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Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie Band 8

Behandlungsleitlinie Störungen der sexuellen Präferenz


Herausgeber
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie
und Nervenheilkunde (DGPPN)
Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS)

Redaktionelle Verantwortung Praxisleitlinien


W. Gaebel · P. Falkai

Herausgegeben im Auftrag der DGPPN und DGfS


von W. Berner, A. Hill, P. Briken,
Ch. Kraus, K. Lietz

Unter Mitarbeit von


M. Dannecker, Frankfurt
G. Kockott, München
W. Weig, Osnabrück
F. Pfäfflin, Ulm
R. Reiche, Frankfurt
A. Spengler, Wunsdorf
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde

(Hrsg.)

Praxisleitlinien in Psychiatrie
und Psychotherapie
Redaktionelle Verantwortung Praxisleitlinien:
W. Gaebel · P. Falkai

BAND 8
Behandlungsleitlinie
Störungen
der sexuellen Präferenz
Diagnose, Therapie und Prognose
Herausgegeben von:
W. Berner, A. Hill, P. Briken, Ch. Kraus, K. Lietz
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie
und Nervenheilkunde (DGPPN)
Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS)

ISBN 978-3-7985-1774-5 Steinkopff Verlag, Darmstadt

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Redaktion: Dr. Annette Gasser Herstellung: K. Schwind
Satz: K + V Fotosatz GmbH, Beerfelden
SPIN 12062546 85/7231-5 4 3 2 1 – Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort

Die Praxisleitlinien für die ICD 10, Kapitel F 65 verdan-


ken ihre Entstehung einem langen Diskussionsprozess,
der mit einer Leitlinienkonferenz der Deutschen Gesell-
schaft für Sexualforschung am 7. 2. 2002 begann. Vor-
schläge vieler Experten wurden eingearbeitet und da-
nach kam es zu einer ersten Veröffentlichung eines lange
gefassten Überblicks in dem von Kockott und Fahrner
herausgegebenen Band „Sexualstörungen“ (Thieme
2004). Nach Kürzungen dieses Buchkapitels und kleine-
ren Ergänzungen, um seit damals erschienene Literatur
zu berücksichtigen, wurde die Lang- und die Kurzfas-
sung dieser Leitlinien neuerlich einer Reihe von Exper-
ten zugeschickt, von denen einige wichtige Korrekturen
und Ergänzungen angebracht haben und denen die He-
rausgeber an dieser Stelle dafür danken wollen. Nur die-
jenigen, die sich auch schriftlich geäußert haben, wer-
den als Mitarbeiter in diesem Band genannt. Der Pro-
zess der Zustimmung der Vorstände von DGPPN und
DGfS zur endgültigen Veröffentlichung hat nun wieder
einige Zeit in Anspruch genommen, sodass man inzwi-
schen das Eine oder Andere ergänzen könnte. Allerdings
ist es nicht das wichtigste Anliegen von Leitlinien alle
neuesten (und womöglich noch gar nicht beurteilbaren)
Ergebnisse in Diagnose, Therapie oder auf dem Gebiet
der Prognose wiederzugeben, sondern eher die bewährte
Praxis. Diesen Anspruch erfüllen die vorliegenden Leit-
linien durchaus. Die Praxisanleitung richtet sich auch
nicht so sehr an den Spezialisten, der viel tiefgreifender
und detaillierter informiert sein muss, sondern an eine
VI Vorwort

breitere Fachöffentlichkeit und allgemein Interessierte,


einschließlich Betroffener, die über die gängige Praxis
Bescheid wissen wollen, um sich orientieren zu können.
Den Herausgebern dieser Leitlinien ist es ein beson-
deres Anliegen den ersten Satz der Einleitung noch ein-
mal besonders zu unterstreichen. Gerade bei einem so
umstrittenen Thema wie der Sexualität geht es darum,
dass sich Ärzte und Therapeuten ihrer Grenzen bewusst
bleiben, sich nicht vorschnell in den Dienst gesellschaft-
licher Reglementierungen nehmen lassen und unnötig
individuelle Vorlieben (Präferenzen!) abwerten oder so-
gar pathologisieren. Es sollte uns zur Vorsicht mahnen,
dass gerade auf dem Gebiet der Sexualpathologie vieles,
was vor hundert Jahren noch als „krank“ angesehen
wurde – wie z. B. die Masturbation oder die homosexu-
elle Orientierung –, heute aus den diagnostischen Klas-
sifikationen verschwunden ist. Das für alle medizini-
schen Unternehmungen wichtige Prinzip von Paracelsus
„Primum non nocere“ sollten wir keinesfalls vergessen.

Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis

A. Langversion der Leitlinien zur Diagnose,


Therapie und Prognose von Störungen
der sexuellen Präferenz bzw. von Para-
philien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.1 Die psychiatrischen Diagnosesysteme . . . . 4
2.2 Die „psychodynamische“ Definition
der Psychoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

5 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

6 Klinische Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
6.1 Fetischismus und fetischistischer
Transvestitismus (F 65.0, F 65.1) . . . . . . . . . 12
6.2 Exhibitionismus (F 65.2) . . . . . . . . . . . . . . 13
6.3 Voyeurismus (F 65.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
6.4 Pädophilie (F 65.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
6.5 Sadomasochismus (F 65.5) . . . . . . . . . . . . . 15
VIII Inhaltsverzeichnis

7 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
7.1 Diagnostischer Algorithmus . . . . . . . . . . . 16
7.2 Objektivierung der sexuellen Präferenz . . . 16
7.3 Schweregrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

8 Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
8.1 Psychoorganische Beeinträchtigung
und schizophrene Psychosen . . . . . . . . . . . 22
8.2 Affektive Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
8.3 Sucht, Angst- und Zwangsstörungen . . . . . 23
8.4 Impulskontrollstörungen . . . . . . . . . . . . . 23
8.5 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-
Syndrom (ADHD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
8.6 Persönlichkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . 24

9 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
9.1 Kognitive Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . 25
9.2 Psychodynamische Therapie . . . . . . . . . . . 27
9.3 Medikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 29
9.3.1 Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren
(SSRI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
9.3.2 Cyproteronacetat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
9.3.3 GnRH- oder LHRH-Agonisten . . . . . . . . . . 31
9.3.4 Zusammenfassung zur Medikation . . . . . . . 31

10 Verlauf und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . 34

11 Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
aInhaltsverzeichnis IX

B. Kurzversion der Leitlinien zur Diagnose,


Therapie und Prognose von Störungen
der sexuellen Präferenz bzw. von
Paraphilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Leitlinie 1: Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Leitlinie 2: Klassifikation unterschiedlicher
Störungen der Sexualpräferenz . . . . . 43
Leitlinie 3: Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Leitlinie 4: Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Leitlinie 5: Klinische Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Leitlinie 6: Objektivierung der Diagnose . . . . . . 46
Leitlinie 7: Schweregrad der Störung
der Sexualpräferenz . . . . . . . . . . . . . 47
Leitlinie 8: Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Leitlinie 9: Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Leitlinie 10: Verlauf und Prognose . . . . . . . . . . . . 48
Leitlinie 11: Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

C. Algorithmen der Leitlinien zur Diagnose,


Therapie und Prognose von Störungen
der sexuellen Präferenz bzw. von
Paraphilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Algorithmus 1: Diagnoseerstellung . . . . . . . . . . . 53
Algorithmus 2: Kombinierte Psycho- und
medikamentöse Therapie . . . . . . 54

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
A. Langversion der Leitlinien
zur Diagnose, Therapie und Prognose
von Störungen der sexuellen
Präferenz bzw. von Paraphilien
1 Einleitung

Ein Ziel der Leitlinien ist, die unterschiedlichen sexuellen Aus-


drucksformen des Menschen nicht unnötig zu pathologisieren
und deren Behandlung auf Formen zu beschränken, die mit di-
rektem subjektiven Leiden der Betroffenen an der Sexualität ver-
bunden sind oder mit eindeutigem Leiden Anderer. Dies ent-
spricht einer grundsätzlichen Entscheidung auch in der ICD-10,
in der Berechtigung für die Klassifikation von „Störung“ (über
körperliche Krankheit im eigentlichen Sinn hinausgehend) immer
vom Bestehen eines subjektiven oder objektiven Leidens abgelei-
tet wird. Die sexuelle Deviation als soziologisch-statistischer Be-
griff ist hier ebenso wenig relevant wie die im moralischen Sinne
verstandene Devianz. Es geht also um die sexuelle Präferenzstö-
rung im Sinne der ICD-10, die hier zum Zwecke einer klareren
Eingrenzung synonym mit dem im DSM-IV verwendeten Begriff
der Paraphilie gebraucht wird. Dort wird nämlich das Leiden an
abweichenden sexuellen Phantasien, Bedürfnissen und Handlun-
gen nur dann als Störung definiert, wenn es ganz ohne Bezie-
hungsobjekt abläuft, oder die Bedürfnisse des Gegenübers nicht
mehr berücksichtigt werden.
2 Definitionen

2.1 Die psychiatrischen Diagnosesysteme

Tabelle 1 stellt die etwas offener formulierte ICD-10-Diagnose


der klar auf „Beziehungs-Feindlichkeit“ ausgerichteten DSM-IV-
Diagnose gegenüber.

Tabelle 1. Definition nach ICD-10 und DSM-IV


ICD-10 (F 65) DSM-IV (302)
Störungen der Sexualpräferenz Paraphilie
G1: wiederholt auftretende intensive sexuel-Wiederkehrende, intensive sexuell erregen-
le Impulse und Phantasien, die sich auf un- de Phantasien, sexuell dranghafte Bedürf-
gewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten nisse oder Verhaltensweisen, die sich im
beziehen. Allgemeinen auf
G2: handelt entsprechend diesen Impulsen 1. nicht menschliche Objekte,
und Phantasien, oder fühlt sich durch sie 2. das Leiden oder die Demütigung von
deutlich beeinträchtigt. sich selbst oder eines Partners, oder
3. Kinder oder andere nicht einwilligende
G3: diese Präferenz besteht seit mindestens oder nicht einwilligungsfähige Personen
sechs Monaten. beziehen
und die über einen Zeitraum von mindes-
tens 6 Monaten auftreten.
Obligat oder episodisch.
Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen,
beruflichen oder anderen Lebensbereichen beruflichen oder anderen Lebensbereichen
a2.2 Die „psychodynamische“ Definition der Psychoanalyse 5

2.2 Die „psychodynamische“ Definition der Psychoanalyse

Psychodynamische Definitionen sind dynamisch funktionell defi-


niert, sie kommen ohne Mitteilungen über inneres Erleben, das
der Patient dem Therapeuten berichtet, nicht aus. In diesem Sinne
definiert Stoller (1991) Perversion als eine erotische Form der Feind-
seligkeit, eine Fantasie, die gewöhnlich ausagiert werden muss, ge-
legentlich auch als Tagtraum erlebt wird 1. Perversion kehrt ein trau-
matisches Kindheitserlebnis in einen Triumph als Erwachsener um
und benötigt zur Steigerung der Erregung das Risiko (Angstlust).
Der deutsche Psychoanalytiker Reiche 2 (1996) fordert für eine
umschreibende Definition der sexuellen Perversionen fünf Kriterien:
1. die Benützung eines Fetisch beziehungsweise ein fetischisti-
scher Umgang mit Teilen des Partners,
2. Externalisierung einer inneren Objektbeziehung, was mit ande-
ren Worten die Stollersche Definition meint – Umkehrung und
triumphal-erotische Umgestaltung eines in der Kindheit erleb-
ten traumatischen Erlebnisses mit wichtigen Bezugspersonen
im Erwachsenenalter,
3. das Element der sexuellen Erregung und Entladung selbst,
4. eine Komponente süchtiger Unaufschiebbarkeit und
5. das Phänomen der russischen Puppe, womit gemeint ist, dass
sich oft nach therapeutischer Auflösung eines perversen Symp-
toms bei einem Patienten ein neues entwickelt, das dann zuta-
ge tritt, als ob es im ersten Symptom versteckt – oder ver-
puppt gewesen wäre.

