrlprung und Bcithaffenbeit der beutigen Krijis. ^95

5ufä^c über Uripvnng utt6 ^cfd?affenF?ctt bcv


I?cutl0cn Hrifi«.
Ter lange j^riebe feit 1815 f)atte ben täuf^enbcn ©d^ein
erroccft, ole joäre ein ©leic^geroic^t ber i)iäd)te erreid)t
roorben, roetc^e» eroig bauern fönnte. SebenfoÜÄ rechnete
man von Slnfang an ju roenig auf ben beweglichen ©eift
ber 'i^ölfer.
Tie 9ieftauration unb il^r angeblid^e^ ^rinjip, bie
Legitimität, roelc^e fooiel aU eine ^ieattion gegen ben
©eift ber franjöfifc^en ^teoolution roar, fteüten in einer an
fid^ §öd)ft ungleichen SBeife eine 2tnjaE)t von frütjeren fiebenö»
unb i){ec^t^Torinen unb eine 2tngal^( üon Sänbergrenjen l^er,
bei DÖÜiger UnmögUc^feit, bie weiter roirfenben ^Jiefultate ber
franjöfifc^en 9ieöoIution aue ber 2ße(t ju fc^affen, nämlid^
ben tQtfäd^lic^ Ijo^en Örab oon 9te^tggleic^l)eit (©teuer»
gteid^^eit, Stemterfä^igfeit, gleicfie 6;rbteilung), bie Seroeglicf)*
feit be§ ®runbbefi^e§, bie ^serfügbarfeit aUeä S3en^e^ für bie
^nbuftrie, bie Rarität ber ilonfeffionen in mehreren je^t
ftarf gemiid)len ßänbern.
Unb ber Staat felber rooüte oon ben Siefultaten ber
9teoohition ßin^ nic^t entbel;ren: bie grofee 2(ulbet)nung feinet
9)iad)tbei^iffe§, roeldje injroifd^en u. a. au§ ber Xerreur unb
an^ bem überall nad^geatimten napoleonifi^en Gäfarilmus ent=
ftanben roar. 2)er a)k(^tftaat felber poftulierte bie @IeicJ)l)eit,
auc^ roo er feinem 2tbe( noc§ §of= unb 3JiililärftelIen jur
53eute lieB.
Unb biefem gegenüber nun ber @eift ber 5öölfer,
unter beren fieftigfter nationaler 3(ufregung bie Kriege oon
1812 bi§ 1><15 gefüEirt roorben. (Sin ©eift ber ^ritif roar
roac§ geroorben, ber ii(i) tro^ aüem 9tu§ebebürfni^ nid^t me^r
fc^Iafen legen rooUte unb an aüe ©riftenj fortan einen anbem
2)M6ftab legte. SJod^ fd^ien z^ fojiale ?5rngen nid^t ju geben,
unb no^ roirfle auc^ DJorbamerifa nur roenig ein; aber fd^on
^96 IV. Die gdcbicbtliAen Krifen.

bie bislierigcn imb einljeimifd^en ^oftulate erfüttten bie dle^


c^ierungen mit 3ürt"\e.
T^ie fd^Jüäd^fteu unter ben 9ie[taurierlen wären o^ne bie
^nteroention ber ©rofeftaoten balb erlegen: Italien 1820/21,
Spanien 1823; in fold^en :ii^änbern trat bann unoermeibUd^
eine $ßerfolgung aller jum 9iäfonnement oufgetegten 5^(affen ein.
©!5 frat^te fic§ aber, loie lange bie ©ro^ftaoten überhaupt
einig fein, b. f). ba^ ©i;ftem üon 1815 aufredet erl)alten
toürben. Unb |ier raiel fid) nun bie 33ebeutunc3 ber orien=
talifd^en ^-rage: '^a§> aHi^emeine 3]erl^ältni§ ber ä)iäd)te, ba§
roirflid^e ober angeblidie ©teic^geioid^t konnte jeben 3lugenblic!
auf eine für unerträglid^ ^eltenbc SBeife geänbert werben
burd) partielle ober totale S^erfe^uncj beä ad hoc für oerfügbar
geltenben o^manifc^en ^teid^e^.
S)en 2lula§ bot ber Slufftanb ber ©ried^en; bie toir!»
lid^en ©rünbe loaren bie 9Jtad^tgier 9iuBlanb§ unb beffen
alte^ Programm unb ferner ber 2infang ber oon (Sanning
üertretenen S^enbenj (Sngtanbg, mit auSroärtigen ?^ragen unb
mit bem kontinentalen SiberaliSmu^ Sefd^äfte §u machen.
'S)lan überfal; babei in ©nglanb, ba§ man bergleid^en auf bie
Sänge fd^ioer in ben ^änben beliält,
2)ie frü^efte offi^iette S)urc|bre(^ung be0 ©r)ftem§ oon
1815 brad^te ber ru]fifd;=englif^=ttan5öfif($e ^ßertrag oon
1827 jur 33efreiung ©ried^enlanb^, auf meldten Siaoarin,
ber ruffifd^^türfifc^e ^rieg oon 1828 unb ber triebe oon
2lbrianopel 1829 folgten.
älttein bie ©atilfaltion ber öffentlichen 3)ieinung mar
gering, ätHeS wartete — unb jroar befonbers? auf g-ran!reid^.
^ier ftanb jebenfatl^ ein 2lu§brud^ felbft beim forre!teften
33enel^men ber S3ourbon§ in fteter Sluäfic^t; bie 2)emütigung
oon 1815 fottte burd^ iliren unb i^rer Söerfjeuge Sturj ne=
giert werben; eine gufion ad hoc jwifd^en liberalen unb
Sonapartiften war be§l)alb juftanbe gefommen. 2)ie Siegie*
rung, bei manchen guten (Sigenfd^aften, förberte ben ^afe burd^
emigrantifd^e 9ian!unen unb baburd^, ba| fie bal ganje ^nter*
Zulät?e über ürlprung und Bcldiaftcnbcit der beutigen Krilis. ^97

effe ber fot^oüfd^en ^iv^e, b. f). bcn ganjen Xobe§f)Q& srotfc^en


biefer unb ber franjöfifc^en ateuotution auf i^re 9ied)nung
l)erübernal)m.
%[$ bann 1830 bie ^ulircDolution tarn, roar beren
aügemeine l^ebeutuiu^ ai^ europäifcfte ©rfdiiilterung oiel größer,
aii bie fpejieQ poUtifd)e.
Cefterreic^, ^reußen unb 9flu§(anb blieben fd^einbar,
roie fte roaren; übcratt fonft rourbe aU Heilmittel bie Ron--
ftitution onerfannt, infofern mit berfelben (grnft gemad)t
loerbe. 3m äßeften beftanb bie Ouabrupelnaianj, welche unter
ber 3Iegibe Don (5nglanb unb ^ranfreic^ auc^ ben ©paniern
unb ^ortUL^iefen bie ÜJo^ttaten be§ ^erfaffungslebem^ fiebern
foate; in 2)eutfc^lanb bilbete fic^ in ben einjelftaaten ba§
bomalige fonftitutioneüe Seben quo, ober überroad^t burd) bie
beiben ©rofeftaate» ; i" Italien, roo e§ ju oöfligen, aber bIo&
totalen Üteoolutionen unb Iserfudien üon 9tepublifen gefommen
mar, erfolgte eine ooUftänbige Diepreffion unb al^ beren
©egenfcblag bie $l'erfc|iDörung ber giovine Italia, bei beren
33eteiligten bie (ginl)eitäibee f^on über ben blo&en pberali§mu§
^inau'oging.
9feibifc§ berounbernb blicften bie jerfplitterten ^eutfd^eu
unb Italiener, meldte bag fonftitutioneüe äßefen oerfümmert
ober gar nic^t befa^en, ju ^ranfreid^ unb (Snglanb al^ ben
©rofeftaalen auf, roeli^e jugleid^ große 9lationalftaaten unb
babei tonftitutionefl roaren. 3ugleic^ beftimmte bie Unter»
brücfung ber polnifd;en Oieöolution bie feit^erige ^l)i)fiognomie
ber ruffifd)en ^olitif. 9Jur eine bleibenbc territoriale SSer»
änberung gefrfia^ in biefer 3eit : bie Trennung 23elgieng
oom ilönigreid^ ber 9tieberlanbe.
Slber bie 5lonftitutionen fonnten, fo toenig aU fonft
etroaS ^rbifd^e^, bie geroedte @ier füllen. 3u"ii^ft mar bie
fronjöfifdie in fic^ fet)r ungenügenb; ber äßal;ljenfug
mar fo engbrüftig, ba^ bie iiammer fpäter ber in i^ren
3ielen oerrannten Siegierung nic^t mc^r ju ^ilfe fommcn
!onntc, roeil fie felbft nur ber Sluebrud einer fleinen 9}iinorität
H98 IV. Die 9cl(hi*tlid)cn Kriten.

toar. ®a3U lourbe ba§ ^rogromm ber Siegierutu^: la paix


ä tout prix, fünftlid^ mit ^a& betaben ; Souiä ^l^itipp t)ättc
biefe'5 fein f^riebeiu^programm einer auf üiel weiterer 23afiS,
ja auf bcm sutiVage universel beru^enben klammer jur 2lu§»
fü^rung überlaffen !önnen.

3n äBefteuropa faub in ben 1830er i^afiren bie Slul^


bilbung eine§ allgemeinen poUtifd^en 3iabifaHgmu§,
b. 1^. berjenigen 3!)enfroeife ftatt, roeldje aQe Uebel bem cor»
l^anbenen politischen 3^ftQ"^ ""^ beffen 2]ertretern jufd^rieb
unb burc^ Umreiten unb Sleubau uom 53oben auf naä) ab-
ftraften ^bealen ba§ §eil fc^offen looEte, jefet fcbon unter
ftärferer 33erufung auf Slorbamerifa.
Unb feit ben 1840er ^a^r^n fönt, §um ^eit ^eroor»
ge^enb au^ ben 3uftänben ber großen englifd^en unb fran*
jöfifd^en ^abrifftäbte, bie ©ntimdiung ber fosioliftifd^en
unb !ommuniftifd)en Xijeoxien bil 5U uoUftänbigen
gefeflfc^oflüdien ©ebäuben, ein unoermeiblid^eä 5lorrefponbeng
unb ein 9tü(ff(j^log be§ enifefielten 3>erfe{)r§. S)ie tatfäc^lic^
üor^anbenc ?^rei§eit war ju ungeftörter ^Verbreitung fol(^er
Sbeen reic^üc^ groB genug, fo ba§ laut ^enan feit 1840
bo§ (Bemeinertoerben beutÜc^ ju fpüren war. 2)abei {)errfd^te
bie größte Unflarl^eit barüber, roeld^ei unb roie ftarf bie ent=
gcgcnftet)enben Gräfte unb Siedete fein mürben. 9Bie man
am 9ted^te ber $8erteibigung irre geworben, bemiei^ bann ber
Februar 1848.
©eine Spiegelung fanb biefer 3"^^"^ ^'^ ^^^ bomaligen
Siteratur unb '»poefie. ^;?ier mad^ten [ic^ ^o§n, lautet 5lnurren
unb SBeltfi^merj in ber neuen, nad^'bgronifd^en Sluffaffung
geltenb.

'i^amhen ooUjog fi($ bie gefährliche innere Slul^ö^lung


in ber fonferoatioen ^i>orma(^t 0 eft er r ei ^, ba§ 2luftreten beS
«]Sonftaoi§mu5 junäc^ft in ber ruffifc^en offiziellen ^ubli*
Sifti! unb enblid^ bie italienif^e Bewegung feit 1846.
Zulätje über QTlprung und Beltbaftenbeit der beutigen Kriris. ^99

pr biefe leitete na^m ©nglanb 1847 ^Nartei, toa^ foüiel


al3 bcn entfd^luö bebeutete, jene« Öefterreid) ftürjen ju Reifen,
n)c({^e5 boc^ allein noc^ einen kontinentalen Subfibienfrieg
für (Snglanb ^ätte führen fönnen. ^ie mit Cianning be»
gonnene, auf englifdie aöaijlmajoritäten berechnete liberale
au'^iüärtige "^^olitit würbe bamaU mit ^:palmerfton fortgelegt.
ü}äl)renb iiä) ber europäif^e ^orijont mit reDolutionärem
Öeift unb mit ber ^i^oraiiSfid^t eine* fojialen 5lrüc^e§ üoü-
fiönbig erfüQte, eri)ob fic^ in ber ed^roeij ber ©onber=
bunb^!rieg, pon ganj folofjal unoer^ältni^mäBigen Si)m'
pat^ien unb Slntipat^ien bei]teitet, nur roeil er ein (^iponent
ber allgemeinen Sage mar.

Unb nun fam bie gebruarreoolution »on 1848.


^iefe brachte mitten im allgemeinen Umfturj eine plö^tic^e
Klärung beS iQorijonts. SBeit if)r raic^tigfteg, wenn auc^ nur
augenblicflid^es, 9iefultat roar bie ^^rotlamation ber ©in § ei t
in 3) e u t f d) l a n b unb in S t a l i e n , roäl^renb ber Sojiali^mu^
fid^ longe niitt fo mächtig erroie», al§ man geglaubt ^atte;
benn fc^on bie ^arifer ^unitage gaben bie ©eroalt faft fofort
roieber in bie ^änbe ber bi§l)erigen^IIJonarc§ifc^=5^onftitutionetten,
unb rafd) entroicfelte fid^ ber ikfigfinn unb (Srroerbfinn intens
fioer alö je.
2Iuf ben 2Benbepunft Ijin, ber mit ber erften Sc^lad^t
bei Gufto'ija gegeben roar, folgte junäc^ft freiließ eine aüge«
meine üieaftion, im ganjen mit ^erfteHung ber {formen unb
(iJrensen, roie fie Dorl)er geroefen rcaren. Sie fiegte im Df»
tober unb 9ioöeiuber 1848 ju SBien unb Berlin unb 1849
mit ^ilfe ber ^iuffen in Ungarn.
Unb al^ granfreii^ in neuen ©orgen roar, meil fid^ ber
SojialiSmu» oon feiner 9Jieberlage erl;olt ju Ijaben fd)ien
unb bie aJJairoaljlen oon 1852 fieser 5U i)ahtn glaubte, rourbe
biefe itrifi^ burd^ ben Staat^ftreic^ be^ 2. ^ejember 1851
fupiert. %üx biejenige einjig richtige l'öfung, roeld^e fc^on
184« in allgemeiner SUfjeptatiou unb Unterftü^ung ber einmal
200 IV. Die gclcbiAtlichcn Krilen.

öorJ^onbenen 9tepubüf beftanben t)aben roütbe, lüaren bic


T>ini\e 1851 fd^on oiel ju ücrborben.

3lIIeiii bei ber f)öd^[t unooUftänbigen 2)urd^fü^rung ber


9fico!tion in ben meiftcn BtaaUn bitbete \iä) nun ein B^ftanb
Doller 2BiberfprüdK-
9f?eben bem äßeiterbauern oon 3)i;naftien, Söureaufratien
unb 3)iilitari0men ntu&te man bie innere ^rifi^ ber ©eifter
fafl oöttig [id^ fetber übcrlaffen. Deffentlic^feit, ^rejfe, ber
enorm fteigenbe 33crfef)r waren überall ber ftärfere Xdl unb
fd^on mit bem ®rracrb fo oerflod^ten, ba§ man [ie nidit me^r
^cmmen fonntc, ol^ne il)n mit ju fd^äbigen. Ueberatt ftreble
bie Snbuftrie, an ber 3Beltinbuftrie teiljune^men.
ßuflleid^ I)atten bic S^legierenben bei ben ©reigniffen »on
1848 liefere SlicEe in ba§ 33oIf getan. 8oui§ 9kpoIeon
wagte für bie 3Sal^len ba§ allgemeine ©timmred^t unb
Slnbere af)mten if)m nad^; man ^atte in ben großen Sauern»
maffen ba§ !onferr)aliöe ©lement erfannt — freiließ oI)ne
beffen möglid^e SluSbei^nbarfcit oon ben 2Ba|len auf 2ltte§
unb 3ebe§ (©inrid^tungen, ©teuern uftD.) genauer ju er»
mögen.
aJiit ber Steigerung aller @ef(^äfte in^ ©rofee mirb nun
bie 2tnfd^auung bei ©rroerbenben folgenbe: ©inerfeitl foHte
ber ©taat nur noc^ ^ütte unb ©erant feiner ^ntcreffen unb
feiner 2Irt ^nteüigens fein, raeldie all felbftuerftänblid^er nun»
mel^riger ^auptjroed ber Sßett gelten ; \a er roünfd^t, bafe fic^
biefe feine 2lrt öon ^nteUigenj oermöge ber fonftitutioneflen
Einrichtungen bei ©taatlruberä bemächtige; anberfeitl ^egt
er ein tiefet SJZi^trauen gegen bie fragil ber fouftitutionellen
greil^eit, infofern felbige bod^ el)er oon negatioen Gräften
möd^te ausgebeutet werben.
^enn baneben wirft aU allgemeiner SluSbrud teils ber
l^been ber franjöfifd^cn S^eoolution, teils ber Sieformpoftulate
neuerer 3^^^ bie fogenannte SDemofratie, b. ^. eine aus
taufenb oerfd^iebenen Duellen gufammengeftrömte, nac^ ©d^id^ten
Zulätjc über Qrlprung und BclAaflenbcit der beutigen Kriris. 20\

i^rer 23efenner ^öc^ft ocrfd^iebene SBeltanfc^auuiu^, roel^e aber


in (S-inem fonfequent ift: infofern it)r nämlic^ bie äliac^t beS
©taute« über ben (Sinsetnen nie groß genuc^ fein fann, [o ba^
fie bie «renjen ^^mid^en ©taat unb ©efeüf^aft oerraifc^l, bem
(Staat 3(Ue§ ba§ sumutcl, roa« bie ©eieüfc^aft ooraiisiid^tUc^
nic^t tun toirb, aber Mei beftänbig bi^futabel unb beroegli^
er{)alten roia unb jule^t einjelnen i^aften ein fpejieaeio dk6)t
auf 2lrbeit unb ©ubfiftenj oinbi^iert M-

Snjiüifc^en roar bie allgemeine ©cfal^r ber politifd^en


Sage oon (Suropa in 3una^me; ba« ^a^v 1848 ^aitt alle
^ofitionen roefentlid) oeränbert unb teilraeife tief erfcf)üttert.
2)ie größten rKegierungen mußten roünfc^en, fid^ nad)
au§en ju regen.
^n folc^en ßeiten melbet fid^ unoermeibU^ bie orientalifc^e
grage roieber; fie fommt, roenn unb loeil @uropa gärt.
©obann roar ber tiefe Unroiße ber beutfd)en unb ber
(nunme{)r burc^ (iaoour oertretenen) italienifc^en Station
fo roeit gebief)en, bafe @rof3mäc^te i§n notroenbig mit in i^re
33erec^nungen gießen mußten.
3:ie fämtU^en 9iegierungen Ratten f)öä)it einig fein
muffen, um bie biö{)erigen (Srenjen unb baä fogenannte ©teic^»
gewicht ju behaupten.
2)er Ärimfrieg gab le^teren Sroecf oor; bie ^aupt»
fad^e roar bie 33efefti9ung Soui« DkpoIeonS auf feinem neuen
2;^ron, bei einem 2tnla&, ben man liberal, flerifal unb miti«
tärifc^ geltenb machen fonnte.
Cefterreid)« größter j^etjler ober, fall« e§ nic^t anberö
fonnte, fein größte« Unglücf roar, bafe eg roegen bauernber
innerer ©rfc^ütterung nid^t um jebcn ^rei§ bei irgenb einer
ber beiben ^^arteien mithielt; gerabe biefe erfd^ütterung §ätte
eä Dielleid^t burd^ ^eilnal)me für bie 3Be)tmäd)te ober für
Siufelanb befeitigen fönnen.

') Tvenil. oben S. 134 ff., 193 f.


202 IV. DU gcfcbiAtUAcn Krifen.

©nglanb offenbarte feine ©d^tuäd^e, bie e§ in aüen


^riet^en jeigt, lüo el auf 3J{affen an!ommt, unb mufetc ben
ilrieg nod) e^tra in Öänbigung be§ inbifd^en aiufftanbe» be«
jaulen. ®ie ältere %ovm roäre bur(^au§ geroefen, ba§ ju«
glcid^ mit bem englifd^en ©eefiieg Oefterreid^ einen englifd^en
©ubfibienlanbfriei^ gefül^rt Ijätte.
©tatt OcfterrcidjS trat burc^ bie entfd^eibenbe 2:ot ©aoour3
©arbinien ein, unb fo heftete fic^ fataliter eine ©rlebigung
ber itoUenif^en ?5^rac\e an ben ^arifer ä^ertracj oon 185(5.
<Qier loar ber 2lnfang ber ganj grunbfalfd)en ^ofition
Souifo -JicpoleonS. SJiit ©ngtanb ^ufammen bebro^te er ^^erbi*
nanb oon S^leapel; fobann betonte er ba§ im Ser^ältni§ ju
feiner ^ofilion in j^^ranfreid^ ftet^ gefäl;rlic^e 9iationaHtätg»
prinjip, tro^bem er angefid^t^ be§ 9iationaUtät^i]ären§ roiffen
mu^te, ba§ ein ftarfe» Italien unb S)eutfd^lanb barau^ ^er*
oorgefien muffe, \a er bot ^reu^en me^rmall grofee ©tüde
oon S)eutf erlaub an; furj er bena(;m fid^ toie ein ©eletirter,
§. 33. ein ^^itofopt; ober ^Jiaturforf(^er, welcher oorfianbene
5?räfte banad) fonftatiert, ob fie it;m lieb ober leib feien.
2lud^ feine alte 33erpflic^tung gegen bie italienifci)en ©el)eim-
bünbe, woran il)n ba§ 2lttentat Orfinig erinnerte, fam für i§n
in Setrad^t, roä^renb er ben franjöfifc^en ^lerüalen unb allem
^onferoatiSmul überhaupt ©id)erl;eiten geben foüte. Unb
baju !am feine fd)einbare Dberl)ol)cit über Stilen, roaä über*
l^aupt paffieren burfte.
®er italienifc^e ^rieg öon 1859 rourbe für il)n auf
alle 2Beife gefä^rli^. (gr erfd^ütterte feinen wahren Alliierten
Defterreic^ no^ meljr, b. ^. er ftärfte ^rcu^en, unb Defterreii^
trat lieber bie Sombarbei ah, als ba§ eä bamals ^reufeen
für beffen iQilfe bie 2tnfül;rerfd)aft über alle beutfd^en ^unbe:§=
forpS geiüäl^rt Ijätte, unb ben Stötienern enthielt er boc^
SSenebig unb ooüenbl dtom oor unb l^atte nun gar bie ^bee
eines italienifd^en ©taatenbunbeS unter päpftlid^em ^räfibium !
®ie ©reigniffe oon 1860 in Italien aber fonnte er gar nic^t
mel^r ^inbern, loälircnb baS ^ublifum fie il)m großenteils
Zufätie über Qrfprung und Bcldiaftcnbeit der beutigen Kriris. 203

Sufc^rieb, uiib roät;renb ee eigentüd) (int^lanb war, ba^ it)m


jum 2:rofe, QU3 ©rüuben lofaler ^'oputaritöt bie ®ad)e üotl-
führen ^alf unb babei bem ^nterciie refterrei^^ an einem mtU
i)eitUcf)en Italien ben Xobe-sfto^ gab.
2)a§ 2Bciteie, ma^ Soui^ 9iapoIeon unternahm, liatte
ben unbeftimmten CS^arafter einer Se[d)äftigung feiner 9Jation
unb 9lrmee.
2ln ben norbamerifanifd^en ^arteifrieg I;ängte er ben
mei:if anliefen, mä^renb er unb ©nglanb, wenn [ie in
2lmeri!a etroac tun rooEten, nur ©inS foiuiten, nämüd^ bie
2:rennung ber Union beförberu. Sajs ßnglanb i)\^n nic^t
aus oüen Äröften ^alf, roar freilid) unbegreifüd^, unb bie§
I)atte er aüerbing^ nic^t berechnen !önnen.
21(§ Uiurpator roar er unfäl;in, ernftlidj eine ^^artei ber
inneren ^erben'erunc^ ober gar ber fonftitutioneUen (5rei^eit
um iiä) 3U fammeln, roel^e i^n ber Sefori^niife oor 33er»
[d^roörungen, Slufftänben ber arbeitenben i^lafjen uiro. ent=
loben |ätte. Statt beffen rourbe fein ^^unb mit bem 5^(eru§
burd^ bie 8eptembeifonüention öon 1864 täglich bubiofer.
Unb bod^ entfc^ieben ^sriefter unb Sauern roefentlic^ bie
SBa^len be^ suffrage universel.
^n^raifc^en geriet 9t u 6 Unb burc^ bie SBauernemanji--
pation, bie ^referreitieit unb ben polnif^en 2tufftonb oon
1862 in eine o^äiHierenbe Seroei^uncj, beren Iiterarifd)er 2lu^»
brucf je^t ber fd^ärffte ^anflaroi^^mu^ ift; roie roeit berfelbe
in ben i^änben ber 9icc^ierunii ober gar fc^on fie in ben feinigen
ift, läfet fi(^ frächen.
5Da5u fam je^t ba§ md)t me^r 5U oer|ef)(cnbe Sinfen
englanbg burd^ bie 2Bieberüereiniiiuiui ber fiec^reid)en Union.
3n birefter «Proportion bamit mirb :3rlanb fc^roieri^ier unb
bie ©ärunc^en ber arbeitenben Ätaffen i^efäEjrlidjer.
Unb enbli^ reifte bie beutfc^e «vratu minbeften^ fo
weit, baB )id) bie beiben ©rofemäd^te unmittelbar mit ber*
felben einlaffen mußten.
(S5 gefc^al; bie» in ilon!urrcnj mit ber fonilitutioneOen
204: IV. Die gctcbid)tUAcn Krifcn.

%rac[(, jumol in ^^reu^en. 5)ie erroerbenben unb räfonnierenben


Alanen fud^ten fid; tai[ärf;li^ burd^ ©ntfd^eibuuc^ über ^üh^]^t
unb Sienftjeit ber ©taatSiieiualt ju bemächtigen; ber (grfolg
l^at bann beiuiefen, ba^ bie j^rage ber nationalen (Sin=
l^eit bie roeit mäd^tigere roar; biefe '^i^oge frafe fid^ burd^
bie anbere f;inburd^.
9Jarf) bei- 3eit ber ^fefte üon 1862 unb 18()3, roeld^e
aud^ ^onflift^jeit genannt rairb, tarn nun ber burd^ ma^lofe
Unoorfid^tit^feit ber ©änen fieroor gerufene bänifd^e ^rieg,
ben nod^ beibe @ro§mäd)te gemcinfam führten.
Offen lag je^t bie Sd^roäd^e ©ngtaubS am Xage; man
roufete fortan, bo§ e§ um fontinentaler ^^er^ättniffe roiüen
feinen ^riet^ me^r führen !önne, auc^ nid^t roegen 33elgien§.
SouiS 9capoleon aber lie^ bie^mal bie ©eutfd^en oöQig macfien
unb gab a priori ba§ Sonboner ^rotofott auf ').

©nblid^ machte bie preu^ifd^e 9tegierung unb Slrmee bie


grofee beutfd^e ^Heoolution oon 1866. 2)ie0 mar eine
abgefd^nittene ^rifis erften 3tange§. Otine biefelbe
märe in ^reu^en ba§ bi^^erige ©taatSroefen mit feinen ftarfen
SBurjeln mot)( nod^ oorfianben, aber eingeengt unb beängftigt
burd^ bie !onftitutioneEen unb negatioen Gräfte be§ ^nn^^»;
je^t übermog bie nationale ^^rage bie fonftitutionelle bei
meitem.
SDie^rifi§murbena(^Oefterreid^ l^ineingefd;oben, meld^e§
feine te|te italienifd^e ^ofition oerlor unb mit feiner polp*
gtotten 33efd^affenE)eit gegenüber oon allem homogenen, gumal
oon ^reu^en, in eine immer gefä^rlid^ere ©teHung geriet.
Soui§ ^Rapoleon märe nun mit feiner „J^ompenfation"
me^r ju l^elfen geroefen; wenn ^reu^en tf)m ^Belgien Iie§, fo
na§m e§ ooraulfid^tlic^ bnfür ^oHanb. (B§> ift §roeifelf)aft.

^) ^unftlid^ beutet ©gbel biefe S^ac^giebigfeit fo, alä l^ätte SouiS


Stapoleon ^reu^en erft rec^t in gefäl^rlici^e politifcfie 2lbenteuer ^inein=
i^e^en rcoöen.
Zulätje über drlprung und Beldbaffenbeit der beutigen Krifis. 205

ob er mit i^o^en unb riefierten inneru ajfa^regcln fid) i)Qtle


retten foflen; jebenfaUe loareu feine ^onjeffioncn mu^enüi^cnb.
^ie ipani)c^e 9ieöolution Don 18t)8, an welcher er Slnteit
gehabt ^aben foUte, ging i'id)er gegen fein eigenes ^ntereffe.
3m 3a^re 1869 ober brad^ in gronfreic^ offener ^o^n
gegen itin auS.
)}lo6)mai^ mad)te er fic^ legitim burd§ boS ^lebiSjit oom
3JtQi 1870, unb boc^ mar e§ fraglid), toie lange noc^ ber
Bonner oon fe^r ftarfen ^ntereffen, ber iljn biäl^er oben ge«
galten, i§n gegenüber com ©eift ber ftäbtifc^en a)Jaffen oben
galten unb bie (Elemente barbieten luürbe, um barauS eine
bauernb ftarfe ^iegierung ju bilben.
23ei irgenb einer ber in ^^ranfreic^ ftety bebenüid^en
fragen bee ausm artigen (SinfluffeS roar er oorauS=
fid)tlic^ genötigt loszubrechen ').
Sn Seutfd^lanb roar injroifdien bie ©ponnung aufS
l^öc^fte geftiegen; bie ©übftaaten mußten entroeber eng an
^reufeen angefd^Ioffen ober if)m roieber entfrembet roerben;
neben ber nationalen i^-rage trat aUeS Stnbcre inS tiefe
®un!el.
®a fam bie ^o^enjoflernfd^e Xl)ronfanbibatur für ©pa»
nien, unb roaS fic^ boran ^ängte.
5)ie franjöfifc^e ^riegSerflärung entfdöieb ben 3lnfd)luB
©übbeutfc^lanbS an ben 9Jorben unb bamit ben Ärieg über*
^aupt, infofern er je^t mit ^ödiftem 9iad^bru(f als ©ac^e ber
ganjen 92ation geführt rourbe.
5)amit finb bie innern politifd^en ^rifen auf lange ßeit
in ^eutfd)lanb abgef c^nitlen. 5}ie 3Jcac^t nad) innen unb
aufeen fann nun ganj fr)ftematifc^ oon oben l)er organifiert
roerben.
2)ie gro^e firc^li^e ^rifis ift neben aÜ bem anfc^einenö
gänälic^ oerfc^oüen unb niemanb, oielleic^t nic^t einmal 9toni

'j ^reooft-^arabol braucht für biefe ©ituation baä SBilb Don


jroei gegeneinanber laufenben Gifenbaf)njügen.
206 IV. Die gefAiAtliAcn Krifcn.

felbfi, u)eii>, in iüeld;e 33e5iel^ungen ba§ mit neuer Tla6)U


ooflfommcn^eit befleibele ^"opfttum ju ben neuen ©eftaltungen
treten roirb ').
gronfreic^ liegt in 9tuineu; feine ßinrairfuug auf Italien
unb (Spanien al$ ©rofemoc^t ift auf longe 3eit nutt, qI§
oorbilblid^e i)iepublif bagegen ift e§ öieüeiit nid^t o^ne 33e=
beutung.

Wiäxi 1873.
2)Q§ erfte gro§e ^[jänomen nod^ bem Kriege oon 1870/71
ift bie nod^tttolige aufeerorbentUd^e Steigerung be§ erroerbg*
finneS, roeit über bog bIo§e Slu^füflen ber Süden unb 33er*
lüfte ^inoug, bie 3?uparmoc^ung unb ©rroecfung unenbli^
oieler 2Berte, famt bem fid^ barau fieftenben ©d^rainbel
(©rünbertum).
3)05 ©tonnen ber gongen god^roelt erroedt bie 3of)htng§=
fö^igfeit j^rnnfreid^g, bog in feiner 9iiebertoge einen ^rebit
geniest, rate faum je ein Sonb im öoUen ©iege.
eine ^soroUele oon unten herauf bietet bie 3Jienge unb
ba3 ©elingen ber ©tretfg.
S)og gemeinfome öfonomifd^e Stefultot ift eine Sf^eoolution
in otten SBerten unb ^^reifen, eine oHgemeine 'i^erteuerung
beS Sebeng.
®ie teils fc^on eingetretenen, tei[g beoorftel^enben geiftigen
folgen ober finb: S)ie fogenonnten ,,beften ^öpfe" raenben
fid^ auf ha^» ©efd^öft ober werben fd^on von il^ren ©ttern
l^iefür oorbe^olten; bie Sureoufrotie ift nirgenbg nie^r eine
„Karriere", bog 9JJilitär in ^ronfreic^ unb onbern Sönbern
ou^ nid)t metir; in ^reu^en mu& eg mit ben größten 3ln*
ftrengungen im dlam] einer folc^en erfiolten raerben.
Sie geiftige ^robuftion in ^unft unb 2ßiffenfd;oft l^at
alle Tiiii)e, um nid^t ju einem bloßen B^^^^Ö^ grofeftöbtifd^en

') Sic STnfangS 1871.


Zulätje über Orlprung und BelAaffcnhcit der beutigen Krifis. 207

erwerbe fiinabsufinfen, nic^t Don dldiame unb 2luf)e^en ah-


(läiigiii, Don ber aflgemeinen Unruhe mitiieriffen su roerben.
©rofee :}lnftretuiuiui unb 2lefefe lüirb iljr nötig fein, um üor
2lUem unab^ängii^ im Sdjaffen ju bleiben, menn roir iljr
33erf)ältni» jur ^age^preffc, jum fo^mopolitifd^en 5öcrfe|r, ju
ben aSeÜQUlfteÜuncjen bebenfon. ^a^u tommt bQ§ 2Ibj^erben
be^ Sotalen mit feinen $lsortei(en unb 5Jad)tei(en unb eine
ftarfe SIbnaljme felbft bes yiationolen.
SBelc^e klaffen unb Sc^id^ten roerben fortan bie roefent--
lid^en ^rnger ber 'iMlbung fein? SBetd^e roerben fortan bie
A-orfd)er, i^ünftler unb X\6)Ux liefern, bie f^affenben ;3nbi'
oibuen?
Cber foH gar aUeS jum bloßen business roerben rote
in Slmerifa?

2Ba5 bie politifd^en j^olgen betrifft, fo ift burc^ bie


©rünbung ber neuen förofeftaaten 2)eutfrfilonb unb ;^)talien,
roelc^e mit .§ilfe einer längft fe^r Ijod^ aufgeregten öffentUd^en
3}ieinung, jugleid^ aber mit großen Kriegen erfolgt ift, foroie
burd) ben 2tnblicf be§ f^neUen 2Segräumen§ unb 9ieubauen§
an ©teüen, roo man bo§ ^sor^anbene nod) lange unroanbelbar
geglaubt ^älfe, bae politifc^e 9Bagni§ in ben i^ölfern p etma§>
^Alltäglichem geroorben, unb bie entgegenftel)enben Ueberjeugungcn,
roeld)e geneigt roären, irgenb etroa0 S3eftet)enbe§ ju uerteibigen,
immer fc^roä^er. Staatsmänner fuc^en bie „©emofratie"
je^t nid^t meljr ju befämpfen, fonbern irgenbroie mit i^r ju
redinen, bie Uebergänge ju bem für unoermeiblid^ ©eltenben
niöglid)ft gefa^rlo» ju madjen. Wan ocrtcibigt faum me^r
bie Jvorm bea Staate^, nur no^ Umfang unb Äraft be^felben,
unb ^iebei l)ilft bie Semo!ratie einftroeilen mit; aJJad^tfinn
unb bemofratifc^er Sinn finb meift ungefditeben; erft bie
fo3iaUftifd)en 3i;fteme abftral)ieren uon ber 2}ia(^tfvage unb
fieHen i^r frejififc^e^ 2BolIen SlQem ooran.
^ie ^Kepublifen A-ranfreic^ unb Spanien !önnen fd^on
burc^ bie bloße ©eroöljnung unb burd; bie A'urdjt uor bem
208 IV. Die gcIdiiAtUcben Kri(cn.

fd^recflidjen Uebercjong'Snioment ju einer 9)ionQrc^ie gonj rool^l


aU dlepnhiikn weiter leben, unb wenn fie jeitroeife luiebcr
etroaS 'Jlnbere^ tuerben, fo mödjten e§ et)er ßäfari^men aU
bpnoftifdje 3)tonQrd;ien fein.
^Ißlan fragt fid^, roie balb onbere Sänber folgen toerben.
3111cin biefe ()5ärungen foüibieren mit bem (Srroerb^finn,
unb biefer ift am @nbe ber ©tariere. ®ie SJiaffen roollen
9flul)e unb ^ßerbienft; !ann ilinen Stcpublif ober aJionarc^ie
biel geroäliren, fo l)alten fie mit; mo nid)t, fo werben bie
33öller, ol)ne lange ju fragen, bie erfte ©tant^form beförbern,
welche il)nen jene 31^orteile oerl)ei§t. greilid) erfolgt ein fold^er
©ntfc^eib nie rein, fonbern burc^ Seibenfd^aft, ^erfi)nlid; feiten,
Siad^roirfung bislieriger ^ofitionen auf ba§ ©tärlfte getrübt.
®a§ üoEftänbige Programm entl;ält bie neuefte 9iebe
@rant§, meldte einen ©taat unb eine ©prad)e als baS not«
roenbige ^id einer rein crraerbenben SBelt poftuliert.

