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Wirtschaft verstehen.

Was Wirtschaften im Allgemeinen und für


Unternehmen im Besonderen bedeutet

Lernunterlage für das Aufnahmeverfahren für das


Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
an der Wirtschaftsuniversität Wien

Bettina Fuhrmann

1
Vorwort

Diese Lernunterlage beschäftigt sich mit Grundlagen des Wirtschaftens im Allgemeinen und mit dem
Wirtschaften in Unternehmen im Besonderen. Sie führt damit in ausgewählte Themenbereiche der
Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre ein. Es geht einerseits darum zu verstehen, was Wirtschaften
bedeutet und warum wir alle wirtschaften (müssen) und damit Teil der Wirtschaft sind. Andererseits
werden Unternehmen und ausgewählte betriebswirtschaftliche Themen unter die Lupe genommen.

Das Wirtschaften in Unternehmen hat in manchen Bereichen Parallelen zum Wirtschaften im Haushalt,
geht aber auf Grund des Umfangs und der Komplexität der wirtschaftlichen Tätigkeit auch weit darüber
hinaus. Die Unterlage möchte einen ersten Einblick in das Wesen von Unternehmen und ausgewählte
betriebswirtschaftliche Aufgaben und Herausforderungen geben. Daher wird nicht nur beschrieben,
was ein Unternehmen ausmacht und wie es organisiert sein kann, sondern es werden auch
ausgewählte wesentliche betriebswirtschaftliche Funktionen und ihre Bedeutung für den Erfolg des
Unternehmens in ihren Grundzügen erklärt.

Im Text werden Ihnen folgende Symbole begegnen:

Erklärungen von Fachbegriffen und Konzepten werden mit diesem Symbol


hervorgehoben. Sie sollen es erleichtern, Wichtiges rasch zu finden und gut
wiederholen zu können.

Zahlen, Daten, Fakten …


Mit diesem Symbol werden Zahlen und Statistiken, die Inhalte illustrieren
sollen, hervorgehoben. Hier geht es nicht darum, dass man diese Zahlen lernen
muss, sondern darum, dass man einen Eindruck von den Größenordnungen
bekommen kann.

Einige Inhalte in dieser Lernunterlage können in ausgewählten


WU4Juniors-Lernvideos wiederholt und vertieft werden. Die
Hinweise zu den passenden Videos finden Sie an entsprechenden
Stellen im Text dieser Lernunterlage.
https://www.wu.ac.at/wu4juniors/wu4juniors-online/

Zusätzlich werden im Text viele Beispiele verwendet, die mit Kursivschrift hervorgehoben sind.

Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen für die sorgfältige Durchsicht dieser
Unterlage und für ihre Anregungen (in alphabetischer Reihenfolge): Alexander Beer, Gerhard
Geissler, Michael König, Ilse Pachlinger, Julia Rieß und Stefanie Wiklicky-Leitner.

Bettina Fuhrmann

Wien, im Februar 2024

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Inhaltsverzeichnis

1. Warum wir wirtschaften und was Wirtschaften bedeutet 4


1.1 Jeder Mensch ist Teil der Wirtschaft 4
1.2 Arbeitsteilung und Spezialisierung kennzeichnen unsere Wirtschaft 5
1.3 Wirtschaften bedeutet Entscheidungen zu treffen,
wofür die knappen Ressourcen eingesetzt werden 8
1.4 Der Wirtschaftskreislauf – am Wirtschaftsleben sind viele beteiligt 10

2. Was Wirtschaften für Unternehmen bedeutet 14


2.1 Was ist ein Unternehmen und welche Arten von Unternehmen gibt es? 14
2.2 Rechtsformen von Unternehmen 19
2.3 Wie Unternehmen finanzielle Mittel aufbringen 25
2.4 Welche Fragen das Rechnungswesen beantwortet 30
2.5 Marketing – kein Erfolg ohne Marktorientierung 37

3. Abschließende Bemerkungen und verwendete Literatur 49

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1
Warum wir wirtschaften
und was Wirtschaften bedeutet

Ein einfaches alltägliches Beispiel zeigt bereits, wie bedeutend Wirtschaft ist und wie sehr jede/r
einzelne ein aktiver Teil der Wirtschaft ist. Denken wir daran, wie ein typischer Morgen an einem
Arbeitstag für viele Menschen abläuft: sie stehen auf, duschen und putzen sich die Zähne, frühstücken,
hören dabei Musik, ziehen sich an und verlassen die (geheizte) Wohnung, um in die Arbeit oder an die
Universität zu fahren. Später gehen sie dann essen oder betreiben vielleicht Sport, treffen sich mit
Bekannten, gehen ins Kino oder ins Theater. Selbst im Zeitraffer wird bei einem Ausschnitt des
Tagesablaufs bereits deutlich, dass Menschen unzählige Dinge brauchen oder sich zumindest
wünschen: eingerichtete, warme Wohnungen, Nahrungsmittel, Pflegeprodukte und Kleidung, Energie,
Fahrzeuge und/oder öffentliche Verkehrsmittel, Sportartikel, Straßen, Parks und Schulen sind nur
wenige Beispiele dafür. Ohne Wirtschaft sind alle diese Dinge in der Form, wie wir sie kennen,
undenkbar.

1.1 Jeder Mensch ist Teil der Wirtschaft


Jeder Mensch ist – egal ob er allein oder in einer Partnerschaft oder Familie lebt – Teil eines privaten
Haushalts. Eine vierköpfige Familie, die in einer Wohnung oder in einem Haus zusammenlebt, oder ein
paar Studierende, die in einer Wohngemeinschaft zusammenleben, gelten ebenso als ein privater
Haushalt wie eine Person, die allein in einer Wohnung oder in einem Haus lebt. Was ihnen allen
gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass sie alle – und daher jeder private Haushalt – jeden Tag eine
Vielzahl von Bedürfnissen haben (nach Nahrung, einer Wohnung, Wärme und Sicherheit, Schlaf,
Körperpflege, Bildung, Mobilität, etc.), für deren Erfüllung Produkte wie Brot und Gebäck, Seife und
Zahnbürste, ein Auto, Treibstoff und Energie sowie Dienstleistungen wie die Behandlung durch einen
Arzt oder eine Ärztin, Beratung durch eine/n Bankmitarbeiter/in, einen Haarschnitt oder eine
Trainerstunde notwendig oder zumindest hilfreich sind. Nicht jedes Bedürfnis, das wir haben, braucht
zur Erfüllung ein Produkt oder eine Dienstleistung, aber für viele ist es zutreffend. Und diese Produkte
und Dienstleistungen (wir nennen sie auch „Güter“) erstellen in vielen Fällen nicht die privaten
Haushalte selbst, sondern Unternehmen.

Es ist ein erstes wesentliches Merkmal der Wirtschaft,


dass es Produkte wie etwa Fahrräder und Dienstleistungen wie beispielsweise
Reparaturen gibt. Produkte und Dienstleistungen werden auch „Güter“ genannt.
Sie werden einerseits produziert und angeboten und andererseits nachgefragt
und gekauft, damit die zahlreichen Bedürfnisse der Menschen erfüllt werden
können.

Die Menschen könnten die Güter, die sie brauchen und sich wünschen, nicht alle selbst (in der
notwendigen Qualität und/oder in der zur Verfügung stehenden Zeit) produzieren. Das wäre für sie zu
schwierig oder unmöglich, weil sie – in den meisten Fällen – weder die nötigen Fähigkeiten und

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Fertigkeiten noch die notwendigen Produktionsbedingungen haben. Daher werden diese Aufgaben
sehr häufig von Unternehmen übernommen.

Was sind Unternehmen?


Es sind Unternehmen wie ein Bauunternehmen, eine Tischlerei, eine Bäckerei,
eine Boutique, ein Rundfunkunternehmen und viele, viele mehr, die für andere
produzieren und Leistungen erstellen. Sie erkennen die Bedürfnisse von privaten
Haushalten und/oder anderen Unternehmen und bieten an, was diese brauchen
oder sich wünschen. Sie schaffen so einen Wert und einen Nutzen für ihre
Kundschaft.

Ein Beispiel für ein Eltern, die gerne mit dem Rad fahren, können das Bedürfnis haben, auch für
Unternehmen, das ihre Kinder gut geeignete Räder anzuschaffen. Es gibt Unternehmen, die
sich an dieses Bedürfnis nach einem kindertauglichen Fahrrad erkannt haben und
Kundenbedürfnissen mit ihrem Angebot darauf reagieren, so zum Beispiel die in Klosterneuburg
orientiert ansässige woom GmbH. So war auf https://woombikes.com zu lesen: „90 %
unserer Fahrradkomponenten sind speziell für Kinder entwickelt und exklusiv
für woom produziert. Dadurch sind unsere Räder perfekt auf die Bedürfnisse
von Kindern und ihre Anatomie abgestimmt“ (Stand: 03/2021).

Ein erfolgreiches Unternehmen basiert auf einer gut durchdachten Idee für ein Produkt oder eine
Dienstleistung, die ein Bedürfnis erfüllt (und ein Problem löst, eine Lücke schließt, die Arbeit
erleichtert, das Leben angenehmer macht …) und so einen Mehrwert und Nutzen für die Kundschaft
hat.

Fortsetzung des Die Gründung der woom GmbH beruht auf so einer Unternehmens- und
Beispiels Produktidee, beschrieben auf der Website (vgl. https://woombikes.com/we-
are-woom; Stand 03/2021): „Alles begann mit der Suche nach dem perfekten
Rad für unsere eigenen Kinder. Wir wollten genau wissen, was denn das
ideale Kinderrad ausmacht. Wir wollten Räder bauen, die Kinder und ihre
Eltern begeistern. (…)“.

1.2 Arbeitsteilung und Spezialisierung kennzeichnen unsere Wirtschaft


Unternehmen spezialisieren sich mit ihren Mitarbeitenden auf die Herstellung bestimmter Produkte
und/oder Dienstleistungen. Durch diese Spezialisierung und entsprechende betriebliche Organisation
können Unternehmen eine große Zahl von Gütern in bestimmter Qualität anbieten. Man denke hier
nur an die große Vielfalt und Menge von Brot und Gebäck beim Bäcker, an die vielen Autos, die ein
PKW-Hersteller produziert, oder an die vielen verschiedenen Haarschnitte und -behandlungen, die ein
Frisör tagtäglich vornimmt. Aber auch die große Vielfalt an Berufen, die man ergreifen kann, zeigt den
hohen Grad an Arbeitsteilung und Spezialisierung, den es in unserer Wirtschaft gibt. Die folgenden
Beispiele zeigen nur einen kleinen Ausschnitt aus der großen Unternehmensvielfalt.

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Viele kennen wahrscheinlich den „Wiener Zucker“. Er ist nur eines von
vielen Produkten des 1988 gegründeten Nahrungsmittel- und
Industriegüterkonzerns, der seinen Sitz in Wien hat, aber weltweit
www.agrana.com produziert und handelt. AGRANA erzeugt nicht nur Zucker, sondern auch
Fruchtzubereitungen und Fruchtsaftkonzentrate, Stärke und Bioethanol,
die beispielsweise in der Herstellung von Fruchtjoghurt benötigt werden.

Die Rosenbauer International AG hat ihren Sitz im oberösterreichischen


www.rosenbauer.com Leonding und erzeugt Feuerwehrfahrzeuge und -ausrüstung. Den Großteil
ihres Umsatzes macht Rosenbauer im Ausland, daher ist auch dieses
österreichische Unternehmen ein weltweiter Player.

Die Voest zählt zu den bekanntesten österreichischen Unternehmen und


ist ein führender Stahl- und Technologiekonzern. Der Hauptsitz befindet
www.voestalpine.com
sich in Linz. Sie zählt in den vier großen Produktbereichen rund um Stahl
und Metalle zu den führenden Anbietern in Europa oder sogar weltweit.

DO&CO ist ein österreichisches Unternehmen mit den Geschäftsfeldern


Catering (Events, Flüge), Restaurants, Flughafenlounges und Hotels.
Seinen Hauptsitz hat die DO&CO-Gruppe in Wien. Das erste Restaurant
www.doco.com eröffnete Attila Dogudan, der Gründer von DO&CO, 1981. Seit 1983 wird
Catering angeboten.

Arbeitsteilung und Spezialisierung finden in einer modernen Wirtschaft auf vielen verschiedenen
Ebenen statt:

• einerseits innerhalb (der Haushalte und) der Unternehmen, in denen die vielen
verschiedenen Aufgaben auf mehrere Personen aufgeteilt werden, die dann für bestimmte
Aufgaben verantwortlich sind und sich auf diese konzentrieren können. So kann es in
Haushalten beispielsweise eine Person geben, die sich hauptsächlich um die
Essenszubereitung kümmert, während eine andere für die Reinigung des Badezimmers
zuständig ist. In Unternehmen gibt es für gewöhnlich Abteilungen, die sich bestimmten
betrieblichen Bereichen und Funktionen widmen: zum Beispiel Einkauf, Produktion, Verkauf
(Vertrieb), Marketing, Buchhaltung usw.
• Andererseits kommt es auch zwischen Unternehmen zu Spezialisierung, wenn manche
Unternehmen einer Branche (zum Beispiel Möbel) nur bestimmte Produkte erzeugen (zum
Beispiel nur Tische und Stühle oder nur Badezimmereinrichtungen). Spezialisierung liegt auch
vor, wenn die Produkte eines Unternehmens die Voraussetzung für die Produktion eines
anderen Unternehmens sind. So liefern landwirtschaftliche Unternehmen Obst und Gemüse
an mehrere Unternehmen, zum Beispiel an ein Unternehmen, das Tiefkühlkost produziert, und
an ein anderes Unternehmen, das Fruchtzubereitungen produziert. Diese beziehen die
Verpackungen für ihre Produkte von einem weiteren Unternehmen, das sich auf die
Produktion der Verpackungen spezialisiert hat.
• Auch Länder spezialisieren sich, indem sie in bestimmten Wirtschaftsbereichen tätig sind und
insbesondere diejenigen Bereiche fördern, für die sie günstige Voraussetzungen (Klima,
Bodenschätze, Arbeitskräfte, Knowhow) haben.

Ein Beispiel zur Am Beispiel des Fahrrads kann man diese zwischenbetriebliche und auch
Arbeitsteilung internationale Spezialisierung und Arbeitsteilung sehr gut erkennen. Wer
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Fahrräder produziert, produziert nicht notwendigerweise alle Einzelteile, die für
ein gesamtes Fahrrad notwendig sind. Auf der Website der woom GmbH (Quelle:
https://woombikes.com/we-are-woom, Stand 03/2021) ist dazu zu lesen:

„Globale Marke. Weltweite Herstellung. Wir freuen uns über zufriedene Kunden
rund um den Globus. Um unseren hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden,
arbeiten wir bei der Herstellung unserer Produkte mit hochspezialisierten Firmen
in verschiedenen Ländern zusammen – von Polen bis Kambodscha. Ein Großteil
unserer Produktion erfolgt durch taiwanesische Fahrradspezialisten, die über
jahrzehntelanges Know-how in der Fahrradproduktion verfügen und in Ländern
Südostasiens fertigen“.

Die folgende Grafik zeigt, welche Länder führend im Export von Einzelteilen für die Fahrradproduktion
sind.

Abb. 1: Woher Fahrräder kommen – ein Beispiel für internationale Arbeitsteilung


(Quelle: Die Presse vom 4.2.2021, S. 1)

Die Spezialisierung bedeutet für die Produktion große Vorteile, weil man sich auf weniger
Arbeitsschritte konzentrieren und in diesem Bereich seine Kompetenz ausbauen kann. Außerdem kann
das die Produktion einer insgesamt größeren Stückzahl erlauben, wenn man nicht alle Komponenten
selbst erzeugen und alle Arbeitsschritte selbst durchführen muss.

Eine größere Stückzahl bedeutet in vielen Fällen auch niedrigere Produktionskosten pro Stück: Nicht
alle Produktionskosten steigen mit der Anzahl der produzierten Stück. Eine Produktionshalle kostet in
der Errichtung gleich viel, unabhängig davon, ob in dieser dann die volle oder nur die halbe Kapazität
produziert wird. Die gesamten Produktionskosten können bei höherer Produktion jedoch auf eine
größere Stückzahl aufgeteilt werden. Und so sinken die Produktionskosten pro Stück und in weiterer
Folge der Preis, zu dem ein Stück verkauft werden kann.

Die Spezialisierung bedeutet aber auch Abhängigkeit von den anderen Unternehmen, die zuliefern
sollen. Diese Abhängigkeit besteht einerseits im Hinblick auf die Qualität ihrer Lieferung und
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andererseits auch hinsichtlich einer ausreichenden Menge, die zur richtigen Zeit geliefert werden soll.
Verzögert sich die Lieferung oder erfolgt sie in schlechter Qualität, ist die Produktion eines
Unternehmens beeinträchtigt. Ein Imageverlust und der Verlust von Aufträgen können die Folge sein.
Besonders problematisch ist diese Abhängigkeit, wenn es um Produkte geht, die die Bevölkerung
dringend benötigt, wie zum Beispiel Medikamente.

Lange Lieferwege und Lieferketten sind zudem auch ein ökologisches Problem. Einzelne Teile für die
Herstellung eines bestimmten Produkts aus verschiedenen Ländern und Kontinenten viele tausende
Kilometer zu transportieren bedeutet in der Regel eine hohe Belastung der Umwelt, vor allem beim
Transport durch LKW, Containerschiffe oder Flugzeuge.