Beide Definitionen ermöglichen eine Diagnose erst nach länge-


rem Kennen des Patienten in einem therapeutischen Kontext und
enthalten viele über das rein Phänomenologische hinausgehende
psychodynamische Annahmen. Sie sollten daher nur in einem
psychotherapeutischen Kontext Verwendung finden.

1
Diese Polarität gilt besonders bei der Pornographie, die aktiv dargestellt
oder passiv konsumiert werden kann.
2
Auch er definiert Perversion nicht im Hinblick auf vermiedene Kohabilitation.
3 Klassifikation

Die Klassifikation der spezifischen Präferenzstörungen bzw. Para-


philien folgt im Wesentlichen der Einteilung der ICD-10 (Tabel-
le 1, vgl. auch 5. Klinische Bilder).
Unter die „sonstigen“ (F 65.8) bzw. die „nicht näher bezeichne-
ten Störungen der Sexualpräferenz“ (F 65.9) fallen Phänomene
wie obszöne Telephonanrufe, Koprophilie, Klismaphilie, Zoophi-
lie, Urophilie, Strangulation und die Nutzung der Anoxie zur
Steigerung der sexuellen Erregung, Vorliebe für Partner mit ana-
tomischen Abnormitäten, wie zum Beispiel amputierten Gliedma-
ßen (Amelotatismus) und viele andere merkwürdige Bindungen
sexueller Erregung an außergewöhnliche, für die meisten anderen
Menschen sexuell bedeutungslose Situationen.
In diese Restkategorien der ICD-10 lassen sich auch die „Para-
philie-verwandten Störungen“ (Paraphilia Related Disorders, PRD)

Tabelle 2. Spezielle Klassifikation


ICD-10/Störung der Sexualpräferenz DSM-IV Paraphilie
– Fetischismus (F65.0) – Exhibitionismus (302.4)
– Fetischistischer Transvestitismus (F65.1) – Fetischismus (302.81)
– Exhibitionismus (F65.2) – Frotteurismus (302.89)
– Voyeurismus (F65.3) – Pädophilie (302.2)
– Pädophilie (F65.4) – sexueller Masochismus (302.83)
– Sadomasochismus (F65.5) – sexueller Sadismus (302.84)
– multiple, sonstige und nicht näher be- – transvestitischer Fetischismus (302.3)
zeichnete Störungen der Sexualpräferenz – Voyeurismus (302.82)
(F65.6, F65.8 und F65.9) – nicht näher bezeichnete Paraphilie
(302.9)
a3 Klassifikation 7

beziehungsweise die „nicht paraphile sexuelle Süchtigkeit“ (Non-


Paraphilic Sexual Addiction, NPSA) einordnen. Damit sind vor-
wiegend autoerotisch strukturierte sexuelle Betätigungen be-
zeichnet, die an sich nicht als Präferenzstörungen gelten würden,
wenn sie nicht durch den ausufernden Charakter den bzw. die
Betroffene(n) in weiten Lebensbereichen extrem störten. Zu den
Paraphilie-verwandten Störungen gehören nach Kafka und Hen-
nen (Kafka und Hennen 1999) z. B. zwanghafte Masturbation,
ebenso zwanghaft ausgedehnte hetero- oder homosexuelle Pro-
miskuität oder die Abhängigkeit von Pornographie oder Telefon-
sex. Durch den ausufernden, oft als Suchtäquivalent erlebten
Charakter dieser Störungen können schließlich auch Partnerinte-
ressen nicht mehr wahrgenommen werden. Diese Störungen
kommen oft kombiniert mit den eigentlichen Präferenzstörungen
vor und tragen dann dazu bei, dass die Betroffenen sozial, beruf-
lich und beziehungsmäßig noch weitere Behinderungen erleben.
Diese Störungen zeigen Verwandtschaft zur „Progredienz“ nach
Schorsch (Schorsch 1971) bzw. zu Gieses (Giese 1962) Leitsymp-
tomen der Perversionsdiagnose 3.
Für manche Autorinnen und Autoren entsprechen bei Frauen
bestimmte Störungen, die auf aggressive Funktionalisierung von
Reproduktion im Dienste von Macht- oder Selbstwertinteressen
zurückgeführt werden können oder teilweise lustvolle Impulse
wie sie z. B. bei Essstörungen auftreten, den männlichen Perver-
sionen (Kaplan 1991). Beier (1994) nennt eine solche Störung
„Reproversion“. Allerdings haben sich solche und ähnliche Defi-
nitionen nicht allgemein durchgesetzt.

3
Denkbar, aber weniger geeignet erscheint die Zuordnung dieser klinischen
Phänomene in der ICD-10 unter die Diagnose „gesteigertes sexuelles Ver-
langen“ (F 52.7) in der Gruppe der sexuellen Funktionsstörungen. Dort feh-
len aber genauere diagnostische Kategorien.
4 Epidemiologie

Präferenzstörungen treten weit überwiegend bei Männern auf,


wegen hoher Dunkelziffern – einerseits empfinden viele Betroffe-
ne sich selbst nicht als gestört, andererseits werden diese Störun-
gen in psychiatrischen epidemiologischen Studien i. d. R. nicht
miterhoben – ist aber ihre tatsächliche Häufigkeit nicht abzu-
schätzen. Beim Sadomasochismus gibt es einige Feldstudien, die
auch die „nicht kranke“ Subkultur dieser sexuellen Vorliebe zu
erforschen trachten. Häufigkeiten sind aber auch daraus kaum
abzuschätzen, nur ein deutlich geringeres Vorkommen bei Frau-
en. In Befragungen von Lesern einer Subkultur-Zeitschrift waren
nur 10% Frauen (Rathbone 2001). Neuere Untersuchungen aus
der Normalbevölkerung in Schweden geben für transvestitisch-fe-
tischistische, exhibitionistische und voyeuristische Aktivitäten
Prävalenzzahlen zwischen ca. 3–7% bei Männern an (Langström
und Zucker 2005, Langström und Seto 2006).
5 Ätiologie

Die Störungen der Sexualpräferenz sind in ihrer Genese genauso


multifaktoriell zu verstehen, wie die Genese der meisten anderen
konstanten Verhaltensmuster auch.
Zu den biologischen Faktoren: Aus dem Effekt der antihormo-
nellen Therapie auf deviante Sexualität wird abgeleitet, dass in
der Regel ein zumindest normaler Sexualhormonspiegel Voraus-
setzung für die Ausbildung von sexuellen und daher auch para-
philen Bedürfnissen ist 4. Es gibt allerdings auch Fälle von Präfe-
renzstörungen und sexueller Impulsivität bei erniedrigtem Testo-
steronspiegel. Die Wirksamkeit von serotonergen Medikamenten
(Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, SSRI) auf die
Kontrolle auch sexueller Impulsivität, hat die Nähe zu sucht- und
zwanghaftem Verhalten und deren biologischem Korrelat (wie sie
schon von Giese (1962) konzipiert wurde) wieder in den Vorder-
grund rücken lassen. Interessant ist auch der Befund, dass es bei

Tabelle 3. Ursachen von Störungen der Sexualpräferenz


Ursachen sexueller Handlungen
Biologische Wurzeln Frühsozialisation Die aktuelle Lebenssituation
Konstitution der Neuro- Bindung („Attachment“) „Tröstung“ für Frustration
peptide, Neurotransmit- und frühe Traumen. und Krisen in Partnerschaft
ter, Hormonregulation. „Distale Ursachen“ und Beruf.
„Proximale Ursachen“

4
Nicht auszuschließen ist deshalb eine Prägung in der Zeit der Pubertät, in
der die Sexualhormone im Blut stark ansteigen.
10 5 Ätiologie

Parkinsonkranken im Zusammenhang mit einer den Dopamin-


spiegel erhöhenden Therapie nicht nur zu verstärkten sexuellen
Bedürfnissen, sondern auch zu „paraphilen“ Symptomen kom-
men kann (Berger et al. 2003). Vereinzelt werden immer wieder
sexuelle Präferenzänderungen bei Störungen im Temporallappen
(auch als Epilepsie-Manifestation) berichtet (Mendez et al. 2000).
Überzeugender konnte gezeigt werden, dass bei einer allgemei-
nen Beeinträchtigung des Gehirns Impulsivität und die Tendenz
zum Sadismus zunimmt (Aigner et al. 2000, Briken et al. 2005,
Simpson et al. 1999). Auch die Untersuchung neuropsychologi-
scher Parameter weisen eher auf unspezifische Beeinträchtigun-
gen der Gehirntätigkeit hin, die sekundär z. B. pädophile Tenden-
zen begünstigen können (Ponseti et al. 2001). Nur eine Studie
legt eine familiäre Häufung bei Pädophilie nahe, sie beruht je-
doch auf sehr kleinen Fallzahlen (n = 33) (Gaffney et al. 1984).
Neben biologischen und konstitutionellen Faktoren spielen
Störungen der frühen Bindung als „Fernursachen“ (distal causes)
eine entscheidende Rolle. Sie behindern die Entwicklung von
Vertrauen, wie sie für intim-zärtliche Sexualbeziehungen notwen-
dig sind (Marshall 2001, Ward et al. 1996, Rathbone 2001). Sexu-
eller Missbrauch und Gewalterlebnisse in der frühen Entwicklung
werden von manchen Autoren als entscheidend, von anderen
eher als nur gelegentlich zu beobachtender Vulnerabilitätsfaktor
angesehen. Besonders für die Tendenz zu pädophilen Übergriffen
wird das Erlebnis, selbst sexuell missbraucht oder körperlich
misshandelt worden zu sein, immer wieder als Ursache erwogen
(z. B. prospektive Untersuchung von Salter et al. 2003).
Für die kognitive Verhaltenstherapie handelt es sich bei Präfer-
enzstörungen um Folgen klassischer Konditionierung. Mit Selbst-
täuschung im Sinne kognitiver Verzerrungen wird später im
Augenblick der kurz bevorstehenden „Lustprämie“ immer wieder
der längerfristige Nachteil eines solchen eingefahrenen „kurzen
Weges zur Gratifikation“ durch die einmal gewählte Präferenz
ausgeblendet, weshalb Therapien genau an dieser Selbsttäuschung
ansetzen sollten.
Psychodynamisch wird besonders häufig der Mechanismus ei-
ner Umkehrung einer (beschämenden) Niederlage bzw. Ohn-
a5 Ätiologie 11

macht als Kind in einen Triumph als Erwachsener durch sexuali-


sierte Reinszenierung einer traumatisch erlebten Situation (Stoller
1991) beschrieben. Daneben spielen narzisstische Selbstbezogen-
heit und die Fantasie, man wäre mit seiner prägenitalen (kindli-
chen) Sexualität ein für die Mutter ausreichender Partner gewe-
sen, für die Entstehung von Präferenzstörungen eine wichtige
Rolle.
So genannte proximale Ursachen (Auslöser) sind oft aktuelle
Lebens- und Selbstwertkrisen wie Verlust von Arbeit, Partner-
schaftsprobleme, Geburt eines Kindes etc. (Berner und Karlick-
Bolten 1986).
6 Klinische Bilder

6.1 Fetischismus und fetischistischer Transvestitismus


(F 65.0, F 65.1)

Beim Fetischismus sind zur Erreichung sexueller Erregung oder


des Orgasmus bestimmte Gegenstände Voraussetzung, die zum
Teil an Weibliches (Wäschestücke, Strümpfe, Perlenketten) oder
Teile des weiblichen Körpers (wie z. B. Füße) erinnern, aber auch
an Geschlechtliches (Pelz, Haare etc.) oder mit Ausscheidung
Verbundenes (Leder, Gummi, Gerüche oder Windeln). Die ein-
fachste Erklärung für das Auftreten des Fetischismus ist eine pars
pro toto-Bildung 5, das heißt, die Präferenzstörung entspricht ei-
ner Einschränkung der Fähigkeit, sich sexuell stimulieren zu las-
sen, auf einige wenige, sehr umschriebene Reize. Gewisse feti-
schistische Elemente sind bei allen Präferenzstörungen zu be-
obachten, so dass man bei diesen insgesamt von einer „Fetischi-
sierung“ oder auch „Entfremdung“ (Ablösung der sexuellen Erre-
gung vom individuellen Beziehungsaspekt in der Intimität) spre-
chen könnte (vgl. 2.2). Beim fetischistischen Transvestitismus
(F 65.1) ist das Anlegen oder Tragen von Kleidern des anderen
Geschlechts Voraussetzung zum Erleben geschlechtlicher Erre-
gung.

