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Einführung in die Psychologie

Begleitheft zum Lehrbuch Psychologie


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APSYH01
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Viviane Scherenberg

Einführung in die Psychologie


Begleitheft zum Lehrbuch Psychologie

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APSYH01
©

Prof. Dr. Viviane Scherenberg MPH


(geb. 1971) ist seit Mitte 2009 als Autorin und Lehrbeauftragte für den Be-
reich Public Health und seit April 2011 als Dekanin Prävention und Gesund-
heitsförderung an der APOLLON Hochschule für Gesundheitswirtschaft in
Bremen tätig. Zuvor studierte sie Betriebswirtschaft (Schwerpunkt Marke-
ting) an der Hochschule AKAD, Angewandte Gesundheitswissenschaften
und Public Health an der Universität Bielefeld und promovierte am Zentrum
für Sozialpolitik (Universität Bremen) bei Herrn Prof. Dr. Gerd Glaeske. Sie
verfügt zudem über eine Ausbildung als psychologische Beraterin (ALH). Vor
ihrer Hochschultätigkeit war sie 8 Jahre in der Industrie und 13 Jahre in einer
Marketingagentur (u. a. Leitung des Bereichs Health- & Socialcare). Sie ist Autorin zahlreicher Publi-
kationen und engagiert sich ehrenamtlich in diversen Verbänden (z. B. BDVB: Fachgruppe s3 – Soziale
Sicherungssysteme, Gesundheitsökonomie; Gesellschaft für Nachhaltigkeit).

Werden Personenbezeichnungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur in der männlichen oder
weiblichen Form verwendet, so schließt dies das jeweils andere Geschlecht mit ein.
Falls wir in unseren Studienheften auf Seiten im Internet verweisen, haben wir diese nach sorgfäl-
tigen Erwägungen ausgewählt. Auf Inhalt und Gestaltung haben wir jedoch keinen Einfluss. Wir
distanzieren uns daher ausdrücklich von diesen Seiten, soweit darin rechtswidrige, insbesondere
jugendgefährdende oder verfassungsfeindliche Inhalte zutage treten sollten.
Einführung in die Psychologie
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Begleitheft zum Lehrbuch Psychologie

Inhaltsverzeichnis
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Einleitung ....................................................................................................................... 1

1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft ............................................... 5


1.1 Alltagspsychologie versus wissenschaftliche Psychologie ...................... 5
1.2 Definitionen und Ziele der wissenschaftlichen Psychologie .................. 8
1.3 Wissenswertes zum Fachterminus der wissenschaftlichen Psychologie 10
1.4 Historische Wurzeln der wissenschaftlichen Psychologie ...................... 13
1.5 Ansätze und Perspektiven der Psychologie .............................................. 14
Zusammenfassung .................................................................................................... 16
Aufgaben zur Selbstüberprüfung ............................................................................ 16

2 Wissenschaftliche Psychologie und ihre Disziplinen ........................................ 18


2.1 Psychologische Grundlagendisziplinen .................................................... 21
2.2 Psychologische Methodendisziplinen ....................................................... 26
2.3 Psychologische Anwendungsdisziplinen .................................................. 28
2.4 Psychologische Nachbardisziplinen .......................................................... 32
Zusammenfassung .................................................................................................... 33
Aufgaben zur Selbstüberprüfung ............................................................................ 33

3 Psychologie als Beruf ............................................................................................. 35


3.1 Arbeits- und Tätigkeitsfelder der angewandten Psychologie ................. 35
3.2 Berufsbezeichnungen und berufliche Abgrenzungen ............................. 39
Zusammenfassung .................................................................................................... 41
Aufgaben zur Selbstüberprüfung ............................................................................ 41

Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 42

Anhang
A. Bearbeitungshinweise zu den Übungen .................................................... 43
B. Lösungen der Aufgaben zur Selbstüberprüfung ...................................... 48
C. Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. 51
D. Glossar .......................................................................................................... 52
E. Literaturverzeichnis .................................................................................... 53
F. Abbildungsverzeichnis ............................................................................... 57
G. Tabellenverzeichnis ..................................................................................... 58
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H. Sachwortverzeichnis ................................................................................... 59
I. Einsendeaufgabe ......................................................................................... 61
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Einleitung
APSYH01Einführung in die Psychologie0515K02

Liebe Studierende,
der französische Wegbereiter der Psychotherapie Pierre Janet (1859–1947) sagte einmal:
„Die Psychologie berührt wirklich alles. Sie ist universell, überall gibt es psycho-
logische Tatsachen.“ (Janet, zitiert nach Daco, 2002, S. 19)
Damit hat er in der Tat Recht und so können wir Sie nur dazu beglückwünschen, dass
Sie sich für dieses äußerst interessante Studienfach entschieden haben, das neben Jura,
Betriebswirtschaftslehre, Physik und Mathematik als eine der Basiswissenschaften be-
zeichnet werden kann.
Sie werden persönlich unterschiedliche Gründe dafür haben, warum Sie dieses spannen-
de Studienfach gewählt haben. Fragt man Studierende nach den Motiven für die Wahl
ihres Psychologiestudiums, so antworten die meisten von ihnen, dass sie sich für Psy-
chologie entschieden haben, um „persönlich und beruflich helfen zu können“, um „Men-
schenkenntnisse zu gewinnen“ oder dass es ein „subjektiv-persönliches Interesse“ sei
(vgl. Hofmann; Stiksrud, 1993, S. 253 f. zitiert nach Witte; Brasch, 1991). Ohne Zweifel
werden Sie während Ihres Studiums auch sehr viel über Ihr eigenes Verhalten und das
Ihrer Umgebung lernen. Dabei sollten Sie Ihr Psychologiestudium jedoch bitte nie-
mals als Selbstzweck – oder gar als Selbsttherapie verstehen. Ebenso wenig sollte
es dazu führen, dass Sie Ihre Umgebung nur noch analysieren oder gar manipulie-
ren wollen.
Die Psychologie als Wissenschaft bietet für Sie und Ihre berufliche Zukunft wesentlich
mehr Perspektiven: Als Studierende des Faches Angewandte Psychologie werden Sie die
Psychologie zukünftig als Mittel zum Zweck verstehen, um die wissenschaftlichen Er-
kenntnisse über das Verhalten und Erleben positiv zum praktischen Nutzen anzuwen-
den. Denn die Wissenschaft der angewandten Psychologie fragt besonders nach der
praktischen Verwendbarkeit gewonnener theoretischer Erkenntnisse und so werden Sie
sich auch mit den psychologischen Grundlagen- und Methodendisziplinen (Kapitel 2)
sowie den bedeutenden Nachbardisziplinen der Psychologie beschäftigen, damit Sie gut
auf Ihre umfangreichen beruflichen Verwirklichungsfelder vorbereitet sind (Kapitel 3).
Mit diesem Studienheft beginnt nun Ihre Reise in die Welt der Psychologie, auf der Sie
u. a. das Lehrbuch Psychologie von D. G. Myers begleiten wird. Wir hoffen der Erhalt
dieses „gewichtigen“ Lehrbuchs hat Sie nicht abgeschreckt. Falls doch, können wir Ihnen
aber die Angst nehmen: Es wird nicht erwartet, dass Sie das Lehrbuch vollständig durch-
lesen oder gar auswendig lernen. Vielmehr möchten wir Ihnen damit ein umfassendes
Nachschlagewerk zur Verfügung stellen, das Sie Ihr gesamtes Studium lang begleiten
soll. Es behandelt alle wichtigen psychologischen Bereiche und schult Sie gleichzeitig im
Umgang mit wissenschaftlicher Literatur. Im Rahmen des Moduls „Einführung in die
Psychologie und wissenschaftliches Arbeiten“ bearbeiten Sie mit diesem Begleitheft
vorerst nur das Einstiegskapitel Prolog: Die Geschichte der Psychologie sowie das Kapitel
2 Kritisch denken mit wissenschaftlicher Psychologie aus dem Lehrbuch.
Die Tatsache, dass das Wesen des Menschen und damit die Frage, wie er denkt, fühlt und
sich verhält, im Zentrum der Psychologie steht, macht sie zu einer sehr lebensnahen
Wissenschaft. Oft geht es um ganz alltägliche Fragestellungen, wie „Warum halten wir
gute Vorsätze oft nicht ein?“, „Warum denken wir, dass ein lauter Staubsauger besser
saugt als ein leiser?“ oder „Erhöht mehr Geld die Mitarbeitermotivation?“. Trotz des star-

