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Grenzgänge zwischen den Künsten

Interventionen in Gattungshierarchien
und Geschlechterkonstruktionen
Jennifer John Editor Sigrid Schade
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Jennifer John, Sigrid Schade (Hg.)
Grenzgänge zwischen den Künsten

Studien | zur | visuellen | Kultur


Herausgegeben von Sigrid Schade und Silke Wenk | Band 9
Jennifer John, Sigrid Schade (Hg.)
Grenzgänge zwischen den Künsten.
Interventionen in Gattungshierarchien
und Geschlechterkonstruktionen
Die Veröffentlichung des Bandes wurde vom Institute for Cultural
Studies in the Arts, ICS an der Zürcher Hochschule der Künste mit
einem Druckkostenzuschuss ermöglicht.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2008 transcript Verlag, Bielefeld

This work is licensed under a Creative Commons


Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License.

Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld


Umschlagabbildung: Detail aus: Silke Radenhausen, Patch Collection Nr.
21/2007, Fotografin: Tina Münchbach
Fotografen der Werke im Insert: Patch Collection Nr. 21/2007, Patch-
Collection Nr. 14/2004: Tina Münchbach, Patch-Collection Nr. 12/2004:
Dewanger, Der Tanz: Helmut Kunde
Bildrechte für die Umschlagabbildung und das Insert liegen
bei Silke Radenhausen und für die Patch-Collection 12/2004
bei der Daimler Kunst Sammlung
Korrektorat: Adele Gerdes, Jennifer John
Lektorat: Jennifer John, Sigrid Schade
Satz: Jennifer John, Fabienne Ton-Knaff
Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar
ISBN 978-3-89942-967-1

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei


gebleichtem Zellstoff.

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Inhalt

JENNIFER JOHN, SIGRID SCHADE


Grenzgänge und Interventionen
7

MARJAN GROOT
Geschlechtlich konnotierte Sphären im
niederländischen Galeriebetrieb der Moderne: die Rezeption von Arts
and Crafts, außereuropäischem Kunsthandwerk und Volkskunst
15

SIGRID SCHADE
Zu den »unreinen« Quellen der Moderne.
Materialität und Medialität bei Kandinsky und Malewitsch
35

ANJA BAUMHOFF
»… und sind doch alle auf das Bauhaus hin entworfen«.
Strategien im Umgang mit geschlechtsspezifisch geprägten Mustern in
Kunst und Handwerk am Bauhaus Weimar
63

MEDEA HOCH
Unstete Staffelungen.
Sophie Taeuber-Arps Werk im Spannungsfeld der Gattungen
81

ELISSA AUTHER
Das Dekorative, Abstraktion und die Hierarchie von Kunst und
Kunsthandwerk in der Kunstkritik von Clement Greenberg
97
SILKE R ADENHAUSEN
Patch-Collection
119

K AREN ELLWANGER
Flickarbeiten an der Moderne. Zu Silke Radenhausens Patch-Collection
127

SILKE R ADENHAUSEN
A Keepsake I cannot give away.
Überlegungen zu einigen Arbeiten zwischen Kunst und Handwerk
auf der documenta 12
151

VERENA KUNI
»Not Your Granny’s Craft«?
Neue Maschen, alte Muster – Ästhetiken und Politiken von Nadelarbeit
zwischen Neokonservatismus, »New Craftivism« und Kunst
169

Biografien
193
Grenzgänge und Interventionen
JENNIFER JOHN, SIGRID SCHADE

»Ich lebe hier im Schweizer Kunstgewerbe […].«


Sophie Taeuber-Arp 1926 in einem Brief an Hans Arp.1

Grundlage der vorliegenden Publikation bilden die Beiträge zum Symposium


»Unstete Staffelungen.2 Geschlechterkonstruktionen in Kunst und Handwerk«
des Institute for Cultural Studies in the Arts3, das anlässlich der Ausstellung
Sophie Taeuber-Arp. Gestalterin, Architektin, Tänzerin4 im Museum Bellerive
Zürich5 veranstaltet worden war. Das Museum Bellerive setzt sich in seiner
Arbeit u. a. mit den Schnittstellen zwischen Kunst, Kunsthandwerk und De-
sign auseinander.6 Die Ausstellung legte den Schwerpunkt auch deshalb auf
die kunsthandwerklichen Arbeiten der Künstlerin, weil sich in den eigenen
Beständen der Kunstgewerbesammlung des Museums für Gestaltung Zürich
so wichtige Arbeiten wie das komplette Marionnettenspiel König Hirsch –
ein zentrales Werk der Zürcher Dada-Bewegung – sowie andere angewandte

1 Vgl. Medea Hochs Beitrag in diesem Band.


2 Der Titel des Symposiums war angelehnt an den Titel der Arbeit Unstete Staf-
felung von Sophie Taeuber-Arp, die zur Werkgruppe der Staffelungen von
1934 gehört. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Medea Hoch in diesem Band.
3 Ehemals Institute for Cultural Studies in Art, Media and Design an der Hoch-
schule für Gestaltung und Kunst Zürich (inzwischen Zürcher Hochschule der
Künste) am 11. Mai 2007 in Kooperation mit dem Museum Bellerive.
4 22. Februar bis 20. Mai 2007, Museum Bellerive Zürich, vgl. den gleichnami-
gen Katalog der Ausstellung, Zürich: Scheidegger & Spiess AG 2007.
5 Das Museum Bellerive ist eine Abteilung des Museums für Gestaltung Zürich,
dies ist wiederum selbst Teil der Zürcher Hochschule der Künste.
6 Eva Afuhs im Katalog der Ausstellung: Sophie Taeuber-Arp. Gestalterin,
Architektin, Tänzerin, S. 7.

7
J ENNIFER J OHN , S IGRID S CHA DE

Arbeiten befinden. Bereits während der Vorbereitungen zur Ausstellung von


Sophie Taeuber-Arp wurde deutlich, dass eine Aufspaltung in ihre kunst-
handwerklichen Arbeiten und solche der ›hohen Kunst‹ zwar strukturellen
Konstruktionen und Konventionen der Kunstgeschichte entsprach, keinesfalls
aber der grenzüberschreitenden Arbeitsweise der Künstlerin selbst. Die eben-
falls 2007 in der Fondation Arp in dem von Sophie Taeuber-Arp entworfenen
ehemaligen Atelierhaus in Clamart organisierte Ausstellung Sophie Taeuber.
Rythmes plastiques, réalités architecturales7 zeigte z. B. Arbeiten »freier«
Kunst, Gouachen, zusammen mit angewandten Arbeiten und Architekturent-
würfen, wobei auch hier erkennbar wurde, dass die von der Künstlerin entwi-
ckelten Gestaltungsprinzipien sich sowohl aus der textilen Gestaltung ableiten
lassen und zugleich in der Umsetzung in ›autonome‹ Bilder als Beispiele für
die Avantgarde der Abstraktion gelten können, zu der sie und ihr Mann Hans
Arp zählen. Sophie Taeuber hat jedoch nie – wie andere Künstler der abstrak-
ten Avantgarde, z. B. Kandinsky und Malewitsch – die Beziehungen zwischen
Kunsthandwerk und Kunst zu leugnen oder zu verdecken versucht8, und sie
entwickelte komplexe Strategien, mit den Folgen umzugehen. Dies ist auch
der Gegenstand des Forschungsprojekts von Medea Hoch, die in diesem Band
erste Untersuchungsergebnisse zu Sophie-Taeuber-Arps Werk im Spannungs-
feld der Gattungen vorstellt.9
Das Phänomen, dass die Präsentation ihrer Werke in Ausstellungen je-
weils entweder im Kontext der ›bildenden‹ oder der ›angewandten‹ Kunst
stattfand, lässt sich als Nachleben geschlechtsspezifischer Kodierungen der
Künste und der auf sie gründenden Gattungshierarchien beschreiben. Wie fe-
ministische Forschung bereits belegte, entfaltet sich der traditionelle kunsthis-
torische Diskurs in Dichotomien zwischen autonomer und angewandter, hoher
und niederer Kunst, Profession und Dilettantismus. Den ›höheren Künsten‹
werden intellektuelle, geniale kreative Leistungen zugeschrieben, den ange-
wandten oder dekorativen Künsten Repetition und Reproduktion und nicht
zuletzt Funktionalität im Alltagsgebrauch.10 Die Gattungshierarchien stellen

7 Vgl. den Katalog der Ausstellung, Clamart: Fondation Arp 2007.


8 Vgl. dazu den Beitrag von Sigrid Schade in diesem Band.
9 Das vom Schweizerischen Nationalfonds/DORE geförderte Forschungsprojekt
am Institute for Cultural Studies in the Arts trägt den Titel: Das Marionetten-
spiel König Hirsch, 1918. Sophie Taeuber-Arps erste Raumarbeit. Ein Modell
für die Integration der Künste. Vgl. http://ics.zhdk.ch/d/forschungsprojekte/
laufende.html [26.07.2008]. Aus diesem Projekt hat Medea Hoch inzwischen
ein Dissertationsprojekt entwickelt.
10 Vgl. Rozsika Parker/Griselda Pollock: Old Mistresses. Women, Art and Ide-
ology, London, New York: Pantheon Books 1981, bes. das Kapitel »Crafty
Women and the Hierarchy of the Arts«, S. 50-81; vgl. auch Rozsika Parker:

8
G RENZGÄ NGE UND I NTERVENTIONEN

die Grundlage der Konstruktion von Künstlerschaft als ›männlicher‹ Kreativi-


tät dar und formieren den Diskurs der Sprechenden über Kunst wie den der
Kunstschaffenden gleichermaßen.
Symptomatisch wurde die konstruierte Synthese von Weiblichkeit und
Stickarbeit von Roszika Parker untersucht. In ihrer Studie The Subversive
Stich. Emboridery and the Making of the Feminine (1984), deren Untersu-
chungsgegenstand Stickerei vom Mittelalter bis in die Gegenwart ist, belegt
sie, dass noch im Mittelalter die Stickerei von beiden Geschlechtern ausge-
führt wurde, diese sich in der Neuzeit jedoch zu einer vorwiegend ›weibli-
chen‹ Tätigkeit entwickelte, die mit ambivalenten Konnotationen belegt war:
Sticktätigkeit und Handarbeit generell wurden im 18. Jahrhundert mit Werten
wie Disziplin, Moral, Religion und Elternliebe, also mit einem spezifischen
bürgerlichen Weiblichkeitsideal verknüpft. Im viktorianischen Mittelalterkult
wurde das Mittelalter nachträglich zur Projektionsfläche der handarbeitenden
Ladys des späten 19. Jahrhunderts.11
Kunstgeschichte und Kunstkritik reproduzieren und konstituieren die
traditionellen Gattungshierarchien u. a. über die institutionellen Praktiken in
Museen, Galerien, im Kunstbetrieb des Sammlerwesens12 und in den Akade-

The Subversive Stitch. Embroidery and the Making of the Feminine, London:
Women‘s Press 1984; Teilsektionen der 4. Kunsthistorikerinnentagung von
1988 (Berlin) sowie der 6. Kunsthistorikerinnentagung von 1995/96 (Trier)
und deren Akten sollen hier als Meilensteine dieses Forschungsfeldes hervor-
gehoben werden: Ines Lindner u. a. (Hg.): Blick-Wechsel. Konstruktionen von
Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst und Kunstgeschichte, Berlin: Reimer
1989, bes. Kap. »›Männliche‹ und ›weibliche‹ Künste?«, S. 200ff.; Cordula
Bischoff, Christina Threuter (Hg.): Um-Ordnung. Angewandte Künste und
Geschlecht in der Moderne, Marburg, Jonas 1999; Sigrid Schade/Silke Wenk:
»Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte und Geschlechterdifferenz«,
in: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.), Genus. Geschlechterforschung und
Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Stuttgart: Kröner
2005, S. 240-407, hier S. 159.
11 Vgl. R. Parker: The Subversive Stitch. Embroidery, die deutsche Übersetzung
des Kap. »Verewigung des Weiblichen. Stickerei und der Viktorianische Mit-
telalterkult«, in: I. Lindner, Blick-Wechsel, S. 203-214.
12 Vgl. den Beitrag von Marjan Groot in diesem Band zur Bedeutung des nie-
derländischen Galeriebetriebs um 1900; Silke Tammen zum Verhältnis von
Kunstgeschichte und -kritik zu textilen Arbeiten in: »›Seelenkomplexe‹ und
›Ekeltechniken‹ – von den Problemen der Kunstkritik und Kunstgeschich-
te mit der ›Handarbeit‹«, in: Anja Zimmermann (Hg.), Kunstgeschichte und
Gender. Eine Einführung, Berlin: Reimer 2006, S. 215-239; sowie Jennifer
John zur (Re-)Produktion der Gattungshierarchie durch die Institution Kunst-