1.3 Wirtschaften bedeutet Entscheidungen zu treffen, wofür die knappen


Ressourcen eingesetzt werden
Der Austausch von Gütern gegen Geld wäre relativ einfach, wenn beides unbegrenzt zur Verfügung
stünde. Allerdings ist das nicht der Fall: kein Unternehmen kann unbegrenzt viele Güter produzieren
und kein privater Haushalt hat unbegrenzt Geld oder andere Tauschmittel zur Verfügung.

Was bedeutet Knappheit?


Die Ressourcen, über die Haushalte und Unternehmen verfügen, sind auf beiden
Seiten knapp. Deshalb muss mit ihnen „gewirtschaftet“ werden, d.h. ihr Einsatz
muss genau geplant werden. Rohstoffe, Maschinen, Arbeitskraft, finanzielle
Mittel und vieles mehr stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Daraus folgt ein
weiteres wesentliches Merkmal der Wirtschaft: dass alle Wirtschaftsteilnehmer
entscheiden müssen, wofür sie ihre begrenzten Ressourcen einsetzen, für die es
alternative Einsatzmöglichkeiten gäbe: wir alle müssen daher wirtschaften.

Das bedeutet auch, dass laufend entschieden werden muss, wofür begrenzte Ressourcen eingesetzt
werden. Daraus leiten sich die wesentlichen Grundfragen des Wirtschaftens ab:

• Was soll wie und für wen in welcher Menge und in welcher Qualität produziert werden?
• Was soll gekauft oder eingetauscht werden?

Ein Beispiel für Eine Familie hat ein bestimmtes Familienbudget zur Verfügung. Sie muss nun
Knappheit im entscheiden: „Wie viel davon können wir fürs Wohnen ausgeben (und was
Haushalt können wir uns dafür leisten), wie viel für unsere Mobilität (Auto, Fahrräder, etc.)
und wie viel brauchen wir für unsere täglichen Einkäufe? Wie viel möchten wir
sparen und wie viel wollen wir für den Urlaub beiseitelegen?“

Ein Beispiel für Einem Unternehmen wie AGRANA, Rosenbauer, Voest, DO&CO oder woom geht
Knappheit im es ähnlich: Was soll und was kann produziert werden und welche
Unternehmen Produktionsmittel stehen dafür (in welcher Qualität und in welcher Menge) zur
Verfügung? Welche Produktionsmittel brauche ich, welche kann ich mir leisten?
Wie viel kann ich von meinen finanziellen Mitteln investieren, wie viel sollte ich
für laufende Zahlungen verfügbar haben?

Die Entscheidungen über den Einsatz der begrenzten Ressourcen stehen im Mittelpunkt des
Wirtschaftens. „Das Wesen des Wirtschaftens besteht in der Anerkennung der Knappheit als Realität
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und in einer gesellschaftlichen Organisation, die einen möglichst effizienten Ressourceneinsatz
zulässt“ (Samuelson & Nordhaus 2017, S. 25). Dieser Ressourceneinsatz ist laufend mit vielen
Entscheidungen und Handlungen der Wirtschaftsteilnehmer:innen verbunden. „Die Wirtschaft ist ein
enorm komplexes Gebilde verschiedenster menschlicher Aktivitäten wie Kaufen, Verkaufen, Handeln,
Investieren und Überzeugen“ (Samuelson & Nordhaus 2017, S. 26).

Jede Entscheidung, Ressourcen (Zeit, Geld, Produktionsmittel) für etwas einzusetzen, zum Beispiel für
Option A, bedeutet gleichzeitig die Entscheidung gegen einen alternativen Einsatz dieser Ressource,
zum Beispiel die Entscheidung gegen Option B. Dadurch entstehen Opportunitätskosten: sie sind der
Ertrag von Option B, auf den man verzichtet, da man sich für Option A entschieden hat.

Was sind Opportunitätskosten?


Opportunitätskosten sind entgangene Erträge oder nicht erzielter Nutzen einer
Handlungsalternative, auf die man zugunsten einer anderen
Handlungsalternative verzichtet hat.

Verwendet man zum Beispiel seine Zeit zum Lernen für die Schule oder das Studium, kann man
dieselbe Zeit nicht mit dem Sporttraining oder einem Hobby verbringen. Legt man im Garten
Gemüsebeete an, kann man an derselben Stelle keine Blumenwiese mehr wachsen lassen. Und
investiert man Geld, das man zur Verfügung hat, in die Gründung eines Unternehmens, kann man
diesen Betrag nicht mehr in bestimmte Wertpapiere investieren, mit denen man vielleicht Gewinne
erzielen könnte. Ebenso kann man das Geld nicht mehr für eine Ausbildung oder eine Weltreise
ausgeben.

Ein Beispiel für Die beiden Gründer der woom GmbH, Christian Bezdeka und Marcus
Opportunitätskosten Ihlenfeld, haben viel Zeit und Energie in den Aufbau ihres Unternehmens
im Unternehmen gesteckt. Natürlich hätten sie in dieser Zeit auch einer anderen
Beschäftigung nachgehen können, sei es einer anderen beruflichen Tätigkeit,
um Geld zu verdienen, sei es einer Freizeitbeschäftigung, die Freude macht
und Erholung bringt, was ebenfalls einen Wert darstellt (wenn er sich auch
nicht so einfach in Geldwert ausdrücken lässt). Je nachdem, was die beiden
dafür aufgegeben haben, um ihr Unternehmen aufbauen zu können, stellen
diese aufgegebenen Möglichkeiten ihre Opportunitätskosten dar.

Eine ökonomische Entscheidung trifft man erst dann gut überlegt und reflektiert, wenn man sich der
Konsequenzen der Entscheidung bewusst ist. Die Opportunitätskosten zählen zu diesen
Konsequenzen: sie umfassen das, was man aufgegeben oder worauf man verzichtet hat, weil man sich
für eine bestimmte Option entschieden und damit andere Optionen ausgeschlossen hat.

Die Bedeutung des Umgangs mit knappen Ressourcen wird vor allem bei der Nutzung und/oder der
Belastung von natürlichen Ressourcen wie Luft, Wasser, Boden deutlich. Die Klimadebatte zeigt sehr
deutlich auf, welche Folgen kurzfristiges Denken und Handeln für die Natur und unser Klima haben
kann. Verantwortungsbewusstes Wirtschaften berücksichtigt auch die langfristige Perspektive und
den Erhalt unserer Umwelt und der natürlichen Ressourcen für die kommenden Generationen, damit
auch diese ihre Bedürfnisse befriedigen können.

Alle Wirtschaftsteilnehmer:innen, auch Unternehmen, können nur dann langfristig erfolgreich sein,
wenn sie nachhaltig wirtschaften, insbesondere indem sie Ressourcen schonen und zu ihrer Erhaltung
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beitragen. Dies kann zum Beispiel durch den Einsatz von umweltschonenden Inhaltsstoffen,
Betriebsmitteln, durch innovative energiesparende Produktionsverfahren und alternative Logistik
gelingen. Nachhaltiges Denken und Wirtschaften bezieht neben ökologischen auch soziale und
ökonomische Überlegungen mit ein. Denn für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die
Akzeptanz und den Erfolg von ökologischen Maßnahmen müssen auch wirtschaftliche und soziale Ziele
erreicht werden. Nachhaltigkeit umfasst und verknüpft in diesem Verständnis daher die drei
Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Nachhaltiges Handeln strebt an, sie miteinander in
Einklang zu bringen.

1.4 Der Wirtschaftskreislauf – am Wirtschaftsleben sind viele beteiligt


Niemand wirtschaftet für sich allein. Wirtschaften bedeutet Austauschbeziehungen einzugehen, von
denen die Tauschpartner:innen profitieren. Durch die Austauschbeziehungen entsteht ein Kreislauf:
der so genannte Wirtschaftskreislauf. Durch den Kreislauf ist auch bedingt, dass sich wirtschaftliche
Probleme in einem Bereich oder bei bestimmten Wirtschaftsteilnehmern rasch auch auf andere
Bereiche und andere Wirtschaftsteilnehmer:innen ausdehnen. Die durch das Coronavirus verursachte
Pandemie hat die Kreisläufe und gegenseitigen Abhängigkeiten beispielsweise rasch sichtbar gemacht:
im Lockdown haben die privaten Haushalte weniger konsumiert, dadurch sind manche Unternehmen
unter Druck geraten. Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen dann nicht mehr
verkaufen konnten, mussten teilweise ihr Personal abbauen. Der Staat wiederum hat in dieser Zeit
sowohl Haushalte als auch Unternehmen unterstützt.

Private Haushalte, Unternehmen und der Staat sind wesentliche


Wirtschaftsteilnehmer:innen
An der Wirtschaft sind zunächst die privaten Haushalte und die Unternehmen beteiligt. Ein weiterer
zentraler Wirtschaftsteilnehmer ist der Staat. Er umfasst alle öffentlichen Institutionen, sorgt für den
rechtlichen Rahmen, in dem die Wirtschaftsbeziehungen stattfinden, und nimmt insofern auch aktiv
an der Wirtschaft teil, als er von den privaten Haushalten und den Unternehmen Steuern und andere
Abgaben einhebt und mit diesem Geld seine Aufgaben erfüllt, indem er zum Beispiel Straßen,
Krankenhäuser und Schulen bauen lässt.

Wie entsteht der Wirtschaftskreislauf?


Da alle Wirtschaftsteilnehmer:innen Güter gegen Geld tauschen, entstehen
(kreislaufförmige) Austauschbeziehungen zwischen den privaten Haushalten, den
Unternehmen und dem Staat.

Unternehmen stellen Produkte und Dienstleistungen her, die von privaten Haushalten, anderen
Unternehmen und/oder dem Staat gegen Geld (oder ein anderes Tauschmittel) erworben werden.
Private Haushalte bieten Arbeitsleistung an und erhalten dafür Geld (Lohn und Gehalt), mit dem sie
Produkte und Dienstleistungen kaufen können. Unternehmen und Haushalte zahlen Steuern und
andere Abgaben an den Staat und erhalten dafür staatliche Leistungen (öffentliche Güter). So kann der
Staat Aufträge an Unternehmen vergeben, damit Straßen, Parkanlagen, Krankenhäuser, Behörden,
Schulen und weitere Infrastruktur gebaut werden kann. Der Staat benötigt auch Geld, um Personen
für ihre Arbeitsleistung zu bezahlen, etwa Lehrer:innen, Mitarbeitende der Polizei oder Richter:innen.

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Darüber hinaus leistet der Staat Unterstützungszahlungen an private Haushalte (zum Beispiel an
Familien mit Kindern) und Unternehmen (zum Beispiel an Unternehmensgründer:innen). So kommt es
auch zwischen dem Staat und den privaten Haushalten auf der einen Seite sowie den Unternehmen
auf der anderen Seite zu zahlreichen Tauschbeziehungen.

Durch die zahlreichen Austauschbeziehungen zwischen privaten Haushalten, Unternehmen und Staat
entstehen kreislaufförmige Bewegungen, in denen Güter und Leistungen gegen Geld (und andere
Tauschmittel) getauscht werden. So unterscheidet man innerhalb des Wirtschaftskreislaufs auch einen
Güterkreislauf und einen Geldkreislauf.

Abb. 2: Der einfache Wirtschaftskreislauf (eigene Darstellung, Bildquelle: pixabay)

Für den Geldkreislauf spielen Banken (und andere Finanzdienstleistungsunternehmen) eine


wesentliche Rolle. Sie sind im oben dargestellten einfachen Wirtschaftskreislauf den Unternehmen
zugeordnet. Sie sind Unternehmen, die eine Reihe von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Geld
anbieten, insbesondere

• führen sie den Zahlungsverkehr durch (nicht zuletzt, weil für viele Möglichkeiten des Bezahlens
ein Bankkonto erforderlich ist)
• nehmen sie Geld von anderen Wirtschaftsteilnehmenden entgegen, die Geld sparen und
anlegen möchten,
• stellen sie jenen Wirtschaftsteilnehmenden Geld zur Verfügung (z.B. in Form von Krediten),
die Geld benötigen und
• beraten sie bei finanziellen Angelegenheiten.

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Angebot und Nachfrage treffen auf dem Markt zusammen
Käufer:innen eines Gutes und Verkäufer:innen dieses Gutes treffen auf einem sogenannten Markt
zusammen.

Was versteht man unter Angebot?


Das Angebot eines Gutes ist die gesamte Menge dieses Gutes, die zum Verkauf
angeboten wird. Die von allen Anbietern von Kakaobohnen angebotene Menge
an Kakaobohnen stellt das Angebot an Kakaobohnen dar.

Dem gesamten Angebot eines Gutes steht die Nachfrage gegenüber.

Was versteht man unter Nachfrage?


Die Nachfrage stellt die gesamte Menge eines Gutes dar, die
Wirtschaftsteilnehmer:innen kaufen wollen und können. Die gesamte Menge an
Kakaobohnen zum Beispiel, die alle Nachfrager:innen kaufen wollen und können,
stellt die gesamte Nachfrage nach Kakaobohnen dar.

Unter Markt werden nicht nur physische Orte des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage
(Geschäfte, Börsen, etc.) verstanden, sondern es sind auch weitere (nicht physische) Möglichkeiten
umfasst, durch die Angebot und Nachfrage zusammenkommen, zum Beispiel auch virtuelle Orte wie
elektronische Märkte.

Was ist also der Markt?


Der Markt ist damit „ein Mechanismus, mit dessen Hilfe Käufer und Verkäufer
miteinander in Beziehung treten, um Preis und Menge einer Ware, einer
Dienstleistung oder eines Vermögenswerts zu ermitteln“ (Samuelson & Nordhaus
2017, S. 57).

Je nachdem, um welches Gut es sich handelt, werden verschiedene Arten von Märkten unterschieden:
zum Beispiel der Konsumgütermarkt, der Arbeitsmarkt, der Immobilienmarkt, der Rohstoffmarkt oder
der Kapitalmarkt. Meint man den Markt für ein bestimmtes Gut in einem örtlich genau bestimmten
Gebiet, so spricht man zum Beispiel vom österreichischen Arbeitsmarkt, vom europäischen
Kapitalmarkt oder vom Weltmarkt für Rohöl.

Durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage kommt es zur Preisbildung. Sie ist eine
wesentliche Aufgabe von Märkten. Der Preis drückt – in der Regel in Geldeinheiten – aus, wie viel für
ein Gut zu bezahlen ist. Er ist auch ein Indikator für die Knappheit und das Ausmaß der Knappheit eines
Gutes. Ist das Angebot klein, die Nachfrage aber hoch, bildet sich in der Regel ein hoher Preis. Ein hoher
Preis könnte Anbieter freilich motivieren, das Angebot zu erhöhen. Oder neue Anbieter würden in den
Markt eintreten, um vom hohen Preis zu profitieren. Ein steigendes Angebot würde bei
gleichbleibender Nachfrage dann zu einem Sinken der Preise führen.

Zur Wiederholung und Vertiefung der bisher behandelten Inhalte


können Sie das Lernvideo Was ist Wirtschaft? im Basismodul Der
Lernvideo Wirtschaftskreislauf und seine Akteure / Modul Was ist Wirtschaft?
Was ist Wirtschaft? durcharbeiten:
https://www.wu.ac.at/wu4juniors/wu4juniors-online/

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Internationale Austauschbeziehungen kommen dazu
Der oben dargestellte einfache Wirtschaftskreislauf zeigt – stark vereinfacht – die
Wirtschaftsbeziehungen innerhalb eines Landes. Es gibt aber auch grenzüberschreitende
Austauschbeziehungen mit Wirtschaftsteilnehmer:innen in anderen Ländern. Daher wird – um auch
diese Wirtschaftsbeziehungen vereinfacht darzustellen – oft das Ausland als weiterer Akteur im
Wirtschaftskreislauf dargestellt.

Gerade für ein kleines Binnenland wie Österreich sind Austauschbeziehungen mit anderen Ländern
von großer Bedeutung. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat den Handel mit anderen
Mitgliedsstaaten erleichtert. Rund 70% der österreichischen Exporte und Importe erfolgen mit
Mitgliedsstaaten der EU. Doch auch der Handel mit Drittstaaten (v.a. USA, Großbritannien und China)
spielt für ein exportorientiertes Land wie Österreich eine große Rolle.

Zahlen, Daten, Fakten …


Die Importe nach Österreich haben im Jahr 2022 215,27 Mrd. Euro
betragen, die Exporte 194,68 Mrd. Euro. Die Exportquote (Waren- und
Dienstleistungsexporte in % der gesamten Wirtschaftsleistung, d.h. des
Bruttoinlandsprodukts) lag damit bei 62,1%. Sechs von zehn in Österreich
erwirtschafteten Euro stammen aus dem Außenhandel (Quelle:
Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten,
https://www.bmeia.gv.at/themen/aussenwirtschaft).

Beim Globalisierungsindex-Ranking der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich liegt


Österreich auf Platz 5 hinter Irland, Belgien, Niederlande und Schweiz, betrachtet man die Pro-Kopf-
Exporte aller EU-Länder, so belegt Österreich Platz 6. Österreichische Unternehmen exportieren in
mehr als 200 Länder auf der Welt. Zwar übersteigen seit vielen Jahren die Importe die Exporte, zuletzt
war die Differenz jedoch klein und sie wird durch Überschüsse in anderen Bereichen (wie etwa dem
Tourismus) wieder aufgewogen.

Dabei sind es nicht Mozartkugeln, Haselnusswaffeln oder Sachertorten, die den Löwenanteil der
Exporte ausmachen, selbst wenn das natürlich populäre Beispiele für Waren sind, die auch im Ausland
gerne gekauft werden. Vielmehr sind es Maschinen, Fahrzeuge, bearbeitete Waren und chemische
Erzeugnisse, die die Liste der Exportartikel anführen. Bei den Dienstleistungen sind es vor allem
Tourismus (Urlaubs- und Geschäftsreisen), Transportdienstleistungen und technische Dienstleistungen
sowie Informationsdienstleistungen, die österreichische Unternehmen an ausländische
Abnehmer:innen verkaufen.