APSYH01 1
Einleitung

ken Alltagsbezugs der Psychologie möchten wir Sie von Anfang an dafür sensibilisieren,
dass psychologische Erkenntnisse keineswegs auf Spekulationen und Vermutungen be-
ruhen, sondern mit Hilfe streng wissenschaftlicher Methoden gewonnen werden. Sie
werden bald merken, dass menschliches Erleben und Verhalten sehr komplex und in den
meisten Fällen nicht monokausal und undifferenziert zu erklären, geschweige denn vo-
rauszusagen sind. Sie werden in die Lage versetzt, vorschnelle Erklärungen für mensch-
liches Verhalten aus der sogenannten Alltagspsychologie kritisch zu hinterfragen und
psychologische Fragen differenziert zu beantworten. Dabei werden Sie insbesondere auf
Ihr Wissen aus den verschiedenen psychologischen Grundlagen- und Anwendungsdis-
ziplinen zurückgreifen, die Ihnen begegnen werden und die wir Ihnen in diesem Begleit-
heft bereits überblicksweise vorstellen möchten.
Sie haben sich nicht nur für ein lebensnahes und spannendes Fach entschieden, sondern
auch für ein zukunftsfähiges! Psychologische Kompetenzen gewinnen aufgrund gesell-
schaftlicher und ökonomischer Entwicklungen immer mehr an Bedeutung. So ist bei-
spielsweise in Bezug auf die Gesundheitswissenschaften der zunehmende Stellenwert
der Psychologie auf die Erkenntnis zurückzuführen, dass sich psychische Prozesse und
soziale Faktoren wesentlich auf das Erleben von Krankheit und Gesundheit auswirken.
Damit hat die Psychologie automatische Schnittmengen zu den Gesundheits- und Wirt-
schaftswissenschaften. Längst ist deutlich, dass sich aus diesem Grund das psychologi-
sche Arbeitsfeld immer mehr ausweitet. Hier soll dieses Begleitheft dazu beitragen, auf-
zuzeigen, welche potenziellen Berufs- und Tätigkeitsfelder sich für Sie als Absolvent der
APOLLON Hochschule ergeben.
Ich wünsche Ihnen einen hohen Erkenntnisgewinn, Inspiration und viel Spaß bei der Be-
arbeitung!
Herzliche Grüße
Ihre Viviane Scherenberg

Lernziele
Nach der Bearbeitung dieses Begleitheftes und der ausgewählten Kapitel des Lehrbuches
Psychologie von David G. Myers können Sie:
• den Einsatz des Lehrbuches in Ihrem Studiengang Angewandte Psychologie verorten
und mit wissenschaftlicher Literatur umgehen;
• zwischen der sogenannten Alltagspsychologie und wissenschaftlicher Psychologie
unterscheiden und vermeintlich psychologische (Alltags-)Aussagen kritisch bewer-
ten;
• die historische Entwicklung der Psychologie grob von ihren philosophischen Anfän-
gen bis hin zur modernen wissenschaftlichen Psychologie skizzieren;
• Psychologie und die einzelnen Elemente der Psychologie definieren;
• die zentralen Einflussfaktoren und Analyseniveaus der Psychologie (biologisch, so-
ziokulturell, psychologisch) skizzieren, die zur Erklärung menschlichen Verhaltens
herangezogen werden können;

2 APSYH01
Einleitung

• den Gegenstand der einzelnen psychologischen Teildisziplinen benennen und diese


den Grundlagen-, Anwendungs- und Methodendisziplinen zuordnen;
• die vielfältigen Arbeits- und Berufsfelder von Psychologen allgemein und speziell
diejenigen, die sich durch Ihr Bachelor-Studium Angewandte Psychologie der APOL-
LON Hochschule für Sie eröffnen, identifizieren.

Hinweis:
Um Ihnen nicht nur den Umgang mit dem Begleitheft und Lehrbuch von D. G. My-
ers, sondern das Lernen im Studium grundsätzlich zu erleichtern, sollten Sie den Ab-
schnitt Mit Psychologie lernen – Verbessern Sie Ihre Merkfähigkeit und Ihre Noten!
im Kapitel Prolog: Die Geschichte der Psychologie aufmerksam durchlesen. Hier er-
halten Sie wertvolle Tipps für den Umgang mit diesem Lehrbuch und den zugehöri-
gen Lernhilfen. Nutzen Sie auch die Verständnisfragen und die Schlüsselbegriffe, die
Ihnen das Lehrbuch am Ende jedes Kapitels zur Verfügung stellt, um Ihren Lernfort-
schritt zu strukturieren und Ihren Lernerfolg zu kontrollieren.
Zusätzlich zu dem Lehrbuch Psychologie steht Ihnen Internet-Bonusmaterial inkl.
Zusammenfassungen unter www.lehrbuch-psychologie.de zur Verfügung. Nutzen
Sie dieses, um den im Buch vermittelten Stoff zu vertiefen. Die Lösungen für die Ver-
ständnisfragen finden Sie ebenfalls auf dieser Internetseite.

APSYH01 3
Einleitung

4 APSYH01
1

1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft


In diesem Kapitel erhalten Sie einen Überblick über das Fach Psychologie und ih-
ren Bezug zur Wissenschaft. Sie erkennen nach der Bearbeitung den Unterschied
zwischen der Psychologie als Wissenschaftsdisziplin und der Alltagspsychologie
und können vermeintlich psychologische (Alltags-)Aussagen und Phänomene
kritisch bewerten. Zudem sind Sie in der Lage die historische Entwicklung der
Psychologie zu skizzieren, die Psychologie zu definieren und die einzelnen Defi-
nitionselemente zu beschreiben.