9
J ENNIFER J OHN , S IGRID S CHA DE

mien, die Künstlerinnen bekanntlich bis ca. 1900 nicht zugänglich waren.13
Historisch ging dies einher mit geschlechtsspezifischen Zugangsmöglichkei-
ten zu den verschiedenen künstlerischen Arbeitsformen.
Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichte der Bezug auf ›angewandte‹ Küns-
te in der ›autonomen‹ Kunst Künstlerinnen einen leichteren Zugang auch
zu diesem Bereich, noch bevor sich die Akademietüren für sie öffneten, er
trug jedoch gleichzeitig dazu bei, dass die künstlerischen Arbeiten von Frau-
en wieder marginalisiert werden konnten.14 Erfolgreiche Künstlerinnen und
Kunsthandwerkerinnen gab es durchaus, wie Marjan Groot in diesem Band
verdeutlicht, sie wurden aber von der Kunstgeschichtsschreibung oftmals aus-
geblendet.
Die zunehmenden Grenzüberschreitungen zwischen hoher und angewand-
ter Kunst begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und erreichten
zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Die Moderne war geprägt
von Umbrüchen und Umformulierungen des traditionellen europäischen Ta-
felbildes ebenso wie von einer allgemeinen Auseinandersetzung um die so-
zialen und gestalterischen Effekte der Industrialisierung, um die Aufwertung
des Kunsthandwerks, Grenzüberschreitungen zwischen den Gattungen und
Künsten und um integrative Konzepte bis hin zu dem des Gesamtkunstwerks.
So sind auch häufig Kooperationen oder Grenzüberschreitungen nicht nur
zwischen verschiedenen bildkünstlerischen Gattungen zu finden, sondern
zwischen bildender Kunst, Theater, Architektur und Musik, wofür ebenfalls
Sophie Taeuber-Arp exemplarisch stehen kann.
Doch führten die künstlerischen Strategien, welche Gattungsgrenzen und
Materialfelder überschritten – besonders bei Künstlern, die schließlich abs-
trakt arbeiteten, nicht automatisch zu einer Enthierarchisierung der Künste
und auch nicht zu einer Auflösung der ihr immanenten Geschlechterkonstruk-
tionen. Stattdessen entstanden zwischen den Ansprüchen einer produktiven
Kritik an historischen Kunst- und Bildvorstellungen und dem Festhalten an der
Vorstellung (männlicher) Künstlerpersönlichkeiten und Genies Widersprüche
der Moderne, deren Analyse in der Kunstgeschichte bis heute ausblieb. Selbst

museum an einem Ausstellungs-Beispiel der Hamburger Kunsthalle, Jennifer


John: »Ein Künstler ist ein Künstler ist ein Künstler. Fortwährende Inszenie-
rungen des Künstlergenies«, in: Ute Frietsch u. a. (Hg.), Geschlecht als Tabu.
Ort, Dynamiken, Funktionen, Bielefeld: transcript 2008, S. 79-98.
13 Renate Berger: Malerinnen auf dem Weg ins 20. Jahrhundert. Kunstgeschichte
als Sozialgeschichte, Köln: dumont taschenbuch 1982.
14 Vgl. den Beitrag von Anja Baumhoff in diesem Band, sowie Anja Baumhoff:
The Gendered World of the Bauhaus. The Politics of Power at the Weimar
Republic›s Premier Art Institute, 1919-1932, Frankfurt/Main: Peter Lang
2001.

10
G RENZGÄ NGE UND I NTERVENTIONEN

die feministisch orientierte kunsthistorische Forschung hat bislang die Über-


setzbarkeit der angewandten Kunst als ›weiblich‹ mit der Konnotation des
›Unreinen‹ übersehen.15 Die Rezeption des Werks von Sophie Taeuber-Arp
zeugt ebenso davon wie die Rezeption anderer Künstler/-innen, die man zur
Avantgarde der Abstraktion rechnen kann, wie die Beiträge von Medea Hoch
und Anja Baumhoff in diesem Band aufzeigen.
Die Moderne setzt das Konzept des männlichen Künstlersubjektes fort,
das Regelverletzungen und Tabuüberschreitungen nicht nur erlaubt, sondern
sogar voraussetzt16, während bei Künstlerinnen die Auseinandersetzung mit
›angewandten‹ Kunstgattungen seitens der traditionellen Kunstgeschichte
von vornherein als angemessene Betätigung und einer kunstgeschichtlichen
Reflexion unwert betrachtet wird. Im Falle von Sophie Taeuber-Arp wie bei
anderen Beispielen von Künstlerpaaren – z. B. Münter/Kandinsky, Delaunay
Terk/Delaunay u. a. – lassen sich die geschlechterspezifischen Kodierungen
der Künste zusätzlich in den komplementären Zuschreibungen an den jeweils
›weiblichen‹ und ›männlichen‹ Partner nachweisen.17 Dass an Institutionen wie
dem Bauhaus, für das Grenzüberschreitungen zwischen den Gattungen kons-
tituierendes Gründungsmoment waren, solche Prozesse beispielhaft nachzu-
vollziehen sind, zeigt Anja Baumhoff in ihrem Beitrag.18
Die mangelnde Analyse betrifft aber auch weitere künstlerische Produk-
tionen, wie auch die Kunstkritik und die Kunstgeschichtsschreibung durch
das gesamte 20. Jahrhundert hindurch bis heute, in denen Gattungshierarchien
weiterhin eine Rolle spielen. Exemplarisch ist die von Elissa Auther in ihrem
Beitrag vorgenommene Dekonstruktion dieser tradierten Diskursstränge in
der Auseinandersetzung des Kunstkritikers Clemens Greenberg mit dem abs-

15 Vgl. den Beitrag von Sigrid Schade in diesem Band.


16 Silke Wenk: »Mythen von Autorenschaft und Weiblichkeit«, in: Kathrin Hoff-
mann-Curtius/Silke Wenk (Hg.), Mythen von Autorenschaft und Weiblichkeit
im 20. Jahrhundert. Beiträge der 6. Kunsthistorikerinnentagung, Tübingen,
Marburg: Jonas 1997, S. 12-29.
17 Zur Problematik der Kunstgeschichtsschreibung über Künstlerpaare vgl. u.
a. Withney Chadwick/Isabelle de Courtivron (Hg.): Significant Others. Crea-
tivity and intimate partnership, London: Thames and Hudson 1993; Renate
Berger (Hg.): Liebe Macht Kunst, Künstlerpaare im 20. Jahrhundert, Köln/
Weimar/Wien: Böhlau 2000; zuletzt: Sigrid Schade: »Zwischen ›reiner‹ Kunst,
Kunsthandwerk und Technikeuphorie. Sonia und Robert Delaunays interme-
diale und strategische Produktionsgemeinschaft«, in: Katalog der Ausstellung:
Robert Delaunay. Hommage à Blériot, hg. v. Roland Wetzel, Kunstmuseum
Basel/Bielefeld/Leipzig: Kerber 2008, S. 84-94.
18 Vgl. den Beitrag von A. Baumhoff über Alma Buscher in diesem Band, sowie
A. Baumhoff: The Gendered World of the Bauhaus.

11
J ENNIFER J OHN , S IGRID S CHA DE

trakten Expressionismus, dem Minimalismus und der Pop-Art in den 1960er


Jahren, sie zeigt deren Fortleben in der aktuellen Kunstkritik und der Gegen-
wartskunst auf. Das tabuisierte Fortleben formuliert Silke Tammen wie folgt:

»Anscheinend hegt die Kunstgeschichte immer noch Berührungsängste gegenüber


kunsthandwerklich erscheinenden Verfahren und Materialien, so dass KünsterInnen
wie die bekannteren Trockel und Boetti, oder die neueren wie z. B. die gebürtige Ägyp-
terin Ghada Amer, die New Yorker Sampler-Strickerin Elaine Reichek, die Näherin
›topologischer Operationen‹ Silke Radenhausen, die Weberschwestern Hohenbüchler,
die Sticker Jochen Flinzer und Francesco Vezzoli oder die mit Beton als Strickgrund
arbeitende Ungarin Mariann Imre nicht als Teil eines größeren Phänomens untersucht
werden.«19

So hält die nach wie vor weibliche Konnotation von textilen Techniken wie
Sticken, aber auch Weben, Häkeln und Stricken, die bereits in den 1970er
Jahren von Künstlerinnen und Künstlern als subversive Kritik an der ›männ-
lich‹ dominierten Kunsttradition verwendet wurden und in den vergangenen
Jahren sowohl in der Kunst20 wie auch als Alternative zur Alltagskulturen
und -ökonomien wieder aktuell wurden und denen sogar erneut subversive
Strategien unterstellt werden 21, bis in die Gegenwart an22 und führt nach wie
vor zum Desinteresse der Kunstkritik. Verena Kuni befasst sich mit diesen
zeitgenössischen textilen Kunstwerken und macht alte Muster in den schein-
bar subversiven neuen Maschen häkelnder, stickender und strickender Femi-
nistinnen und Aktivistinnen und Aktivisten wie auch Künstler/-innen sicht-
bar. Karen Ellwanger und Silke Radenhausen stellen dagegen die Grenzgänge
und Interventionen zeitgenössischer Künstler/-innen zwischen den Künsten
vor. Die Künstlerin Silke Radenhausen interveniert mit ihrer Arbeit Patch
Collection inmitten der wissenschaftlichen Beiträge zu Gattungshierarchien
und Geschlechterkonstruktionen und setzt diese explizit mit dem debattierten
Phänomen in Beziehung.
Die hier versammelten Beiträge internationaler Autorinnen intervenieren
in die tradierten Gattungshierarchien und die mit ihnen eng verknüpften Ge-
schlechterkonstruktionen, wobei besondere Aufmerksamkeit nicht nur den
Widersprüchen der historischen Protagonisten, sondern auch ihren je eigenen

19 Silke Tammen: »›Seelenkomplexe‹ und ›Ekeltechniken‹«, S. 224.


20 Vgl. hierzu den Aufsatz von Silke Radenhausen in diesem Band.
21 Tradierte geschlechterspezifische Zuweisungen sollten bereits in der Arts-
and-Crafts-Bewegung sowie seitens feministischer Künstlerinnen der 1970er
Jahre modifiziert werden, daran schließen aktuelle Strategien an, vgl. den Bei-
trag von Verena Kuni in diesem Band.
22 Ebd.

12
G RENZGÄ NGE UND I NTERVENTIONEN

Interventionen im Spannungsfeld der Gattungen und/oder den Geschlechter-


zuschreibungen gilt. Insofern schließt dieser Band an die Erkenntnisse femi-
nistischer Kunstgeschichtsschreibung an, die den Zusammenhang zwischen
den Auf- und Abwertungen von Gattungen, den Konstruktionen von genialer
Autor- und Künstlerschaft und Geschlechterkonstruktionen zwischen repro-
duktiver und kreativer Produktion mittlerweile explizit machte und sowohl als
allgemeinen Diskurs als auch in Detailwirkungen untersuchte. Dieser Diskurs
gründet auf historisch gewachsenen Arbeitsteilungen und -zuweisungen, die
seit der Renaissance als essentialistische und natürliche Geschlechterordnung
tradiert werden, und ist mit der Gegenüberstellung von High und Low verbun-
den, eine Opposition, die hohe Kunst gegen Massen- und somit auch Medien-
kultur stellt.23
Wir hoffen, mit diesem Band dazu beizutragen, die unausgesprochenen
Inhalte von Auf- und Abwertungen in künstlerischen Produktionen in der dis-
kursiven Formation Kunstgeschichte wahrnehmbar zu machen – und nicht zu-
letzt sicht- und lesbar, dass und wie sie mit Geschlechterkonstruktionen ver-
knüpft sind, welche nicht nur die Kunst, sondern auch unseren Alltag nach wie
vor mitbestimmen. Insofern versteht sich der gesamte Band als Intervention
und Ermutigung zu Grenzgängen.
Wir danken an dieser Stelle insbesondere unseren Kooperationspartnerin-
nen am Museum Bellerive Zürich, der leitenden Kuratorin Eva Afuhs, und
ihren Mitarbeiterinnen Kristin Haefele und Tanja Trampe, den Autorinnen des
vorliegenden Bandes, der Übersetzerin Astrid Näff, der Korrekturleserin Ade-
le Gerdes, Fabienne Ton-Knaff, administrative Mitarbeiterin des Institute for
Cultural Studies in the Arts, für die Hilfe beim Layout und dem Projektbetreu-
er Gero Wierichs vom transcript Verlag, sowie besonders der Künstlerin Silke
Radenhausen für das Insert und den Fotografen ihrer Arbeit Patch-Collection
Tina Münchbach, Dewanger und Helmut Kunde.

23 Die Frage ist allerdings, wie die Bezüge auf die verschiedenen Künste und Gat-
tungen formuliert wurden, der Bezug auf die Musik konnte grenzüberschrei-
tende wie auch Grenzen setzende Motive haben, wie man sie in der Selbstbe-
gründung der abstrakten Künstler findet, die mit dem Einsatz metaphorischer
Begriffe aus der Musik allenfalls das hohe Ansehen der Musik als Kunstform
z. B. bei Hegel beleihen wollten, nicht aber deren tatsächliche Inhalte.