Unb enblid^ bie Ürc^lid^e ^rage. 3n ganj Sßefteuropa


befteljt ber ^onflüt groifc^en ber au§ ber franjöfifd^en ^ieoo*
lution Ijeruorgegangenen 9Beltanf($ouung unb ber ^irdje,
namentlid) ber fatl;olifd^en; ein J^onflilt, ber im tiefften ©runbe
auf bem Optimismus ber erfteren unb bem ^effimiSmuS ber
le^teren beruljt.
3n neuerer ßeit ift berfelbe burc^ ©güabuS, ^onjil unb
MoIIibitität gefteigert, nac^bem bie Äird^e auS bunfeln Ur*
fachen befc^loffen ^otte, bewußt ben mobernen ^been im
roeiteften Umfonge entgegenzutreten.
Italien benü^te ben aJioment, um dlom 5U nel^men;
fonft laffen Statik"/ ^^ranlreid^, ©panien ufro. bie tl)eo=
retifd^e ©eite auf fid^ berut;en, mä^renb ©eulf^tanb unb bie
©d^meij ben ilat^olijiSmuS irgenbroie bem ©taat oöUig bot»
mäfeig ju mad^en, ilim nid^t nur jeglid^e ©jemtion 00m ge*
meinen dk(i)t ju benelimen, fonbern i§n auf immer unfd^öblic^
§u machen fud^en.
Zulätje über ürlprung und Bcjchaffcnbeit der beutigen Krilis. 209

^cr gonjc ^auptentf^eib tarn nur au5 bem Zinnern


ber 3J^enid)f)eit \)txvoxc\t^en. äöirb ber al^ erioerb^finn unb
SDiad^tfinn ausgeprägte Optimismus roeiter bauern, unb mie
lange? Ober wirb, — roorauf bie pefnmii"tifd)e ^:]3^ilofp^ie
ber heutigen 3eit fönnte ^injuroeifen fdieinen, — eine attge»
meine ^iseränberung ber 2)enfn)eife roie etwa im III. unb
IV. ^a^riiunbert eintreten?

Seltgef(!^ic^tlt(^e 93etr Ortungen . 14


V.
Dos 3nöit)töuum unö ba$ Mgemdite.
(Die I?iftorif(^c (Srö^c.)

Unfere 33etra(3^tung bcr bauernben ®inn)ir!ungen ber


Söellpotengen aufeinonbcr, fortgefe^t burc^ bie ber befd^leu»
nigten ^rojeffe, fd^liefet mit berjemgen ber in einzelnen ^nbi*
üibuen fonsentrierten SBeltberoegung : tcir l^aben e§ nun alfo
mit ben großen aJiännern §u tun.
2)abei finb wir un§ ber {^ragli(^!eit be§ 33egriffe0 @rö^e
ioof)I beiüu^t; notroenbig muffen loir auf aUeä ©t)ftematifc|=
3Biffenfc^aftlid^e oerjic^ten.
Unfern 3Iu§gong nefimen wir üon unferm ^nirpStum,
unferer ^ßtfai^i^ßntjeit unb 3e»^ftreuung. ©röfee ift, toQ§ wir
nid^t finb. Sem ^äfer im ©rafe fonn fd^on eine ^afetnuB=
ftaube (falls er baöon ^Jiotig nimmt) fel)r groB erf^einen,
weil er eben nur ein ^äfer ift.
Unb bennoc^ füllen mir, bafe ber begriff unentbefirüd^
ift, unb bafe wir \l}n m§ ni(j^t bürfen nel;men laffen; nur
wirb er ein relatiöer bleiben; mir fönnen nid;t I)offen, gu
einem abfoluten burd^jubringen.
9Sir finb ^iebei üon aüen möglichen 2;äufd^ungen unb
©d^roierigfeiten umgeben. Unfer Urteil unb unfer ©efü^t
fönnen je nad§ Lebensalter, ßrfenntnisftufen u. f. m. fel^r
Die biltorilcbe 6röfjc. 2\\

flarf fd^ttianfen, beibe unter fid^ uncin^ unb mit bem Urteil
iinb ©efü^l üUer SlnCtern im ^roiefpolt fein, roeil eben unfcr
unb aller ätnbern 2Iu^ganc^^punft bie Äleinljeit eine§ jeben ift.
j^evner enlbecfen mir in uu'ä ein ©efütjt ber unecbteften
3lrt, nämlid; ein S3ebürfniv' ber Untermürficjfeit unb be§
©tQunen^, ein l^erlan9en, un§> an einem für t^ro§ getjollenen
ßinbrud 5U berauf d^en unb barüber ju p^antafieren'). ©anje
"Mikv fönncn auf fold^e 2Beife ii)re (S-rniebrigung rec^tfertii]en,
auf bie ©efaljr, bay anbere ^i^clfer unb Ävulturen iljnen fpäter
nad^roeifen, ha^ fie falfd^e ©ö^en angebetet {)aben.
(Snblid^ finb mir unroiberfte^üc^ ba(;in getrieben, bie»
jenigen in ber l^ergangent)eit unb ©egenroart für grofs §u
Ijatten, burc^ beren S^un unfer fpejieUeiS 5)afein beljerrfc^t ift,
unb o§nc beren ©ajmifc^enfunft mir unä überl;aupt nid^t al§
eriftierenb üorftellen fönnen. xLi'eit un§ befonber^ bas 33ilb
berjenigen blenbet, beren S^afein ju unferm nunmeljrigen
5i5orteil gercid)t i)at, mirb j. :l\ ber gebilbete 3tuffe ')\^eUv
ben ©roßen, roenn er it)n aud^ oerabfd^euen mag, boc^ (tro^
harter 2lnfe($tung feinet 'Jiuf)me§ bei Steuern) für einen
großen 3)^ann f;alten; benn o^ne beffen ©inroirfung fann er
fic^ felbft bod^ nid^t benfen. Slber auä) im ©egenleil galten
mir biejenigen für grofe, bie un$ großen od^aben jugefügt
Ijaben. Äur§, mir ri^Eieren, 3)iad^t für ©röfee unb unfere
eigene ^^erfon für öiel ju roid)tig ju nel^men.
Unb baju fommt nun gar bie fo Ijäufig nad)meic-bar
unmal^re, ja unreblii^e fd^riftlid^e Ueberlieferung burd^ ge«
blenbete ober bireft beftnd^ene ©fribeuten ufm., meiere ber
bloßen 3)iac^t fc^meidjeüen uub fie für ©röße ausgaben.
2tller biefcr Unfi(^ert)eit gegenüber fte^t hai> ^'t)änomen,
ba& alle gebilbeten 3]ölfer it)re biftorifc^en ©röfeen proflanüert,
baran feftgel)a(ten unb barin iljren Ijöc^ften 33efi^ erfannt ^aben.

^) SicS gilt fveilid) luu- oon ticm (i'inbviicf ber politifc^ unb mili=
tärifc^ 2fJäc^ttgen, benn t>en inteUeftuell ©roften (2;icf)tern, ilünftlcrn,
^>f)ilo)opf)en) mac|t man bie 2tnerfenniinß bei l'ebieiten oft be()arrlicf)
ftreitiiv
2j(2 V. Das Jndividuum und das Hllgemeinc.

2)abei ift un§ oöflig unroefentUd^, ob eine ^erfönlid^Eeit


ben 33 ein amen „ber ®ro§c" trägt; biefer l^ängt fd^Ierf)ter=
bing^ baoon ah, ob e^ nod^ 2Inbere beäfelben S^omen^ gegeben
l^at ober nid^t.
®ie loirfUd^e ©röfee ift ein 3}lt)fterium. ®a^ ^räbtfat
loirb toeil met)r nad^ einem bunften ©efü^le, aU nacb eigent»
lid^en Urteilen au^ 3lften erteilt ober oerfagt; aiid^ fiiib e§
gar nid^t bie i:;eute oom %ad) aMn, bie e^ erteilen, fonbern
ein tatfäd^lid^eä Uebereinfommen 3Sieler. Stud^ ber fogenannte
f)lul)m ift baju nic^t genügenb. Sie attgemeine '^3ilbung
unferer ^age fennt au^ allen SSölfern unb ^extm eine
geroaltige 9J?enge oon mel)r ober roeniger Serü^mten;
allein bei jebem einzelnen entfielt bann erft bie ?^rage, ob
i§m ©rö§e beijulegen fei, unb ba galten nur wenige bie
^robe aul.
2Beld^e§ ift aber ber 3)?aBftab biefer ^robe? (Sin un»
fidlerer, ungleicher, infonfequenter. Salb mirb baS ^räbüat
mel^r nad^ ber inteüeftueUen, balb me^r nad^ ber fittli(^en
^Bef^affen^eit juerteilt, balb me^r nad^ urfunblic^er Ueber«
^eugung, balb (unb, raie gefagt, öfter) mel)r na^ @efül)l; balb
cntfd^eibet meljr bie ^erfönlic^feit, balb me^r bie 2Sirfung,
bie fie §interlaffen ; oft finbet aud^ ba§ Urteil feine ©teüe
f^on öon einem ftärferen SSorurteil eingenommen.
©d^lieBli^ beginnen mir ju alinen, baß bo§ ©anje ber
^erfönlic^leit, bie un§ grofe erfc^eint, über 33ölfer unb 3a^r=
^unberte ^inauS magifd^ auf un^ nad^toirü, loeit über bie
©renjen ber bloßen Ueberlieferung f)inaug.
Sfiid^t eine (gr!(ärung, fonbern nur eine weitere Um»
f(^reibung oon ©röfee ergibt fid^ oon btefem ^^^un!te au§ mit
ben aSorten: ©injigfeit, Unerfe|li(^!eit. S)er große
aJiann ift ein fold^er, ol)ne meldten bie 2Belt un§ unooüftänbig
fd^iene, roeil beftimmte grofee Seiftungen nur burd^ i§n inner«
^alb feiner 3eit unb Umgebung möglid^ waren unb fonft un«
benfbar finb; er ift mefentlic^ oerflo^ten in ben großen
^auptftrom ber Urfad^en unb SBirfungen. ©prid^toörtlid^
Die bUtorilcbc 6rö6e. 2^3

tieifet c§: „stein TUniä) ift unerfe^lid^." — 3Iber bie 2Benigen,


bie eS eben bod^ finb, [inb gro^.
^reilid^ ift ber eigenllid^e Seroeil ber Unerfe^Urfifeit unb
(Sinjigfeit lüd^t immer ftreng beijubringen, fd)on roeil roir ben
präfumtioen a3orrat ber 9ktur unb ber 2SeItgefd^ic|te nid^t
fennen, ani roelc^em ftatt (Sine^ großen ^nbioibuum^ ein
anbere^ roäre auf ben ©djaupla^ gefteQt roorben. 3Iber loir
t)aben Urfad^e, un^3 biefen ^^orrat uic^t a[l§ugroB oorjufteaen.
einzig unb unerfe^lic^ aber ift nur ber mit abnormer
inteHeftueüer ober fittüd^er 5lraft auSgerüftete ^JJtenf^ beffen
3:un fic^ auf ein 21 II gemeine^, b. t). ganje Golfer ober
ganje Kulturen, ja bie ganje ^J)ienfc^t)eit Jüetreffenbe^ bejief)t.
^Jlur in gJarent^efe möge aüerbing« i)ier aud) gcfagt fein, ba^
e§ etma§> raie Öröße auc^ bei ganjen l>ölfern, unb ferner,
bafe e^ eine partielle ober momentane ©röfee gibt, meiere ba
eintritt, roo ein einzelner fi^ unb fein S^afein röttig über
einem 2tagemeinen ocrgißt; ein fol^er erfd^eint in einem
folc^en 3}ioment über ba§ 3i^i>i]c^e f)inau§gerü(ft unb er*
^aben.

®em XIX. 3a§rf)unbert ift nun eine fpe^ieüe a3efä^igunn


5ur SBertfc^äfeung ber ©rö|en atter Seiten unb ^)üc^tungen
jujuertennen. SDenn burd^ ber 3lu5taufd^ unb ßufammenljang
aüer unferer Literaturen, butc^ ben gefteigerten 5lserfe^r, burd)
bie Stu^bieitung ber europäifc^en ajienfd^t)eit über ade 3Jieere,
burd^ bie Slusbe^nung unb aSertiefung aQer unferer ©tubien
l)at unfere ilultur aU roefentUd^e^ i^ennjeid^en einen ^o^en
C^rab üon 2t[Iempfängad^feit erreid^t. äBir Ijaben @efid)t^*
puntte für oeglid)e^ unb fud^en auc§ bem ^^rembartigften unb
©d^redüdiften geredet ju roerben.
Sie frütieren Reiten tjatten einen ober roenige ©efid^t^'
punfte, sumal nur ben nationalen ober nur ben religiöfen.
Ser Sälam naf)m nur uon fid) g^otis; ba§ a}attelalter l)ielt
taufenb 3af)ie lang baö ganje Rittertum für bem teufet oer«
faQen. ^e^t bagegen ift unfer gefd)id;tlic^'ee Urteil in einer
2\4( V. Das Jndividuum und das Hllgemcinc.

großen ©cneralreoifion aQer berühmten ^ni^wi^uen unb ©ac^en


ber 9]!er9angenl;eit begriffen; roir erft beurteilen beu ©injelnen
von feinen 'i^^räsebentien, oon feiner 3^^^ ou§; falfc^e
©rö^eii finb bamit gefaßen unb raaf)re neu proflamiert loorben.
Unb babei ift unfer ßnlfdjeibunggred^t nic^t üoni ^»"bifferen*
ti^^muS getragen, fonbern efier üom (£ntI)ufia!omu§ für alleS
oergangene ©roftc, fo bQ§ roir boS @ro|e 5. 33. ou(| an ent=
gegengefe^ten ^teligionen anerfennen.
2lu(^ bo^ ^iserganc^ene in ben fünften unb in ber ^^oefic
lebt für un§ neu unb anberä al§> für unfere 5l>orgänger.
©eit 9BincfeImann unb feit ben .«ournaniften nom ©nbe bei
XVIII. ^al^rbunbert§ feigen roir bal ganje Slltertum mit
anbern 2lugen als bie größten früJ)eren ^orfd^er unb ^ünftler,
unb feit bem aBieberenüa(^en ©fiafefpeareS im XVIII. ^afir»
tiunbert l^at man erft ©ante unb bie ^flibelmu^en fennen ge»
lernt unb für poelifd^e ©röBen ben roa^ren 3)la6ftab geroonnen,
unb jroar einen öfumenifd^en.
©iner !ünftigen 3^^* "^^g eS oorbelialten bleiben, aud)
unfere Urteile roieber gu reoibieren. Unb unter allen Um»
ftänben begnügen roir um l)ier bamit, nic^t ben Segriff,
fonbern ben faftifd^en ©ebrauc^ bei 2ßürte§ „^iftorifc^e
@röBe" §u beleud^ten, roobei roir auf gro^e ^nfonfequenjen
ftoBen fönnen.

SBir finben nun folgenben gei^eimniäöoQen Umf(^Iag:


SSölfer, Kulturen, 9^eligionen, ®inge, bei roeld^en fd^einbar
nur ba§ ©efamtteben etroaS bebeuten !ann, unb roeldje nur
beffen ^robufte unb ©rfc^einunglroeifen fein fodten, finben
plö^lid^ il^re 3'leuf^öpfung ober i^ren gebietenben 2lu§brucf
in großen ^nbioibuen.
3eit unb ^en]ä) treten in eine gro^e, ge^eimniSoolle
5ßerre(^nung.
2lber bie ^atnv oerfäl^rt babei mit i^rer befannten ©par«
famfeit, unb ba§ 2ehen bebrol)t bie ©rö^e oon Qugenb auf
mit ganj befonberen ©efa^ren, barunter bie falfd^en, b. ^.
Die biltorilAe Gröfee. 2^5

mit ber roal^ren Seftimniutu^ bc5 iiro&en 3ni>iöibuumä im


2ßibcriprud^ ftet)enben 9iic§tuniien, toeld^e oieHeid^t nur zhzn
um ein 3)iinimum ju ftai! ju [ein braud^en, um unüberroinb»
lic^ 5U fein.
Hub wenn ooHenbä bas 2then hm 3lnlaB ber Offen»
barung nic^t cjibt, fo ftirbt bie ©röße unentroicfett, uncrfannt,
ober auf einem untjcnügenbcn ^^ummelpliH}, oon roenic^en an=
tjeftQunt, ba^in.
Sie <Ba6)e wirb bal^er oon je^er rar geroefen fein unb
rar bleiben ober gar nod^ rorer werben.

@roB ift bie SSerfc^ieben^eit be^jenigen SlUgemeinen,


roetdiel in ben gro§en ^nbioibuen fulminiert ober burd^ fie
umgeftaüet rairb.
3unädj!t finb gorfc^er, (Sntbeder, ^ünftler, Siebter, furj
bie 9tepräfeutanten be§®eifteS gefonbert ju betraditen.
(Sie ^aben für fic^ baä ^ier allgemeine 3ugeftänbni§, ba&
o^ne ba5 grofee ^nbioibuum ni^t oormärt^ ju fommen märe,
bo& Äunft, ^oefie unb ^^ilofoplie unb alle großen Singe
beS ©eifte^ unleugbar öon iliren großen 3iepräientanten leben
unb bie allgemeine geitroeilige ©r^ö^ung be§ Siioeau^ nur
i^nen oerbanfen, rod^renb bie fonftige 0)efd^ic§t^betra^tung,
je mä) ben ^änben, in meldten fie fid^ befinbet, ben gro|en
3J?ännern ben i^rojefe marf)t, fie für fc^äblic!^ ober unnötig
erflärt, inbem bie ^i^ölfer aud^ o^ne feibige beffer fertig ge»
roorben roären.
^ünftler, Sid^ter unb ^^ilofop^en, gorfdjer unb @nt»
becfer foHibieren nämlid^ nidit mit ben „3lbfic^ten", luooon
bie Stielen iljre SBeltanfd^auung bejie^en, i^r S;un mirft uic^t
auf ba-S „2ehm", b. ^. ben 5ßor^ unb 9kc|teil ber )i3ielen;
man braucht nid^tg oon i^nen ju roiffen unb fann fie ba^er
gelten laffen.
(greilid^, ^eute treibt bie Seit bie fä^igften Äünfttcr unb
Sirfjter in ben Grroerb, roa^ fi^ babur^ offenbart, bafe fie
ber ,/^ilbung" ber 3eit entgegenfommen unb fie illuftrieren
2](6 V. Das Jndividuum und das HUgemcinc.

I^elfen, überhaupt jebe foc^lid^e 2lbl^änc3ii^!cit über fid^ erge{;en


laffen unb boe jQord^en auf il^re innere ©timme öänjlit^ oer=
lernen. 33? it ber 3eit i;aben fic bann il^ren 2ol)n hai)\n, fie
l^aben ben „2lb[i(^ten" i^ebient.)
^ünftler, ®id)tcr unb ^>f)ilofop{)en ^ahm
jtoeierlei j^unftion: ben innern ©el^alt ber '^eit unb SBelt
ibeal 3ur 31nfc|auuni3 ju brinc^en unb x\)n alä unoergänglid^e
Ätunbc auf bie 9ia(^roelt ju überliefern.
Söarum bie bloßen Örfinber unb ©ntbeder im
geroerblid^en %aä), ein 2lltl)an, ^acquart, ®ra!e, S)anie(,
feine groBen 9)länner finb, a\i6) racnn man ii)nen l^unbert
©tatuen fe^te, unb roenn fie nod^ fo broüe, aufopfernbe Seule
geiüefen, unb bie talfäc^Iid^en folgen i^rer ©ntbedungen ganje
Sänber bel^errfdien, beantwortet fic^ bamit, ba^ fie e0 eben
nid^t mit bem SBeltganjen ju tun |aben, wie jene brei Slrtcn.
2lud^ \)ai man bag @efü^l, fie mären erfe^lid^ unb 3tnbere
mären fpäter auf biefetben 9tefultate gefommen, roä^renb
ieber einjelne gro^e fünfter, Siebter unb ^^itofop^ f^Ied^t^in
unerfe^lic^ ift, meil ba§ SBeltgonse mit feiner 3"^ioi^"olität
eine 33erbinbung eingeigt, roeli^e nur bie^mal fo ejiftierte unb
bennoc^ i^re SlUgültigfeit l^at.
3^oIIenb§ ift, mer btoB bie 9iente eine^ SejirfeS fteigen
mad^t, noc^ !ein 2Bof)ltäter ber 2)?enfd^^eit. '^lan tarn nid^t
überall ^rapp pflanjen, raie im S)epartement be la 58auclufe,
unb felbft im Departement be la SSauclufe oerbient ber blo^e
©infül^rer ber Slrapplultur nod^ feine ©tatue.
^on ben entbcdern ferner Sänber ift nur ©o-
lumbu^ gro§, aber fe^r grofe gemefen, roeit er fein Seben
unb eine enorme SBillen^fraft an ein ^oftutat fe^te, roeld^eS
i^n mit ben größten ^^ilofop^en in einen 9tang bringt.
5Die ©id^erung ber ^ugelgeftalt ber ßrbe ift eine SSorauS»
fefeung aUeS feit^erigen 5Denfen§, unb aUeS feit^erige S)enfen,
infofern e§ nur burd^ biefe 33orau§fe^ung frei geworben,
ftral^lt auf ©olumbuS unoermeiblid^ jurücf.
Unb boc^ liefee fid^ bie ©ntbe^rlic^feit beS 6olumbu§
Die biftorifche Gröfee. 2][7

behaupten. „3lmeriftt luürbe halb cntbedt loorben fein, oiid^


roenn (Solunibuc in ber 2i>iei^e i^eftorben roäre" '), wa§> oon
3Ieicf)i)(u>:, ^Uiibia^ unb '^laio nidit tjeiagl werben fönntc.
Sß^enn ^liafael in ber äBiecje geftorben wäre, fo roäre bie
^ranöftguration iöol)( ungemalt geblieben. ^
Tagegen finb alle lueitercn ©ntbecfer ber '^erne nur
fefunbär; fie (eben nur von ber burd) (iolumbul eröffneten
unb enoiefenen i)iüglid)feit. (Sortej, ^ijarro u. 2t. f)aben
freiließ baneben iljre befonbere Wröfee al» Slonquiftaboren unb
Crganifatoren großer neuer 33arbarenlänber; aber fciion if)re
^Jiolioe finb unenblid; geringer, al^ bie be» (Eolumbu^. 53ei
2tfejanber bem ©rofeen liegt eine ^öl;ere 3Bei(;e barin, bafe
ber ßntbecfer eigentUrf) hen Gröberer Dorantreibt. 5)ie be-
rül;mleftcn 3ieifenben unferer 2^age burd^sietjen in 2tfrifa unb
3luftralien bod^ nur Sänber, beren Umriffe roir fd)on !ennen.
^mmer^in behauptet bei roic^tigen (£ntbedungen in ber
j^erne ber erfte (rntbeder (5. 53. ein Saijarb in -itiniöe) einen
unoerljältnic^mäligcn ©lanj, obuioI;l roir raiffen, ba^ bie ©rö§e
im Dbjeft unb nid)t im 9)Zonne liegt. ©!§ ift ein S)antgefüf)l
in bejug auf bie f)o()e SBünfd^barfeit be§ (Sntbedten, roobei
fraglid) bleibt, raic lange bie ^lad^roelt biefe ©anfbarfeit be--
roal^ren roirb für eitien bod^ blo^ einmaligen il'ienft.
23ei ben roiffenfc^aft liefen gor feiern l)at jroar
bie ®ef(^id)te jebe§ %ad)ei eine Slnjal^l oon relatioen @ri3§en,
allein fie gel)t babei oon bem ^ntereffe be:l betreffenben ^vad^e^
unb m6)t bem beö SBeltganjen an§> unb fragt, mer biefe^
%aä) am meiften geförbert l)abe.
^Daneben ejfiftiert eine ganj anbere, unabl^ängige 2ßert«
fc^ä^ung, meldte auf bem ©ebiet ber gorfd^ung baS ^räbifat
ber ©röBe auf iljrc Steife oergibt ober oerfagt. Sie frönt
babei roeber bie abfolute gä^igfeit, noc^ ba^ fittlid^e ^Iserbienft
unb bie Eingebung an bie ©ac§e, — benn biefe oerlei^t

') Ä. G. D. SBaer, «liefe auf bie (gntroicflung ber SBiffenfä^oft,


<B. 118, natf) bem 3itat 5ei l'afaulE, <B. 116.
2](8 V. Das JndividuuTTi und das HUgemeine.

Söürbe, ober nod^ iiid^t ©rö&e, — fonbern bie großen (Snt*


becfer in beftimmten 9Udjluni^en, nämlic^ bie 3lu[finber öon
Seben'5i^e[et^eii erften ataiu^iS.
.stiebet [(feinen einftroeifen aulc^efd^Ioffen bie yiepräfcn»
tauten aller l;iftorifd^en aöiffeufd^aften. 5Dieje fallen
einer bloßen literargefd)id)tlid)en äöertfdjä^utii^ ant;eim, roeii
fie felbft beim gro^artitjften SBiffen unb ©arfteHen bod^ eS
nur mit bem @r!ennen uon teilen ber 2ßelt, nid^t mit bem
9luf)leEen üon ®e[e^en ju tun ^aben; benn bie „[)iftorif(^en
©efe^e" finb unpräjiS unb bejiritten. Ob bie 9ktionaU
öfonomie mit ifiren Seben^ijefe^en [d^on unbeftrittene ©rö^e
probujiert 'i)at, läfet \iä) fragen.
dagegen in ben matJiematifd^en unb ben ^iaturroiffen»
fd^aften gibt e5 allgemein anerkannte ©rö&en.
2l(Ie§ feittierige 5Den!en ift erft frei geworben, feit ^o»
pernifuS bie ©rbe au§ bem Zentrum ber 2BeIt in eine unter-
georbnete 58at)n einei§ einjelnen ©onnenfi)ftem§ oerioiefen l^at.
^m XVII. ^ja^rfiunbert gibt e§ au^er einigen 2tftronomen
unb DZaturforfd^ern, einem ©alilei, ^eppler unb roenigen
2lnbern gar feinen ^^orfd^er, roeld^er gro§ i)u^e; nur auf
i^ren 9tefultaten beruht eben ade weitere 33etrad^tung be§
SBeltganjen, \a afleä Senfen überf)aupt, roomit fie bereit! in
bie 9teil^e ber ^f)ilofop§en treten.
a)tit ben großen ''^Nt)ilofop^en erft beginnt ba!
©ebiet ber eigentlichen ©rö^e, ber ©injigfeit unb Unerfe^-
lid^feit, ber obnormen ^raft unb ber ^ejie^ung auf ba§
2ltlgemeine.
Sie bringen bie Söfung beS großen Seben^rätfell, icber
auf feine Söeife, ber 9}tenfd^{)eit näfier; il^r ©egenftanb ift
ba§ SBeltganje oon all feinen Seiten, ben SJJenfd^en nota
bene mit inbegriffen, fie aQein überfeljen unb belierrfdben ba§
9]erf)ällni§ be3 (äinäelnen §u biefem @anjen unb öermögen
bafier ben einjelnen 2Biffenfd^aften bie 3iid^tungen unb ^er»
fpeÜioen anzugeben, ©e^ord^t roirb, mcnn an6) oft unberoufet
unb miberroiüig; bie ©injelmiffeufd^aften löiffen oft gar nid)t.
Die biltorilcbc 6röf}e. 2^9

bur^ roelcfce pben [ie Don ben (^)ebanfen ber großen ^^ilO'
fopl^en abhängen.
3(n bic ^v()iloi'opf)en möchten biejenigen anjUidjUefeen fein,
lüelciien ba-:^ ii^hen in fo t)o^eni ©rabe objeftiu i^eroorben i[t,
bafe [ie borübcr ju ftef)en fd^einen unb bieg in oieljeitigcn
3Iuf5ei(^nunt)en an ben %a(\ legen: ein 3)ionlaigne, ein Sa*
bruij^re. @ie bilben ben Uebergang ju ben 2)i^tern.

Unb nun folgt alfo in ber Ijoljen a}Jitte sroifd^en ber


^s^ilofopf)ie unb ben iMnften bie ^^^oefie. ^em ^'l)ilofopl)en
ift nur ai>aljrl)eit mitgegeben, bal)er fein dMm erft nad)
feinem ^obe, bann aber bcfto intenfioer lebt; tm :i^id)tern
unb ^ünftlern bogegen ift einlabenbe Ijeitere 3d)önl)eit oer»
liefen, um „ben äBiberftanb ber ftumpfen äßelt ju befiegen";
burc^ bie ©d^önljeit fprec^en fie finnbilbtid^ ')• ^i« ^o^^^^
ober ^Qt nun mit ben SBiffenfc^aften ba§ SBort unb eine
enbtofe SJJenge oon fac^lid)en 53erül;rungen gemein, mit ber
^^l)ilofopl)ie, ba^ auii fie ba^ aiBeltganae beutet, mit ben
fünften bie gorm unb bie Silblic^feit i^rer ganzen Sleu&e--
rungäroeife, unb ba^ aud) fie eine Schöpferin unb 9Jlad)t ift.

^ier möge nun gteid^ auc^ im allgemeinen erörtert roerben,


roarum Sintern unb ilünftlern ©rö^e beigelegt luirb.
Unbegnügt mit bloßer 5lenntni3, meiere Bad)t ber Spejial'
roiffenfitaften, ja mit (Srfenntnig, meiere Sadie ber ^:|>l)ilofop^ie
ift, inne geraorben feineä oielgeftaltigen, rätfell)aften 3Befen«,
nl)nt ber ©eift, ba§ no(^ anbere l'iädite oor^anben feien,
weld^e feinen eigenen bunflen .f^räften entfpre^en. ^a finbet
e§ fic^, bafe groBe SBelten il)n umgeben, meldte nur bilblic^
reben ju bem, roaö in il;m bilblic^ ift: bie fünfte. Unüer»
') aSergl. Safaulr 6. 134 ff. über bie Stellung öomerS. Ueber
ba§ 3?erF)ältmg bee; 2)ic{)ter6 5um ^l.U)iIoiopC}en oergl. Scfiiaer an ©oet^e
(17. Januar 1795): „So uiel ift inbce c\e\m, ber 2)ici)ter ift ber einjige
ma\)vt 3Ken|d), unD ber befte ^f)iloiop^ ift nur eine .Uarifatuc
gegen i^n."
220 V. Da* Jndividuuin und das HUgemeinc.

meiblid) mirb er ben ^räijern beri'elben ©rö^e sufd^reiben,


ba er if)nen ^iveroielfad^ung feinet innerften äi^efeng unb ^er*
mögeiiiS oerbaiift. ©ie finb ja iinftanbe, faft fein ganjcS
2)ofein, infofern e^ über ha§ SlQtäglid^e IjinauSge^t, in i|re
.Greife ju jieljen, fein (^mpfinben in einem üiel ^öfieren Sinn,
aUi er felbft fönnte, au^öubiücfen, if)m ein Silb ber SBett ju
getoä^ren, rodä^t^, frei von bem ©c^ulte be^ 3wföÜi9en, nur
bal ®rof3e, 33ebeutung§DoIIe unb Sd^öne ju einer oerüärten
(Srfd^einung fammelt; felbft bal ^ragifd^e ift bann tröftlid^.
S)ie fünfte finb fein können, eine 3)tad)t unb Schöpfung.
3§re roid^tigfte jentrale ^riebfroft, bie ^^antafie, f)at ju jeber
3eit qI§ etioQ? @öttli(^e§ gegolten.
innere;? äuBerlid) ntaclien, barfteEen ju !önnen, fo ba^
e» al§> ein bargefteUte^ Qnnere^, al§ eine Offenbarung toirft,
ift eine feltenfte ©igenfcEiaft. Slofe SleufeeresJ nod^ einmal
äu^erlid^ ju geben, oermögen ^iele, — jene^ bogegen erroecft
im Sefc^auer ober ^örer bie Ueberjeugung, ba§ nur ber (Sine
e§ gefonnl, ber e^ gefdjaffen, ba^ er alfo unerfe^lid; geroefen.
gerner lernen mir bie ilünftler unb S)id;ter oon jelier
in feierlichen unb großen 53e5iel;ungen ju 9ieligion unb Kultur
fenncn; bo^ mäc^tigfte 'Bollen unb ®mpfinben ber oergangenen
3etten rebet burd^ fie, l)at fie ju feinen ©olmetfd^ern erforen.
Sie ollein fönnen ba^ 9Jigfterium ber ©c^ön^eit beuten
unb feftl)alten; raa§ im Seben fo rofd^, feiten unb ungleich
an un^ oorübergiel;t, mirb §ier in einer SBelt öon Sichtungen,
in 33ilbern unb großen Silberfreifen, in garbe, ©tein unb
^lang gefammelt all eine sioeite, l)ö^ere ©rbenroelt; ja in
ber 3trc^iteftur unb 9)lufif lernen rair ba§ ©diöne überliaupt
erft burd^ bie ilunft !ennen, o^ne welche wir l^ier nid^t müßten,
boB e§ öorlianben märe.
Unter ben ©idjtern unb 5?ünftlern aber legitimieren fid^
bie roalirl^aft großen all fold^e burd^ bie ^errfd^aft, raeld^e
fie bilroeilen fd^on bei Seb§eiten über ilire ^unft aulüben,
wobei, raie überall, bie ©rfenntni» ober ftiUe Ueber^eugung
mitroirft, baß bie grofee 33egabung fteti etroa§> l^öc^ft ©eltenel
Die hiftorilAe 6röJ}e. 22](

fei. es bilbet ft«^ ba« &t^ü\)i, bafe biefer iDieifter abfolut


unerie^Ud^ fei, bafe bte 2Be[t unuoQftänbig wäre, nid;! metir
gebadet toerben fönnte oi)ne i()n.
2^röftUd)erii)eiie gibt es bei ber I)oJ)en Selten{)eit ber
^Henfc^eu erften 3iange§ nocb eine jiueite Stufe üoii ©rö^e
in Äunft unb 2)ic^tung: 2Ba§ bie primären 3Heifter ber 2öelt
a(^ freie Sd^öpfung i^efd^enft, ta^ taim, oermöge ber 2lrt ber
UeberUeferung in biefen ©ebieten, uon trefflichen fet un baren
3)teiftern q(^ 6tit feftge^alten roerben, freitid^ tneift aii ein
fenntlid^ Sefunbäre^, e§ fei benn, ba§ bie Slnlage be§ 33e*
treffenben an fid) erften 9tangeS tüor unb nur eben bie erfte
Stelle fc^on entfc^ieben eingenommen oorfanb.
2)ie 3JJeifter ber b ritten Stufe, bie ber SSeräufeerlic^ung,
jeigen bann roenigften« nod^ einmal, roie mächtig ber gro§e
3)Jenfc^ geroefen fein mu&; fie jeigen auc^ in fe{)r lehrreicher
SBcife, meldte Seiten an if)m erften^ bcfonber^ aneignungg»
roert erfd)ienen, unb sroeitenl, meiere am e^eften entlehnt
werben fonnten.
^mmer oon 3Jeuem ober roirb man auf bie a)?eifter erften
Klanges jurüdgeroiefen; ilinen allein fc^eint in jebem 2Bort,
Strid^ ober Xon roai)xt Originalität anju^angen, fetbft rao
fie fid^ felber iuiebert)o(en (obfc^on babei einige S^äufd^ung
mit unterläuft, unb ganj traurig freiließ ift e5, menn bie
3lnlage erften 9iangä fic^ jur maffenliaften fio^narbeit oer-
fauft).
6l)arafteriftifd^ ift il)nen ferner bie öon ber ^iel' unb
Sdineüprobuftion ber a)ZittelmäBigfeit ^immelroeit oerfc^iebene
9ieicl)lid;feit, öfter fo auffaüenb, baf3 mir fie au^ einer 2I^nung
be:S frühen Xobeä ^eroorgegangen glauben. So bei iHofael
unb 3}fojart, au^ bei Sd^iller mit feiner jerftörten ©efunb*
beit. 2Ber nad^ einmaligen bebeutenben fieiftungen ein Sd^nell'
probujent, gar um be^ örroerbeä mitlen, roirb, ber ift oon
2lnfang an nie groß geroefen.
^ie Duellen biefer 9?eic^lid^feit finb bie gro^e, über»
menfcf)lic^e itraft an iiä) unb ferner bei jebem geroonnencn
^22 V. Das Jndividuum und das Hllgemcinc.

^orlfdjritl bie "^ladjt uiib :^uft ju Dielfeitiger 3lmuenbung.


3eber neuen Stufe ^Kafael^ entfprid^t j. 33. eine ganje ©ruppe
üon üiQbünncn ober IjeiUgen ^nmilien; auä) an ©c^iüer^
^kHabenjoljr 1797 läfet [id; ^ier beuten. (Snblicf) fanu bem
großen liieifter and), loic bieg ßalberon unb 9tubeng jugute
fam, ein fd)ou feftfteljenber £til unb ein großes Verlangen
bei feinem ä^olfe entgegenkommen.