Die wohl allgemeinste und gängigste Definition von Psychologie stellt die Psychologie
als „die Wissenschaft vom menschlichen Verhalten und Erleben und deren Bedingungen“
dar (Dieterich, 2000, S. 12). Bevor wir aber in den folgenden Kapiteln genauer auf die
unterschiedlichen Definitionen, die Ziele und den Fachterminus der Psychologie sowie
ihre Entwicklungen eingehen, möchten wir Sie – als angehende Akademiker – noch ein-
mal für die Psychologie als Wissenschaft sensibilisieren und damit Ihr zukünftiges wis-
senschaftliches Selbstverständnis schärfen.
Ohne Zweifel, jeder Mensch beobachtet und analysiert andere Menschen und bildet sich
ein persönliches Urteil. Dies tun wir auch nicht mehr nur innerhalb unseres eigenen
Umfelds: Ein besonders beliebter TV-Trend der letzten Jahre sind sogenannte „Reality
Shows“ (z. B. Big Brother oder Deutschland sucht den Superstar). Die Beliebtheit solcher
Sendungen resultiert einerseits daraus, dass die Zuschauer sich im sozialen Vergleich
mit den Protagonisten mit diesen identifizieren (vgl. Schweiger, 2007, S. 132 f.) oder von
diesen abgrenzen. Andererseits können die Zuschauer auf der Basis von „persönlichen
Analysen“ Votings abgeben und erhalten so das Gefühl, einen (maßgeblichen) Einfluss
(und Macht) auf das Geschehen ausüben zu können. Diese Merkmale machen solche Re-
ality Shows für die Zuschauer attraktiv. Persönliche Bewertungen und die damit ver-
bundenen gut gemeinten Ratschläge, die man nicht nur in solchen Sendungen, sondern
z. B. auch bei Freunden findet, basieren auf Alltagserfahrungen und sind damit immer
durch unsere persönliche „Brille“ gefärbt. Aus diesem Grund werden wir im nächsten
Kapitel den genauen Unterschied zwischen der sogenannten Alltagspsychologie und der
Psychologie als Wissenschaft näher anschauen.

1.1 Alltagspsychologie versus wissenschaftliche Psychologie


Die in der Einführung angesprochenen – nicht auf der Grundlage von wissenschaftli-
chen Kriterien basierenden – Erkenntnisse werden unter dem Begriff „Alltagspsycholo-
gie“ (auch „naive“ Psychologie, Laien-, Küchen- oder Volkspsychologie) zusammenge-
fasst und halten meist den Erkenntnis-Maßstäben der wissenschaftlichen Psychologie
nicht stand (vgl. Abele, 2006, S. 396 f.). Alltagspsychologische Mythen entstehen z. B.
dadurch, dass davon ausgegangen wird, dass weit verbreitete Annahmen dem Stand der
Forschung entsprechen und ihre Gültigkeit durch persönlich gemachte Erfahrungen
weiter untermauert wird. Dies trifft unter anderem auf Geschlechterstereotypen, aber
auch bei vielen anderen Merkmalen wie beispielsweise dem Familienstand oder dem Al-
ter zu. Denken Sie z. B. an alleinerziehende Frauen, berufstätige Eltern oder übergewich-
tige Kinder. Merkmale wie diese bieten reichlich Material für in der Bevölkerung verfes-
tigte alltagspsychologische Mythen. Dass Frauen grundsätzlich wesentlich mehr reden
als Männer, stellt ein gutes Beispiel für einen solchen Mythos dar, obwohl dies bereits in
einer wissenschaftlichen Studie widerlegt werden konnte. Das Ergebnis dieser Studie

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1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft

zeigt, dass Frauen und Männer ungefähr gleich viel sprechen – nämlich rund 16.000
Worte pro Tag (vgl. Mehl et al., 2007). Zwar bezog sich die angesprochene Untersuchung
auf Studierende, allerdings wird davon ausgegangen, dass der im Vergleich zum Durch-
schnitt höhere Bildungsstand keine Auswirkung auf das Ergebnis hatte (vgl. Mehl et al.,
2007).
Die zentralen Unterschiede zwischen der sogenannten Alltagspsychologie und der wis-
senschaftlichen Psychologie lassen sich tabellarisch zusammenfassen:

Tab. 1.1: Wichtige Unterschiede zwischen Alltagspsychologie und wissenschaftlicher Psy-


chologie (vgl. Spaeth-Hilbert; Imhof, 2013, S. 15)

Alltagspsychologie Wissenschaftliche Psychologie


Datenbasis sind zufällige Ergebnisse. Datenbasis sind dokumentierte und wie-
derholbare Ergebnisse.
Theorien sind nicht oder nur schlecht Theorien sind in der Realität mit wissen-
überprüfbar und wiederholbar. schaftlichen Methoden überprüfbar.
Subjektiv geprägte und damit je nach Objektive Aussagen: Bei gleichem Sach-
„Alltagspsychologen“ unterschiedliche verhalt unter gleichen Bedingungen
Interpretationen. kommen verschiedene Forscher aufgrund
wissenschaftlicher Regeln zu gleichen Er-
gebnissen.
Dient der Orientierung, erlaubt rasche Dient der Gewichtung von verallgemein-
Entscheidungen in alltagsweltlichen Si- erbaren und gesicherten Kenntnissen
tuationen und vermittelt Handlungs- und über das menschliche Denken, Wahrneh-
Verhaltenssicherheit. men und Verhalten.

Als angehende psychologische Experten werden Sie lernen, (in Zukunft) alltagspsycho-
logische Mythen und unreflektierte Pauschalaussagen kritischer zu hinterfragen. Auch
Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Ursachen- und Wirkungsvariablen wer-
den Sie skeptischer betrachten, um diese ggf. empirisch zu überprüfen.

Übung 1.1:
Überlegen Sie sich noch ein paar Mythen der sogenannten Alltagspsychologie und
formulieren Sie diese bitte zu Fragestellungen um!

Oft finden sich in der sogenannten Alltagspsychologie widersprüchliche Behauptungen,


wie man am Beispiel folgender Sprichworte sehen kann, die Sie sicherlich kennen (vgl.
Hofstadter; Sander, 2014, S. 145):

„Gleich und gleich gesellt sich gern.“ jedoch „Gegensätze ziehen sich an.“
„Die Liebe wächst mit der Entfernung.“ jedoch „Aus den Augen, aus dem Sinn…“
„Zum Lernen ist es nie zu spät.“ jedoch „Was Hänschen nicht lernt, 
lernt Hans nimmermehr.“

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Einführung in die Psychologie als Wissenschaft 1

Alle diese Weisheiten mögen verallgemeinert durchaus ihre Berechtigung haben. Bei nä-
herer Betrachtung wird allerdings schnell klar, dass diese Volksweisheiten jeden beliebi-
gen Sachverhalt erklären können – wie wir es oft auch aus Horoskopen kennen. Solche
Scheinerklärungen treffen immer zu und bieten damit für jeden Sachverhalt eine Erklä-
rung (vgl. Asendorpf; Neyer 2012, S. 6).