13
Geschlechtlich konnotierte Sphären
im niederländischen Galeriebetrieb
der Moderne: die Rezeption von
Arts and Crafts, außereuropäischem
Kunsthandwerk und Volkskunst 1
MARJAN GROOT

Einleitung

Die Frauenemanzipation Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichte es einzelnen


Designerinnen, Künstlerinnen und Entwerferinnen, ihren jeweiligen künst-
lerischen und kunsthandwerklichen Tätigkeiten erfolgreich nachzugehen und
zu ihrer Zeit wie auch teils noch heute bekannt zu werden und zu bleiben –
spätestens durch die Veröffentlichungen zu einer Künstlerinnen-Geschichte
von Seiten feministisch orientierter Forschender in der Kunstgeschichte. Doch
trotz dieses Erfolgs bleibt ein Dilemma bis heute bestehen: Künstlerische wie
kunsthandwerkliche Arbeiten von Frauen waren/sind durch abwertende ste-
reotype Zuschreibungen stigmatisiert. Es fanden/finden geschlechterspezifi-
sche Abwertungen von Produktions- und Ausdrucksformen statt. Verantwort-
lich sind dafür die Hierarchien der Kunst- und Kunsthandwerksgattungen, die
entlang geschlechterstereotyper Zuschreibungen konstruiert werden.
Im 19. Jahrhundert waren viele Formen des Textilkunsthandwerks wie
Kunststickerei oder Kunstnadelwerk, Weberei, Spitzenarbeit und Perlenarbei-
ten, mit deren Ausführung die meisten Frauen aufgewachsen waren, weiblich
konnotiert. Diesen Kunsthandwerksgattungen standen solche gegenüber, die
überwiegend Männer ausführten, exemplarisch dafür sind die Bereiche Mö-

1 Deutsche Übersetzung des Textes: Marjan Groot und Jennifer John.

15
M ARJA N G ROOT

belentwurf und Architektur. Laut Anthea Callen brachte die Arts-and-Crafts-


Bewegung (ab circa 1875) Bewegung in die Konstellation, die damit einher-
ging, dass die von Frauen ausgeführten Künste gegenüber den von Männern
ausgeführten abgewertet wurden: Die Bewegung förderte die Frauenemanzi-
pation im Bereich des Kunsthandwerks dadurch, dass sie Frauen, die oftmals
in traditionellen Berufen diskriminiert wurden, die Möglichkeit des selbstän-
digen Arbeitens eröffnete. Callen konstatiert jedoch, dass nichtsdestotrotz die
Viktorianische Unterscheidung von Klasse, Geschlecht und Arbeit aufrecht-
erhalten blieb: Frauen übten einerseits überwiegend die tradiert ›weiblichen‹
Kunsthandwerksgattungen aus und behielten andererseits ihre ›niedere‹ Rolle
als Ausführende oder assistierende Entwerferinnen, während ihren männ-
lichen Kollegen weiterhin die Aufgabe des Entwerfens zufiel. So arbeiteten
Frauen oftmals unter der Leitung und in den Werkstätten von Männern, die
teilweise Freund, Vater, Ehemann, oder Bruder waren.2
Lynne Walker differenzierte die Analyse Callens, indem sie darauf hin-
wies, dass Handwerk von Frauen, selbst traditionell ›weibliche‹ Techniken wie
Stickerei, tatsächlich als ein ›vollwertiger‹ Bereich des neuen Kunsthandwerks
anerkannt wurde. Rozsika Parker wies nach, dass die Kunststickereien der
Künstlerinnen der Arts-and-Crafts-Bewegung im Zusammenhang mit der
Frauenbewegung eine Vorbildfunktion erlangten. Dies ließ die Stickerei von
einer Beschäftigung von Dilettantinnen zu einer geschätzten künstlerischen
Leistung werden.3 Vor diesem Hintergrund wurde auch die positive Bewertung
von Kunststickereien europäischer Künstlerinnen ab circa 1895 möglich.
In den Niederlanden war nicht nur die englische Arts-and-Crafts-Bewe-
gung wegweisend, sondern auch die 1872 in London gegründete Royal School
of Art Needlework sowie die 1874 gegründete Kaiserlich-Königliche Fach-
schule für Kunststickerei an der Wiener Kunstgewerbeschule. Auch kann

2 Anthea Callen: Angel in the Studio. Women in the Arts and Crafts Movement
1870-1914, London: Astragal Books 1979, speziell S. 218-220; Anthea Callen:
»Sexual Division of Labour in the Arts and Crafts Movement«, in: Judy Att-
field/Pat Kirkham (Hg.), A View from the Interior. Feminism, Women and De-
sign, London: Women’s Press 1989, S. 151-164. Vgl. hierzu auch die Einleitung
in diesem Band.
3 Vgl. Lynne Walker: »The Arts and Crafts Alternative«, in: Judy Attfield/Pat
Kirkham (Hg.), A View from the Interior. Feminism, Women and Design,
London: Women’s Press 1989, S. 165-173; Rozsika Parker: The Subversive
Stitch. Embroidery and the Making of the Feminine, London: Women’s Press
1984, S. 178-182. Dies bestätigte noch kürzlich Bridget Elliott/Janice Helland
(Hg.): Women Artists and the Decorative Arts 1880-1935, Hants, Burlington:
Ashgate 2002, darin speziell »Introduction«, S. 5-8, und Jan Marsh: »May
Morris: ubiquitous, invisible Arts and Crafts-woman«, S. 35-37.

16
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

zur Differenzierung des oben gezeigten Bildes noch angeführt werden, dass
Künstlerinnen und Designerinnen und ihrem Werk hier nicht ausschließlich
negativ begegnet wurde. Manche wurden von ihren männlichen Kollegen
geschätzt und es gab auch immer wieder einflussreiche Künstler, die Künst-
lerinnen förderten. Dazu ist zu bemerken, dass der 1904 gegründete, nieder-
ländische Berufsverein aller kunsthandwerklichen Fachgebiete, VANK (Ne-
derlandsche Vereeniging van Ambachts en Nijverheidskunst), von Anfang an
Frauen als Mitglieder anerkannte.4
Zu bedenken bleibt jedoch, dass die Künstlerinnen überwiegend in ›typisch
weiblichen‹ Gattungen von Kunst und Handwerk tätig waren und dadurch für
ihre männlichen Kollegen kaum eine Konkurrenz darstellten. Künstlerinnen,
deren Werke den nicht-weiblich konnotierten Gattungen von Kunsthandwerk
und Design zugeordnet werden können, arbeiteten überwiegend im Bereich
der stilistischen Erneuerung, deren Konzept auf männlichen Zuschreibungen
basierte.5 In den Niederlanden war die graphische Gestaltung eines der ›neut-
ralsten‹ Felder der angewandten Künste, in dem Künstlerinnen sich etablierten
konnten.

In diesem Beitrag möchte ich am Beispiel niederländischer Kunsthandwer-


kerinnen und Entwerferinnen die Hierarchisierung der Kunst(handwerks-)
gattungen in Hinsicht auf implizite Geschlechterkonstruktionen überprüfen.
Es soll die Komplexität der Analyse von Geschlechterkonstruktionen in den
Kunstgattungen in Bezug auf historische Situationen aufgezeigt werden. Der
erste Teil des Beitrags umfasst Beispiele von Künstlerinnen, deren Arbeiten
nicht in das stereotype Muster der Künste passen, um einen Eindruck von den

4 Es ist das Gegenteil zu der beispielsweise schon 1884 gegründeten, exklu-


siv Männern vorbehaltenen Art Workers’ Guild in England, was May Morris
1907 dazu anregte, eine Women’s Guild of Arts zu stiften, vgl. Jan Marsh:
»May Morris«, in: B. Elliott/J. Helland (Hg.), Women Artists, S. 43-44. Es ist
ungeklärt, ob Frauen am Deutschen Werkbund schon seit der Gründung 1907
Mitglieder werden konnten. Möglicherweise waren Adele von Stark, Therese
Trethan kurz nach der Gründung und Möbelentwerferin Gertrud Kleinhempel
schon 1907 Mitglieder. Sicher ist, dass 1912 die Innenarchitektin Lilly Reich
dem Werkbund beigetreten war, vgl. Angela Oedekoven-Gerischer u. a. (Hg.):
Frauen im Design. Berufsbilder und Lebenswege seit 1900. Women in Design.
Careers and Life Histories since 1900, Stuttgart: Design Center/Landesgewer-
beamt Baden-Württemberg 1989, S. 40, 44, 56, 74, und Werkbundarchiv auf
http://www.museumderdinge.de/.
5 Frühe internationale Übersichten in Isabelle Anscombe: A Woman’s Touch.
Women in Design from 1860 to the present day, London: Virago Press 1984;
A. Oedekoven-Gerischer u. a. (Hg.): Frauen im Design, 1989.

17
M ARJA N G ROOT

Interventionen von Frauen im Kunsthandwerk außerhalb von Textilarbeiten zu


geben. Im zweiten Teil des Beitrags soll die Hierarchisierung der Kunst(hand-
werks)gattungen mit geschlechterspezifischen Geographien und Sphären in
Beziehung gesetzt werden: An spezifischen Orten im städtischen Raum waren
Frauen als Kunsthandwerkerinnen und Entwerferinnen sichtbar.6

Künstlerinnen und Kunsthandwerk:


einige nicht-stereotype Beispiele

Um 1911 studierten zwei junge Frauen, Tine Baanders (1890-1973) und Cateau
Berlage (1889-?) in Zürich. Sie hatten in den Niederlanden auf verschiedenen
Schulen eine Entwurfsausbildung gemacht und belegten in Zürich Kurse in
Buchbinden und Lithographie, was Briefe von Tine Baanders an ihre Familie
in Amsterdam bezeugen. Sie repräsentierten die ›neue Frau‹, (relativ) unab-
hängig und mit der Intention, selbst zu arbeiten und – im Fall von Baanders
– moderne lesbische Sexualität zu leben.7 Beide waren Töchter von damals be-
kannten niederländischen Architekten. Als sie 1912 nach Amsterdam zurück-
kehrten, begannen sie als graphische Entwerferinnen zu arbeiten. Gemeinsam
waren sie für die Frauenausstellung De Vrouw 1813-1913 (Die Frau 1813-1913)
tätig, die zweite nationale Frauenausstellung in den Niederlanden.8 So entwarf
Tine Baanders ein Diplom für die ausschließlich weiblichen Teilnehmerinnen
der Ausstellung und Cateau Berlage entwarf Reklame (Abb. 1).

6 Dieser Beitrag ist eine Überarbeitung des Aufsatzes von Marjan Groot: »Cros-
sing the Borderlines and Moving the Boundaries. ›High‹ Arts and Crafts,
Cross-culturalism, Folk Art and Gender«, Journal of Design History, 19, 2
(2006), S. 121-136. Für alle Details über die besprochenen niederländischen
Entwerferinnen vgl. Marjan Groot: Vrouwen in de vormgeving in Nederland
1880-1940, Rotterdam: Uitgeverij 010 2007.
7 Z. B. Jane Beckett/Deborah Cherry: »›Jenseits des Sichtbaren‹: Frauen, Groß-
stadtkultur, Vortizismus«, in: Karin Orchard (Hg.), Vortizismus – Die erste
Avantgarde in England 1914-1918, Ausstellungskat. Hannover, München: Ars
Nicolai 1996, S. 58-73, hier 62-63; Birgit Haustedt: Die wilden Jahre in Ber-
lin. Eine Klatsch- und Kulturgeschichte der Frauen, Berlin: Edition Ebersbach
2002.
8 Vgl. Jane Beckett, »Engendering the Spaces of Modernity: The Women’s Ex-
hibition, Amsterdam 1913«, in: B. Elliott/J. Helland (Hg.), Women Artists, S.
155-175.

18
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Abb. 1: Cateau Berlage, Werbeanzeige-Entwurf für die Ausstellung


De Vrouw 1813-1913, 1912. Motto: ›Kraft ungeachtet Widerstand‹. Fotografie
aus der Zeitschrift De vrouw en haar huis

Graphische Formgebung bzw. graphische Gestaltung war während des gesam-


ten Zeitabschnitts 1895-1940 bei Entwerferinnen populär. Ihre Attraktivität
lag für Künstlerinnen wahrscheinlich darin, dass die Arbeit mit einfachen Ins-
trumenten in kleinen Räumen auszuführen war sowie dass sie mit ›bildender‹
Kunst verwandt war. So knüpfte das graphische Werk vieler dieser Künstle-
rinnen ab 1917 auch an den abstrakten Modernismus an. Doch die berufliche
Karriere vieler dieser Künstlerinnen war kurz, nur wenige der Künstlerinnen
konnten eine solch lange Karriere vorweisen wie Fré Cohen (1903-1943), die
ab 1925 bis zu ihrem frühen Tod als Künstlerin tätig war. Sie ist eine Aus-
nahme, deren Erfolg nicht zuletzt darauf beruht, dass sie Aufträge von sozial-
demokratischen Vereinen erhielt (Abb. 2).