5
Die lateinische Bezeichnung „pars pro toto“ heißt, dass ein Teil für das
Ganze genommen wird. Das Ganze bedeutet in diesem Fall eine Vielfalt se-
xueller Stimulierungsmöglichkeiten bzw. ein ganzheitliches sexuelles Erle-
ben. Unter dem Ganzen ist nicht ein bestimmtes sexuelles Ideal – wie z. B.
heterosexuelle Kohabitationen mit dem Ziel des Zeugens von Kindern – ge-
meint.
a6.4 Pädophilie (F 65.4) 13

6.2 Exhibitionismus (F 65.2)

Beim Exhibitionismus handelt es sich um eine andere pars pro


toto-Symptomatik, da hier das Präsentieren des Genitales für die
ganze sexuelle Begegnung genommen wird. Weder Masturbation
noch Erektionen während der Exhibition sind obligatorisch. Häu-
fig leiden die betroffenen Männer unter einem Mangel an Selbst-
bestätigung und fühlen sich in ihren Partnerschaften unterdrückt
oder überfordert (Übersicht bei Kröber 2004). Nach Gebhard
kommt es in 16% zu Kombinationen mit Voyeurismus (Gebhard
et al. 1965); aber auch Frotteurismus, Sadomasochismus, Trans-
vestitismus oder Pädophilie kommen gemeinsam mit Exhibitio-
nismus vor (Abel et al. 1988).

6.3 Voyeurismus (F 65.3)

Das Spiel mit visuellen Reizen – Neugierde und Aufmerksamkeit


erregen – gehört zu den wesentlichsten Bestandteilen des Wer-
bens um Sexualpartner beim Menschen. Mit Voyeurismus ist al-
lerdings eine pars pro toto-Bildung gemeint, da es für die meisten
Voyeure wichtig scheint, dass die beobachtete Person oder das
beobachtete Paar von der Beobachtung nichts weiß oder dadurch
überrascht wird. Schon daran ist die aggressive Note dieser Prä-
ferenzstörung ablesbar. Die Irritiertheit des Beobachteten ist Vo-
raussetzung für die Diagnose (Beziehungsfeindlichkeit) im Sinne
von ICD-10 bzw. DSM-IV. Kombinationen mit Exhibitionismus
liegen bei 46% vor (Gebhard et al. 1965).

6.4 Pädophilie (F 65.4)

Nach den DSM-IV Kriterien sollte man die ausschließliche von


der nicht ausschließlichen Pädophilie unterscheiden und eine he-
14 6 Klinische Bilder

terosexuelle von einer homosexuellen, obwohl es auch einen be-


trächtlichen Anteil „gemischt orientierter“ Pädophiler gibt. Außer-
dem sollte ein Altersunterschied von mindestens fünf Jahren zwi-
schen „Täter“ und „Opfer“ pädophiler Handlungen und ein Min-
destalter des Täters (der Täterin) von 16 Jahren gefordert werden.
Die heterosexuellen Pädophilen sollen häufiger nur ein bis zwei
Partnerinnen haben, die sie im familiären oder bekannten Um-
feld missbrauchen, die homosexuell Pädophilen hingegen haben
oft viele Kontakte (bis zu mehreren hundert). Weder ist bei ei-
nem Missbrauch von Kindern gleich Pädophilie anzunehmen,
noch missbrauchen alle pädophil Empfindenden tatsächlich Kin-
der. Typischerweise kommt es zu genitalen Berührungen, seltener
zu genitaler, oraler oder analer Penetration (Groth et al. 1978, V.
Krafft-Ebing 1890). Fasst man die vielen existierenden Typolo-
gien der Pädophilie zusammen, dann lassen sich drei in ihrer
Entstehungsgeschichte unterschiedliche Grundtypen und deren
Mischformen unterscheiden. Die seit der Pubertät ausschließlich
auf Kinder Orientierten stellen als „Fixierte“ oder „Kernpädophi-
le“ die kleinste Gruppe dar (etwa 10%). Die zweite Gruppe sind
die „Reaktiven“, die nach Frustration in Erwachsenenbeziehungen
den leichter dominierbaren kindlichen Partner als Ersatz wählen
– sie werden auch die „Regressiven“ genannt, zu ihnen gehören
randständige Jugendliche, aber auch Lehrer, die durch ihren in-
tensiven Kontakt mit Kindern und ihr pädagogisches Interesse
leichter dazu kommen können, Kinder als Ersatz zu „nutzen“,
wenn sie in einer unbefriedigenden Beziehungsdynamik frust-
riert werden. Aber auch die so genannte „Alterspädophilie“ ge-
hört hierher, da es bei abnehmender Potenz oder bei Abnahme
kognitiver Kapazität dazu kommen kann, dass man leichter be-
eindruckbare kindliche Partner für die noch vorhandenen eroti-
schen Interessen „nutzt“. Die schwer bindungsgestörten „sozial
Desintegrierten“ oder „Antisozialen“, die ganz wahllos Partner
für ihre Befriedigung nutzen, bilden eine dritte Gruppe
(Schorsch et al. 1985).
a6.5 Sadomasochismus (F 65.5) 15

6.5 Sadomasochismus (F 65.5)

Der Sadomasochist benötigt als Erregungsvoraussetzung das Er-


leben von (aktiv ausgeübter oder passiv erlittener) Dominanz.
Die oft gewünschten Schmerzreize oder das Leiden unterstrei-
chen mehr den Charakter der Unterwerfung als an sich lustvoll
zu sein. Auch hier wird wieder ein Element einer ganzheitlichen
leidenschaftlichen körperlichen Begegnung, nämlich das Erleben
gegenseitiger Abhängigkeit und Auslieferung, isoliert und im Sin-
ne des pars pro toto für das Ganze genommen. Isolierter Maso-
chismus dürfte häufiger mit einer sonst eher gehemmt-neuroti-
schen Persönlichkeitsstruktur und Neigung zu Abhängigkeit, De-
pression und Angst einhergehen, während isolierter Sadismus
häufiger in Kombination mit einer antisozialen Persönlichkeit ge-
funden wird (Berger et al. 1999, Berner 1997). Etwa 60% der be-
fragten Leser einer einschlägigen SM-Zeitschrift berichten gele-
gentlichen Wechsel von einer Position zur anderen (Rathbone
2001). Bei Frauen, die eher durch Partner Anschluss an die Sub-
kultur finden, verteilt sich Sadismus und Masochismus angeblich
nicht anders als bei Männern (Becker 2002). Formen des lebens-
gefährlichen Sadismus sind für weniger als 1% der Tötungsdelikte
verantwortlich.
7 Diagnostik

7.1 Diagnostischer Algorithmus

Liegt ein Symptom vor, das der Beschreibung einer der Präfe-
renzstörungen entspricht, ist zunächst zu klären, ob dieses Symp-
tom einmalig oder wiederholt aufgetreten ist, um die Präferenz-
störung von einer situativ aufgetretenen sog. Perversität 6 (eventu-
ell auch als Symptom einer anderen Störung, z. B. Borderline-
Persönlichkeitsstörung) zu unterscheiden. Allerdings hat das Auf-
treten mehrerer Symptome aus der Liste der Präferenzstörungen
im Zeitraum von zumindest sechs Monaten den gleichen Stellen-
wert wie das gehäufte Auftreten einer einzelnen Präferenzstörung
und berechtigt dann, die Diagnose multiple Störung der Sexualprä-
ferenz (F 65.6) zu stellen. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob der
bzw. die Betreffende die Interessen seiner Sexualpartner nicht
mehr berücksichtigen kann oder sich selbst massiv schädigen
muss. Erst dann sind die „Schwere-Kriterien“ anzuwenden (siehe
Abschnitt C Algorithmus 1).

7.2 Objektivierung der sexuellen Präferenz

Mit der Penisplethysmographie wird bei Vorgabe bestimmter vi-


sueller oder akustischer sexueller Stimuli die Erektion des Man-
nes entweder durch Registrierung der Zunahme des Volumens

6
Unter Perversität verstand schon Krafft-Ebing eine deviante sexuelle Hand-
lung, die vom Betroffenen aus freien Stücken ohne inneren Zwang zur Wie-
derholung und ohne krankhafte Ursache gewählt wurde.
a7.3 Schweregrad 17

oder nur des Umfanges des Penis gemessen. Die Methode ist an-
fällig für Täuschungen, so dass ein negativer Befund (keine Volu-
men- oder Umfangszunahme) nicht, ein positiver nicht sicher
verwertet werden kann.
Firestone et al. (1998) konnten beim Vergleich von Miss-
brauchstätern mit und ohne Tötungsdelikt zeigen, dass weder
Missbrauchstäter immer in der Penisplethysmographie einen po-
sitiven Pädophilie-Index zeigen (dies ist nur bei 52% der Fall),
noch dass Missbrauchstäter mit Tötung ihrer Opfer immer einen
positiven Pädophilie-Gewalt-Index zeigen (dies ist nur bei 63%
der Fall). Außerdem waren die genannten Indizes bei der „gesun-
den“ Kontrollgruppe gelegentlich auch erhöht (Pädophilen-Index
in 28%, Pädophilie-Gewalt-Index in 36% der Fälle). Für klinische
Routine-Diagnostik und besonders im Kontext von Begutachtung
kann die Penisplethysmographie daher nicht empfohlen werden.
Wegen Verleugnungstendenzen und Selbsttäuschungen sind
bei Straftätern (wie auch in der Diagnostik von Persönlichkeits-
störungen) fremdanamnestische Informationen (Partner, Opfer,
Institutionen) über mögliche sexuelle Präferenzen oft von ent-
scheidender Bedeutung.

7.3 Schweregrad

Im Sinne einer erweiterten Diagnostik sollte eine Einschätzung


der Schwere der Störung erfolgen (Tabelle 4).
Als erschwerend gilt zum einen, wenn die Kriterien der so ge-
nannten Progredienz nach Schorsch (1971) vorliegen (siehe Ta-
belle 5). Das gleichzeitige Auftreten einer Präferenzstörung und
einer „Paraphilie-verwandten Störung“ kann der Progredienz
gleichgesetzt werden, weil es auch hier um einen suchtähnlichen
Mechanismus geht und nachgewiesen wurde, dass damit eine
schlechte Sozial- und Allgemeinprognose verbunden ist (Kafka
und Hennen 1999, Kafka und Prentky 1992, Briken et al. 2006).
Ein weiteres erschwerendes Kriterium stellen die verschiede-
nen Formen von Sadismus dar. Sadismus beinhaltet die Lust am
18 7 Diagnostik

Tabelle 4. Kriterien für die Schwere der Störung


Kriterien für die Schwere der Störung (erweiterte Diagnostik)
1. Progredienz im Sinne von Schorsch (1971) oder Paraphilie gemeinsam mit Paraphilie-
verwandter Störung (PRD)
2. Sadismuskriterien
– Sexueller Sadismus gemeinsam mit anderer Paraphilie
– Sadistische Persönlichkeitsstörung
– Forensisch diagnostizierter Sadismus

Tabelle 5. Erstes Schwerekriterium


Progredienz nach Schorsch (1971)
– Periodische Akzentuierung eines dranghaft gesteigerten sexuellen Verlangens mit inne-
rer Unruhe
– Starke sexuelle Fantasiebesetzung
– Progression im Längsschnitt
– Kürzere Abstände zwischen den entsprechenden Manifestationen
– Signalhafte Auslöser der sexuellen Handlungen
– Autoerotische Fixierung mit hoher Masturbationsfrequenz
– Wunsch nach Behandlung