Alltagspsychologie ist im Gegensatz zur wissenschaftlichen Psychologie subjek-


tiv, oft relativ zufällig, verallgemeinernd, unsystematisch, nicht überprüfbar (vgl.
Bündler et al. 2004, S. 13) und zudem nicht selten mit Widersprüchen behaftet (vgl.
Asendorpf; Neyer, 2012, S. 6).

Ein beliebter Denkfehler der Alltagspsychologie, für den wir Sie sensibilisieren möch-
ten, ist die Verwechselung von Zusammenhängen (Korrelationen) mit Ursachen (Kausa-
litäten). Vermeintlich psychologische Erkenntnisse (z. B. bezüglich der Eigenschaften,
Fähigkeiten oder auch Defizite von Personen) werden auf der Basis einzelner, leicht fest-
stellbarer und gut sichtbarer Merkmale (z. B. Familienstand, Geschlecht, Sternzeichen,
Entwicklungsphase, Geschwisterreihe) gewonnen. Solche psychologischen Rückschlüs-
se aufgrund einer einzigen Ursache (monokausale Erklärungen) zu ziehen, hält den An-
sprüchen der wissenschaftlichen Psychologie nicht stand. Denn die Ursachen für be-
stimmte menschliche Verhaltensweisen können höchst unterschiedlich sein (vgl.
Nolting, 2012, S. 27; Asendorpf; Neyer, 2012, S. 285), wie Ihnen das Beispiel 1.1 zeigt.

Beispiel 1.1:
Die nebenstehende Schlagzeile „Dicke
Kinder fallen oft auf Werbung rein“
verdeutlicht sehr eindrücklich, dass
Kausalzusammenhänge nicht so ein-
fach zu erklären sind. Stellen Sie ein-
mal folgende Fragen: Sind überge-
wichtige Kinder wirklich unkritischer
gegenüber Werbung? Oder zielt Wer-
bung eher auf die Essgewohnheiten
von übergewichtigen Kindern ab?
Oder schauen übergewichtige Kinder
aufgrund ihres Bewegungsverhaltens
einfach nur mehr fern, da sie sich mit-
unter aufgrund ihres Übergewichts so-
zial ausgegrenzt fühlen? Oder ist das
Gewicht gar nicht der entscheidende
Faktor, sondern dass es sich um Kinder
aus eher bildungsfernen Schichten
handelt? All diese Möglichkeiten
könnten theoretisch zutreffen, denn
die Komplexität der möglichen Ein-
flussfaktoren ist hoch.

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1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft

Wie Sie an Beispiel 1.1 sehen, sollten Sie entsprechend dafür geschult sein, in Zukunft
Schlagzeilen wie diese deutlich kritischer zu hinterfragen und nicht blindlings zu ver-
trauen. Beachten Sie, dass das, was wir aus psychologischer Sicht verstehen und erfassen
beziehungsweise interpretieren möchten, von vielen unterschiedlichen Faktoren abhän-
gig ist.
Auch wie Sie dieses Studium, das vorliegende Begleitheft, Ihre Studienkollegen oder Se-
minare wahrnehmen, hängt u. a. von der jeweiligen Situation und damit Ihrer Stim-
mung, der Stimmung Ihres Umfelds, Ihren individuellen Erfahrungen oder sogar der ak-
tuellen Wetterlage ab. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die menschliches Verhalten
beeinflussen, wie z. B. (vgl. Alterhoff; Thielepape, 2000, S. 15):
• Eigenschaften, Fähigkeiten, Einstellungen, Erfahrungen (als Ergebnis des Zusam-
menwirkens von Erbanlagen und Erziehung bzw. Sozialisation)
• Bedürfnisse und Motive (Hunger, Durst, Sicherheit, Anerkennung)
• Psychisches und physisches Be-/Empfinden (Gesundheit, Krankheit)
• Gefühle (Angst, Freude, Ekel, Verachtung, Liebe usw.)
• Faktoren der aktuellen Umwelt (Gesellschaft, Kultur, anwesende Personen, bei der
Arbeit, unter Freunden, auf einem Konzert etc.)

Nachdem Sie nun „eingestimmt“ sind in das wissenschaftliche und kritische Denken
der Psychologie, lesen Sie bitte das erste Unterkapitel „Die Notwendigkeit der Psycho-
logie als Wissenschaft“ aus Kapitel 2 „Kritisch denken mit wissenschaftlicher Psycho-
logie“ im Lehrbuch von David G. Myers. Schauen Sie sich vertiefend die Zusammen-
fassung dieses Kapitels auf der Internetseite www.lehrbuch-psychologie.de an und
beantworten Sie zur eigenen Übung die Verständnisfragen, deren Lösungen Sie eben-
falls auf der Internetseite finden.

Betrachten wir die Psychologie als Wissenschaft, so verfolgt sie dasselbe Ziel wie
alle Wissenschaften: Sie möchte bestimmte Vorgänge untersuchen, beschreiben,
verstehen, voraussagen und damit kontrollieren, um ihnen einen anderen (positive-
ren) Verlauf geben zu können (vgl. Bündler et al. 2004, S. 13).

1.2 Definitionen und Ziele der wissenschaftlichen Psychologie


Wahrscheinlich sind Sie bereits bei Ihrer ersten Lektüre im Lehrbuch Psychologie oder
schon im Vorfeld durch Ihre Recherchen in Bezug auf Ihre Studienwahl auf eine Defini-
tion der Psychologie gestoßen. Myers definiert die Psychologie als „die Wissenschaft
vom Verhalten und von den mentalen Prozessen“ (Myers, 2014, S. 6). Falls Sie versuchen
sollten, sich möglichst viele verschiedene Definitionen aus aktuellen Lehrbüchern zu-
sammenzusuchen, werden Sie schnell merken, dass diese Definition im Kern heutzutage
weltweit gängig ist. Allerdings war das nicht immer so, wie ein Blick in die Historie ver-
rät.