19
M ARJA N G ROOT

Abb. 2: Fré Cohen, Gestalteter Umschlag für Hendrik de Man, Het


sosialisme als kultuurbeweging, Amsterdam: Arbeiders Jeugd Centrale,
1928. Papier, 204 x 304 mm

Eine weitaus bedeutendere Ausnahme stellt die Karriere von Margaret Kro-
pholler (1891-1966) dar, die Erfolg in einer ›männlich‹ besetzten Kunstgattung
hatte. Sie fertigte unter dem Pseudonym Greta Derlinge für die bereits ge-
nannte Frauenausstellung ihren ersten offiziellen Entwurf: ein Haus für die
moderne Frau anno 1913. Sie war die einzige Frau, die vor 1945 als Archi-
tektin in den Niederlanden arbeitete; ihre ersten Entwürfe von Villen fertigte
sie direkt nach dem Ersten Weltkrieg in einem expressionistischen Stil der
so genannten Amsterdamer Schule, der kurz vor dem Durchbruch zu einem
rationalen, sachlichen Funktionalismus war. Während der Bereich des Bauens
in der Architektur aufgrund seines konstruktiven Aspektes eine männliche
Zuschreibung erfuhr, stellte die ›dekorative‹ Ausrichtung der Architektur eine
Nische für Frauen in diesem Feld dar.9 Eine der bedeutendsten Künstlerinnen
in diesem Feld war Jacoba van Heemskerck, die ab 1913 Anerkennung für ihre
expressionistischen Bleiglasfenster in Berlin und Den Haag fand.10 Wie viele
weitere Künstlerinnen erhielt sie ihre Aufträge von Architekten und Künstler-
freunden.
Für die Situation in der Ausbildung galt, dass weibliche wie männliche

9 B. Elliott, J. Helland (Hg.): Women Artists, »Introduction«, S. 1-14.


10 Vgl. die Monographie über diese Künstlerin von A.H. Huussen jr., J.F.A. van
Paaschen-Louwerse: Jacoba van Heemskerck van Beest 1876-1923. Schilderes
uit roeping, Zwolle: Waanders uitgevers 2005.

20
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Studenten im Prinzip in allen Techniken unterrichtet wurden. Anja Baum-


hoff weist jedoch am Beispiel des Bauhauses eindrücklich nach, dass auch
die avantgardistischen, scheinbar fortschrittlichen Institutionen entlang des
tradierten Geschlechtersystems strukturiert wurden: die männliche Leitung
des Bauhauses situierte die Weberei als künstlerischen Bereich für weibliche
Schüler.11 Mit dem Eintritt in die Berufspraxis war das Geschlecht für die Tä-
tigkeit meist entscheidend. Kunst im Bereich Metall und Keramik wurden in
den Niederlanden überwiegend von Männern professionell ausgeführt. Aber
auch in diesem Bereich lassen sich Ausnahmen verzeichnen, wie Johanna van
Eybergen, die zwischen 1906 und 1910 moderne Entwürfe für eine Kunst-
werkstatt in einer kommerziellen Kupferwerkfabrik anfertigte. Von Eybergen
war jedoch Entwerferin, d. h. sie bearbeitete selbst kein Metall. Als das Kunst-
atelier 1910 geschlossen wurde, arbeitete sie als Lehrerin für Textilarbeiten an
einer Mädchenschule, eine innerhalb der Kunstgattungen die Geschlechter-
rollen festigende Position. Zwei international erfolgreiche Künstlerinnen einer
jüngeren Generation, die sich als professionelle Entwerferinnen im Bereich
der Metallkunst profilieren konnten, sollen nicht unerwähnt bleiben: Ab 1927
machte die Österreicherin Christa Ehrlich industrielle Entwürfe für eine nie-
derländische Silberfabrik in Voorschoten, ab 1938 stieß die deutsche Künst-
lerin Emmy Roth kurze Zeit dazu.
Ein weiteres Zeugnis für die Funktionen, die Geschlechterzuschreibungen
in den ›angewandten‹ Künsten spielen, gibt die künstlerische Laufbahn der
in Weimar geborenen Künstlerin Gertrud Arper (1894-1968). Nachdem sie in
ihrem Geburtsort die Kunstgewerbeschule abgeschlossen hatte – 1919 wurde
diese zusammen mit der Hochschule für bildende Kunst offiziell zum Staatli-
chen Bauhaus – wurde sie 1915 auf Fürsprache von Henry van de Velde Assis-
tentin des Architekten H.P. Berlage in Den Haag. Sie wirkte in der Abteilung
»Gebäude« der Firma W.H. Müller & Co. Die Ehefrau des Firmeninhabers,
Hélène Kröller-Müller, beauftragte Berlage, ein Lustschloss zu entwerfen,
sie bat ihn, an der Planungsarbeit eine Frau zu beteiligen. Sie wollte, dass
diese Entwerferin kleinere Teile von Berlage’s Entwurf ausführte und dar-
über hinaus für sie Gebrauchsgegenstände entwerfe. So sollte Gertrud Aper
Flachmuster für Textilien und Stickereien entwerfen, aber auch eigene Ideen
einbringen, da die Auftraggeberin »das weibliche Element bei der Einrichtung

11 Siehe dazu den Beitrag von Anja Baumhoff in diesem Band, sowie auch:
Sigrid Wortmann Weltge, Women’s work. Textile art from the bauhaus, San
Francisco: Chronicle Books 1993; Anja Bauhoff, »Weberei intern. Autorität
und Geschlecht am Bauhaus«, in: Magdalena Droste/Manfred Ludewig (Hg.),
Das Bauhaus webt. Die Textilwerkstatt am Bauhaus. Ein Projekt der Bauhaus-
Sammlungen in Weimar, Dessau, Berlin, Berlin: Bauhaus-Archiv 1998, S. 53-
58.

21
M ARJA N G ROOT

von Wohnhäusern und bei der Anfertigung von Gebrauchsgegenständen un-


bedingt nötig erachte[te]«.12 Die Architekten Van de Velde und Berlage wie
auch Hélène Kröller ließen die soziale Rolle von Frauen unangetastet, werte-
ten jedoch zugleich die tradierten Zuschreibungen an Weiblichkeit durch die
Betonung der Qualitäten ›weiblicher‹ Kreativität auf – und damit auch Frauen.
Gertrud Arper blieb in Berlages Büro, bis sie 1920 heiratete; von 1915 bis 1925
arbeitete sie freiberuflich als Entwerferin für die sozialistische Möbelfabrik
Labor Omnia Vincit (L.O.V.); in den Niederlanden stellte ein derartiger Beruf
für eine Frau einen Ausnahmefall dar. Später wurde sie Mitarbeiterin in der
Galerie mit Atelierbetrieb Die Perleule.

Galerien als ›weiblich‹ konnotierte Räume

Die Galerie Die Perleule in der Stadt Haarlem hatte sich auf aktuelles Kunst-
handwerk und funktionalistisches Design spezialisiert, wurde jedoch bis heute
nicht in die Kunstgeschichtsschreibung des niederländischen Designs der 20er
und 30er Jahre aufgenommen. Die Galerie war auf unterschiedlichen Ebenen
›weiblich‹ konnotiert: 1924 bis 1954 wurde sie von einer Frau – Jo van Regteren
Altena (1876-1954) – geleitet. Im Atelier arbeiteten überwiegend junge Frauen
und die Ausstellungen zeigten überwiegend Werke aus dem Bereich der ›an-
gewandten‹ Künste von Frauen. Für van Regteren Altena funktionierte die Ga-
lerie wie ein »ritueller Passageraum«, wie er beispielsweise in verschiedenen
Beiträgen von Kenworthy Teather beschrieben wird: ein Raum, den sich Men-
schen aneignen oder den sie entwerfen, um mit anderen aufgrund von diversen
Übereinstimmungen wie Alter oder Geschlecht eine stabile, lebbare Identität
entwickeln zu können.13 Für van Regteren Altena spannte sich die Passage mit
ihrer Galerie Die Perleule von der symbolisch emanzipatorischen Beschäfti-
gung mit ›weiblichem‹ Textilhandwerk bis zur weniger unter stereotypen Zu-
schreibungen stehenden Innenarchitektur, die sie ab 1930 präsentierte. In den
30er Jahren präsentierte die Galerie auch skandinavische Möbel (Abb. 3).14

12 Brief von Hélène Kröller-Müller an Karl Ernst Osthaus, 24. April 1915, zitiert
in Johannes van der Wolk, »Honderd jaar Kröller-Müller«, in: R.W.D. Oxe-
naar/A.M. Hammacher/Johannes van der Wolk u. a., Kröller-Müller honderd
jaar bouwen en verzamelen, Haarlem: Enschedé 1988, S. 28-29.
13 Vgl. die klassische Studie von Arnold van Gennep: The rites of passage, Lon-
don and Henly: Routledge and Kegan Paul 1977 (19601). Für Räume in Bezie-
hung zu verschiedenen zeitgenössischen Rites de Passage vgl. u. a. Elizabeth
Kenworthy Teather (Hg.): Embodied Geographies. Spaces, Bodies and Rites of
Passage, London, New York: Routledge 1999.
14 Vgl. A. Oedekoven-Gerischer u. a. (Hg.): Frauen im Design, S. 28-29.

22
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Abb. 3: Innenraum der Galerie De Kerkuil, Kenaupark 21 Haarlem, mit


Möbeln von Alvar Aalto, 1938-1939

Diese Galerie ist exemplarisch für einen weiblich konnotierten Raum in der
späten modernistischen Zeit. Jane Beckett and Deborah Cherry stellen (groß)
städtische Kultur als ein geschlechtlich und erotisch konnotiertes Feld dar, das
sich die Avantgarde ab 1910 schuf, indem sie entsprechende atmosphärische
Orte kreierte. Diese Sphären und Räume beschreiben Geographien, was eine
räumliche Kartierung – »mapping«15 – meint: es werden Orte dokumentiert,
welche durch visuelle Vermittlung von Kunst von Frauen mit einer alternati-
ven Bedeutung belegt wurden. Es handelt sich um eine Besetzung, die sym-
bolisch gemeint ist, aber ebenso die Belegung von konkreten Räumen meinen
kann, wie Cafés, Cabarets und Ausstellungen.16 In diesem Beitrag will ich aus-
schließlich auf diejenige Geographie eingehen, die konkrete Orte und Räume
bezeichnet, welche in Beziehung zu einer anthropologischen Struktur in be-
stimmten, kulturell geprägten Lebensphasen stehen – z.B. Geburtsorte, Orte

15 Vgl. J. Beckett/D. Cherry: »›Jenseits‹«, S. 58: Mapping geht von der Unmög-
lichkeit aus, »[...] eine Landkarte von Gebieten zu zeichnen, die noch nicht in
Besitz genommen sind, und die Aneignung und Beherrschung durch den Akt
der visuellen Darstellung bezeichnet«.
16 Zu den Avantgarde-Geographien in der Metropole London kurz vor und wäh-
rend des Ersten Weltkriegs vgl. J. Beckett/D. Cherry: »›Jenseits‹«, S. 58-60.
Für Berlin vgl. B. Haustedt: Die wilden Jahre, Kapitel 2, ›Berlins weibliche
Topographie‹.

23
M ARJA N G ROOT

der Adoleszenz und Ehe. Diese Geographien kann man Sphären, Gebiete oder
Räume nennen. Zu diesen konkreten Räumen gehörten Galerien.
Schon an der Namensgebung der Galerie »Die Perleule« ist die Konstruk-
tion eines konkreten und symbolischen Raumes ablesbar, der mit subversiven
weiblichen Identitätskonstruktionen verknüpft ist. Jene Konstruktion kann so-
wohl auf die Leiterin der Galerie bezogen werden, als auch grundsätzlich auf
Frauen im Kunsthandwerk: eine Perleule ist kein Tier, das alltäglich im öffent-
lichen Stadtraum zu sehen ist, sondern das sich in Baumhöhlen, Türmen und
Ruinen verbirgt. Es hat jedoch ein sehr scharfes und aufmerksames Gehör. Die
Symbolik lässt sich auf die Entwicklung des Standortes der Galerie Die Perl-
eule übertragen: anfänglich befand sich die kleine Galerie neben der Großen
oder St. Bavo Kirche aus dem 14. bis 16. Jahrhundert, gleich einem zurück-
gezogenen Raum im Stadtzentrum, wie ihn die unscharfe spontane Fotografie
von der Galerie mit Mitarbeiterinnen davor zeigt (Abb. 4).

Abb. 4: Drei Mitarbeiterinnen vor der Galerie Die Perleule in Haarlem, 1923

Im Laufe der Jahre zog die Galerie jedoch um in größere und öffentlich sicht-
barere Gebäude (Abb. 3).
Diese räumliche und symbolische Lokalisierung und Deutung der Gale-
rien bestanden schon in der früh-modernen Zeit, die der erst später als sol-
che erkannten Avantgarde vorausging.17 Entsprechend der Konstruktion von

17 Für die frühere Zeit Lynne Walker: »Vistas of pleasure: Women consumers
of urban space in the West End of London 1850-1900«, in: Clarissa Campbell
Or (Hg.), Women in the Victorian Art World, Manchester, New York: Man-
chester University Press 1995, S. 71-85. Für weiblich/männliche Konnotatio-
nen von Zimmern und Räumen in Deutschen Privathäusern um 1900 auch
Thomas Heyden: Biedermeier als Erzieher. Studien zum Neubiedermeier in
Raumkunst und Architektur 1896-1910, Weimar: Verlag und Datenbank für

24
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Kunstgattungen ist die strikte Trennung männlicher und weiblicher Sphären,


die die Theorie aufstellt, mithilfe von Quellen zu realen Lebenswelten zu hin-
terfragen. Männlichkeit und Weiblichkeit sind keine essentiellen Kategorien,
und im künstlerischen Ausdruck sind es sicher auch Begriffe und Polaritäten,
mit denen Künstler/-innen ›spielen‹. Dennoch verhallte jeder künstlerische
Versuch, Weiblichkeit neu zu definieren.18 Obwohl diese Galerien alternativ
denkende Künstler/-innen und Kunsthandwerker/-innen anzogen, waren sie
zugleich in der bürgerlichen Gesellschaft, aus der ihr Publikum oder ihre Lei-
terinnen stammten, verankert.