Oder: Paraphilie gemeinsam mit Paraphilie verwandter Störung (PRD)


Paraphilia-related disorder (PRD) (nach Kafka und Hennen 1999): nach Erscheinungsbild
zunächst nicht „präferenzgestört“ zu nennende Sexualität, die aber durch ihre übermäßige
und ausgedehnte Manifestation extrem störend wirkt.
Dazu gehören:
– Zwanghafte Masturbation
– Ausgedehnte hetero- oder homosexuelle Promiskuität,
– Die Abhängigkeit von Pornographie oder Telefonsex

Verletzen von Partnerinteressen. Neben dem eigentlichen sexuel-


len Sadismus ist aber hier auch mit dem sog. Charaktersadismus
(Sadismus als Persönlichkeitsstörung) zu rechnen, der sich nicht
direkt in sexueller Form, wohl aber in lustvoller Partnerschädi-
gung äußert (Tabelle 6). Die Überschneidungen mit sexuellem
a7.3 Schweregrad 19

Tabelle 6. Zweites Schwerekriterium


Sadismus
I. Sexueller Sadismus (nach DSM-IV 302.84)
– Über einen Zeitraum von 6 Monaten wiederkehrende, intensive sexuell erregende
Fantasien, dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, welche (reale, nicht simul-
ierte) Handlungen beinhalten, in denen das psychische oder physische Leiden (ein-
schließlich Demütigung) des Opfers für die Person sexuell erregend ist.
– Die Fantasien, sexuell dranghaften Bedürfnisse oder Verhaltensweisen verursachen in
klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen
oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

II. Sadismus als Persönlichkeitsstörung (nach DSM-III-R)


Vier der folgenden acht Symptome sollen gegeben sein:
– Anwendung körperlicher Grausamkeit, um sich in Beziehungen durchzusetzen
– Erniedrigt und beschämt Leute in Gegenwart Dritter
– Hat jemanden, der in seiner Macht stand (z. B. Kind oder Gefangenen) ungewöhnlich
hart behandelt oder bestraft
– Amüsiert sich an seelischen oder körperlichen Leiden Anderer
– Hat gelogen in der Absicht anderen zu schaden oder Schmerz zuzufügen
– Bringt andere Leute dazu, das zu tun, was er will, in dem er ihnen Furcht einflößt
– Beschneidet die Freiheit von Menschen, mit denen er/sie eine enge Beziehung unter-
hält
– Ist fasziniert von Gewalt, Waffen, Kampfsportarten, Verletzung oder Folter

III. Forensisch diagnostizierter Sadismus nach Knight & Prentky (Kraus und Berner
2000)
Kriterien A (ein Kriterium genügt für eine positive Diagnose von Sadismus):
– Fantasien von gleichzeitig aggressivem und sexuellem Inhalt
– Steigerung der sexuellen Erregung durch Furcht oder Schmerz des Opfers
– Symbolisch sadistische Handlungen
– Drehbuchartig ritualisierte Gewalt in den Delikten
– Sexueller Verkehr mit dem toten Opfer
– Verstümmelung erogener Zonen getöteter Opfer
Kriterien B (Vorliegen von zwei Kriterien zur Diagnosestellung notwendig):
– Gewalt gegen erogene Zonen
– Zufügen von Verbrennungen
– Sexueller Verkehr mit bewusstlosem Opfer
– Schmerzhaftes Einführen von Gegenständen in Vagina oder Anus des Opfers
– Verwendung von Fäces und/oder Urin zur Erniedrigung des Opfers
20 7 Diagnostik

Sadismus sind beträchtlich (Hill et al. 2006). Zwei Drittel der Se-
xualstraftäter mit einer sadistischen Persönlichkeitsstörung hat-
ten im Verlauf von Explorationen oder Therapien auch von sexu-
ellem Sadismus berichtet (Berger et al. 1999).
Bei gewalttätigen Straftätern sind auch indirekte Sadismuszei-
chen im Sinne von Knight und Prentky (Knight und Prentky
1990, Knight et al. 1994, Kraus und Berner 2000) ins Auge zu fas-
sen, da Betroffene besonders im forensischen Kontext nicht ohne
weiteres bereit sind, ihre Vorliebe einzuräumen (siehe Tabelle 6).
Zu unterscheiden sind Kriterien A, von denen jedes einzelne die
Diagnose Sadismus erlauben soll, von Kriterien B, die weniger
eindeutig sind, so dass erst beim Vorliegen von zwei solchen Kri-
terien von Sadismus gesprochen werden sollte. Der Zusammen-
hang mit sexuellem oder Charaktersadismus bleibt aber umstrit-
ten.
8 Komorbidität

Ist die Fähigkeit, Partnerinteressen zu berücksichtigen nur singu-


lär oder passager aufgehoben, dann ist an differentialdiagnosti-
sche Störungen zu denken, die alle auch als „komorbide“ Störun-
gen auftreten können (Tabelle 7):
Alle Angaben zur Komorbidität haben die Schwäche von
(meist forensisch bedingten) Selektionseffekten. Die Frage, wie
häufig Präferenzstörungen als isolierte Störung ohne Komorbidi-
tät auftreten, ist heute nicht beantwortbar.

Tabelle 7. Komorbidität
Komorbidität bei sexuellen Präferenzstörungen
Psychoorganische Beeinträchtigung, Minderbegabung oder schizophrene Psychose:
Frontalhirn- und Temporallappenschädigungen, Läsionen im Bereich des Septums, aber
auch multiple Sklerose, Prolaktinom, leichte und schwere Formen von Minderbegabung,
Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis.
Affektive Störung: selten klassische unipolare oder bipolare affektive Störungen, deutlich
häufiger Dysphorie und Mischzustände.
Zwang und/oder Sucht/Angststörungen: (Soziale) Phobie oder andere Angststörung
kommen relativ häufig vor, einzelne Zwangssymptome können häufiger, eine volle
Zwangsstörung selten (bei Pädophilen 10%) vorkommen. Substanzmissbrauch/-abhängig-
keit tritt bei bis zu 80% der Untersuchten auf.
Impulsivität: besonders bei offensichtlich wenig geplanten Handlungen besteht manch-
mal gleichzeitig eine Neigung auch zu anderen Impulshandlungen (Essen, Trinken, Ge-
walthandlungen, impulsives Stehlen, Spielleidenschaft etc.), bei starker Ausprägung
Vollbild einer Impulskontrollstörung.
ADHD in der Kindheit oder im Erwachsenenalter.
Persönlichkeitsstörung: insbesondere Borderline-, antisoziale, narzisstische, aber auch
schizoide, schizotypische, zwanghafte und ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung.
22 8 Komorbidität

8.1 Psychoorganische Beeinträchtigung


und schizophrene Psychosen

Simpson et al. (1999) haben in einem Kollektiv von 445 Personen


mit Gehirnverletzungen bei 6,5% die Tendenz zu sexuellen
Übergriffen beschrieben. Dem müssen die Befunde von Aigner et
al. (2000) gegenübergestellt werden, die bei MRI-Untersuchungen
an besonders gewalttätigen Sexualstraftätern signifikante Vermeh-
rungen (59,4% gegenüber 22,2%) „unspezifischer Gehirnabnor-
mitäten“ (noch keine „Diagnosen“ im klinischen Sinn) gegenüber
weniger Gewalttätigen fanden, so dass Psychoorganizität als ein
Faktor, der Gewalttätigkeit auch im sexuellen Bereich fördert, ge-
sehen werden muss (vgl. auch Briken et al. 2005). Die Unter-
suchung von Nowara (2001) an 115 Untergebrachten im Maß-
regelvollzug lässt die Schätzung zu, dass die Diagnose einer Psy-
chose oder einer hirnorganischen Erkrankung bei etwa 1,2% der
zur Verurteilung kommenden Sexualstraftäter eines Jahres zu ver-
muten ist (vgl. dazu auch Smith und Taylor 1999). Ähnliches gilt
für die Diagnosen leichter bis schwerer Intelligenzminderung, die
bei einer allerdings selektierten Gruppe von Sexualstraftätern et-
was über 12% lag (Berner und Karlick-Bolten 1986).

8.2 Affektive Störungen

Hier werden besonders bei Patienten mit Präferenzstörungen, die


sich einer ambulanten Behandlung unterziehen, hohe Raten ge-
funden (60% sowohl bei McElroy et al. (1999) als auch Raymond
et al. (1999)). Die Diagnosen beinhalten allerdings keineswegs
nur „Major Depression“, sondern alle affektiven Störungen des
DSM-IV.
a8.5 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHD) 23

8.3 Sucht, Angst- und Zwangsstörungen

In vielen neueren Untersuchungen wird die hohe Komorbidität


von Suchterkrankungen mit Präferenzstörungen und besonders
Paraphilie-verwandten Störungen (PRD) hervorgehoben (McEl-
roy: bis zu 83%; McElroy et al. 1999). Zwangsstörungen kommen
in viel geringerem Maße vor (etwa 10% nach McElroy; McElroy
et al. 1999), 11% bei Pädophilen (Raymond et al. 1999). Auch ge-
neralisierte Angststörung und Soziale Phobie werden diagnosti-
ziert (bei Pädophilie sind die Angststörungen mit bis zu 60% be-
sonders hoch (Raymond et al. 1999).

8.4 Impulskontrollstörungen

Sie stellen eine wichtige Differentialdiagnose zur Präferenzstö-


rung dar, da es im Rahmen allgemeiner Impulsivität leicht auch
einmal zu einer „Perversität“ kommen kann. So wurde z. B. in ei-
ner ambulanten Einrichtung in Cincinnati bei Betroffenen nur in
58% die Diagnose „Paraphilie“ gestellt und in 39% die Diagnose
Impulskontrollstörung unterschiedlicher Ursache (McElroy et al.
1999). Oft handelte es sich dabei um Impulskontrollstörungen im
Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung oder antisozia-
len Persönlichkeitsstörung. Neben allgemeiner Impulskontroll-
störung traten besonders zwanghaftes Stehlen und Spielen (5%
und 14%) gleichzeitig mit Paraphilie auf.

8.5 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHD)

Bei Kindern und Jugendlichen mit einem Aufmerksamkeitsdefi-


zit-Hyperaktivitäts-Syndrom finden sich im späteren Verlauf häu-
figer als in der Durchschnittsbevölkerung Paraphilien, „Paraphi-
lia related disorders“ bzw. Sexualstraftaten (Blocher et al. 2001,
Ponseti et al. 2001, Vaih-Koch et al. 2001).
24 8 Komorbidität

8.6 Persönlichkeitsstörungen

Die Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen hängt davon ab,


unter welchen Selektionsbedingungen die Präferenzstörungen an-
getroffen werden. Im forensischen Bereich ist mit Häufigkeiten
um die 80% zu rechnen, wobei die extravertierten Persönlich-
keitsstörungen (dissozial, emotional instabil impulsiver/Border-
line-Typ, narzisstisch) am häufigsten angetroffen werden (Berger
et al. 1999, Kraus et al. 1999, Hill et al. 2006). Aber auch im am-
bulanten Bereich werden vereinzelt sehr hohe Raten berichtet (bis
zu 90%; McElroy et al. 1999).
9 Therapie

Ähnlich wie bei der Sucht kommt es bei Störungen der Sexual-
präferenz nur selten ohne äußeren Druck zur Behandlung, daher
wissen wir viel mehr über größere Gruppen von Patienten mit
sexuellen Präferenzstörungen, die schon massiv Partnerinteressen
verletzt haben und die deshalb gerichtlich zur Behandlung ange-
halten werden. Es empfiehlt sich, zwischen institutionellen und
ambulant-poliklinischen Behandlungen zu unterscheiden und die
institutionellen wieder in forensisch-psychiatrische und sozialthe-
rapeutische (Gefängnis-) Programme zu unterteilen. Dies spielt
für den nötigen „Sicherheitsrahmen“ und für einen differenzier-
ten Umgang mit Therapiemotivation eine Rolle. Neben dem for-
mal-gesellschaftlichen Druck gibt es so gut wie immer weitere
Elemente von Unzufriedenheit (z. B. Selbstachtung, Beziehungs-
konflikte, Gruppendruck), die sich motivisch nutzen lassen (vgl.
Kapitel 11, Rechtsfragen).
Die Entwicklung der psychotherapeutischen Behandlungen
lässt sich entlang der beiden großen Psychotherapie-Schulen, der
kognitiv-verhaltenstherapeutischen und der psychodynamischen
darstellen. Ergänzend soll dann noch die medikamentöse Be-
handlung beschrieben werden.