8 APSYH01
Einführung in die Psychologie als Wissenschaft 1

Wir möchten dies an den beiden folgenden Definitionen kurz erläutern:


1.) „Die Psychologie ist die Wissenschaft von den Inhalten und Vorgängen des
geistigen Lebens (…). Die Psychologie hat es mit Gegenständen der Innenwelt zu
tun.“ (Ebbinghaus, 1919, zitiert nach Mayer, 2005, S. 6)
2.) „Psychologie (…) ist ein vollkommen objektiver, experimenteller Zweig der
Naturwissenschaft. Ihr theoretisches Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle des
Verhaltens.“ (Watson, 1913 zitiert nach Mayer, 2005, S. 6)
Während die erste Definition hauptsächlich die mentalen Prozesse bzw. das Erleben fo-
kussiert, blendet die zweite Definition diesen Aspekt völlig aus. Sie beschreibt die Psy-
chologie als eine Verhaltenswissenschaft und betont die ihr zugrunde liegende Metho-
dik. Es wird deutlich, dass die Definitionen des frühen 20. Jahrhunderts sich noch
grundlegend voneinander unterschieden. Heute herrscht im Gegensatz dazu ein relati-
ver Konsens darüber, dass die Definition der Psychologie immer die Aspekte Wissen-
schaft, Erleben (oder mentale Prozesse) und Verhalten thematisiert. Auch wenn wir nach
wie vor den ursprünglich aus dem Altgriechischen entlehnten Begriff „Psychologie“ be-
nutzen, der wörtlich übersetzt „die Lehre von der Seele“ bedeutet (vgl. Kulbe, 2009,
S. 45), untersucht diese Wissenschaft neben dem Erleben gleichfalls das Verhalten. Ziel
der Psychologie ist dabei, es zu erklären und daraus Rückschlüsse auf innere Prozesse zu
ziehen und umgekehrt.

Übung 1.2:
Versuchen Sie, den Begriff Psychologie mit Ihren eigenen Worten zu definieren. Ver-
gleichen Sie nun Ihre Definition mit der von Myers und gehen Sie dabei auf deren
einzelne Elemente ein: Was versteht man genau unter mentalen Prozessen, Verhalten
und Wissenschaft?

Häufig werden im Zusammenhang mit der Definition von Psychologie bestimmte Ziele
genannt, die in Abb. 1.1 dargestellt sind. Diese sollten Sie in sequenzieller Abfolge be-
trachten, d. h. um ein Ziel zu erreichen, sind die diesem Ziel untergeordneten Ziele die
notwendige Voraussetzung.

Ziele der Psychologie: Verhalten … 4. beeinflussen


3. vorhersagen
2. erklären
1. beschreiben

Abb. 1.1: Ziele der Psychologie (vgl. Gerrig; Zimbardo, 2008, S. 6 f)

Bevor das Verhalten von Menschen beeinflusst werden kann, muss es zunächst objektiv
beobachtet und beschrieben werden. Ihre Beobachtungen darüber, wie sich Individuen
verhalten und unter welchen Bedingungen dieses Verhalten auftritt, zeichnen Psycholo-
gen auf und bezeichnen diese Aufzeichnungen als ihre Daten (vgl. Gerrig; Zimbardo,
2008, S. 4). Ein wichtiges Kriterium bei der Beobachtung ist die Objektivität, d. h. die er-
hobenen Daten dürfen nicht durch subjektive Blickwinkel, Verzerrungen oder Vorurteile
verzerrt werden (vgl. Gerrig; Zimbardo, 2008, S. 4).

APSYH01 9
1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft

Werfen Sie noch einmal einen Blick in das Teilkapitel 2.2 „Wie stellen und beantwor-
ten Psychologen Fragen?“ aus dem Lehrbuch von D. G. Myers. Insbesondere im Un-
terabschnitt 2.2.2 erhalten Sie eine gute Einleitung zur Beschreibung als Ausgangs-
punkt der psychologischen Forschungsmethoden.

Erst wenn Sie Verhalten beobachtet haben, können Sie versuchen, es zu erklären. An
dieser Stelle spielen Theorien eine entscheidende Rolle, denn diese müssen Sie zur Er-
klärung des beobachtbaren Verhaltens heranziehen. Wenn Sie eine Erklärung für ein
Verhalten gefunden haben, dann können Sie auch Aussagen über die Wahrscheinlichkeit
machen, mit der ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation auftreten wird.
Nach Ansicht von Gerrig und Zimbardo stellt die Kontrolle von Verhalten das zentrale
und wirksamste Ziel der Psychologie dar. Kontrolle bedeutet, Verhalten konkret beein-
flussen zu können, d. h. es zu starten, aufrechtzuerhalten, zu beenden, seine Form, Rich-
tung und Stärke zu beeinflussen (vgl. Gerrig; Zimbardo, 2008, S. 6).

Beispiel 1.2:
Um gesundheitsschädliche Verhaltensweisen wie das Rauchen einer Person zu be-
einflussen, ist Ihr erster Schritt, das Rauchverhalten genau zu beobachten. Sie be-
merken, dass das Verhalten in Gesellschaft, also sozialen Situationen, sowie bei
Stress am häufigsten auftritt. Sie erklären sich das Verhalten anhand der Theorie,
dass Rauchen als soziales Bindeglied sowie als Beruhigung für die Person dient.
Wenn diese Theorie stimmt, dann können Sie auch vorhersagen, dass die Person bei-
spielsweise unter Zeitdruck oder auf Partys häufiger zur Zigarette greifen wird. Erst
wenn Sie diese Erkenntnisschritte durchlaufen haben, können Sie an mögliche Inter-
ventionsmethoden denken, um letztlich das Rauchverhalten der Person zu beeinflus-
sen.

Übertragen auf globalere Ziele, möchte die Psychologie als Wissenschaft dazu bei-
tragen, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Menschen als Einzelper-
sonen, in Gruppen, Organisationen und in der Gesellschaft zu fördern.

1.3 Wissenswertes zum Fachterminus der wissenschaftlichen


Psychologie
Bevor wir tiefer in die Materie und im Folgenden in die Historie der Psychologie eintau-
chen, möchten wir Sie zunächst für den Fachjargon der Psychologie sensibilisieren.
Die Fachsprache der Psychologie (und vieler anderer Wissenschaftsdisziplinen) unter-
scheidet sich von der Alltags- und Umgangssprache dadurch, dass es oft keine einheit-
lichen Fachtermini gibt, da je nach Fachgebiet unterschiedliche präzise, sachliche Be-
zeichnungen bzw. mitunter Wortschöpfungen existieren (vgl. Dernbach, 2010, S. 208).
Zudem hinterließen viele Psychologen im Rahmen ihrer Forschungen neue Fachbegriffe
im Laufe der Entwicklung der Psychologie. Beispielsweise gehen Termini wie „Gruppen-
dynamik“, „Anspruchsniveau“ oder „Feldtheorie“ auf den bedeutenden Begründer der
experimentellen und angewandten Sozialpsychologie Kurt Lewin (1890–1947) zurück
(vgl. Ekert; Ekert, 2010, S. 6).