®e fragt fic^ nun, mie weit bie großen S)id^ter unb


^ünftler oon ber perfönlid^en ©rö^e bi^penfiert feien.
— SebenfaHl bebürfen fie jener Slonjentration be§ 2öiIIen§,
oI;ne tocli^e überfjaupt feine ©röfee benfbar ift, unb bcren
magif($e D'Jad^mirfung un§ oli sroingenbe ^raft berührt,
hierin muffen fie rooE)l ober übel au^erorbentlid^e aJJenfd^en
fein, unb roer bieg nid)t ift, fann bei glönjenbfter a3egabung
frü^e jugrunbe gefien, \a oline biefen ©rab öon ß^arafter
bleibt bog glänjenbfte „.Talent" ein £ump ober ein ^unb.
2IIIe großen 9Jieifter fiaben junäd^ft oiel unb immerfort ge=
lernt, rooju bei fd^on erreid)ter bebeutenber ^öf)e unb bei
leidster unb glänjenber ^robuftion ein fefir großer @ntf(j^Iu§
gehört, g^erner erreidEien fie alle il)re fpäteren ©tufen nur
in gemaltigem ^ampf mit ben neuen Slufgaben, bie fie fid^
fteÜen. a)!id^elangeto mu^te ai§> roettberü^mter (Sed^jiger ein
großes neueg diexd) entbeden unb in 33efi^ neljmen, beoor er
ba» 3Beltgeri(|t fd^affen fonnte. 3JJan benfe and) an bie
SBiüensfroft SKojartS in feinen legten 9Jionaten, oon bem fid^
nod^ Seute einbilben, er fei geitlebeng ein ilinb geblieben.
SlnbererfeitS ift man üerfuc^t, ben großen älieiftern eine
ooUftänbigere , glüdlic^ere @j:iftens unb ^erfönlid^feit suju«
trauen al§ anbern Sterblid^en, §umal ein glüdlid^ereg 33er*
IjältniS üon ©eift unb (5innli(^feit. ^iebei ift ^^ieleg blo^e
Sicrmulung; audj überfiel)t man babei fel)r gro^e fpegififc^e
©efal^ren, bie il^rem SebenSgang unb ilirer 33efd^äftigung an--
Ijangen. ^aö je^ige 3lu0malen oon S)id§ter= unb 5^ünftler«
leben l)at eine fe§r ungefunbe Quelle; beffer, man begnüge
Die biltoritcbc 6röfee. 223

[ic^ mit ben ai^erfcn, luorin 5. S. ©lue! ben (Sinbrucf ber


6)röBe uub bec^ rul;igen Stolje^, ^mjbn ben beg C^Iüdcv?
unb ber .«gerseiu^ijüte mad)t. 3luc^ Ijaben nic^t aÜe ßeiteii
über biefe ^^laöeii gleid^mä&itj gebadet; ba^ ganje uorrömifc^e
@ried)enlum mac^t üou feinen aUergröBten bilbenben Mnftlern
auffallenb roenig aBorte, n)äl;renb e» ^oeten unb ^v^ilofop^eu
fe^r l^oc^ fteüt.

Unb nun bie oeri'dEiiebene 2lner!ennung, welche ber


©röfee in ben einjelnen fünften juteit roirb.
Sie ^Noefie I;at itjxt .'öö^epunfte: roenn fie ou^ bem
Strom be§ ^eben§, be§ 3utäaigen unb aKittelmäfeiiieu unb
©lei^gültigen ^erQU§, md) bem fie oorläufig in ber ^btjüe
anmutiii barauf mag angefpielt Ijabeu, ba^ aügemeine 2)ienfc^=
ltd)c in feinen Ijöc^ften 3(eu§erungen Ijerauenimmt unb ju
ibealen Öebilben oerbic^tet unb bie menfc^lic^e Seibenfd^aft
im 5lompf init bem ^oE)en Sc^idfal, nic^t von ber SufäÜig^
!eit ücrf^ültet, fonbern rein unb geroaltig barfteüt, — raenn
fie bem 33?enfc^en @el;eimniffe offenbart, bie in ilim liegen,
unb Don welchen er oljne fie nur ein bumpfe» @efül)l ^ätte, —
roenn fie mit if)m eine rounberoolle Spradie rebet, mobei i^m
jumute ift, aUi müßte bie^5 einft in einem beffern Safeiu
bie feinige geroefen fein, — wmn fie »ergangene Seiben unb
^reuben (Sinjehier au§ aüen $8ölfern unb 3eiten jum unoer-
gänglic^eu Munftroert oerflärt, bamit es l;eifee: spirant adliuc
amor, oom toilben Jammer ber ®ibo bi0 sum loel^mütigen
SSolfslieb ber oerlaffenen (^ieliebten, bamit ba§ Seiben be»
Spätgeborenen, ber biefe ©efänge Ijört, fid) baran läutere
unb fic^ in ein ^ol)C» Öanje^^ in ba§ Seiben ber aßelt, auf--
genommen fü^le, roal fie aüe^ fann, roeil im Sid)ter felber
fc^on nur bas Seiben bie bol)en (S'ii^enfc^aften roedt, — unb
uoÜenbe, roenn fie bie (Stimmuni^en roiebergibt, roel(^e über
ba§ Seiben unb freuen l)inau§gel)en, roenn fie baä ©ebiet
be^jenigen 5)ieligiöien betritt, roel^eS ben liefften ©runb jeber
Dieligion unb (^rfenntni^ au^mac^t: bie Ueberroinbung be5
224; V. Das Jndividuum und das HUgcmeinc.

Qrbiidjen, öie luir brainati)clj am grö&tcii in bor ^^erterfjene


5n)if(i^en ßijprian unb ^uftina bei ßalberon finben, aber anä)
(^ioct^e tu „bcr bu üom .»Qimmel bift" rül;rt luimbcrbor baran,
— unb meim [ie, üon geiualticjem otuvm ergriffen, 5U cjanjen
3>ölfern rebet, roie bie ^roptieten taten U§> 311 jenem unöer»
gteti-blid)en 3hi§brud) ber ^lO'pif'ition : ^efoiaS ^^^
Sie grofeen Sichler luürben un5 fc^on gro^ erfrfieinen
als lüid^tigfie Urfunbe über ben @eift aller ber B^^ten, roeldie
itire 2;icl^tungen f^riftüc^ gefiebert ^interloffen tiaben; ooUenb«
aber bilben fie in iljrcr @efamtt;ett bie größte äufammen*
l^angenbe Offenbarung über ben innern a)ienfc^en überijaupt.
Slttein bie „©röfee" beS einjelnen S)ic^ter« ift fe^r oon
feiner ,,5ßerbreitung" ober ^enüfeung ju unterfd)eiben, roeli^e
nod) oon ganj anbern ©rünben mitbebingt roirb.
aJtan follte fonft jioar benfen, ba^ bei S^ic^tern Der»
gangener ^eiUn nur bie ©röi^e entfc^iebe; aber ein S)i^ter
fanu als ^öilbungSelement unb als ^unbe feiner 3eit einen
SBert fiaben, ber raeit über feinen S)ic^terroert ^inauSge^t.
©0 manche 2)id)ter beS 2tltertumS, inbem jebe ^unbe auS
jener 3^^^ an fid^ unfd)äpar ift.
es lä§t fic^ 5. 23. fragen, ob (guripibeS ©rö^e ^at neben
2lefd^t)IuS unb 6op§o!leS. Unb boc^ ift er für eine SBenbung
in ber ganzen atf)enifd^en ©enftoeife bie bei roeitem n)id)tigfte
.DueÜe. 2lbcr l^ier gerabe Ijahtn toir ein fprec^enbeS 23ei)piel
beS Unterf^iebeS : ©uripibeS jeugt oon einem 3eitlid)en in
ber ©efc^idjte beS ©eifteS, Slefd^pluS unb Sop^oHeS oom
©roigen.
SlnbererfeitS finb Sdiöpfungen, bie unbeftritten gro§ unb
^errlic^ finb : ^SolfSepoS, ^isolfslieb unb SSolfSmelobie fc^einbar
biSpenfiert oon ber @ntftet)ung burc^ gro^e ^nbioibuen; biefen
fubftituiert fic^ ein ganjeS 23ol!, roeli^eS mir unS ad hoc in
einem befonbern, glücflid^'naioen ilultursuftanb uorfteüen.
Slflein biefe ©ubftitution beruf)t tatfäd^li(^ nur auf ber
3J?angelE)aftigfeit ber Ueberlieferung. S)er epifd)e ©änger,
beffen 3^amen mir nid^t meiir (ober nur als ^oHeftioum)
Die biftorild)« 6r51jc. 225

fenneii, ift felir grofe ijeioefen in bent Slugenblicf, ba er einen


3roeig ber Sage feine-S $8olfeg 5 um erften SJcale in
bauernbe ^orm fa^te; in biefem 3(ugenblirf tonjentrierte [ic^
tu i^m ber 3>olf^geift magifd^, ma§> nur in QU!lge3eic^net ge-
borenen 'Dienfc^en möglid^ ift. Unb [0 roirb anö) ba§ 2]olfä='
lieb unb bic i?olfÄmeIobie erften 9iange5 nur von au^gejeid^»
neten Qnbiüibuen unb nur in 2lugenbHcfen ber ©rö^e gefc^offen
werben, ba ber fonjentrierte ä^^olf^geift ouiS it)nen fprid^t;
fonft !)ätte boS Sieb fd()on feine 2)Quer.
3)afe tüir bei einer namenlofen S^rogöbie fogleid^ an einen
58erfaiier benfen unb un^5 bieS bei fogenonnten 3]olf§epen
glauben uerroefiren ju müfien, ift nid^tS aU eine tnoberne
3)ieinung unb öerool)n|eit. ®5 gibt S)rQmen, roeldje min*
beften» ebenfo „oolfsmöfeig" ^uftanbe gefommen finb, roie jene
äJoIfSepen ufro.

Q§> folgen nun bie großen ^linier unb 33ilb^auer.


Urfprüngti(^ arbeiten im S)ienft ber 9ieligion bie Äünftter
namenlos. S)ort, im Heiligtum, gefd^e^en bie erften ©d^ritte
jum ©r{)abenen; fie lernen baS ^^f^Q^Ö^ öu§ ben formen
auSfdjeiben; e§ entfte^en S::i)pen unb enblid) SInfänge oon
^bealen.
Unb nun beginnen bie ©injelnamen unb il^r 9?uf)m auf
jener fc^önen, mittleren ^öl)e ber 5lunft, ba il^r l^eiliger, mo*
numentaler Urfprung nod) nad^mirft unb bod^ fd^on bie grei*
t)eit in ben 3)titteln unb bie j^reube an benfelben gewonnen
ift. ^e^t mirb nac^ ollen 9üd^tungen ba§ ^tzalt gefunbcn
unb bereits auc^ baS d\eak mit jroingenber 3Jiogie befleibet.
^in unb mieber taud^t bie Äunft tief unter in fad)Iid^e 5^ned^t-
fd)aft, ^ebt fic^ aber glorreid^ raieber als ein f)ö^ereS ©teid^^-
niS beS Gebens. '^i)ve 'ikrü^rung mit bem SBeltgan^en ift
roefentlic^ eine anbere als bie ber Tic^tung; beinal)e nur ber
Sic^tfeite ber 2)inge jugeroaubt, fc^afft fie il^re SBelt oon
(Sc^ön^eit, Äraft, ^nnigfeit unb ©lud, unb aud^ in ber laut*
lofen 9Jatur fiel)t unb f^ilbert fie ben ©eift.
ffleltgefc^ic^tlic^e Betrachtungen. 15
226 V. Das Jndividaum und das HUgcmcinc.

S)ie 3)Zcifter, meld)t bie entf^eibenben ©ct)ritte l)ierin


getan, waren au&erorbentlid)e 3}ieiifd;en. ^reilid) in ber
grie($ti'd^cn .^tunftroelt, loo wir i^re 9kmen fennen, bürfen
roir bicfe ho6) nur feiten fidler auf beftimmte 5vunftit)erfe bc--
jiel^en, unb in ber iölütejeit be§ norbifd)en 3)tiltelalter§ fe{)Ien
un§ audö bie 9iomen. 9Ber frf)uf bie ©tatuen an ben ^or--
tolen üon (S^artre^ unb 9icim^? ©ine eitle 3Sorau§fe^un9
ifi, bafe eben ba§ ^refflid^fte l;ier bodi nur ©diuU^ut fei, mit
bIo§ mäßigem ä>erbienft be§ einzelnen 9)kifter§. @^ oerl^ält
fid^ (jerabe raie bei ber S^olf^bid^tung. ®er (Srfte, roeld^er
ben (£^riftu§tijpu§ auf bie ^ö^e l^ob, roie roir itin am 9Jorb«
portol öon 9teim0 finben, mar ein fe^r großer ^ünftler unb
roirb nod^ mand^eS ^errlid^e jum erftenmal geleiftet l)ahm.
3n ber oöüig ^iftorifd^en 3cit, 'iici beftimmte ^ünftler»
namen feft an beftimmten äßerfen l^aften, mirb bann ba^
^räbifat ,,@rö^e" mit aüer ©ic^erfieit unb faft überein*
f^immenb einer beftimmten ^>lejabe oon 9}teiftern erteilt, bei
meld;en jeber geübte Süd bo§ primäre, bie Unm.ittelbarfeit
be§ @eniu§ innc mirb.
^^re 2BerEe, fo reid^lid) fie aud^ fd^ufen, finb bod^ nur
in befc^ränfter ^a^ über bie ©rbe oerbreitet, unb roir bürfen
für i^r bauernbe^ S)afein gittern.

23on ben 2lrd^iteften ^at meÖeid^t feiner eine fo !Iar


jugeftanbene ©röfee, roie einzelne ©id^ter, Wakv ufro. fie
befi^en. ©ie muffen fd^on a priori bie 2lner!ennung mit
iEiren Sau^erren teilen; ein größerer 2^eil ber 33erounberung
ftra^lt auf ba^ betreffenbe 'X^oit, bie betreffenbc ^riefterf^aft,
ben betreffenben ^errfd^er, — unb babei get)t me§r ober
roeniger beroufet bie Stnfid^t mit, ba§ ©rö|e in ber 2lrd^ileftur
überhaupt metir ein ^robuft ber betreffenben 3eit unb ^Ration,
al§ biefe^ ober jenes großen 3Heifter§ fei. SJaju roirb aud^
ber 3)taBftab ba§ Urteil trüben, unb ha§> 9iiefige ober aud^
ba§ ^räditige roirb ein 33orred)t auf bie Serounberung liaben.
Ol)ne^in ift bie 2lrd)ite!tur oermeintlid^ unoerftänblid^er
Die biltorilcbc Gröfec. 227

qU aJjQlerei imb Silbnerei, weil [ie ni^t baS aJienfd)cnleben


borfteüe; fte ift ober aU Äunft gerabe fo fdiroer ober fo Ui6)t
ju oerfteljen ali? biefe beiben.
Slußerbem tritt aber noc^ ba^fetbe ober ein äljnlid^eg
^s^änomen ein wie bei ben übrigen .flünften: Sic ©c^öpfer
ber ©tile, welchen man gerne bie ©röfee beilegte, fennt man
in ber 9tegel nic^t, fonbern nur bie ^ßoClenber ober a3er=
feinerer; fo bei ben Oiriec^en nidjt beujenigen ^JJieifter, luelrfjer
ben 2;i)pu§ be§ Xempelö feflfteüte, roo^I aber ben ^ftinog
unb 3J?nefifle§; — im 3)üttelalter nid)t ben ikumeifter oon
Diolre 2)ame oon ^^^ari^, iueld;er bie legten entfd^eibenben
©dritte jur ©otif tat, roo^l aber eine äiemlid)e iMnja^t oon
3}ieiftern berühmter Äatf)ebra(en be§ XIII. bi3 XV. ^a^r*
l)unbert5.
Slnberö bei ber Stenaiffance, too roir eine älnja^l be-
rühmter S(rd)iteften genau fennen lernen, unb jroar nid^t blofe
Toeil bie 3eit nä^er unb bie Ur!unben an [ic^ oiel ja^lreid^er
unb fixerer [inb, fonbern roeil fie nid)t blofe einen ^aupt=
ti)pu^ iüieberl)oIen, oielme^r ftetä neue Kombinationen fd)affen,
fo ba§ ^eber etwas Unabhängige^ geben fonnte, innerhalb
eine» sroar eintieitlid^en, aber Ijödift biegfamen ^ormenfijftem^.
2Iu^ loirft auf un^ na^ ber bamalige ©laube an biefe 2lrd)i'
teften, melden man ^la^, 3)Zateria[ unb unerhörte grci^eit
gönnte.
(Eigentliche @rö§e aber roirb im ©runbe boc^ nur bem
©rroin oon Steinbock unb bem a}iid)elangelo §uerfannt, auf
raelc^en bann gunäd)ft ^runeÜegco unb ^^ramante folgen bürften.
^-reilidi Ijoben beibe ^ieju bie ^^^orbebingung bec maffenljaft
©roBen erfüllen muffen, unb iUtic^elangelo l)at für fid), bafe
er ben ^aupttempel einer ganjen 9tcligion erbauen burfte.
^ür ©rtoin fprid)t ber big je^t l)öc^fte ^urm ber ^Li>elt, ber
gar ni^t nad) feinem ^lan ausgebaut ift, aber o^ne biefen
Toäre feine ^affabe mit ber aüerfc^önften, burd^fic^tig geworbenen
©otif nie ju jenem gan§ auÄna^mSroeifen unb bod^ fo too^l
oerbienten 3{ul)m gelangt. 2)äc^elange(o aber l)at ben fc^önften
228 V. Das Jndividuum und das HUgcmeine.

3lu§enumnfe unb bcn l^errlid)ften Snnenraum auf (Srbcn mit


feiner St. ^seter^^tuppel erreid^t ; über i§n befielet sroifd^en ber
populären unb ber fun[tgelel)rten S3etra(^tunij oöllige Heber»
einftimmung.

Öanj am äuBcrften ©nbc ber fünfte, am el^eften in


flüd^tiger isertoanbtfd)aft mit ber 2tr(^iteftur , fommt bie
ajiufif, bie man, um auf ben ®runb i^reS 2öefen5 ju
fommen, ol^ne 33erbinbung mit ^Teirten unb oollenbs ofine
33erbinbung mit ber bramatifd^en S)arftellung al§ ^nftrumental'
mufif betrad^ten mu§.
3Sunberbar unb rätfel^aft ift i§re ©teüung. SBenn
^oefie, ©fulptur unb SJialerei fic^ nod^ immer oI§ 2)ar»
fteHerinnen be^ er^ö{)ten 3)Zenfc^enleben§ geben mögen, fo ift
hk mn^it nur ein @Iei(^m§ be^felben. ©ie ift ein ^omet,
ber ba§ aJienfc^enleben in foloffat weiter unb ^o^cr 33a^n
umfreift, bann aber auf einmal fic^ mieber fo nafie ju bem=
felben fierbeiläfet otl !aum eine anbere ^unft unb bem Wen--
fc^en fein :3nnerfte§ beutet. Se^t ift fie p^antaftifd^c mat^t"
matit — unb je^t roieber lauter Seele, unenbli^ fern unb
bod^ nal;e üertraut.
3^re 3Bir!ung ift (b. ^. in ben recl)ten gäüen) fo grofe
unb unmittelbar, ba^ ba§ :i^an!gefül)l fofort nad^ bem Ur=
^eber fragt unb unroillfürlic^ beffen ©röfee proflamiert. ®ie
großen ^omponiften gel)ören ju ben unbeftrittenften ©röBen.
3roeifell)after ift fd^on i^re Unoergänglic^Mt. Sie tjängt erft»
lid^ Don ftet» neuen 2lnftrengungen ber 3^ad^roelt ah, nämlic^
ben 2luffü^rungen, meldte mit ben 2luffül)rungen aller feit»
l^crigen unb (jebe^mal) jeitgenöffifc^en 2ßer!e fonfurrieren
muffen, roälirenb bie übrigen fünfte it;re SBerEe ein für alle*
mal l)inftellen fönnen, unb §n)eiten§ l)ängt fie oon ber ^ort*
bauer unfere^ 2:onft)ftemg unb W)X}t^m\i^ ah, roelclie feine
croige ift. SJ^ojart unb Seetljooen fönnen einer fünftigen
aJienfd^l^eit fo unoerftänbti^ toerben, al§> un§ je^t bie grie-
ä)\iä)e, oon ben ^eitgenoffen fo ^od^ gepriefene 3)iufif fein
Die biltoril*« 6röfee. 229

iDürbc. Sie werben bann auf Ärebit grofe bleiben, auf bie
entjürften 2lu^fagen unferer Seit I)in, etioa toie bie Waki
beö 2I(tertum5, bereu SBerfe üerloreu gegangen.

Unb nun äuni ©c^luffe nod^ ©ineS: 2Benn fic^ ber ge-
bilbete 3«eu)^ bei ^unft unb ^oefie ber SSergangen^eit sunt
3)la\)k fetJt, tüirb er bie fd^öne SWon, bafe ^ene g lud Udo
geroefen, all [ie bie§ ©rofee f(^ufen, nie oöllig dou fic^ ah-^
roe^ren !önnen ober lüoUen. ^enc freiüc^ retteten nur
mit großen Opfern ba§ ^beale i^rer Seiten unb fämpften im
ttigürfien 2ehm ben 5^ampf, ben roir aöe fämpfen. ^i)xt
©d)öpfiingen fe^en nur für unS au§ wie gerettete unb auf*
gefparte ^ugenb.

25on ^unft unb ^^oefie au§ ift ber näc^fte Uebergang auf
biejcnigen ©röfeen, welche wefentlid^ ber ^unft unb ^oefie i^r
SDafein oerbanfen: auf bie ©eftalten be^ 9)h;t^ug. (S§
mögen t)ier atfo biejenigen folgen, raeld^e entroeber gar nic^t
ober ganj anber§ e^iftiert t)aben, alö fie uns gefd^ilbert
werben, bie ibealen ober ibealifieiten 3)iänner, welche entioeber
all Stifter unb (Srünber an ber Spi^e ber einjelnen dla--
tionen fte^en ober all Sieblingigeftalten ber ^i>olflpi)antafie
in ein ^eroifdjel 2llter ber S^^ation oerfe^t werben. 2Bir
bürfen fie bel^alb nid^t übergel)en, weil biefec ganje Kapitel
ber Umbeutung bei ^iftorifc^ '^ort)anbenen unb ber S^eu«
fc^affung öon nid^t ©Eiftierenbem ber ftärffte 33eroeil für bal
33ebürfnil ber 33ölfer nad) großen 9tepräfentanten ift.
^ief)er gef)ören biejenigen ^eroen bei 3Jti}t^ul, loetd^e
teilweife oerblafete ©otter, @ötterföi)ne, geograp^ifd^e unb
politifc^e 2tbftrafta ufw. finb, unb jwar juerft bie Dkmenl»
Ijeroen unb SIrdiegeten einel SSolfel a(l mr)tf)ifd)e 3iepräfen'
tanten feiner @in|eit.
©ie finb (sumal bie 9kmenlf)eroen) faft präbifattol ober
bod^, roie 9?oa^, ^Imael, fetten, ^uilfo unb 3}iannul nur
230 V. Das Jndividuuin und das Hllgemeine.

bnxä) rocnifle ßüge aU bie ©rünber bejeic^net ; bte ßteber, bie


üon t^nen ge^anbelt ^aben mögen (fo laut ber ©ermania be§
Xacituö bie auf ^ui!?!o unb 3Jiannuö), finb ocrtoren gegongen.
Ober aber i()re i^iograp^ie eniljält fd^on finnbilblid^, roie
bie beg 2lbrat)am, 2)f(i^em[d^ib, ^f)e[eu§'), 9iomutu§ unb
feiner @rgän5ung Sfiuma ein ©tüdf oon ber ©efd^id^te beS
$8olfe^, namentlid) feiner roic^tigften 3"ftitutionen in fid^.
2lnbere finb m6)t forool^l 9lrd^egeten, aU reine ^beale,
in toeldien ba§ ä>olf nid^t bie Öefc^id^te einer ^oü§, fonberu
bireft fein (SbelfteS perfonifijiert : 2ld^i(I, raeldier früi) ftirbt,
n) e i I ba§ ^beal für bie 9Belt ju l^errlic^ ift, ober Obi;ffeul,
toetd^er lange ^al^re gegen ben §a^ geroiffer ©ötler !ämpft
unb burd^ Prüfungen ben ©ieg erringt, biefer ber S^lepräfens
tant ber roirüid^en ©igenfd^aften be^ urjeitlid^en @ried^en,
ber ©d^laufieit unb 'i^eljarrlid^feit.
^a nod) fpäte 3Sö(fer erfieben unb oerflären einjetnc
l^iftorifd^e ©eftalten ju populären ^bealen, unb jroar burc^
bie freiefte Umgcftaltung : fo bie ©panier ben 6ib, bie
©erben ben 3}iarco, roeld^e ju Urtgpen be§ 58olEe§ um«
gefd^ äffen finb.
2lnberfeit§ entftefien rein imaginäre oolf^tümlii^e tari»
!aturen, meldte ba§ 2then oon irgenb einer ^ef)rfeite bar»
[teilen unb l^ier aU Setoeife ber Seid^tigfeit be§ poetifd^en
^erfonifijieren^ bienen mögen, ©o ein ©ulenfpiegel ober bie
3}Zag!en ber je^igen italienifd^en ä?ol!^bü^ne: ^enengljino,
©tentereüo, ^ulcineHa ufm. ober bie mit §ilfe beö SiateftS
möglid^en Stabtperfonifüationen ; ja e§ entfte{)t mit ^ilfe ber
3ei(^nung eine ^igur, meldte eine Station perfonifijiert, roie
^ol^n Sufl aU ^äd^ter.
(gnbtid^ finben fid; ^ier au^ ^oftutate be§ duftigen.
tote 5. 33. ber fünftige §elb im ®implisiffimu§ unb bie merf*
roürbigfte ©eftatt biefer 2lrt: ber 2lntid^rift.

^) ^m S^efeug be§ ^lutard^ roirb bie SBebeutung eineä xnari^g


ganj bcutlid^ bargefteßt.
Die biltorifcbe 0röfee. 23](

2lm Singani^ ber eigentlich (jiftoriid^en ©rößen iie§meu


eine fef)r eigentümlid^e Stellung bie yieligion^'ftittcr ein'),
oie gehören im ^öd^ften Sinne ju ben großen 2)iännern,
roeil in ifjnen ba^ienige 3Jietap^i;ufd^e lebenbig ift, roeld^e^
bann fä^ig bleibt, ^Q^i^t'iiM'enbe f)inbur(| nic^t blo§ iE;r $8olf,
fonbern DieÜeid^t noc^ oiele anbere '•l^ölfer 311 be^errfc^en,
b. \). reIigiÖ!S'')ittIid^ beifammenju^alten. 3n if)nen roirb ba»
unbeiüuBt S]orI)anbene beraubt unb ocr^üüt geroefene^ SBoIIen
jum ©efe^. 6ie finben if)re Dteügion nid;t burd^ einen
2)urcf)fc^nittgfQlfuI, ber auf faltblütiger '-üetrad^tung ber fie
umgebenben äiienfdien beruhte, fonbern boiS ©anje lebt in
i^rer ^nbiuibualität mit unroiberfte^lid^er ©eroalt. ©elbft
bo^ unfauberfle ©remplar, 3JioE)ainTneb, bat etxoa^ oon biefer
©röfee.
c^ier^er gehört aü6) bie fpe^ififd^e ©röße ber 'Jieformotoren:
©in Sut^er orientiert bie Sittlid^feit, ja bie ganje 2BeIt'
anfcfiQUung feiner Stn^änger neu. Sagegen ift (Ealoin mit
feiner Sefire gerabe bei feinem franjöfifcfien i^olf unmöglich
geroefen; bie a}le§r^eit ^at er nur in ^oüanb unb ©ng(anb
geroonnen ').
©nblid^ bie großen SJZänner ber fon fügen
l^iftorifd^en äöeltberoegung.
Sie ©efc^id^te liebt eä bi^roeilen, fi(^ auf einmal in
einem 3J?enfc^en 3U üerbid)ten, roel(^em hierauf bie SBelt
gel)orcE)t.
Siefe großen 3»"i)ioibuen fmb bie Äoincibenj be^ SlUge»
meinen unb beö Scfonbcrn, be^ i^er§arrenben unb ber i8e-
töcgung in ©iner ^erfönlid)Eeit. ©ie rcfumieren Staaten,
9kligionen, Kulturen unb Ärifen.
^öd)ft erftaunlid^ finb fd)on biejenigen, burc^ loeld^e ein
ganjcS i^olf au§ einem ^ulturjuftanb plö^lid^ in einen anbern

») Sgl. Safaulf, ©. 125 ff.


-) $icr mü^te aud) noc^ üon ben grofien ®efe|ge5ern gcfproc^en
roecben.
232 V. Das Jndividuum und das Hllgemeinc.

übcrgcl^t, 5. 53. 00m S^omabentum jur Sßelteroberung, roie


bic ajiongolen burd^ ©[d^ingisftian. ^a bie 9iu[jen unter
^seter bem ©rofeen finb ^ier ju erroät)nen; benn fie rourben
burd) i|n ou^ Orientalen 3U ©uropciern. 23olIenbi§ aber er»
fd^einen un§ groB bieienigen, roeli^e Kultur üölfer au§ einem
altern ^uftanb in einen neuen l)inüberfü^ren. dagegen gar
nid^t grofe finb bie bloßen fräftigen 9tuinierer; ^imur l^at
bie 9Kongolen nid^t geförbert; nad^ ii)m war el fi^limmer
als oorl)cr; er ift fo flcin al!§ 3) fd^ingiSfl) an groB ift.
3n ben 5^rifen futminiert in hen grojäen Qnbioibuen
gufammen baS 33eftel)enbe unb bog 9ieue (bie ^teootution).
Sf)r SBefen bleibt ein roa^reS SJlgfterium ber SBeltgef d^ic^te ;
i§r S3er{)äitnig ju i^rer 3^^^ ift ßi" '^^Q^? yä/joc (eine l)eilige
6§e), öoQ^ielibar faft nur in fd^redElid^en 3^^*^"/ roetd^e ben
einzigen pd^ften 3Jla§ftab ber ©röfee geben, unb aud^ allein
nur ba0 33ebürfnig nad^ ber @rö§e l^aben.
3n)ar ift ieberjeit am 2lnfang einer ilrifiS großer Ueber«
flu^ an oermeintlid) großen 3)iännern, wofür man bie zufälligen
2lnfü§rer ber Parteien, oft roirftid^ Seute oon 2:alent unb
griffe, gütigft ju nehmen pflegt. ®abei befielt bie noioe
2]oraugfe|ung, ba§ eine Bewegung oon 2lnfang an il^ren
3Jiann finben muffe, ber fie bteibenb unb ooHftänbig reprä»
fentiere, iüäl)renb fie felber fo balb in 2BanbIungen hinein»
gerät, mooon fie anfangt feine 2l§nung geEiabt.
S)iefe 2lnfänger finb bo£)er nie bie SSolIenber, fonbern
werben oerfd^tungen, toeil fie bie 33eiöegung auf beren anfäng»
lid^em ©tabium barfteHten unb bal^er nid^t mitfommen fonnten,
wäl^renb ha§> neue ©tabium fd)on feine eigenen ßeute bereit
^ält. Qn ber franjöfifd^en Üteoolution, roo bie Sc^id^ten
mer!ioürbig genau abroed^feln, mar felbft roirfUc^e ©rö&e
(ajiirabeau) bem jmeiten ©tabium nid^t melir gerooc^fen.
3öeit bie mciften ber früheren 9teoolution§jelebritäten werben
befeitigt, fobalb ein 2(nberer ber ^errfd^enben Seibenfd^aft
nod^ beffer entfpric^t, roa§ faum fdjroierig ift. SBarum aber
l^aben ÜtobeSpierre unb ©t. Suft unb aud^ 2)cariu§ feine
Die biftorilcbe 6rö6c. 233

@rö§e tvüß QÜer iße^emenj unb unleugbaren ^iftorijdien


Sic^tigfeit? (Solche [teilen nie ein Slügcmeincc, fonbern nur
tas> ^^rogramm unb bic ^But einer '^^artei bar. ^t)re 2ln-
l^änger mögen uer[ucf)en, fie bei ben ^J{eUgion«ftittern unter*
anbringen.
^UjiDifc^en reift, uon SBenigen erfannt, stüifiten geiual^
tigen ©efa^ren berjenige ^cran, roeldier ba5U geboren ift, bie
fc^on raeit gebieijene 53eroegung ju einem 3lb)"d^(uB ju fül;ren,
beren einjelne '^i^ogen ju bänbigen unb fid) rittlings über ben
3Ibgrunb 5U fegen.
2)ie ©efa^ren ber 9(nf an ge finb tijpifc^ bargefteflt
in ber 3trl, roie ^ö^robes nad) bem ^^fii^fi"^ fa^nben läfet.
— (Säfar toirb roegen 2;rogec> gegen ©ulla löbli(^ bebrobt,
ber üiele „3}?ariufe" in i^m a§nt, GromroeH mit '^^rojeffen
§eimgefu(^t unb an ber 3Iu5n)anberung get)inbert. ^rQ^nb
ettoa^ Doii bem aufeerorbentlid^en SBefen be^s ^^etreffenben
pflegt nämüd^ boc^ fd)on frülje burdijubligen.
2ßie Diele ^öd)fiau§geftattete untergingen, bil ßiner fic^
von ©tabium ju Stabium burd^fd^lug, brüdt fic^ bann al§
9tücffc^(og au§ in bem ^^ataliiämug oieler großen 3Jiänner,
obfc^on babei anö) ein ©tücf yiu^mfinn tätig ift, inbem man
}id) offen für luiditig genug erflürt, um für ba§ ^atum ein
ernfteiä Cbjett ju fein.
2)er ©rbfürft eine^ großen DleicbeS ift groar über biefe
©efaljren ber Anfänge ^inan^ unb tritt gleich biejenige a)ta(^t,
in welcher er ©röße entroicfeln fann, DOÜftänbig an. S^afür
ift er burc^ bie früt)e 2)tögüd)feit oon SBiQfür unb ©enufe
weiter Dom (Srreid^en ber ©rö&e entfernt unb oon 3lnfang
an nici^t 5ur (Snttoidlung aller inneren Gräfte angefpornt.
SBeit ba^ größte 33eifpiel ift 2lleranber ber Wro^e; bann
bürften Rciii ber ©rofee, ^eter ber ©rofee, ^riebric^ ber ©rofee
folgen.
^ier, öor ber Gl)arafteriftif ber C^röfee, ift am beften
audö bie „relatioe ©rö^e" ju erörtern, meldte roefentlid)
23-{ V. Das Jndividuum und das Hllgcmcine.

in ber Xorlieit ober 9iiebrit^feit ber Uebrigen befielt unb nur


a\i^ bem 'Jlbftanb überl^aupt enti'princjt. Dl)m einige bebeU'
tcnbe (Silben fd^atlen ift aud) biefe nid^t benfbor. ©ie ntelbet
fid^ befonberiS in ©rbfüiftentümern unb ift raefentlid^ bie
(Sröfee ber orientalifd^en ©efpolen, üon luelcfier man nur
feiten genau 'Jtedjenfc^aft (\ehen tann, rodi fie fid; nid^t im
Äonfüft mit i^rer äöelt ou^bilben unb ou^iüod^fen unb bof)er
feine innere @efc^id)te, feine ©ntroidtung, fein Sterben ^aben.
2luc^ bie ©röfee ^uftinianS jum '-Btnfpiel ift bie^, ber bann
aber freiü^ mit Unrecht taufenb 2ai)xe lang aU ein großer,
guter unb Ijeiliger 9Jiann gegolten ^at @§ gibt übrigeng
aud) leere Sol)rl)unberte, ipo man mit einer ©rö^e, wie bie
feinige, e^er oorlieb nimmt al§ fonft. 3"'Uc^en bem SCobe
^|eoboric^'5 unb bem Sluftreten 9JIol)ammeb§ f)at gerabe eine
folc^e offisietle ^igur ^la^. 2tber roirflic^e ©rö§e l)at in
biefer 3eit boc^ nur ^^apft ©reger I.