Die Verschränkung von Geschlechterkonstruktionen


im Kunsthandwerk mit weiteren Differenzkategorien:
westliches und nicht-westliches Kunsthandwerk
und die Volkskunst

Galerien, in denen Frauen eine Rolle spielten, entstanden in den Niederlanden


ab circa 1898. Sie funktionierten als Netzwerke, indem sie Frauen ermöglich-
ten, Mitglieder von früh-modernen Kunsthandwerker/-innenzirkeln zu sein.
Zugleich kreierten Frauen als Galerie-Leiterinnen eine ästhetische Umgebung
für das Kunsthandwerk, in der sich Entwerfer/-innen und Liebhaber/-innen
des Kunsthandwerks wohl fühlen und Letztere Produkte konsumieren konn-
ten. Diese Situation kann als Fortschreibung des traditionell weiblichen Rol-
lenmodells betrachtet werden19, zugleich gab die Rolle als Galerie-Leiterin
mit ihren Möglichkeiten Frauen eine bedeutende Funktion im Galeriebetrieb.
Auch muss die Geschlechterzuschreibung im Fall der Leitungsposition dif-
ferenziert werden, weil auch Männer diese Funktion übernahmen und Frau-
en gleichberechtigt waren. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Galerien und
Werkstätten Gattungen des Kunsthandwerks in weiblich oder männlich kon-
notierten Sphären repräsentierten.
In Amsterdam eröffnete 1900 eine Galerie mit Werkstatt, die sich auf
moderne, aus der Arts-and-Crafts-Bewegung inspirierte Möbel und Innen-
dekoration spezialisiert hatte: ’t Binnenhuis [Das Innenhaus]. Sie wurde von
Möbelentwerfern geleitet, unter ihnen der genannte Architekt H.P. Berlage.
Einige Frauen mit Kunsthandwerkausbildung lieferten Textil- und Lederarbei-

Geisteswissenschaften 1994, S. 139-146, ›Der feminine Stil‹. In der Romanli-


teratur sind weibliche Geografien in der Stadt ebenfalls ein Thema.
18 L. Walker: »Vistas«, in: C. Campbell Or (Hg.): Women. Auch in Bezug zu
bildenden Künstlerinnen: Deborah Cherry, »Women artists and the politics of
feminism 1850-1900«, in: C. Campbell Or (Hg.), Women, S. 49-51.
19 J. Beckett/D. Cherry: »›Jenseits‹«, S. 63.

25
M ARJA N G ROOT

ten. Zwei Jahre später, 1902, wandelte Margaretha Verwey (1867-1947) ihr seit
1888 bestehendes Geschäft für Stickereien zu einer Galerie mit Werkstatt für
moderne Kunststickereien um. Sie leitete ihre Amsterdamer Galerie bis in die
30er Jahre, ab 1908 einschließlich einer Filiale in Utrecht und ab 1910 einer in
Den Haag. Des Weiteren publizierte sie theoretische Überlegungen zu Textil-
techniken. Die Galerie mit dem Namen Einrichtung für Entwürfe, Zeichnen
und Ausführen von Kunststickereien und Webearbeiten Margaretha Verwey
entwickelte sich komplementär zu der von Männern dominierten Galerie ’t
Binnenhuis: Verwey arbeitete ausschließlich mit Assistentinnen. Diese Ge-
gebenheit sowie die Tatsache, dass sie sich auf weiblich konnotierte Kunst-
stickereien spezialisiert hatte, lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Galerie
eine öffentliche Sphäre für Frauen repräsentierte (Abb. 5).
Da Frauen sich in dieser Periode vielfach mit Textilhandwerk identifizier-
ten, muss diese Galerie in der städtischen Geographie für sie wichtig gewe-
sen sein. Die Galerie war eine ›weibliche‹ Sphäre. Als wichtigen Ort für das
gesamte niederländische Kunsthandwerk dieser Periode nennen historische
Übersichten niederländischen Kunsthandwerks jedoch nur die Möbelgalerie.20
Der ›weibliche‹ Raum bleibt trotz seiner Bedeutung unerwähnt, obwohl die
Galerie von Verwey mit ihren Textilhandwerk nachweislich ebenso moderne
künstlerische Arbeiten wie die Galerie ’t Binnenhuis mit ihren Möbeln prä-
sentierte.
Die Textilprodukte weisen in ihren künstlerischen wie theoretischen Über-
legungen und Zielsetzungen ein rationelles Streben nach abstrakter Formge-
bung auf, welche der Abstraktion vorausging, die in der westlichen Kultur zu
einem männlichen Ideal wurde.21 Doch trotz ihrer Suche nach neuen Form-
gebungen für ihre textilhandwerklichen Arbeiten und ›männlicher‹ ästheti-
scher Formentwicklung erhielten Künstlerinnen nicht dieselbe (historische)
Anerkennung wie ihre männlichen Kollegen.
Geschlechterstereotype Konstruktionen von Kunsthandwerk und Design
wie auch geschlechtlich konnotierte Sphären sind mit noch einer weiteren Dif-
ferenz erzeugenden Kategorie verschränkt: Es wird westliches von nicht-west-
lichem, dem sogenannten ›primitiven‹ Kunsthandwerk unterschieden. Das

20 Vgl. beispielsweise die Übersicht von Titus M. Eliëns/Marjan Groot/Frans


Leidelmeijer: Avant-Garde Design. Dutch Decorative Arts 1880-1940, Lon-
don: Philip Wilson 1997.
21 Vgl. zum klassischen Rationalismus Sabina Lovibond: »Feminism in ancient
philosophy: The feminist stake in Greek rationalism«, in: Miranda Fricker/
Jennifer Hornsby (Hg.), The Cambridge Companion to Feminism in Phi-
losophy, Cambridge: Cambridge University Press 2000, S. 10-28, und Ellen
Kennedy/Susan Mendus (Hg.): Women in Western Political Philosophy. Kant
to Nietzsche, Brighton: Wheatsheaf Books 1987.

26
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Abb. 5: Innenraum der Galerie Einrichtung für Entwürfe, Zeichnen und


Ausführen von Kunststickereien und Webearbeiten Margaretha Verwey,
Amsterdam, 1907-1908

Wort ›primitiv‹ erhielt in der Geschichte durch Kommentare von Philosophen


und Künstlern eine weibliche Konnotation.22 Diese Konnotation wurde in den
Kunstdiskursen über das Ornament mitbestimmt sowie über die Unterschei-
dung von ›einfachem‹ Kunsthandwerk und ›hoher‹ bildender Kunst.23 Sie wird
differenziert durch die tradierte Gegenüberstellung von ›hohem‹ westeuro-
päischem Kunsthandwerk und ›niederer‹ westlicher Volkskunst, die sich über

22 Ebd., die Ursprünge dieser Klassifizierung finden sich schon bei Philosophen
wie Platon und Aristoteles, vgl. dazu z. B. Julia Annas: »Plato’s Republic and
Feminism«, in: Julie K. Ward (Hg.), Feminism and Ancient Philosophy, New
York, London: Routledge 1996, S. 3-12; Susan B. Levin: »Women’s Nature
and Role in the Ideal Polis: Republic V Revisited«, in ebd.; Daryl McGowan
Tress: »The Metaphysical Science of Aristotle’s Generation of Animals and Its
Feminist Critics«, in ebd.
23 Verweise auf das Ornament in Bezug zu Handwerktechniken von Frauen wie
das Weben sind gängig in folgenden Quellen: 1910 schrieb beispielsweise ein
Kritiker, dass die Webarbeiten von Timor, Sawoe, Roti und Soemba skandina-
vischen Webarbeiten gleichen, gleichzeitig erkannte er ebenso Übereinstim-
mungen ihrer Werke zu Vikingerornamenten aus 900-1100 n. Chr. wie auch
zu den Ornamenten der Dajakstämme in Borneo, vgl. M. Groot: Vrouwen in
de vormgeving, S. 235. Vgl. zu diesem Diskurs ebenso den Aufsatz von Sigrid
Schade in diesem Band.

27
M ARJA N G ROOT

die Professionalisierung von Kunsthandwerkern und Designern legitimiert.


Dennoch hatte die westliche Volkskunst wie die nicht-westliche Kunst einen
Vorbildcharakter für das westeuropäische Kunsthandwerk.24 Die Bewunde-
rung galt besonders der Volkskunst aus den Gebieten Europas, die man von
der Perspektive der industrialisierten Stadtkultur aus gesehen als ›primitiv‹
betrachtete: z. B. die Kunst bäuerlicher Schichten sowie die von Völkern aus
Skandinavien und den östlichen europäischen Gebieten wie das damalige Bos-
nien, Herzegovina, Bucowina, Bulgarien, Serbien und Slowenien. Traditionel-
les Textilhandwerk von Frauen – speziell Gewebe und Flechtarbeiten – zählten
ebenso zur Volkskunst, weil es oft zuhause ohne explizit geäußerten künst-
lerischen Anspruch gefertigt wurde. Die stilisierten Dekorationsmotive dieses
Handwerks wurden als ehrlich und natürlich empfunden.

Drei Galerien und ›weibliche‹ Räume:


Arts and Crafts, Boeatan, De Wekker

Ich möchte in diesem Netz von Konstruktionen drei niederländische Galerien


mit ihren Werkstätten verorten, die durch Künstlerinnen entscheidend geprägt
oder geleitet wurden, um zu verdeutlichen, inwiefern die Zuschreibungen auch
verschoben wurden. Alle drei Galerien befanden sich in Den Haag. Arts and
Crafts, die jüngste dieser Galerien, an die auch eine Werkstatt angebunden war,
nannte sich nach der englischen Reformbewegung. Ein Ehepaar aus Apeldoorn
kümmerte sich um das Kunsthandwerk, das die Galerie ausstellte: Chris We-
gerif (1859-1920), der Hauptfinanzier der Galerie, war Architekt und entwarf
Möbel; seine Frau Agathe Wegerif-Gravestein (1867-1944) hatte eine Batik-
werkstatt gegründet, in der für die Galerie Textilprodukte gefertigt wurden. Die
Tatsache, dass die Ehepartner ihre jeweiligen Arbeiten durch ihre Namensnen-
nung kennzeichneten, weist auf eine gleichberechtigte Beziehung hin (Abb. 6).
Dennoch bestätigte die Arbeitsteilung eine tradierte Zuordnung: die Frau
beschäftigte sich mit Textilarbeiten, der Mann mit Möbelentwurfsarbeiten.25

24 Vgl. dazu auch bezüglich deren Verknüpfung mit Geschlechtskonstruktionen


Elizabeth Cumming: »Patterns of life: the art and design of Phoebe Anna Tra-
quair and Mary Seton Watts«, in: B. Elliott/J. Helland (Hg.), Women artists, S.
19-22. In derselben Publikation belegt diese These der Aufsatz von Sandra Al-
foldy: »Laura Nagy: Magyar Muse«, S. 138-149, am Beispiel einer ungarischen
Entwerferin. Vgl. ebenso Kapitel 6 in M. Groot: Vrouwen in de vormgeving,
2007, das zahlreiche Quellenangaben zur niederländischen Situation liefert.
25 Wie z. B. auch im Fall des Berliner Paares Rudolf und Fia Wille, vgl. A. Oede-
koven-Gerischer u. a. (Hg.): Frauen im Design, S. 54-55. Fia Wille (1868-1920)
war fast so alt wie Agathe Wegerif.

28
G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Abb. 6: Sitz-Möbel mit gebatiktem Überzug von Chris und Agathe


Wegerif-Gravestein

Agathe Wegerif-Gravestein strebte als Autodidaktin Neuerungen im Kunst-


handwerk an. Die Generation, zu der sie zählte, machte sich für die Partizipa-
tion von Frauen im Kunsthandwerk stark. Zeitgleich mit dem Arbeitsbeginn
von Wegerif-Gravestein für die Batikwerkstatt 1898 wurde in Den Haag die
erste große Frauenausstellung eröffnet: die Nationale Tentoonstelling van
Vrouwenarbeid (Nationale Ausstellung für Frauenarbeit). Diese Ausstellung
kennzeichnet einen Durchbruch des niederländischen Feminismus.
Arts and Crafts war die erste Galerie und künstlerische Werkstatt, die in
den Niederlanden das Kunsthandwerk im Sinne der Arts-and-Crafts-Bewe-
gung erneuerte, zugleich orientierte sie sich aber auch an der Art-Nouveau-
Bewegung aus Belgien. Obwohl die Galerie nur sechs Jahre existierte, nimmt
sie in der Geschichte des holländischen Kunsthandwerks einen bedeutenden
Platz ein. Man könnte unterstreichen, dass es eine Besonderheit war, dass eine
Frau in der Periode eine Batikwerkstatt gründete, in der erste Initiativen zur
Entwicklung eines ›neuen Kunsthandwerks‹ erkennbar wurden: Niederländi-
sche Künstler/-innen begannen um 1895 mit Batik zu experimentieren, an-
fänglich vornehmlich Männer, doch bald auch Künstlerinnen. Ab ungefähr
1902 wurde Batik auch in anderen europäischen Ländern bekannt. Agathe We-
gerif-Gravestein war eine der ersten westlichen Batikkünstler/-innen – auch

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M ARJA N G ROOT

aus internationaler Perspektive – und sie präsentierte ihr Werk auf nationalen
und internationalen Ausstellungen. Ihr Stil tendierte in Richtung Art Nouveau
und Expressionismus, und war keineswegs systematisch und rationalistisch
konzeptionell.
Für westliche Künstler mag Batik exotische Konnotationen gehabt haben,
denn Batik war eine Technik aus der niederländischen Kolonie Indonesien.
In Indonesien wurde es als Volkskunst praktiziert, hauptsächlich von Frauen,
obgleich einige spezielle Batiktechniken von Männern ausgeführt wurden.
Eine weitere der drei Galerien, die hier besprochen werden, spezialisierte sich
in derselben Zeit auf Handwerk aus Indonesien: Boeatan (boeatan bezeichnet
Produkt) (Abb. 7).