9.1 Kognitive Verhaltenstherapie

Deviante sexuelle Erregung (deviant sexual arousal) gehörte zu


den allerersten Verhaltensauffälligkeiten, bei denen operantes
Konditionieren als Behandlungstechnik Anwendung fand. Bei Se-
xualstraftätern kamen Techniken wie „masturbatory satiation“
26 9 Therapie

und „verbal satiation“ sowie Desensibilisierung und unterstützte


Desensibilisierung (Techniken, die auch direkte oder phantasierte
aversive Stimuli benutzen) zur Anwendung. Der Langzeiteffekt
dieser Techniken, besonders wenn sie ausschließlich gebraucht
werden, ist äußerst fraglich (Hall 1995). Marshall et al. (1991)
verglichen solche Programme bei exhibitionistischen Patienten
mit anderen, bei denen kognitive Elemente und Beziehungs-
aspekte mitberücksichtigt wurden. Sie fanden heraus, dass die
„multimodalen“ Programme, die sich nicht nur auf das Therapie-
ziel „Reduktion der devianten sexuellen Erregung“ konzentrier-
ten, deutlich bessere Ergebnisse erbrachten.
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Programme sind daher heu-
te multimodal und fassen verschiedene Behandlungsziele ins Au-
ge: Meistens steht dabei das so genannte „Delikt-Szenario“ – der
„Delikt-Zyklus“, auch „Delikt-Entscheidungs-Kette“ (Mann und
Thornton 1998, Marshall et al. 1999, Pithers et al. 1983) – im
Mittelpunkt. Es handelt sich dabei um Rekonstruktionen der je-
weiligen Delikte, wobei die Rolle von kognitiven Verzerrungen,
Verleugnung, Bagatellisierung des Übergriffs und von Haltungen,
die sexuelle Aggression billigen, besondere Beachtung findet.
Beim „Delikt-Szenario“ arbeiten die Patienten meist in Gruppen.
Das Deliktszenario als zentrales Programm wird oft ergänzt
durch zusätzliche, parallel durchgeführte Trainings wie „soziale
Fertigkeiten“, „Konflikt-Lösung“, „Stress- und Wut-Management“,
„Sexuelle Aufklärung“, „Elternschaft“, „Intimität“, „Einsamkeit“,
„Freizeit“ und besonders bei Patienten, die Kinder missbraucht ha-
ben, „Selbst-Achtung“ (Marshall et al. 1999). Bei den „Rückfall-Ver-
hütungs-Programmen“ (relapse-prevention-programs, RPP) wird
mit den Betroffenen an speziellen Haltepunkten gearbeitet, an de-
nen sie die zu einem sexuellen Übergriff führende Handlungskette
unterbrechen könnten (Pithers et al. 1983).
Bei der Pädophilie ist der Frage selbst erlebten Missbrauchs
nachzugehen (vgl. Kapitel 5). Die meisten kognitiven Verhaltens-
therapeuten warnen davor, der Frage, ob Täter früher selbst Op-
fer von sexuellen Übergriffen waren, zuviel Aufmerksamkeit zu
schenken, da das leicht zu einer passiven Ergebenheit in ein un-
veränderbares Schicksal führen kann. Allam et al. (1997) argu-
a9.2 Psychodynamische Therapie 27

mentieren dagegen, dass Verständnis dafür, wie man selbst zum


Opfer wurde und welche Folgen das hatte, eine wichtige Voraus-
setzung für die Entwicklung von Opferempathie sein kann. Sie
empfehlen daher für solche Täter Spezialgruppen (victim-to-
victimizer group).
Die „Haltungen der Therapeuten“ (ähnlich dem Konzept der
„Gegenübertragung“ in psychodynamischen Therapien) werden
regelmäßig hinterfragt. Wenn Therapeuten sich durch die ständi-
ge Konfrontation mit bizarren sexuellen Geschichten irritiert
fühlen, wird ihnen persönliche Supervision angeboten.

9.2 Psychodynamische Therapie

Karpman (1950) analysierte einen pädophilen Patienten und in-


terpretierte dessen Furcht vor der Genitalbehaarung der erwach-
senen Frau als „Kastrationsangst“. Er meinte, mit dieser Deutung
den Patienten geheilt zu haben. Aber schon Hammer und Glueck
(1957) führten zumindest vier unterschiedliche Faktoren an, die
psychodynamisch bedacht werden müssten 7. In der psycho-
dynamischen Schule wurden später leider nur vereinzelte und oft
methodisch sehr fragwürdige empirisch begleitete Programme
mit individueller und Gruppentherapie mitgeteilt. Schorsch et al.
(1985) haben eine Studie über die poliklinische Behandlung von
Sexualstraftätern vorgelegt und dabei die sexuelle Devianz als ein
Symptom eines tieferen Beziehungsproblems gesehen. Die vor-
geschlagenen Therapiestrategien enthalten neben der Bearbeitung
von Beziehungskonflikten viele unterstützende Elemente (z. B.
Hilfe in der Bewältigung des Alltags und bei der Bewältigung ak-
tueller Krisen). In einem „Wiener Modell“ einer Behandlung von
Sexualstraftätern innerhalb und außerhalb des Gefängnisses (Ber-
ner und Karlick-Bolten 1986) geht es auch zentral um den Bezie-
hungsaspekt. Hier wird die Behandlung auf zwei „Beziehungen“

7
1. Kastrations-Angst, 2. Schizoide Persönlichkeitsstruktur, 3. Gestörte Im-
pulskontrolle, 4. Konkretistisches Denken.
28 9 Therapie

aufgebaut, eine mit einer aktiv helfenden Person, die für Krisen-
intervention, Medikation, Sozialtraining und Arbeitsvermittlung
zuständig ist, und eine mit dem „Therapeuten“, der sich auf inne-
re Konflikte und Einstellungen konzentriert und die Tendenz zur
Wiederholung alter Konfliktmuster. Die Erkenntnis, dass bei den
meisten sexuellen Präferenzstörungen eine Borderline-Persönlich-
keitsstruktur im Hintergrund eine Rolle spielt, führt im Wiener
Modell zur Anwendung der so genannten übertragungsfokussier-
ten Psychotherapie von Kernberg et al. (1992), die „Klärung“ und
„Konfrontation“ benützt, um „Spaltung“ anzusprechen – eine
meist emotionell ausgelöste plötzliche „Umschaltung“ in der Be-
wertung der äußeren Realität (von „alles ist gut“ zu „alles ist
schlecht“). Die Arbeit am Delikt und den damit verbundenen
„Spaltungen“ erinnern an „Deliktszenarios“ und die damit ver-
bundenen kognitiven Verzerrungen.

Tabelle 8. Psychotherapie (meist im Gruppensetting)


Kognitiv-verhaltenstherapeutische Tiefenpsychologisch-psychodynamische
Strategien Strategien
Von den Therapeuten definierte Probleme Reagieren auf den vom Patienten vorge-
und Ziele, die direktiv oder flexibel ver- gebenen emotionellen Kontext deutlich
folgt werden. Intervention manchmal weniger vorstrukturiert
nach Manual
Delikt-spezifische Themen (Deliktszenario, Klärung der Umstände des Deliktes und
sexuelle Fantasien und ihre Auslösung, der damit verbundenen Affekte, Konfronta-
Opfer-Empathie), tion mit den dabei aufgetretenen Mani-
Indirekt Delikt-bezogene Themen (Wut- pulationen. Erarbeitung der „inneren Bilder
Management, Selbstachtung, Intimität, vom Objekt“, mit denen die sexuellen
Einsamkeit) Handlungen verbunden waren
Minimierung und Leugnung als kognitive Minimierung und Leugnung als Spaltung
Verzerrung bearbeiten bearbeiten
Der Therapeut und schon fortgeschritte- Übertragung und Gegenübertragung lassen
nere Gruppenmitglieder dienen als den Umgang mit den Beziehungsobjekten
Modelle. Imitation gilt als Teilerfolg in „Miniprozessen und Miniaffekten“ im Hier
und Jetzt der Gruppensituation bearbeiten
Rückfallverhütungsprogramme Haltende Beziehung als niederfrequente
Nachbetreuung
a9.3 Medikation 29

Entkleidet man die beiden wichtigsten Psychotherapie-Ansätze


(kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamisch orientierte
Therapie) ihrer spezifischen Begrifflichkeit, so sieht man die
zentralen Strategien in ähnliche Richtung weisen. Eine eher stö-
rungs- als schulenspezifische Betrachtungsweise wird daher in
diesem Bereich nahegelegt (Tabelle 8). Es muss allerdings fest-
gehalten werden, dass deutlich mehr Belege für die Wirksamkeit
der kognitiv-behavioralen Programme als für die psychodynami-
schen Programme vorliegen.

9.3 Medikation
Bei Patienten mit einer hohen Fixierung auf ein sexuelles Befrie-
digungsmuster, das Partnerinteressen nicht mehr berücksichtigen
kann, und/oder eingeschränkter Reflexionsfähigkeit ist zusätzlich
zur psychotherapeutischen Behandlung auch an Medikation zu
denken. Neben der klassischen „antihormonellen Therapie“ mit
dem Testosteronantagonisten Cyproteronacetat stehen heute die
weitaus weniger einschränkende Behandlung mit selektiven Sero-
tonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) und die Behandlung mit
GnRH-Agonisten (= LHRH-Agonisten) zur Verfügung.

9.3.1 Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI)

Diese Substanzen, die für die Behandlung von Depressionen,


Angst- und Zwangsstörungen eingeführt und bewährt sind, wer-
den seit 1991 auch zur Behandlung von sexueller Impulsivität
vorgeschlagen (Übersichten bei Bradford und Greenberg 1996,
Greenberg und Bradford 1997) 8. Sie sollen modulierend in die
Affektentwicklung eingreifen. Nach Stein et al. (1992) sollen nur
„sexuelle Zwangssymptome“ gut ansprechen, nach Kafka und

8
Beispiele für die untersuchten SSRI sind Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin,
Sertralin oder Citalopram.
30 9 Therapie

Prentky (1992) sollen Patienten mit gleichzeitigen Stimmungsauf-


fälligkeiten bessere Effekte zeigen. Nicht ganz klar ist allerdings,
wie sehr die bei allen Antidepressiva und besonders bei den
SSRI’s häufiger beschriebene „Nebenwirkung“ der verminderten
sexuellen Appetenz hier beabsichtigte Hauptwirkung ist. Rösler
und Witztum (2000) warnen vor einer Überschätzung der SSRI’s
und fordern randomisierte Studien. Unsere eigene vorläufige kli-
nische Erfahrung spricht dafür, dass sich SSRI’s bei weniger ge-
fährlicher sexueller Impulsivität (z. B. bei chronischem Exhibitio-
nismus) gut mit Psychotherapie kombinieren lassen und von den
Patienten als durchaus hilfreich erlebt werden.