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2 Was Wirtschaften für Unternehmen bedeutet
Unternehmen wirtschaften teilweise unter ähnlichen Bedingungen wie ein privater Haushalt. Von der
Knappheit der Ressourcen sind Unternehmen genauso betroffen wie private Haushalte. Wirtschaften
bedeutet daher auch für Unternehmen, genau zu überlegen, wofür sie ihre knappen Ressourcen
einsetzen. Sie haben ebenso wie private Haushalte nicht beliebig viel Geld und nicht beliebig viele
Produktionsmittel. Nachhaltig zu wirtschaften ist für den langfristigen Bestand und Erfolg eines
Unternehmens ebenso wichtig und förderlich wie für einen privaten Haushalt.

Unternehmen müssen daher planen, was sie brauchen und ob genug finanzielle Mittel dafür
vorhanden sind, um das Benötigte zu beschaffen. Im Vergleich zu privaten Haushalten haben sie auch
dabei ähnliche finanzielle Ziele: sie wollen zahlungsfähig sein, finanzielle Reserven für Notfälle bilden,
Geld anlegen und möglichst günstige Finanzierungen nutzen. Trotzdem weist das Wirtschaften im
Unternehmen auch Besonderheiten auf, und es ist in den meisten Fällen viel komplexer als das
Wirtschaften im Haushalt. Die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich intensiv damit, was
Unternehmen sind, was sie charakterisiert, welche Aufgaben und Funktionen sie zu erfüllen haben,
wie sie arbeiten und was sie zum Erfolg führt.

In dieser Lernunterlage werden ausgewählte wesentliche betriebswirtschaftliche Bereiche behandelt


und erklärt. Zunächst wird beschrieben, was ein Unternehmen ist und welche Unternehmensarten
unterschieden werden können. Jedes Unternehmen agiert in einem bestimmten rechtlichen Rahmen
und weist eine Rechtsform auf. Daher werden auch wesentliche Rechtsformen näher charakterisiert,
die Implikationen für die Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen haben. Außerdem müssen im
Unternehmen auch Aufzeichnungen über alle Transaktionen – über jede Anschaffung, jede Zahlung,
jeden Verkauf – geführt werden, sodass das Rechnungswesen eine wesentliche Dokumentations-
funktion in jedem Unternehmen übernimmt. Also werden auch die Bereiche des betrieblichen
Rechnungswesens vorgestellt, damit das Lesen und Verstehen eines Finanzplans, einer Bilanz und
Gewinn- und Verlustrechnung (G&V) sowie einer Cashflowrechnung gelingen kann. Da kein
Unternehmen lange erfolgreich agieren kann, ohne sich am Markt zu orientieren, wird schließlich dem
Themenbereich Marktorientierung und Marketing besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

2.1 Was ist ein Unternehmen und welche Arten von Unternehmen gibt es?
Wie bereits erläutert, sind Unternehmen wirtschaftlich selbstständige Organisationseinheiten, die
Produkte und Dienstleistungen für andere erstellen. Ihre Aufgabe ist es, die Bedürfnisse von privaten
Haushalten und/oder anderen Unternehmen und/oder dem Staat zu erkennen oder zu wecken und
anzubieten, was diese brauchen oder sich wünschen. Nur wenn die Kundschaft einen Wert und einen
Nutzen im Angebotenen erkennen, werden sie interessiert sein dieses zu kaufen. Es ist daher für
Unternehmen bedeutend, diesen Wert und Nutzen für die Kundschaft zu schaffen.

Für ihre Leistungserstellung setzen Unternehmen vor allem

• Betriebsmittel wie Maschinen und Geschäftsausstattung,


• verschiedene Werkstoffe wie zum Beispiel Rohstoffe,
• Arbeitskräfte, d.h. die Arbeitsleistung ihres Personals, sowie
• Know how und Information ein.

Wenn Unternehmen Mitarbeiter:innen beschäftigen, schaffen sie Arbeitsplätze. Vor allem wenn sie
mit anderen Unternehmen im Wettbewerb stehen, schaffen sie auch Innovationen, wenn sie ihr

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Angebot laufend weiterentwickeln und Neues entwickeln. Ein Unternehmen hat daher in vielfacher
Hinsicht Einfluss auf mehrere Personengruppen und auf sein Umfeld und wird selbst auch von diesen
beeinflusst:

• auf seine Mitarbeiter:innen, die sich einen sicheren, interessanten und gut bezahlten
Arbeitsplatz wünschen;
• auf seine Lieferunternehmen, die sich eine gute Geschäftsbeziehung und eine pünktliche
vollständige Bezahlung ihrer Lieferungen wünschen;
• auf seine Kundschaft, die sich gute Produkte und Dienstleistungen zu einem günstigen Preis
wünschen;
• auf seine Eigentümer:innen, Gesellschafter:innen und Geldgeber:innen, die sich eine gute
Entwicklung des Unternehmens erhoffen und mit ihrem eingesetzten Geld auch bestimmte
Ziele verfolgen;
• auf die Gemeinde(n) und das Land, in denen das Unternehmen ansässig ist, weil sie von der
Schaffung von Arbeitsplätzen und von den Abgaben, die das Unternehmen bezahlt,
profitieren. Sie erwarten sich auch, dass das Unternehmen seinen finanziellen und anderen
Verpflichtungen nachkommt, sorgsam und verantwortungsvoll mit der Umwelt umgeht und
seine soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnimmt.

Man sieht also, dass Unternehmen viele Anspruchsgruppen (Stakeholder) haben, die an das
Unternehmen Erwartungen haben und an die auch das Unternehmen Erwartungen hat.

Was laut Gesetz ein Unternehmen ist


Der Staat, der den gesetzlichen Rahmen für die Wirtschaft schafft, hat auch ein Interesse, aus
rechtlicher Sicht zu klären, wer Unternehmer ist, was ein Unternehmen ist und welche Bestimmungen
für Unternehmen gelten. Daher gibt es eine gesetzliche Definition für Unternehmen in §1 des
Unternehmensgesetzbuchs (UGB).

Was ist aus rechtlicher Sicht ein Unternehmen, wer ist Unternehmer:in?
§1(1) UGB bestimmt: Unternehmer:in ist, wer ein Unternehmen betreibt.
§1(2) UGB führt fort: Ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte
Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf
Gewinn gerichtet sein.

Die rechtliche Definition eines Unternehmens umfasst die folgenden drei Merkmale:

• Es ist auf Dauer angelegt, d.h. es handelt nicht nur einmalig.


• Es handelt sich um eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit, d.h. es besteht darin,
selbstständig und auf eigenes Risiko Produkte und/oder Dienstleistungen für Dritte zu
erstellen.
• Unternehmen müssen nicht unbedingt auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein.

Beispiele für Die woom GmbH, die Fahrräder erzeugt, und die Josef Manner & Comp. AG, die
Unternehmen Waffeln und andere Süßigkeiten erzeugt, sind nur zwei Beispiele für sehr
bekannte österreichische Unternehmen. Sie sind auf Dauer angelegt, da nicht
nur für ein paar Tage vorübergehend Fahrräder und Waffeln produziert werden.
Sie tragen unternehmerisches Risiko und produzieren für Dritte. Beide
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Unternehmen werden durchaus mit einer Gewinnabsicht geführt, auch wenn sie
das nicht müssten, um als Unternehmen zu gelten.

Diese Merkmale der juristischen Definition von Unternehmen sind auch aus betriebswirtschaftlicher
Sicht bedeutsam. Ein Unternehmen ist „wirtschaftlich tätig, indem es Leistungen für Dritte erbringt“
(Lechner, Egger & Schauer 2003, S. 61). Auch das dritte Merkmal wird anerkannt, wobei aus
betriebswirtschaftlicher Sicht betont wird, dass ein Unternehmen seine Existenzgrundlage verliert,
wenn es nicht zumindest kostendeckend arbeiten kann und zahlungsfähig ist.

Was sind Gewinne und welche Bedeutung haben sie für ein Unternehmen?
Gewinne erzielen: das bedeutet – stark vereinfacht gesagt – mehr einzunehmen
als auszugeben. Buchhalterisch gesprochen bedeutet es, mehr Erträge als
Aufwände zu haben. Gewinne sind für den Fortbestand eines Unternehmens in
der Regel wesentlich, weil sie in das Unternehmen reinvestiert werden können
und so ein Unternehmen dauerhaft leistungs- und konkurrenzfähig bleibt und
in Zeiten, in denen Verluste geschrieben werden, weniger
überschuldungsgefährdet ist.

Auch wenn ein Unternehmen als „Non-Profit-Organisation“ (NPO) konzipiert ist und primär daran
orientiert ist, kostendeckend zu arbeiten, kann es seine Ziele dennoch besser verfolgen und sein
Aufgabenspektrum besser an seine Zielgruppe kommunizieren, wenn es über ausreichend Einnahmen
(zum Beispiel durch Spendengelder) verfügt. NPOs profitieren ebenso von der Reinvestition von
Gewinnen in das Unternehmen, weil sie dadurch ihr Angebot verbessern und ausbauen können.

Unternehmen schaffen Wertschöpfung und Wirtschaftsleistung


Durch den Produktions- und/oder Dienstleistungsprozess eines Unternehmens werden Güter erstellt,
die einen höheren Wert haben als jene, die ursprünglich in diesen Prozess eingeflossen sind. Dieser
Prozess stellt – aus betriebswirtschaftlicher Sicht – die Wertschöpfung dar, die die Unternehmen
schaffen. Werden zum Beispiel Kinderfahrräder produziert, so haben diese als Endprodukt einen
höheren Wert als die Bestandteile und Materialien, die in den Produktionsprozess eingeflossen sind.
Die Differenz aus dem Wert des Endprodukts eines Unternehmens und dem Wert der dafür
eingesetzten Vorleistungen stellt die Wertschöpfung dar.

Ein Beispiel zur Angenommen, ein Unternehmen produziert ein Kinderfahrrad, das fix und fertig
Wertschöpfung einen Wert von 500 Euro hat. Der Wert der dafür eingesetzten Vorleistungen,
also der verschiedenen Bestandteile, die das Unternehmen nicht selbst
produziert, sondern von anderen zugekauft hat, beträgt rund 100 Euro. Die
Wertschöpfung, die durch die Produktion des Rades geschaffen wurde, beträgt
in diesem Fall 400 Euro. Dies entspricht allerdings nicht dem Gewinn des
Unternehmens pro Fahrrad, weil ja noch weitere Kosten zu decken sind.

Die Wertschöpfung ist auch für die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) relevant, denn sie
stellt die Entstehung des BIP dar. Als Basis für die Berechnung des BIP wird der Gesamtwert aller
innerhalb der Grenzen eines Landes hergestellten Güter aller Unternehmen abzüglich des Wertes der
Vorleistungen herangezogen.

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Was ist das BIP?
Es umfasst alle Güter, also Produkte und Dienstleistungen, zum so genannten
Marktwert (d.h. Menge x Marktpreis), die während einer bestimmten Periode
(zum Beispiel während eines Jahres) innerhalb der Grenzen eines Landes
produziert werden. Zwischenprodukte oder Vorleistungen werden abgezogen,
weil sie in der Endproduktion bereits enthalten sind.

Werden also zum Beispiel Pullover erzeugt, so wird von ihrem Marktwert der Marktwert der Wolle,
die für die Produktion verwendet worden ist, wieder abgezogen, denn sonst wäre der Wert der Wolle
ja zweimal erfasst worden.

Das BIP wird auch herangezogen, um das Wirtschaftswachstum zu bestimmen. Steigt das BIP im
Jahresvergleich, ist die Wirtschaft gewachsen. Dabei ist natürlich auch die Entwicklung des allgemeinen
Preisniveaus zu berücksichtigen. Ein höheres BIP könnte sonst nicht nur durch eine gestiegene
Wirtschaftsleistung, sondern auch durch höhere Marktpreise erzielt worden sein. Wird das zunächst
zu aktuellen Preisen ermittelte BIP, das so genannte nominelle BIP, um die Inflation (prozentuelle
Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus) bereinigt, ergibt es das reale BIP, das zur Bestimmung des
realen Wirtschaftswachstums herangezogen wird.

Oft wird das BIP auch als ein Indikator für den Wohlstand eines Landes herangezogen. Da das BIP
allerdings nichts über die Qualität und die Nachhaltigkeit der Wirtschaftsleistung oder des
Wirtschaftswachstums aussagt, wird diese Verwendung auch kritisch gesehen. Das BIP würde auch im
Falle einer Naturkatastrophe oder eines Unfalls steigen, wenn dadurch Sanierungs- und
Wiederaufbauarbeiten ausgelöst werden. Auch die Produktion von gefährlichen und
umweltschädigenden Produkten würde das BIP steigen lassen. Außerdem umfasst das BIP nicht alle
Größen, die als Wirtschaftsleistung angesehen werden können, zum Beispiel selbst Gemachtes ohne
konkreten Marktwert.

Unternehmen sind in verschiedenen Wirtschaftssektoren tätig


Der Unternehmensgegenstand bestimmt, in welchem Sektor bzw. in welchen Sektoren ein
Unternehmen tätig ist. Im Wesentlichen werden drei verschiedene Wirtschaftssektoren
unterschieden.

Der primäre Sektor umfasst jegliche Art von Rohstoffgewinnung, insbesondere Land- und
Forstwirtschaft, Fischerei und Bergbau. Erze zu gewinnen, aus denen Metalle produziert werden
können, zählt zum primären Sektor. Ebenso zählen der Anbau und die Ernte von Früchten zum
primären Sektor.

Der sekundäre Sektor produziert aus den Rohstoffen Produkte, er umfasst die gesamte Industrie und
das Handwerk sowie Energiewirtschaft. Erzeugen nun Unternehmen zum Beispiel aus den Erzen
Metalle oder aus Kakao und Haselnüssen eine Füllung für Waffeln, dann zählen diese Unternehmen
zum sekundären Wirtschaftssektor ebenso wie Maschinenbau- und Elektronikunternehmen oder
Produzenten chemischer Erzeugnisse.

Der tertiäre Sektor umfasst jegliche Dienstleistungen. Dazu zählen der Handel, der Tourismus und viele
weitere Branchen, die Leistungen anbieten: Rechtsberatung, Steuerberatung, Banken und
Versicherungen, Pflege und Betreuung, Bildung, Coaching und Training etc.

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Beispiele zu den Die woom GmbH und die Manner AG sind im sekundären Sektor tätig, denn
Wirtschaftssektoren sie produzieren aus verschiedenen Rohstoffen und einzelnen Bestandteilen
Produkte. Die landwirtschaftlichen Betriebe, die zum Beispiel Nüsse liefern,
sind im primären Sektor tätig. Eine Steuerberaterin, die die Bilanzen für
Unternehmen erstellt, ist zum Beispiel im tertiären Sektor tätig. Ebenso
würde ein Fahrradhändler, der woom Räder im Sortiment hat, auch zum
tertiären Sektor zählen.

In der Regel steigt mit dem Grad der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes sein Anteil des tertiären
Sektors an der gesamten Wirtschaftsleistung, da mit steigender wirtschaftlicher Entwicklung immer
mehr Dienstleistungen nachgefragt werden. Der Anteil des tertiären Sektors an der Wirtschaftsleistung
in Österreich beträgt rund 70 %. Der primäre Sektor – obwohl er für die Versorgung mit
Nahrungsmitteln und für die Erhaltung und Pflege der Natur eine wesentliche Rolle spielt – trägt
hingegen nur etwas über 1 % der gesamten Wirtschaftsleistung bei.

Unternehmen sind einer oder mehreren Branchen zugehörig


Der Tätigkeitsbereich eines Unternehmens bestimmt auch, welcher Branche oder welchen Branchen
das Unternehmen zugeordnet wird. Innerhalb einer Branche („Wirtschaftszweig“) stellen
Unternehmen sehr ähnliche Produkte her bzw. erstellen sehr ähnliche Leistungen. Beispiele für
Branchen sind etwa

• die Baubranche (Errichtung von Gebäuden, …)


• das Handwerk (Tischlereien, Installateure, Elektriker, Schlosser …)
• der Handel (Großhandel, Einzelhandel, …)
• Pharma- und Gesundheitsbranche
• Telekommunikation
• Tourismus
• Gastronomie
• Verkehr und Logistik
• Medienbranche

Unternehmen, die einer Branche zugehören, haben oft ähnliche Herausforderungen zu bewältigen und
verfolgen ähnliche Interessen. Daher sind auch Interessensvertretungen oft entsprechend der
Branchenlogik strukturiert.

Unternehmen sind verschieden groß


Die Klassifizierung nach Unternehmensgröße ist bedeutsam, weil es Steuerbestimmungen,
Rechnungslegungspflichten und Förderungsmöglichkeiten gibt, die an eine bestimmte
Unternehmensgröße gekoppelt sind. In diesem Zusammenhang ist der Begriff KMU wichtig, der
Kleinstunternehmen, kleine Unternehmen und mittlere Unternehmen bedeutet (engl. SME/MSME
micro, small and medium enterprises) und von der Europäischen Union in einer EU-Empfehlung
definiert wurde. Rund 99 % der Unternehmen in der EU sind KMU.

