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Alltagsdeutsch

Manuskript und Wortschatz

Wie das Rauchen mit uns Jo-Jo spielt

Rauchen ist ein Lebensgefühl, aber auch eine Sucht, die krank macht und tödlich
sein kann. Wer aufhören will, braucht einen starken Willen. Denn Körper und
Psyche sind starke Gegner.

Allein in Deutschland sterben jährlich mehr als 120.000 Menschen an den Folgen des
Rauchens: an koronaren Herzerkrankungen, Verengungen der großen Adern, die das
Herz mit Sauerstoff versorgen und zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen, an
Erkrankungen der Atemwege und Lunge oder an Krebs. Zwar geht die Zahl der
Rauchenden in Deutschland seit Jahren kontinuierlich leicht zurück, liegt aber mit rund
zwölf Millionen immer noch im zweistelligen Millionenbereich. Statistisch betrachtet
greifen Männer häufiger zum Glimmstängel als Frauen. Einige, weil sie gern rauchen,
es einfach zum Lebensgefühl dazu gehört, andere, weil sie nicht anders können. Denn
Nikotin macht süchtig – und das macht es nicht leicht, mit dem Qualmen aufzuhören.
Dabei, so sagt Suchtmediziner Tobias Rüther vom Klinikum der Münchner Ludwig-
Maximilians-Universität, tut man seinem Körper damit etwas Gutes:

„Nach acht Stunden hat man eine deutlich bessere Sauerstoffversorgung. Nach ein bis
zwei Tagen riechen und schmecken Sie besser – oder auch schlechter. Sie nehmen
andere Gerüche wahr, die Sie vorher vielleicht nicht so wahrgenommen haben. Nach
zwei Wochen ist schon deutlich die Lungenfunktion verbessert. Sie merken, wenn Sie
Sport treiben, dass Sie ein bisschen mehr Power haben.“

Körperlich leistungsfähiger werden, mehr Power haben, gehört für den Mediziner zu
den ersten spürbaren körperlichen Auswirkungen eines Rauchstopps. Allerdings muss
man sich auch darauf einstellen, mindestens einen Monat lang sehr viel zu husten. Das
hat einen einfachen Grund, sagt Tobias Rüther:

„Weil die Lunge anfängt, sich zu reinigen. Wenn Sie rauchen, dann ist eine der vielen
Reinigungsfunktionen der Lunge fast gelähmt. Und sobald Sie aufhören zu rauchen,
fängt die Lunge an, Frühjahrsputz zu machen.“

So, wie viele Menschen in Deutschland nach dem Winter Frühjahrsputz machen – also
etwa ihre Fenster putzen, Staub wischen, Schränke von innen und außen reinigen –
macht es auch die Lunge. Sie befreit sich durch starkes Husten von Fremdkörpern und

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schädlichen Stoffen des Tabaks. Diese körperliche Reaktion ist nicht mit dem
sogenannten Raucherhusten gleichzusetzen, der erstes Anzeichen für eine chronische
Lungenentzündung ist. Ex-Raucherinnen und -Raucher stellen laut dem
Suchtmediziner nach drei Monaten noch eine weitere Verbesserung fest: Sie schlafen
besser als vorher. Rauchende leiden nämlich nachts unter Entzugserscheinungen, die
sich in einem unruhigen Schlaf äußern. Fachleute sprechen von der ‚Arousal‘-
Reaktion. Die Folgen sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit am Tag, der Rauchende
damit begegnen, dass sie wieder zur Zigarette greifen. Das darin enthaltene Nikotin
wirkt anregend und löst die Ausschüttung von Dopamin aus. Daher unterliegen alle
diejenigen einer Illusion, die meinen, in emotional aufwühlenden Situationen helfe
eine Zigarette zur Beruhigung. Auch ein weiterer Faktor ist nicht außer Acht zu lassen,
meint Suchtmediziner Tobias Rüther:

„Bei Tabakabhängigkeit ist die psychische Abhängigkeit 50 Prozent der Miete. Sie tun
20 Mal am Tag etwas zu bestimmten Situationen. Und das ist dann wie der
Pawlowsche Hund: Wenn sie zum Beispiel immer, wenn Sie Kaffee trinken, rauchen,
hat das Gehirn nach 20 Jahren kapiert: Zum Kaffee gehört Rauchen. Wenn Sie dann
einen Kaffee trinken, sagt das Gehirn: ‚Moment, da fehlt was‘.“

Gewohnheiten sind die halbe Miete, sind zur Hälfte für etwas mitverantwortlich. Beim
Rauchen verhält es sich, so Rüther, wie bei den Experimenten des russischen Forschers
Iwan Pawlow. Dieser konditionierte das Verhalten von Hunden: Zu Beginn der
Experimente erklang ein Glockenton, dann bekam das Tier etwas zu fressen. Am
Schluss reichte allein der Ton aus, dass der Hund Speichel produzierte, weil er mit
neuer Nahrung rechnete. Das Gehirn hatte die Verbindung verstanden, kapiert. Bei
Rauchenden klingelt diese Glocke permanent. Neben diesen körperlichen und
psychischen Abhängigkeiten spielt auch das Alter eine Rolle, in dem jemand mit dem
Rauchen begonnen hat, so Rüther:

„Die meisten Raucher haben zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr angefangen – wenn
das Hirn reift. Und wenn Sie im reifenden Gehirn rauchen, haben Sie eine lebenslange
Abhängigkeit. Sie tun sich viel, viel schwerer und können meistens nicht ohne
medikamentöse Unterstützung und ohne einen Coach aufhören.“