9.3.2 Cyproteronacetat

Das Antiandrogen Cyproteronacetat (CPA) verdrängt das männ-


liche Geschlechtshormon Testosteron von seinen Rezeptoren in
den Organen. Es wird seit über 30 Jahren zur sog. „hormonellen
Kastration“ bei Sexualdelinquenten angewandt (Hill et al. 2003,
Hoffet 1968, Laschet 1969). CPA hat die chirurgische Kastration
als Behandlungsmethode weitgehend verdrängen können, da die
Wirkung des Medikamentes reversibel ist. Bei CPA-Gabe nehmen
parallel zur Senkung des Testosterons die nächtlichen Erektionen
ab, was für eine geringere Ansprechbarkeit auf sexuelle Reize
spricht (Cooper und Cernovovsky 1992). In einer Doppel-Blind-
Cross-over-Studie (Bradford und Pawlak 1993) konnte gezeigt
werden, dass CPA zu einer signifikanten Reduktion von Fantasie-
bildung und Masturbation führte (die Reduktion in der sexuellen
Erregbarkeit war nur grenzwertig signifikant). Die antihormonel-
le Behandlung hat auch den metaanalytischen Vergleich mit der
kognitiv-behavioralen Psychotherapie bestanden (Hall 1995, Gijs
und Gooren 1996, Bradford und Greenberg 1996). Nachdem Tier-
versuche gezeigt haben, dass es unter Höchstdosierungen auch
zur Entwicklung von Leberzellkarzinomen kommen kann (Neu-
mann et al. 1992), wird Cyproteronacetat deutlich weniger ver-
ordnet, obwohl beim Menschen nach über 20-jähriger Verwen-
dung dafür noch keine Beweise vorliegen.
a9.3 Medikation 31

9.3.3 GnRH- oder LHRH-Agonisten

Rösler und Witztum (1998) haben 30 Männer mit chronischen


Paraphilien mit monatlichen Injektionen mit Triptorelin behan-
delt, einem Analogon zum Gonadotropin-Releasing-Hormon
(GnRH, Synonym: LHRH), das nach anfänglicher Steigerung der
Produktion das Testosteron auf Kastrationswerte senkt. Alle Män-
ner berichteten eine deutliche Abnahme sexueller Fantasietätig-
keit und der sexuellen Begierde (vgl. Briken et al. 2000, 2003,
Czerny et al. 2001). Insgesamt scheint das Medikament von den
Patienten eher akzeptiert zu werden als CPA, was an der verträg-
licheren Applikationsform (nur alle drei Monate und in einer ge-
ringeren Substanzmenge) liegen mag. Nach einer eigenen Umfra-
ge in Deutschland werden in forensischen Einrichtungen LHRH-
Agonisten fast genauso häufig verordnet wie CPA, obwohl LHRH-
Agonisten bisher nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs
eingesetzt werden dürfen (Czerny et al. 2001). Ein Behandlungs-
protokoll für die unterschiedliche Behandlung mit LHRH-Agonis-
ten (hier: Leuprorelinacetat) und Cyproteronacetat haben Reilly
et al. (2000) vorgelegt (Tabelle 9).

9.3.4 Zusammenfassung zur Medikation

Zusammenfassend schlägt Bradford (2001) in einem Übersichts-


artikel einen Algorithmus zur kombinierten medikamentösen
und psychotherapeutischen Behandlung von Paraphilien (mit
strafrechtlicher Relevanz) vor und beruft sich dabei auf die Kate-
gorisierung der Paraphilien nach DSM-III-R in vier Unterkatego-
rien (1. milde, 2. moderate, 3. schwere, 4. katastrophale Störung).
Wir haben die Grundidee von Bradford übernommen, sie aber
entsprechend unserer eigenen klinischen Praxis modifiziert und
erweitert (Briken et al. 2003).
32 9 Therapie

Tabelle 9. Behandlungsprotokoll für Cyproteronacetat und Leuprorelinacetat (modifiziert


nach Reilly et al. 2000)
Cyproteronacetat Leuprorelinacetat
Einwilligungserklärung
Sollte alle möglichen Nebenwirkungen, einschließlich der Möglichkeit eines bleibenden
Hypogonadismus bei jahrelanger Anwendung enthalten.

Nebenwirkungen
– Blutdruckveränderungen, Ischämie, Verschlechterung von Herzfehlern, erhöhtes Risiko
von Phlebitis, Thrombosen und Embolie, Anämie, Senkung des Hämatokrit
– Osteoporose besonders bei gleichzeitiger Corticoidmedikation, Antikonvulsiva, Mangel
an Bewegung, exzessivem Alkohol- und Tabakgebrauch (möglicherweise bei Leupro-
relin stärker!)
– Hitzewallungen, Gewichtszunahme und Vergrößerung der Mammae (möglicher-
weise bei CPA stärker!)
– Trockene Haut, Haarverlust
– Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen,
– Schwindel, Brechreiz, Obstipation
– Temporäre renale Dysfunktion (bei Leuprorelin)

Kontraindikationen (gemeinsam)
– Allergie gegen die Substanz (bei Leuprorelin besonders Benzyl-Allergie bekannt)
– Aktive Hypophysen-Pathologie
– Thromboembolien in der Vorgeschichte

Kontraindikationen (getrennt)
– Schwere Leberschäden, -tumoren

Voruntersuchungen
– FSH, LH, Testosteron
– Prolactin
– Gewicht, RR., EKG
– Serum Calcium und Phosphat
– Blutzucker und Leber-Enzyme (AST, ALT, GGT)
– Harnstoff, Kreatinin
– Osteodensitometrie
a9.3 Medikation 33

Tabelle 9 (Fortsetzung)
Cyproteronacetat Leuprorelinacetat
Verlaufsuntersuchung
– Testosteron zuerst monatlich, dann alle vier Monate
– Kardiovaskulärer Status alle drei Monate
– LH und Prolactin alle 6 Monate
– Regelmäßige Gewichtskontrolle

– Leberfunktion – Harnstoff, Kreatinin halbjährl.


– Blutzucker – Osteodensitometrie jährlich
– Calcium und Phosphat

Dieser Behandlungs-Algorithmus geht zunächst von drei bereits


erwähnten Schwerestufen aus: milde (oder leichte) Präferenz-
störung ohne Fremdschädigung (sie stört nur den Betroffenen
selbst), Präferenzstörung im eigentlichen Sinn, die die Interessen
des „Anderen“ nicht mehr berücksichtigen kann, und die schwe-
re Präferenzstörung mit Progredienz- oder Sadismus-Zeichen
(siehe Abschnitt C Algorithmus 2).
10 Verlauf und Prognose

Verlaufsdaten und Instrumente für die Beurteilung der Prognose


vor oder nach Therapie bei sexuellen Präferenzstörungen sind
v. a. für Straftäter verfügbar.
Man unterscheidet zwischen zwei Kategorien von prognostisch
relevanten Faktoren: statische, d. h. nicht veränderbare Risikofak-
toren, die sich aus der Vergangenheit des Patienten bzw. Straftä-
ters ergeben und dynamische, variable Risikofaktoren, die sich
z. B. durch therapeutische Interventionen im Laufe der Zeit wan-
deln können. Prinzipiell gilt früheres Verhalten als der beste Prä-
diktor für zukünftiges Verhalten, d. h. der Zahl und Art von
früheren (sexuellen) Übergriffen und Delikten kommt großes Ge-
wicht für die Prognose zukünftiger (Sexual-) Straftaten zu.
Anti- bzw. Dissozialität hat sich als ein nur schwer modifizier-
bares Persönlichkeitsmerkmal mit einem hohen Risiko einer kri-
minellen und gewalttätigen Entwicklung bzw. erneuter Straftaten
überhaupt erwiesen. Die Psychopathy Checklist Revised (PCL-R)
(Hare et al. 1990, 2000, Hare 1991), zwanzig Items/Screening-Ver-
sion (PCL-SV) zwölf Items (Hart et al. 1996, Freese 1998) ist ein
gut validiertes Fremdbeurteilungs-Instrument zur operationali-
sierten Messung von ausgeprägter Antisozialität. Die damit zu di-
agnostizierende psychopathy entspricht einer schweren anti- bzw.
dissozialen Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, nar-
zisstischen und histrionischen Anteilen (Millon et al. 1998). Der
prädiktive Wert der PCL-R hinsichtlich erneuter Straf- und ins-
besondere Gewaltdelikte ist durch zahlreiche Studien gut belegt
(Hare et al. 2000, Salekin et al. 1996), auch für die Vorhersage
von sexueller Gewalttätigkeit. In einer Studie erwies sich die
Kombination von PCL-R Summenwert und phallometrisch ge-
messene deviante sexuelle Erregbarkeit als bester Prädiktor für
a10 Verlauf und Prognose 35

erneute Sexualdelikte (Rice und Harris 1997, vgl. auch Quinsey


et al. 1995).
Spezifischere Prognoseinstrumente mit deliktspezifischen Risi-
kofaktoren berücksichtigen neben der Zahl von einschlägigen wie
anderen Vordelikten die Art des Delikts, Bekanntheitsgrad zwi-
schen Täter und Opfer, Alter und Geschlecht des Opfers und Aus-
maß der Gewaltanwendung (z. B. RRASOR – Rapid Risk Assess-
ment for Sexual Offence Recidivism (Hanson 1997); SORAG
(Quinsey et al. 1998); Static 99 (Hanson und Thornton 1999,
2000)). Eine höhere Rückfälligkeit wird einerseits bei weniger
gravierenden, sog. „Hands-Off“-Delikten (Exhibitionismus, Voy-
eurismus) gefunden, aber auch bei extrafamiliärem sexuellem
Missbrauch (im Vergleich zu intrafamiliärem) und fremden bzw.
wenig bekannten Opfern, in manchen Studien auch bei männ-
lichen Opfern (Übersicht bei Prentky und Burgess 2000).
Kognitiv-behaviorale Psychotherapie gilt heute als effektiv,
wenn sie abgeschlossen werden kann (Hanson und Bussiere 1998,
Rehder 2001, Berner et al. 2007) und in diesem Fall als risiko-
mindernd.
Weitere empirisch belegte oder nach Experteneinschätzung rele-
vante Faktoren fanden Eingang in den SVR-20 – Sexual Violence
Risk Assessment mit zwanzig Items (deutsche Fassung Boer et al.
1997). Beim SVR-20 gelten als prognostisch ungünstige Faktoren
frühere Gewalt- wie auch Nicht-Gewalt-Delikte, früheres Bewäh-
rungsversagen, eigene Misshandlungs- und Missbrauchserfahrun-
gen in der Kindheit, Beziehungs- und Beschäftigungsprobleme,
Substanzmissbrauch, gravierende seelische Störung, suizidale
oder homizidale Gedanken und ein hoher PCL-R-Wert. Hinsicht-
lich der sexuellen Entwicklung sind prognostisch ungünstige
Faktoren das Vorliegen einer sexuellen Deviation, multiple For-
men und hohe Frequenz von Sexualdelikten, physische Verlet-
zung des Opfers, Waffengebrauch oder Todesdrohung, Progre-
dienz der Sexualdelikte, extremes Bagatellisieren oder Leugnen
sowie deliktfördernde Ansichten. Zusätzlich werden auf die Zu-
kunft gerichtete Faktoren berücksichtigt (Ablehnung therapeuti-
scher oder anderer Interventionen, Fehlen realistischer Zukunfts-
pläne). Die prognostische Gesamtbewertung soll nicht allein aus
36 10 Verlauf und Prognose

dem Summenwert gebildet werden, „Homizidale Gedanken“ oder


„sexuelle Deviation“ sind anders zu gewichten als „Beschäfti-
gungsprobleme“.
Das in Deutschland von Rehder (2001) anhand empirischer
Daten an 245 Sexualstraftätern entwickelte Instrument (RRS –
Rückfallsrisiko bei Sexualstraftätern) differenziert zwischen Miss-
brauchs- und Vergewaltigungstätern, wurde bisher jedoch noch
nicht in weiteren retro- oder prospektiven Studien überprüft. Als
prognostisch ungünstig werden gewertet: geringes Alter beim
ersten Sexualdelikt, hohe Zahl von einschlägigen Vorverurteilun-
gen oder Opfern, wenig bzw. unbekanntes Opfer, geplante Tat,
Hafterfahrung, „depressive Persönlichkeitsanteile“ 9, schlechte
Bindungs- und Beziehungsfähigkeit und Mangel an sozialer Kom-
petenz oder beruflicher Leistungsbereitschaft. Alkoholisierung
zum Tatzeitpunkt, Bedrohung des Opfers, „konventionelles“ (rigi-
des – männliches) Geschlechtsrollenverständnis und gestörte Rea-
litätseinschätzung erwiesen sich nur bei Vergewaltigern als rück-
fallrelevant.