Abb. 7: Cornelia van der Hart, Logo von der Boeatan Galerie, ca. 1903
(Entwurf 1898)

In der Geographie der Stadt stellte das nicht-westliche (Kunst-)Handwerk der


Galerie Boeatan ein Gegenüber zum ›hohen‹ westlichen Kunsthandwerk ein-
schließlich westlicher Kunstbatik von Arts and Crafts dar. Boeatan entstand
aus der Frauenausstellung von 1898, sie wurde ausschließlich von Frauen ge-
führt (Abb. 8).
Die Leiterinnen von Boeatan hatten ein ideologisches Ziel: sie wollten
Interesse für nicht-europäisches Kunsthandwerk wecken, das sie ›primitiv‹
nannten und bewunderten. Des Weiteren wollten sie dieses Handwerk gegen
die Industrialisierung schützen, denn für das nationale Frauenhandwerk hatte
es sich als problematisch erwiesen, dass industrielle Produktion kostengünstig
entsprechende Textilien fertigte. Die niederländischen Künstlerinnen werteten
also zugleich ihre eigenen Arbeiten durch ihre positiven Zuschreibungen an

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G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

Abb. 8: Innenraum der Galerie Boeatan, Den Haag, ca. 1907

das Handwerk nicht-europäischer Frauen auf. Diese positiven Zuschreibungen


an ›primitive‹ Arbeiten übertrug sich auch auf ihre eigenen Werke, die ja auch
gegenüber ›männlichem‹ (Kunst-)Handwerk bislang als ›primitiv‹ gegolten
hatten. Die Entwerferin und Lehrerin Jo de Jong schrieb noch 1927, dass der
Einfluss primitiver Volkskunst auf modernes Kunsthandwerk sehr groß war.
Volkskunst weise den Weg zu den Ursprüngen des Rationalismus:

»So lässt das primitive Nadelwerk noch deutlich erkennen, wie alle Stickereien ur-
sprünglich aus dem Verbinden und Abwirken von Geweben entsteht: aus dem Nähen
wird das ›Ziernähen‹ und es geht dann gleitend in Stickereien über. Auch Perlarbeiten,
Flechten, Weben, Stricken und Knüpfen sind typische primitive Techniken.«26

Neben Batik konzentrierte sich Boeatan auf Webereien sowie Ikat und Flecht-
werk.27 Viele der Arbeiten waren von indonesischen Frauen hergestellt. Kun-
den der Galerie waren vorwiegend Frauen, die geflochtene Körbe kauften; da-
runter auch Amerikanerinnen und Engländerinnen. Das Flechten und Weben,
das in Kunstgewerbeschulen weiblichen Studierenden gelehrt wurde – wie
auch am Bauhaus – war zum Teil von nicht-westlichem Kunsthandwerk in-
spiriert. Die nicht-westeuropäischen Techniken unterstrichen weibliche Kon-
notationen, die Galerie wurde somit tatsächlich und symbolisch eine weibliche

26 Zitiert in M. Groot: Vrouwen in de vormgeving, S. 219.


27 Heute lassen sich leider keine Objekte mehr nachweisen, die Boeatan ausge-
stellt hat.

31
M ARJA N G ROOT

Sphäre. Diese Sphäre konnte von sowohl Frauen als auch Männern als ›weib-
lich‹ erfahren werden, und auch Männer konnten positive Werte von nicht-
westlichem Kunsthandwerk ableiten. Dies gilt ebenso für die Galerie Arts and
Crafts: auch ihren von weiblichen Mitarbeitenden ausgeführten Batik-Texti-
lien hafteten Assoziationen von Exotik und primitiver Kunst an.
Die dritte Galerie differenzierte die beschriebenen Konstruktionen noch
durch das Element der Volkskunst. Diese Galerie präsentierte neben Batik-
kunst westliche Volkskunst wie Webarbeiten, Holzschnittkunst und Kupfer-
arbeiten, deren Stellenwert niedriger war als der des Arts-and-Crafts-Kunst-
handwerks. Auch die Stifter und Leiter dieser Galerie waren Frauen. Sie grün-
deten die Galerie Anfang 1902 als eine Kooperative mit dem Titel Der Wecker,
was eine Referenz an die Entwicklung einer neuen Kunstrichtung sowie die
Emanzipation von Frauen war. Die Galerie entstand aus einem 1899 eröffneten
Geschäft für Reformkleidung. Skandinavische Kunsthandwerkstätten, die al-
te Handwerkstraditionen mit zeitgenössischem Kunsthandwerk kombinierten,
hatten für Der Wecker eine Vorbildfunktion; eine solche Werkstatt zeigte bei-
spielsweise 1907 die Frauenzeitschrift De vrouw en haar huis (Die Frau und
ihr Haus) (Abb. 9).

Abb. 9: Innenraum eines schwedischen Geschäfts für Handwerk und


Volkskunst

Sämtliche Frauen, die mit Der Wecker zu tun hatten, waren mit skandinavi-
scher Literatur vertraut und hatten teilweise auch Skandinavien bereist. Sie-
vertraten die Meinung, dass in Skandinavien eine größere politische Gleichbe-
rechtigung zwischen Frauen und Männern herrschte, entsprechend werde auch
das Handwerk von Künstlerinnen beurteilt wie das von Männern. Skandina-

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G ESCHLECHTLICH KONNOTIERTE S PHÄREN

visches Kunsthandwerk und Design erfuhr damit via weibliche Textilarbeiten


schon viel früher Bewunderung als in der allgemeinen Geschichtsschreibung
angenommen, die diese erst in die 1930er Jahre mit den funktionalistischen
Möbeln von Architekten wie Alvar Aalto datiert (siehe Abb. 3).28 Mit einer Ga-
lerie wie Der Wecker schufen sich Frauen einen konkreten weiblichen Raum,
um sich so jene Freiheiten zu ermöglichen, wie sie sie in Skandinavien er-
kannten.

Resümee

Die vorgestellten drei Galerien reflektieren geschlechtlich konnotierte Sphären


in der Alltagsrealität, die tradierte Rollenzuschreibungen bestätigen: Frauen
sind im Bereich von Textilkunst, nicht-westlichem Kunsthandwerk und west-
licher Volkskunst künstlerisch aktiv. Diesen Gattungen wird innerhalb des
Kunsthandwerks ein niedriger Stellenwert zugewiesen. Die Sphären dieser
Galerien sind also weiblich konnotiert. Sie symbolisieren das Gegenüber zu
den prätentiöseren Kunsthandwerksgattungen wie die Möbelkunst, die mit
männlichen Zuschreibungen belegt sind. Es konnte jedoch gezeigt werden,
dass Um- bzw. Aufwertungen der ›weiblichen‹ Kunsthandwerksgattungen
stattfanden, die teilweise bis heute anhalten, wenn beispielsweise eine Galerie
in die Geschichtsschreibung eingehen konnte.
Sowohl die exemplarisch angeführten ›Ausnahmekünstlerinnen‹ als auch
die Geographien der Galerien verdeutlichen, dass zwar Differenzkategorien,
die auf Stereotypisierungen zurückgeführt werden können, die Geschichte
strukturieren, diese jedoch zugleich sehr nuanciert sind.29

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Fotografie in: De vrouw en haar huis, 7 (November 1912) 7, S. 218.


Abb. 2 Hendrik de Man: Het sosialisme als kultuurbeweging, Amsterdam:
Arbeiders Jeugd Centrale, 1928.
Abb. 3 Foto Rijksbureau Kunsthistorische Documentatie, Den Haag (Archiv
De Kerkuil).

28 Zum Vergleich Sonja Günther: »Leitbilder International. International Pio-


neers« in: A. Oedekoven-Gerischer u. a. (Hg.): Frauen im Design, S. 28-29.
29 Ich danke Jennifer John und Sigrid Schade für die Einladung, die erste Version die-
ses Beitrags auf der Tagung »Unstete Staffelungen. Geschlechterkonstruktionen in
Kunst, Geschichte und Handwerk« 2007 in Zürich präsentiert haben zu können, und
Jennifer John für ihre Hilfe bei der Übersetzung dieses Textes ins Deutsche.