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Tab. 1: Kategorisierung von Unternehmen nach Größe

Kategorie Mitarbeiterzahl Umsatz / Jahr oder Bilanzsumme


Kleinstunternehmen Bis 9 Bis zu 2 Mio. Euro Bis zu 2 Mio. Euro
Kleine Unternehmen Bis 49 Bis zu 10 Mio. Euro Bis zu 10 Mio. Euro
Mittlere Unternehmen Bis 249 Bis zu 50 Mio. Euro Bis zu 43 Mio. Euro
Große Unternehmen Ab 250 Über 50 Mio. Euro Über 43 Mio. Euro

Zahlen, Daten, Fakten …


Auch in Österreich dominieren KMU mit rund 99% Anteil an der Anzahl von
Unternehmen die Unternehmenslandschaft. Der Großteil der KMU sind
sogar Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern, sie machen rund 90% der Gesamtzahl von Unternehmen aus.
Ungefähr 85% der Unternehmen haben weniger als eine Million Euro
Umsatz.

KMU sind wichtige Arbeitgeber. Rund zwei Drittel der Erwerbstätigen arbeiten in KMU. Sie erarbeiten
knapp unter zwei Drittel der Umsatzerlöse der österreichischen gewerblichen Wirtschaft. Etwas mehr
als ein Drittel der Umsatzerlöse wird von rund 1.900 Großunternehmen (Quelle: WKO, Statistik
Austria). Zu den größten Unternehmen Österreichs (gemessen am Umsatz) zählen zum Beispiel OMV
AG, Porsche Holding GmbH, Strabag SE, REWE International AG, Spar Österreichische Warenhandels
AG, voestalpine AG, Mondi AG, ÖBB AG, Andritz AG, Red Bull GmbH.

Zur Wiederholung und Vertiefung der Inhalte, was Unternehmen


sind und was sie tun, können Sie das Lernvideo Was bedeutet
Lernvideo Wirtschaften für Unternehmen? im Basismodul Der
Was bedeutet Wirtschaften Wirtschaftskreislauf und seine Akteure / Modul Was bedeutet
für Unternehmen? Wirtschaften für Unternehmen? durcharbeiten:
https://www.wu.ac.at/wu4juniors/wu4juniors-online/

2.2 Rechtsformen von Unternehmen


Wer mit Unternehmen Geschäfte macht, soll auch Klarheit darüber haben, wer das Unternehmen
leitet, wer die Geschäfte führt, wer für das Unternehmen Verträge abschließen darf, wer Kapital
eingebracht hat und wer für die Schulden des Unternehmens haftet. Daher gibt es dafür gesetzliche
Regelungen. Die Rechtsform ist für alle angeführten Fragen bedeutsam. Viele dieser Informationen
sind für an dem Unternehmen Interessierte aus dem Firmenbuch ersichtlich, jedoch nur im Hinblick
auf Unternehmen, die ins Firmenbuch eingetragen sind (siehe dazu weiter unten).

Aus der oben angeführten Aufzählung der größten Unternehmen Österreichs gehen bereits zwei
Rechtsformen hervor, die vor allem bei großen Unternehmen häufig gewählt werden, weil sie einen
großen Kapitalbedarf haben. Viele Großunternehmen sind als Aktiengesellschaft (AG) oder als
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert. Die meisten Unternehmen in Österreich
sind allerdings KMU, von denen der Großteil Einzelunternehmen sind. Die nachstehende Abbildung
gibt einen ersten Überblick über wesentliche Rechtsformen von Unternehmen.

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Abb. 3: Überblick über wesentliche Rechtsformen von Unternehmen in Österreich

Die für ein Unternehmen geeignete Rechtsform ist insgesamt von mehreren Faktoren abhängig:
einerseits von der Frage, wer das Unternehmen gründet und wer es leiten will oder soll, andererseits
von der Frage, wie das notwendige Kapital für das Unternehmen aufgebracht werden soll und wer in
welchem Umfang für die Schulden des Unternehmens haftet. Für eine Person, die in kleinem Rahmen
mit ihrem Ersparten ein Unternehmen aufbaut, wird eine andere Rechtsform geeignet sein als für
einen großen Industriebetrieb, der umfangreiche Produktionskapazitäten aufbauen und finanzieren
muss.

Das Einzelunternehmen
Ein Einzelunternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass nur eine Person das Unternehmen führt, die
Entscheidungen trifft und das unternehmerische Risiko trägt. Ein Einzelunternehmer oder eine
Einzelunternehmerin haftet unbeschränkt für die gesamten Schulden des Unternehmens, d.h. die
Haftung besteht nicht nur mit dem betrieblichen Vermögen, sondern auch mit dem Privatvermögen.
Viele Kleinunternehmen sind als Einzelunternehmen organisiert, weil sie relativ einfach und ohne
Mindestkapitalerfordernisse gegründet werden können. Das Kapital, das benötigt wird, muss der
Einzelunternehmer oder die Einzelunternehmerin für gewöhnlich allein aufbringen. Reichen die
eigenen Mittel nicht, wird der weitere Bedarf an finanziellen Mitteln in den meisten Fällen durch einen
Kredit abgedeckt.

Oft arbeitet nur der Einzelunternehmer oder die Einzelunternehmerin selbst für das Unternehmen,
manchmal werden ein paar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Unterstützung beschäftigt. Der
Selbstständigkeit und der Unabhängigkeit von anderen Gesellschaftern und Gesellschafterinnen bei
der Unternehmensführung steht aber immer das Risiko gegenüber, das Einzelunternehmer:innen ganz
allein in vollem Umfang tragen müssen. Scheitert ein Einzelunternehmen, bedeutet das oft nicht nur
das Ende für das Unternehmen, sondern auch finanzielle Schwierigkeiten für die Unternehmerin oder
den Unternehmer als Privatperson. Die gescheiterte Selbstständigkeit ist ein häufiger Grund für einen
Privatkonkurs (Schuldenregulierungsverfahren bei Privatpersonen).

Personengesellschaften
An einer Personengesellschaft ist mehr als eine Person beteiligt. Diese Personen bringen nicht nur das
Kapital für das Unternehmen auf, sie haften auch für die Schulden des Unternehmens. Je nachdem,
um welche Art von Gesellschaftern und Gesellschafterinnen es sich handelt, arbeiten sie auch im
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Unternehmen mit. Einzelunternehmen, deren Unternehmensumfang deutlich zunimmt, sodass die
Unternehmensführung und/oder die Finanzierung für eine Person zu viel werden, können in
Personengesellschaften umgewandelt werden, um die Finanzierungsmöglichkeiten, die
Haftungssituation zu verbessern und die Verantwortung für die Unternehmensleitung aufzuteilen. Bei
den Personengesellschaften werden die Varianten Offene Gesellschaft und Kommanditgesellschaft
unterschieden.

Die Offene Gesellschaft (OG) kennt nur eine Art von Gesellschaftern und Gesellschafterinnen.
Mindestens zwei Gesellschafter:innen gründen die OG, alle Gesellschafter:innen sind zur
Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Jede Gesellschafterin und jeder Gesellschafter haftet
mit dem gesamten Privatvermögen für den Gesamtbetrag der Schulden des Unternehmens
(solidarische Haftung) und beteiligt sich am Kapital des Unternehmens, für das es jedoch wie beim
Einzelunternehmen keine gesetzliche Mindesthöhe gibt.

Die Kommanditgesellschaft (KG) hingegen unterscheidet zwischen zwei Arten von Gesellschaftern und
Gesellschafterinnen, den Komplementären und den Kommanditisten. Mindestens eine Person ist
Komplementär, die im Hinblick auf die Mitarbeit im Unternehmen, die Beteiligung am Kapital und die
Haftung einem OG-Gesellschafter oder einer OG-Gesellschafterin vergleichbar ist. Daneben gibt es
noch mindestens eine Person als Kommanditisten, die nur mit der eigenen Kapitaleinlage haftet und
nicht im Unternehmen mitarbeitet. Für diesen Gesellschaftertyp ist also eine Haftungsbeschränkung
möglich. Kommanditisten haben Kontrollrechte und dürfen in die Bücher der Gesellschaft Einsicht
nehmen.

Personengesellschaften sind im Hinblick auf die von den Gesellschaftern eingebrachten Mittel in der
Regel beschränkt, weil Personengesellschaften meist nur wenige Gesellschafter haben. Diese sind in
vielen Fällen nicht in der Lage, hohe Kapitalsummen in das Unternehmen einzubringen.
Personengesellschaften sind daher auch oft von der Finanzierung durch Bankkredite abhängig.

Kapitalgesellschaften
Höhere Kapitalsummen können eher mit Kapitalgesellschaften aufgebracht werden. Die Idee von
Kapitalgesellschaften besteht darin, dass Gesellschaftern und Gesellschafterinnen Kapital für das
Unternehmen zur Verfügung stellen, jedoch nicht (notwendigerweise) im Unternehmen mitarbeiten
und dieses leiten. Das Gesetz sieht hier für die Kapitalbeteiligung eine Mindestkapitalhöhe vor. Durch
viele Gesellschafter:innen, die grundsätzlich nur mit dem eingebrachten Kapital haften, können auch
eher hohe Kapitalsummen aufgebracht werden. Da Gesellschafter:innen nicht notwendigerweise auch
mit der Geschäftsführung betraut sind, können Kapitalaufbringung und Geschäftsführung daher bei
Kapitalgesellschaften getrennt sein.

Kapitalgesellschaften weisen eine eigene Rechtspersönlichkeit auf, sie gelten als juristische Personen
(im Vergleich zu „natürlichen Personen“, also Menschen). Sie können als juristische Personen
Geschäfte machen, Verträge abschließen, klagen und geklagt werden, sie brauchen aber natürliche
Personen, die für sie handeln.

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist eine mögliche Form von Kapitalgesellschaft. Es
muss zumindest einen Gesellschafter geben. Das von dem/den Gesellschafter/n aufgebrachte Kapital
wird Stammkapital genannt und muss auf Grund gesetzlicher Bestimmungen mindestens € 10.000 (seit
1.1.2024, davor waren es € 35.000) betragen. Jede Einlage eines Gesellschafters oder einer
Gesellschafterin (Stammeinlage) muss zumindest € 70 betragen. Zumindest die Hälfte des

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Stammkapitals ist in Form von Geld aufzubringen, der Rest kann auch eine Sacheinlage sein (Computer,
Auto, etc.).

Die GmbH wird von einem oder mehreren Geschäftsführenden geleitet. Der oder die
Geschäftsführer:in kann auch Gesellschafter:in der GmbH sein („geschäftsführende:r
Gesellschafter:in“), muss aber nicht. Für die Geschäftsführung wird ein Gehalt bezogen, die
Gesellschafter:innen erhalten für ihre Kapitaleinlagen Gewinnanteile.

Seit kurzem gibt es eine weitere an die GmbH „angelehnte“ Gesellschaftsform, die Flexible
Kapitalgesellschaft (FlexKapG). Ebenso wie bei der GmbH reicht ein Gesellschafter oder eine
Gesellschafterin, das Stammkapital beträgt ebenfalls € 10.000. Der Mindestbetrag einer Stammeinlage
beträgt jedoch nur € 1. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die FlexKapG
Unternehmenswert-Anteile vorsieht, die eine Sonderform des Stammkapitals sind und eine einfache
Beteiligung der Mitarbeiter:innen ermöglichen sollen. Unternehmenswert-Beteiligte haben einen
Anspruch auf ihren Gewinnanteil, sie verfügen aber über kein Stimmrecht.

Auch die Aktiengesellschaft (AG) zählt zu den Kapitalgesellschaften. Das Kapital, das die Gesellschafter
einbringen, wird Grundkapital genannt und muss auf Grund gesetzlicher Bestimmungen mindestens
70.000 Euro betragen. Da das Grundkapital in Aktien aufgeteilt wird, werden die Gesellschafter
Aktionäre genannt. So wie die GmbH-Gesellschafter haften auch die Aktionäre nicht persönlich für die
Schulden der AG, sie riskieren nur das Geld, das sie in den Aktienkauf investieren. Der Vorstand führt
die Geschäfte in eigener Verantwortung und vertritt die Gesellschaft. Die Vorstandsmitglieder werden
vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen. Große Unternehmen, die viel Kapital benötigen, sind häufig
als AG organisiert.

Eine Variante der Aktiengesellschaft ist die Rechtsform der Europäischen Gesellschaft, die auch
Europäische Aktiengesellschaft oder Societas Europaea (SE) genannt wird. Die Strabag ist zum Beispiel
als SE organisiert. Die SE stellt eine mögliche Rechtsform für Aktiengesellschaften in der Europäischen
Union und im Europäischen Wirtschaftsraum dar. So ist der Rechtsrahmen für diese Gesellschaftsform
immer gleich, egal in welchem Mitgliedsstaat der EU oder des EWR die SE ihren Sitz hat. Das ist vor
allem für Unternehmen, die in mehreren EU-/ EWR-Staaten Niederlassungen haben, von Interesse.
Das Mindestkapital beträgt 120.000 Euro.

Genossenschaften
Genossenschaften sind Zusammenschlüsse von zumindest zwei natürlichen und/oder juristischen
Personen mit dem Ziel der Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder. Die
Rechtsform selbst lautet in Österreich „eingetragene Genossenschaft“ (e. Gen.) und dient zur
Errichtung von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Auch die Genossenschaft hat ein
europäisches Pendant: die Europäischen Genossenschaft oder Societas Cooperativa Europaea (SCE).

Genossenschaften folgen dem Motto: „Was einer nicht schafft, das schaffen viele!“. Im Vordergrund
steht daher nicht das Erzielen von Gewinnen, sondern das gemeinsame Wirtschaften, zum Beispiel
durch

• das gemeinsame Nutzen von Produktionsanlagen und Betriebsmitteln und/oder


• den gemeinsamen Einkauf und/oder Vertrieb.

So können Synergieeffekte genutzt werden, weil man gemeinsam andere Größenverhältnisse


erreichen kann. Gewinne werden entweder wieder in die Genossenschaft reinvestiert oder als
Rückvergütungen an die Genossenschaftsmitglieder ausgezahlt. Die Anzahl der Mitglieder ist leicht
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veränderlich, weil es einfach ist, in eine Genossenschaft einzutreten und auch wieder auszutreten. So
kann man auch nur vorübergehend zusammenarbeiten. Es ist kein Mindestkapital notwendig,
Genossenschafter beteiligen sich an der Genossenschaft mit einer Kapitaleinlage. Ihre Haftung ist für
gewöhnlich auf einen bestimmten Geldbetrag beschränkt. Wenn zum Beispiel ein
Genossenschaftsanteil 100 Euro beträgt, haftet der Genossenschafter mit weiteren 100 Euro, d.h. der
mögliche Verlust sind maximal 200 Euro.

Die Leitung der Genossenschaft erfolgt durch den Vorstand, der auch von Genossenschaftern gebildet
wird. Das oberste Organ ist jedoch die Hauptversammlung, in der über die wesentlichen
Entscheidungen in der Genossenschaft abgestimmt wird. Bemerkenswert ist in diesem
Zusammenhang das so genannte Kopfstimmrecht, das bedeutet, dass bei einer Abstimmung jede
Person – unabhängig von ihrem Anteil am Genossenschaftskapital – eine Stimme hat und diese Stimme
nicht entsprechend dem Anteil am Kapital gewichtet wird. Die Satzung einer Genossenschaft kann aber
eine abweichende Regelung vorsehen. Ab einer bestimmten Größe der Genossenschaft (ab 40
Beschäftigten) ist auch ein Aufsichtsrat zu bilden.

Eintragung ins Firmenbuch


Manche Unternehmen können, andere müssen ins Firmenbuch eingetragen werden. Im Wesentlichen
ist es die Rechtsform, die hier entscheidend ist.

Was ist das Firmenbuch?


Das Firmenbuch ist eine öffentliche, zentrale von Gerichten geführte
Unternehmensdatenbank, in die Einsicht genommen werden kann. Dadurch
wird das Unternehmen transparenter, was für Geschäftsabschlüsse förderlich
sein kann, weil Geschäftspartner:innen wichtige Informationen zum
Unternehmen im Firmenbuch ersehen können.

Die OG, KG, GmbH und AG sowie die Genossenschaften müssen ins Firmenbuch eingetragen werden,
das Einzelunternehmen erst ab einer bestimmten Größe (mehr als 700.000 Euro Umsatz pro Jahr in
zwei aufeinanderfolgenden Jahren oder mehr als 1 Mio. Euro Umsatz in einem Jahr). Eine freiwillige
Eintragung von Einzelunternehmen ist möglich, wenn ihnen zum Beispiel die oben genannte
Transparenz gegenüber ihren Geschäftspartnern wichtig ist. Kleine Einzelunternehmen sind trotzdem
häufig nicht eingetragen.

Die Firmenbucheintragung enthält die Firma, das ist der rechtliche Name des Unternehmens (z.B.
woom GmbH), den Sitz des Unternehmens und den Unternehmensgegenstand, die Namen der
Gesellschafter (nicht jedoch die Aktionäre der AG), die Höhe der Kapitaleinlagen (bei Kommanditisten
und GmbH-Gesellschaftern) und zeigt auf, wer die Geschäfte führen darf.

Zahlen, Daten, Fakten …


Der überwiegende Teil der Unternehmen sowie der
Unternehmensgründungen in Österreich - rund 85 % - sind
Einzelunternehmen. Ungefähr jedes zehnte Unternehmen ist eine GmbH,
gefolgt von je ca. 2 % OG und KG. Die übrigen Rechtsformen haben einen
noch geringeren Anteil.