10 APSYH01
Einführung in die Psychologie als Wissenschaft 1

Neben solchen Wortschöpfungen werden Sie während Ihres Studiums zudem auf eine
Vielzahl an sogenannten Eponymen, Akronymen, Antonymen, Synonymen, Angli-
zismen und Amerikanismen stoßen (vgl. Karenberg, 2006, S. 19 ff.). Kennen Sie die Be-
grifflichkeiten und die Bedeutung dieser Begriffe, so wird es Ihnen während Ihres Stu-
diums leichter fallen, einen Bezug zur Fachsprache der Psychologie zu finden und die
(mitunter auch historischen) Hintergründe des jeweiligen Fachbegriffes leichter verste-
hen. An dieser Stelle sollen Ihnen die Arten der Begrifflichkeiten kurz erklärt werden,
um Ihnen einen leichteren Zugang zur Fachsprache der Psychologie zu ermöglichen:
1.) Eponyme (Eigennamen-Begriffe): Wie auch in vielen anderen Wissenschaften wer-
den Begriffe und Sachverhalte oft nach mehr oder weniger berühmten Persönlichkeiten
benannt (vgl. Karenberg, 2006, S. 19). Ein Beispiel in der Psychologie ist der Ihnen be-
stimmt durch Bilder bekannte Rorschach-Test (oder Tintenkleks-Test, vgl. Abb. 1.2), der
nach dem Schweizer Psychologen Hermann Rorschach (1884–1922) benannt wurde
(vgl. Myers, 2014, S. 560 f.). Ein anderes Beispiel stellt der McGurk-Effekt aus der Wahr-
nehmungspsychologie, benannt nach dem Entdecker, dem Psychologen Harry McGurk
und seinem Assistenten John MacDonald, dar (vgl. Myers, 2014, S. 268).

Abb. 1.2: Rorschach-Test

2.) Akronyme (Kurz-Wörter): Akronyme und damit Abkürzungen, die meist aus den
Anfangsbuchstaben mehrerer Worte eines Fachbegriffes bestehen, sind auch in der Psy-
chologie keine Seltenheit. So stellen Begriffe wie ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hy-
peraktivitätsstörung) oder REM-Schlaf (Rapid Eye Movement, englisch für schnelle Au-
genbewegungen) solche Abkürzungen dar, aus deren (übersetzten) Langfassungen Sie
die genaue Bedeutung ableiten können.

APSYH01 11
1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft

3.) Antonyme (Gegensatzwörter): Antonyme stellen Wortpaare dar, die eine gegen-
sätzliche Bedeutung haben. In der Psychologie werden Sie auf eine Menge solcher Ant-
onyme stoßen, wie beispielsweise akut und chronisch oder – gerade im Bereich der Per-
sönlichkeitspsychologie oder (Eignungs-)Diagnostik – introvertiert/extrovertiert,
stabil/instabil (vgl. Myers, 2014, S. 570). Kennen Sie die Bedeutung eines Begriffes, so
können Sie damit automatisch das Gegenwort leichter erklären.
4.) Synonyme (Mehrfach-Benennungen oder Alternativbezeichnungen): Synonyme
und damit bedeutungsähnliche Wörter sind in der Fachsprache nicht selten. Denn eine
einheitliche Fachsprache entwickelt sich parallel zur Disziplin selbst. Das heißt auch,
dass häufig Synonyme für Fachbegriffe existieren, die sich erst im Laufe der Entwick-
lung einer Disziplin durch einen gemeinsamen Konsens innerhalb der Wissenschaft
(bzw. einen wissenschaftlichen Durchbruch) etabliert oder geändert haben. Ein Beispiel
hierfür ist der Begriff „Psychologie“, der in den Anfängen der Psychologie als „Wissen-
schaft vom Seelenleben“ bezeichnet wurde (vgl. Myers, 2014, S. 3). Bei Synonymen soll-
ten Sie daher immer ihre Bedeutung und ggf. ihren historischen Ursprung hinterfragen.
5.) Anglizismen und Amerikanismen: Einen weiteren sprachlichen Einfluss übt die In-
ternationalität aus, die dazu führt, dass viele englische Fachbegriffe als feste Termini in
die deutsche Wissenschaftssprache der Psychologie übernommen wurden. Sie haben im
Umgang mit der wissenschaftlichen Literatur bzw. dem Lehrbuch Psychologie sicherlich
schon festgestellt, dass gerade psychologische Phänomene (bzw. Effekte) sowohl engli-
sche als auch deutsche Bezeichnungen haben. Daher sollten Sie bei Ihren Literaturre-
cherchen auch immer prüfen, ob es für einen bestimmten Begriff mitunter eine deutsche
oder englische Übersetzung gibt, um gute Ergebnisse erzielen zu können.

Bitte lesen Sie noch einmal das Kapitel 2.1.1 Wussten wir das schon lange? Verzerrung
durch nachträgliche Einsicht (Hindsightbias) im Lehrbuch von David G. Myers und
bearbeiten Sie danach die Übung 1.3.

Übung 1.3:
Bereits in der Überschrift des Kapitels 2.1.1 im Lehrbuch Psychologie stoßen Sie auf
einen Anglizismus, den Hindsightbias. Recherchieren Sie, wie diese Art der Verzer-
rung in deutscher Sprache auch noch genannt wird und was er genau aussagt.

Im Laufe Ihres Studiums werden Sie weitere psychologische Effekte und Phänomene
kennenlernen. Dabei werden Sie zunehmend verstehen, dass die Art und Weise, wie
Menschen sich verhalten, d. h. wie sie Entscheidungen treffen oder Informationen ver-
arbeiten, nicht immer rational oder logisch ist.

Übung 1.4:
Recherchieren Sie mit Hilfe des Springer-Link-Angebots auf dem Online-Campus
den sogenannten „Ankereffekt“. Erklären Sie, inwiefern dieser Effekt ein weiteres
Beispiel für die Irrationalität menschlichen Verhaltens darstellen kann.

12 APSYH01
Einführung in die Psychologie als Wissenschaft 1

1.4 Historische Wurzeln der wissenschaftlichen Psychologie


Schon seit Beginn der Menschheit gibt es eine Vielzahl großer psychologischer Fragen
und den Wunsch, menschliches Verhalten und Erleben verstehen zu wollen: Warum ver-
lieben wir uns? Haben wir einen freien Willen? Warum träumen wir? In welchem Aus-
maß können wir unsere Einstellungen und Gewohnheiten verändern? Was macht uns
glücklich? Bereits vor mehr als 2000 Jahren setzten Buddha und Konfuzius sich mit der
Macht des Geistes auseinander und dachten darüber nach, wie Ideen entstehen. Sokra-
tes, Platon und Aristoteles wiederum stellten sich die Frage, ob Leib und Seele getrennt
oder verbunden sind. Der Philosoph René Descartes und viele andere große Denker der
Psychologie nahmen sich vieler dieser zentralen Fragen wieder an, die mitunter noch
heute die wissenschaftliche Psychologie beschäftigen (vgl. Myers, 2014, S. 5 ff.).

Übung 1.5:
Schreiben Sie bitte spontan und ohne Literaturrecherche auf, welche bedeutenden
Psychologen sie kennen und mit welcher Thematik Sie diese in Verbindung bringen.
Prüfen Sie nach, ob Sie diese auf der Zeitleiste der Psychologie in Ihrem Lehrbuch
(Innendeckel) wiederfinden und ob Sie richtig lagen. Die Zeitleiste können Sie auch
online auf www.lehrbuch-psychologie.de einsehen.

