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Alltagsdeutsch

Manuskript und Wortschatz

Klettern in der Sächsischen Schweiz

Es ist sehr beliebt: das Elbsandsteingebirge in Sachsen. Seinen Namen


„Sächsische Schweiz“ soll es zwei Schweizer Künstlern verdanken. Besucher
sollten keine Höhenangst haben und auch mal wie ein Affe klettern können.

Es ist das reinste Kletterparadies – das Elbsandsteingebirge. Es erstreckt sich von


Sachsen in Ostdeutschland bis nach Böhmen in Tschechien. Wer will, kann auf mehr
als 1100 verschiedene Gipfel klettern oder zwischen ungewöhnlich geformten Steinen
durch fast unberührte Landschaften wandern und unterm Sternenhimmel
übernachten. Das Gebiet im Osten Deutschlands, die sogenannte Sächsische Schweiz,
gilt als eines der ältesten Klettergebiete der Erde. Den Namen soll das Gebirge von
zwei Schweizer Künstlern haben, die sich an das Schweizer Jura erinnert fühlten.
Hobby-Kletterer Thorsten macht sich mit einer Begleiterin auf den Weg. Thorsten
kennt das Gebiet seit seiner Kindheit und erzählt, wie es damals war, als er mit seinem
Großvater unterwegs war in den Schrammsteinen, einer Felskette in der Sächsischen
Schweiz:

„Also ich weiß noch, als ich mit meinem Großvater, der hier früher auch viel geklettert
ist – noch vorm Zweiten Weltkrieg –, unterwegs war in den Schrammsteinen – vier, fünf
Jahre werd’ ich alt gewesen sein, das weiß ich nicht mehr genau –, und da hat er mir
erst mal den Falkenstein gezeigt, diesen Koloss. Und hat mir erzählt, dass dort die
sächsische Klettergeschichte begonnen hätte, 1874, und ich konnt’ mir überhaupt
nicht vorstellen, dass man da als Mensch hochkommt – als Affe vielleicht. Also das war
für mich völlig unvorstellbar.“

Für den „kleinen“ Thorsten war es unvorstellbar, dass man auf einen Berg wie den
Falkenstein hochklettern kann – es sei denn man wäre ein Affe. Der Falkenstein ist
nämlich 381 Meter hoch. Ein Koloss, ein Riese. Thorstens Opa erzählte, dass die
Geschichte des freien Kletterns in der Sächsischen Schweiz – die, wie er sagt,
sächsische Klettergeschichte – 1874 begann. Damals bestiegen nämlich zwei Turner
ohne irgendwelche Hilfsmittel den Gipfel des „Mönch“. Im Elbsandsteingebirge hat
jeder Felsen einen eigenen Namen, zum Beispiel Bastei, Quirl, Lilienstein, Pfaffenstein,
Affenstein, Großer Winterberg, Kuhstall. Thorsten und seine Begleiterin erreichen den
„Bloßstock“ – ein gewaltiger Felsen, so steil wie eine Wand. Wenn man genauer
hinschaut, erkennt man einige Metallhaken, die aus dem gelblich bis braunen Stein

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herausragen. Am Fuße des Felsens liegt jede Menge Sand. Vor vielen Jahren waren
diese Körnchen noch Bestandteil des Felsens. Der Regen hat sie aber ausgewaschen.
Auf der rechten Seite des Kletterfelsens führt eine Holztreppe weiter nach oben. Es
folgen Stufen aus Stein, rund und ausgetreten. Insgesamt 516 Stufen ist die
sogenannte „Häntzschelstiege“ lang. Thorsten will sie ohne Sicherung hochklettern.
Ungeübte sollten sich aber mit einem Klettersteigset sichern:

„Also, es ist eigentlich schon zu empfehlen. Deswegen hab ich dir – man sagt ja unter
Kletterern „du“ hier – auch so ‘n Gurt und so ‘n Set mitgebracht.“

Zu dem Set gehören ein Helm, ein Klettergurt und elastische Bänder mit sogenannten
Karabinerhaken. Diese müssen in ein Stahlseil am Felsen eingehängt werden, das zur
Sicherung dient. Thorsten erzählt, wie die „Häntzschelstiege“ zu ihrem Namen kam. Sie
wurde in den 1960er Jahren von Rudolf Häntzschel angelegt:

„Auch wenn das damals schon Landschaftsschutzgebiet war hier und man eigentlich
tunlichst nichts an den Felsen und der Landschaft verändern sollte: Der alte
Häntzschel, obwohl er ‘n Behindertenausweis hatte und Teilinvalide war, hat ja in
mühevoller Kleinarbeit auf irgendwelchen Schrottplätzen in der Umgebung Leitern
zusammengesammelt, Stahlseile, Eisenstifte, alte Balken und Bohlen von der
Eisenbahn, hat sich das dann immer von irgendwelchen Kumpels hierherfahren und
hochtragen lassen und hat dann eigentlich illegal diesen Weg durch diese Schlucht
ausbauen lassen als ‘ne Steiganlage. Das hat sich so schnell rumgesprochen und war
dann so beliebt, dass sich eigentlich niemand mehr getraut hat, das Ding wieder
abzureißen.“

Rudolf Häntzschel hatte eine körperliche Behinderung. Das wurde amtlich bestätigt. Er
besaß einen Schwerbehindertenausweis, weil er Teilinvalide war. Häntzschel sammelte
alles, was er für den Klettersteig brauchte, in mühevoller Kleinarbeit zusammen– egal
ob es sich etwa um besondere Nägel, Eisenstifte, handelte oder sehr dicke Bretter,
Bohlen. Häntzschels Freunde, umgangssprachlich seine Kumpels, brachten die Sachen
dann zum „Bloßstock“. Zehn Jahre brauchte er, um die Stiege fertigzustellen. 1998
sollte sie gesperrt werden, weil sie nicht mehr sicher war. Nach massiven Protesten
wurde sie jedoch komplett saniert. Die „Häntzschelstiege“ gehört zu den beliebtesten
Herausforderungen der Bergsteiger. Wer nicht schwindelfrei ist, kann den Klettersteig
auf halber Höhe verlassen und um die zerklüfteten „Affensteine“ herumwandern.

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Woher diese ihren Namen haben, ist nicht so genau klar. Vermutlich, weil man sich
hier beim Klettern gebückt wie ein Affe bewegt und weil die Felsformen – mit viel
Fantasie betrachtet – aussehen wie Affenköpfe. Hier gibt es, etwas versteckt, auch eine
sogenannte „Boofe“. Thorsten erklärt, was „boofen“ ist:

„Boofen – das ist das alt hergebrachte, freie Übernachten im Gebirge. Das ist ja früher
so gewesen, dass die Leute auch samstags noch arbeiten mussten und dann meistens
erst Samstag nach der Arbeit ins Gebirge gefahren sind. Die hatten auch noch kein
Auto mit 150 PS. Die haben sich in die Eisenbahn gesetzt oder sind vielleicht sogar mit
‘m Fahrrad hier rausgefahren, waren Samstagabend irgendwann hier und haben sich
dann eben Felsüberhänge gesucht, von denen es hier einige gibt, sich drunter gelegt
und geschlafen. Das ist das sogenannte ‚Boofen‘.“

Das „Boofen“ ist eine Besonderheit in der Sächsischen Schweiz: Es darf nur an
besonders gekennzeichneten Stellen im Freien übernachtet werden. Verboten ist,
Feuer zu machen. Das sächsische Wort ist übrigens von „pofen“ abgeleitet, was im
Hochdeutschen umgangssprachlich „tief und fest schlafen“ bedeutet. Die beiden
Kletterer beginnen nun ihren Aufstieg. Der obere Teil der „Häntzschelstiege“ ist sehr
schmal. Er wird deshalb „Kamin“ genannt. Es ist dunkel, da kaum Sonnenlicht hier
einfällt. Eine Leiter führt mehrere Meter senkrecht nach oben. Dann folgen wieder
unzählige Eisenbügel, an denen man sich über der Felsspalte entlanghangeln muss.
160 Höhenmeter werden beim Aufstieg der „Häntzschelstiege“ überwunden. Doch die
Mühe lohnt sich. Am Ende wird man von einem grandiosen Panorama belohnt. Und
wer mag, kann sich – wie die beiden Kletterer – für den anstrengenden Aufstieg noch
mit mitgebrachtem Essen und Getränken belohnen.

Autorinnen: Isabelle Fabian, Beatrice Warken

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