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Tab. 2: Zusammenfassende Darstellung der Merkmale der verschiedenen Rechtsformen
Einzel- Offene Kommandit- Gesellschaft Aktien- Genossen-
unternehmen Gesellschaft gesellschaft mit gesellschaft schaft
beschränkter Societas
Haftung Europaea (SE)
Wer führt die Der Einzel- Die OG- Der/die Der/die Der Vorstand Der
Geschäfte? unternehmer Gesellschafter Komplementäre Geschäftsführ Vorstand
(mind. zwei) (mind. einer) er (mind.
einer)
Wer ist Der Einzel- Die OG- Der/die Alle GmbH- Die Aktionäre, Die
Gesell- unternehmer Gesellschafter Komplementäre Gesellschafter die zumindest Genossen-
schafter? (mind. zwei) (mind. einer) (mind. einer), eine Aktie schafter
und der/die die eine gekauft haben
Kommandi- Stammeinlage
tisten (mind. geleistet
einer) haben
Wer bringt Der Einzel- Die OG- Der Die GmbH- Die Aktionäre Die
das Kapital unternehmer Gesellschafter Komplementär Gesellschafter durch den Genossen-
auf? kann, der mit ihren Aktienkauf schafter
Kommanditist Stammeinlage
muss eine n
Kapitaleinlage
leisten
Gibt es ein Nein Nein Nein Ja, 10.000 Ja, 70.000 Nein
Mindest- Euro Euro (SE:
kapital? 120.000 Euro)
Wer haftet Der Einzel- Die OG- Der Die GmbH- Die Aktionäre Die
für die unternehmer Gesellschafter Komplementär Gesellschafter nur mit ihrem Genossen-
Schulden des persönlich, persönlich, haftet so wie nur mit ihrer Aktienkapital schafter mit
Unter- unbeschränkt unbeschränkt, der OG- Stammeinlage ihrer
nehmens jeder für den Gesellschafter, Einlage
Gesamtbetrag der (i.d.R. in
der Schulden Kommanditist doppelter
nur bis zur Höhe Höhe)
seiner Einlage
Wie kann Der Einzel- Die OG- Komplementär: Die bisherigen Neue Aktien Durch die
zusätzliches unternehmer Gesellschafter siehe OG; Gesellschafter werden Aufnahme
(Eigen-) muss Kapital müssen Kapital Kommanditist: erhöhen ihre ausgegeben, weiterer
Kapital einbringen. einbringen Kapitaleinlage Einlagen oder die entweder Genossen-
aufgebracht erhöhen nehmen einen die bisherigen schafter
werden? zusätzlichen Aktionäre
Gesellschafter kaufen
auf können oder
sonst neue
Aktionäre
Anmerkung: Aus Platzgründen wurde in dieser Tabelle auf das Gendern des Texts verzichtet.

24
2.3 Wie Unternehmen finanzielle Mittel aufbringen
Schon bei der Gründung eines Unternehmens ist die ausreichende Finanzierung eine der
wesentlichsten Gelingensbedingungen. Viele Unternehmen brauchen Geschäfts- und
Büroräumlichkeiten, die ausgestattet werden müssen. Es besteht daher Finanzierungsbedarf für diese
(langfristigen) Investitionen. Auch die Finanzierung dafür muss daher langfristig zur Verfügung stehen.

Wenn das Unternehmen nach der Gründung seine Tätigkeit aufnimmt, erfolgen durch Umsätze
(Verkaufserlöse) auch Zahlungen an das Unternehmen und so stehen auch wieder finanzielle Mittel
zur Verfügung. Oft müssen aber Liefernde früher bezahlt werden, als es zu Einnahmen durch Verkäufe
kommt. Daher gibt es neben dem langfristigen Finanzbedarf auch einen kurzfristigen Finanzbedarf.

Finanzieren bedeutet daher finanzielle Mittel aufzubringen, um

• Investitionen (zum Beispiel Anschaffung von Maschinen, Fuhrpark, Computerausstattung


etc.), die nur in größeren zeitlichen Abständen vorgenommen werden, und
• laufende, wiederkehrende Zahlungen (zum Beispiel Einkauf von Waren und/oder Rohstoffen,
Zahlung von Löhnen und Gehältern, Energie, Miete, etc.).

tätigen zu können.

Aus den Ausführungen zu den Rechtsformen ist bereits hervorgegangen, dass zunächst
Unternehmer:innen bzw. die Gesellschafter:innen finanzielle Mittel in das Unternehmen einbringen,
es jedoch auch weitere Finanzierungsmöglichkeiten gibt.

Eigen- und Fremdfinanzierung


Kapital, das die Unternehmensgründer:innen und/oder die Gesellschafter:innen in das Unternehmen
einbringen, gilt als Eigenkapital. Dazu zählen nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch
Sacheinlagen. Bringen die Gründer:innen also zum Beispiel bei der Gründung nicht nur Geld, sondern
auch einen kleinen Lieferwagen und zwei PCs in das Unternehmen ein, erhöhen auch diese
Sacheinlagen das Eigenkapital.

Eigenkapital hat eine sehr große Bedeutung für ein Unternehmen: es muss nicht zurückgezahlt werden
und steht dem Unternehmen daher langfristig (in der Regel unbefristet) zur Verfügung. Es ist daher
eine mögliche geeignete Finanzierungsart für langfristige Investitionen. Für Eigenkapital müssen in
Zeiten, in denen keine Gewinne erwirtschaftet werden, keine Zinsen gezahlt werden wie für einen
Kredit. In Zeiten, in denen Gewinne erwirtschaftet werden, können Auszahlungen an die
Eigenkapitalgeber erfolgen, jedoch besteht dazu keine Verpflichtung. Werden Gewinne im
Unternehmen belassen, erhöhen sie das Eigenkapital.

Für viele Unternehmen ist es jedoch unrealistisch, sich zur Gänze über Eigenkapital zu finanzieren.
Kommt das Kapital von „Dritten“, zum Beispiel von einer Bank, wird es Fremdkapital genannt.
Fremdkapital steht für gewöhnlich nur befristet zur Verfügung und muss zurückgezahlt werden.
Meistens muss Fremdkapital auch verzinst werden, d.h. es sind Zinszahlungen an die
Fremdkapitalgeber:innen (Gläubiger:innen) zu bezahlen. Kredite sind die wesentlichste Form von
Fremdkapital.

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Während langfristige Kreditfinanzierung hauptsächlich von Banken gewährt wird, sind bei der
kurzfristigen Kreditfinanzierung neben den Banken auch Lieferunternehmen wichtige Kreditgeber.
Müssen Lieferungen nicht gleich, sondern „auf Ziel“, d.h. erst zu einem späteren Zeitpunkt, bezahlt
werden, erfolgt die Finanzierung durch die Lieferanten, man spricht von Lieferverbindlichkeiten
gegenüber diesen Lieferanten. Verzichtet man für das Nutzen dieses Zahlungsziels auf einen möglichen
Preisabzug für sofortiges Bezahlen („Skonto“), werden genau genommen auch für das Zahlen auf Ziel
Zinsen bezahlt. Die Effektivverzinsung des Skontos ist sogar in den meisten Fällen sehr hoch, sodass
das kurzfristige Überziehen des Bankkontos für rascheres Bezahlen die ökonomisch sinnvollere
Variante sein kann.

In der nachstehenden Tabelle sind die wesentlichen Merkmale von Eigen- und Fremdkapital
zusammengefasst:

Tab. 3 Merkmale von Eigen- und Fremdkapital

Eigenkapital Fremdkapital
Wie lange steht das Kapital zur Langfristig, in der Regel Kurzfristig und langfristig
Verfügung? unbefristet möglich, je nach Vereinbarung
Zinsen für das Fremdkapital.
Was ist für das Kapital zu Evtl. Gewinnanteile an die
Das Kapital selbst muss auch
bezahlen? Eigenkapitalgeber
zurückgezahlt werden.
Abhängig von der Rechtsform
Fremdkapitalgeber haben in
Können die Kapitalgeber im haben Eigenkapitalgeber in
der Regel kein Mitspracherecht
Unternehmen mitreden? unterschiedlichem Ausmaß
bei der Unternehmensführung.
Mitspracherechte
Haben Kapitalgeber eine
Wenn der Kredit ausreichend
Sicherheit für die Rückzahlung nein
besichert ist, ja
des Kapitals?

Innen- und Außenfinanzierung


Stammt die Finanzierungsquelle aus dem Umsatz des Unternehmens, spricht man von
Innenfinanzierung.

Wesentliche Formen von Innenfinanzierung

Hier ist vor allem das Einbehalten von Gewinnen eine wichtige Finanzierungsquelle. Sie wird auch
Selbstfinanzierung genannt und erhöht das Eigenkapital. Damit wird das Unternehmen auf
mehrfache Weise krisenresistenter:

• Es ist weniger abhängig von Fremdkapitalgebern.


• Es müssen keine (Fremdkapital-)Zinsen dafür bezahlt werden.
• Verluste reduzieren das Eigenkapital. Ist daher viel Eigenkapital vorhanden, kann ein
Unternehmen auch mehrere Jahre mit Verlusten überstehen, ohne überschuldet zu sein. Ist
das Eigenkapital hingegen rasch aufgebraucht und übersteigt das Fremdkapital das
Vermögen des Unternehmens, ist das Unternehmen überschuldet und wirtschaftlich
gefährdet.
• Gewinne, die in das Unternehmen reinvestiert werden, tragen dazu bei, Anlagen und
Betriebsmittel zu erneuern, das Unternehmen bleibt modern ausgestattet und
wettbewerbsfähig.

Auch Abschreibungen und das Bilden von Rückstellungen können eine Innenfinanzierungsquelle sein:
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Abschreibungsfinanzierung

Wenn ein Unternehmen die Preise für seine Produkte und Dienstleistungen berechnet, berücksichtigt
es alle Aufwände (oder auch Kosten), die für die Produktion anfallen (und meist zusätzlich noch einen
Gewinn). Kann es seine Produkte und Dienstleistungen dann zu diesen berechneten Preisen
verkaufen, werden mit dem Verkaufserlös alle Aufwände verdient. Berücksichtigt ein Unternehmen
bei diesen Aufwänden auch den Wertverlust seiner Maschinen, Computer, Fahrzeuge etc. (das ist die
so genannte Abschreibung), wird auch dieser verdient. Der Wertverlust stellt aber keine Auszahlung
dar, das Geld bleibt daher vorerst im Unternehmen. Die „verdienten“ Abschreibungen können in der
Zwischenzeit für andere Investitionen verwendet werden. So können die Betriebsmittel laufend
aktuell gehalten werden.

Ein Beispiel zur Angenommen, ein Unternehmen hat in einem Jahr über 200.000
Abschreibungsfinanzierung Euro in die Anschaffung von Sachanlagen investiert. Werden diese
Sachanlagen zehn Jahre genutzt, dann beträgt die Abschreibung pro
Jahr 20.000 Euro. Diese Abschreibung wird (wie andere Kosten) in die
Preise für die Räder einkalkuliert. Werden die Räder zu den
kalkulierten Preisen verkauft, wird diese Abschreibung auch verdient.
So stehen zehn Jahre lang jedes Jahr 20.000 Euro zur Verfügung.

Rückstellungsfinanzierung

Unternehmen bilden für (mögliche) Aufwände in der Zukunft Rückstellungen, d.h. sie sorgen in ihrer
Buchhaltung (vgl. nächster Abschnitt zum Themenbereich Rechnungswesen) dafür vor, dass sie in der
Zukunft möglicherweise einen Aufwand haben werden. Das kann ein Aufwand für einen
Gerichtsprozess sein, den das Unternehmen verlieren könnte, oder Aufwände für Urlaubsansprüche,
Pensionen und Abfertigungszahlungen. Wenn Unternehmen eine Rückstellung bilden, stellt diese
Rückstellungsbildung einen Aufwand dar, der den Gewinn des Unternehmens verringert, aber keine
Auszahlung darstellt (ähnlich wie bei der Abschreibung). Es stehen diese Mittel daher auch in der
Zwischenzeit für andere Investitionen zur Verfügung.

Ein Beispiel zur Angenommen, ein Unternehmen hat Pensionsrückstellungen für


Rückstellungsfinanzierung Mitarbeiter:innen, die erst in 20 oder 30 Jahren in Pension gehen,
gebildet. Durch die Rückstellungsbildung ist ein langfristiger
Finanzierungseffekt gegeben.

Wesentliche Formen von Außenfinanzierung

Liegt die Finanzierungsquelle außerhalb des Unternehmens, spricht man von Außenfinanzierung. Von
außen können sowohl Eigen- als auch Fremdkapital zugeführt werden. Die folgende Grafik zeigt
wesentliche Formen der Außenfinanzierung.

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Abb. 4: Wesentliche Formen der Außenfinanzierung

Eigenkapitalgeber können bestehende oder neue Gesellschafter sein. Gesellschafter einer GmbH
müssen Einlagen leisten, die Stammeinlagen oder Geschäftsanteile heißen. Die Stammeinlagen
verschiedener Gesellschafter können unterschiedlich hoch sein, insgesamt muss jedoch das
Mindeststammkapital erreicht werden.

Bei einer Aktiengesellschaft heißen die Gesellschafter Aktionäre. Das Grundkapital (Aktienkapital) ist
in Aktien zerlegt, sodass große Kapitalbeträge leichter beschafft werden können. Werden Aktien von
der Aktiengesellschaft ausgegeben („emittiert“), hat sie bei dieser Emission einen Finanzierungseffekt
dadurch, dass Personen die Aktien kaufen.

Was sind Aktien?


Die Aktie ist damit ein Wertpapier, das ein Anteilsrecht verbrieft: einen Anteil
am Grundkapital der AG. Der Preis der Aktie einer AG wird auch „Kurs“ genannt
und kommt durch Angebot und Nachfrage nach den Aktien dieser AG zustande.

Eine Rückzahlung des Aktienkapitals an die Aktionäre ist nicht vorgesehen, es ist unbefristet zur
Verfügung gestelltes Kapital. Aktionäre können ihre Aktien jedoch wieder an andere verkaufen, die
sich an dem Unternehmen beteiligen und Aktionäre werden wollen. Durch diesen Aktienhandel
entsteht kein weiterer Finanzierungseffekt für die AG, von Kursgewinnen profitieren die Aktionäre.

Zahlen, Daten, Fakten …


Betrachtet man den Wertzuwachs und die Gewinnausschüttungen bei
Aktien seit dem Jahr 1900, so haben Aktien den Aktionären im Schnitt pro
Jahr 6,5 % Ertrag gebracht, deutlich mehr als Sparguthaben (0,6 % Ertrag pro
Jahr).

Erhöht zum Beispiel eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital („Kapitalerhöhung“), haben zunächst die
bestehenden Aktionäre (als Gesellschafter:innen der AG) das Recht, die neu ausgegebenen, so
genannten jungen Aktien zu kaufen. Auf diese Weise können sie ihren prozentuellen Anteil am
Grundkapital gleich halten, wenn sie das möchten. Sie können ihr Bezugsrecht auf neue Aktien aber

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auch verkaufen, dann können andere Personen Aktien kaufen und so zu neuen Aktionären werden.
Auch Gesellschaften, die als eine andere Rechtsform organisiert sind, können neue
Gesellschafter:innen aufnehmen, die Kapitaleinlagen leisten.

Ebenfalls von außen kommen Fremdfinanzierungsquellen, sie stellen ebenfalls


Außenfinanzierungsmöglichkeiten dar. Die wichtigsten Fremdkapitalgeber sind, wie oben bereits
erwähnt, Lieferunternehmen und Banken.

Große Unternehmen haben außerdem die Möglichkeit, über die Emission einer Anleihe Fremdkapital
aufzunehmen. Anleihen werden auch „Schuldverschreibungen“, „Renten“ oder „Bonds“ genannt.

Was sind Anleihen?


Anleihen sind Wertpapiere, die ein Forderungsrecht verbriefen. Die Forderung
besteht für die Käufer:innen der Anleihe gegenüber dem Emittenten der
Anleihe, einem Großschuldner (ein Staat oder ein Unternehmen), der sich Geld
von den Anleihengläubigern und -gläubigerinnen zu bestimmten Bedingungen
(Verzinsung, Laufzeit) ausborgt.

Großunternehmen (z.B. die voestalpine AG) oder auch Staaten (z.B. der österreichische Staat)
benötigen für ihre Projekte und für die Erfüllung ihrer Aufgaben viel Geld. Besonders große
Geldbeträge können schwer als Kredit bei einer Bank aufgenommen werden. So wird der benötigte
große Geldbetrag (das „Anleihenominale“) in kleinere Teilbeträge geteilt („Stückelung“) und viele
verschiedene Geldgeber können durch den Anleihenkauf einen oder mehrere Teilbeträge zur
Verfügung stellen. Anleihen können zu dem Zeitpunkt gekauft werden, zu dem sie herausgegeben
(„emittiert“, „begeben“) werden oder auch während der Laufzeit. Ihr Preis, der Kurs der Anleihe,
richtet sich nach Angebot und Nachfrage nach der Anleihe. Für gewöhnlich wird am Ende der Laufzeit
das ausgeborgte Geld zum Nominale (oder zum festgelegten Kurs) zurückgezahlt (man sagt auch: „die
Anleihe wird getilgt“).

Anleihengläubiger und -gläubigerinnen haben die Erwartung, dass die Anleihe zum Fälligkeitstermin
getilgt wird und die vereinbarten Zinsen bezahlt werden. Sie erzielen insgesamt daher die folgenden
Erträge:

• Zinsen (entsprechend der Verzinsung der Anleihe) und


• den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufs- und dem Verkaufskurs (sofern die Anleihe
nicht bis zum Fälligkeitstermin gehalten, sondern vorzeitig verkauft wird).