?iun aber mag bie ©röfee auf bie SJienfc^en lo^fd^reitenb


betrad^tct werben. Sßomit unb in roeld^em 3tugenblide be=
ginnt i§re Slnerfennung in ber jebeSmaligen ©egentoart? 2)ie
äjenfd^en finb teils unfic^er unb jerfa^ren unb leicht jum
2lnfd)luB bereit, jum ^eil neibifc^ ober fet)r gteid^gültig.
2öelc^e§ werben nun bie ®igenf(^aften ober Saaten fein, um
berentipiflen bie fc^on längft latent nortianbene Seiounberung
ber näc^ften Umgebung gu einer allgemeinen ^emunberung
roirb?
SÖenn e§ fic^ l)ier nun alfo um ba§ Söefen ber ©röfee
l^anbelt, fo muffen mir un§ oor allem bagegen perroa^ren,
bafe im ^olgenben fit(li(^c ^beale ber aJlenfc^lieit foHten ge=
fd^ilbert roerben; benn ba§ grofee ^nbioibuum ift ja nid^t jum
^:8orbilb, fonbern als 2lu§na^me in bie 2Beltgefd)id^te gefteüt.
pr uns aber finb nun golgenbel bie Umriffe ber ©röfee.
®ie ^ä^igfeiten entmideln fid^ ober fd^lielen fid^ mie
felbftperftänblic^ unD pottftänbig auf mit bem ©elbftbeiouBtfein
unb ben 2lufgaben. 3)er gro^e 3}?enfd^ erfc^eint in jeber
DU biltoritdie 6röfee. 235

Stcfluni] ni^t nur fomptett, fonbern jebe fc^eint für i^n fo»
i^leid^ 5U flein; er füQt [ie ni^t b(o& au^, fonbern er Jann
fie fpr engen.
^rot^Iid) tft, toic lange er fid) loirb bänbit^en, )i6) bie
@rö§e feinet Söefen^ oerjeii)en (äffen fönnen.
9lbnorm ift feine Iliac^t unb i^eid^tii^feit in aüeniiciftigen
(unb felbft leiblichen) j^-unftionen, im (£T!ennen forool;l oU
im Sd^affen, in ber SInaIgfe roie ber Si)ntt)efe.
2)Q3U ift i^m eigen unb natürUd) bie ^äl)igteit, fid) nad;
belieben auf eine <Bad\t ju fonjentrieren unb bann ebeufo
ju einer anbern iiberjuge^en. 3)at)er erfc^einen iljm bie 3^inge
einfach, roäl;renb fie un§ ^öd^ft fomplisiert erfc|einen unb ein^
anber gegcnfeilig ftören. 2Bo roir fonfuS werben, ba roirb
er erft red^t !(ar ').
^a-3 groBe ^nbiüibuum überfiel)! unb burc^bringt febe^
a3erl)ältni^3, im detail roie im ©onjen, nac^ Urfad)en unb
3Birfungen. ®ie§ ift eine unüermeiblid^e j>ninftion feinel
ßopfe^. 2lud) bie fleinen ^a^erl^ätlniffe fielet e^, fd)on roeit fie
in ber aJJuUiptifation gro§ roerben, roälirenb c§ fic^ oon ber
5lenntni5 ber fleinen 3ni)i>Jii>uen bispenfieren barf.
m\iic\ tiav fc^aut e^ jroei ^auptfadien: G§ fiel;t junäd^ft
überall bie rairfüc^e l^age ber Singe unb ber möglidien '^la6)U
mittel unb läßt fid^ burd^ feinen bloßen 3d)ein blenben unb
bur^ feinen Särm be§ 2(ugenblirfg betäuben, ison
aüem Anfang an roeiß e§, melc^e^ bie ©runblagen feiner
fünftigen aiJac^t fein fönnen. Gegenüber Parlamenten, ©e»
naten, 33erfammlungen, treffe, öffentlid^er aJieinung roeiB el
jeberjeit, loie roeit fie roirflic^e aiiäd^te ober blo§ Sd^einmäd^te
finb, bie e^ bann einfach benüfet. Siefeiben mögen fic^ §er=

') Sic oetfc^iebenen @egenftänbe fanben ftc^ bei 9iapoIeon nad^


feiner Slusfage casös dans sa tete comme ils eussent pu l'etre dans
une armoire. „Quandje veux interronipre une affaire je ferme son
tiroir et j'ouvre celui d'une autre . . . Veux-je dormir, je ferme
tous les tiroirs et me voilä au sommeil. "
236 V. Das Jndividuum und das Hllgemcinc.

md) löunbern, ba^ fie blofe 3)iitlel raaren, roä^renb fie fic^
für ^mcde gleiten.
3obanii ober n)ei§ e^ bcn 3}foment be§ (Singreifeng jum
öoraU'5, inäljrcnb roir bie Sad^en erft ^crnad^ au§ ben 3^^'
tungen lernen. 3" beireff biefel aJiomentg beljerrfc^t e§ feine
Ungebulb (roie Diapoleon 17'J7 tat) unb !ennt fein ^a(\en,
Qi id;aut 3llle5 oom ©efid^t^punü ber nuparen ^raft au§,
unb ba ift i^m fein ©tubium ju mül^fam.
Slofee Kontemplation ift mit einer fold^en 2lnlage un*
oereinbar; in biefer lebt oor allem roirf lieber ffiiQe, fid; ber
Soge 511 bemäd)tigen, unb jugleid^ eine abnorme 2BilIeng=
!raft, Toeld^e magifdien Sman^ um fi(^ oerbreitet unb oüc
Elemente ber ^aä)t unb ^errfd^oft an fid^ jiel)t unb fic^
untermirft. 2)abei wirb fie oon i^rem Ueberblicf unb @e=
bäd^tni» ni(^t beirrt, fonbern ^anbl)abt bie Elemente ber
9)loc^t in il)rer ridjtigen Sloorbinotion unb ©uborbination,
gons al» gehörten fie i§r oon ^oufe an^.
Drbinärer ©el^orfom gegen irgenbmie §ur SJfod^t ®e»
fommene finbet fid^ balb. ^ier bogetjen bilbet fid^ bie 'ä^nmq
ber ^enfenben, bofe bo§ grofee 3"t)iüibuum bo fei, um Singe
ju ooQbrincjen, bie nur il)m möglid^ unb bobei notroenbig
feien. ®er äßiberfpruc^ in ber 5Hä^e wirb oöHig unmöglid^;
wer nod^ roiberftelien roiß, mufe au^er bem Sereid^ beg 33e=
treffenben, bei feinen geinben leben unb fonn il;m nur noc^
auf bem ©diloc^tfelb begegnen.
„Je suis une parcelle de rocher lancee dansl'espace,"
fagte Diapoleon. Bo ou^gerüftet, tut man bann oud^ in
roenigen ^o^ren bie fogenonnte „2lrbeit oon 3a§rl)unberten".
(gnblic^ aU fenntlic|fte unb notmenbigfte ©rgönsung
fommt ju biefem allem bie 6 e e l e n ftärfe, lueldfie e^ allein
oermog unb ba|er oud^ allein liebt, im ©türme ju fahren,
©ie ift nid^t blofe bie poffioe ©eite ber SöiaenSfrafl, fonbern
oerfd^ieben oon i^r.
©^idfole öon a3öl!ern unb ©tooten, Dtid^tungen oon
Die biftorifAe Grö^e. 23Z

ganjcn 3iDiliiationen fönnen baran Ijangen, baB ein QU&er*


orbentlic^eriDienfd^ cjemitleSeelenipannuiuien unb 3(nftrengungcn
crften ^Kange^ in geroilfen ^nten ouc^ialten tonne.
3llle feitlierige mitteleuropäiidie (^ki'c^ic^te ift baoon be-
bingt, büB ^riebric^ ber ©ro^e h\e<i oon 1759 M§ 1763 in
fupremem ©rabe fonnle.
2lIIe5 3^1'^"^"^^"'^^^^^^^" geiüöljnlidjer ilöpfe unb ÖJc*
müter nac^ ber 3^^)^ ^ö"" ^i^^^ "ii^t erfe^en.
^m (£-rbuIben großer bouernber Öefol^reu, 5. S. he]iän'-
biger 3Itten(at5gefaf)r, bei t)öc^fter 3lnftrengung ber ^nteUigenj,
DoU5iel;t Dai große ^n^ioibuum beutUc^ einen ^iBiüen, ber
über fein Cirbenbafein loeit {)inauereid^t. ©ie^ ift bie ©röfee
beS Cranien-'^TaciturnuÄ unb be^ ^Qrbinal§ 9ti(^elieu. ^e^terer
roar fein ©ngel unb feine Staat^ibee feine gute, aber bie
bamal^ einjig mögti^e. Unb fotuoljl ber ^Tacilurnu^ (n3eld^em
^f)ilipp beftänbig §eimli^e Stnerbietungen mad^te), aU aud^
^üc^eUeu f)ätten itjren ^rieben mit ben ©egnern motten
fönnen.
2)agegen l^aben £oui§ ^^iUppe unb a>ictoria luegen ber
üielen 3(ttentate jroar 3Infpru(^ auf unfere Xeilnatjuie, aber
nirfit auf ü)röBe, loeil ifire ©teüung eine gegebene war.

S)aä atüerfeltenfte aber ift bei raeltgefc^id^tli^en 3nbi=


öibuen bie (See(engrö§e. Sie liegt im iserjid)tenfönnen
auf Vorteile ju gunften be§ Sittlichen, in ber freiroißigen
33efc^ränfung nid^t blo§ au§ Älugbcit, fonbern au§ innerer
©Ute, iöät)renb bie poHtifdje ©röße egoiftifd^ fein mu^ unb
alle 'Vorteile auebeuten roill. 'l^erlangen fann man fie
a priori nid^t, toeil, loie fcfion gefagt, bae große ^u^ioibuum
niclit al^ 'iiorbilb, fonbern al§ Slusnalime l)ingefteflt ift; bie
l)iftorifrf)e ©röfee betrad^tet aber oon üorn^erein aU erfte 2tuf'
gäbe, fic^ ju behaupten unb ju fteigern, unb 3Jiarf)t beffert
tm 2Renfc^en überl)aupt nid^t.
©eelengrö^e möd^te man j. 33., roie ^Nr^ooft^'iparabol in
hex France nouvelle tut, üon Diapoleon nad^ bem ^i^rumaire
238 V. Das Jndividuum und das HUgcmcine.

gegenüber uoii bcm ci[d)iitterten, burd) ein freiem otaatSlebcn


5U t)ei(enben granfreid^ oerlongen. Mm 5RopoIeon fagte
(^•ebruar 1800) 5U a}iatt^ieu 2)uma^3 : .,J'ai bientut appris
en m"asseyant ici (in ber j^auteuil £ubn)ig'5 XVI.), qu'il
faut bien se garder de vouloir tout le bien qu'on pour-
rait faire; Topinion me d^passerait." Unb nun befianbctt
er ^ranfreid^ nid^t aU einen Sc^u^befo^lenen ober Patienten,
fonbern n(§ 33eute.

(Sine ber beutUc^ften groben ber Örö^e in ber 3?er«


gangenl)eit tritt bamit ein, bafe roir bringenb n)ün)d)en (roir
9kc^n)elt), bie ^nbiöibualität näl)er !ennen gu lernen, b. i).
ba§ 23ilb nad^ Älräften 5U ergänzen.
^öei ben ©eftalten ber Urjeit {)ilft eine inbioibnalifiercnbe
l^oIf^pl)antafie nod), ja fie fc^afft woi)i erft ba§ 33ilb.
33ei ben un§ nä^er fte^enben föeftalten fann nur ur»
funblid) bejeußte ©efc^id^te Reifen, woran e§ bann oft gebrid^t.
^^antaften aber legen 33eaebige§ fiinein, unb E)iftorifc^e 910»
manc oerioerten ober üerunmerten bie großen ©eftalten auf
il^re 9Jianier.
(g0 gibt feE)r grofee ^nbioibuen, roeldie bejonberö Un=
glücE gehabt ^aben. Raxi SOkrtett, beffen roeltgefdjid^tlic^e
2Birfung com erften 9tange i[t, unb beffen inbioibueUe ^raft
jebenfalls bebeutenb geroeien, £)at loeber fagent)afte 2Ser!lärung,
nod) aud) nur eine Beile inbioibueüer ©d)ilberung für fid^;
— roa§> etwa oon il)m in ber münblic^en ^rabition lebte,
mag fid) mit ber ©eftalt feine§ @n!el§ üerf^moljen tiaben.
äßenn aber bie 5lunbe reid^Ud;er fliegt, bann ift §öc^ft
roünfd^bar, bafe in bem großen aJlenfc^en ein beraubtes 33er=
^ältnig jum beifügen, jur 5luttur feiner Seit nadjioei^bar fei,
baB ein Stle^-anber einen 2lriftoteIe§ jum (grsiel;er gef)abt |abe.
einem fold^en aüein trauen mir bann eine ljöd)ft gefteigerte
©enialität unb ben roatiren ©enuB feiner roelt^iftorifc^en
Steüung fd^on bei Sebjeiten ju. ©0 benfen mir m§> ßäfar.
Unb atteg ift erfüllt, roenn fid; nod^ Slnmut be§ 2ßefen§
Die biltorifthe Gröfee. 239

unb QÜftünbüdie ^obesoerod^tung J^injugefeQt unb, wie ouc^


bei Gäfor, ber älMOe be« (>5eroinnen3 unb 33erföl)neng, ©in
©ran ©iite! Sin Seelenleben luenigftenö roie baä be§ leiben»
fc^aftlid^en Sllci-anber I
S^ae ^auptporlrät eine;? mangeltjoft aucn^eftatteten 3Jfen=
fc^en erften rliangeiS ift boS DJapoIeon;? in ber France nouvelle
von '^xOvoii'-'^axahoi. Diapoleon ift bie ©aranttefofigfeit in
^^cr)on, infofern er bie in feiner ^anb fonjentrierlen 5^iräfte
einer i)Qlben Söelt rein auf fid^ orientiert. Sein ftärffter
©egenfo^ ift 25>i(^elm III. oon Cronien, beffen ganje po*
litifc^e unb mi(itäri|d;e ©enialität unb ^errtidie gtanbl)aftig'
feit in beftänbigem unb ooQfommenem ßintlang mit ben
roafiren unb bauernben ^ntereffen oon ^ollanb unb ßnglanb
geftanben ^at. 2)a§ allgemeine 9iefultat überroog immer loeil
ba§, maS man etwa über feinen perfönlid^en (S^rgeij oor*
bringen mochte; unb erft nad; feinem ^obe begann fein gan§
großer 9iu^m. 2BiUjeIm III. befa^ unb ^anbiiabte gerabe
aÜe bie ©aben, meiere für feine Stellung im l^öd^ften ©rabe
münfd^bar roaren.

Schmierig ift ex> oft, ©röfee ju unterfdieibeii oon bloßer


3)?ac^t, roeld;e gewaltig blenbet, roenn fie neu erioorben ober
ftarf Dermel)rt roirb. j^ür unfere DJeigung, biejenigen für
groB ju Ratten, burd^ bereu 2:un unfere eigene ©siftenj be*
bingt ift, möge auf ben 2lnfang biefer Grörterung (S. 211)
oerroiefen fein; bie Duefle biefer Steigung befielt in bcm 33e»
bürfni^, unß burc^ frembe ©rö^e rcegen unferer 3IbE)ängigfeit
gu entfc^ulbigen.
33on bem roeiteren ^rrtunx, 3)?ac^t o§ne roeitereS für
©lud unb ©lud für ztmaS' bem 3Jienfc^en ©ebül;renbeg,
3Ibätiuatcg 5U galten, ift ^ier beffer ju fc^roeigen. 33ölfer
^aben beftimmte gro^e :lieben35üge an ben ^ag ju bringen,
of)ne roel(^e bie 2BeIt unoollftänbig wäre, unb jroar oöllig
ot)ne :Hüdfid)t auf bie ^Ikglüdung ber ©injelnen, auf eine
mögli(^ft große Summe oon Seben^glüd.
24(0 V. Das Jndividuum und das Hllgcmcine.

Unoer^ällmÄmiifeiij btenbenb ift oor aüem bie 3Bir!ung


ber iirieiv^ taten, meldte unmittelbar auf ba^i ©c()icffal
Unui()Ui3er einmirfen unb bann luieber mittelbar burc^ ^e=
L^rüiibung neuer "i^erl)ältniifc bei 4^a1ein!§, oieQeic^t auf lange
Seilen.
•J^ao Kriterium ber ©röße ift l;ier Seilerei; benn bto&
militärifc^er dlü^m uerblafet mit ber ^^\t ju blofeer fad^»
t)iftortf($er, friei]5c]efdjicf)tlic^er iHnerfennitni].
3lber biefe bauernben neuen ^erl)ättniffe bürfen nid^t
blofe ^^lad^töerfd^iebungen fein, fonbern e^ mu§ il)nen eine
große (Erneuerung be§ nationalen Sebenö entfpred^en. 3>ft
biel ber ^aH, fo rairb bie :)ia(i)!oett bem Urt)eber unfe{)lbar
unb mit dU6)t eine mel)r ober roeniger beraubte 3lbfid)t bei
jenen ^aten unb baber @rö§e jufc^reiben.
(Sine befonbere ©pegieg ift ber Sieoolution^general:
(S» !ommen im 'Verlauf einer tiefen @rf(^ütterung beS ©taati»
lebenl, — roobei bie 3'tation pl)9fifc^ unb geiftig nod^ frifcE),
ja in einem ^roje^ ber (Srfrifc^ung begriffen, politifd^ aber
bodb fcbon febr aufgelebt fein fann, — beim Döüigen 9Beg=
faÜ ober Unmöglidjroerben früljerer (Sematten Stimmungen
über bie 3)fenfd)en, ba bie Sebnfuc^t nac§ etroaS^ toaS biefen
frül^eren ©eroatten analog ift, unroiberftel;lic^ wirb. 2)a ge»
loölint man )id), bie Quelle öer roeüeren (Srlebniffe in einem
glücflid^en ©eneral ju erfennen ober ju ermarten unb il)m
xtud^ bie (^ahe ber politifc^en S^legierung ju^utrauen, ba ja
bal otaatsleben günftiiiften ^yallel junäc^ft bod^ nur auä
S3efe^len unb (^eljorc^en befteljen !ann. ^riegstaten gelten
bann al«§ oöHig genügenbe ©arantie oor 2tllem ber (Sntft1)luB'
fraft unb ber 2^atfraft, unb babei ift e§ @tner — in S^^ten,
ba man mit SBirrföpfen unb oon -Iserbred^ern unb groar oon
23ielen Unerljörtel Ijot ausfielen ober befürchten muffen,
gür ben ©inen arbeitet bann bie gel)abte 2(ngft, bie Ungebulb
ber fogenannten 9iut)eliebenben (ba§ „wenn er boc^ nur ent»
f(Rieben fertig machte!"), bie g^urd^t forooljl oor il)m all oor
.ten 2lnbern weiter; unb um fi(^ oor fic^ felbft ju red^tfertigen.
Die biltorilAe Gröfee. 24(\

frf)lägt fie äu&erft ijern in Serounberung um. Uebert)Qupt


bilbet bie ^:)>l)antafie oon jelbft an einer folc^en ©eftalt roeiter.
Unb nun ift eben ber entfdjeibenbe a)coment, ba öröjse möc^=
Uc^ lüirb, überbaupt ber, ba bie ^'^antafie ^^ieler fic^ mit
©inem befc^äftigt.
2lber ein folc^er fonn nod^ immer roegfterben wie ^od^e
ober fic^ poUtiid) ungenügenb ertoeifen roie 3)Jorcau. (i'rft
nac^ biefen beiben tarn 3iapoIeon. — 33iel fc^roerer alä er
^attc el Gromroea, ber gwar feit 1644 burd) bie 2Irmee tat»
fäc^Urf) ^err roar, aber bem Sanbe bie tieffte ©rfd^ütterung
unb 5:crreur erjparte; er ^at [ic^ bamit felbft im 9Bege
geftanben.
^m 21 It er tum, roenigften^ in ben gried^ifd^en Staaten,
tro eine ganje ^afte oon freien fämtticb grofe unb ftar! unb
trefflicb fein rooüte, fam man nidjt roef entließ aU ^-clb*
tiauptmann empor. 2luc^ ai^ )tx)iann mürbe feiner ju einer
tiiftorifrfien Wrö§e, obrootjl iniereffante, bebeutenbe ^öpfe unter
ben 2:i)rannen reic^ti^ finb, unb jroar, roeil l;ier ber i^oben
ju eng mar unb iteiner auc^ nur irgenb einen beträchtlichen
^eit ber gried^ifd^eu Aktion unter fiel) bradite, 5^einer irgenb=
mie bem (iianjen entfprac^. 3iUein gleic^moljl gibt ee in ^eüa-^
^Dtenfien, melden mir roal)re, audf) auf bem engften 9iaum
betätigte ©rö^e beilegen. ^:Diit'- unb 9iac^roelt t)aben fid) mit
Seuten befd^äftigen muffen, bie ^öd)ften^ über ba§ Sct)idfal
Don einigen ^unberttaufenben ju entfcboiben (jatten, aber bie
ilraft Ratten, [16:) ber ^eimat im üiulen unb ^öfen objeftio
gegenüberjufteüen.
^enfen luir t)ier oor aÜem an 2:i;emiftofIe». (Sr mar
bebenflict) oon ^ugenb auf; fein ^'ater foü i^n oerftoßen,
feine 3}iutter fic^ feinetroegen er()ängt t)aben, unb bodj tourbe
er fpäter medium Europae <:t Asiae vel spei vel despe-
rationis pignus '). Sr unb 2ltljen ringen beftänbig mitein^
anber; ganj einjig ift, loie er e* im ^:pcrferfriege rettet unb

1) Valer. -^lax VI, 11.


3Beltgef(^ic^tIi($e Betrachtungen. 16
2^:2 V. Das Jndividuum und das Hllgcmeine.

eS bod^ oöUig roic ctroO'S (^-rembe» fid^ gegenübersul^alten roei^,


non bem er inncrlid) frei ift.
^Denjenigen, loeld^e l^ier emporfornen, gelani"^ bieä nur
burd^ einen ilompler von beöeutenben (Sicienfc^aften unb nur
unter l^eftigen C>)efo§ren. 2)qö gonje 2)Q)ein roedte ben
ftärfften inbiuibuellen CS^rgcij, bulbete il^n aber faum an ge«
bietenber ©teile, fe^te i§m in 3ttt)en ben D[trnci^mu§ ent=
geilen unb trieb il^n in Sparta jum ^eimlid^en unb offenen
{^reüel.
S)ie« ift ber berühmte Unbanf ber 9?epubUfen. 2lud^
^erifleg ift i^m na^eju erlegen, roeil er über ben Slt^enern
ftanb, i§r ^öd^fteS in fic^ oereinigte. 3Jcan f)ört nit^t, bafe
er barob al§ über ein inauditum nefas bie (Bötter ange^
rufen ^ätte; er mußte roiffen, ba^ 2ltl)en ifjn eben faum
bulbete.
2)agegen perfonifijierte 2llfibiabe^ 2ItE)en im ©uten unb
Söfen; er ftanb nid)t barüber, fonbern mar Sitten felbft.
^ier liegt eine 3lrt ©rö^c in ber üöHigen ^oinjibenj einer
Stabt mit einem ^nbioibuum. 2)ie ©tabt marf fic^ i|m
tro^ bem Uner^örteften, roa§ öorgegangen mar, roie ein Iciben-
fd^aftlic^e^ Söeib roieber an ben ^al§, um i^n bann nochmals
5U oerlaffen.
Sei i^m ift bie frülie unb permanente 3Ibfid^t, bie
^^antafie feiner 9)litbürger auf fid^ ju len!en, unb auf fid]
aßein. — 2luf Säfar in feiner ^ugenb lenfte fid^ bie ^|an«
tafie ber 9iömer roirflid^, aber oljnc ba^ feine üornel)me 9iatur
biel bejroedt ju f)aben fd^eint. ^reilidb, al5 e^ an bae
Slemterfuc^en ging, beftad^ er bie 9iömer fecfer at'c alle feine
^onfurrenten, ober eben nur ben ©timmpöbel unb nur ad
hoc. 2lud^ fonft ift bie ©röfee ber 9iömer eine mef entließ
anbere al§ bie ber ©riechen.

©e^r jroeifel^aft ift unb bleibt bie ©röfee ber ^ie»


rareren, eines ©regor VII., ©t. 23erntjarb, ^'^"ocenj III.,
meHeic^t aud^ no(^ ©päterer.
Die hiltorilAe 0TÖfee. 24ß

2In i^rem 2lnbenfcii xä6)i iiö) 5unQ(^ft bie folfdie 2Iut<=


gäbe: i§r Ue\<i) in einem dUid) Don biefer Seit ju machen.
2lber auc^, wenn bieg auf fid) berufen bliebe, bleiben boc^
bie 3}Jänner nid)t gro^. Sie frappieren jroar bur^ bie
enorme ftecfljeit, momit fie ber profanen älNelt entgegentreten
unb i^re ^errfd)aft jumuten, aber ^errfc^ergrö§e ju entmideln
fe^It i^nen fd)on bie (^ielegenljeit, meil fie nid^t bire!t, fonbern
unter anberem burc^ Dorljer gemiBl)anbeltc unb erniebrigle
roettlic^e öetoalten l)errf^en, fic^ alfo mit gar feinem 33olfe*
tum roirflid) ibentifijieren unb in bie ilultur nur mit 5ßer»
boten unb poligeili(^ eingreifen.
<£t. i^ern^arb begehrt ni^t einmal Sifc^of, gefd^roeige
^^apft JU roerben, regiert aber oon brausen umfo ungefdieuter
in 5\ir(^e unb Staat l^inein. ©r mar ein Crafel unb ^alf
ben ©eift bce XII. 3a^rl)unbertg unterbrüden; beim fc^lec^ten
3lu§gang feiner ^auptftiftiing, be^ sroeiten Kreujjugeg, ua^m
er einen tüchtigen Sd^ulj üoÜ mit l^erau».
3)iefe ^ierarc^en braud)en fic^ fogar nic^t einmal als
ma|re, ganje IDienfd^en p entmideln, ba jeber üJangel ber
^erfon, jebe ©infeitigfeit unb Unoollftänbigfeit burd^ bie
2ßeil)e gebedt wirb.
(Sbenfo finb fie im Äonflift mit ben melllidien ©emalten
gebedt unb beoorjugt burc^ bie Slnroenbung ber geiftlidien
C^emaltmittel.
'Jtac^melt unb ©efd^ic^te aber bringen biefe unbilligen
'Vorteile in 2lbjug, roenn über fol(^e ''^^erfönlid^feiten geurteilt
roirb.
©inen 33orteil ^aben fie: im Seiben gro§ erfc^einen ju
fönnen unb in ber 3^ieberlage nid^t eo ipso Unrecht ju be*
l)olten roie bie n^eltlic^en @rö§en. 3lber fie muffen oon biefem
i^orteil öebraud) machen; benn rcenn fie in eine ©efa^r
fommen unb fic^ ol)ne OJcarti^rium ^erau^jieben roollen, mad)en
fie einen fd)led^ten 6ffe!t.
©ine roirflidie ©röße unb *öeiligfeit aber hat ©regor
ber ©roBe. <ir Ijat ein roa^ree 23er^ältni§ jur 9iettung non
24;4 V. Das Jndividuum und das Hllgemeinc.

3tom unb ijttilitni uor ber 2Bilbi)eit ber Saiuiobaiben ; fein


dieid) i[t nod^ nidit eiiientlic^ dou biefer 'ißeli; er öerteljrt
eifrici mit 5al)lreic^en '^ifd)öfen unb Saien bei DfjibentI, ot)ne
3n)Qnii iiei^en fie ausüben ju !önnen ober ju tuollen; er ope*
riert nid^t loefentlid^ mit Saiui unb i^nterbift; üon ben 2Beit)e»
fruften bei r ömif d^en 33obenl unb feiner iQeilicjenflrüfte ift er
DöÜig naiü burd^brumjen.

2Benn bie ^dt el erlaubte, müßten nun eigentlich noc^


t)iele Kategorien oon ©rö^en burd^gegangen roerben; inbel
muffen mir unl mit biefen begnügen, um unl nunmelir bem
©c^idfal unb ber S3eftimmung bei großen ^nbi»
oibuumi §U5uroenben.
2ßenn biefel feine 9)Jad^t aulübt, fo roirb el abmec^felnb
all ber ^öd)fte 2iulbrucf bei ©efamtlebene ober all im töb=
lid^en 6treit ir.it bem billierigen 3uftanbe erfc^einen, bil eini
oon beiben unterlegen ift.
Unterliegt in biefem llampfe ber gro^e 3)Zann, j. ^. ein
Cranien^Saciturnul, in gemiffem ©inne auc^ Gäfar, fo über»
nimmt bilioeilen bal @efül)l ber '^a6)weit bie ©ütme unb
S^tad^e unb l)olt bal ganje ^at|ol in bem 53eii)eife nac^, roie
fe^r ^emx bal ®anie oertreten unb in feiner ^erfönlid)feit
bargeftellt ^ahe; — freilid) gefd)iel)t biel oft nur, um für
fid^ felber ju bemonftrieren unb beftimmte 3ßitgenoffen ju
ärgern.
S)ie 33eftimmung ber ©rö^e fi^eint ju fein, baß fie einen
Söitten Dollsie^t, ber über bal Sn^io^^uelle ^inaulgelit, unb
ber je nad^ bem 2lulgang'?punft all 3Bi0e ©ottel, all 2Bi0e
einer 'Mtion ober ©efamt^eit, all 3BiÜe einel 3eitalteil be»
jeid^net wirb. ®o erfd^eint unl je^t im t;o§en (Srabe all
2Bille einel beftimmlen Söeltalterl bie %at 2llejanberl: bie
Eröffnung unb ^eüenifierung 3lfienl; benn auf fein 3:un
follten fid^ ja bauernbe 3iiftänbe unb ilulturen, oft für oiele
^alir^unberte, grünben ; ein ganjel ^Bolfltum, eine ganje 3eit
fd^eint üon i^m ©afein unb Sicherung oerlangt ju l^aben.
Die biltorilAe 6rö6c. 24:5

^ieju beborf e§ aber ouc^ eine^ 2lienid^en, in roeldiem Äraft


unb gätjigfeil Don unenblid^ 3LUeIen fonjentriert ift.
®er ©eiamlioiUe, bem ba§ ^"^ioibuum bient, fonn nun
ein bemühter fein: e§ ooUjie^t biejenigen Unternef)mungen,
Äriege unb ^l^ergeltuiuj^atte, roelc^e bie Dktion ober bie 3eit
^abcn TDitl. 3Uej:Qnber nimmt ^crfien, unb SiSmarcf einigt
2)eut)c^lQnb, Cber ober er ift ein unbemu^ter : ba» ^nU'
üibuum weiß, roa» bie Station eigentlich rooUen müßte, unb
Doüjiebt e5; bie Diation aber erfennt bie§ fpäter ai§> richtig
unb groB an\ ßäfar unterroirft WoIIien, Äarl ber (iirofee
©ac^fen.
Q§, jeigt fic^, jdieint e§, eine ge^eimni^ooHe Äoinjibenj
be§ ©goismuä bee ^^nbioibuumS mit bem, toa§ man ben ge»
meinen Sinken ober bie ©röfee, ben )Hni)m. ber (>)efamt§eit
nennt.

^iebei melbet fid^ bann bie merfroürbige ^i^penfation


Don bem geroöbnlid^en Sittengefe^. ®a fie fonoen»
tionederioeife ben SJötfern unb onbern großen ©efamt^eiten
geftattei roirb, fo loirb fie logifc^ unoermeibUcf) aud^ benjenigen
3inbiüibuen geftattet, bie für bie ®efamtl)eit t)anbeln. 9tun
ift latfärf)lic^ noc^ gar nie eine 3)iad^t o§ne i^erbred^en ge»
grünbet roorben, unb boc!^ enticicEcIn fid^ bie roid^tigften ma»
terieOen unb geiftigen Sefi^lümer ber Stationen nur an einem
burcf) Hiac^t gefiederten- ^afein. So tritt benn ber „3}tann
nad^ bem ^txien ©ottee" auf, ein S)aüib, 5lonfiantin, Q\)[ot<'
roig, roeld^em aQe Stud^lofigfeit nad^gefeE;en rcirb, freilid^ um
irgenb eines religiöfen 3Serbienfte» miÜen, boc^ auä) o|ne
biefes. — ^ür einem Stic^arb III. freiließ gibt e§ feine foldt)e
9tac{)fid)t; benn afle feine 3[5erbrec^en rcaren nur 33erein»
fad^ungen feiner inbioibuellen Situation.
2ßer alfo einer ^^'efamt^eit @rö&e, 3)toc^t, ©laiij oer*
fc^afft, bem roirb ba^ Sßerbredjen nac^gefe^en, namentlid^ ber
23ruc^ abgebrungener politifd^er 23erträge, inbem ber 33orteit
be§ ©an^^en, beö Staate* ober l^otfe^, abfolut unoeräufeerlicf,
24;6 V. Das Jndividuum und das Hllgemeine.

fei unb burd^ nid^t'? ouf etoig bel'diäbigt raerben bürfe; nur
muö man hann fortfaf)ren, groß ju fein, unb raiffen, bau
mon auc^ bcn i)Jacl)foIgern ba€ fatale Segat fiinterläfet, ©enie
l^aben ju muffen, um bai§ geraaltfam ©emonnene fo longe ju
behaupten, bi^ alie 2Belt baran aU an ein Siedet geroo^nt ift.
9Iuf ten ©rfolg fommt i)ier 3lQe§ an. ^erfelbe 'J)Jenfc^,
mit berfelben '!]ßerfönlid^feit au^geftattct gebadet, würbe für
93erbred[;en, bie nic^t ju jenen 9tefultaten fü^iren mürben, feine
9]ad^fidf)t finben. (Srft, roeil er ®ro§e§ üoübrac^t, finbet er
bann biefe 9ia(^fid^t, audf; für feine *!]3riDatoerbred^en.
9Ba!o bie le^teren betrifft, fo \ki)i man i^m bal offene
©eioä^renlaffen feiner Seibenfd^aften nad), roeil man afint,
bafe in i§m ber ganje Seben^pro^eB oiel tjeftiger unb gemal'
tiger öor fid^ ge^e al§ bei ben cieroöfmUdien 9iaturen. 3lud)
bie oiete 'l^erfud^ung unb bie otraflofigfeit mögen i^n teil*
roeife entfc^ulbigen. Unb baju fommt bie unftreitigc ^iser*
roanbtfc^afl be§ ®eniu§ mit bem Söafinfinn. ^lleranber
oerriet öielleid^t ein beginnenbe§ ^rreroerben, aU er bei ber
Trauer um §epf)äftion einen materiellen 2lu2brud fachte
roie ba^ ©d^eren aller Stoffe unb bie ©emolition aller
©täbtejinnen.
6§ roäre nun gar nid^t^ gegen jene 2)i^penfation oor»
jubringen, roenn bie ^flationen roirflid^ etroa« fo Unbebingte^,
a priori gu eroigem unb mächtigem 2)afein Serec^tigteg roären.
2tllein bie§ finb fie nid^t, unb ba§ Segünfiigen bei großen
SSerbred^erl ^at aud^ für fie bie ©d^attenfcite, bajä beffen
2)^iffetaten fic^ nid^t auf baljenige befd^ränfen, roa§ bie ®e*
famt^eit groB mad^t, ba§ bie Slbjirfelung bei löblid^en ober
notroenbigen S^erbrec^enl in ber 21rt bei Principe ein ^^rug^
bilb ift '), unb ta'B bie angeroanbten ajJittel auf ba§ :3nbi-

') 9fapoleon auf ©t. öelena nimmt einfad^ bie ^{otroenbigfeit alä
3JJa^ftab an: „Ma grande maxime a toujours ete qu'en politique
comme en guerre tout mal, füt-il dans les regles, n'est excusable
qu'autant qu'il est absolument necessaire ; tout ce qui est au delä,
est crime."
Die biftorilcbe öröfee. 24:7

lübuutn jurücfiuirfen unb ifjm auf bie :^änge au6) ben (5)e=
fd^macf an ben grofsen 3roßcEß>^ nehmen fönnen.
(Eine jefunbäre :Kec^tfertigung ber 93erbrec^en ber großen
^nbioibuen fc^eint bann barin ju liegen, ba§ burd^ biefelben
ben ^üerbreiten ja^llofer SInbern ein (Snbe gemad^t roiib.
S3ei biefer 3)ionopolifierung beiä :i'etbre(^en§ burd^ bie ^err=
fd^aft eine^ öefamloerbrec^erö fann bie Sefurität be^ Öanjen
in lodern @rabe i^ebei^en. 'Iküox er auftrot, l^atten oieücidit
bie 5lräfte einer glänjenb begabten 9?ation in bauernbem
3ernic^tung^fampf gegeneinanber gelegen unb Ratten ba» 3lut^
fommen alle§ beiien oer^inbert, roaS ju [einer S3lüte 9iulie
unb ©ic^erljeit uerlangt. 2)a^ große ^^nbioibuum aber ger»
[tört, bdnbigt ober engagiert bie roilben ©injeleiioiämen ; fie
abbieren fid^ plö'^lii-^ ju einer 'Diac^t, bie in feinem Sinne
roeiterbient. ^n folgen j^ällen — benfen mir 3. 33. an
gerbinanb unb ^label — erftaunt man bann biäioeilen über
ha^i raid)e unb glänjenbe 3lun'd^ieBen ber bi^l)er jurüd»
gehaltenen 5luttur, roelc^e bann ben 9iamen be3 großen
3)?anneö trögt als bag 3al)rl)unbert bei 9i. 9t.
önblid^ fommt für ba§ politifc^e ^üerbre^en noc^ bie
befannte Sebre inSetrad^t: „2Öenn roir eS nic^t tun, fo tun
e§ 3inbere." äluin mürbe fic^ im 9]ac^teil glauben, menn
man moratifc^ »erführe, '^a eS fann eine fc^rerflic^e '^at im
2lnjug fein, in ber Suft liegen, welche bem, ber fie üoüäie^en
roirb, ^errfc^aft ober 9}Jac^tjuroa^§ fiebert ober gar erft oer»
lei^t, unb nun ooüjie^t bie befte^enbe ^Regierung, roenn fie
nid^t beifeite gefc^oben roerben roill, baS 33erbred^en. ©0 he-
mäcbtigt fi^ JRot^arina ÜJebici ftatt ber ©uifen ber Slut»
^oc^jeit. 2Benn )k in ber Jolge ©röfee unb roirflic^e ^errfc^er*
fraft beroiefen ^älte, fo mürbe i^r bie franjöfifd^e Station ben
©reuel oöUig na^gefe^en l)aben. 2ltlein fie geriet fpöter bod^
ins Schlepptau ber ©uifen unb §at nun bie ^erbammniS
uu^loS auf fiel). — 3lud^ über ben StaatSftreic^ oon 1851
märe §ier ein 2Bort ju fagen.
24(S V. Das Individuum und das Hllgemcinc.