Trotz der historischen Wurzeln ist die Psychologie im Vergleich zu anderen Wissen-
schaften noch recht jung. Zwar schrieb Aristoteles (384–322 v. Chr.) bereits das erste
Lehrbuch mit dem Titel „Über die Seele“, allerdings wurde die Psychologie selbst als ei-
genständige Fachdisziplin erst Mitte des 19. Jahrhunderts an Universitäten eingeführt
(vgl. Gerrig; Zimbardo, 2008, S. 8).
Um Ihr psychologisches Verständnis weiter auszubauen, sollten Sie wissen, wie sich die
Psychologie von ihren philosophischen Anfängen bis hin zur modernen Wissenschaft
entwickelt hat. Sie werden dabei feststellen, dass sich das grundlegende Interesse der
Menschen am Erleben und Verhalten ihrer selbst und ihrer Mitmenschen wie ein roter
Faden von den Anfängen der Philosophie bis hin zur modernen, wissenschaftlichen Psy-
chologie durchzieht. Durch die historische Kenntnis werden Sie besser verstehen, wie es
zu dem heutigen Verständnis von Psychologie gekommen ist und welche historischen
Debatten immer noch Einfluss auf bestimmte Fragestellungen der modernen Psycholo-
gie haben.

Bitte lesen Sie sich das Kapitel 1 Prolog: Die Geschichte der Psychologie, insbesondere
das Unterkapitel 1.1.1 Die Wurzeln der Psychologie, aufmerksam durch. Zusätzlich
empfehlen wir Ihnen, die zugehörige Zusammenfassung auf der Begleit-Website des
Springer-Verlags (www.lehrbuch-psychologie.de) zu lesen.

Übung 1.6:
Überlegen Sie, worauf das Interesse an den eigenen sowie fremden Gedanken, Ge-
fühlen und Handlungen zurückzuführen sein könnte. Meinen Sie, dieses Interesse
könnte einen evolutionären Vorteil für Menschen mit sich bringen bzw. gebracht ha-
ben?

APSYH01 13
1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft

Da Sie nun ein Verständnis für die historischen Entwicklungen der Psychologie entwi-
ckelt haben, werden wir uns als nächstes mit den unterschiedlichen Ansätzen und Per-
spektiven der wissenschaftlichen Psychologie näher beschäftigen, um Ihren persönli-
chen Blick für bestimmte psychologische Sachverhalte zu schärfen.

1.5 Ansätze und Perspektiven der Psychologie


Sie kennen sicher Redensarten wie „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ oder „Es liegt
in den Genen“, wenn wir verdeutlichen wollen, dass es nicht verwunderlich ist, wenn
jemand sich in seinem Verhalten dem seiner Eltern oder Geschwister ähnelt. Anderer-
seits haben Sie bestimmt schon einmal gehört, dass das Umfeld jemanden geprägt habe
oder dass jemand nach einem längeren Auslandsaufenthalt als vermeintlich komplett
anderer Mensch zurückgekehrt sei. Darüber hinaus erklären wir uns bestimmte Verhal-
tensweisen aber auch mit inneren psychologischen Faktoren, beispielsweise, dass je-
mand mit seinem PS-starken Sportwagen etwaige Minderwertigkeitskomplexe kompen-
sieren wolle.

Lesen Sie bitte den Abschnitt 1.2.2 Drei zentrale Analyseebenen der Psychologie, um
die beispielhaft beschriebenen biologischen, soziokulturellen und psychologischen
Einflüsse des biopsychosozialen Ansatzes genauer verstehen zu können.

Ähnlich wie wir in der Alltagspsychologie verschiedene Perspektiven zur Erklärung


von Erleben und Verhalten heranziehen, integriert die wissenschaftliche Psycholo-
gie verschiedene Ansätze, die sich danach unterscheiden, wie psychologische The-
men betrachtet werden können (vgl. Smith et al., 2007, S. 129).

In Ihrem Lehrbuch finden Sie eine grafische Darstellung zum biopsychosozialen An-
satz (vgl. Myers, 2014, S. 9), die verdeutlicht, dass die Psychologie zur Erklärung
menschlichen Erlebens und Verhaltens verschiedene Analyseniveaus (biologisch, psy-
chisch, soziokulturell) nutzt. Bitte verstehen Sie den biopsychosozialen Ansatz immer
als eine übergeordnete Perspektive, der verschiedene spezifischere Ansätze zugeordnet
werden können (vgl. Abb. 1.3).

Biopsychosozialer Ansatz

Sozio-
Biologische Psychologische kulturelle
Analyseniveaus Analyseniveuas Analyse-
niveaus
Sozialer,
Lern- bzw.
Neurowissen- Verhaltens- Psycho- gesellschaft-
Evolutionärer verhaltens- Kognitiver
schaftlicher genetischer dynamischer licher,
Ansatz theoretischer Ansatz
Ansatz Ansatz Ansatz kultureller
Ansatz
Ansatz

Abb. 1.3: Aktuelle Ansätze in der Psychologie (vgl. Myers, 2014, S. 10)

14 APSYH01
Einführung in die Psychologie als Wissenschaft 1

Mit welchen zentralen Fragestellungen sich die unterschiedlichen Ansätze beschäfti-


gen, wird im Lehrbuch von D. G. Myers tabellarisch dargestellt und beschrieben (vgl.
Myers, 2014, S. 10). Zusätzlich werden hier Beispiele für die Arbeitsfelder angeführt, die
mit den jeweiligen Sichtweisen arbeiten.

Lesen Sie sich die Tabelle Aktuelle Ansätze in der Psychologie auf Seite 10 des Lehr-
buchs von David G. Myers durch.

Unterschiedliche Perspektiven zur Erklärung bestimmter Sachverhalte sind wichtig. Um


diesen Zusammenhang zu verstehen und zu erkennen, welche Relevanz er auch für Sie
hat, lesen Sie sich bitte Beispiel 1.3 durch.

Beispiel 1.3:
Die Arbeitskolleginnen Frau Knurrig, Frau Gram und Frau Belle gehen jeden Tag zu-
sammen in die Kantine. An einem Dienstag gibt es Mousse au Chocolat als Nach-
tisch. Alle drei nehmen sich eine Portion, doch aus ganz unterschiedlichen Gründen:
Frau Knurrig hatte am Morgen keine Zeit zum Frühstücken und ihr Magen knurrt so
sehr, dass die Portion Pasta, die sie als Hauptgang gewählt hat, nicht reichen wird,
um satt zu werden. Frau Gram dagegen hat Liebeskummer und greift deswegen seit
Tagen gerne zu „Seelentröstern“ mit Schokolade. Frau Belle entscheidet sich für die
Mousse au Chocolat, weil diese sie an ihre Heimat Frankreich erinnert.