Die Verzinsung der Anleihe zählt zu den wichtigsten Anleihebedingungen, sie kann während der
Laufzeit fix (also unveränderlich) oder variabel sein. Bei variabler Verzinsung wird die Verzinsung der
Anleihe an das allgemeine Zinsniveau angepasst, zum Beispiel an den Euribor.

Was ist der Euribor und welche Rolle spielt er?


Euribor bedeutet Euro Interbank Offered Rate und bezieht sich auf die
durchschnittlichen Zinssätze, zu denen Banken einander kurzfristige
Geldanlagen in Euro gewähren. Es gibt verschiedene Euribor-Zinssätze (je nach
genauer Laufzeit), die als Basiszinssatz für verschiedene Finanzgeschäfte, wie
auch variabel verzinste Anleihen (so genannte „Floater“) verwendet werden.

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2.4 Welche Fragen das Rechnungswesen beantwortet
Das betriebliche Rechnungswesen umfasst mehrere Bereiche, die auf verschiedene zentrale
betriebswirtschaftliche Fragen Antworten liefern (vgl. Schneider & Schneider 2019).

Tab. 4: Bereiche des betrieblichen Rechnungswesens

Betriebswirtschaftliche Fragen Bereich des betrieblichen Rechnungswesens


Kommt das Unternehmen mit seinen Finanzrechnung
finanziellen Mitteln aus oder besteht ein (Finanzplanung, Budgetierung, Cashflow)
Finanzierungsbedarf?
Welches Vermögen hat ein Unternehmen und Buchhaltung
wie hat es dieses Vermögen finanziert? (Erstellung der Bilanz und der Gewinn- und
Verlustrechnung)
Hat das Unternehmen in einer bestimmten
Zeitperiode einen Gewinn oder einen Verlust
erzielt, d.h. ist es „reicher“ oder „ärmer“
geworden?
Wie viel kostet das im Unternehmen erzeugte Kostenrechnung
Produkt oder die erstellte Leistung?
Wie viel trägt der Ertrag aus dem Verkauf eines
Produkts zur Kostendeckung bei?

Finanzrechnung
Genauso wie private Haushalte muss auch ein Unternehmen jederzeit zahlungsfähig („liquide“) sein.
Das heißt, dass es sämtliche fällige Rechnungen für Investitionen und laufende Aufwände bezahlen
können muss. Ist die Zahlungsfähigkeit („Liquidität“) nicht mehr gegeben, ist das Unternehmen
gefährdet, die Insolvenz droht. Zur Planung der Zahlungsfähigkeit werden Finanzpläne (Budgets)
erstellt.

Was ist ein Finanzplan eines Unternehmens?


Vom Grundprinzip her ähneln Finanzpläne eines Unternehmens denen von
privaten Haushalten. Auch Unternehmen stellen in einem Finanzplan die
geplanten Einzahlungen (EZ) den geplanten Auszahlungen (AZ) für einen
bestimmten Zeitraum (z.B. einen Monat) gegenüber, um zu ermitteln, ob es
einen Einzahlungsüberschuss oder einen Fehlbetrag gibt, der einen Finanzbedarf
bedeutet.

Manchmal wird im Zusammenhang mit dem Finanzplan auch von Einnahmen und Ausgaben
gesprochen. Die meisten Einnahmen stellen auch Einzahlungen dar, die meisten Ausgaben auch
Auszahlungen. Differenzen ergeben sich hier entweder zeitlich, wenn eine Einnahme erst später zu
einer Einzahlung führt, oder auch sachlich, wenn eine Ausgabe nicht mit einer Auszahlung einhergeht
(z.B. die Abschreibung). Die Begriffe Einzahlung und Auszahlung sind daher im Zusammenhang mit der
Finanzrechnung präziser.

• Übersteigen die Einzahlungen (EZ) die Auszahlungen (AZ), ist die Zahlungsfähigkeit gegeben.
Ist der Überschuss der EZ gegenüber den AZ sehr hoch, sollte überlegt werden, ob man einen
Teil des Überschusses besser anlegen kann als auf einem Bankkonto. Dabei ist jedoch immer

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zu beachten, dass in den folgenden Perioden (Wochen, Monaten) vielleicht die AZ höher sein
werden und die Überschüsse bald wieder gebraucht werden. Finanzielle Reserven, auf die man
rasch zugreifen kann, sind vor allem für unvorhergesehene Zahlungen, die in der
Finanzplanung nicht berücksichtigt sind, wichtig.

• Übersteigen die AZ die EZ, ist die Zahlungsfähigkeit gefährdet. Das Unternehmen muss sofort
Gegenmaßnahmen ergreifen, um die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Es kann z.B.
versuchen, Ausgaben zu reduzieren, mit seinen Lieferunternehmen ein längeres Zahlungsziel
vereinbaren, selbst seiner Kundschaft nur kurze Zahlungsziele gewähren, Lagerstände
reduzieren, einen kurzfristigen Kredit bei der Bank aufnehmen. Droht immer wieder
Zahlungsunfähigkeit und kann diese nicht leicht behoben werden, müsste überlegt werden,
ob durch die Aufnahme weiterer Gesellschafter:innen, die Kapitaleinlagen leisten, die
Liquidität dauerhaft verbessert und abgesichert werden könnte.

Die Finanzrechnung hat eine große betriebswirtschaftliche Bedeutung. Schon


Unternehmensgründer:innen stehen im Hinblick auf die Finanzplanung vor einer schwierigen
Situation: im Rahmen der Gründung sind bereits vergleichsweise hohe Auszahlungen zu tätigen, es gibt
aber meist noch keine Einzahlungen und auch keine Erfahrungswerte, mit wie viel Einzahlungen
kalkuliert werden kann. Genau aus diesem Grund müssen Unternehmensgründer:innen häufig bei
Finanzierungsansuchen einen Finanzplan vorlegen. Dieser sollte vorsichtig und realistisch geplant sein,
damit Kapitalgeber:innen überzeugt werden können.

Im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit wird auch vom Cashflow gesprochen.

Was ist der Cashflow eines Unternehmens?


Ermittelt wird der Cashflow, indem Einzahlungen und Auszahlungen innerhalb
eines bestimmten Zeitraums einander gegenübergestellt werden. Übersteigen
die Einzahlungen die Auszahlungen in einem bestimmten Zeitraum, ist der
Cashflow positiv, d.h. es gibt einen Geld- bzw. Zahlungsmittelzufluss zum
Unternehmen. Damit ist ein positiver Cashflow ein Indikator für
Zahlungsfähigkeit. Das ist für Investitionen und für Kreditrückzahlungen von
großer Bedeutung.

Buchhaltung
Jedes Unternehmen ist gesetzlich verpflichtet, seinen Gewinn oder Verlust für jedes Geschäftsjahr zu
ermitteln. Das ist nicht zuletzt für die Berechnung von Ertragssteuern, die – je nach Rechtsform – der
Unternehmer oder die Unternehmerin oder das Unternehmen zu bezahlen haben, von Bedeutung. Die
Buchhaltung wird daher auch externes Rechnungswesen genannt, weil sie eine Informations- und
Dokumentationsfunktion nach außen hat.

Ob in einem bestimmten Zeitraum ein Gewinn oder Verlust erzielt worden ist, ist nicht nur für die
Steuerbehörde, sondern auch für die Unternehmensleitung selbst von Bedeutung, weil das Ergebnis
zeigt, wie erfolgreich das Unternehmen war und wie gut gewirtschaftet wurde.

Darüber hinaus gibt es weitere Stakeholder, die Interesse an dieser Information haben. Dazu zählen
vor allem Kapitalgeber:innen, Gesellschafter:innen (z.B. Aktionäre und Aktionärinnen),
Geschäftspartner:innen (z.B. Liefernde), und Mitarbeiter:innen. Die Unternehmensleitung muss
entscheiden, ob der Gewinn entnommen (ausgeschüttet) werden kann oder im Unternehmen
belassen werden soll, um z.B. in neue Maschinen oder andere Anlagen zu investieren.
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Abhängig von der Rechtsform des Unternehmens und seiner Größe erfolgen die Gewinnermittlung und
der Jahresabschluss entweder in Form einer

• Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (EAR), in der die Einnahmen eines Geschäftsjahres den


Ausgaben gegenübergestellt werden. Die Ausgaben entsprechen im Wesentlichen den
Auszahlungen, beinhalten aber auch die Abschreibungen

• oder durch doppelte Buchhaltung, d.h. Erstellung einer Bilanz und einer Gewinn- und
Verlustrechnung (G&V). Der Gewinn wird in der G&V ermittelt, er kann aber auch durch den
Vergleich des Eigenkapitals zu Beginn und am Ende eines Geschäftsjahres ermittelt werden
(beides muss denselben Gewinn ergeben, daher doppelte Gewinnermittlung, „doppelte
Buchhaltung“)

Einzelunternehmen und Personengesellschaften, deren Umsatz unter 700.000 Euro pro Geschäftsjahr
liegt, können eine EAR erstellen, die weniger aufwendig ist als die doppelte Buchhaltung.
Überschreiten sie diese Umsatzgrenze oder liegt eine Kapitalgesellschaft vor, muss eine doppelte
Buchhaltung geführt werden. Aktiengesellschaften und große GmbHs müssen ihren Jahresabschluss
veröffentlichen, im Firmenbuch geführte Unternehmen müssen bestimmte Zahlen ihres
Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht melden.

Die Bilanz
Die Bilanz stellt dar, über welches Vermögen (oder „Aktiva“, das sind z.B. Grundstücke, Gebäude,
Maschinen, Vorräte etc.) ein Unternehmen verfügt und wie dieses Vermögen finanziert worden ist (mit
eigenen Mitteln oder mit fremden Mitteln, d.h. mit welcher Art von Kapital, „Passiva“). Daher kann
man ersehen, wie „reich“ ein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, d.h. ob ein großer
Teil des Vermögens mit eigenen Mitteln finanziert worden ist oder nur ein kleiner.

Daher wird in der Bilanz das Vermögen eines Unternehmens dem Fremdkapital zu einem bestimmten
Zeitpunkt, üblicherweise dem Ende eines Geschäftsjahres, gegenübergestellt. Übersteigt das
Vermögen, also Grundstücke, Gebäude, Geschäftsausstattung, Vorräte, Bankguthaben etc., das
Fremdkapital, also die Schulden, ergibt das einen positiven Differenzbetrag. Dieser ist das Eigenkapital,
also jener Teil des Vermögens, der NICHT mit Schulden finanziert worden ist. Vergleicht man die
Bilanzen eines Unternehmens von zwei Zeitpunkten, bedeutet ein Steigen des Eigenkapitals einen
Gewinn und das Sinken einen Verlust.

So könnte etwa die Bilanz eines Unternehmens, das Fahrräder produziert, in vereinfachter Form
aussehen (alle Beträge in Euro):

Bilanz der FunBike GmbH per 31.12.20xx


Aktiva (Vermögen) Passiva (Kapital)
Anlagevermögen Eigenkapital
Grundstücke und Bauten 750 000 Bareinlagen der Gesellschafter 525 000
Technische Anlagen, Geschäftsausstauttung 2 330 000 Gewinn 3 614 250
Finanzanlagen 240 000 Fremdkapital
Umlaufvermögen Rückstellungen 2 000 000
Vorräte 5 400 000 Bankkredite 3 199 000
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 598 000 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 300 000
Bankguthaben und Barbestand 320 250
Gesamtvermögen 9 638 250 Gesamtkapital 9 638 250

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Gesamtvermögen bzw. Gesamtkapital werden auch als Bilanzsumme bezeichnet. Zu beachten ist
außerdem:

1) Vermögen = Kapital, Summe der Aktiva = Summe der Passiva, da jeder Teil des Vermögens
auch finanziert worden sein muss.

2) Jede Bilanz hat Soll- und Haben-Gleichheit: Die Aktiva stehen auf der Sollseite der Bilanz, die
Passiva auf der Habenseite. Die Differenz zwischen Vermögen und Fremdkapital ist das
Eigenkapital.

3) In der Buchhaltung stellt die Sollseite in der Regel dar, WOFÜR Mittel verwendet worden
sind. Daher steht das gesamte Vermögen auf der Sollseite der Bilanz. Die Habenseite gibt
wieder, WOHER die Mittel stammen. Daher findet man auf der Habenseite der Bilanz das
Kapital. Da sich die Bilanz aus der Berücksichtigung vieler einzelner Geschäftsfälle ergibt, gilt
die Logik von Soll (Mittelverwendung) und Haben (Mittelherkunft) auch bei der Verbuchung
von einzelnen Geschäftsfällen.

4) Vermögen, das länger als ein Jahr im Unternehmen bleiben soll, wird Anlagevermögen
genannt. Dazu zählen zum Beispiel Gebäude und Maschinen. Umlaufvermögen stellt den Teil
des Vermögens dar, der für gewöhnlich kürzer als ein Jahr im Unternehmen bleibt, zum
Beispiel Vorräte.

Das oben dargestellte Unternehmen ist „umlaufintensiv“, d.h. es hat deutlich mehr
Umlaufvermögen als Anlagevermögen. Beim Umlaufvermögen dominieren die Vorräte, was
für einen Fahrradproduzenten plausibel erscheint, der viele Bestandteile zur Produktion
braucht und auch teilweise fertig produzierte Fahrräder auf Lager haben könnte. Trotzdem
könnte hier geprüft werden, ob die Lagerhaltung reduziert werden könnte oder ob das die
Produktion beeinträchtigen würde.

5) Die Finanzierung erfolgt sowohl durch Eigen- als auch durch Fremdkapital. Rund 57% des
Kapitals des Unternehmens ist Fremdkapital, davon ist der Großteil auf Bankkredite
zurückzuführen. Diese Kapitalstruktur ist nicht untypisch für ein österreichisches
Unternehmen, das mit einer Bilanzsumme knapp unter 10 Mio. Euro gerade noch zu den
Kleinunternehmen zählt. Es ist typisch für österreichische KMU, in hohem Ausmaß von
Fremdkapital abhängig zu sein. Der hohe Gewinn stärkt jedoch das Eigenkapital und die
Innenfinanzierungskraft des Unternehmens, wenn er im Unternehmen verbleibt.

6) Das langfristige Vermögen (etwas mehr als drei Millionen Euro) ist auch langfristig finanziert
(das Eigenkapital beträgt über vier Millionen Euro und auch ein Teil des Fremdkapitals wird
vermutlich langfristig sein), d.h. die „goldene Bilanzregel“, dass langfristig gebundenes
Vermögen auch langfristig finanziert sein sollte, ist erfüllt.

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Die Gewinn- und Verlustrechnung (G&V)
In der G&V werden von den Umsatzerlösen und anderen Erträgen die Aufwände abgezogen. Zu den
Aufwänden zählen zum Beispiel Löhne und Gehälter für Mitarbeiter:innen, Materialaufwand, Miete
für die Geschäftsräumlichkeiten, Versicherungsaufwand, Energieaufwand, aber auch Abschreibungen
auf die Sachanlagen (z.B. Maschinen) und die Bildung von Rückstellungen.

Übersteigt die Summe aus Erlösen und Erträgen die Aufwände, wird ein Gewinn erzielt. Die
betriebswirtschaftliche Bedeutung des Gewinns für ein Unternehmen wurde bereits im Rahmen der
Selbstfinanzierung erläutert. Der Gewinn erhöht das Eigenkapital und kann auch aus dem Vergleich
des aktuellen Eigenkapitals mit jenem zu Beginn des Geschäftsjahres ermittelt werden. Man spricht
daher auch von doppelter Gewinnermittlung (und in diesem Zusammenhang auch von „doppelter
Buchhaltung“).

Gewinn- und Verlustrechnung der FunBike GmbH per 31.12.20xx

Umsatzerlöse 70 656 000


Materialaufwand - 53 175 000
Personalaufwand - 7 900 000
Abschreibungen - 1 800 000
sonstige betriebliche Aufwände - 2 875 000
Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) 4 906 000
Zinserträge 12 000
Zinsaufwand - 99 000
Finanzergebnis - 87 000
Ergebnis vor Steuern 4 819 000
Steuern - 1 204 750
Jahresergebnis / Gewinn 3 614 250

Die Cashflowrechnung / Geldflussrechnung


Publizierte Jahresabschlüsse umfassen neben Bilanz und G&V auch eine Cashflowrechnung. Sie zeigt
die Geldzuflüsse und -abflüsse in und aus dem Unternehmen im Laufe der betrachteten Periode, in
der Regel für ein Geschäftsjahr. Sie wird daher auch als Geldflussrechnung bezeichnet.

Wie bereits erwähnt, ist der Cashflow eine wichtige Kennzahl für die Zahlungsfähigkeit, die Liquidität
eines Unternehmens. Sie ist nicht identisch mit dem Gewinn, denn man kann einen Gewinn erzielen,
ohne über liquide Mittel zu verfügen, und man kann liquide sein, ohne einen Gewinn zu erzielen.

Die Cashflowrechnung ist so aufgebaut, dass man über die Ursache der Zu- und Abflüsse mehr erfahren
kann. Sie zeigt Veränderungen in den Bereichen:

• Betriebstätigkeit („operations“ oder „operating acitivities“): dieser ist der wichtigste Bereich
in der Cashflowrechnung, weil er den Kern des Geschäfts des Unternehmens betrifft. Er zeigt,
ob der Kernbereich des Unternehmens gut läuft und hier Einzahlungsüberschüsse
erwirtschaftet werden. Investierende schauen daher oft vor allem auf diesen Teil der
Cashflowrechnung.
• Finanzierung („financial acitivities“): dieser Bereich zeigt, ob es zu Zuflüssen aus
Finanzierungsaktivitäten gekommen ist, indem zum Beispiel neue Gesellschafter – und damit
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Eigenkapital – oder Kredite – und damit Fremdkapital – aufgenommen worden sind. Der
Abfluss in diesem Bereich steht zum Beispiel in Zusammenhang mit Zinszahlungen,
Dividendenzahlungen oder Kreditrückzahlungen.
• Investition („investing activities“): hier zeigt sich, ob Zahlungsmittel in die Anschaffung von
langfristigen Investments geflossen sind, um etwa Anlagevermögen zu kaufen. Andererseits
können hier auch Zahlungsmittel generiert werden, wenn Anlagevermögen verkauft worden
ist, etwa ein Grundstück oder ein Gebäude.