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“It’s better than the one she’s given you,” he said graciously, “which
ain’t sayin’ much. Sit down, Miss Denbigh. I guess you’ve come out
here same as I have. I’m trying to see Mrs. Carter—Miss Fanchon la
Fare, I guess it is now. This party”—he waved his thumb over his
shoulder—“Mrs. Quantah, she says Mrs. Carter’s sick.”
“So I hear.” Virginia turned her eyes discreetly away. She could not
look at Mr. Bernstein without thinking of his effort to engage her
grandfather, and she wanted to laugh in spite of her errand. “I’m very
sorry; I hope she’ll see me.”
“I hope so.” Mr. Bernstein leaned forward confidentially. “Say, I’ll tell
you what I’ve done. You see, I felt kinder guilty. You know about that
Carter boy? Well, I came out here on purpose to make good. I’m
offering Miss Fanchon one thousand dollars a week for one big
seven-reel feature for the Unlimited Film Company, and, after that,
say, five hundred a week steady as ingenoo in the company.”
Virginia lifted her eyes with difficulty to the kindly red face opposite.
“That seems magnificent, Mr. Bernstein,” she said softly, and then in
spite of herself she giggled.
Mr. Bernstein beamed.
“It’s a good offer, if I do say it! But, see here, Miss Denbigh, it ain’t
often we get a subject like that. She’s just ideal for dances—see?
Now, there’s another thing—coming out here, I made a find!” Mr.
Bernstein raised one fat hand and spoke behind it, watching the
door. “Notice that party—Mrs. Quantah?”
Virginia nodded, her eyes dancing. Mr. Bernstein edged his chair
closer.
“Say! We’re going to do some Dickens pictures. No copyright on
Dickens, you know, an’ it’s easy to get ’em. We’re going to do
‘Nicholas Nickleby.’ Now I ask you, did you ever see a better Miss
Squeers? Look at her—take her all around—them angles an’ that
mouth! Say, I’d give her something neat, believe me I would. I said
so to her, an’ what d’you suppose she said to me? That woman, poor
as Job’s turkey—what d’you suppose she said?”
Virginia was unable to imagine it and said so—with some difficulty,
her lips tremulous.
“I asked her.” Mr. Bernstein leaned back in his chair and shook his
head sadly. “I told her what I wanted an’ what I’d pay, an’ she said,
‘Nothing doin’!’ Now, what d’you know about that?”
He was about to say more, to enlarge on his grievance and on Mrs.
Quantah’s resemblance to Miss Squeers, but there was a sharp
sound. A door opened and shut, and the ideal Miss Squeers entered.
She did not look at Mr. Bernstein, but turned a stony gaze upon
Virginia’s flushed and smiling face.
“She’ll see you,” she said laconically.
Mr. Bernstein leaned farther back in his chair with the air of a martyr
determined to await his turn, if it took all night. Virginia rose hastily
and followed Mrs. Quantah.
A moment before she had had to laugh at Bernstein; now her heart
sank. She felt that Fanchon had never liked her, and now—wasn’t
this an intrusion? Her courage suddenly wavered, and her knees felt
weak under her when the gaunt woman opened a door at the end of
the hall and almost thrust her into the room beyond.
XXVII
The room was small and dim, although the shutters were open, as
Lucas had remarked. There was a frayed and scanty look to
everything, but a big four-poster stood in the corner. Lying across
that, looking as small and helpless as a child, was Fanchon. She
was half dressed, and she lay with her head on her arm, her soft
dark hair tumbled about her shoulders and framing her white profile.
Virginia, who had stopped just inside the door, stood waiting,
hesitating, uncertain what to do. Fanchon did not move, and she
looked so white and limp as she lay there that Virginia thought she
had fainted. She went quickly across the room and stood beside the
bed, looking down at the motionless figure.
Fanchon’s eyes were closed, and the long, thick lashes made
shadows on her white cheeks. There was no sign of makeup now
except a touch of the lips that made her mouth look scarlet, in fearful
contrast to the whiteness of cheeks and brow and throat. One arm
was thrown across the bed and the small hand clasped the crumpled
coverlet convulsively, the blue veins showing through its delicate
whiteness. Half-clad as she was, Virginia saw how thin were
Fanchon’s arms and how slender her neck, delicate and round as
the stem of a flower. How changed she was!
A memory of the daring little figure in white flashed back, and a flood
of pity submerged Virginia’s heart. William’s cry, “I’m done with
her!”—how incredibly cruel it would have seemed here!
Still she did not move or speak, and Virginia touched her gently.
“Fanchon!” she said softly.
Very slowly Fanchon rose on her elbow and looked at the visitor. The
fawn-like eyes were no longer soft; there was a smoldering fire in
them, and the delicate brows came down above them. The small
white face was distorted with an emotion that seemed to shake her
from head to foot.
“Why do you come here?” she asked sharply. “What do you want of
me?”
Virginia’s blush deepened painfully.
“I came because I heard you were ill and in trouble,” she replied
kindly, her voice trembling a little.
Fanchon drew herself up farther into a sitting attitude, her knees
under her chin and her hands clasping them. Her eyes still lowered
at Virginia, and the whiteness of her face against her loose, dark hair
had an almost weird effect.
“Why do you care for that?” she asked slowly. “Why do you want to
see how far I’m down?”
Her tone and her glance alike conveyed almost an insult, and
certainly a defiance; yet she was so weak that the other girl saw her
tremble from head to foot, as if she had an ague. Again Virginia
blushed, but this time she raised her head proudly.
“You don’t know me,” she replied gravely. “You wouldn’t say that to
me if you did. I’m—I’m not like that.”
Fanchon still looked at her steadily, an untamed passion leaping up
in her brown eyes like a flame.
“Ma foi, I know you well enough, I think!” she retorted bitterly. “You’re
the woman my husband loved—and you’ve taken him from me! Oh, I
know—you can look indignant! You righteous people—oh, mon Dieu,
how good you are! But you’ve taken him away, for all that.”
Virginia, who had never had such things said to her before, recoiled.
She drew away, looking at the wild little creature on the bed with a
kind of horror. For a moment all her impulses were beaten down, and
in the rebound she was ready to turn her back, to abandon the
wretched girl to her fate. She felt as if physical blows had been
rained upon her, as if she was no longer the Virginia Denbigh who
had entered that wretched room on an errand of mercy.
“If you say things like that I can’t stay to hear them,” she said
hurriedly, speaking with an effort, hot tears in her eyes. “I came to
help you, if I could—and you insult me.”
Fanchon laughed the shrill laughter of hysterics.
“You don’t like it!” she cried wildly. “Que voulez vous? You want only
nice things said to you—and I can have all the horrid things and all
the insults. That’s all I’ve had since I came here!”
Virginia, who was half-way to the door, stood still. Her quick ear had
caught the wildness of the laughter, and the poor little huddled figure
was sinking weakly forward. She came back.
“Fanchon, I came to help you. I’m telling you the truth—can’t you
believe me? I should like to help you, if I could.”
Fanchon’s face twisted convulsively, and she snatched at the
coverlet and drew it up over her shoulders. To Virginia she looked
like a wild child playing at “tents” under the counterpane.
“Tiens!” she cried fretfully. “I don’t know what you mean. I’ve always
told stories myself, until—until Leigh killed that man. Now, I’m not
telling stories. I suppose I can believe that you meant to do
something—something queer. That’s what they’ve all done to me
since I came. I don’t know why you’re here—I don’t care! C’est fini—
I’m done with you all!”
Virginia started. She remembered William’s words.
“I came because you’re ill. I want to help you, to make you more
comfortable. That’s really all I came for, Fanchon. I’m sorry you feel
so toward us—toward me.”
Fanchon shook back her hair and looked at the other girl curiously,
her eyes darkening and changing wonderfully.
“How pretty she is,” Virginia thought, “and how wretched.”
But Fanchon did not speak. For a while she only studied Virginia. At
last she spoke slowly, twisting the coverlet.
“Were you in court?” she asked.
Virginia shook her head. Fanchon’s eyes held hers, with that fierce,
dark, challenging look.
“But you know my story?”
“Yes, I’ve heard it,” Virginia reluctantly answered.
“My husband told you!” Fanchon sprang out of bed and ran across
the room, seizing Virginia’s arm and looking at her wildly. “William
told you!”
Virginia, who was fatally honest sometimes, said nothing; but her
face confessed that William had told her much. She was horrified.
How could she make this furious little creature understand how
William had told her, and how she had replied? She ought never to
have come here.
For an instant panic seized her and she longed to get away; and
then her inherited and noble fearlessness steadied her. She met
Fanchon’s feverish look calmly and frankly.
“I wish you’d believe me,” she said simply. “I’m not that sort of a
woman, Fanchon. It’s true that William and I were engaged once, but
he broke it off when he married you. And now”—Virginia’s pride
flashed in her eyes—“if he were free to-morrow, Fanchon, it would
make no difference—no difference in the world to me.”
They looked at each other. Fanchon, still holding the other girl’s arm
in her shaking hands, searched Virginia’s face with that wild look of
hers, her lips quivering. Virginia met the look at first proudly and
angrily, and then with such compassion, such tenderness and
honesty, that Fanchon’s lips twisted convulsively again. Suddenly
she dropped Virginia’s arm and turned away. She took an unsteady
step and almost reeled as she flung herself into a chair, hiding her
face in her hands.
“Do you believe me now, Fanchon?” Virginia asked, more gently.
There was no answer for a moment, then she heard the other girl’s
convulsive weeping. Fanchon, who had never controlled an impulse
in her life, was weeping wildly, twisting about in her chair and beating
the air for breath. It startled Virginia; she forgot herself and went to
her. Seizing the frantic little hands, she held them in her cool, firm
ones, as a mother might hold a frantic child’s.
“Hush!” she whispered. “You’re ill, you mustn’t! Don’t cry like this.”
But Fanchon wept on until she lay there almost fainting, white and
limp and broken. Virginia began to suspect what had happened
before she came into the room.
“Dieu, they all hated me!” Fanchon gasped at last. “All but Leigh and
that silly child, Emily.” She laughed wildly, still gasping. “She tried to
paint her face like mine, and they made her wash it off. Quelle drôle
de chose que la vie! And they hated me for that.” She gasped again,
dragging her hands away from Virginia and beating the air with them.
“They made him hate me, too.”
“Oh, no, no!” cried Virginia. “Fanchon, you’re wild—you don’t
understand!”
“Oh, I understand!” she retorted bitterly. “You’re one of them. I don’t
know why you came here—you’re one of them!”
“I came because you’re ill. You’ll be very ill if you don’t stop.”
“You think I’ll die, n’est-ce-pas?” Her red mouth twisted oddly.
“They’d like me to die, so he’d be free. They’re so good—they don’t
like divorces!”
“Hush!” said Virginia steadily. “I wouldn’t stay here if you were not so
ill, Fanchon, you’re trembling and shaking. Let me get a doctor for
you; let me take you out of this wretched place.”
Fanchon laughed again hysterically.
“It’s a fine place, isn’t it? Tiens! The place for Mrs. William Carter.
You see I have no money. Mon Dieu, I wouldn’t take a cent of his—
I’d starve first!”
“I understand.” Virginia laid her hand gently on her shoulder. “I
should feel like that myself. But I’m a woman, Fanchon—let me help
you while you’re so ill.”
Something in her touch, her voice, reached the girl. She stopped
shivering and looked up into Virginia’s face. She looked up steadily,
her own face changing and quivering. Then, suddenly, she sank
back in her chair very pale and quiet, her large eyes fixed not on
Virginia now, but on space.
“He was the only good man who ever loved me,” she said in a low
voice. “I’m not bad—I’ve never been bad—but they thought I was,
and I lied to him. I was afraid that if he knew I was divorced he
wouldn’t care for me—not in that way—and it would have killed me
then.” Her voice broke pitifully. “I—I loved him.”
Her head sank mournfully, she began to tear at the elaborate lace
petticoat she wore.
“You mean William?” said Virginia gently.
She nodded. Then, with a convulsive effort, she went on, more to
herself than to Virginia.
“He was good, and he loved me. He asked me to marry him, and I
lied. I said I’d never been married before. I needn’t have said it, but I
was afraid. I lied. And he hates me.” Her voice wavered again. “He
hates me. I shall never see him again!”
“But you love him still, Fanchon,” Virginia said softly; “and if you love
him you’ll forgive him.”
Fanchon’s face flamed suddenly.
“Never! I don’t want to see him again.” She rose unsteadily. “I’m
going to dress and go out there.” She pointed toward the door,
laughing again and trembling at the same time. “That fat man is out
there. I’m going into his pictures. He’s not afraid to engage me for his
show.”
“You can’t go, Fanchon,” said Virginia quickly. “You’re too ill. I must
help you.” She stopped, and her eyes filled with tears. “Fanchon, I’m
so sorry for you, I hope you understand. Let me help you.”
Fanchon turned, caught at a chair-back, and clung to it, laughing
wildly.
“You’re so sorry for me—and he loves you!”
“No,” said Virginia, “he shan’t! If he did, it would make no difference.
Fanchon, I want you to leave this place and come with me. Let me
take care of you. You’re too ill to stand up.”
“To stand up? Why, I’m going to dance for the pictures. You call me
ill? I can dance. Attendez!”
She let go of the chair to which she had been clinging, and seemed
to listen, her head bent and her brown eyes brilliant, her whole small
figure quivering and tense.
“Mon Dieu—I hear it—the music!”
She swayed slightly, and then softly, easily, she began to dance. She
danced wonderfully, keeping time to the music that she seemed to
hear, swaying with it, stepping back and forth, weaving a dance so
strange, so weird, so silent, that Virginia could not move. She stood
rooted to the spot, watching, fascinated—watching the white face
and the wild hair, the half-bare shoulders and the slender lifted arms.
Fanchon clasped her hands behind her head, twisting her slender
body this way and that. Her small bare feet flashed back and forth,
soft and silent and incredibly swift. She danced across the room,
back and forth, to and fro, and Virginia watched her. Never in her life
had she seen such dancing, never in her life had she seen such a
wretched, quivering, tear-stained face. She thought it would have
touched a heart of stone.
At last she could endure it no longer; it seemed to her like the dance
of death.
“Stop!” she cried. “Oh, Fanchon, stop!”
Virginia’s voice, the sharp sound of her own name, broke the spell.
Fanchon turned her head and looked at her. Something seemed to
snap in her brain; her eyes clouded, she reeled, and, stretching out
groping hands, she staggered blindly and would have fallen had not
the other girl caught her. Virginia held her by main force, almost
lifting her in her strong young arms, for suddenly all the life and
motion had left the small wasted figure, and Fanchon lay white and
senseless against her breast.
Ten minutes later Virginia came out of Fanchon’s room and closed
the door behind her. She was very pale, but her eyes shone. She
ignored the patient Bernstein and spoke directly to the woman.
“Mrs. Quantah, I’m going to take Mrs. Carter home with me. Have
you a telephone?”
Mrs. Quantah stood rigidly.