Eigentlich setzt der giftige Qualm dem Körper schon ab der ersten Kippe zu. Raucht
jemand schon als Jugendlicher, fällt es ihm nicht leicht, dem Rauchen abzuschwören,

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er tut sich schwerer damit. Denn das Gehirn ist noch nicht ausgereift. Deswegen wird
die Sucht tiefer verankert. Je später also jemand beginnt, umso besser. Spätestens ab
50 würden Raucherinnen und Raucher die Folgen spüren, sagt Rüther. Es sei denn,
man hat rechtzeitig aufgehört:

„Nach einem Jahr haben Sie ein Risiko für Herzinfarkt oder koronare Herzkrankheiten
gegenüber von Rauchern von 50 Prozent reduziert. Nach fünf Jahren haben Sie ein
Schlaganfallrisiko fast wie ein Nichtraucher. Und nach 15 Jahren haben Sie eigentlich
fast alle Risiken relativ dezimiert. Also es gibt eigentlich kaum eine Pille, die so einen
gesundheitlichen Vorteil hat für den Körper wie ein Rauchstopp.“

Fast alle Risiken des Rauchens, selbst das, an Lungenkrebs zu erkranken, dezimieren,
verringern sich also. Bleibt noch die generelle Frage, die jede Raucherin, jeden Raucher
umtreibt: Was tun, wenn ich rückfällig werde? Tobias Rüther meint:
entkatastrophisieren. Der Rückfall gehört dazu. Entsprechend reagiert er, wenn
jemand zu ihm kommt und sagt:

„‚Ich hab’s schon fünfmal probiert, ich schaff’s einfach nicht‘, dann sage ich: ‚Wow, es
scheint Ihnen sehr wichtig zu sein! Toll, dass Sie es fünfmal probiert haben‘. Rauchen
aufhören ist wie Radfahren lernen als Kind.“

Da fällt man auch mehrfach hin, steigt aber wieder auf, bis man’s kann. Rückfällig
werde man, so Rüther, erst ab der zweiten Zigarette. Eine wäre ein Ausrutscher. Bei
einer Rauchentwöhnung sollte man im Hinterkopf behalten, dass der Körper sich
erst mal umstellen muss. Ein Anzeichen sind Heißhungerattacken. Außerdem haben
Rauchende einen höheren Blutzuckerspiegel, der sich erst mal regulieren muss. Und
nicht zuletzt verbraucht man beim Rauchen Energie; fällt das weg, ist die
Gewichtszunahme vorprogrammiert. Wer den festen Willen hat, mit dem Rauchen
komplett aufzuhören, sollte sich, so Tobias Rüther, ein Ziel vorstellen:

„[Das ist], wie wenn ein 1000-Meter-Läufer läuft, dann stellt er sich ja das vor, wie er
auf diesem Treppchen sitzt. Und mit Zielen können wir Menschen super arbeiten – mit
positiven Zielen.“

Das kann beispielsweise eine Mutter sein, die von ihrem besorgten Sohn zu hören
bekommen hat: „Mama, vom Rauchen stirbst du!“ und will, dass sie länger für ihn da

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ist. Es kann aber auch der Rauchende selbst sein, der stolz auf sich selbst ist, dem Jo-
Jo-Effekt widerstanden und es aus eigener Kraft endgültig geschafft zu haben.

Autor/Autorin: Julia Vergin, Beatrice Warken

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Glossar

koronar – so, dass etwas zu den Blutgefäßen gehört, die den Herzmuskel versorgen

Herzinfarkt, -e (m.) – ein lebensbedrohliches Ereignis, ausgelöst durch eine nicht


mehr vorhandene Sauerstoffversorgung des Herzmuskels

Schlaganfall, -anfälle (m.) – eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung im


Gehirn

Glimmstängel, - (m.) – umgangssprachlich für: die Zigarette

qualmen – umgangssprachlich für: rauchen

Arousal (f., aus dem Englischen) – ein Zustand des Gehirns von Wachheit, Erregung;
(beim Schlaf) eine Weckreaktion

Dopamin, -e (n.) – ein Botenstoff im Gehirn, der angenehme Gefühle auslöst

jemanden konditionieren – hier: bei jemandem eine bestimmte Reaktion auslösen


bzw. eine Verhaltensänderung bewirken (durch einen Reiz bzw. durch
Belohnung/Bestrafung)

Speichel (m.) – die Flüssigkeit, die im Mund produziert wird

Kippe, -n (f.) – umgangssprachlich für: Zigarette

jemanden um|treiben – jemanden keine Ruhe lassen, jemanden stark beschäftigen

etwas entkatastrophisieren – (in der Psychologie) dafür sorgen, dass negative


Dinge/Erfahrungen als nicht so schlimm wahrgenommen werden

Ausrutscher, - (m.) – hier umgangssprachlich für: eine negative Handlung, die einmal
passiert ist

etwas im Hinterkopf behalten – etwas nicht vergessen

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Heißhungerattacke, -n (f.) – das dringende Bedürfnis, unbedingt etwas essen zu


wollen

Blutzuckerspiegel, - (m.) – das Maß dafür, wie viel Energie noch im Körper ist, um
eine Leistung zu erbringen

Jo-Jo-Effekt (m.) – hier: das Verhalten, mehrfach mit dem Rauchen aufzuhören und
dann wieder anzufangen; (Jo-Jo: ein Spielzeug mit zwei Scheiben und einer Schnur,
welches sich auf- und abwärts bewegt)

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