Kostenrechnung
Ein Unternehmen muss auch seine Kosten kennen, damit es errechnen kann, wie viel das produzierte
Stück, zum Beispiel ein Fahrrad, und wie viel eine erstellte Leistung kostet. Auf Dauer kann kein
Unternehmen existieren, wenn die Kosten durch die Erträge nicht gedeckt sind. Die Kosten
entsprechen dabei in den meisten Fällen weitgehend den Aufwänden in der Buchhaltung. Auch
zusätzliche Kosten, die in der Buchhaltung nicht berücksichtigt sind, sind möglich, z.B. der
Unternehmerlohn für Einzelunternehmer oder OG-Gesellschafter sowie Komplementäre. Der
Unternehmerlohn ist jener Verdienst, den sie sich für ihre Tätigkeit im Unternehmen erwarten. Er kann
sich an den Opportunitätskosten orientieren, d.h. an jenem Einkommen, das die Unternehmer
verdienen könnten, wenn sie einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgingen. Die Kostenrechnung ist
nicht gesetzlich verpflichtend für Unternehmen, sie wird auch als internes Rechnungswesen
bezeichnet, weil sie nur intern verwendet wird. Betriebswirtschaftlich ist es vorteilhaft, als Steuerungs-
und Kontrollinstrument eine Kostenrechnung zu führen, was allerdings vor allem in kleinen
Unternehmen häufig nicht erfolgt.

Was sind überhaupt Kosten?


Kosten sind der wertmäßige Verbrauch von Leistungsfaktoren (z.B. Maschinen,
Arbeit, Einsatzstoffe) bei der Produktion oder Leistungserstellung eines
Unternehmens. Sie entsprechen weitgehend den Aufwänden aus der
Buchhaltung, es gibt aber einige Differenzen (z.B. der Unternehmerlohn).

Wichtig ist die Unterscheidung von Kosten, die unabhängig von der produzierten/erstellen Menge
anfallen (fixe Kosten), und Kosten, die mit der Produktionsmenge steigen (variable Kosten). Um zu
entscheiden, welche Kosten fix und welche variabel sind, muss man daher wissen, welche Kosten in
welchem Ausmaß bei der Produktion anfallen und wie sie sich bei steigender Produktionsmenge
verändern. Entscheidet man über die Annahme oder Ablehnung eines Zusatzauftrags, wird man
betrachten, welche zusätzlichen Kosten durch diesen Auftrag anfallen.

Ein Beispiel zu Fixe Kosten eines Unternehmens, das Fahrräder erzeugt, sind jene Kosten, die
fixen und unabhängig davon anfallen, wie viele Räder in einer bestimmten Periode
variablen produziert werden. Dazu zählen die Gehälter für die Geschäftsführung, die
Kosten Miete für den Produktionsstandort (falls Miete zu bezahlen ist), Versicherungen
und (zumindest teilweise) auch Abschreibungen. Variable Kosten steigen (in der
Regel proportional) zur produzierten Menge. Bei Fahrrädern sind das im
Wesentlichen die Kosten für die Bestandteile, aus denen die Räder
zusammengebaut werden.

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Die variablen Kosten sollten auf alle Fälle durch den erzielten Preis gedeckt werden. Übersteigt der
erzielte Preis die variablen Kosten, wird ein Beitrag zur Deckung der fixen Kosten geleistet, man spricht
daher auch von „Deckungsbeitrag“. Insgesamt sollte der Preis natürlich die gesamten Kosten, sowohl
variable als auch fixe Kosten decken. Kurzfristig kann auch ein geringerer Preis betriebswirtschaftlich
sinnvoll sein, wenn z.B. Räder aus der Vorsaison, die sich nicht mehr regulär verkaufen lassen, zu einem
günstigeren Preis noch verkauft werden sollen. Übersteigt der reduzierte Preis die variablen Kosten,
wird zumindest ein Deckungsbeitrag erzielt, d.h. ein Beitrag zur Deckung der fixen Kosten, die sowieso
anfallen. Das ist daher sinnvoller als ein Rad gar nicht zu verkaufen.

Ein Beispiel zum Angenommen, ein Unternehmen erzeugt ein Fahrrad, das es um 400 Euro
Deckungsbeitrag verkaufen kann. Die variablen Kosten dafür betragen 180 Euro (ebenfalls eine
Annahme). Der Deckungsbeitrag beträgt dann 220 für dieses Rad, das sind 55 %
vom Verkaufspreis. Dieser Prozentsatz wird auch Deckungsquote genannt.

Kennt ein Unternehmen seine gesamten Fixkosten (angenommen, diese betragen 4 Millionen Euro)
und beträgt die Deckungsquote über alle Fahrradmodelle hinweg (ebenfalls angenommen) 55 %, dann
kann berechnet werden, wie hoch der Umsatz sein muss, damit das Unternehmen in die Gewinnzone
kommt (Break-even Umsatz oder Break-even Point):

Ein Beispiel zum 55 % der Verkaufspreise können zur Deckung der Fixkosten verwendet werden.
Break-Even Wenn nun die Fixkosten 4 Mio. betragen und diese mit 55 % gleichgesetzt
Point werden, dann betragen 100 %:
4 Mio. dividiert durch 55 und multipliziert mal 100 = 7.272.727,27.
Das bedeutet, das Unternehmen sollte zumindest knapp 7,3 Mio. Umsatz
machen, um zumindest alle Kosten zu decken. Bei höherem Umsatz kommt es in
die Gewinnzone und sichert damit seine Existenz.

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2.5 Marketing – kein Erfolg ohne Marktorientierung
Die Orientierung am Markt ist für ein Unternehmen in einer marktwirtschaftlich organisierten
Wirtschaft entscheidend. Wird „am Markt vorbei“ produziert und wird das Angebot des
Unternehmens nicht nachgefragt, kann es seine Kosten nicht decken, kommt in
Zahlungsschwierigkeiten und scheitert.

Was ist eigentlich Marketing?


Marketing ist daher – entgegen der landläufigen Vermutung, dass es sich
hauptsächlich um Werbung handelt – die systematische Orientierung des
gesamten Unternehmens, d.h. aller betrieblichen Bereiche, und seines Angebots
an den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden.

Für ein gelungenes Marketing ist es für ein Unternehmen wesentlich,

• herauszufinden, was (bestehende und mögliche zukünftige) Kundschaft braucht und sich
wünscht;
• das Angebot des Unternehmens entsprechend zu planen;
• dieses Angebot und den Nutzen des Angebots den Kundinnen und Kunden zu kommunizieren,
damit sie davon erfahren;
• die Preise so zu gestalten, dass Kundinnen und Kunden das Angebot nachfragen können und
wollen;
• zu organisieren, dass das Angebot am richtigen Ort zur richtigen Zeit zur Verfügung steht.

Marktorientierte Fragen
Ein Unternehmen orientiert sich bei seinem Angebot an den folgenden marktorientierten Fragen, für
die u.a. die Marktforschung die grundlegenden Informationen liefert.

Abb. 5: Marktorientierte Fragen

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Die Marketingmaßnahmen beziehen sich also auf die folgenden vier Bereiche:

• Was wird angeboten? Bereich Produkt- und Sortimentspolitik („PRODUCT“)


Marketingmaßnahmen beziehen sich einerseits auf den Umfang des Produktprogramms bzw.
des Sortiments, auf die Gestaltung der einzelnen Produkte und auf Zusatzleistungen. In der
Marketingsprache werden nicht nur Produkte, die man tatsächlich angreifen kann wie ein
Fahrrad oder ein Packerl Kristallzucker als „Produkt“ bezeichnet, sondern auch
Dienstleistungen, Organisationen, Kampagnen, Ideen, Personen und Orte können vermarktet
werden und gelten im Marketing als „Produkt“. Auch ein Dienstleistungsunternehmen wie ein
Fitnessstudio, eine Steuerberatungskanzlei oder ein Nachhilfeinstitut betreiben Marketing,
ebenso Hilfsorganisationen, Parteien, Initiativen, Städte, Regionen und Länder.
Rund um ein Produkt auch Dienstleistungen wie Beratung, Einschulung und laufende
Betreuung anzubieten bedeutet, dass das „Produkt im Sinne des Marketing“ sowohl das
Produkt selbst als auch die damit verbundenen Dienstleistungen umfasst.

• Zu welchem Preis wird angeboten? Preis- und Konditionenpolitik („PRICE“)


Marketingmaßnahmen beziehen sich aber auch auf die Höhe und die Gestaltung der Preise,
auf Rabatte, auf Aktionen und Sonderpreise, auf Liefer- und Zahlungsbedingungen. Bei vielen
Produkten reagiert die Kundschaft vorwiegend auf den Preis. Vor allem bei Lebensmitteln
greifen viele Käufer hauptsächlich zum günstigsten Angebot. Die Bereitschaft, für ein
hochwertiges Produkt mehr zu zahlen, ist häufig begrenzt.

• Wo wird angeboten? Distributionspolitik („PLACE“)


Marketingmaßnahmen beziehen sich außerdem auf die Organisation des Absatzes, die ein
Betrieb wählt, um seine Produkte zu seiner Kundschaft zu bringen (z.B. Verkauf im Groß-
und/oder Einzelhandel, Verkauf im Internet, eigene Filialen, Franchising, Verkauf durch
Handelsvertreter). Die Distribution ist entscheidend, denn auch ein richtiges Produkt am
falschen Ort kann dann nicht verkauft werden.

• Mit welcher Botschaft spreche ich wen an? Kommunikationspolitik („PROMOTION“)


Marketingmaßnahmen beziehen sich schließlich auch auf die Werbung, die Verkaufsförderung
und die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens. Werbung ist also nur ein kleiner Teilbereich
des gesamten Marketing eines Unternehmens.

Marktorientierung im gesamten Unternehmen


Das Marketing eines Unternehmens betrifft daher viele Unternehmensbereiche, von der Planung und
Entwicklung des Angebots, der Produktion bis hin zur Distribution und dem Verkauf. Manche
verstehen Marketing aber nicht nur als Managementprozess, sondern als Philosophie für das
gesamte Unternehmen, das sich in seinem Tun am Markt und am Unternehmensumfeld orientiert.

Ein Beispiel zur Ein Unternehmen muss sich selbstverständlich insbesondere an den
Marktorientierung Bedürfnissen und Wünschen der Kundinnen und Kunden orientieren. Werden
zum Beispiel Fahrräder erzeugt, die den Eltern und/oder den Kindern nicht
gefallen, die sich nicht gut fahren, zu teuer sind oder die man nur umständlich
erhalten kann, kann das Unternehmen seine Produkte nicht verkaufen. Sind die
Produkte zwar gut und erschwinglich, aber keiner kennt sie, weil man nirgends
auf diese Räder hingewiesen wird, wird ebenfalls wenig verkauft werden
können.

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Diese Maßnahmen sollten nicht nur fall- oder phasenweise eingesetzt werden, sondern laufend
systematisch aufeinander abgestimmt zum Einsatz kommen. Diese systematische Abstimmung ist
nicht immer einfach. Daten aus der Marktforschung tragen dazu bei, die richtigen Entscheidungen zu
treffen.

Ein Beispiel zur Ein hochwertiges Fahrrad hat einen hohen Preis, weil es in der Produktion
Abstimmung der teuer war und eine hohe Qualität aufweist. Auch haben vergleichbare
Marketingmaßnahmen Räder einen ähnlich hohen Preis. Ein hoher Preis wird von vielen Käufern
und Käuferinnen als Indikator für Qualität und Exklusivität interpretiert.
Ist das Rad jedoch zu teuer, werden mögliche Käuferinnen und Käufer
vielleicht doch ein anderes Rad kaufen. Ist es zu günstig, werden viele die
Qualität anzweifeln oder es nicht mehr für exklusiv halten. Produkt und
Preis müssen daher gut aufeinander abgestimmt werden – ebenso wie der
Ort, an dem das Produkt verfügbar ist, und die Botschaft, mit der es
vermarktet wird.

Bietet man es in vielen – auch nicht so spezialisierten Geschäften – zum Verkauf an, um möglichst viele
Kunden zu erreichen, gilt es ebenfalls nicht mehr als exklusiv. Wird es nur in ausgewählten
Fachgeschäften angeboten, kann es sein, dass insgesamt zu wenige Kaufinteressenten darauf
aufmerksam werden. Auch der Vertrieb über das Internet kann – ergänzend zu anderen
Vertriebswegen oder als einziger Vertriebsweg – überlegt werden, die Website muss aber laufend
aktualisiert werden und bedienungsfreundlich für die Kundschaft sein. Auch hier muss man darauf
achten, dass genug Kaufinteressenten auf die Website stoßen und das Angebot auch in Suchmaschinen
gefunden wird. Jedenfalls braucht man Werbung und andere verkaufsfördernde Maßnahmen, um
Käufer:innen auf die Räder aufmerksam zu machen und den Wunsch zu wecken, genau dieses Rad und
kein anderes zu kaufen.

Marketingziele und -konzept


Die Ziele des Marketings sind vielfältig. Gemeinsam ist den meisten Marketingmaßnahmen, dass sie
zum Ziel haben,

• die Zielgruppe zu erreichen, d.h. genau die Personen, die man mit seinem Angebot erreichen
und ansprechen will
• einen hohen Bekanntheitsgrad zu haben und positiv gesehen zu werden bzw. eine
Imagekorrektur vorzunehmen.

Weitere mögliche Marketingziele bestehen darin,

• bestehende Kundschaft zu halten und neue Kunden zu gewinnen


• damit den Anteil am Gesamtmarkt zu halten oder sogar zu erhöhen
• den Umsatz zu halten oder sogar zu steigern
• und damit zumindest die Kosten zu decken oder Gewinne zu erzielen.

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Was ist ein Marketingkonzept?
Ein umfassendes Marketingkonzept wird entwickelt, um die Marketingziele zu
erreichen. Es orientiert sich daher am Markt, legt genau formulierte Ziele fest und
koordiniert alle Maßnahmen im Unternehmen, die der Marktorientierung
dienen, insbesondere Product, Price, Place und Promotion. Ein solches Konzept
sollte zu Kundenzufriedenheit führen, die die Voraussetzung für
Unternehmenserfolg ist.

Abb. 6: Marketingkonzept

Markt und Marktkennzahlen


Wie bereits erwähnt, ist der Markt für die Ausrichtung der Marketingmaßnahmen wesentlich.
Während der Markt im Allgemeinen das Zusammentreffen von Angebot von und Nachfrage nach
einem bestimmten Gut bezeichnet, bedeutet Markt im Marketing die Summe der Personen
und/oder Unternehmen, die ein Bedürfnis haben, das mit dem angebotenen Produkt erfüllt
werden kann.

Der Markt kann durch verschiedene Kennzahlen beschrieben werden. Besonders bedeutend sind das
Marktpotenzial, das Marktvolumen und der Marktanteil eines Unternehmens:

Was versteht man unter Marktpotenzial und Marktvolumen?


Das Marktpotenzial ist die maximal mögliche Absatzmenge eines Produktes. Das
Marktpotenzial macht daher deutlich, wie groß ein Markt wäre, wenn alle
Personen und/oder Unternehmen, die ein Bedürfnis haben, das mit dem Produkt
erfüllt werden könnte, tatsächlich dieses Produkt kaufen würden. Das
Marktvolumen ist die tatsächlich verkaufte Menge des Produkts.

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Ist das Marktvolumen nahe am Marktpotenzial, dann bedeutet das, dass der Markt beinahe gesättigt
ist (und kaum mehr verkauft werden könnte). Häufig wird versucht, gesättigte Märkte durch
veränderte Produkte oder durch das Ansprechen neuer Käuferschichten wieder zu ungesättigten
Märkten zu machen (z.B. neue Modelle mit neuen Funktionen).

Was versteht man unter Verkaufspotenzial und Verkaufsvolumen eines


Unternehmens?
Als Verkaufs- oder Absatzpotenzial eines Unternehmens für ein Produkt oder eine
Produktgruppe bezeichnet man jene Absatzmenge, die das Unternehmen im
besten Fall erreichen kann oder zu erreichen hofft. Das Absatzpotenzial der
woom GmbH ist jene Absatzmenge von Fahrrädern, die es im Idealfall verkaufen
kann. Das Verkaufs- oder Absatzvolumen ist der Absatz eines Unternehmens für
ein bestimmtes Produkt oder eine Produktgruppe.

Der Marktanteil eines Unternehmens für ein Produkt kann mengen- oder wertmäßig ermittelt werden.
Der absolute Marktanteil gibt den Anteil des Unternehmensumsatzes am Marktvolumen an, der
relative Marktanteil setzt den Unternehmensumsatz in Beziehung zum Umsatz des größten
Mitbewerbers. Ein relativer Marktanteil größer als eins zeigt daher an, dass das Unternehmen der
Marktführer ist.