3BqS ben inneren ©porn be§ großen 3nbioibuum§


betrifft, fo fteüt man in erfte Sinie meift ben 9iuE)me§ftnn
über beffen geroö^nlidje 2lueiprägung, ben (S^rgeiä, alfo ba§
33erlQngen na6) -Wu^m bei ber SJiitroelt, einem 9iu^me, ber
bod^ eitjentlid^ me^v @efü()I ber 3lbI)Qngigteit, aU ibeole 33e-
«junberung ift ^). ^nbeS ber (S^rgeij roirtt bod; nur fefunbär
mit unb ber ©ebante an bic Slac^roelt erft tertiär, fo berb
bi^roeilcn ber 9Iu§brucE lauten mag, wie benn 9lapoleon auf
@Iba fogte: „Mon nom vivra autant que celui de Dieu"^).
@in fe^r auSgefprod^ener ®urft nad^ biefem 9iul;m raar aüer«
bing§ bei Stiejanber ooriianben; anbere gro^e 9}Mnner aber
^aben fid^ nic^t erioeislid^ mit bem ©ebanfen an bie 9kd^--
roelt befd^äftigt ; e^ mod^te i^nen genügen, roenn i^r ^un bie
©d^icEfale berfetben beftimmen ^alf. 2lud^ lieben roo^l 3Jiäd)»
tige el^er bie ©d^meidielei al§ ben ^lui^m, raeil le^terer nur
i§rem @eniu§ ^ulbigt, rooöon fie \a o\)ne\)in überjeugt finb,
crftere aber i^re 9Jiad^t fonftatiert.
S)a§ ©ntfd^eibenbe, 9teifenbe unb oüfeitig erjie^enbe ifi
üiel e{)er ber 3Jt ad) tf in n, ber al§> unroiberftel^lid^er SDrang
ba^ grofee Snbiöibuum on ben S^ag treibt, auc^ wo\)[ in ber
Siegel mit einem fotdjen Urteil über bie 9JJenfd&en oerbunben
ift, ba^ nid^t me^r auf ba^ jum 3fiul)me fummierte aJieinen
berfelben, fonbern auf i^re Unterorbnung unb §8raud^ barfeit
gefeiten loirb.
2lber ber Stu^m, roeld^er cor benen fliel^t, bie i^n fuc^en,
folgt benen nad^, roeld^e fic^ nid^t um i^n bemühen.
Unb groar gef(^ie^t bieg in jiemlid^er Unob^ängigfcit
oon bem fad^lid^en ober ^ad^urteil. ^n ber S^rabition, im
populären Urteil rid^tet fid^ nämlid) ber Segriff ber ©röfee
nid^t au§fd)lieBlid^ nad^ bem gel^abten 33erbienft um ba§ er»
l^ö|te ©ebei^cn be§ ©anjen, aud^ nid^t nad^ genauer 3)^effung
ber ^äl)igfeit, \a nid^t einmal nad^ ber l^iftorifd^en SSid^tig«
') 2luc^ ber 3iu^tn bei ber Okc^tceU ift nic^t ganj frei baoon;
mon t)erel)rt ben Sängftoerftorbenen, Don roelc^em unfcr ©afein bebingt ift.
^) g'Ieur^ be G^aboitlon, mem. I, ©. 115.
Dit biltorilAe 6r5bc. 24;9

teit, lonbern hai (iiufc^cibenbe ift am (jnbe boc^ bie „^^cr=


1önlic^!oit", beren i^lb fic^ macjifc^ raeiter ücrbreitet. ^ieS
ift 5. ii rec^t gut bei ben .sooljenftaufen niK^äuroeifen, oon
benen ber ^od)iüici)tige ^geinrid) \'l. rein üergefien ift, oon
Konrab III. unb IV. jelbft bie Flamen üergeifen [iiib (roä^«
renb bie ^onrabiiv^rae^mut DOÜenb^^ ganj neuen TatumS ift),
^riebric^ I. bagegen mit bem in ber ^erne oerfc^iüunbenen
^riebric^ II. jufammcngefc^nioljen rourbe. Unb nun loutbe
beffen aiUeberfomtnen erroartet, befjen ibaupttebenÄsiel, bie
Untevmerfung ^tQUen^, mißraten unb beffen 9iegieiung5ftjftem
im :)ieid) oon fel^r jioeifeU)Qftcin Oi^ert geioefen loar. Seine
^erfönlic^feit mufe bie 9iefultate weit übenoogen ^aben; ge>
meint roor aber mit ber (Srroartung boc^ ioo|I ^riebric^ I.

eigentümlid^ ift bie Umgeftaltung unb Järbung,


loeldie bie einmal für gro^ ©rfanntcn erfahren. On ne prGte
qii'aux riches; Hiäc^tigen bietet man oon felber 2lntei§en
bar, unb fo bcfommen bie großen iluinner oon i^ren ^la--
tionen unb Sefennern foioot)l geroiffe ©igenfc^aften all Qud^
Sagen unb 3lnetboten geliehen, in meieren eigentlich irgenb
loeldje Seite beS :i>olfeti)pu§ fic^ au§fpricf)t. (Sin Seifpiel
au5 Ijeller ^iftorifc^er ßeit bietet ^enri IV. 2lu^ ber fpätere
^iftorifer fann fid^ ^ier nic^t immer frei galten; fc^on feine
Duellen fönnen unbeioufet baoon tingiert fein, unb eine all«
gemeine Söalir^eit liegt immerhin in foldien fingierten 3u=
taten.
S^agegen ift bie Jtac^roelt e^er ftreng gegen folc^e, bie
einft bloB mä^tig geioefen finb, wie ^liouiä XIV., unb malt
fic^ biefelben inl Sdjlimmere aul.
©egenüber ber Stjmbolifierung bei Dktionalen ober ber
©r^ebung ber ^vetfönlic^feit jum %x)vn^ tritt aber aud) eine
^bealijierung auf. 'Dtit ber 3eit nämlic^ werben bie
grofeen 3)Jänner oon jeber ^raglid)feit ber 2:aj:ation, oon jeber
::)?ad)n)irfung t>el Raffel berer, bie unter i^nen gelitten, frei:
ja i^re obealiuerung fann bann in mel)rfac^em Sinne ju-
250 V. Das Individuum und das Hllgemeine.

glcidb erfolgen, fo bie Staxl^ be§ ©rofeen aU ^elb, prft unb


^eiliger.
2Sir fe^cn jn)i)($en Stannen be3 ^ot)en ^ma l^inburd^
in roeiter %etm einen berüi)mten ©ipfel mit eroigem ©d^nee;
er roirb freilid^ sugl^id) üon oielen anbern Orten auä in anberer
3lrt gefe^en, burd) äöeinlouben über einen gewaltigen ©ee
t)inroeg, burd; i^ird^enfenfter, burd^ enge ^aUengaffen Ober-
italienl; er ift unb bleibt aber berfelbe 3)?ontblanc.

2)ie als ^beale fortlebenben großen 2J?änner l)aben einen


l^o^en äöert für bie 3Belt unb für i^re 'Jtationen inlbefonbere ;
fie geben benfelben ein ^atl)Ol, einen ©egenftanb be§ ©nt^u-
fiasmuS unb regen )u bi§ in bie unter ften ©d)id)ten inteUeftuell
auf burc^ ba^5 öage ©efü^l oon ©röfee; fie galten einen l)ol)en
3)?a&ftab bcr Singe aufrecht, fie Reifen jum äöieberaufraffen
au!s seitroeiliger ©rniebrigung. 3fapoleon, mit all bem Un»
§eil, roelc^e^ er über bie ^^ransofen gebracht, ift bennod^ roeit
überroiegenb ein unerme^lid) roertDOÜer SSefi^ für fie.
^eutjutage ift junöc^ft eine ©c|idjt oon Seuten au«§u*
f(^eiben, roel^e fid) unb bie 3eit oom 33ebürfni§ nad) großen
ajJännern emanzipiert erflären. ©§ l^ei^t, bie je^ige ßeit
roollc i^re ©cfc^äfte felber beforgen, unb man ben!t fid) etrca,
e§ roerbe o^ne bie Sserbred^en großer 9)Zänner ret^t tugenb*
§aft juge^en. 2ll§ ob nid)t bie kleinen, fobalb fie auf 2Biber*
ftanb ftofeen, eben anä) böfe mürben, abgefe^en oon ilirer
©ier unb ilirem DIeib untereinanber.
2lnbere führen bie emanjipation (XB. roefentlic^ nur
auf ben intelleftuellen ©ebieten) praftifd^ burc^ mittelft aH-
gemeiner ©arantie ber 9JZebio!rität, Stffefuranj geroiffer mitt=
lerer Talente unb falfd^er, an ilirem fc^neUen S)al)erraufd)en
fenntlic^er 9tenommeen, bie bann freiließ au^ balb planen':.
S)a0 Uebrige tut bie poliseilic^e Unmöglid^feit aQeS großartig

1) 2ll(erbing§ gibt c§, je nad^ bem fja^e, auä) ed^ten unb babei
fclir ra^c^ burd^ ptö^tic^e entf)üaung be^3 ®emuä geroonnenen 91u^m.
Die biltorilAe 6rö6e. 25 ^

(Spontanen, 'üiäd^tige Dtegieruni^en \)ahen einen SBiberroiÜen


gegen boS ©eniale. ^m ©toole ift e^ faum ju „brauchen",
au^er naä) ben ftärfften 3lffommobaltonen: benn bort ge^t
2IIIe^ noc^ ber „S3rQud;barfeit". iHuc^ in ben übrigen Gebens«
ric^tungen liebt man nte^r bie großen Talente, b. \). bie Slu«'
beutunci^fäf)igfcit be§ ©egebenen, ai^ ba§ ©ro|e = 9Zeue.
S)a',ioi[c^en ober oerlautet bi^ioeiten leftitie^ S3eget)r
nac^ großen liiännern, unb ba$ fiauptfäc^lid^ im ©taat,
roeil bie ^inge in allen großen Sänbern auf eine foldie 33al)n
geraten finb, ba§ man mit geroöfjnlid^en 2)t)naften unb Cber»
beamten nic^t mef)r bur^fommt, fonbern ©rtraperfonen ^aben
foüte.
2Benn aber ber gro^e 3Jiann fäme unb ni(^t gteid^ in
feinen :)lnfänc^en unterginge, fo ift nod^ bie ?^roge, ob man
i^n nid^t jerfc^roalen unb burc^ ^oi)n über it)n 2)Jeifter mürbe.
Unfere 3eit t)at eine jermürbenbe ^raft.
5^agegen ift bie 3eit fe^r geneigt, fi^ seitroeife burc^
3Ibenteurer unb ^()antaften imponieren ju laffen.
3n frifc^er Erinnerung ftet)t auc^ nod), roie man fic^
1848 nad) einem großen aJianne feinte, unb womit man bann
in ber j^olge oorUeb na^m.
3Rid^t iebe 3eit finbet i^ren großen a)lann, unb nic^t febe
gro§e ?^ä^ig!eit finbet i^re 3eit. aSieüeic^t finb je^t fe^r
große 'UMnner oor^anben für ^inge, bie nid)t oort)anben finb.
SebenfaÜ^ fann fic^ ba§ üor^errfd)enbe ^at^oä unferer ^Tage,
ba§ Sefjerlebenroollen ber 'üJJaffen, unmöglich ju einer roa^r»
^aft großen ©eftalt oerbic^ten. 2Ba§ mir oor un§ fef)en, ift
e§er eine aEgemeine a^erfla^ung, unb mir bürften ba^ 2luf^
fommen grofjer ^nbioibuen für unmöglich erftären, menn un^
nic^t bie 2tf)nung fagte, ba^ bie 5lrifi§ einmal oon i^rem
miferabeln Terrain ,;Wi^ unb ©riüerb" plö^lid^ auf ein
anbereg geraten, unö baB bann „ber 9ie^tc" einmal über
3iac^t fommen fönnte, — roorauf bann Mt^ binterbrein
läuft.
252 V. Das Jndividuum und das HUgcmcinc.

®enn bie grofecn aJiänner finb 5U unferem Seben not»


tuenbig, bomit bie rocltgefc^id^tlidje ^Seraegung \i6) periobifd^
unb ru(!it)eife frei maä^e von bloßen abgcftorbencu fiebcnS*
formen unb öou refleftierenbem ©efd^roä^.
Unb für ben benfenben 9}tenfd^en ift gegenüber ber ganjen
bisher abgelaufenen Sßeltgefd^td^te ba§ Dffenfialten beS ©eifteä
für jebe &xö^e eine ber roenig fidleren 33ebingungen beä
^ö^eren geiftigen @lü(fe§.
VI

Heber (5Iflrf unö Unglücf in 0er tDcttgefdjid)!«.

3n unferem citienen 2eben finb toit geroötint, bae un§


©etoorbene teils als ®iüd, teils als Unglücf auf jufajfen unb
tragen biel roie felbftüerfiänblid^ auf bie oergangenen ßeiten
über.
Dbn)ol)l uns Don 2tnfang an babei ^mi^d auffteigen
mü§ten, inbem je mä) SebenSaltern unb Erfahrungen unfer
Urteil in eigenen Sa^en [ic^ ftarf änbern fann ; erft bie le|te
SebenSftunbe geroäfirt ben ab)cl)lieBenben Sprud^ über bie=
jenigen aJienfd;en unb S)inge, mit melden roir in 33erü^rung
gefommen finb; — unb biefer ©pruc^ !ann gonj oerf trieben
lauten, je nac^bem rair im oierjigften ober im ac^tjigften 3ol)re
fterben ; — unb er Ijat boc^ nur eine fubjeftiöe 35}a^rl)eit für
uns felbft unb feine objeftioe. ®aS erlebt ooüenbs i^eber,
ba§ i^m frütjer gel)egte Sßünfd^e fpäter als ^Torlieit oor-
fommen.
^ro^ allem aber l)aben fic^ gefd^id^tlic^e Urteile über
©lud unb Unglücf in ber 2Scrgangen§eit gebilbet, foroo^l
foldie über einzelne (Sreigniffe als folcbe über ganje Seiten
unb 3uftänbe, unb jwar liebt berartige Urteile ^auptfäc^lirf)
bie neuere S^it-
SBo^l gibt eS auc^ einige ältere 3luSfagen: 2)aS SBo^l»
betragen einer über 2)ienenbe ^errfc^enben illafje fprid^t fid^
25^^ VI. aeber 6lüA und anglüA in der CaeltgelAiAte.

^iii unb lüieber, j. '^B. im Stolion beg ^i;breo§') qu^;


IKadjiaüelli-) rül;mt baS 3iot)r 1298, freilid) um ben c][eid^
barouf crfoli^ten Umfci^laii bamit in Slontraft ^u fe^en, urio
ä^nüd^ Seidjnet ^uftingcr boö 33ilb beS alten 33ern um 1350.
2)ieg alleä ift jroar oiel ju lofal unb baö betreffenbe @lü(f
berul^te jum 2:eil auf ben Seiben 2lnberev; bod; ^ahcn
immerhin biefe äluäfagen roenigften^ bie 9iaiöität für fic^ unb
finb nid^t im ©inne n)eltgefd)id^tUd)er ^etfpeftioen erfonnen.
2Sir aber urteilen j. 23. folgenbermafeen:
@§ loar ein ©lud, ba& bie ©riedjen über bie ^crfer,
9iom über ^ort^ago fiegte. —
©in Unglüd, ba^ 2ltl^en im peloponnefifdjen Kriege ben
Spartanern unterlac]. —
®in Unglüd, ba§ ßäfor ermorbet lourbe, beoor er bem
römifc^en SBeltreid^ eine angemeffene j^orm fidlem fonnte. —
©in llnglüd, ba§ in ber ä>ölferroanberung fo unenblid^
33ieles oon ben ^öc^ften (Srrungenfd^afteu be^ menfd^lic^en
©eifte§ unterging, —
©in ©lud aber, ba^ bie äßelt babei erfrifc^t rourbe
burd^ neuen gefunben SSölferftoff. —
(Sin ©lud, ba& ©uropa im VIII. 3al)r^unbert fid^ im
ganjen be§ S^^öh^^ errae^rte. —
©in Unglüd, ba^ bie beutfd^en i^aifer im Äampf mit
ben ^väpftcn unterlagen, unb ha^ bie Äirdie eine fo furi^tbore
©eroalt^errf(^aft entioideln fonnte. —
©in Unglüd, ba§ bie 'Deformation fic^ nur in lialb ©u»
ropa ooüjog unb bafe ber ^rotefianti^mu^ fic| in jroei ^ow-
feffionen teilte.
@in ©lud, "Oa^ Spanien unb bann Subioig XIV. mit
i^ren 2öelt|errfd)aftgplänen am ©nbe unterlagen ufro.
j^reilic^, ie nä^er ber ©egenwart, befto me^r ge^en bann
bie Urteile au^einanber. 3)?an fonnte aber fagen, ba^ bamit

») 33ergl. e. 30 3(nm. 2.
2) Stör. Fior. II.
\1. Qcbcr 61ÜA und önglüA in der CadtgclcbiAtc. 255

geilen ba^ Urteilen an fid) nic^l^ beroiefen fei, inbem bas»


felbc, fobalb num eine ctroaS i^röfeere ^eitenfoUic überfe^c,
fein gute^ :)ied)t ijabi unb bic Urfac^en unb SBirtungen, bie
ßreii^niffe unb ^o{(\en rid^tig frfjäfeen fönne. .

ßine optifc^e 2;äufd)ung fpiei^elt un0 ba^ (^Uürf in c^e^


roiffen Seiten, bei geroiffen Isölfern üor, unb toir malen eS
imc^ Slnaloi^ie ber menfd^Uc^en 3"flenb, beg j^rüljlingg, bei
Sonnenaufgangs unb in anbern 33i(bern au§. ^a roir benfen
eö une in einer fc^önen ©egenb, in einem beftimmten ^aufe
roo^n^aft, etroa mie abenbUd)er 9taud) au? einer entfernten
glitte bie Söirfung l^ot, baß roir un§ eine ä^orfteüung von
ber ^""iöfß^t jioifdien ben bort SBol^nenben marf)en.
5lu^ ganje 3ßit alter gelten al§ glüdlid^ ober unglücf=
lic^; bie glücflid^en finb bie fogenannten ^lütejeiten ber 3J?enfd)=
l)eit. ©rnftlic^ roirb etroa ^iefür baS perifleifc^e ßeitalter in
3tnfpruc^ genommen, in roelcbem ber ^ö^epunft be» ganjen
SebenS bes 3(ltertumS in bejug auf Staat, ©ejeüfdjaft, ^unft
unb ^oefie erfonnt roirb. 3Inbere bergleid)en S^italter, 5. ^.
bie S^it ber guten ilaifer, finb, als ju einfeitig gerodelt, auf=
gegeben roorben. Xoä; fagt woä) dlcnan ') üon ben brei ^a\)V''
^e^nten jroifd^en 1815 mx'o 1848, ^§> feien bie beften, roelc^e
5ranfreid^ unb oieHeid^t bie a)tenfc!)l)eit erlebt Ijabe.
2115 eminent unglücflid^ gelten natürlid) alle 3^ile" großer
3erftörung, inbem man bas ßlücfegefü^l bcä Sieger^ (unb
jroar mit Stecht) nid^t ju rechnen pflegt.

GS ift erft ein 3u9 ^^r neueren :ßei{, benfbar erft bei
bem neueren 'Setrieb ber @efc^id)te, fold^e Urteile ju fällen.
Da^ 2lltertum glaubte an ein urfprünglid^eS golbeneS ;^e\U
alter, auf roelc^eS bin bie ^inge immer fc^limmer geworben;
:Qefiob malt baS „je^ige" eiferne 3eitalter mit büfteren 9iad)t=
färben, ^n ber jefeigen 3^it maä)i fic§ e^cr eine 2§eoiie

') Questions coutemporaines S. 44.


256 VI. Qcber 0lii* und anglüA in der ttleltgelAicbte.

ber inad^l'enben IserooHfornrnnung (ber fogenaimte j^^ortfdjritt)


jugunfteii uon ©egcnroart unb 3"^""f^ geltenb. — ©o oiet
lafjen bie präljiftorifdien ©Jitbecfungen erraten, baft bie üor=
gefc^ic^tlid^en geiten be§ 9}ien[(^engefc^led)tä in großer ©umpf»
Ifdt, ^alblierifd^er 2lngft, 5lannibali§mug ufro. möchten bal^in^
gegangen fein. Qebenfall^ [inb biejenigcn (Jpoc^en, mdä)c
bi»^er a(§ ^ugenbaltcr ber einzelnen ^^ölfer galten, nämlid^
biejenigen, in welchen fic juerft tenntlid) auftreten, an fid^
fd^on fe^r abgeleitete unb fpäte ßeiten.

äöer ift e§ nun aber, ber im ganjcn biefe Urteile fällt?


©0 ift eine 2lrt von literarifitem ^onfenfuS, allmä^lic^
angef)äuft au§ SBünfc^en unb SiäfonnementS ber 2lufflärung
unb au§ ben roafiren ober oermeinlen 3iefuttaten einer SlnjaJ)!
oielgelefener ^iftorifer.
2luc^ üerbreiten fie fi($ nic^t abfid)t«to§, fonbern fie
werben oft publijiftif^ oerbrauc^t ju 33etueifen für ober gegen
beftimmte Sii^tungen ber ©egenroort. ©ie gehören mit ju
bem umftänblid^en ©epäd ber öffentlid^en aJieinung unb tragen
jum ^eit fetjr beutlid^ (fc^on in ber ^eftigfeit, refp. ©robt;eit
i§re§ atuftretens) ben Stempel ber betreffenben 3eitUd^!eit.
(Sic [inb bie Sobfeinbe ber loa^ren gefd^ic^tlid^en ©rfenntni^.

Unb nun mögen einige i^rer @in§etquetten nad^getoiefen


roerben.
33or ädern t)aben mir eS mit bem Urteil au^ Ungebutb
ju tun. (g§ ift fpesififd^ baSjenige be§ ©efc^ic^t^fc^reiberS
unb ©efc^ic^tSleferl unb entftel)t, menn man fic^ ju lange
mit einer ©pod^e ^at befc^äftigen muffen, ju beren Beurteilung
oieüeicfit bie £unbe, oieHetd^t auc^ nur unfere Slnftrengung
nid^t l)inreid)t. Sßir roünfdien, bie S)inge möchten gefcl)ioinber
gegangen fein unb mürben j, 33. oon ben fec^Sunbjroanjig
ägpptif^en l^^rmaftien einige aufopfern, bamit nur enblid^
^önig SlmafiS unb fein liberaler ^ortfd^ritt iDieifter mürben,
^ie Könige üon 9Jicbien, obrool)l il)rer nur oier finb, Ti^ai)m
VI. Heber 6lü(h und dnglüA in der deltgelcbidbte. 257

uns ungebulbig, lueil loir fo roenig oon itjiien luificn, roätircnb


büS gro^e ""^^bantofieobieft iix)xm bereits üor ber Xür ju
warten fd)eiiit.
Summa: ^^.Ur netimen ^^artei für baS unS Ignoranten
interefiant (£rfc|einenbe, aU für ein (^Uücf, gegen baS Sang»
roeilige als gegen ein Unglüd. 2Öir oerroec^feln baS SBünfc^»
bare entlegener geiten (roenn eS einS gab) mit bem ergoßen
unferer (Sinbilbungstraft.
SiSroeilen fudien mir unS l^ierüber burc^ eine fdieinbar
eblere 2Iuffaf)ung ju täufc^en, n3äljrenb unS bod) nur eine
retrofpeftioe Ungebulb beftimmt.
ai>ir bebauern üergangene ^dien, 23ölfer, ^^arteien, Söe»
fenntniffe ufro. als unglüdlic^, meiere lange 3eit um ein
l)öl)ereS @ut getämpft Ijaben. ©erabe roie man ^eute ben
9iic^tunt^en, n^elc^e beim ßinselnen in fünften finb, gerne bie
i^ämpfe erfparen unb ben ©ieg ol)ne aJtü^e pflüden möd^te,
fo and) in ber i^ergangenl)eit. 9Bir bemilleiben §. 33. bie
römif^en Plebejer unb bie 2ltl)ener öor Solon in il)rem
ilampf üon 3a§r^unberten gegenüber ben faxten ^^otrijiern
unb ©upatriben unb bem erbarmungSlofen ©c^ulbrec|t ber*
felben.
3(llein erft burd) ben langen ^ampf war nun einmal ber
©ieg möglid^ unb bie SebenSfä^igfeit unb ber l)ol^e 2öert ber
Badje erroeisbar.
Unb bann roie furj roar bie ^reube, unb roie nel^men
roir ein ^infäÜigeS in (Schüfe gegen ein anbereS ^infäÜigeS!
2tt^en geriet mit ber Beit burc^ ben ©ieg ber 2)emofratie in
politifc^e Cbnmac^t, unb 9iom eroberte Italien unb enblid^
bie äi^elt unter unenbli^en Seiben ber 58ölfer unb bei ftarfer
innerer ©ntartung.
SefonberS aber melbet fic^ biefe ©timmung, ber 33er*
gangenljeit i^re Kämpfe erfparen ju rooüen, bei ber Setrod)*
tung oon 9ieligionc^!riegen. (is empört, ba^ irgenb eine
SBa^rlieit (ober roaS unS bafür gilt) fic^ nur burc^ äußere
(Seroalt folle 58a§n mad)en fönnen, unb ba§ fie, roenn biefe
258 VI. dcbcr 61ÜA und QnglüA in der ttlcltgcIAiAtc.

nid^t genügt, unterbrüdt wirb. Unfel^lbar üerliert an6) mäi)'


rcnb längerer i^ämpfe bie 2öa^rl^eit innerüd^ oon tt)rer ^iein»
l^cit iinb $lBeif)e burd^ bie jeitüd^en Slbfid^ten it)rer 33ertreter
unb Parteigänger, ©o erfc^eint e» ung a[§> ein Unglüd, ba^
bie 9ieformation politifd) in ber Söelt ©tellunii foffen, materiett
gegen eine furi^tbare materielle OJegnerfd^aft fämpfcn unb
babei 9iegierungen ju ^öerlretern \)ahen mufete, roeirfien oft
mefir an ben J^ird^engütern a(§ an ber 9teligion gelegen loar.
Stllein abfolut nur im Slampf, unb iwav nid^t nur in
ber gebrucften ^otemif, entroidelt fid^ ba^ gonje, ootle Seben,
bo§ au^ Sfleligion^ftreitigfeiten !ommen mu§; nur ber ^ampf
mad^t auf beiben ©eiten aüe§ beraufet; nur burc^ i^n, unb
groar in a\iin 3eiten unb fragen ber 2Bettgeic^ic|te, erfährt
ber 9)Zenfc^, roaä er eigentlid^ roill unb ma§ er fann.
ßunäc^ft rourbe aud^ ber 5lat§oliji§mu§ loieber eine
9leUgion, roo§ er eben faum nod^ getoefen roax; bann mürbe
ber ©eift nad^ taufenb ©eiten ^in geiuectt, ©taat^Ieben unb
Kultur mit bem religiöfen Stampf in alle mögli^e 23erbinbung
unb ©egenfa^ gebracht unb am ®nbe bie Sßett umgemanbelt
unb geiftig unermefelid^ bereichert, roaä bei blofeem glattem
©el^orfam unter bem neuen ©tauben unterblieben roäre.

?^erner ba§ Urteil nac^ ber Kultur. ©§ befielt barin,


bafe man ®lüä unb 2)toralität eine§ oergangenen 2Solfe» ober
3uftanbe§ nac^ ber iöerbreitung ber ©c^ulbilbung, ber 2lller«
meltgfultur unb be§ ^omfort§ im ©inne ber ^leujeit beurteilt,
mobei bann gar nic^tg bie ^robe befielet unb alle oergangenen
3eitalter nur mit einem größeren ober geringeren ©rabe be§
aJJitleibS abgefertigt roerben. „©egenroart" galt eine 3^^^=
lang raörtlicf) gleich gortfc^ritt, unb e§ fnüpfte fic^ baran ber
läd^erlid^fte ©ünfel, al§> ginge e§ einer SSottenbung be§ ©eifte^
ober gar ber ©ittlid^feit entgegen. Unoermerft roirb babei
aud^ ber 9)^aBftab ber unten ju befpred^enben ©e!urität mit
in§ ©piel gebogen, unb oljne biefe unb obne bie eben gefd^il«
berte J^ultur fönnten mir allerbingä nidjt me§r leben. 2lber
VI. üebcr 6lii* und ünglü* in der CadtgcIAiAte. 259

ein einfädle?, fräftigeö ^ofein, nod^ mit bcm DOÜcn pf)t)fifcf)en


3lbel ber ^Kai'je, unter befiänbiger cjemeinmmer @egeniDef)r
gegen ^-einbe unb Sebrücfer ift auc^ eine Kultur unb mög*
lid^erroeife mit einer fiol^en inneren ^er-,en§er^tef)ung oerbunben.
®er Weift luar fc^on frü() fomplett! Unb bie (Srfunbigung
nad) moral progresses überlaffen mir billig 53ucfle, ber fid)
fo noiü uerraunbert, raenn fic^ feine finben motten, roä^renb
fie fid) ho6) auf baä geben bei einzelnen, nid^t auf ganje
3eitalter bejie^en^). SBenn fc^on in alten Seiten (Siner für
2lnbere bal Seben Eingab, fo ift man feit^er barüber nic^t
mel)r ^inaulgefommen.

ߧ folgt nun, inbem wir ^ier mel)rereS jufammenfaffen,


bal Urteil nad^ bem ©efc^macf überl)aupt. Salfelbe
^ält biejenigen ßeitalter unb Golfer für glüdlic^, in unb bei
roelc^en ba§ ©lement befonberl möd^tig loar, roeld^el jebem
gerabc ba§ teuerfte ift. i^e nac^bcm nun ©emüt, ^^antafie
ober 33erftanb oor^crrfdien , mirb man fold^en 3^^ten unb
33ölfern bie 5lrone reichen, ba eine möglid)ft grofee Cuote
Don 3}?enf(^en fid^ ernft^aft mit ben überfinnlic^en Singen
befc^äftigtc, ober ba i^unft unb ^oefie ^errfc^ten unb mög«
lid)ft iUele 3eit unb Seilnal)me für eblere ©eifteSarbeit unb
^Kontemplation übrig Ratten, ober ba möglic^ft öiele Seule
guten 5öerbienft Ratten unb attel raftloe für ©eroerbe unb
5ßerfel)r tätig mar.
^Hiit Seic^tigfeit !önnte mon atten breien beroeifen, roie
einfeitig i|r Urteil ift, roic roenig el bal ganje bamalige 2thtn
umfa§t, unb roie unerträglich i^nen ber 2lufent^alt in jenen
gepriefenen Seiten aul oerfdiiebenen ©rünben fein mürbe.

2tud) ba§ Urteil nac^ ber politifd)en ©i^mpatljie


läfet fic^ oft l)ören. 2)er Sine fann bie oergangenen Seiten
5. 33. nur ba für glüdlic^ galten, mo :)tepubli!, ber 2lnbere

•) 93erg[. oben <B. 64 ff.


260 VI. Oeber 6lüA und ünglüA in der Klcltgc|d)id)tc.

nur ha, wo 9)ionQrd^ie geraefen ift; ber (Sine nur, loo be»
ftönbig heftige ^eroegung, ber 2lnbere nur, roo 9iut)e l)errfd^t ;
benfen wir babei 5. i^. an (^Ubbon^ 3(nfic^t oon ber 3eit ber
guten ilaifer aU ber glüdlic^ften be^ ilienfd^engefd^led^tä
überl^aupt.
3)ie[e Urteile lieben cinanber gegenfeitig oon felbft auf.
Unb ooQenbfo biejenigen, loelc^e ba§ ®iüd ber oergangenen
3eiten je m6) ber Äonfeffion beä Urteilcnben bemeffen.

©d^on bei ben obigen (fällen, jumol bei ber Kultur,


fpielt fteEentoeife ba^ Urteil naä) ber ©efuritöt l)inein.
®a§felbc oerlangt al^ Siorbebingung jeglid^en ©lücfeS bie
Unterorbnung ber 2BiEfür unter polijeilid^ befc^ü^tei Siedet,
bie Sel^anblung aller ßigenlum^f ragen nac^ einem objeftio
fefiftel^enben ©efe^, bie Sicherung be^ ©rroerbg unb 3Ser!et)r§
im größten a}ia|ftab. Unfere ganje je^ige Floxal ift auf biefe
©efuritöt raefentlid^ orientiert, b. i). eS finb bem ^nbioiöuum
bii ftärfften ßntfd^lüffe ber S^erteibigung oon ^an§i unb ^erb
erfpart, roenigftenS in ber Siegel. Unb wa§> ber Staat ni^t
leiften fonn, ba§ leiftet bie Slffefuranj, b. ^. ber 3lbfauf be=
ftimmter 2trten be^ Unglücfg burd^ beftimmte jö^rli^e Opfer.
©obolb bie ©iifteng ober bereu 'Jvente toertooll genug getoorben
ift, rul)t auf bem Unterlaffen ber 2lfiefuranj fogar ein fitt»
lid^er 33oriöurf.
3ln biefer oefurität fel^lte eS nun in bebenllic^em ©robe
in meljreren ßeitaltern, raelc^e fonft einen eioigen ©lanj um
fic^ oerbreiten unb in ber ©efd^ic^te ber 3J?enfc^^eit big aufS
©nbe ber ^age eine l^o^e ©tefle einnehmen raerben.
S^iid^t nur in ber gdt, meiere ^omer fd^ilbert, fonbern
au(l^ offenbar in berjenigen, in meld^er er lebte, oerfte^t fid^
ber 9iaubüberfall oon felbft, unb Unbefannte werben gan^
l^öflid^ unb l^armloS barüber befragt. ®ie Sßelt wimmelt
oon freiwilligen unb unfreiwilligen 3)iörbern, welche bei ben
Röntgen ©aftfreunbft^aft genießen, unb felbft Dbi;ffeug in
einem feiner erfonnenen Seben^löufe bid^tet fid^ eine 2IJorbtat
VI. aeber 61üch und anglüch in der taelfgelcbiAt«. 26\

an. S)aneben aber raeld^e ©infad^^eit unb roelc^er 2tbel ber


©itfe! Unb eine 3eit, ba ber epifd^e ©efang aii Gemeingut
Dieler Sänger unb al§ aüoerftänblic^e aBonne ber D^ation üon
Ort ju Crt roanberte, roirb man ewig um i^r Schaffen unb
(Srnpfinben, um i^re lltac^t unb i()re ^kioetöt beneiben.
2)enten roir babei nur an bie eine @eftalt ber ^JJaufifaa.
SDie Seit beS ^^^erifle§ in 2tl§en roar DoUenb^ ein 3u--
ftanb, bellen 3)titleben fid) jeber ru()ige unb befonnenc 53ürger
unferer läge oerbitten mürbe, in welchem er fi(^ tobe^*
ungUidlic^ fül)Ien müßte, felbft roenn er nidit ju ber ^«e^r*
50^1 ber 3flaoen unb nic^t ju ben i^ürgern einer Stabt ber
attifc^en ipegenionie, fonbern ju ben ^^rcien unb ju ben
atfienifc^en ^i^oabürgern geborte. (Snorme ^öranbic^a^ung beg
(vinjelnen burd) ben Staat unb beftänbii^e :3nqui[ition in
betreff ber CiTfüUung ber '^:].^flic^ten gegen benfelben burd^
2;emagogen unb ©ijfop^anten roaren an ber Xagegorbnung.
Unb bennoc^ mu§ ein ©efü^l be^ Xafein§ in ben bamaUgen
3ltf)enern gelebt ^aben, ha<i feine Se!urität ber ^ii^elt auf»
roiegen fönnte.

Belli beliebt ift in ben je^igen Seiten bal Urteil nad^


ber ©röBe'j. 3J?an fann sroar babei nic^t leugnen, bafe
rafd) unb ^oc^ entroidelte politifc^e aJJac^t ^errfc^enber SSölfer
unb ßinjelner nur §u erfaufen mar burd^ ha^ iieiben von
Un§äl)ligeu; aüein man oerabelt ba^ aöefen be§ ^errfc^erS
unb feiner Umgebung nad^ Gräften ^) unb legt in ifm ade
mögli(^en 3(l)nungen berjenigen ©rö^e unb @üte, meiere
fpäter firf) an bie folgen feinet Xuns angefnüpft ^at. ©nblid^
fe^t man ooraue, ber )}[nbM be^ ©eniug \)aht oerflärenb
unb beglücfenb auf bie uon il)m bel)anbelten SSölfer gemirft.
a)?it bem Seiben ber Unjä^ligen aber uerfälirt man al^
mit einem „oorübergeljenben Unglücf" äußerft fül)l; man üer=

') ©(f)Iöaer traftterte einen 2)liltiabeg ufro. roie 35orffcf)uI}cn.


*) So ^lutarcf) in «le fortuna Alexandri.
262 VI. Qeber 6lü* und anglüA in der Cdcltgelcbicbte.

toeift auf bie unleugbare ^atjac^e, ba& bauerube 3ui'tänbe,


ai)o nad^l^erige^S „@lücE", fid^ übert)aupt faft nur bann ge=
bilbet Ijaben, roenn fd^recfüd^e Itämpfe bie 2)Jo(j^t[telIung fo
ober fo ent)d)ieben f)atten; in ber Diegel berut;! ^erfomnten
unb SDafein be§ Urteilenben auf fo geroonnenen 3^ftänben,
unb bal)er feine 9iad)firf)t.

Unb nun enblid^ bie c^emeinfatne DueHe, bie burcl) aüe


biefe Urteile ^inburd;ficfert, ba§ fc^on längft burd^ aüe^ ^i;^*
l^erige Iiinburc^flingenbe Urteil beg ©tjoi^ntuö! „^ir"
urteilen fo unb fo ; freilid^ ein 2lnberer, ber — oieUeic^t auc^
au§ ®goi§mu§ — ba^ Gegenteil meint, fagt aud^ „mir",
unb in abfolutem Sinne ift bamit fo oiel erreid^t al§ mit
ben 2Bünfc^en nad^ biegen ober ©onnenfc^ein je nad^ ben
^ntereffen bee einjelnen SanbbauerS.
Unfere tiefe unb l)öd^ft läc^erlid^e ©elbftfuc^t l)ält jU'
näc^ft biejenigen Reiten für glüdflid^, meldte irgenb eine 3le^n'
lid^feit mit unferem 2Befen liaben; fie ^ält ferner biejenigen
oergangcnen Gräfte unb aJienfd)en für löblid), auf beren Xun
unfer je^ige§ ^afein unb relatioeS 2Bol)lbefinben gegrünbet
fd^eint.
®ani ai§> roäre 9öelt unb SBeltgefd^ic^te nur uufertroiüen
öor^anben. ^eber l)ält nämtid^ feine ^dt für bie Erfüllung
ber ^dtm unb nid^t blo^ für eine ber oieten oorübergelienben
SBellen. ^at er Urfad^e 5U glauben, bafe er ungefähr ba§
i^m ©rreid^bare erreicht ^at, fo oerftel)t fic^ biefe 2lnfid^t oon
felbft; münfc^t er, ba§ el anber§ werbe, fo l)offt er, auc^
bie§ in 33älbe ju erleben unb nod^ felber beroirfen ju Reifen.
3llle§ ©injelne aber, unb mir mit, ift nid^t nur um feiner
felbft, fonbern um ber ganjen SSergangenl^eit unb um ber
ganjen 3^^""ft mitten oor^anben.
©iefem großen unb ernften ©anjen gegenüber finb bie
2lnfprüd^e ber ^öölfer, ^tittn unb 3ni>ioiöuen ouf bauernbeS
ober nur momentane^ @lücE unb SBolilbefinben nur oon fe§r
untergeorbneter ^ebeutung, benn roeil ta^ Seben ber SJJenfd^»
VI. üeber ölüch und Qnglüch in der CdeltgelAiAte. 263

^eit ein ®ani)i^ ift, fleHen bellen 5eitlid^e unb örtüd^e Sc^roan'
fangen nur für unfere fc^raad^en Drgane ein 2luf unb 3iieber,
ein ^eil unb Unl)eil bar, in äi>a^r^eit aber gehören fie einer
^ö^eren 3iotiüeubigfeit an.
2Bir müßten überhaupt fud^en, ben Slu^brucf „@Iücf"
au5 bem S^ölferteben lo^juroerben unb burd^ einen anberen
5U erfe^en, luä^renb roir, roie fic^ weiter jeigen inirb, ben
2lu^brucf „Utujlücf" beizubehalten l^oben. 2)ie DJaturgefc^id^tc
jcigt un^ einen angftöoüen Ä^ampf ums 3)a)ein, unb biefer
nämlid^e i^anipf erftredt iid) bi» roeit in '^ölferleben unb ®e*
fd^id^te ^iuein.
„&iüd" ift ein entroeif^teö, burc^ gemeinen ©ebraurf) ah--
gefd^Iiffene^ 2öort. 3öof)in fäme man, roenn eine allgemeine
2lbftimmunfl nad) ber ilopt,^af)l aur ber gansen @rbe über bie
Definition besfelben ju entfc^eiben ^ätte?
58or allem: nur bai^ 2J?ärd^en nimmt einen fid^ gleich
bleibenben 3"^'^"'^ für ®lücf. 2)ie finblidje Slnfd^auung, roie
fie etroa ^ier lebt, mag ba» '5ilb eine;? bauernben feftlid^en
3Bof)lbefinben5 (Siöijd^en Oltimp unb Sc^laraffenlanb in ber
2liitte) feftjubannen fudien. Unb aud^ bamit ift e§ nid^t ein*
mal grünbtid^er (Srnft: roenn enblid^ bie böfen ^anhittv tot,
bie böfen ?^een befiraft finb, bann regieren SlbbaHa^ unb
^atime freiüd) al^ ein glüdlid^e^ Jlönig^paar big in i^r ^ol^e^
3Uter weiter; aber bie ^l^antafie gibt itjnen eigenllidj gleid^
nac^ bem @nbe il)rer Prüfungen htn ^itbfd^ieb, um fic^ weiter
nid^t me^r für fie, fonbern für ^offan unb ©uleifa ober
Seila ober ein anbere^ ^^aar ju intereffieren. Unb bod^ ift
fc^on ber 3c^IuB ber Obgffee fo oiel wahrer; bie ^^rüfungcn
be^ 2)ulber§ werben fortbauern, unb äunäd^ft l^orrt feiner
nod^ eine fc^were Pilgerfahrt.