“I ain’t got no phone, an’ she ain’t a goin’ to take her trunk until she
pays. She owes me two weeks’ board now, and extries.”
“I was just telling the lady,” Mr. Bernstein began, “I’d pay in advance
if—”
“I’ll pay,” said Virginia superbly, sweeping past them, her head up.
“Make out your bill in full, Mrs. Quantah.”
She opened the hall door and called Lucas.
“Drive over for Dr. Barbour, Lucas. Bring him here at once, if you
can. While you’re over there, phone to Plato to get the west room
ready for an invalid—yes, and phone to the colonel that I want him
out here—in a taxi.”
“Yes’m, Miss Jinny.”
Lucas turned the fat horses around with their heads toward the
highroad. Then he looked back at the tall white-clad figure in the
door.
“Hurry!” she called after him.
Lucas whipped up.
“G’long, Billy! Ain’t dat jus’ Miss Jinny? I knowed it, I knowed it—if
she ain’t gwine t’ bring Miz Wilyum Carter home! Ain’t dat Miss Jinny
cl’ar down to de groun’? I declare to goodness if it don’ beat all.”
XXVIII
Sunday morning fell on the first day of September, and it was very
hot—so hot that Mr. Carter refused to go to church. He was sitting in
the shade of his library, in his shirt-sleeves and his stocking feet,
when his wife and Emily returned from service. Emily went up to her
room at once, but Mrs. Carter came into the library, took off her hat,
and sat down to get cool. She was a little flushed and thoughtful.
“The Denbighs were not in church,” she remarked after a moment. “I
don’t know that I ever knew Colonel Denbigh to miss a Sunday,
except when his son died. Do you remember, Johnson?”
Mr. Carter nodded. He had stopped reading the Sunday paper and
was slowly fanning himself with it.
“Sensible man to stay at home,” he grunted.
“People stare so at us!” Mrs. Carter complained. “Emily and I felt like
a circus. I’m so glad we’ve got Leigh off to college at last!”
Mr. Carter made no reply to this, but after an interval he muttered
something about a young donkey. Mrs. Carter sighed.
“Where’s William?” she asked in a whisper.
Mr. Carter, who had become nervous under continued misfortune,
started violently.
“I don’t know. Do you happen to think he’s drowned himself?”
“Johnson!”
“I’m expecting anything,” said Mr. Carter desperately. “There’s only
one sensible person in this family, and that’s Dan.”
“Dan’s out at the Denbighs’—I don’t know what for. He’s been out
there twice since Friday, and he’s worried. I can see it.”
“Of course! He’s in love with that girl now, I reckon, and she won’t
have a cripple.”
“He isn’t a cripple!” cried his mother warmly. “He’s only lame; but it’s
not that; papa—I think it’s something about—” She looked around a
little flushed and added, in a whisper, “about Fanchon.”
Mr. Carter said something short and cryptic and relapsed into
silence.
“I don’t feel that it’s right,” his wife continued bravely. “It’s worrying
me, Johnson. William hasn’t—well, he hasn’t shown any feeling at
all.”
“He’s going to get a divorce.”
William’s mother sighed.
“I hate divorces,” she said at last. “We never had one in the family.”
“That’s because you’re from South Carolina,” retorted her husband
unfeelingly. “Can’t get one there, anyway.”
Mrs. Carter disregarded this.
“I don’t feel right about it. She—she saved Leigh.”
Mr. Carter pursed his lips, moving his feet comfortably about on the
rug. He and his wife had been over this ground before, and it irked
him. He watched his toes moving inside of his coarse white
stockings. There was a silence.
The door-bell rang sharply. Mrs. Carter jumped.
“Oh, Johnson, put on your coat and your shoes,” she cried.
“Miranda’s let some one in.”
Mr. Carter began to jam his hot feet into his shoes, which seemed
incredibly too small to receive them.
“Drat it!” he said.
He had not got to the coat when Miranda’s amiable chocolate face
appeared at the door.
“Col’nel Denbigh, Mist’ Carter,” she said, and withdrew.
The colonel, carrying his wide hat in his hand, came in. He looked
very tall, very thin, and very grave.
“Oh, colonel, is there anything the matter?” Mrs. Carter cried
impulsively, seeing his face.
The colonel stood still, his white head erect and his fine old face
flushing a little.
“I came to see William,” he said. “Is he here?”
Mrs. Carter ran to the door.
“Miranda,” she called after the girl, “go up and tell Mr. William to
come down.”
Meanwhile, Mr. Carter had offered a chair. He was a little startled
and perplexed, but he looked keenly at the colonel.
“Do you want us to go, colonel?” he asked bluntly.
Colonel Denbigh lifted a protesting hand.
“No! I want you all to hear what I have to say, especially William. It
concerns William.”
Mrs. Carter, who had returned to her seat, looked frightened. There
was an awkward pause, the colonel sitting quietly in the high-backed
chair, looking into the crown of his hat.
“It’s—it’s very hot,” ventured Mrs. Carter faintly.
The colonel glanced kindly from one to the other.
“It’s the heat that has made it so bad for—her,” he observed
enigmatically.
Mr. Carter’s mouth tightened and he glanced angrily toward the door.
He heard his son coming down-stairs. William entered, looking pale
and haggard, and Colonel Denbigh rose. The old man was so tall
that he seemed to tower.
“William,” he said grimly, “I came to see you. Virginia sent me. We
wanted Dan to tell you, but Dan doesn’t wish to interfere. Your wife is
at my house—very ill.”
William turned from white to red. For a moment he seemed
nonplused, then he rallied.
“I have no wife, Colonel Denbigh,” he said slowly. “Fanchon left me
weeks ago. I expect to sue her for divorce.”
Colonel Denbigh held up his hand.
“Sit down, please,” he said, “and listen.” He sat down himself,
glancing from one to the other, and finally fixing his eyes on William’s
downcast face. “I hate to butt into other people’s affairs,” he said
simply. “Mr. Carter, I think you know I’m not a meddler?”
Mr. Carter nodded grimly. He, too, was looking at William.
“We all respect and love you, colonel,” cried Mrs. Carter tremulously;
“but—you know William’s had a terrible time.”
“I know it, madam. Far be it from me to belittle it. But the other day
Virginia found Fanchon out at Quantah’s. Do you know the place?”
He glanced again at Mr. Carter. “It’s wretched. William’s wife was
there, ill and penniless. My granddaughter went in to see her, and
while she was there Fanchon went out of her head and fainted in
Jinny’s arms. I think you all know Jinny. She paid the poor girl’s bills
—”
“I offered her money, I’ve tried to send her money,” William broke in
hoarsely. “I didn’t know where she was.”
The colonel nodded.
“I understand that. She told Jinny she wouldn’t take your money. She
told her story—in a way—to Jinny. She admitted that she loved you
still, that she had always loved you. You were the only good man
who had ever loved her, she said. Then she fainted. Jinny sent for
Dr. Barbour. It happened that your brother Dan was over there. He
came back with Lucas. I was out, and he and Jinny brought Fanchon
to our house. He had been looking for Fanchon. He had guessed
that she hadn’t any money, and he wanted to pay Jinny back for the
expenses. He’s shared our watch over Fanchon, but”—the colonel
smiled—“he wouldn’t interfere. That’s what he said. So Jinny sent
me. Fanchon has been out of her head, and all night, sometimes all
day, she’s calling you, William. Her pride, her poor little hurt pride,
took her away, but now she calls and calls.”
The colonel rose quietly and took up his hat. “I think that’s all. I came
to tell you. She’s suffered, and she saved Leigh; but if you feel you
can’t forgive her—”
Mrs. Carter was crying.
“Oh, Johnson, I think we ought to go,” she said.
Mr. Carter said nothing, but glanced silently at William. So did
Colonel Denbigh.
“William,” said the latter gravely, “Jinny said, ‘Tell William that
Fanchon loves him as few women love, and she’s calling him!’ She
lies there, quite out of her head still, William, calling and calling to
her husband.”
Mrs. Carter got up and put on her hat.
“I’m coming with you, colonel,” she sobbed. “I’ve felt it was all wrong.
We were hard on her, poor girl!”
“No, mother, I’ll go,” said William. “It’s my business. I’m going with
you, colonel.”
The colonel straightened himself.
“Thank God!” he said simply.
He was aware that Mr. Carter, red and out of breath, was being
urged into his coat and hat by his wife. He was to take them all, then.
It was lucky he had brought the wagonette instead of the old
rockaway.
The wagonette was waiting outside under the shadow of a tree, the
horses carefully netted, and Lucas wearing a brown linen coat and a
big straw hat. Colonel Denbigh helped Mrs. Carter up the high steps
and they started, the colonel and Mr. Carter on one side and Mrs.
Carter and William on the other.
Facing each other thus, an awkward silence fell, broken only by the
heavy tread of the horses’ hoofs. They were almost half-way out
there before the colonel thought of anything to say.
“The oats came on well this year, Carter,” he remarked at last, with
forced cheerfulness. “Fine crop!”
Mr. Carter, whose feet still felt several sizes too large for his shoes,
let his misery loose.
“I wouldn’t give a cent for the oat-crop,” he said bluntly. “I’m not a
horse.”
The colonel, startled for a moment, exploded into laughter, but Mrs.
Carter was shocked.
“Oh, Johnson!” she gasped, and then, anxious to propitiate the
colonel, she plunged in desperately. “It’s been such a beautiful year,”
she said anxiously. “I don’t think I ever remember a season when
things held so well. Nothing looks rusty yet.”
The colonel rubbed his chin.
“Except old men, madam,” he remarked with a twinkle.
She laughed tremulously, winking back her tears.
“I feel like an old woman, colonel.”
He shook his head, but his eyes were not on her. They had passed
on to her son.
William, flushed and silent, sat with his eyes down. The colonel,
sharply aware of the tension in the air, wondered. Could Jinny make
this lummox see? At the thought of Jinny the old man’s eyes lighted,
and he looked ahead toward his own gates. They stood open, and
he could see the old ginkgo-tree beside the door, already turning
yellow as gold in the sun. The horses turned placidly, the wheel
grated slightly on the stone curb, and they were going up the drive to
the house.
“She’s in the west room,” said the colonel, glancing toward two
windows where the shutters were half-closed. “We got a nurse the
second night. I wasn’t willing to have Jinny wear herself out. She
was up with her for twenty-four hours on a stretch.”
Mrs. Carter made an inarticulate sound, glancing at William in a
frightened way, but no one spoke until the wagonette stopped at the
door. Daniel Carter came down the piazza steps to meet them.
“She’s better,” he said soberly. “Virginia thinks she knows her.”
His mother clung to his hand as he helped her out.
“Oh, Dan, why didn’t you tell us?” she whispered.
He glanced grimly at William.
“I thought it was no use, mother.”
She knew what he meant, and she, too, glanced at William. He was
following Colonel Denbigh up the steps, but his face was set and
hard.
“What is it, Dan? How is she, really?” his mother asked anxiously. “I
felt so ashamed when the colonel told us. We’ve been very unkind to
her, Dan.”
He nodded. They were behind the others, but he saw Virginia on the
stairs.
“Fanchon has been delirious and very ill,” he answered in a low
voice; “but Dr. Barbour says she’ll get well. The Denbighs have been
most noble, most kind to her.”
“You mean Jinny,” his mother murmured.
“I mean both.” His eyes softened. “Virginia is an angel!”
Mrs. Carter, looking at him suddenly, winked back her tears. She
knew now—he loved Virginia! She patted his arm, but she was
looking at the stairs.
Virginia, in a pink morning gown, the short sleeves falling away from
her white arms, came down, bearing a tray. She saw them at the
door, and she blushed, but she put down the tray before she spoke.
“Daniel, please take your mother into the drawing-room and tell her
about Fanchon.” She took a step forward and held out her hand.
“William, I hope you’re coming with me?” she said.
He took her hand, aware that his father and Colonel Denbigh, his
mother and Daniel, were all watching. His blush was deeper than
hers.
“I came because you sent for me, Virginia,” he replied in a hard, level
tone.
Virginia’s hand fell at her side. For a moment she looked at him in
silence; then she turned.
“Come,” she said in a low voice.
William followed her up the wide old stairs, moving slowly, only
aware of the humiliation he felt. After ascending the last flight
Virginia stood before an open door and beckoned. He came to her
side.
“Listen!” she whispered.
“William!”
He started. He knew the voice—it was Fanchon’s.
“William!” she called again, and the light, hurrying voice went on—
sometimes in French, sometimes in English, but always repeating
the cry, “William!”
“It’s like that all day,” said Virginia. “She calls and calls you. It’s pitiful,
William, and it’s beautiful—she loves you so!”
He raised his dull eyes slowly from the floor to Fanchon’s face. What
he saw there made him draw a deep breath of pain.
He stepped into the room. The light was dim, but he saw the face on
the pillow and the soft, dark, wildly disheveled hair. Fanchon lay
there, tossing, moving her hands restlessly, her fawn-like eyes
brilliant and vacant, her small white face tear-stained, and her lips
moving, whether words came or not.
While her husband stood there, his head bowed, just inside the door,
she began to speak again in rambling and broken sentences.
“William! I’m not bad—I’ve never been bad—non, non! You can’t
threaten me—I won’t stand it, I’ll call my husband—William, William!”
She sat up in bed, and tears ran down her cheeks. She seemed to
be looking at Virginia, who still stood in the door.
“I didn’t do wrong—I loved him. You shan’t take him away—I love
him—William!”
William listened, and it seemed to him as if his own heart stopped
beating. The soft, appealing voice, and the white, pitiful face! He felt
a sudden sensation of suffocation.
“Guillaume de mon cœur! He’ll come,” cried Fanchon softly.
William took a quick step forward, hesitated, and then went across
the room. He knelt beside the bed and caught the trembling, groping
little hands in his and held them.
Virginia turned away.
She went quietly out of the room and shut the door behind her.
XXIX
When Virginia came down-stairs she heard the pleasant jingle of ice
in the drawing-room. Plato was serving iced tea, there being no
occasion in life, not even a funeral, when refreshments were not
served; but Mr. Carter and her grandfather were the only tea-
drinkers. Mrs. Carter was sitting in the corner, surreptitiously wiping
her eyes, and Daniel was walking up and down on the rear piazza.
Virginia heard his restless tramp as she crossed the hall and stood
for a moment in the drawing-room door. They all looked up at her,
and Plato discreetly withdrew, bearing his tray.
“How is she, Jinny?” the colonel asked quietly, setting aside his
slender glass of tea.
“I think she knew him,” Virginia answered simply, and then, ignoring
the two men, she went over to Mrs. Carter. “You were good to come,”
she said softly.
“Oh, Virginia!” Mrs. Carter dabbed at her eyes, “I feel as if I’d been
guilty.” She lowered her voice and added in a whisper: “What did
William say?”
Virginia smiled, a beautiful light in her eyes.
“I think he’s forgiven her already,” she replied sweetly. “I’ve been with
her for hours and hours, and I’m fond of her. I can’t help it. She’s like
a child, Mrs. Carter, and she loves William. Besides, she’s suffered
terribly, and don’t you think suffering expiates everything?”
Mrs. Carter pressed her handkerchief against her lips. For a moment
she was silent, aware of her husband’s eyes and Colonel Denbigh’s.
Involuntarily they looked at her. She wavered a little, and then she
spoke, faint-heartedly but sincerely.
“Johnson, I think we ought to go up-stairs, too. We ought to tell
William how we feel—at least, I should. I’m ready to do anything

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