Um Essverhalten zu verstehen, sind biologische Erklärungsansätze (Appetithormone,


Magenknurren etc.) genauso wichtig wie psychologische (Stimmung, Anblick und Ge-
ruch des Essen) und soziokulturelle Erklärungsansätze (kulturelle Geschmacksvorlie-
ben, kulturelles Schlankheitsideal). Die Relevanz verschiedener Ansätze sollte z. B. auch
bei der Betrachtung von psychisch bedingtem, krankhaftem Verhalten wie Essstörungen
berücksichtigt werden (vgl. Myers, 2014, S. 692 ff.).
Beachten Sie, dass Sie in anderen Lehrbüchern der Psychologie die verschiedenen An-
sätze nicht unbedingt exakt so wiederfinden, wie sie im Lehrbuch von Myers dargestellt
werden. So sprechen beispielsweise Smith et al. (2008, S. 13) zusätzlich von einem kon-
struktivistischen Ansatz, nach dem unser Verhalten nicht von der objektiven Welt ab-
hängt, sondern davon, wie wir die Welt subjektiv wahrnehmen (unsere eigene Realität
konstruieren). Der konstruktivistische Ansatz spielt beispielsweise in der Wahrneh-
mungspsychologie eine bedeutende Rolle (vgl. Kapitel 2).

Hinweis:
Bei der Vertiefung eines Themas (z. B. bei Hausarbeiten oder Fallaufgaben) ist es im-
mer sinnvoll, mehrere Quellen zurate zu ziehen, um sich einen genauen Überblick zu
verschaffen. Denn auch jeder Autor hat seine persönliche Perspektive und setzt da-
her andere Schwerpunkte.
Wie wichtig die Betrachtung und das Verständnis unterschiedlicher Ansätze und
Perspektiven in Wissenschaft und Praxis sind, um sich ein vollständiges Bild zu ma-
chen, zeigt der kurze Werbefilm Points of View der britischen Tageszeitung The Gu-
ardian eindrücklich. Sie finden den Film unter The Guardian Points of View auf You-
Tube.

APSYH01 15
1 Einführung in die Psychologie als Wissenschaft

Übung 1.7:
Machen Sie sich Gedanken darüber, welche Fragestellungen sich aus der Perspektive
der aktuellen Ansätze der Psychologie (vgl. Abb. 1.3) bei der Betrachtung von Sucht-
verhalten ergeben können.

Zusammenfassung

Die Psychologie stellt die Wissenschaft vom menschlichen Verhalten und Erleben dar,
die sich durch wissenschaftliche Methoden und Perspektiven deutlich von der soge-
nannten Alltagspsychologie abgrenzt. Es gilt also, die pauschalen Verallgemeinerungen
über menschliches Verhalten und Erleben, die zu letzterer gehören, sowie alle psycholo-
gischen Aussagen immer kritisch zu hinterfragen, statt ihnen blindlinks zu vertrauen.
Menschliches Verhalten und Erleben wird von vielfältigen Faktoren beeinflusst, welche
die wissenschaftliche Psychologie versucht, anhand von empirischen Methoden zu be-
schreiben, zu erklären, vorherzusagen und zu beeinflussen. Dabei hat sich das Verständ-
nis über die Psychologie im Laufe der Zeit grundlegend geändert: Aus einer eher philo-
sophischen Seelenlehre hat sich die moderne Psychologie als empirische Wissenschaft
herausgebildet.
Anliegen der Psychologie ist es nicht nur, allgemeingültige Aussagen und Gesetze zu for-
mulieren, sondern auch Kausalmechanismen und damit die Beziehungen zwischen Ur-
sache und Wirkung zu verstehen. Um dies zu erreichen, nimmt die Psychologie unter-
schiedliche Perspektiven für den Erkenntnisgewinn ein. Auf Basis biologischer,
psychologischer und soziokultureller Ansätze sollen so Erklärungen für menschliches
Verhalten und Erleben gefunden werden.

Aufgaben zur Selbstüberprüfung

Lesen Sie noch einmal das Kapitel 1 Prolog: Die Geschichte der Psychologie aus dem
Lehrbuch Psychologie, bevor Sie die folgenden Aufgaben zur Selbstüberprüfung bear-
beiten.

1.1 Sie haben bei Ihrer Lektüre im Lehrbuch Psychologie eine Debatte um die mensch-
liche Psyche, deren Ursprung in den frühen Anfängen der Philosophie liegt, ken-
nengelernt. Wie heißt diese Debatte? Erklären Sie diese bitte kurz mit Ihren eige-
nen Worten.
1.2 Psychologie ist die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen. Erklä-
ren Sie kurz, was jeweils unter den Begriffen „Verhalten“ und „Erleben“ subsumiert
werden kann. Nennen Sie je fünf zugehörige Aspekte, die untersucht werden
könnten. Welchem Oberbegriff würden Sie den Aspekt „Denken“ zuordnen? Be-
gründen Sie Ihre Aussage.
1.3 Was sind die grundlegenden Annahmen des Strukturalismus und des Funktiona-
lismus? Wieso werden die beiden Ansätze häufig als Gegenrichtung des jeweils
anderen beschrieben?

16 APSYH01
Einführung in die Psychologie als Wissenschaft 1

1.4 Füllen Sie folgende Lücken bezüglich der Grundannahmen verschiedener psycho-
logischer Ansätze aus.
_________________ Ansatz geht davon aus, dass wir keine rational handelnden
Wesen sind, sondern dass unser Verhalten in erster Linie durch starke, instinktive
und teilweise _______________ Handlungsmotive geleitet wird. Der behavioristi-
sche Ansatz vertritt die Annahme, dass die ________ menschliches Verhalten de-
terminiert und man sich deshalb auf die Erforschung ___________ Verhaltenswei-
sen konzentrieren sollte. Der __________________ betont aber, dass man auch die
Einzigartigkeit des Menschen und sein Bedürfnis nach positiver
________________ berücksichtigen muss, um sein Verhalten zu erklären.

1.5 Bitte kreuzen Sie an:

Psychologen versuchen menschliches Verhalten möglichst objek- □ Richtig


tiv zu beschreiben.
□ Falsch
Die heutige Psychologie kann streng genommen nicht als einheit- □ Richtig
liche Wissenschaft bezeichnet werden, weil es verschiedene Ansät-
ze gibt, die völlig unterschiedliche Ansichten vertreten und mitein- □ Falsch
ander konkurrieren.
Menschen sind bei der Erklärung von Verhaltensweisen ihrer Mit- □ Richtig
menschen stets bemüht, alle möglichen Kausalitäten zu berücksich-
tigen. □ Falsch

Psychologische Erkenntnisse sind häufig trivial, d. h. sie belegen □ Richtig


nur das, was man durch gesunden Menschenverstand oder durch
entsprechende Lebenserfahrung ohnehin schon weiß. □ Falsch

Folgende und ähnliche Aussagen unterliegen dem Hindsightbias: □ Richtig


„Die Anzeichen für die Finanzkrise waren im Vorhinein klar er- □ Falsch
kennbar.“
„Dass Paula und Jens sich jetzt trennen, ist kein Wunder. Ich habe
doch immer gesagt, die passen nicht zusammen.“
Aussagen aus der Alltagspsychologie beruhen häufig auf bloßen □ Richtig
Annahmen, Spekulationen und erklären menschliches Verhalten
häufig unikausal. □ Falsch

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