Die 2(nfc^auung oon einem ölücf, welc^e^ in einem 58er»


l^arren in einem beftimmlen ßuf^'^"^^ beftänbe, ift an fid^
fatfc^. Sowie wir oon einem primitioen ober 9Jatur5uftanbe
abfeljen, wo ein %aa, bem anbern, ein 3at)r^unbert bem anbern
26^ VI. Qcbcr 6lü* und anglüA in der ÖIcltgcIAiAte.

gleid^ftcf)t, bi§ burd^ einen S3rud^ baS gefd^id^tUc^e Scben be«


ginnt, muffen mir unS fagen : bo^ a^erfiarren roürbe jur ©r*
ftarrung unb jum STobe; nur in ber 33etüegung, fo fc^mers^
lid^ fie fei, ifi Seben. Unb oor allem iü bic SSorftettung
oom ©tue! aU einer pofitioen (Smpfinbung fd^on folfc^, n)ä|=
renb e§ nur Slbroefentieit be§ Sc^merje^ ift, §öc^ften3 mit
einem leifen ©efül^l be§ 9öad^ötum§ üerbunben.
^reilid^ c^ibt eö ftiflgefteüte $ßölfer, meldte in itjrer ©e*
famterfd^einuncj ^ß^^^^w^berte i)inburc^ ein unb bQ^ielbe Silb
geuiä()ren unb baburd^ ben ©inbrucf einer leiblichen 3ufrieben=
tieit mit il^rem ©d^idfal machen. SlQein meift wirb bieS bie
SBirfung beg ®eipoti§mu§ fein. 2)iefeg entftel)t oon felbft,
inbem eine (oermutlicb fe^r müt)fam) einmal erreid^te ^^orm
öon ©taat unb ©efeüfd^aft gegen ba§ ©mportauc^en roiber*
ftrebenber Gräfte oerteibigt werben muB, unb jroar mit aUen,
aud^ ben äuBerften a)ütteln. Sie erfte ©eneration ift babei
gcioife meift fefir ungtücElid), bie folgenben aber road^fen fd^on
unter biefer 3Sorau§fe^ung §eran unb J^eilit^en julc^t ba§,
töa§ fie nid^t mei)r änbern fönnen unb molien, unb preifen e§
oieUeic^t aU ^öc^ftee ©lud. 21I§ bie Spanier materiell am
2lu§fterben roaren, hielten fie ein l^o^eS ^at^oS aufredet, fo*
balb e^ ftd^ um bie ^errlid^feit be§ faftitifd^en 9kmen§ ^an*
belte. 3)lan fielet nid^t, ba& ber S)ruc! ber ^ei^ierung unb
ber Snquifition fie im geringflen innerli(^ erniebrigt ^ätte;
tl^re größten ^ünftler unb SDid^ter faflen in biefe ^^^t.
©old^e ftationäre 93öl!er unb 33öl!er5eiten finb oieQeid^t
baju bo, beftimmte geiftige, feelifc^e, aud^ materieüe ©üter
a\i§> einer ^^orjeit gu bema^ren unb fie unberührt einer 3"'
!unft al^ Ferment ju überliefern. Slud^ ift i^re 9tu§e feine
abfolute, töblid^e, fonbern einem guten ©d^Iaf ju oergleid^en.

2lnbere 3eitolter, Spötter, ^nbioibuen bogegen gehören


ju benjenigen, meldte seitmeife i^re Gräfte, ja i^re ganzen
Gräfte in rafd^er Seroegung ausgeben, ^^ve Sebeutung ift
bie, 2llte0 ju jerftören unb S^euem 33al)n §u machen; gu
VI. Qeber 6lüA und OnglüA in der CdeltgelchiAte. 265

irgenb einem eichenen bauernben ©lud aber uub mit 3lul»


na^me ber furjen 3lugeiibUde be^ Sieiie^jubel^ a\\6) nur ju
einem Dorüberflc{)enben finb [ie nid^t iieic^affen. ^\)U neuernbe
Rxait beruf)t nämtic^ auf einer beftänbigen Unjuirieben^eit,
bie fid^ auf jeber erreichten ©lation longroeilt unb mä) einer
weiteren ^Jorm cerlangt.
Unb sroar tritt bie^ ©treben, — roie roid^tig aud) feine
folgen, roie gro^ bie t)iftorif^e i^eftim.mung fei, — tatfQd)Iic^
unb jeitUd^ bod^ im ©eroonbe be^^ unergrünbtid^ften menf(^=
liefen (Sgoigmu^ auf, roeld^er 3tnbern feinen 2Billen auferlegen
unb feine ©ati^faftion auf bereu ©e^orfam grünben muB,
babei aber nie genug ©e^orfam unb SSere^rung ju geniefeen
meint unb im ©rofeen fid^ jebe ©ewolttat ertaubt ').

Unb nun ift baS S3öfe auf ©rben aUerbings ein ^eil
ber großen roeltgefd^ic^tlicben Dcfonomie: e§ ift bie ©eroalt,
ba§ dle^t be§ Stärferen über ben Sc^roäd^eren, oorgebilbet
fd)on in bemjenigen ilampf um§ Safein, roeld^er bie ganje
9iatur, Tierwelt roie ^flanjenroelt, erfüQt, roeitergefü^rt in
ber 3)?enfd^l^eit burc^ 3}{orb unb dlanh in ben früheren ^citm,
burd^ ^erbrängung refp. $i>ertilgung ober Änec^tung fd)roäcf)erer
üiaffen, fc^roä^erer iBölfer innert)alb berfelben 9taffe, fc^roä^erer
©taatenbilbungen, fd^roäc^erer gefeüfc^ofilid^er (Sd^id^ten inner»
\)a[h be^fetben Staate^ unb ä>olfe§ -).
2)er Stärfere ift al^ folc^er noc^ lange nid()t ber Seffere.
SIuc^ in ber ^^f(an5enroeIt ift ein SSorbringen be§ ©emeineren
unb ^rerfjeren §ie unb ba erroeiebar. ^n ber ('»iefd^id^te aber
bilbet ba§ Unterliegen be:§ (iblen, roeil e§ in ber iiiinorität
ift, befonberg für fold^e 3citen eine gro§e ®efal)r, ba eine
fe^r allgemeine 5!ultur ^errfc^t, roeld^e fic^ aüe 9ted^te ber
3}}aiorität beilegt. Unb nun roaren aüe biefe unterlegenen
Äräfle üielleid^t ebler unb beffer; allein bie ©ieger, obroo^l
>) SSergt. oben ©. 32 ff.
*) 2Bir erinnern ^ier an bie^rop^ejeiung^artmannS: ^^ilöfop^ie
b. Unben). S. 341/3.
266 VI. Qeber 61ÜA und Qnglü* in der CadtgcIAidite.

nur von ^errf(i)fud^t oorroärt^S cjetrieben, fiU;reu eine 3^if""tt


l;erbei, von raeld^er fie [elbft noc^ feine 3lt)nung traben. 'Diur
in ber 2)t^penfQlion ber Staaten uom allgemeinen 'J)ioraIc(e)e^,
bei fortiuät;renber ©eltung be^felben für ben ©injelnen, blicft
etroa^ loie eine ^I^nung burd^.
^a§ iirö&le Seifpiel bietet ba^5 römifc^e SBeltrei^, be*
/ gönnen mit ben entfe^lic^ften aJiitteln balb nac^ (Srlöfc^en beg
Äampfe^J Stoifd^en ^atrisiern unb ^Uebejern in (>)eftalt ber
Samniterfriege, üoUenbet burd) Unterwerfung von Orient unb
Cfjibent mit unermeßlichen Strömen uon Slut.
^ier ernennen roir im ©rofeen einen roenigfteng für un§
red^t f^einbaren roeltgefd^ic^tlic^en 3mecf : bie Schöpfung einer
gemeinfamen SBeltfultur, roobur(^ aud^ bie ^Verbreitung einer
neuen Sßeltreligion möglid^ rourbe, beibe§ überlieferbar auf
bie barbarifrf)en ©crmanen ber ^^ölferroanberung als fünfticjer
3ufammenl)alt eines neuen (Suropal.
Smein barauS, ha^ auS 33üfem ©ulcS, aus Unglücf
relatioeS ©lud gemorben ift, folgt nod) gar nid^t, baß SöfeS
unb Unglüif nid^t anfängli^ roaren, ioa§ fie maren. ^m
gelungene ©eroalttat mar böfe unb ein Un^lüct unb aller=
minbeftenS ein gefä^rlid^eS Seifpiel. 2Benn fie aber SSflad^t
begrünbete, fo !am in ber golge bie 3«enfd^l)eit ^eran mit
i^rem unermübli(^en Streben, bloße a)iarf)t in Orbnung unb
@efe^lid)!eit umsumanbeln ; fie brachte iljre feilen Gräfte ^er=
bei unb nal)m ben ©eroalt^uftanb in bie ^ur^).
Unb baS Söfe §errf^t biSmeilen lange at§ 33üfeS auf
erben, nid^t bloß bei ^atimiben unb Slffaffinen. ©er gürft
biefer 2Öelt ifi laut ber d^riftlid^en ^e^re Satan. S^i^tS
Und^riftlidiereS , als ber Sugenb eine bauernbe ^errfc^aft,
einen materieflen @otte5lol)n auf ©rben ju oer^eißen, roie bie
Mr^enfc^riftfieüer ben diriftlic^en i^aifern oerfpra^en. 2lber
baS ^errfd^enbe 33öfe ^at eine ^o^e ä3ebeutung: nur neben
il^m gibt eS ein uneigennü^eS ©uteS. (SS märe ein uner*

^) SSergt. oben S. 34 f.
VI. Qeber 6lüA und anglüA in der dcltgeldiicbte. 267

Iräglic^er 3Inblicf, roenn infolge fonfequenter 33eIof)nung beä


©Uten unb 33enrQfung beä 33öfen [jienieben bie 23öfen fic^
aüe Qu^ 3tuecfmäi5ii]feit anfingen gut aufjufü^ren; benn un-
oermeiblid^ oor^anöen unb innerlich böfe roäien fie ja bod).
^lan fönnte in bie Stimmung fommen, ben ^imniel roieber
um einige ©traftofigfeit ber 33öfen auf (Srben ju bitten, nur
bamit biefelben roenigften^ i^re realeren ^üQt roieber an ben
Xag legten. (5§ ift f^on fo ^i^erfteüung genug in ber SBelt.

©U(^en wir nun au6) einigen ber erlaubteftcn klagen


ber SBeltgefc^ic^te ben unferer 2lt}nung jugänglic^en Xroft
gegenüberjufteEen.
3unäc^ft ^at jroar gar ni^t jebe ßcrftörung an6) 5ßer=
jüngung jur g-o(ge. So roie bog ßerftören be^ ebleren ^flanjen»
rouc^fe^ ein ^anb auf eroig jur oerbrannten 2Büftc machen
fann, fo roirb fic^ aud^ ein ju übel mifelianbeltel 33ol! nie
me^r erf)o[en. ©§ gibt (roenigften^ fd^einbar) abfolut jer«
ftörenbe Wiäd)te, unter beren ^uffc^lag !ein ®xai me^r roäd^ft.
2Ifien fc^etnt bauernb unb auf alle S^ittn burd) bie sroei»
malige ^errf(^aft ber 2JtongoIen in feiner luefentlidjen ^raft
gefnidt morben ju fein; befonberä Iiimur roütete entfe^Uc^
mit feinen Sdjäbelvijramiben unb feinen 9)iauern au§ ©tein,
Äalf unb lebenben ^])Jenfd)en. ©§ ift gut, baß man fic^ beim
Silbe eine§ fold^en 3erftörer§, roie er feinen unb feines 33olfe«
(Sgoi^muö im Xriumpt; bur^ bie rauc^enben rKuinen ber
äÖelt fpajieren füf)rt, baöon 9tcd)enfd)aft gebe, mit roeld)er
2Bu(^t baä 'i3öfe fi^ ju Beilen uorbrängen barf. ^n fotd^en
i'änbern roirb man auf eroig nie met)r an Üiec^t unb an
menfc^ad)e @üte glauben. Unb bod) I)at er oieUeid^t CEuropa
öor ben C^^manen gerettet; man benfe fic^ it)n l)inroeg unb
a3aio5et^ unt) bie ^juffiten jugleidi fic^ über Teutfc^lanb unb
Stauen roerfenb ! 2)ie fpäteren C^manen, i^olf unb Sultane,
fo fc^redlic^ fie für ©uropa roaren, tjaben boc^ nid)t melir
jenen ^ötjepunft ber .traft erreicht, roelc^cn 53ajaäett; 1. üor
ber ©c^lac^t bei 2Ingora barftellte.
268 VI. Qcber 61ÜA und OnglüA in der CdeltgefAichtc.

(£§ gibt fd^on in ben aittn ß^^ten ein entfe^lid^eS 33ilb,


roenn man \iä) bie Summe öon SSersroeiflung unb 3iömmer
DOiftcÜt, roctd^e bal 3uf^^"^^f''^'""^" ä- ^- ^ß'^ ^^^'^^ '^BdU
monarc^ien norauefetjte. Un)"er befonbereS 9J?itleib würben
DteQeid^t jene (iinjelüölfer oerbienen, roeld^e in oerjroeifeltem
5^ampfe um it;re ^fiotionaUtät ben ilönigen oon ^erfien, oiel*
leidet fc^on benjenigen oon 3ljfi;rien unb 3J?ebien unterlegen
fein muffen. 31II bie einfomen 5lönig§burgen ber ©inselöötfer
(^t)rfQnier, ^a!trier, Sogbianer, ©cbrofier u. a.), rocld^e
3lIe£Qnber antraf, bejeidjncn lauter enlfe^lidie (efete kämpfe,
Don roeld^en roir nid^tg xmi)x raiffen. ^aben fie umfonft
gefämpft ?
©ans anberS fteHen fid^ ju unferem @efüf)I bieienigen
^^eoölferungen, oon beren legten kämpfen unb Untergang
^unbe eriialten ift: bie Ir)bifd)en ©täbte gegen §arpagu§,
^art^ago, 9iumantia, ^erufalem gegen 2:itu§. ©otd^c fc^einen
\xn^ aufgenommen in bie 9teil;e oon ßeiirern unb SSorbilbern
ber 3)ienfcf)l^eit in ber einen großen ©ac^e: bafe man an ba§
©emeinfame SlüeS fc^e, unb bafe ba§ ©injeUeben ber ©üter
I)öd^fte0 nic^t fei. <So ba^ au§ iiirem Unglücf ein §erbe§,
aber erhabenes ©lütf für ba§ (Sanse entfteE)t.
Unb loenn perfifc^e ileilfd^riften gefunben werben foUten,
bie auc^ oom Untergang jener 3SöI!er in ben Oftprooinjen
be§ 9ieic^e» nätjere 'ücetbung täten, fei e§ auä) nur in bem
bombaftif(^en Ormu^bfül be§ geiftlofen ©iegeroolfe^, fo würben
aud^ fie fid) jenen großen (Erinnerungen beigefeilen.

Seifeite mag f)ier ber S^roft bleiben, ba§ oJ)ne foId;e


oorläufige 3erntalmer, wie 3tffur unb ^erfien, Sllejanber bie
©temente ber gried^ifd^en Kultur nid^t fo weit na^ 2lfien
{)inein l;ätte tragen !önnen; über 3J?efopotamien J)inau§ i)at
biefelbe feine gro§e SBirfung mefir gehabt. Ueberliaupt muffen
wir un§ ^üten, unfere gefrf)id^tUd)en ^erfpeftioen of)ne weitere^
für ben ^Hatfc^Iufe ber 2Beltgefc^id)te ju galten.
Sei aÜen ßerftörungen lä^t fid^ aber immer ein§ be*
VI. Qeber 6lüch und ClnglüA in der CQeltgeldiicbtc. 269

f)aupten: 3Bcil un» bic Cefonomie ber 3öeltgel'd^id^te im


©rofeen bunfel bleibt, luifjen roir nie, wai c\e\6)tl)tn fein
toürbe, roenn etroo^, unb [ei e§> bae ©djrecfüd^fte, unter»
blieben löäre. ©tatt einer roeltgefdiic^tlid^en 2öoge, bie mir
!ennen, toäre loo^l eine anbere gefommen, bie luir nid^t
fennen, ftatt eineä fdjlimmen Unterbrücfer^ oieHeid^t ein nod^
böj'erer.
3iur foü beef)a[b fein 3}fäd^tiger fic^ ju entfd^ulbigen
glauben mit bem SBort: „2;un roir'ö nic^t, fo tut'ä ein ari'
berer," roomit jebe 2lrt Don 33erbre(^en gerechtfertigt werben
fönnte. (Sold)e f)alten eine ßntfc^ulbigung übrigen^ auä) meift
nic^t für nötig, fonbern finben: „2Bq§ roir tun, ferlägt ja
eo ipso jum ©lücf qu^.")
33ieIIeic^t würbe an6) ber unterlegene Xeil felbft bei
längerem 2;Qfein unierer Xeilnafime nid^t mel)r roürbig fd^einen.
©in 58ol! j 33., ba§ früf) in glorreichem Kampf untergegangen,
roäre oießeid^t fpäter nid^t felir gUicflii^, nid)t fe^r fulturfä^ig,
ja burd^ eigenem i^öfe^ in feinem Innern früf)e üerrudjt unb
für bie Diac^barn öerberblic^ geworben. 4)agegen, in feiner
33oUfraft bat)ingenommen, mac^t e§ eine ätmlic^e ®irfung,
wie frül)geftorbene auSgejeid^nete 'i)tenf(^en, roeldien bie %^f)an'
tafie bei Dorauegefe^tem längerem 2)aiein nur ^-ortfdiritt in
@Iücf unb C*!irö^e anbicf)tet, roäf)renb fic oieCieic^t it)re Sonnen»
\)'öi)z id)on erreicfit unb überf^ritten l^atien.

33on ber aiiberen ©eite melbet fid^ aU ^roft bal ge*


Iieimni^DoIle ©efe^ ber 5lompenfation, nad^roeilbar ire»
nigftens an einer «Stelle: an ber 3ii"ti^i"ß '^^^ Seoölferung
nac^ großen Seud^en unb Kriegen. Qi fd^eint ein C^jefamt-
leben ber 3}?enfc^f)eit ju ejiftieren, roelc^e^ bie 33erlufte erfe^t ').
So ift e^ 5. 23. nid^t geroi§, iüo{)( aber für uni'er 2luge
n)a()rfc^einlic(), ba§ bas 3urücfiDeicf}en ber aßeltfultur aul bem
') SSctgl. befonberg bie fonftanten ,^ai)lzn ber Statiftil, SBeoölfe-
rung§le^re ufro. (©c^open^auer, Sie SBelt ali SBitte unb iöorfteUung,
Söanb II, S. 575.)
270 VI. Cleber 6lüd* und dnglüch in der Cdeltgcfcbicbtc.

öftnrf)en ^ecfen be;? 9}(ittelmeer§ im XV. ^al)rt)imbert äu^er»


lid) uub tnnerlirf) fompenfiert rourbe burd) bie 05eaui[d)e 2lu§=
breitinuj bcr niefteuropätfd)eu $ßö(fer; ber SSeltafjcnt rüdttc
nur a\[\ eine anbete Stelle.
©0 mk bort ftatt eines TobeS ein anberer Xoh ge^
fommen märe, [o fnbftituiert (jier ftatt eine!§ untergegangenen
i^ebeit'J bie allgemeine iiebenSfraft ber 2Bett ein neue§.
'Jiur ift bie ^ompenfation nid^t etma ein @rfa| ber
i'eiben, auf roeldien ber ^äter t)inmeifen fönnte, fonbern nur
ein SBeiterleben ber üerle^ten 2)ienfc^t)eit mit SSerlegung beS
(Sdjiuerpunfte'c. 2lud} barf man nid)t etma ben Seibenben
uub ii)ren ©eSjenbenten nnb fonftigen iserroanbten bamit
fommen. 5)ie 3>üIEermanberung mar eine gro^e @rfrifd)ung
ber 3BeIt für ba§ abfterbenbe 9tömerrei($, aber roenn man
in bem öftlidien, übrig gebliebenen Sieft beiofelben etma im
XII. ^ai;rt)unbert unter ben J^omnenen einen ^ij^antiner
fragte, fo rebete er fo ftolj al§> möglid) üom ^-ortleben 9tom§
am 33o§poru§ unb fo oeradjtungSüoH a(§ mögtid) gegen ba§
„erneute unb erfrifc^te" 2lbenb(anb; unb nod) ber je^ige
©räcoflaue unter ben STürfen t)ält fid^ nidjt für geringer
unb mot)l auc^ nid)t für ungtüdlic^er ai§> ben Slbenblänber.
lleberl)aupt, fobalb man bie Seute fragt, bebanfen fie fid} für
alle Erneuerung ber SBelt, meiere burc^ ii)ren Untergang unb
burd) ©inmanberung railber Sorben bemirft merben foH.
3)ie Sef)re oon ber Äompenfation ift meift boc^ nur eine
oerfappte ßef)re oon ber äi^ünfdj barfeit, unb e§ ift unb bleibt
ratfam, mit biefem au§ il;r ju geminnenben 3:rofte fparfam
umgugeljen, ba mir bod) fein bünbigeS Urteil über biefe ä>er-
lufte unb ©eminfte §aben. ©ntfteljen unb ^r^ergelien finb
jroar ba« allgemeine erbenfd)idfal ; aber iebe§ roaljre ©injel'
leben, ba§ burc^ (Bemalt unb (md) unferem SDafürljalten)
öorjeitig baljtngerafft mirb, barf al§ fd)led)tt;in unerfe^lid)
gelten, fogar als nid)t erfe^lic^ burd) ein anbereS ebenfo
trefflid^eS.
VI. Qcber 6lüA und anglüA in der CdcltgelAiAte. 27^

eine anberc ©cfiattierung ber Äompenfotion ift bic 33er=


frf)iebung eiue§ uerfproc^eu frf)einenbeu (Sreigniffe^. (&i
unterbleibt eiuftmeilen etroa-J ©rone^, fel)nfüd)tig (^ieroünfc^te^v
uiei( eine Üinftige ^eit e§ üoüfommener üoUäieben roirb. ^eutfd)>
lanb raar im breifeigjätirigen iUiege üie[Ieirf)t jroeimal ber
(Sintjeit ganj naf)e: 1629 bur^ SBaUenftein, 1631 burd)
©uftau 3ibolf ; in beiben ^väüen mürbe ein furchtbarer, faum
3U bänbigenber ©egcnfat^ im 'l^olfe geblieben fein; ber äöelf
tag ber Station rourbe um 240 ^ai)xt oerf^oben unb trat
bann ein in einem 3)Joment, ba jener ©egenfa^ feine ®efäf)r=
lid)feit nöüig ücrtoren l)atte. ^m ©ebiete ber ^unft fann
man fid) in äbnlid)er äl^eife fagen, ba^ bie neue (2t. ^^eter§=
firc^e be§ ^apfteS 9tiEolau§ V. unenblid) geringer geworben
märe aU bie be§ Sramante unb älJidielangclo.

©ine (Schattierung ift au6) ber (ärfa^ oon einjelnen


^ultursroeigen burc^ anbere: ^n ber erften ^älfte be0
XVIII. 3a(;r^unbert§ bei faft oöüiger Dluttität ber ^:poefie
unb geringer 9iid)tung in ber äRalerei erreidjt bie aJtufif i^re
größte griiabenljeit. 2lIIein au^ bie§ finb ^mponberabilien,
bie man nid)t fo fed gegcneinanber abmögen barf. (Sicfier
ift nur, baß eine Seit, ein i^olf md)t 'JIEe^^ im^^^^ befi^en
fann, unb bafe üiele an fid) unentfc{)iebene 5lräfte oon ber»
jenigen ©attung angesogen merben, roelcfie fic^ bereit?! im
größten Sdjroung befinbet.

5)ic aUergerec{)teften Etagen jeboc^, meiere man, raie c§


fd)eint, gegen ba§ (2ci)idfal foEte ert)eben bürfen, bejieljen fid^
auf ben Untergang t)ol)er aßerfe ber 5iunft unb 2)id)tung.
2luf ba§ 3ßiffcn be§ 2lltettumÄ, auf bie Sibliottjefen oon
^ergamon unb 3neranbrien mürben mir am tS'nbe nod) oer»
5id)ten; baS neuere aöiffen ift erbrüdenb genug; allein bie
untergegangenen ^ic^ter Ijödiften 3iange£^ erfüllen un§ mit
Jammer, unb auc^ on ben ^iftorifern l)aben mir unerfe^licfie
58erlufte erlitten, roeil bie .Uontinuität ber geiftigen (Srinne^
272 VI. Qebcr 6läch und önglüch in der öleltgcfcbicbtc.

rungen auf gro^e, wiittige ©tredeu fragmentarifd) getuorben


ift. S)iefe itontinuität ift aber ein luefenttirfie^ ^nterejfe un»
fercS 'jDcenfd^enbafein^ unb ein metapl)i)fifcf)cr ^-öetuei^ für bie
^ebeutuug feiner Sauer; benn ob 3iifaninienl)ang be§ (N5eiftigen
anä) ot)ne unfer SBiffen baüon oorl)anben märe, in einem
Organ, baö roir nid)t fennen, ha§> roiffen roir nid)t unb fönnen
un§ jebenfaüv feine ä>orfteIIung baoon mad)en, muffen alfo
bringenb münfdjen, ba^ bol Serou^tfein jenel 3iifo"^"^ß"'
i^ange^S in un-o lebe.
31 (lein unfere unerfüllte 6ef)nfud)t nad) bem Unter*
gegangenen ift auc^ etma^S racrt; i^r allein uerbanft man e§,
ta^ nod) fo oiele Srud^ftüde gerettet unb burd) eine raftlofe
2Biffenfd)aft in 3ufammenf)ang gefegt roorben finb; ja 'Htv
e^rung ber 9iefte ber £unft unb unermübiii^e Kombination
ber tiefte ber Ueberlieferung machen einen ^eil ber Ijeutigen
^Religion au^.
2)ie oere^renbe ii^raft in un§ ift fo roefentlid) al§ bal
3U t)erei)renbe Dbjeft.
^i5ietleid)t aud) mußten jene £)of)en Slunftroerfe untergeben,
bamit eine neuere Kunft unbefangen fdiaffen fönne. 2Benn
5. 33. im XV. ^a^r^unbert plö^lid) gro^e 2}iaffen TOot)l=
erhaltener gried}ifd)er ©fulpturen unb ajtalereien mären ge»
funben morben, fo ptteu Sionarbo, 9)Zid)elangelo, 3kfael,
^tsian unb ßorreggio nid)t fdiaffen fönnen, mal fie gefdiaffen
f)aben, raäf)renb fie mit bem oon ben 9tömern (Ererbten roof)l
in if)rer SBeife roetteifern fonnten. Unb wenn mä) ber a}Htte
be§ XVIII. ^al;rl;unbert§ bei ber begeifterten (Erneuerung
be§ p^ilologifc^en unb antiquarifc^en ©tubium^ bie oerlorenen
grtec^ifc^en £i)rifer aufgetaucht mären, fo ptten fie mögtic|er*
töeife ben ganzen (;oi)en ^^lor ber beutfdjen ^oefie ftören
fönnen. j^reiüd) mürbe too£)I nad) einigen ^atjrsebnten ber
(Störung, nai^ bem erften ©rftaunen ba§ maffenljaft oor(;anbene
2llte mit bem 9ieuen fid) auSeinanbergefe^t unb bol 92eue
feine eigene 2ßege gefunben pben, — allein ber entfc^eibenbe
Slugenblid be§ ä^ermögen^ ber 33lüte, meld)er nid)t mel)r in
VI. Qebcr 6lüA und anglüA in der CdeltgelAicbte. 273

jeiner uoüeu ^ö()e luieberfetirt, luäre oorüber geiuejen. 9Jun


aber mar im XV. ^atir^unbert für bie 5lunft, im XVIII.
für bie ^^oefie (3enug oom 2IIten ba, um anjuregen, unb nicf)t
fo üie(, um ju erbrürfen.

2luf biefem ^sunft augetangt, ift innc ju Ijalten. 3Sir finb


uumerf(irf) ron ber ^-rage be§ ©lücfe^ unb Unglücfeä auf ba»
fortleben be-S ^ajienfd^engeifteg geraten, ba§ unl am (gnbe wie
ba§ fieben eine§ 3)ienfc^en erfc^eint. 2)iefe§, roie t§> in ber
^efc^irf)te unb burd^ fie bemufst mirb, mufe aümä^Hc^ bie
•SBUcfe bec^ ^^enfenben bergeftalt feffeln unb bie aÜfeitige (Sr--
grünbung unb a>erfolgung be^felben mufe feine SInftrengung
berart in 2lnfpruc^ netmien, baB bie 33egriffe ©lücf unb Un*
glücf baneben mei)r unb mel;r ii)re Sebeutung üerlieren.
„W\] fein ift 3lIIe§." «Statt be§ ©lüde^ wirb ha§> 3iel ber
^ä^igen nolentium volentium bie ©rfenntniS. Unb bieg
nic^t etroa au§ ©leicfigültigfeit gegen einen Jammer, ber un§
ja mitbetreffen fann, — rooburd) mir uor allem falten
Cbjettiü^un gefd)ü^t finb, — fonbern weil wir bie Slinb»
t)eit unfereg 2Bünfd)en§ einfe[)en, inbem bie 2©ünfc^e ber
^isötfer unb Ginjelnen merf)fe(n unb. fid; roiberfprec^en unb
auft)eben.
5lönnten mir üöttig auf unfere ^nbioibualität üerjic^ten
unb bie ®efd)ic^te ber fommenben Seit etroa mit ebenfo üiel
9iutje unb Unrul)e betrachten, wie mir ha§> ©d)aufpiel ber
9Zatur, 5. 33. eines ©eefturmS 00m feften Öanbc au§ mit»
anfeljen, fo mürben mir oieÜeic^t eineS ber größten ilapitel
aus ber Öefdiic^te bei ©eifteS bemufet miterleben.
3n einer ßeit:
2)a ber täufc^enbe triebe jener brei^ig ^cii)xt, in meieren
mir aufmuc^fen, längft grünblid) hai)\n ift unb eine ^Jieilje
neuer Hriege im Sln^ug §u fein fd)einen,
3)a bie größten ilulturüölfer in iliren poUtifc^en formen
:fd)roanfen ober in Uebergängen begriffen finb,
Xa mit ber ^ijerbreitung ber ^ilbung unb bei ^iierfeljrl
3BeUflefd)it^llicbe S8ctta(^tun9en. 18
274: VI. Oebcr 6lü* und anglüA in der CQeltgelAiAte.

anä) bie beS Seiben^5berou|tfein§ unb ber Ungebulb fid^tlid^


imb rafcf) junimmt,
5)a bie fosialen Einrichtungen burd;gängiö burc^ 33c^
megungen ber (Srbe beunruhigt roerben, — fo oieler anberer
angehäufter unb uuerlebigter 5lrifen uirf)t ju gebenfen, —
aSürbe e§ ein rounberbareS Sc^aufpiel, freilid; aber ni^t
für jeitgenöffifd;e, irbifc|e SBefen fein, bem ©eift ber 9}ienfd)'
f)eit er!ennenb narf)suge[;en, ber über att biefen ©rfdjeinungen
fc^roebenb unb bod) mit otten oerflod^ten, fic^ eine neue Söo^»
nung baut. 2Ber l;ieüon eine 3ll)nung ptte, raürbe be§ @lüde§
unb Unglüde§ üöttig üergeffen unb in lauter ©etinfud^t nad)
biefer @rfenntni6 ba^inleben.

-;■ .^»;
3nl)alt$on8obe.

1. (Einleitung.

1. Unfere Mufgabc. Rraecf imb öang ber folgcnbcn Sarftellung (1).


— 33er5id)t auf baö ®i;[tematifcf)e unb bic Öefdiid)tgvt)ilofop^ie. —
2lu§einanbcrie^ung mit ber ^(jilofop^ie. — ©efa^ren ber chrono*
logiic^ oerfalirenben ©efdjic^täp^ilofop^ie. ^egel (2). — Tie reli*
giöfe @e[d)ic^töbetrac^tung unb bie anbcren SBeltpoteujen (3). —
a3e)c^ränfung auf bag lonftante unb Sppifcfee. — Sieftreitbarfeit
aQer 3Jiet()oben (4). — 2lu§gang üon ber SUtte unb aßeglaffen ber
ainfönge. — Sag JI)ema ber ®efcf)id)te: ber ««ac^rcciä atteS ©eiftigen
alg eines SOßanbelbaren, gefc^ic^tlic^ Söebingten unb bic Betrachtung
ber 3Siel^eit nebeneinanber befte^enber SSölfer unb 5lulturen (5).
— 2505 $auptp{)änomen ber grofeen 3]eränberungen (6). — ©ie
eteUung beä ^"^»iüi^»""^^ i>«J»- — ®'^ «ielgeftaltigfcit beä ge-
fdliditlic^en i'ebeng alä iöirfung beg §auptpl)änomen5. — Unfere
«Pflicht gegenüber ber a^ergangen^eit als geiftigem Äontinuum (7).
— Sie 2luörüftung unfereä ©eifteg ju biefer Slufgabe. — ©eine
^flic^t, ta^ «ergangene in feinen Sefife ju üerroanbeln (8). —
Ueber ben ®feptijiämug al§ 3fiefultat. — Sie Kontemplation al§
SRec^t, ^^flid)t unb Sebürfniig. — ©efa^ren ber (Srfenntniä (9). —
Sie aibfic^ten unb ber Öebanfe an bie Butunft alg i^re g^einbe.
— ©egen ber i^nen entrücften öefc^ic^tgpartien. — iserfappung
ber 2lbftc^ten al§ «ßatriotismug (10). — ©efa^ren ber äJcfc^rönfung
auf üaterlänbifrfic ®efd)ic^te (11). — Seren rca^reg Stubium. —
— Sic eiiminierung ber Begriffe ®tücf unb Unglüd (12).

2. ^te ^:öcfätiiflunö bcö XIX. ^ntjr^unbcrtö für ba« Iiiftotift^e


Stttbium. 3Serjid)t auf eine Grtenntnig, loelc^c Sc^lüffe auf bie
3ufunft julicfec (12). — Sag SSoraugfe^cn beg Äünftigen nic^t
H)ünfd)cngroert unb nic^t roaljrfdjcinli*. — Unfere 3lugrüftung für
276 Jnbaltsangabe.

bic itenntniö beä S^ertjangenen. — ©rötere ^"SönsHc^ieit aUcr


a)Uttel ber ßrlenntni§ (13). — SJegatioe Jöi'berung burd^ ©e^
roä^renlaffen beö Staate unb a}tac^tIoftgfeit ber ^üeligion. — ^ofi=
tioe görbentng burd) bic ge[(f)id^tHc{)eu Vorgänge »on bcr frans
3öftfcf)eu Sküolulion an (1-4). — SBeitere 5ifl""9 i'cö ^pragmatigä
mui. — SJerutelfadjung bev ©efid^t^punhe burd^ Sluätaufc^ ber
Sitcraturen unb ber pMIofovIjifc^cn 53eit)egungen (15).
2)aä Stubium bcö (Sefcl)i(^tlic()en alö unfere fpejieUe 2lufgabc gegen*
über ber Crnormität unb ber getüaltigen Spejialifierimg (15). —
2)er boppelte SBert ber uergangenen Xatfac^e (16). — 3)ie 5öebeutung
ber gad^ftubien unb bie ber propäbeutifdEjen ©tubien (©prad^en).
— (Seifttge Äonjentration. — 2ßegraenbung üon ben 3Ibftc^ten. —
S8eräicf)t auf bloßen ®enu^ (17). — 3tnfängltd^e Sangrceiligfeit be§
lyrembartigen. — 2)ie 3)Jüf)e beö üueHenftubiumS (18). — X'atS
Sefen auggefud^ter Dueüen. — 2)ic Hoffnung, baburc^ auf 3?efu(=
täte ju lommen (19). — Sie SSorjüge be^ Duellenftubiumä. —
Sie roec^felnbe Söirhmg ber DueQen auf Derfdjiebene Reiten (20).
— 2tugbeutung bev EiueUen nad^ beftimntten ^^'^fß"- — 9?otiercn
alles 2}Jcrfrcürbigen. — 2ob ber bilettanttfd)en Sefd^äftigung mit
ber (55efc^ic^te (21).
Sag freunbfd)aftlid^e S?ert)ä[tni§ ber ©efd^id^te ju ben 9iaturn)iffen=
fc^aften. — 2)ie l^iftorifc^e Setrad^tung berfelben. — UeberblidE
über i^re ©teQung in ben oerfd^iebenen 3^^*^" (22). — Sic
3(ct)nlid^!eit ber 33etrad^tung in (Sefd^id^te unb 9iaturit)iffenfc^aften.
— Sie Ungleid^l^eiten äroifc^en ber gefd^ic^tlidien SBelt unb ber
Jiatur (23).