9
Nicht im Sinne der „major depression“ sondern eher der Dysphorie zu ver-
stehen.
11 Rechtsfragen

Prinzipiell gliedert sich die Therapie im Rahmen der Psychiatrie


immer in eine freiwillige, bei der es, wie sonst auch in der Medizin,
nur dann zur Behandlung kommt, wenn der Therapeut eine Stö-
rung diagnostiziert und der Patient die Therapie wünscht, und eine
nicht freiwillige Behandlung, die indiziert wird, wenn eine psychia-
trisch benennbare Störung vorliegt, gleichzeitig akute Selbst- und
oder Fremdgefährdung besteht und fehlende Einsicht des Patienten
in die Behandlungsnotwendigkeit. Da auch bei den Patienten, die
aus eigenem Antrieb eine Poliklinik oder einen niedergelassenen
Therapeuten aufsuchen, soziale Bewertungen ihrer Störung für
die Entscheidung zur Therapie eine wesentliche Rolle spielen, ist
bei allen Therapiesuchenden von einer konfliktreichen Motivation
auszugehen. Freiwilligkeit hat daher eine unscharfe Grenze.
Nach der im ersten Teil vorgegebenen Differentialdiagnostik
ist zunächst zu klären, wie sehr der Patient in der Lage ist, Inte-
ressen seiner Partner wahrzunehmen und sie zu berücksichtigen
(siehe Abschnitt C Algorithmus 1). Ist dies der Fall, können eine
Psychotherapie oder psychoedukative Gespräche auch in Kom-
bination mit milder medikamentöser Therapie mit SSRIs indi-
ziert und dann rechtlich höchstens empfohlen werden. Wird
Selbst- oder Fremdgefährdung nach den genannten Kriterien
nicht ausgeschlossen, müssen Therapieverfahren ins Auge gefasst
werden, die sexuelle Betätigung einschränken. In Strafverfahren
kann das Gericht (bei Fremdgefährdung) unterschiedliche Wei-
sungen geben, die bindend eingehalten werden müssen.
Die Einweisung in den Maßregelvollzug (§ 63 StGB) erfolgt auf
richterliche Anordnung ohne besonderes Einverständnis des Be-
troffenen oder der Anstalt, wenn aufgrund einer Störung oder
Erkrankung eine zumindest erheblich verminderte oder aufgeho-
38 11 Rechtsfragen

bene Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) vorliegen und erhebliche wei-


tere Delikte zu erwarten sind. In einem mehrstufigen Prozess
muss zunächst die klinische Diagnose gestellt, diese dann im
Hinblick auf den Ausprägungsgrad einem juristischen Krank-
heitsbegriff zugeordnet und in der Auswirkung auf die konkrete
Tat geprüft werden. Ein Aushandeln der Therapie zwischen dem
„Patienten“ und der aufnehmenden Institution ist nicht möglich.
Die Entlassung aus dem Maßregelvollzug ist sehr strikt an Thera-
pie und Kontrolle der Therapie durch externe Gutachter gebun-
den. Man sollte die Maßregelunterbringung nur auf schwere Fälle
mit hohem Risiko beschränken; dazu gehören neben den psycho-
tisch Erkrankten Personen mit schweren und sadistischen Ag-
gressionsdelikten, bei denen meist gleichzeitig mit der Psycho-
therapie auch medikamentöse Therapie indiziert ist. Eine Einwei-
sung in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Straftäter nach
§ 64 StGB ist nicht an verminderte oder aufgehobene Schuldfä-
higkeit gebunden und wird bei Sexualstraftätern seltener ange-
ordnet, obwohl die Alkohol- und Drogenabhängigkeit eine häufi-
ge Komorbidität bei Präferenzstörungen darstellt.
Die Gruppe der Untergebrachten im Maßregelvollzug ist mit
etwa 1–2% der verurteilten Sexualstraftäter relativ klein. Für die
anderen sollte im Rahmen des Strafvollzuges eine deliktspezifi-
sche Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt ins Auge
gefasst werden. Die Verlegung in eine sozialtherapeutische An-
stalt wird nach § 9 des StVG geregelt. Für mittelgradig persön-
lichkeitsgestörte Patienten – Borderline-Struktur mit antisozialen
Zügen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung – ist diese Vor-
gangsweise oft die günstigste Regelung. Aktive Mitarbeit und
Mitentscheidung der Betroffenen spielt in der Sozialtherapie eine
größere Rolle, als in der reglementierten Maßregel.
Aber auch für die vielen Sexualstraftäter, die wohl auch in Zu-
kunft im Regelvollzug bleiben werden, sollten neuere Therapie-
angebote überlegt werden: Hier bieten sich besonders die kognitiv-
behavioralen umschriebenen Behandlungs-Programme (siehe Ka-
pitel 9) an, die zum Teil auch von speziell ausgebildeten Justizbeam-
ten durchgeführt werden können (zum Behandlungssetting für Se-
xualstraftäter im Überblick siehe Tabelle 10 und Berner et al. 2007).
a11 Rechtsfragen 39

Tabelle 10. Behandlungssetting für Sexualstraftäter

Fälle mit geringer Rückfall- Ambulante Therapie Individuelle Einzeltherapie


gefahr, wenig aggressive De- oder Gruppe, evtl. mit spe-
likte mit situativ bedingten zieller Themensetzung
Anlässen, „neurotische
Persönlichkeit“ mit Depressi-
vität im Vordergrund

Fälle mit größerer Gefähr- Therapieangebot im Themenzentrierte Gruppen-


lichkeit und Aggressivität, Regelvollzug therapie wie SOTP in Eng-
aber ohne „krankhafte see- land
lische Störung“, Feindselig-
keit gegen Frauen,
Empathiestörungen

Mittelgradig Persönlichkeits- Therapieangebot in der Multimodale integrierte The-


gestörte (Borderline-Struktur) sozialtherapeutischen rapien auch mit medika-
mit oder ohne antisoziale Anstalt mentöser Unterstützung,
Züge Nachbehandlung nach Ent-
lassung, „Rückfallverhütung“

Personen, bei denen die De- Einweisung nach § 64 in Multimodale integrierte The-
linguenz im Zusammenhang eine Entwöhnungs- rapien auch mit medika-
mit einer Abhängigkeits- therapie mentöser Unterstützung,
erkrankung steht Nachbehandlung nach Ent-
lassung, „Rückfallverhütung“

psychotische Patienten, Einweisung nach § 63 in Schwerpunkt aktive medika-


schwer Persönlichkeits- eine forensische Einrich- mentöse Behandlung mit
gestörte (Borderline-Struktur) tung unter der Voraus- begleitender psychosozialer
mit Sadismus, Narzissmus setzung aufgehobener Therapie
und/oder massiver Antisozia- (§ 20) oder verminderter
lität, die auch medikamen- Schuldfähigkeit (§ 21)
töse Behandlung notwendig
macht

Der Richter hat auch die Möglichkeit, eine ambulante Therapie


zu empfehlen oder in Form einer Weisung anzuordnen oder er
kann eine Einweisung in eine forensische Klinik „aussetzen“,
wenn eine ambulante Therapie als ausreichend Risiko mindernd
angesehen wird.
B. Kurzversion der Leitlinien
zur Diagnose, Therapie
und Prognose von Störungen
der sexuellen Präferenz bzw.
von Paraphilien
aB. Kurzversion der Leitlinien 43

Leitlinie 1: Diagnose
Im Kontext der Psychiatrie werden die Störungen der Sexualprä-
ferenz (ICD-10) als wiederholt auftretende intensive sexuelle Im-
pulse und Fantasien beschrieben, die sich auf ungewöhnliche Ge-
genstände oder Aktivitäten beziehen, als behandlungsbedürftig
gelten sie nur, wenn entsprechende Handlungen folgen oder
wenn sich die Betroffenen durch Fantasien und Impulse deutlich
(persönlich, beruflich oder sozial) beeinträchtigt fühlen und die
Präferenz mindestens sechs Monate besteht.
Zur besseren Eingrenzung des Begriffes „ungewöhnlich“ kann
die DSM-IV-Definition herangezogen werden: danach beziehen
sich Impulse oder Fantasien auf 1. nicht menschliche Objekte, 2.
das Leiden oder die Demütigung von sich selbst oder eines
Partners, oder 3. Kinder oder andere nicht einwilligende oder
nicht einwilligungsfähige Personen (Aspekt der „Beziehungs-
feindlichkeit“) (siehe Tabelle 1).

Nur in der Psychoanalyse findet der sonst nicht mehr gebrauchte


Begriff der Perversion noch Verwendung. Er bezeichnet eine ero-
tische Form der Feindseligkeit (also auch Beziehungsfeindlich-
keit), bei der eine Fantasie, die gewöhnlich ausagiert werden
muss, gelegentlich aber auch nur als Tagtraum erlebt wird, ein
traumatisches Kindheitserlebnis in einen Triumph als Erwachsener
umkehrt.

Leitlinie 2: Klassifikation unterschiedlicher Störungen


der Sexualpräferenz
Sollte entsprechend Tabelle 2 (nach ICD-10) erfolgen.
Im DSM IV wird Masochismus und Sadismus als getrennte
Störung aufgeführt, da trotz gelegentlichen gemeinsamen Auftre-
tens Masochismus häufiger im Kontext psychiatrischer Versor-
gung, Sadismus häufiger im forensischen Kontext gefunden wird.
Die Hervorhebung von Frotteurismus (Reiben am Körper anderer
z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln) im DSM-IV macht den
44 B. Kurzversion der Leitlinien

Aspekt der Beziehungsfeindlichkeit im amerikanischen Diagnose-


system besonders deutlich. Die Liste der gestörten Vorlieben
könnte unendlich fortgesetzt werden, daher müssen die meisten
Formen als „multiple, sonstige und nicht näher bezeichnete
Störungen“ klassifiziert werden. Unter der letzten Rubrik kann
auch die nicht-paraphile sexuelle Sucht als der Präferenzstörung
verwandt (Paraphilie-verwandte Störung) klassifiziert werden.

Leitlinie 3: Epidemiologie

Störungen der Sexualpräferenz treten weit überwiegend bei Män-


nern auf, wegen hoher Dunkelziffern ist aber ihre tatsächliche
Häufigkeit nicht abzuschätzen. Nur beim Sadomasochismus gibt
es einige Feldstudien, die auch die „nicht kranke“ Subkultur die-
ser sexuellen Vorliebe zu erforschen trachten. Nur 10% der er-
fassten Sadomasochisten sind Frauen.

Leitlinie 4: Ätiologie (siehe Tabelle 3)


Jede einzelne Störung ist multifaktoriell bedingt. Als biologische
Faktoren können gelegentlich unspezifische Beeinträchtigungen
der Gehirntätigkeit, Erkrankungen wie Epilepsie oder M. Parkin-
son sexuelle Präferenzstörungen begünstigen. Auch Störungen im
Stoffwechsel von Hormonen (Hypophysen-Gonaden-Achse) und
Neurotransmittern (Dopamin, Serotonin) werden für das Auftre-
ten einer Neigung zu Präferenzstörungen verantwortlich gemacht.
Störungen der Frühsozialisation wie „unsichere Bindung“ an
die Mutter oder traumatische Erlebnisse wie sexueller Miss-
brauch und körperliche Misshandlungen werden häufiger gefun-
den (so genannte „distale Ursachen“). Frustrationen in der aktu-
ellen Lebenssituation (Partner- und Arbeitskrisen) können als
„proximale Ursachen“ den Charakter von „Auslösern“ für die
Symptomatik haben. Häufig dient die paraphile Symptomatik der
Selbsttröstung.
aB. Kurzversion der Leitlinien 45

Leitlinie 5: Klinische Bilder

– Fetischismus (F 65.0): Die einfachste Erklärung für das Auftre-


ten des Fetischismus ist eine pars pro toto-Bildung 10, das
heißt, die Präferenzstörung entspricht einer Einschränkung der
Fähigkeit, sich sexuell stimulieren zu lassen, auf einige wenige,
sehr umschriebene Reize. Eine Sonderform ist der fetischisti-
sche Transvestitismus (F 65.1).
– Exhibitionismus (F 65.2): Die pars pro toto-Bildung bezieht
sich auf das Präsentieren des Genitales (erigiert oder uneri-
giert). Häufig bei einem Mangel an Selbstbestätigung in der
Partnerschaft. Wird auch in Kombination mit Voyeurismus,
Frotteurismus, Sadomasochismus, Transvestitismus oder Pädo-
philie gefunden.
– Voyeurismus (F 65.3): Gegenstück zum Exhibitionismus. Die
Neigung, anderen bei intimen Handlungen heimlich zuzuse-
hen, ist verbunden mit sexueller Erregung. Es besteht nicht
der Wunsch, eine Beziehung einzugehen.
– Pädophilie (F 65.4): Man unterscheidet die ausschließliche von
der nicht ausschließlichen Pädophilie und eine heterosexuelle
von einer homosexuellen, obwohl es auch einen beträchtlichen
Anteil „gemischt orientierter“ Pädophiler gibt. Ein Altersunter-
schied von mindestens fünf Jahren zwischen „Täter“ und „Op-
fer“ pädophiler Handlungen und ein Mindestalter des Täters
(der Täterin) von 16 Jahren ist für die Diagnose erforderlich.