Tab. 5: Absoluter und relativer Marktanteil

absoluter Marktanteil in Prozent relativer Marktanteil


Unternehmensumsatz × 100 Unternehmensumsatz_____
Marktvolumen Umsatz des größten Mitbewerbers

Abb. 7: Marktkennzahlen

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Formen der Marktbearbeitung
Bedürfnisse und Kaufverhalten der verschiedenen Käufergruppen sind sehr unterschiedlich. Es ist
daher meist nicht sinnvoll, Produkte für den Gesamtmarkt zu entwickeln und für jedes Produkt auf
allen Märkten Marketing zu betreiben. Der Markt wird daher in Käufergruppen (Zielgruppen) aufgeteilt
(„segmentiert“). Jede Gruppe umfasst Personen mit Gemeinsamkeiten bei bestimmten Merkmalen
(zum Beispiel Alter, Einkommen, Konsumgewohnheiten). Dadurch kann man die Produktentwicklung,
die Preise, die Absatzwege und die Werbung gezielter ausrichten. Zielgruppe(n) sind nicht nur die
Personen, die Produkte nachfragen und kaufen, sondern auch jene, die die Kaufentscheidung
beeinflussen, oder jene, die zwar nicht kaufen, aber das Produkt dann nutzen.

Abb. 8: Mögliche Zielgruppen für die Marketingaktivitäten

Das zielgruppenorientierte Marketing erfolgt in drei Phasen:

1. In der ersten Phase wird der Markt segmentiert.


2. In der zweiten Phase wird festgelegt, welche Marktsegmente bearbeitet werden sollen.
3. In der dritten Phase positioniert das Unternehmen sein Angebot auf diesem Zielmarkt.

Abb. 9: Phasen der Marktsegmentierung

Marktpositionierung

Die Positionierung des Produkts auf dem Markt beschreibt, wie das Produkt in Hinblick auf wichtige
Eigenschaften von den Konsumenten und Konsumentinnen gesehen wird bzw. gesehen werden soll.
Das Produkt soll sich deutlich und unverwechselbar von der Konkurrenz abheben und für die
Zielgruppe besonders wünschenswert sein: Das Produkt soll eine Unique Selling Proposition (USP)
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erlangen. Für die woom GmbH ist die USP „besonders kindertaugliche hochqualitative Fahrräder, die
lange halten“.

Der Marketing Mix

Produktpolitik

Bei der Produktpolitik muss bedacht werden, dass das Produkt für den Kunden einen Nutzen haben
muss, dass Produkte einem Lebenszyklus unterliegen und dass die produktpolitischen Maßnahmen
daher den Kundennutzen im Blick haben und die Produktlebenszyklusphase berücksichtigen sollten.

Das Produkt muss für die Kundschaft einen Nutzen haben

Wer etwas kauft, erwartet sich, dass das Gekaufte einen Nutzen haben wird. Ein Notebook zum
Beispiel hat für den Käufer den Nutzen, dass er darauf Computerprogramme installieren kann und mit
diesen Programmen arbeiten kann. Darüber hinaus könnte der Nutzen aber auch darin liegen, dass
man damit ortsunabhängig arbeiten kann, dass es leicht ist und schön ausschaut. Welchen Nutzen das
Produkt für Käufer haben kann, muss bei der Produktentwicklung und später auch bei der Vermarktung
genau überlegt werden. Beim Nutzen unterscheidet man zwischen Grund- und Zusatznutzen.

Tab. 6: Grund- und Zusatznutzen eines Produkts

Grundnutzen des Produkts Primärer Zweck des Produkts, z.B. beim Fahrrad das Fahren
Zusatznutzen: Über den Grundnutzen hinausgehender Nutzen:
1) Geltungsnutzen 1) Prestige, sich ein bestimmtes Rad leisten zu können
2) Erlebnisnutzen 2) Es macht Spaß damit zu fahren / Es ist ein besonders
sicheres Rad.

Produkte haben einen Lebenszyklus


Viele Produkte gibt es nur eine Zeit lang auf dem Markt, dann werden sie – früher oder später – durch
neue Produkte ersetzt. Wie lange die „Lebensdauer“ eines Produkts ist, ist allerdings von vielen
Faktoren abhängig, zum Beispiel von den Änderungen des Verbraucherverhaltens (ändern sich die
Präferenzen der Käufer?), vom technischen Fortschritt, von gesetzlichen Bestimmungen und von der
Intensität des Wettbewerbs. Idealtypisch hat der Produktlebenszyklus das folgende Aussehen:

Abb. 10: Produktlebenszyklus

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Mit der Einführungsphase wird das neue Produkt auf dem Markt mit verschiedenen
Werbemaßnahmen eingeführt. Wenn es Erfolg hat und nachgefragt wird, steigen die Umsätze langsam
an. Da die Kosten für die Produktentwicklung und den Werbeaufwand für die Produkteinführung hoch
sind, wird erst gegen Ende der Einführungsphase Gewinn erzielt. Hat das Produkt in dieser Phase
keinen Erfolg, wird es – eher früher als später – wieder vom Markt verschwinden.

Ist das Produkt jedoch erfolgreich, kommt es in die Wachstumsphase. Nun steigen die Umsätze kräftig
an und mit ihnen auch die Gewinne. Allerdings wird nun auch die Konkurrenz vermehrt auf das Produkt
aufmerksam. Es ist wahrscheinlich, dass es nun Nachahmer auf dem Markt gibt. Die Preisgestaltung ist
nun entscheidend, um die Marktposition auszubauen.

An die Wachstumsphase schließt die Reifephase an, in der der Umsatz sein Maximum erreicht. Die
Gewinne sinken allerdings schon wieder, weil wegen der zunehmenden Konkurrenz immer mehr
Aufwand für Werbung und andere verkaufsfördernde Maßnahmen (Rabatte und Promotions) anfällt.

In der Sättigungsphase fallen sowohl Umsatz als auch Gewinne, der Markt beginnt zu schrumpfen.
Daher muss schon zu Beginn der Sättigungsphase klar sein, wie man mit dem Produkt weiter umgehen
will, bevor es in die Degenerationsphase kommt, in der es nur noch hohe Kosten verursacht. Es muss
daher bereits davor klar sein, ob man das Produkt aus dem Angebot ausscheidet oder ob man mit einer
Produktveränderung einen Neustart (Relaunch) versucht.

Ein Unternehmen kann verschiedene produktpolitische Maßnahmen ergreifen:

1. Verschiedene Formen der Produktinnovation, bei der ein neues Produkt die bestehenden
Produkte ergänzt und dadurch das Sortiment tiefer (Produktdifferenzierung) oder breiter
(Produktdiversifikation) wird. Bietet die woom GmbH zum Beispiel zusätzlich zu den bereits
bestehenden Rädern noch weitere Modelle von Rädern an, vertieft sie ihr Radsortiment und
betreibt Produktdifferenzierung. Entscheidet sich die woom GmbH eines Tages dafür, neben
Rädern auch Sportausrüstung (Kleidung, Regenschutz, etc.) und Fitnessgeräte anzubieten,
würde sie das Sortiment verbreitern. Dies wäre dann Produktdiversifikation.

2. Produktvariation, bei der ein bestehendes Produkt verändert wird. Bei der Produktvariation
wird nur noch die veränderte neue Version angeboten, die vorhergehende Version nicht mehr.

3. Produktelimination, bei der ein Produkt, das nicht mehr erfolgreich ist, vom Markt genommen
wird.

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Abb. 11: Produktpolitische Maßnahmen

Die produktpolitischen Maßnahmen dienen dazu, den Produktlebenszyklus möglichst optimal zu


gestalten und den Erfolg eines Produkts entsprechend zu verlängern. Schon beim Einstieg ist zu
überlegen, ob man es wagen kann, als erster mit höherem unternehmerischem Risiko
(„Markteröffnungskosten“ wie etwa die anfallenden Entwicklungs- und Kommunikationskosten) in den
Markt zu gehen oder ob man eher zuwartet, wie sich der Markt entwickelt und dann mit einem
ähnlichen Produkt nachzieht.

Preispolitik

Konkurrieren auf dem Markt viele Produkte und Dienstleistungen, deren Nutzen für die
Abnehmer:innen etwa gleich ist, spielt die Preispolitik eine entscheidende Rolle. Günstige Preise sind
für viele Käufer:innen relevant z.B. bei Lebensmitteln, Alltagskleidung, Flugreisen oder Handytarifen.
Ist die USP eines Produkts aber gut etabliert und sein Image entsprechend, sind Käufer:innen auch oft
bereit, höhere Preise zu bezahlen. Preispolitik ist daher zwischen „Hochpreispolitik“ und
„Niedrigpreispolitik“ oder „Diskontpreispolitik“ angesiedelt. Zusätzlich sind die Zahlungskonditionen
wichtig.

In der Praxis sind es vor allem drei Faktoren, die für die Festsetzung des Preises bedeutend sind:

1. Wie hoch sind die Kosten des Produkts? Können sie mit dem Preis zumindest gedeckt werden?
2. Wie hoch ist der Preis für ein vergleichbares Konkurrenzprodukt?
3. Wie viel sind die Kunden bereit für das Produkt zu zahlen?

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Abb. 12: Wesentliche Faktoren für die Preisfestsetzung

Einen höheren Preis zu verlangen als die Kundschaft zahlen kann oder will, ist wenig sinnvoll.
Grundsätzlich ist bei hohen Preisen die Nachfrage normalerweise niedrig und bei niedrigen Preisen
hoch. In der Regel bedeutet eine hohe Nachfrage, dass die Preise (etwas) erhöht werden können. Sinkt
die Nachfrage, so werden häufig auch die Preise wieder gesenkt.

Verkäufermarkt und Käufermarkt

Übersteigt die Nachfrage das Angebot, spricht man von einem „Verkäufermarkt“. Hier haben es die
Verkäufer:innen leichter als die Käufer:innen, den Preis zu beeinflussen. Die Preise werden daher eher
hoch sein oder tendenziell steigen. Als Käufer:in hat man vergleichsweise wenig Verhandlungsmacht
und Gestaltungsspielräume.

Langfristig führt ein Verkäufermarkt oft dazu, dass mehrere Unternehmen das gewünschte Gut
produzieren, das Angebot dadurch steigt und die Preise wieder fallen. Falls das Angebot dann die
Nachfrage übersteigt, entsteht ein Käufermarkt.

In einem Käufermarkt können die Käufer:innen die Preise beeinflussen und verfügen über mehr
Verhandlungsmacht. Langfristig werden die Preise so lange fallen, bis einige Anbieter:innen um diesen
Preis nicht mehr verkaufen. Das Angebot wird zurückgehen und die Preise werden wieder steigen.

Nicht immer sind die Reaktionen der Kundschaft auf Preisänderungen ganz rational. Zu berücksichtigen
sind hier etwa

• der Snob-Effekt (es wird teuer gekauft, um zu zeigen, dass man es sich leisten kann),
• der Mitläufer-Effekt (es wird teuer gekauft, weil es andere auch tun) und
• der Qualitätseffekt (man vermutet, dass teure Produkte besser sind als billigere, also kauft
man das teurere).

Distributionspolitik
Die Distributionspolitik versucht zwei wesentliche Fragen zu beantworten, nämlich

• wie das Produkt zum Kunden kommt, d.h. wie der „Absatzweg” gestaltet werden soll, und
• welcher Transportweg gewählt werden soll.
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Der Absatz an die Kundschaft kann direkt oder indirekt erfolgen:

Beim direkten Absatz wird vom produzierenden Unternehmen direkt an den Endabnehmer verkauft.
Bestellt man direkt beim Produzenten, der die Bestellung aus seiner Zentrale oder auch aus einer
eigenen Niederlassung erfüllt, handelt es sich um einen direkten Absatzweg.

Beim indirekten Absatz sind auf dem Absatzweg zwischen Produzenten und Endabnehmer ein oder
mehr Handelsbetriebe dazwischengeschaltet. Dazu zählen zum Beispiel die Großhändler, die an andere
Händler weiterverkaufen, und die Einzelhändler, die dann an den Letztverbraucher verkaufen.

Ein besonderer Absatzweg ist das Franchising, bei dem ein Unternehmen, der Franchisegeber, einem
anderen Unternehmen, dem Franchisenehmer, gegen Bezahlung einer Franchisegebühr (meist
Fixbetrag plus Umsatzbeteiligung), seinen Markennamen, seine Produkte und sein gesamtes
„Marketing- Know-how“ (Geschäftsgestaltung, Werbung, Internetauftritt, etc.) zur Verfügung stellt.
Der Franchisenehmer ist wirtschaftlich und rechtlich selbständig, ist jedoch an das übernommene
Marketingkonzept und Geschäftsmodell des Franchisegebers im vereinbarten Ausmaß gebunden.

Kommunikationspolitik
Zur Kommunikationspolitik gehört in erster Linie die Werbung, wie man sie ganz klassisch in den
folgenden Formen kennt:

Tab. 7: Wesentliche klassische Werbemittel und Werbeträger

Werbemittel Werbeträger
Anzeigen (Inserate) Tages- und Wochenzeitschriften, Illustrierte,
Fachzeitschriften, Veranstaltungsprogramme, etc.
TV-Spots, Radiospots Fernsehen, Hörfunk
Werbefilme Kinos, Theater, Veranstaltungen etc.
Plakate, Werbetafeln Plakatwände, Litfaßsäulen, öffentliche
Verkehrseinrichtungen, Sportplätze etc.
Werbebriefe, Flugblätter, Prospekte, Post, gewerbsmäßige Verteiler, bei Veranstaltungen, als
Kataloge Zeitungsbeilage etc.
Mitteilungen, Blogs, Foren, Banner, Social Media wie Facebook, Instagram, Twitter, YouTube,
Websites etc. etc.

Zur Kommunikationspolitik gehören neben verschiedenen Formen der Werbung auch

• der gesamte Auftritt des Unternehmens im Internet mit eigener Website und in sozialen
Netzwerken,
• die Verkaufsförderung durch bestimmte Aktionen und
• das Verhalten der Verkäufer/innen („Personal Selling“).
• Schließlich bezieht sich die Kommunikationspolitik auch nicht nur auf die Produkte, sondern
oft auf das ganze Unternehmen, etwa im Bereich „Public Relations“. PR-Aktivitäten umfassen
das Abhalten von Pressekonferenzen, Presseaussendungen und die gezielte Information von
bestimmten Zielgruppen, z.B. Investoren („Investors Relations“) sowie das Sponsoring.

Für Werbung und PR hat Social-Media-Marketing enorm an Bedeutung gewonnen:


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Was ist Social-Media-Marketing?
Social-Media-Marketing (SMM) bezeichnet Marketingaktivitäten, in der Regel
Werbung und PR, eines Unternehmens in sozialen Medien wie z.B. Facebook und
X (ehemals Twitter). Die Öffentlichkeitsarbeit mittels Social Media wird Social
Media Relations genannt. Soziale Medien haben in den letzten Jahren enorm an
Bedeutung gewonnen, die Nutzerzahlen sind um ein Vielfaches gestiegen.

Unternehmen können über soziale Medien daher mit einer Vielzahl von (potenziellen) Kunden und
Kundinnen rasch und direkt Kontakt aufnehmen, ihre Produkte vorstellen, ihre Botschaften
kommunizieren und positive Stimmung für sich und ihre Produkte machen.

Ebenso hat das Event Marketing an Bedeutung gewonnen. Event Marketing umfasst
„erlebnisorientierte Veranstaltungen, die einen starken Aktivierungsprozess“ beim Kunden auslösen
sollen. Sie sollen die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Unternehmen, eine bestimmte
Produktgruppe oder ein bestimmtes Ereignis richten, jegliche Art von Veranstaltungen, z.B.
Modeschauen, Messeveranstaltungen, Ausstellungs- und Geschäftseröffnungen, Kultur- und
Sportveranstaltungen.

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3 Abschließende Bemerkungen und verwendete
Quellen
In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurden die Fragen beleuchtet, was Wirtschaften ausmacht,
warum wir alle wirtschaften und was Wirtschaften für Unternehmen im Besonderen bedeutet. Dabei
wurden bestimmte Themenbereiche in den Fokus gerückt: das Wesen von Unternehmen und die
Vielfalt von Unternehmen, ihre möglichen Rechtsformen, ihre Finanzierungsmöglichkeiten,
wesentliche Teile des Rechnungswesens und das Marketing. Es gibt aber viele weitere wichtige und
sehr interessante Themenbereiche, die für das Verstehen von Unternehmen und für den Erfolg von
Unternehmen von größter Bedeutung sind, beispielsweise die Beschaffung und Lagerung, die
Investitionsrechnung als eine Grundlage für Investitionsentscheidungen und das gesamte
Personalmanagement.

Die folgenden Quellen wurden für das Verfassen dieser Unterlage herangezogen. Sie können auch als
Nachschlagewerke und zum Vertiefen von Themen herangezogen werden, die in dieser
Lernunterlage nur gestreift oder nicht behandelt worden sind. Das Wirtschaftsstudium und die
weitere Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen möge viel Freude bereiten!

Fuhrmann, Bettina (2019): Introduction to Business and Economics. Westermann – Jugend&Volk


Verlag, 2019.

Hall, Dave / Jones, Rob / Raffo, Carlo / Anderton, Alain (2010): Business Studies. Pearson Education.

Kreuzer, Christian (2019): BWL Kompakt. Linde Verlag.

Lechner, Karl / Egger, Anton / Schauer, Reinbert (2016): Einführung in die Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre. Linde Verlag.

Samuelson, Paul A. / Nordhaus, William D. (2017): Volkswirtschaftslehre. FinanzBuch Verlag.

Schneider, Wilfried / Schneider, Dieter (2019): Einführung in die Systeme des Rechnungswesens.
Facultas.

Sowell, Thomas (2015): Basic Economics. A Common Sense Guide to the Economy. Basic Books.

Thommen, Jean-Paul / Achleitner, Ann-Kristin (2023): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.


Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Gabler Verlag.

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