II. Von ben bxct Potenzen.

'Btaat, DJcligion unb Kultur in i^rem gegenfeitigen SSerl^ältni^ alS


2lufgabe ber Betrachtung. — SBitlfürlic^feit biefer Trennung. —
^eterogeneität ber brei ^sotenjen. — Serfc^ieben^eit i^reä 2lnfpruc^ä
auf ©eltung (26). — 2tbroeifung ber ^rioritätgfrage. — Ser
SBed^fel in ber j^^unftion unb in ben SebingunggoerJ^öItniffen. —
^oej;iftenj aller Sebingunggoerl^ältniffe (27).

1. %tt Zttttti* ®itel!eit ber ^onftrultionen oon beffen Urfprung. —


3lbn)eifung ber Äontrafti^gpot^efe (27). — Sunfle Uebevtieferung
von ber Slbftammung. — Xlnfic^er^cit eine§ 3'lüdEfd^Iuffeg au§ bem
Sflationatd^arafter unb bem ä>olfgtum auf feine Slnfänge. — Um
möglicfifeit, il)n au§ bem bloßen 9tec^t§bebürfniä ^erjuleiten (28).
— Sun!el§eit ber frül^eften 3Zotformen. — iüerfc^ieben^eit ber Xiit^
Jnbaltsangabc. 27Z

floaten. — 2)ie (Seroalt be« ^riu8 (29). — 5Ra(^fIang bicfer 5ßrios


rität in bcn fpäteren S3orrecf)teii beg <Biaate^ (30).
2)ie SJilber Dom Staate. — Saä ältefte Ueberlieferte nic^t noiinenbig
ha-i ailtertümlidifte (30;. — Sa^j Unsurcicftenbe ber ariftotelifc^en
SUerfaffungeformen. — 2)aö mittelalterliche Königtum (31j. —
2)er ÖroMtaat unb ber itleinftaat unb i^rc 2lufgaben. — fiebenSs
fä^igfeit ber Staaten bei 33erroanblung oon GJeroalt in Äraft. —
Sie ©eroaltübung nac^ innen unb aufien in ber ^txt be§ Söac^^«
tumö (32). — 2)er rücffic^tölofe ßgoigmug (33). — 2)ie fopl)i[ti=
fc^en trrfufen bafür (34). — 2)a3 iWec^t ber Äultur jur Änecf)tung
ber Barbarei. — 3)er Stoat im Innern alg 2lbbifation ber
inbioibueüen Sgoiämen (35). — Ser Patriotismus unb feine
beiben Stufen. — 2)ie Unriditigfeit ber ^^orfteKung, ba^ ber Staat
baö Sittliche ju uerrcirtlic^en t)abe. — Ser Staat al§ £>ort beS
Stec^tg (36). — 3>er^iitung oon ©croalttätigfeiten sroifc^en politifc^en
unb religiöfen Parteien (37).

2. "^ic OtetiHton. 3f)re Seftimmung, baö metap^pfifc^e SebürfniS


außjubrücfen. — 5^re ©rö^e unb 33ebeutung (37). — 2)ie SGBirtung
if)rer Setracfttung. — S^erfc^ieben^eit ber metap^i)fifd^en 2lnlage.
— i^erfc^ieben^eit bes S5erl)ältniffeg ber 3ieligion jur Sittlid)Ieit
(38). — Sc^roierigfeit fefter SSorfteQungen über bie ©ntfte^ung
ber Sieligionen. — 3^rc Verleitung aui ber gurc^t (39). —
®rfe^ung ber 2lnna^me eineö primitiüen ©otteäberou^tfeinä
burc^ baS SBerou^troerben eineS SebürfniffeS. — Priorität beS
^olpt^eiSmug. — Sie Scftimmt^eit ber ^Religion al§ SBo^ltat
gegenüber bem Unbeftimmten. — Sie 5}ebeutung it)rer Stiftung
unb if)rer 5i?i^i^"n9^f"onicnte (40j. — 2lble^nung ber 2lnnaf)me
a[lmäf)[ic^er (rntfte^ung. — ^iJerflec^tung mit ber (Sntfte^ung eineS
Staates. — Sie geeigneten 3]ölfer unb Äulturftufen i;41i. — Sie
Uebertragung auf anbere. - Sdiroierigfeit bee 5ßerftänbnifjc8 für
bie religiöfen Ärifen unb iljren ^becnge^alt. Seren entfc^eibenbe
33ebeutung für Slnfc^auungen unb Ginric^tungen (42). — Sunfel«
^eit beg SJac^roeifeS bei ben alten Steligionen (43).
fiafautj' (Einteilung in pantf)eiftifc^e unb monot^eiftifc^e Sieligionen
unb bie 2rinitätölef)re. — 3)li3glic^tcit einer anberen Ginteilung
nad) bem Ser^ältnig jum ^enfeitg (43). — 3(e^nlic^feit ber G§=
c^atologie bei G^riften unb Sfanbinaoen (44). — 23egrünbung ber
^rieftermac^t auf ben ^enfeitSglauben unb auf anbere Urfac^en (46).
— Ser Senfeitöglauben unb bas aJJiffionieren. — Saö iübifc^e
^rofelijteutum. — Sie fpätantiten 3)Jt)[terienfultc (46). — Ser
33ubb^igmu§. — Ser flaffifc^e ^oIi)t^ei§mug (47).
278 Jnbaltsangabe.

©inteiluitii in 5Jationa(religionen unb SBeltreligionen. - S^^r t)er=


fd^iebcner (iljarafter (47). — 2)ie 'öjcitreligionen n(ö Urfadie großer
i^rifen. iSinteilung nad) ber »erfc^iebenen :öebeutiing im Seben
in ;KeliiiiLincn o^ne 3)ogmen unb mit mafügem Hultuig, in foldje
mit ftrengem Äultug unb in folc^e mit [tarfem Sogmati^mnö (48).
Sjeifrfiiobcntjeit bcS ©attung^ograbc'o berfelbcn 3ieligion nac^ Qdtin
unb nad) i3cfenner)c^id)tcn. — 3er originale, ber Srabition ge«
löorbene unb ber fic^ auf fein SUtertum berufenbe ®Iaube. — 3ie
Berfd)iebenen Stabien nac^ fojialen @(l^id)ten unb nac^ Äultur=
einflüffen. — Unfic^er^cit unfere^ Urteilä j. S. beim bpsantinifc^en
e^riftentum (49).
4Die Sluflöfung ber Jieligionen unb i^re ©egenroel^r. — "^fjxt lange
bauernbe 3>erfci^Iingung mit ben öffentlichen ^uftf*"^*^" ^^i ^^^'
-lorenem innerem ©e^alt. — Saä 2luffommen üon fiicirefien. —
2)ie 3Ketempft;ci^ofe in faffanibifd^en unb d^riftlidien ©e!ten (50).
— S>erfd)iebenf)cit ber SBiberftanbäfraft in illeinftaaten unb in
2öeltreid)en. — Sie Uebergänge »on 3JeIigion ju ^Jeligion unb
ber Slnfprud) ber Steligionen auf ®roig!eit. — gurc^tbarfeit ber
kämpfe (51), — Segrünbung von Sserfolgungen mit ber ©trafbar=
feit ber Sla§pf)emie. — 33egrünbung mit bem 2lnfprud^ ouf SlHein^
gültigfeit. — 3]erfat)ren ber Senbreligion unb be§ ^^lat"^- —
2)te SSerrcenbung beä ineltlic^en Slrmg im ßfjriftentum (52). —
SBegrünbung ber ^ßerfolgung mit ber Seelenrettung. — Sluguftin
u. 21. (53). — ^nnocenä III. — Sa§ SSerfa^ren ber ^Reformatoren.
— ®ie Seroegung beä XVIII. "^a^rliunbertä. — 35ie 2luff[ärung§5
p^i[DfopE)ie al§ Slcligion (54). — Unmögtid^Ieit beö Untergang^
einer 3ic(igion burd^ bie blofee ^erfe^ung. — 2)a§ Eingreifen ber
Staate.gemalt alg notroenbige 23ebingung bafür. — ®ie 33erbrängung
be^ 33ubb^igmu8 an§i S»i'ienr be§ §eibentum§ in ber römifdien
Ußelt, be§ ^roteftantigmuä burc^ bie (Gegenreformation (55).

3. 'Sie Kultur. S^re aSebeutung. — S^re (Sinroirlung auf bie ftabiten


^otenjen. — Sie Kultur alö ^rojel ber Umroanblung be§ 9Jaffen-
mäfiigen jum 3flef(eftierten. — Sie (SefeÜfc^oft alä it)re ©efamt=
form. — Sog SBac^fen unb SSerge^en il}rer (Slemente (56). —
2ln tf)rer Spi^e bie Sprechen aH Offenbarung be§ (Seiftet. —
Seren ©tubium. — ©rö^ter Dieid^tum berfelben in ber grü^äeit (57).
— Safaulj' Sßerfud) ber g^eftfteUung einer Speisenfolge. — @ngc
S^erbinbimg ber bem materiellen unb ber bem geiftigen 5öebürfniä
entfprungenen Sätigfeiten (58). — ©leic^jeitige ^Betätigung aller
(Seiten beä aJJenfd^cn. — 2ßeiterbilbung ber geiftigen SBelt aud^
ol^ne materiellen Slulafj (59).
Jnhaltsangabe. 279

Sie brei bitbenben Äünfte, ^ocfic unb SWufif. — 3^r fc^einbareä


^croorge^en auä bem Äultuä. — Scfittterg „Äünftler". — ^^rc
2{ufgabe im ©egenfa^ ^u ber 3Biffenfcf)aft (59). — 3i^re übet bie
3eitU(^feit erbabenen oc^öpfungen. — 3f)r Sßeiterleben unb unfere
reftaurierenbe g-abigfeit für jyr^S'"^"^'""?^^^ i*'^)- — ^^^ ^^'^'
mcintlic^e Ütb^dngigfeit oom Sac^inljalt burc^ 3lrcf)iteftur unb 3JZui'if
roiberlegt. — 2)er 2)ienft bei ber Sieligion. — 2)ie grei^eit ber
Äunft (61). — 2)aä Schaffen oon 9Jeuem burd^ bie ^ocfte (62).
3^er beftänbigc ffiedifel in ber Begabung für bie einjetnen Äultur-
gebiete. — IBirfung mäcbtiget ^nbiuibuen. — Seichte SJbglic^feit
von Iaufc{)ungen (62). — üultureinflüffe burc^ ben ^anbel unb
fonftigc Berührungen ber SSölfer. — Sie großen geiftigen ^'aufc^;
plä^e. — 2)ie (5)efelligteit unb bie burc^ fie gegebene 5öerü^rung
ber Äulturcleniente (63), — Sie (Sefelligfeit al^ (yorum für bie
5tün[te (64).
Sas 33cr^öltniö ber Äultur ^ur Sittlid^feit (64). — Sßarnung nor
SSerroec^älung ber ©ittUc^feit mit ber Scinbigung beg ^nbitjibuum^
(65). — Seugnung einer 3J?eI)rung ber Sittlic^feit al^ ^otenj,
foroie ber Steigerung ber inteüettueHen Gntraictiung. — Sie Se-
beutung beä praftifdEicn 'Xun^ gegenüber ben Sd^attierungen ber
ftttlic^en Begriffe. — Ser feit SHouffeau ber Sergangenl)eit gemad^tc
^rojcf;. — Sie Stuffoffung beö Sf)riftentum5 (66).
Sie gäf)igfeit ju Sienaiffancen alg (sigentümlicl)feit ^öt)erer Sultureu.
— Sie Kultur beä XIX. 3a^rf)unbert§ alä 2BeItfuItur im Befi^
ber 3;rabitionen aller S^^^^^ ""^ SSölfer. — Ser ©eioinn ber 33e«
trac^tenben unb ber ber Grrccrbenben (67). — Sie amerifanifc^en
Äulturmenfc^en. — Sie Stellung ber Äunft unb ^^^oefte. — Sa§
Sßerlangcn nac^ 33ilbung alä iDJenfc^cnrecöt (68).

I. 3ur gcfd)id)tlic^cn iB c trad) tu itg ber *^ocfie. Griebigung


bes i)iangftreit3 mit ber ©efdjic^te jugunften ber ^^oefie. — Sie
^oefie Qlg CueUe ber ©efc^id^te. — 3l)re Stellung in ben Det=
fc^iebenen Qtiten, Sölfern unb Bolf^fc^iditen. — Sie ^oefie alä
Crgan ber 5leligion. — ötjmnen u. f. n. (69). — J^eogonien,
mt)t[}ologifc^e Sieber. — Sag Spog. — ©eine unb beg Sic^terg
oeränberte Stellung in ben literarifc^en .-Reiten (70). — Sie Sijrif
in iEiren oerfc^iebenen Stellungen bie jur literarifcben 3«it. — Sie
S^rif beg mittelalterlid)en 2lbelg. — Sie 2)ieifterfinger. — ©ub-
jeftioe 2t)rif. — Sag beroufite SSer^ältnig ber neueren ^oefie ju
früheren Sitcraturen (71).
Sie ^^Noefie nac^ Stoff unb öeift: Sie 3eit il)rer Unentbet)rlic^feit für
alle mögliche 2)Utteilung unb ber engen SSerbinbung pon Stoff unö
280 Jnhaltsangabe.

5orm. — X\t Sßcnbung jum Seliebiflcn, Snbioibucaen, lUclartigen.


— 2)ie 55icl)ter alö Äiinbcn il)rer Äubieftiöität. — 2)te freie 5ffia^t
ber ©toffe (72). -- 2)ie Slrtuöfoge. — S^r iinb ber übriöeu ©agen-
freife 6d)iclfal. — 35ev 3ioman. — ©eine internationale ®el*
tung (73).
Xa^ ©rarna an [ic^ ^ciuei^ eineg bestimmten fojialen ^uftanbg..
— ©eine ikbingt^eit burd) glüctlid^e Umftftnbe. ^:?lbl;ängigleit
Don Sluffü^rungen unb 2:()eatern. — I^aö c^inefifc^e unb inbifd^e
2)rama (74). — 2)ic griec^ifd^e Jragöbie. — 2)ie griec^ifd&e unb
römifd)e Äomöbic. — 2)ag geiftlirf)e ©c^aufpiel beö ^Diittelalterö (75).
— SDie a)Joralitäten, gcftf)i(^tlic^eu ©tücfe, ©djraänfe. — 3ta<i)'
bilbungen nac^ antifcn a)iu[tern. — Uebergang jur 2luffü^rung^
burd^ ©d^aufpiele (76). — 3lugb(eiben beö ernften S)rama§ in Stalien.
— llne^rlid^feit beä ©c^au)pieler[tanbe§. 2)ie bebingtc ©teUun^
beg 2:()eaterö in (gnglanb. — Sie loirflid^e S^ationalbü^ne in Spanien,
— Sepopularifierung beä 2;t)eater§ im XVIII. ^a^r^unbert. —
S)aö 2)rama eine Siteraturgattung (77). — ©eine ©teUung in.
unferer 3eit. — Seren tt^eoretifd^eö SSerftänbniä (78).
3ttr gefd)i<^tU(^cn «ctcac^tung ber bilbcnbcn fünfte. Ser
aiußbrudt Don 9lation, 3eit unb Äultur im a3auIid}=2KonumentaIen (78).
— Sag ©ntftetien ber ©tue. — Sic^unft a[§ J-orm beä ^eiligen
unb aJJdd^tigen. — 2lu§prägung ber Steligion in ©futptur unb
^aUxti. — Sntfte^ung einer profanen Äunft (79). — Sie Äunft
ber ©pötjeiten. — Sie Äunft aI5 felbftänbige Äraft. — Ser gro^e
Äünftler (80).

III. r>ie ^cttaditnng 6er fcc^s ^eötngtljcitett.

©^[tematifc^e 2öertIofig!eit biefcr 2lnorbnung unb Seid^tigfcit etne&


^rrtumg. — S^re praftifc^e Berechtigung. — Sie Unoereinbarfeit
fc^arfer Segriffäbeftimmungen mit ber ©efc^id^te (81). — Sie Sat*
fod^e, ba^ aUtä jugleid^ bebingt rcirb unb bebingt. — aßeiterer
Sßorjug ber 2lnorbnung. — 3BegIaffung fompliaierterer aSer^ältnifje..
— SBieber^oIungen (82).

1. ^ie Kultur in t^rcr «cbtngt^cit burc^ bcn ^taaU 2ßeg*


laffung ber ^rioritätgfrage unb ber grage nad^ ber (gntftefiung
beg 9iec^tg. — Sefdirönfung auf ÄuUurftaaten. — 2legi;pten. —
Ser ©taat in ben früheren ©tabien ber ftärfere ^ei(. — ^ladi)--
roirien ber ©c^roierigfeiten feiner (Sntfte^ung (83). — a>erftärfung
burc^ bie 3{eHgion. — Stickten unb ©tiacfteßen ber Äultur. — Ser
abgefc^Ioffene ^trUi)v. — aibraefen^eit ber Äüftenfc^iffa^rt. —
Jnbaltsangabe. 28\

Äaftcneinric^tung (84). — 5Rac^teillgc {folgen ber Jßerneinung beö


5nbiDibueQen. — Munft unb ffiifjenfc^aft burc^ .v^eiligerflärung ftitte
gefteUt. — 2)er aftatifc^e Crient (85). — ^ofitioer .Strang (86).
3)ie freie ^oliö ber !lQiiiicl)cn SBelt. — get)Ien ber iietnmnifie für
bie Kultur. — ^9l£)agorae. — älUmac^t ber "i^oliä über ben ©in*
jelneii (86). — ©parta. — öeftigteit ber giierf)ifcl}eii ©egenfd^e.
— SJöglic^fett ber {)ö(^ftcn Seiftungen. — Iijrannien. — S)ie für
ba§ 'JEiffen günftigere 3eit ber 2)iabo(^en (87). — 3Jettung unb
^Jtuögleidiung ber allen Kulturen burc^ $Hom. — Neffen Söelt^
monarc^ie. — Sic Jenbenj 5ur (£inf)eit (88). — !3)er römifc^e
^^t)iü)eaeni^mug. — SBirfung burc^ blofeeö ®efc^ef)enlaffen (89\
— 3>aä fulturjerftörenbe a^ftem ber ©pätjeit (90).
2^ie Staaten ber Jßolfenranbcrung. — 33ebeutung ber gemeinfamen
SJeligion unb bes Äonubiumä. — 9ietarbierung ber Kultur. — Älerug.
_ 2ii,ei. _ ©täbteinefen. — Sicftlfeite ber ftaatlidien 3erfplitte=
rung im aJJittelalter (90). — Ser jentralifierte ©eroaltflaat Jrieb»
ricf)§ II (91). — 3^ie Äonjentration ber 2)Jac^t im übrigen guropa.
— Spanien. — 2)er franjöfifc^e 2lb)oIutismug. — Subroig XIV
unb feine Diad^a^mer biä jum Staate ber Steüolution (92). — 2)a§
S}er()ä(tni§ ju erroerb unb SBerfefir. — 2>er Sc^u^soH (93). — 3)er
Staat al§ bloßer Dlac^tgenufe. — 35ie 3{uff)ebung beö ©biftg von
9Jante^. — L'etat c'est moi. — S^ftematifdieg 3]erfoIgen unb SJers
leiben. — 2)aS roo^lbienerifcfie gntgegenfommen beö ©eifteä (94).
— Sic ^öfc Sorbilb ber ©efeQigfeit. — Sie Se^ranftalten. —
Sie ©eroö^nung an bie Staat6l)ilfe. — Sie neue Sßenbung auf
ba§ 3?erlangen banadj. — Sic 5^el)auptung beä ©eroaltftaalStum^.
— Sas treiben ber a^ölfer ^um ©rofeftant (95). — Seffen 33e=
grünbung mit Äulturaufgaben. — Sie Tladjt alg ber roa^re 3raecf.
— ^offnungelofigfeit ber Sejcntralifation. — Sa^ Unglüd bei ber
ajJac^t. — Sie gü^renben (96).

2. ^te ftultiir in iftrcr »^cbtitfltljeit burd) bie ÜHeligton. Sic


aJJutterfc^aft ber SieUgton gegenüber ber Äultur. — ^iiv (Sinrairfen
auf aüc Singe. — Seren SWeaftion. — Sic Jenbenj ber 3leligion
auf 2lüeinf)errfc^aft. — ^eiligeä Jlet^t (97). — (Sinfcfircinfung ber
Äultur burrf) ben '^ni)aü einer ^Religion. — SBirfungen beö ^enfcitä;
glaubend. — Serbrdngung ber antifen '^^rofanfu^tur burc^ baö
Gl)riftentum o^ne ^ufa^inienrinnen con itirdic unb Staat. — Scr
rocltlic^sgeiftlic^e Scfpotismuä im 3§lam (98). — Seffen ber
Äultur fd)äblid)c Ginfeitigfeit. — Seine guten Seiten. — Ser ^od)t
mut gegen aUe 2lnbern (99). — Sie i'cbensibeale. — Sie 2ßiffcn=
fc^aft beä ggtamö. — Sie ^oefie. — Sie bilbenbe Äunft (100).
282 Jnbaltsangabe.

— 2)ie id)einbare Slüte ber Sauber. — Äein !Durd^bringen jur


Totalität be'5 ©eiftiijen dOl).
älb^ängigteit ber Kultur t)on ebemalic^en ©eltung^grabcu ber Sleligion.
— 3)auernbe Knicfung einjelner ilulturjroeige für baö betreffenbe
SSoIf (101). — i?erbältnig ber antiten SJelioiionen jur Kultur. —
J'cren 3luot)öbluuiv
^'ie Äunft. — I)eren ^ugenbjeit im 2)ienfte ber Sieligion (102). —
3)a8 obne bie SJeligion XJorl^anbcne. — S)ic Sßirfungen ber Steliä
gion. — itieratifrfie ©tiUeftellungen. — Stegtjpten (103). — 95i)janä.
— Sie .llunft rcbu^ierenbc unb oerneinenbe Sieligioneu. — ©ie freie
griec^ifc^e ilunft. — 2)tc 2lblöl'ung ber ^^oefie nom Äultug (104).
— S'ie iier äBiffeiifdiaft. — Xa^ lange SJerroeilen ber bilbenben
Äunft im Sienfte ber Sieligion. — 2)effen Vorteile für bie Äunft.
— 2)ie anufif (105).

. ^cr Ztaat in feiner ißebingtl^eit Itur«:^ bie dieligion. Ser


alte (ginflu^ ber Sicligion auf ben Staat. — 2)aä Ijeilige ^td)t
— Sie §emmung bes ^snbiuiöuetlen. — i'ic^tfeite biefe§ 3"ft''"^^'^
(106). — Grtötung ber jyr^i^eit. — Sie %ola,e. für bie 3ieligion.
— Sic lempel; unb Dratelftaaten (107). — Sie jübifdje J^eofratie.
— Sie SJva^minens unb bie 3^"i>reUgion (108). — 5i>oriuiegen beä
SefpotiemuS über bie 3ß"^reIigion; beren Sebeutungslofigfeit für
bie 3J2oraIität. — ^l^re fonftige Äraft. — Sieftauration eineä
©taat^tumg burc^ bie Sieligion (109). — Ser Sslam (HO). —
Sag oämauifc^e Staatötum. — Sag -Ber^ältnig jtoifc^en «Staat
unb Sieligion im Slltertum unb beffen Umfc^lag buri^ bag ©Ijriftens
tum. — Ser S^jontiniömug (112). — Sag fpätere fic^ Slufraffen
beg ^mperiumg (113). — Sie Staaten ber SBölferroonberung. —
3iJittelalterlic{)e Sirene. — S^i'c Siettung burc^ bie roettlirfien 'iJiäc^te
unb it)re Stellung beim Selienrcefen (114). — ^^re ©in^eit gcgen=
über bem Staat. — Sag brachium saeculare. — :^s^re 3Serfle(^tung
mit ber 2BeIt (115). — Ser religiöfe Slüdgang. — Ser abfolute
Äonferoatigmug alg golge ber SSerroeltlid^ung. — Ser i^onflift mit
bem Staatgbegriffe unb ben Äulturfräften (116j. — Ser reaftionäre
(S^arafter ber ©egenreformation. — geinbfc^aft gegen t>tn mobernen
Sßölfergeift (117). — Sie prote[tantifd}en Kirchen (118).
Sic 2;rcnnung oon Staat unb Kirche alg Problem unferer 3eit (118).
— Ser neue Staatgbegriff. — Sie Äoufequenjen 1)^^ paritätifc^en
Staates (119). — Sie ißerbrängung ber Sieligion burc^ bie Kultur
im ©influ^ auf ben Slaat. — Ser 3?orteil für bie Äirc^en bei ber
3;rennung (120).
Jnbaltsangabe. 283

4. 2'cr Stöot in feiner "öcbingtfjcit burd) bie $iultur. Se=


ftreitung einer folc^en für bie Urjeit. — 2)ie pl)bni5i)c^en Stäbte
alö erfteä Seifpiel ber freien 2:ätigfeit (120). — !Die c^riediifc^c
^oliä. — ßinflufe ber Kolonien unb ber 3)emofratie. — 'iU^en als
Äultur^erb. — 2)ie Jörbcrniffe Ijierfiir. — (Sntfeffelung be§ 3nbi=
»iöuetleu (122). — Üßeiterleben Der Äiilturbebeutung nac^ ber po-
litifcfjcn 3tieberlage. — 58et>eutimg 2Üf)enö für aüeö ©eiftige 1 123).
Sebeutung eincö freien gciftigen laufc^platse^. — SBegfall ber
falfc^en Criginalität. — 5^^'^" gleichartiger Jaufc^plä^e in unferer
3eit 02-i). — Stnaloge 3>erfuc^c int Mittelalter. — ^Nariö. — 2)er
®i^ ber Äurie. — Jlorenj. — Sie iiUrlung bes Jaufdipla^eä auf
bie ~^>robuftion. Xai Äonuentionelle unb Mi 5lla)"fifc^e (12.5). —
2)ie (rinfadjticit beä 3)aieing alö ^ßorteil für Sitten. — Sa^ 2Iuä=
bleiben t)emmeuber 2:rennungeu. — 3)ie ©cfeHigfeit. — 35oä atli
gemeine 'i5erftänbni^ für bie i)ot)tn Seiftungen (126). — ©ie
233ec^)elioirfung 'in)ifd)en bem 3"biDibuunt unb bem SlUgemeinen.
— 2lbnai)!ne be^ politifdien ß^rgeije^. — 2)ie 3lusartung alä
golge Der ^»erridiaft über ein 9?eic^ (127). — 3)ie 2)urc^fic^tigfeit
ber Äranf^cit^formen. — SBert 2lt^enä al§ ^arabiguia. — S)ie
3erfe&ung ber griecf)ifcf)en 2)emofratien burc^ bie SHeflejion. — 2)ie
@cfal)r burd) bie ©roBindc^te (.128). — 2)er ^^arteiegoiömug alä
Jobegurfac^e. — Slicf auf 3tom (129).
!Eie Staaten ber 5>öltenoanbening (129). — [Rettung burd^ bie ipipi^
ntben. — 2)ie Äultur unter Äarl Dem ©rofsen (130). ^ Daä ilil^ni-
roefen. — Seine politifc^en UnüoU{onintenl)eiten (131). — 2)ie
^artialtultureu ber einjelnen Äaften. — 3telatioe ^rei^eit ber ^er;
fönlid)feiten unb 3leic^tum an Sebensforntcn. — 33ebcutung be§
bamaligen JRetarbierenä für unfere ^ext (132).

2)er moberne sentralifxerte Staat. — Seffen anfängliche Uebermac^t über


bie Äultur (132). — 2)ag SJorroärt^fc^reiten ber mobernen Äultur
feit bem XVIII. 3a()r^i'"bert. — 2^ie 2luffldrungäjeit unb bie
3bee ber S^olt^fouoerdnetät. — Die nationalöfonomifc^en ©tjfteme.
— Sag fallen aller Sc^ranfen (133). — (i'nglanb unb baä Ueber;
gereicht ber ^nbuftrie. — Sie iDJac^t ber politifc^en unb fojialen
Sbecn ber franjöfifc^en SleDohition unb il)re bfumenifc^e 35erbrei=
tung burc^ bie treffe. — Jenbenj be§ Staate!?, feine 3JJad^t ju
behaupten 1 134). — Sie burc^ bie 3lnfprüd)e ber SHeflejion be=
bingte Ärifi«. — Ser 3Biberfprud) 5n)ifd)en ben Slnforberungen an
ben Staat unb ben Söefd)rdntungen feiner Hompetenjen. — Ser
Äultuä ber Staatäein^eit unb beä Staatiäumfangä. — Sie 5?iDel=
licrung ber iHec^tc. — Jenbenj nadi bem Unioerfalftaat (135). —
284: Jnhaltsangabe.

2?e5entralifation^it)ünic^e. — S>erfcf)iebuiifl ber 3(uf(\aben beä ©taatä


»IIb ber CHolcUfrfiafl. — 2)ie 2)Jenfc{)enrect)te. — Ueberlabung beiS
©laatö mit iHiifgaben. — ©ie Staat^fc^ulben (lötij. — Äünftiger
Sieij ber Ungleichheit (137).

5. ^ic JKcliöion in tl)rcr iöet)iiifltl)cit burd) bcn Stttot. 3)er


laienma^ige (E^araftcr ber flaffifcf)en Siciigionen. — ©taatggbtter
(137). — g-ii-ierung ber ©ötter an Dertltcf)tciten unb i'ebenSfpl^ären.
— 3)ie 2lbit)e[enl)eit einer S^eologie alö 5Bebingung für ben antiten
©taat. — Siomanifterung üon ^öarbarengöttern. — Sßer[)a(ten 3tomö
gegen bie (ll)riften. — 2)ie übrige alte aiselt. — 25ie leibenbe
Stellung gegenüber bem Staat alg Vorteil für bie ^bealität einer
3fleligion (138). — Saö (El)riftentum. — ©rflärung feiner "Hit-
jiel^ungen jum ©taot (139). — 2)aS StaatStum alS Sßorbilb für
ba§ Äird^entum. — 2)er Uebcrgang jur Staatäfird^e unb beren
Uebermac^t. — Siücfroirfung bee 3rfeifd)en. — Ser falfdie 3}la<i)t-
finn. — Sie Ueberfd)ä^ung ber (Einheit (140). — 2>eren Dpfer.
— Site ^Reformation. — 5)er 33unb oon 'Sijxon unb 2lltar mit
Sßorroiegen ber ©taalgmadE)t in ben fat^oliidjen Säubern. — Seffen
®efä^rlici)feit unb Unljaltbarfeit (141). — granfreid^ unb ba§ Äon»
lorbat. — 2)ie $8ebrDf)t^eit ber Stcligion. — 2)te übrigen Sänber.
— 3)aö Sßerlangen nad) liberalen 5ßrälaten (142).
3ufa^ 187 B. 2)ie ©v)ftematifierung ber fird^lic^en 3lnfprüc^e mit
©t)llabu§ unb ^nfaUibilttät. — grage nad) beren Sw'ecf. — Sie
neue 33etonung ber (Einheit. — 2)a§ 2>erf)alten ber ^Regierungen
(143). — S)er Äutturfampf in Seutfd^lanb unb ber ©diroeij. —
3:ie <B<i)m oor i;rennung uon Äirc^e unb Staat (144).
2)a§ proteftantifc^e ©taat«firc^entum. — Seine anfängliche UnDer=
meiblidjfeit. — Sag je^ige 5Jotfc^irmertum beö Staate^ unb bie
3Serlegenl)eit babei. — SBünfc^barleit ber 2:rennung (144). — S)ie
©efäl^rbung ber anglifanifc^en Staatsfirc^e. — Staatltd&e Untere
ftü^ung ber gegenroärtigen Äirdien burc^ ©rfd^roerung neuer Se«
roegungen. — 2)ie ruffifcfje Äird)e. — Sie bpjantinifc^e Äirc^e (145).

6. ^ie 9icIigion in i^rct «cbingtl^cit bnrd) bie Snitnr. Sie


beiben §ouptarten biefer 33ebingt^eit. — 1. SSergötterung ber 5?ultur
neben ber 9JaturDergptterung in ben ^olt)tt;ei§men. — ®ie flaffi=
fc^en ^Religionen unb iljrc Seic^tigfeit beg ©ötterfc^affeng (146). —
S^re Sebrobung burcf) bie «p^ilofopbie unb ben Senfeitgglauben, —
S)er germanifcfie 5poIt)tl)ei§mug. — Xie mittetalterlicl)en 9Jot^elfer
unb Spejialf)eiligen. — Sonftige 2lbl)ängigfeit ber 3ieligion oon
ber Äultur burc^ „3?erflect)tung" (147). — 2Jlobififation ber c^rift*
Jnhaltsangabe. 285

liefen SReligion unb ihrer (brunbftiimmtng burdi baä Q-intreteix ber


rerfc^iebenen iliationeii. — (Geringe 33erulining mit ber Multiir in
ber apoftolifcfjen 3£'f- — Criubringen dou griecf)ifct)er Äultur unb
DricntQli^inuä in ber ^eibnildjen Äaifcrjeit. — 93ebeutung ber 33er;
folgungen für bie trin^eit (148). — tStiriftlidje ÄüiierH'it- — Gin=
flu| ber griec^ifdjen 3^ialettit uu^ bee orientali)i1)en Dogmenfinnä.
— 35orbrangen be^J Multu^ an Stelle ber ^ieligion. — H^ai (Stjriften;
tum t)on 53t;}anj. — !?ag Iateini)cf)e Cil^riftentum beö 5"r"')"'ittel;
olterä (149). — 2)ie Sinroirfung ber Wc^tfultur. — 2)ag 3}iönd)=
tum unb feine S8erüf)ning mit ber äiolföptiontafie. — Sl^fefe unö
JBunbcr (IBO). — Sdieinbare Unterorbnung öer i^ultur unter b'.e
SReligion im X. 3''^i^^)"n^ert. — Ginbringen einer 'Jlrt Don 2i}elt
in bie Äirc^e. — 3.Nern)irflic^ung beo Äreuj5ugäibeal5. — Äonfnrren;
burc^ rceltlic^e ^"tereffen im XIT. Sn^r^unbert. — 2lbna^me ber
2(gfefe. — Sßorbringen ber 5?unft. — .'öärefien (151). — 2)ie Äirc^e
ber brei folgenben Sti^r^unberte al^ Sieaftion. — 2)ie i!olf^=
religion unb it)re 33erfleditung mit ber i^olfefultur. — 3)ie 3leli=
giofität beä 3]olfe^ beim Sßertbienft. — 53efd)dftigung aller t)b()eren
Vermögen bes SlJenfc^en (152). — Die 3]erfle(^tung mit ber Äultur
alä Sebenöbemei'o einer 9?eligion. — 2)ie 5Heformotion. — SRec^t«
fertigungele^re unb ©nabenroa^I. — :öruc^ mit ber ^^^antafie. —
Unpopularitdt. — J)er "öaroffo ber ©egenreformation. — SDäiber-
fpruc^ ber urc^riftlic^en 2luffaffung unb ber tueltlid^en Xenbenjen
ber 3eit (153). — Sie Ijeimlic^e SOJeuterei ber Äultur unb bie
offene 2lbnjenbung ber ©eifter im XVII [. 3afi'^f)"ni'ert (154).

2)ag neuere a^er^ältnis be§ G^riftentumsi jur Äultur. — 3)ie rciffen=


fdiaftlic^e ^efdmpfung be§ 3J!i)t§ifc^en (154j. — 2)ie neue Stellung
ber aJJoral. — Xa^ Sl)rgefül)l. — Sie moberne ^^iIantl)ropie. —
Sie ©tärfe beä "ffieltlebenä unb be§ Grroerbäbebürfniffeö (155). —
Seren amerifanifdjer Äompromife mit bem tfieoretifd^en ^effimig?
mug. — Sebentlic^e aJJittel ber Drt^oboEie. — 21uäfic^t auf dUid-
Hi)V jur (Srunbibee (156).

3ufa^ 187 1. Senfbarfeii einer retigiöfen Ärifi§ (156).


S3ebingt^eit ber SHeligion burc^ Äunft unb ^oefie. — Serrat an ber
Jleligion burc^ bie Spruche unb burc^ bie Äunft. — 3>erteibigung
ber Jleligion burdi 3leftauration eines befangenen otilä (157). —
Ser moberne Äatl)oli}i«muä. — Ser Äaloiniimu'o unb 3}iet^obi§=
mug. — Reiten beö iioröerrfcfienö ber Äunft. — Sie Stellung ber
Äunft als einer !Cerbünbeten ber Sieligion (158). — ^Ijrc Selb;
ftänbigfeit (159).
286 Jnbaltsangabc.

\V. I>tc o;cfd?td?tIld?cn ßrtfcn.