10
Die lateinische Bezeichnung „pars pro toto“ heißt, dass ein Teil für das
Ganze genommen wird. Das Ganze bedeutet in diesem Fall eine ’Vielfalt
sexueller Stimulierungsmöglichkeiten bzw. ein ganzheitliches sexuelles Er-
leben. Unter dem Ganzen ist nicht ein bestimmtes sexuelles Ideal – wie
z. B. heterosexuelle Kohabilitation mit dem Ziel des Zeugens von Kindern
– gemeint.
46 B. Kurzversion der Leitlinien

– Sadomasochismus (F 56.5): Der Sadomasochist benötigt als Er-


regungsvoraussetzung das Erleben von (aktiv ausgeübter oder
passiv erlittener) Dominanz. Die oft gewünschten Schmerzrei-
ze oder das Leiden unterstreichen mehr den Charakter der Un-
terwerfung als an sich lustvoll zu sein. Isolierter Masochismus
geht eher mit einer gehemmten Persönlichkeitsstruktur und
Neigung zu Abhängigkeit, Depression und Angst einher, wäh-
rend isolierter Sadismus häufiger in Kombination mit einer
antisozialen Persönlichkeit gefunden wird.
– Sonstige bzw. nicht näher bezeichnete Störungen der Sexual-
präferenz (F 65.8, F 65.9): Phänomene wie obszöne Telefonan-
rufe, Koprophilie, Urophilie, Klismaphilie, Zoophilie, die Nut-
zung der Anoxie zur Steigerung der sexuellen Erregung, Vor-
liebe für Partner mit anatomischen Abnormitäten wie zum
Beispiel amputierten Gliedmaßen (Amelotatismus). Von man-
chen wird auch zwanghafte Masturbation, zwanghaft ausge-
dehnte hetero- oder homosexuelle Promiskuität oder die Ab-
hängigkeit von Pornographie oder Telefonsex (Paraphilie-ver-
wandte Störung) dazu gerechnet.

Leitlinie 6: Objektivierung der Diagnose

Bei der Penisplethysmographie wird bei Vorgabe bestimmter vi-


sueller oder akustischer sexueller Stimuli die Erektion des Man-
nes entweder durch Registrierung der Zunahme des Volumens
oder nur des Umfanges des Penis gemessen. Die Methode ist an-
fällig für Täuschungen, ein negativer Befund (keine Volumen-
oder Umfangszunahme) kann nicht, ein positiver nicht sicher
verwertet werden, da die Stimulierbarkeit durch außergewöhn-
liche Reize allein nicht ausreicht, eine bestimmte Präferenz anzu-
nehmen. Im angloamerikanischen Raum wird die Penisplethys-
mographie häufiger zur Diagnostik insbesondere der Pädophilie
oder des sexuellen Sadismus herangezogen. Oft ist eine Objekti-
vierung der Diagnose nur durch Fremdanamnese möglich. Die
Diagnose einer Präferenzstörung ist erst dann zu stellen, wenn
aB. Kurzversion der Leitlinien 47

eines oder mehrere der angeführten Symptome im Zeitraum von


6 Monaten mehrmals aufgetreten sind (siehe Abschnitt C Algo-
rithmus 1).

Leitlinie 7: Schweregrad der Störung der Sexualpräferenz

Der Schweregrad lässt sich an zwei Kriterien festmachen: Der so


genannten „Progredienz“ der Störung (oder dem gleichzeitigem
Vorkommen von einer Störung der Sexualpräferenz und einer
„Paraphilie-verwandten Störung“ im Sinne einer hohen Sexuali-
sierung als Copingstrategie) oder die Kombination jeder Störung
der Sexualpräferenz mit irgendeiner Form des Sadismus (Tabellen
4, 5 und 6).

Leitlinien 8: Komorbidität
Es ist prinzipiell an folgende komorbide Störungen zu denken
(Tabelle 7):
– Psychoorganische Beeinträchtigung und schizophrene Psycho-
sen (bis zu 5%)
– Affektive Störungen (schwere (major Depression) bis zu 30%,
leichte bis zu 60%)
– Sucht und Angststörungen (bis zu 80%)
– Zwangsstörungen (bis zu 10%)
– Impulskontrollstörungen (als Differentialdiagnose aber auch
bei etwa 20% als komorbide Störung)
– Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHD):
bei paraphilen Patienten bzw. Sexualstraftätern finden sich in
der Vorgeschichte gehäuft Aufmerksamkeitsdezifit-Hyperakti-
vitäts-Syndrome in der Kindheit und Jugend, z. T. auch noch
im Erwachsenenalter.
– Persönlichkeitsstörungen: bis zu 90% bei Straftätern mit Sa-
dismus und Pädophilie.
48 B. Kurzversion der Leitlinien

Leitlinie 9: Therapie

Die Psychotherapie stellt die „Basisbehandlung“ der Störungen


der Sexualpräferenz dar. Sie wird gegebenenfalls (entsprechend
der Komorbidität oder der Schwere und Gefährlichkeit der
Störung) kombiniert mit medikamentöser Therapie (siehe Ab-
schnitt C Algorithmus 2). An Medikation kommt antihormonelle
Therapie mit Cyproteronacetat und GnRH-Agonisten (siehe Ta-
belle 9) oder eine Behandlung mit SSRI zur Anwendung.
Bei Präferenzstörungen, die zu Straftaten führen (v. a. Pädophi-
lie und Sadismus), haben sich in letzter Zeit besonders gezielte
kognitiv-verhaltenstherapeutische Programme etabliert, die meist
als Gruppentherapie angeboten werden (siehe Tabelle 8).

Leitlinie 10: Verlauf und Prognose

Bei fixierten Störungen der Sexualpräferenz mit Ausschließlichkeit


ist Beeinflussbarkeit äußerst fraglich. Allerdings kann oft eine bes-
sere Kontrolle über die paraphilen Impulse erreicht werden. Bei
Straftätern mit Störungen der Sexualpräferenz sind die beiden
wichtigsten zusätzlichen prognostischen Faktoren die Anzahl
früherer ähnlicher Auffälligkeiten und das gleichzeitige Vorliegen
einer antisozialen Persönlichkeitsstörung. Für eine standardisierte
Risikoeinschätzung kommen heute in der forensischen Psychiatrie
Prognoseinstrumente zur Anwendung:
1. PCL-R und PCL-R-SV zur Beurteilung schwerer Antisozialität
2. SVR-20 zur Risikoeinschätzung von sexuellen Gewalttaten
3. RRS zur Beurteilung von Sexualstraftätern im Strafvollzug.
aB. Kurzversion der Leitlinien 49

Leitlinie 11: Rechtsfragen


Prinzipiell gliedert sich jede Therapie im Rahmen der Psychiatrie
in eine freiwillige (wenn der Therapeut eine behandelbare Stö-
rung diagnostiziert und der Patient die Therapie wünscht) und
eine nicht freiwillige Behandlung (wenn eine psychiatrisch be-
nennbare Störung vorliegt, gleichzeitig akute Selbst- und/oder
Fremdgefährdung und fehlende Einsicht des Patienten in die Be-
handlungsnotwendigkeit).
Bei Störungen der Sexualpräferenz stellt sich die Frage, wie
sehr der Patient in der Lage ist, Interessen seiner Partner wahr-
zunehmen und sie zu berücksichtigen (siehe Abschnitt C Algo-
rithmus 1). Ist dies der Fall, können eine Psychotherapie oder
psychoedukative Gespräche auch in Kombination mit milder me-
dikamentöser Therapie mit SSRIs indiziert werden. Wird Selbst-
oder Fremdgefährdung nach den genannten Kriterien nicht aus-
geschlossen, müssen Therapieverfahren ins Auge gefasst werden,
welche die sexuelle Betätigung einschränken. In Strafverfahren
kann das Gericht (bei Fremdgefährdung) unterschiedliche Wei-
sungen geben, die bindend eingehalten werden müssen (siehe Ta-
belle 10):
1. Einweisung in den Maßregelvollzug (§ 63 StGB): auf richterli-
che Anordnung, auch ohne Einverständnis des Betroffenen
oder der Anstalt, wenn aufgrund einer Störung oder Erkran-
kung eine zumindest erheblich verminderte oder aufgehobene
Schuldfähigkeit (§21 StGB) vorliegen und erhebliche weitere
Delikte zu erwarten sind. In einem mehrstufigen Prozess muss
zunächst die klinische Diagnose gestellt, diese dann im Hin-
blick auf den Ausprägungsgrad einem juristischen Krankheits-
begriff zugeordnet und in der Auswirkung auf die konkrete
Tat geprüft werden. Die Entlassung aus der Maßregel ist erst
nach einem Gutachten möglich, das feststellt, dass Gefährlich-
keit nicht mehr besteht. Maßregelunterbringung sollte nur auf
schwere Fälle mit hohem Risiko beschränkt bleiben: psycho-
tisch (oder ähnlich schwer) erkrankte Personen mit schweren
Aggressionsdelikten, aber auch schwere, süchtig-progrediente
Störungen der Sexualpräferenz oft in Kombination mit schwe-
50 B. Kurzversion der Leitlinien

ren Persönlichkeitsstörungen, bei denen gleichzeitig mit der


Psychotherapie auch medikamentöse Therapie indiziert ist.
2. Eine Einweisung in eine Anstalt für suchtkranke Straftäter
nach § 64 StGB, die nicht an die Minderung der Schuldfähig-
keit gebunden ist, wird bei Sexualstraftätern selten angeordnet,
obwohl die Alkohol- und Drogenabhängigkeit eine häufige Ko-
morbidität bei Präferenzstörungen darstellt.
3. Für die anderen Straftäter sollte im Rahmen des Strafvollzuges
eine deliktspezifische Behandlung in einer sozialtherapeutischen
Anstalt ins Auge gefasst werden. Die Verlegung in eine sozial-
therapeutische Anstalt wird nach § 9 des StVG geregelt (güns-
tigste Vorgangsweise für mittelgradig persönlichkeitsgestörte
Patienten, bei denen aktivere Mitarbeit und Mitentscheidung
im Therapieprozess notwendig sind).
4. In weniger gefährlichen Fällen kann auch durch das Gericht
eine Weisung zu einer ambulanten Therapie erfolgen.
C. Algorithmen der Leitlinien
zur Diagnose, Therapie
und Prognose von Störungen
der sexuellen Präferenz bzw.
von Paraphilien
aC. Algorithmen der Leitlinien 53

Algorithmus 1: Diagnoseerstellung
54 C. Algorithmen der Leitlinien

Algorithmus 2: Kombinierte Psycho- und


medikamentöse Therapie

Intensität der Störung


Literaturverzeichnis

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