Sßcrid)iebcnl)eit unö iBenDanbtfd}aft ber befdjleunigten ^rojeffe. —


3Uiöic^eibung ber altern syöircrnjanberungen (160). — Slbfinbung
mit beten optimiftifc^er Beurteilung. — Heber 5erftörenbe unb ge*
funbc Barbarei (161). — SJoraußna^me beä Äriegeä. SBer^
fc^iebcne 33eurteilung beö 2;ung ber (iinselnen unb ber SJöIter
(162). — ^^ac. 53cn)u$troerben ber uoUen 3iationalfraft. — ^^ilo;
fop^ifc^e $ßertcibigungen be§ ÄriegS (163). - Unfer ^ajit. — 2)ie
©rfennung ber roa^ren Äräfte. — Sie Superiorität be§ ilrieaS
über ben (ggoi^niuä ber einzelnen. — 2)er ^rieg alö Sürgfdjaft
fünftigen ^^-riebenö. — Sßünfc^barteit eineö gered)ten ©runbe§ (164).
— Sßorjug rcirflidjer Kriege Dor bloßem get)ben)efen unb bi§jipli=
niertcm Äabinett§frieg. — STie heutigen Kriege alä blofee Xeile einer
Ärifig. — 2)ie 3«ögad}feit oon Vernichtungen o[)ne folgenbe Ser*
jüngung. — Sie au§ gelungener ajfiffetat jn fd)öpfenbe Se^re (165).
ß^arafteriftif ber Krifen. — Unfere Unfenntni§ alter (irf)ebungen oon
Äaften unb Älaflen. — Sie lofale ^Jerjettelung ber griec^ifc^en
5^nfen. — Sie römifdien gieüolutionen ot)ne bie grünblic^e ÄrifiS
mit anaffen^errfd)aft (166). — öf)re 3-ül)rung burd) nobiles. — ©äfar
unb bie eolbatenf)err[cl^aft. — Sag juUfd.e ^au^ (167). — geft»
galten an ber Steic^e^form aud^ bei ben fpdteren inneren Kriegen. —
Unmöglic^feit orgauifc^er 3lenberungen. — 2mmät)Iic^e @ubftitution
beg c^riftlic^^ort^obojen 2ße[enS unter ba§ Imperium. — 2lnbere
gro^e Konflifte ot)ne üitale Umgeftaltung. — Sie 3iofenfriege unb
bie franjöfifdien 3ieTormationsfriege (168). — Sie SSöIferroanberung
al§ ti)te, aber einzigartige Krife. — Sa§ aUgemeine ^f)änomen
berKri[en großer Kulturoölfer: S^r ^eroorge^en au§ ber erf)ebung
geprefster Kräfte. — Sag fd^nelle Umfidigreifen (169),
Sie grage nac^ ber aJJöglic^feit einer 3Ibfc^neibung ber Krifiä. —
Seugnung einer folc^en für Söltenoanberung unb ©ieg beä ^Slam.
— 3{elatir)e Sejal^ung für 3ieformation unb franjöftfc^e ateüolution.
— (Srflämng, roeSfialb bie Slbfc^neibung unterblieb (170). — Ser
3eitgeift. — Ser Srang 5u Sßeränberungen. — SluSgcbilbetcr S^ers
le^r unb älinlicbeSenfart alänur fc^einbarroefentlid^eSSorbebingungcn.
Ser erfte Kreujjug (171). — Ser 53auern!rieg. — ^ranfreic^ 1789.
— ©egenraärtige Slbftumpfung für Krifen burc^ ben großen SSer*
fel)r. — Sdurifc^e unb [tdbtifc^e «eüölferungen (172).
Sie 2lnfang§p^riftognomie. — ^rotefte unb Sd^recfbilber. — aSereini*
gung oerfdiiebenartiger »efd^roerben (172). — ^aftbarmad^ung bcg
legten 3uftanbe§ unb feiner Präger. — 2ßol)Ifeiler igelbenmut unb
Jnbaltsangabe. 28Z

Unbitfigfeit. — !Die Koalition SlUcr alg Sebingung ber Uniroäljung.


— Unmöglid)feit bcr '^Ibleljnung befremblidicr Slüianjen. — 35ic
unueit)ältni§md^igen gcfcfiid)tUc^eii iseianftaltungen (173). — 25te
ibeale ©cite ber Slnfängc. — 2)a^ '■^i^antafiebilb bcr ^-^utunft. —
3lbnal)ine ooii 3?erbrecl)en unb Optimi^imiö. — Sie Sltbener cor
ber fijtli[cf)en (Srpebitioii (174). — l^ex erfte Ereujjug. — iXaxl Vlll
in Italien. — 2)er 'ikuernfiieg. — 2;ie englifc^e Sieoolution. —
35ie cahiers von 1789 (175). — ^eriüediölung ber ibealen ©eftalt
mit bem ipejifii'c^en ®eift einer ÄriftS. — Unmöglic^feit bev
©c^ä^ung einer ilrifiö bei beren 33eginn. — 2)ie SQöirfung mate=
riellen SBiberftanbee auf ec^tc unb unechte iirifen. — :isorteil ber
33eri'cf)iebung einer (rntfc^eibung für bie Ärifig. — 2Berl ber Sanbe^*
oerfammlungen unb ber freien Bereinigungen alö 2'ummelplä^e
(176). — Salbige 23efeitigung ber erften gü^rer. — S)eren ©rünbe.
— 2)ie Seute ber jroeiten ©eneration (177). — Unmöglic^feit
längerer Unterbrechung ber 3)}ac^t. — Seichter Umfc^lag dou Un^
bänbigteit unb ®el)Drfaui. — S)aö roeitere Jortfc^reiten. — (äins
mifc^ung ber 9iot unb bcr ®ier. — 2)ie Steligion (178). — 'SliU
gären beö übrigen Sebeng. — Äreu3ung jineier Ärifen unb 2)urc^=
fcf)lagen ber ftär!ern (179).
2)ie roiberftrebenben Äräftc ber biö^erigen (Einrichtungen. — £c^recfs
lic^feit ber kämpfe. — ©leic^gültigfeit in ben SKitteln. — Zijuhji
bibeä III, 81 ff. (179). — 2)er SterroriimuS unb feine Sjlufe in
ber 33ebrol)ung Don auj?en (180). — 'i)]eriobifc{)e unb fategoriens
roeife Vernichtung oon ©egnem. — 2But gegen Emigranten unb
3«oberantiften (181).
ajaö ©riodmen mitten im Grfolg (181). — ©eine ©rünbe in ber
(Srmübung, bem 2lbfall ber 3}Jaffen, bem Singreifen ber blo^ S8eute=
gierigen, ber Einrichtung ber trnftigften Jräger ber Ärifis, ber
innerlicf)en 2lenberung ber Ueberlebcnben. — JHücfgang ber Unn)iber=
fte^lic^feit einer Ärifi^ burcf) beren llebergeljen in anbere .t)änbe;
bie beutfcf)e Sleformation (182). — ©rnücftterung unb S8orliebnel)men
mit geringen 3tegieruiigen. — 2)ag 33leibenbe aug ber Ärifis; bie
franjöfifc^e 3{eüolution. — Unmöglic^feit eineö balbigen Ueber=
fe^enö ber go^Ö^" (183;. — grembc Suteroentionen. — ^juffiten^
friege unb peloponnefifc^er Ärieg. — Slücfroirfung ber Wütercertei;
hing (184). — 2)ie ®efäl)rlic{)feit be^ Sefi^eg über[)aupt. —
3urüctbrängung ber Ärifis burc^ ben neuen 33efi§. — granfreic^
nac^ ber SicDolution (185). — Sllbigenfertrieg. — ©riec^ifc^e
^arteifämpfe. — JHoUe ber Kriege unb beg a)HlitariSmu§. — 9Jot=
roenbigtcit »on Slrmccn. — SRi^trauen gegen bie (^elbfierrn (18G .
288 Jnbaltsangabe.

— 9iotn)enbigIeit beö emporlommeng ber früf)ern 3}Jac^tmittel. —


Staal«[treicf)e. - 9icue ^Wonardjie. — 2>er[c^iuinbeu ber 2lnnecn
bei unmilitärifcbcn ^lationen. — ^Jationalfriege a(§ ^-oloie (187). —
äJorjiui bcö 2)elpoti«iinuö uor ber 2l:iard)ie. — Slbbijieren oon
2lri[tofratieii unb 55emofratien cor it)in. — Unmöglic^feit ber $er»
fteaung fle|e&ma^iger 5reil)eit für ben Sefpoteu (188). — aJlatevieaeS
®ebeil)en. — itonfequenjen beö ©efpotiämuä. — SRcftaurationen
ber befiegten Partei. — Sf)re ®efä{)rlic^fett. — mdhi)v griec^ifc^cc
^^arteien. — Konflüt ber Gmigranten mit bem 33efi^e§be>t)ufetfein
ber neuen (Generation (189). — Setunbäre unb tertiäre iSrneue^:
ruiigen ber Ärift§. — ^^ilofopl;ifc^e Utopien narf) unb uor ben
Ärifen (190).

S)aö ©Ute an ben Ärifen. — 35ie aBedung neuer Äräfte. — 2)ie Äriftä
al§ 3eic^en beä Sebeng. — Dag Sprungroeife ber geiftigen @nt»
roidelungen. — ®ie Sefeitigung oeralteter Sebenäformen (191). —
2)ag ^jler^ältnig ju i.nteratur unb S^unft. — 3crftörung unb blo^e
©törung. — 2luftreten latenter j^räftc. — SfJeue SHeife be§ ©eifte§,
neuer 3Ra^^tab ber Singe, neuer ©e^alt beä Seben«. — 93orteit
für bie «pi)Uofop^ie (192). — SDie 5«ad^tfcite ber rut)tgen Seiten (193).
G^arafter ber Ärifen unferct Seit. — 2)ie 2Bir!ung Don treffe unb
Serfe^r. — 2)ie ©d^einfrifen. — 2)a§ nic^t geahnte JJeue (193). —
@d}n)äc^e ber 9tec^tgüberjeugungen gegenüber beit ^rifen. — ®ifen=
baEinen. — SSolferfriege. — 3SerfaU unb Sob ber SZationcn (194).

3ttfäec über llrfljrung unb «efd)affcn^ctt ber ^cMttQcu ßtifi«.


S)ag fc^einbare 6Ieid)gen)ic^t ber m&d)ie md) 1815. — Tie Segt=
timität unb bie Sieftaurationen. — Umnoglidjfeit üon öeren Doa=
nären
ftänbiger Surc^fü[)rung. — geft^alten bee ©taatg am reoolutio
5DJad)tbegriff. — Ser !ritifc^e ©eift ber «ölter (195). — Öefä^rbun g
be§ Sitten in Stalten unb Spanien. — ®ie orientalifc^e grage. —
2)er gried}ifc^e 5tufftanb. — 3tu^lanb unb ßnglanb. — Ser 3uftanb
granfreic^g (196). — 3)ie SulireDolution. — g^c^tfonftituttoneae
unb fonftitutioneüe Staaten in (Suropa. — Trennung ber 9Iieber=
lanfce. — Slangel^aftigfeit ber franjöfifc^en gonftitution (197). —
Silbung bei Siabifalilrnuä in Sßefteuropa. — Sojialiftifc^c unb
tommuniiiifc^e Stieorien. — Spiegelung beä 3uftanbe§ in ber Site=
ratur. — Snnere 2lu§l)öf)lung Defterreic^g. — ^anflaoigmug (198).
— Unterftü^ung ber italienifd^en Seroegung burc^ (gnglanb. —

2)er fc^rceijerifd^e Sonberbunbäfrieg. — ®ie gebruarreüolution.
«ßroflamierung ber (Einheit in Scutfc^Ianb unb Stalten. — Sd)roäc^e
beg Sojialigmug. — Steigerung beö ©rroerböfinnö. — (Suropäifc^e
Jnbaltsangabe. 289

Steaftion unb .'öerfteUung ber fcü[)even ©renjen. — S^er ©taatö;


[Ireid) Soui§ 5capoleoiiö (199). — Jortbaiier ber inneren Ärifiä
ber @ei[ter burd) 'ijjreffe unb fteigenben 3Scrfe{)r. — 2lnnal)me beö
allgemeinen Stiinmrerf)16 burcf) 3iegierungen. — Sege^ren ber (fr;
rcerbenben nad) .^errfc^aft uermittelft ber fonftilutionellen dornten
unb ÜJiBtrauen uor ber fonftilutionellen t^rajisJ. — Xit Tenio=
fratie unb i^re Jenbeu, auf Staatsmacht unb SSetroifc^ung ber
©renjen jjoifc^en otaat uub ©efellfc^aft (200).
Steigerung ber ®efa()r ausrcärtiger Kriege. — 35ie orientalift^e,
beutfc^e unb italienifd)e g^^age. — Xer Ärimfrieg. — Cefterreid^ä
'Jieutralitdtepolitit (201). — (£nglanb§ militcirifc^e 3d)roäc^e. —
Sarbiuienö Eingreifen. — ^Japoleonö falfd^e '^^ofition gegenüber
ben nationalen (£int)eitöbeftre6ungen. — 2)er italienifdie itrieg unb
bie ßin^eit ^talienä (202). — 2)er me^itanifc^e Ärieg. — äßeitere
innere Sdimierigfeitcn in granfreic^. — 3)ie ruffifd)e Siercegung. —
(fnglanbö ©infen burd) bie SBieberüereinigung bor Union. — 2)ie
lonftitutioneUe unb bie nationale ^■taa.t in ©eutfc^Ianb (20y). —
2^er bänifc^e Ärieg. (S"nglanb§ ©diroäc^e. — • Sie beutfd)e dit-
Dolution Don 1866 al§> abgefc^nittene Ärifiä. — SJerfc^iebung ber
Ärifiä nac^ Defterreid). — SBac^fenbe innere ©c^raierigfeiten für
Souiä Dfapoleon (204). — Sag 'ijilelnäjil. — Steigen ber Span=
nung in 2)eutfc^Ianb. — 3)ie fpanifc^e 2:l)ronfanbibatur. — Ser
franjöfifc^e Ärieg alg beutfc^e 5)fationalfacl^e. — 2)ag Zurücktreten
ber firc^lic^en Ärifig (205). — granfreic^s 2)arnieberliegen (206).
3ufa^ 187 3, 35ie Steigerung be§ Gnuerböfinneg nac^ bem Kriege
Don 1870. — granfrcic^g 3if)f""9^fät)igleit. — 3^ie Streite. —
3ieDoIution ber Sßerte unb 'jpreife. — Senor^ugung ber ge|d)äft=
lid)en t'aufbafjn Dor ber militärifc^en unb bureaufratifd)en. —
Schwierige Sage ber geiftigen ^robuftion f20Gj. — ^^^olitifc^e folgen:
Sie @en)ül)nung an i>a^ 2ßagni§, (S5efäl}rbung ber alten politifdien
formen, 3"l'i'""i2"Sf^)ß" ^^^ 5Dfad;tfinneg unb beg bemotratifc^en
Sinnä. — 2)ie franäöfifc^e unb fpanifcbe 3kpublit (207). — Sol=
lifion biefer Jenbcnjen mit beui nocft ftartern gnoerb^finn. —
®rantg 3tebe. — Aonflift ber aus ber franjöfifc^en ^ieuolution
ftammenben 3Beltanfd)auungcn mit ber Kirche. — äJerfc^iebenee
SSer^alten bor Staaten gegen fie (208). — 2)ie 2lbl)ängigteit ber
Sntfc^eibung oon ber j5prti"i"£r beö prattifdien Cptimiämul (209).

V. Tia9 '^nbivibuum nnb (Sröfec)


bas Ungemeine (bie Ijtftorlfcljc

{Jraglidjfeit beö Söegriffeö ©röfee. — 2iu§gang uon ber eigenen Klein;


^eit. — Unentbeljrlic^feit unb Jlelatioität be§ Segriff^. — Sd)n)anfen
SBeltgeft^tc^ilic^e ©ctroc^tungen. 19
290 Jnbaltsangabe.

unfere« Urteil« (210). — 33ebürfni8 beä ©tauneng uiib ©id^be*


raufd^cnS. — ®cr aJJaMtaö na^ i>er Sebeutung für unfere ^crfon.
— Unroa^re Ueberlicferungen. — Slllgemeinc 3;atfäd)licl^fcit bet
^roflamation Don ©rofeeu (211 1. — Uniüefentlic^Ieit beä 3Jeinamcnä
„bcr @ro^c". — 2)ic (Srtcilung beä ^räbifatö nac^ bunfelm ®efü^l
unb Ucbereinlommen iUelcr. — 3}erfc^ieben^cit oom 5«u^m. —
Unfid^er^ctt beö 3}Jo^[tabe«. — 2)ie magifc^e 2öirfung beg ®anjcn
einer ^crfönlic^feit. — 2)eren einjigteit unb Unerfe^lic^teit (212).
— a)ie abnorme Äraft unb baä auf 2iagemeineg bejogcne Sun ali
95ebingung. — ®rö^e uon 3]ölfern unb partictte ®rö^e ©injelner.
— Sefä^igung beg XIX. Sa^r^unberti jur 3Bürbigung ber oer»
fc^iebenen ©rbfeen. — freiere ^Betrachtung alö früher (213). —
©d^ärfung beä Slicfä für Äunft unb ^oefie. — Unfere ^öefd^ränfung
auf ben faftifc^en ©ebrauc^ be§ SBorte^ (214i.
Xai gro^e Snbiotbuum alö 2luäbrud für SSöIfer, Kulturen, 3ieItgionen.
— ©parfamteit ber SJatur. — ©efa^ren: bie falfc^en Siit^tungcn
unb ber SKangel an 21nlaf; jur Offenbarung (214). — S3erfc^ieben=
^eit beg burc^ bie ®rö^c oertretenen aiHgemeinen. — 2lllgemeinere
ainerfennung ber Jiepräfentantcn beä ®eifteä. — 3f)r md)tto^i'
bieren mit ben 2(bfic^ten. — öäufigc Sib^ängigfeit ber heutigen
Äunft oon ben Slbftc^ten (215). — SDie gemeinfame 2tufgabe ber
Siebter, Sünftler unb ^^itofopt)en. — 9lu§fc^lu^ ber geraerblic^en
<Srfinber unb ©ntbeder unb ber materiellen görberer einjetner
©egenben. — Sie ©rbfee bes ©olumbu^ (216). — Sie anbern
ßntbeder ber gerne. — Saä ^rioileg be^ erften ©ntbederä. —
Sie relatioen ©röfien in ber n)iffenfc^aftlic|en ^orfc^ung. — Sie
Sluffinber oon Seben^gefe^en (217). — Sluöfc^lu^ ber ®efd^icf)tg=
roiffenfc^aften. — Sie ©rö^en ber mat^ematift^en unb ber Sktur^
roiffenjc^aften. — Sie großen 5)ßf)ilofop^en (218). — Sie 2Rönner
ber objeftioen Sebenäbetrad^tung. — Sie ©tellung ber ^oefie
jiDifc^en ^:p^ilofop^ie unb Äunft. — Ser ©runb ber ®rö^e bei
Siebtem unb ßünftlern (219). — Sie ®öttlic^feit ber ^:ß^antafie. —
Unerfe^lic^Ieit ber i^ünftler. — S^re Sejie^ungen a" ^Religion unb
Äultur. — Sa§ Seuten unb ^eft^alten beS aW^fterium^ ber ©c^bn>
l^eit. — Sie ^errfc^aft ber 3Jleifter erften jRangeg unb i^re ©elten=
^eit (220). — Sie 2Jlcifter jroeiten 3tange5. — Ser ©til. — Sie
britte Stufe. — Sie Driginalität ber primären afleifter. — 3^r
gHeic^tum. — Duellen beSfelben (221). — Sic 2leu^erung perfön*
lieber ®röfee in ber Äonjentration beä SGBiaenl. — Sie ^raglid^feit
einer DoUftänbigem unb glüdlic^ern Sfiftenä unb «ßerfönlid)!eit (222).
— Sic ber Iünftlerifcf)en ®rö^e juteil roerbenbe 2lner!cnnung. —
Sic ipö^epunfte ber ^oefie (223). — Sie «poefte alg Urfunbe für
Ofnbaltsangabt.

einjelnc Seiten unb für bie 3ncnf(^^ett überhaupt. — Unterfc^ieb


ber ©rbfee oon ber l^erbreitung unb betn urfunbUc^en 2ßert. —
(Suripibeß. — Öröpe anoni^mer ^oefie (224). — Xii SKaler unb
^öilbljauer. — 2irbeit im Sienfte ber Sleligion. — »eginn ber
einjelnomcn. — SSerfc^ieben^eit oon ben 2)ic^tern (22öi. — 2)ie
©röfee namenlofer Künftler. — 2)ie großen Äünftler ber belannten
3eitcn. - Die befc^rdnfle S^^l i^rcr fflerfe. - 25ie 2lrc^iteften.
— 3f)re raeniger aUfeitige 2Iner!ennung (226). — 25ie unbelannten
ec^öpfer ber atile. — 35ie 3Henaifjance. — erroin non Steinbac^
unb 5DUc^eIangeIo (227). — Sie aJJufü. — 2)ie großen Äomponiften.
— ^raglic^feit i^rcr Unoergänglic^feit (228). — ^ai ©lud ber
großen Äünftler (229).

2)ic ®rö|e bei m^t^ifc^cn Oeftaltcn. — i^eroen, 2lrc^egeten ufro. —


^räbifatlofigfeit (229). — g^arafterifierung burc^ 3üge aug ber
(SJefc^icbte bes Solfes. — SReine Sbeale. — aSerllärung ^iftorifc^er
©eftalten 3u ^bealen. — Sarüaturen. — ^oftulate be§ Äünftigen
(230).

2)ie ^iftorifc^en ©rö^cn. — Sleligiongftifter unb SReformatoren. —


25ie großen a^änner ber fonftigcn SBeltberoegung. — SOcrbic^tung
ber (Sefc^ic^te in einjelnen ^erfönlic^feiten. — Die Ueberlciter von
einem Äulturjuftanb in einen onbercn (231). — Die grofien
3«änner ber Ärifen. — Daä 3«9fterium an if)ncn. — Die fc^ein--
bore (Srö^e ber 2lnfänger bei ben Äriien. — S^r Untergang auc^
bei rcirflic^er (3röfee. — Die Jerroriften (232). — Daä §cran=
reifen bee berufenen. — Die (Sefa^rcn ber Slnfänge. — Der
gataliemuS ber ®r5fee. — Die ©c^roierigfeit ber entroidlung jur
®rö^e für (Srbfürften. — Die relatiüc (55rö^e (233). — Die jur
2lncrfennung jroingenben (Sigenfd^aften. — 2lusfcblu^ ber fittlic^en
Sbealität. — Die felbftoerftänblic^e entrairflung ber (Sigenfc^aften
(234). — Stbnorme 2eicf)tigfeit in aOen gunitionen. — ^ä^igleit
ber Äonjentration unb Älar^eit. — Ueberfc^auen aUer 33cr^ältniffe
(235). — ©ic^erfieit über ben 3Koment bee (5ingreifeng. — «öQig
unbeirrter SCiUe. — (Sel)orjam ber Den!cnben. — Unmöglicfileit
beö Sßiberfpruc^s. — Seelenftärfe beö großen gnbioibuums. —
3^re Sebeutung für bie (UWd)ie (236). - Die (Srbulbung oon
©efa^ren. — SBil^elm III unb Jlicbelieu. — ©eelengrö|e. — 58er=
geblic^eS «erlangen banac^ bei i«apoleon (237). — Unfer SBunfc^,
bie grofec gnbioibualität näf)cr !ennen ju lernen. — 3)Jangel^afte
Irabitionen. — Unfer 2Bunfc^, ein Sertiältnie ^nt Äultur unb per»
fönlit^e ®üte mit ber ®rö|e »ereint ju fe^en. - tiäfar unb Slleranber
(238). — (finfcitige STugftattung 5«apoleong. — aßia)elm III alc-.
292 Inhaltsangabe.

fein Oegenfa^. — Untcrfcf)ieb bev ©vof^e uon blof5er 5)kc|t itnb


ber 5)Jad[)t von ©lüct (2;{9). — Silenbunfl ber Ärieg^Jtaten. — ©r^
neuerung be^ nationalen Scbeng alsS iöebingung für bie 3lnevlennung
friegerifc^er ®röBe, — Ser Stcuolutionögeneral ('^40). — 2)ic
©röfee im 5lltertum. — a:l)emi[toflC'3 (241). — ^ie ®efaf)ven ber
bamaligcn &t6\ic. — ^:t^criflcö. — 3afibiabe^3. — ©äfar. — 2)ic
,'öierarclicn (242). — Slire falfclje Slufgabe. — 3JJangel an ©clcgem
l)eit jur §errfd)evgröfee. — ©t. a5ernt)arb. — DedEung buvd) bic
2ßeil)e unb bie geiftlic^en ©eiüaltmittel. — Ser ^yorteil beä gro^
©cl)cinen§ in ber 5Rieberlage. — 3>ie toirflic^c ©rbfee ©regorö beö
®ro{;eu (243).
SDaä Sc{)icffal be§ grofsen ^nbioibmimg aH Slu'Sbrncf beä @efamt=
lebend ober im Kampfe bamit. — ©eine 93eftimmung jur ^oü-
füf)rung eineä über ba§ ^nbioibuelle l)inauöge^enben 3Billenö. —
Stlejanber (244). — Ser beraubte unb ber unberou^te ©efamtä
■jDiHe. — Äoinjibenj beä inbioibuellen (SgoismuS imb beg ©efamt-
„u^en§. — 2)ifpenfation oom gemö^nlid^en 6ittengefe^ jugun[ten
ber 5DJacf)t. — S)er 5DJann nad) bem ^erjen ©otte§. — Sie SBcr-
jci^ung be§ $8erbrec^en^5 (245). — 3)er ©rfolg al§ Sebingung bafür.
— 3iad)lid)t für bie ^rioatoerbrec^en bes großen ^nbioibnumg. —
■SBernjQnbtfc^aft beä ©enieg mit bem SBa^nfinne. — S)a§ Un*
rid^tige ber fittlid^en Sifpenfationen (246). — Sefunbäre 3lec^t=
fertigung ber iUonopolifierung be« Serbrec^en« burc^ »änbigung
2tn^erer. — 2)a5, „raenn löir'ö nic^t tun, tun'§ 2lnbere" (247). —
2)er innere (Sporn bc§ großen ^nbioibunrnS: 3iul)megfu(^t, ß^r-
geij alg fefunbäre Wotioe. — S)er 9JJac^tfinn ttl§ primär eg. —
Xzv an bie ^erfönlid)Ieit ge!nüpfte dl\ii)m (248). — Sie $o^en=
ftaufen g-riebric^ 1 unb II. — Sic Umgeftaltung unb Färbung ber
großen ^nbioibuen. — ^envi IV. — Strenge ber Xrabition gegen bie
blD^ 3)täc^tigen. — Sfladiträglic^e SbeaUfierung (249). — 2ßert ber
als Sbeale fortlebenben großen 2JJänner für bie Dktionen. — Sie
J^eutige 2;enbenj, o^nc fie augjufommen. — ^raftifc^e Sur(^fül)rung
bieier ®manäipation (250). — Sag moberne heftige 53cgel)ren nac^
großen Scannern. — Sie il)rem 3luftommen in ber ©egenraart
roiberftrebenben 3}Jomente. — 3}lc)glid)feit einer 9lenberung (251).
— Sie 5Rotn)enbigfeit ber grofien SIMnner für unfer Seben unb
i^rer Setrad^tung für bag ©lud unfereg ©eifteg (252).
VI. Uebev (Slürf unb Unglüd in bev tPeItgcfd?id?tc.
Unfere Uebertvagung üon ©lücf uub Unglüd auf bie «ergangenen Seiten.
— Unfer rcec^felooüeg Urteilen in eigenen ©ad^en. — Urteile über
•ßreigniffe unb gauje Zeiträume. — Sofale ältere SHugfagen (253).
Inhaltsangabe. 293

— Seliebte gegenroärtige Urteile. — 3^ag iJlugeinanbergefien bei


ber 3[nnä()erung an bie eigene 3^^* (254). — 2(nnat)me beä ©lücfä
entlegener 3eiten burd) optifcf)e Jciufc^ung. — ^ie S3lüte5eiten ber
3JJenfcft^eit. — ^efonberä unglücflic^e Qtxten. — 2)ie JäHung
folc^er Urteile ali 3"S ^^^ mobernen DptimilmuS (255). — 2)er
literarifc^e i^onfenfus babei. — ^^re Jenbentiofität unb Unge=
f{^id)tlic^feit. — ^as Urteil anä Ungebulb r2öH). — Xiv Sßunfc^,
ber Vergangenheit ildmpfe ^u eriparen. — Unfer T'enfen über
3teligion^friege (257). — 2)ie SJotroenbigfeit ber Sämpfe. — 2)ie
Kriege ber iHeformationöjeit. — 3)aä Urteil nac^ ber Äultur. —
„(^iegentoavt gleich Jortfdjritt" (258), — 2)a3 Urteil nac^ bem ®e-
fcfimacf iiberljaiipt. — Sefjen (Sinfcitigfeit. — 2)al Urteil nnc^ ber
politifc^en Sympalliie (259). — ©egenfeitigeS Sicf)aufl)eben biefer
Urteile. — 2)aö Urteil nad) ber Setnrität. — Un|id)ert)eit in fe^r
glänjenben 3eiten. — 2)ic Qixt öomer^ (260). — Saa peritleifdje
3eitalter. — 3)ag Urteil nac^ ber ®rö^c. — 5)aö ignorieren ber
burc^ il)i- ßmporfonimen bebingten Seiben (261). — 2)aä Urteil
nac^ bem Sgoi«mua. — Xk Siüctfic^t auf bie 2le^nlic^feit mit unö
unb unferen Sriftenäbebingungen. — 2)er 3rrt«i"/ i'a& unfere 3eit
bie (Erfüllung ber 3^^*'" l«i- — Untergeorbnete Sebeutnog ber
Slnfprüc^e auf ©lüdE bem ©efamtleben ber SKenfc^fieit get^enüber
(262). — Sliminierung be^ 3lu§brude ®lücf aue bem iBölferlebcn.
— 2^05 Äinbifc^e bes ©leic^fe^enö eineä gleic^bleibenben 3it1tani>eä
mit ®lücf. — Sie 3Jotiüenbigfeit ber Sieraegung für bas gefc^ic^t=
lic^e Seben (263). — 2)a§ ®Iücf feine pofitiue ©mpfinbung. —
3^ie burc^ üefpoti^mue ftiHgefteClten 3Sölfer. — 3f)re S3efttmmung.
— 2)ie Uujufriebent)eit alc^ öanblungömotio ber beftänbig be«
roegten SJölfer (264). — 3ör Ggoiömug. — 3}aö '-üöfe alä Xeil
ber roeltgefc^ic^tlic^en Detonomie. — Üerfc^iebenljeit beä (Stärferen
Dom 33eiiern (265). — Xae römifc^c SJeid) unb fein loeltgefc^id^t^
lieber S^z^. — Unmöglic^feit ber Stuf^ebung be'3 Söfen unb beg
Unglücfg burc^ nac^folgenbeg @ute§. — 2)ie 5>errf(^aft be§ Söfen
unb i:;re Sebeutung (266j. — 2:roftgrünbe : (Suropaig Slcttung vov
ben Domänen burc^ bie in Slfien abfolut jerftörenbe 3)Iongolen=
^errfc^aft (267). — 3)ag i^orbilblic^e be^ Untergangs alter Stationen.
— äuäfc^lufi unferer gefc^ic^tlic^en ^erfpettioen. — 3)ie HJöglic^feit,
ba§ burc^ ba^ ®d)limme Sd)limmereg uer^inbert rcurbe (268). —
SBarnung baoor, bie^g alä Gntfc^ulbigung ju nehmen. — 2)ie Sliögs
Hd)feit, baß bie Unterlegenen bcn auf fie gefegten (irroartungen
nid)t entfproc^en Ratten. — Xa^ ®efe§ ber Äompenfation. — T)ic
Serfc^iebung ber Sßeltfultur im XV. ^a^r^unbert (269). — Xie
Äompenfation feine Gntfc^ulbigung für perurfac^te Seiben. — Jrag*
294^ Jnbaltsangabe.

lic^feit i^res SBerteg (270), — 2)ie «erfd^iebunß eineä ®reigniffe8


auf fpätere Reiten. — ©rfa^ eineg Äulturjroeigg burd^ einen anbern.
— 2)er S3erluft Don SBerfen bcr Äunft unb Sid^lung unb ber ge«
fc^ic^tlid^en Ueberlieferung (271). — SDert ber ®el)nfud^t banad^
unb beg 2lntnebö, bie SRefte ju fammeln. — 5KögIid)feit, bafi o^ne
biefe Serlufte bie neuere ^ßrobuftion erbrücft roorben roöre (272).
aSerfd^roinben ber Segriffe ®lüdt unb Unglücf cor ber Setrad^tung bc8
fortlebenben aJZenfc^engeifteö. — ©rfat} be8 ©lüdteg burd^ bie ®r-
lenntnig. — SorfteHung ber ^errlic^feit einer ganj objeftioen 33c»
trac^tung in unfcrer Qtxt (273).
Ocriog Don U). Spentann in Berlin unö Stuttgart.

Griechische Kulturgeschichte
oon

^crauggcgcbcn oon ^alob (Deri.

4 Bände brofchicrt M« 36. — , gebunden M. 44- — •

3)as beroorragenbe Wtit ans bcm Had)laf[c bes


berüljmten Perfaffcrs lüurbe oon bet Kriti! mit Beifall
begrübt.
profcffor Dr. ^axi Heumann, Kiel, äußert fid) u. a.
übet bas XDer! it>ie folgt:
2lu(^ roer Don ^ofob Surcfl^arbtg DoHfommener ©5en=
bürtigfeit mit ben größten SBertretern ber beutfc^en @efc^ic^t§[c^reibung
unter feinen ßci^ÖC^offcn überjeugt i[t, roirb nid^t mit ^uoerfic^t bt-
Raupten, "ba^ feiner 2lrt bie Stimmung beö gegentuärtigen 2tugenbli(fö
unb ber näc^ften ^^it bereitroiUig entgegenfommc. Sie ©egenrcart um=
flutet unö in mächtiger 33en)egung, alle ©egel finb aufgefpannt, um ber
33oIfgfraft unb ifjren inneren natürlichen eintrieben jebe ®un[t ber
äußeren Umftänbe tiinsujugercinnen; alle Kampfmittel, um fic^ ju bt-
Raupten, loerben gerüftct; bie ^olitif be^errfc^t unfer 2)afein, unb alä
ein lebenbigeg ©tücf biefcä unfere^ 2)afeinä roirb fic^ auc^ bie ©efc^ic^t^s
fc^reibung con politifcf)en Gräften tragen laffen
'^d) bin ber 3Keinung, ba^ Surctljarbt, inbem er neben
ben £iaupt= unb ©taat^aftionen, fo oiele anbere ©ebicte menfc^lid^cr
^Betätigung, frei oon falfc^em ©tolj, tieffü^lenb unb tieffc^auenb burc^s
brang, auf ben nämlichen 33a§nen geroanbelt ift roie bie S)rüber ®rimm.
Uns 2)eutfc^en roirb unb fann eine folcbe Sebenöarbeit nic^t »erloren
gc^en ; fie fann ee fcfton beöl)alb nic^t, locil fie einen getreuen ©cfart
befi^t unb einen Jürfprec^er, bem bie ffliffenfc^aft pom 332enfc^en a\i
ein ^öt^fteä crfc^ien unb ber an ben june^menben ©eift glaubte:

®oet^c. —
^= Die 3nljQlts Ueberfld}t ift «mftclicnb ongegeben. ^=
3nf)a[t5 =berUcbcrfid7t

Griecbifcben Kulturgefcbicbte.
I. Band.
© i n Ie i t u n g. lieber bie griec^ifc^e Äultiirgefd^id^te al§ ©egenftonb etne§
üfabemifdien Äurieö.
©rftei airii'ci&nitt. X)te <5ried?cn unb il}v XU^tl^us.
Broeitev Slbfc^nitt. Staat unb Viatxon.
J. 2)ie ^olig. II. Sie ^o[t§ in ifirer l^iftovifc^en (gntroicflung.
III. Dbjeftiöe Betrachtung ber Staateformen. IV. 2)ie (Sinf)eit ber
gried^ifc^en 3fation.
II. Band.
2) ritt er 2lbfc^nitt. Hcltgton Unb KuItUS.
ßinleitung. I. Sie aJJetamorp^ofen. II. 2)ie ©riedien unb i^re®5tter.
III. 2)er griec^ifd)e .'öerocnhtltuä.
33ierter 3nifcbnitt. XÜc (SxfurxburxQ bcx gufunft.
fünfter 2lbfc^nitt. §uv (Scjamtbllan^ bes ^ried^tfd^en

III. Band
©e dufter SSbfc^nitt, X)tc bilöcnöc ßunft.
I. Sa§ (grroac^cn ber Äunft. II. Sie Äunftgattungen. III. Sie
^^ilofopJien unb 'JpoHtifer unb bie i^unft.
Siebenter 2lbfcf)nitt. pocftc unb JltufiJ.
I. Sie Uraett. II. Sie ^exametrifc^e ^oefie. III. Sie 2«u|i!.
IV. Sie ^^oefie au^erl)alb beö bloßen §ejanteter§.
Siebter 2tbfd)nitt. giir pF}iIofopI?ie, tPtffcnfc^aft unb
Ztebclunft.
I. görberniffeunböemmung. II. Ser33rud^mitbem3Kt)tt)U§.III.Sie
3iebehml't. IV. Sie freie ^Nerfönlic^feit. V. Sie njtffenfd^aftlid^e
gorfc^ung. VI. ®ef(^id)te unb Sölterfunbe.

IV. Band.
9Jeunter 3lbfc^nitt. X^cx hcUcni^d}e ^cnfd? in feiner
5cttltd?cn Sntvoiälung,.
I. einleitenbei. IL Ser fjeroifdie 2)ienfd). III. Ser fotoniale unb
agonale SJenfcb. IV. Ser SJenfd^ be§ V. ^abr^unbertg. V. Ser
aWenfc^ beö IV. Saf)r^unbert§. VI. Ser Ijeüeniftifdie aHenfd^.
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