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2024

STARTUPS UND
GENERATIVE KI
Ein neues Zeitalter beginnt

2 3
2024
HERAUSGEBER
Bundesverband Deutsche Startups e.V.

PARTNER UND FÖRDERER


hubraum - Tech-Inkubator der Deutschen Telekom

AUTOR*INNEN
Dr. Alexander Hirschfeld
Jannis Gilde
Vanusch Walk
Mia Ansorge

DESIGN
Dina Wagasowa

ISBN
978-3-948895-15-0

KOOPERATIONSPARTNER

STARTUPS UND
GENERATIVE KI
Ein neues Zeitalter beginnt

6 7
INHALTS
VERZEICHNIS
KERNERGEBNISSE 4

01 EIN NEUES ZEITALTER KÜNSTLICHER INTELLIGENZ 7


1.1. Wendepunkt in den Mainstream 7
1.2. Revolution in Wirtschaft und Gesellschaft 8
1.3. Startups im Fokus 10

02 STARTUPS ALS VORREITER NEUER TECHNOLOGIE 13


2.1. Transformation der Wirtschafts- und Arbeitswelt 13
2.2. Early Adopter neuer Anwendungen 15
2.3. Der Disruptionsmoment 18

03 TEMPO UND SKALIERUNG DURCH STARTUPS 21


3.1. Anwendungstiefe bei Startups 21
3.2. Potenziale im B2B-Markt 23
3.3. Zusammenspiel von Ambition und Kapital 28

04 DEUTSCHLAND IM INTERNATIONALEN VERGLEICH 31


4.1. Folgen des digitalen Rückstands 31
4.2. Europa (wieder) nicht vorne dabei 34
4.3. Regulierung – zusätzliches Hemmnis? 37

05 AUSBLICK: EUROPA MUSS HANDELN 40

Literatur 42

8 1
VORWORT
Die Einführung von ChatGPT Ende 2022 hat die klar vorn: Eine schlanke Regulierung, große es auch ein Umdenken in Bildung, Ausbildung
massiven technischen Innovationen im KI-Be- Investments und die starke technische Infra- und Forschung – nur so können wir die Chancen
reich deutlich gemacht und damit eine echte struktur der etablierten Tech-Konzerne sorgen dieser neuen Welt erkennen und nutzen.
Revolution ausgelöst: Innerhalb weniger Monate dort für einen regelrechten GenAI-Boom. So
wurde eine Vielzahl neuer Möglichkeiten durch sind die Investitionen in GenAI-Startups in den Startups gehen hier voran und sind dabei auf
Anwendungen für die private Nutzung, aber USA pro Kopf um den Faktor zwölf größer als in ein starkes Ökosystem angewiesen, das wir mit
auch für Unternehmen in den verschiedensten Deutschland. dieser Studie weiter voranbringen wollen. Wir
Branchen sichtbar. Inmitten dieses Aufbruchs in hoffen, dass die vorgelegten Zahlen und Ergeb-
eine, durch Generative Künstliche Intelligenz ge- Um im Bereich GenAI in Deutschland und Euro- nisse relevante Impulse setzen und wünschen
prägte, Zukunft richten wir den Fokus mit unse- pa aufzuholen, müssen wir mehr Kapital mobi- allen Lesenden eine spannende Lektüre!
rer Studie gezielt auf Startups. Denn sie sind die lisieren und der EU AI-Act darf in Umsetzung
zentralen Innovationsmotoren, die neue Tools und Anwendung nicht zum Innovationshemmnis
einsetzen, in ihre Geschäftsmodelle integrieren werden. Daneben gilt es, sich auf die eigenen
und GenAI damit in die Praxis bringen. Stärken in den Bereichen Forschung, universi- Nicole Büttner
täre Ausbildung und vor allem auf den breiten Gründerin & CEO Merantix Momentum,
Die Zahl neuer Unternehmen mit KI-Fokus ist in Mittelstand zu konzentrieren. Der klare B2B-Fo- stellvertretende Vorsitzende Startup-Verband
Deutschland 2023 gegenüber dem Vorjahr um kus vieler KI-Startups unterstreicht, dass sie mit
67 % deutlich angestiegen – und das entgegen ihrer Agilität und Innovationskraft die Heraus- Axel Menneking
dem generell rückläufigen Trend bei Startup- forderungen der etablierten Wirtschaft lösen Vice President Startup Incubation
Gründungen. Das stimmt uns mit Blick auf den können und wollen. Wenn wir es schaffen, die & Venturing Deutsche Telekom
eigenen Standort erst einmal positiv. Neue Industrie hierzulande in der Breite zu Kunden,
Märkte bringen aber auch einen enormen Wett- Datenlieferanten und Investoren von GenAI- Jan Hofmann
bewerb mit sich, in dem man mit den bestmög- Startups zu machen, dann haben Deutschland Vice President, Head of AI Competence Center
lichen Bedingungen punkten muss. Im Vergleich und Europa in den kommenden Jahren das Po- Deutsche Telekom
zu Deutschland und Europa liegen die USA hier tenzial, ganz vorne mitzumischen. Dazu braucht

2 3
KERN
DIE USA DOMINIEREN
Nur 4 % der Gründer*innen sehen Europa als zukünftigen Gewinner im

ERGEBNISSE 07 GenAI-Rennen – 68 % sehen die USA vorne (China: 20 %). Das deckt
sich mit der starken Finanzierungs- und Marktposition amerikanischer
Startups und Tech-Konzerne.

AI-ACT HEMMT ZUSÄTZLICH


Startups mit GenAI-Fokus blicken skeptisch auf die KI-Regulierung.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ LÄUFT IN DER KRISE 08 Während 33 % den AI-Act als deutliches Innovationshemmnis und 29 %
als klaren Wettbewerbsnachteil bezeichnen, betonen nur 7 % den Ver-

01 Während die Startup-Neugründungen in Deutschland im Jahr 2023


zurückgingen, sind 67 % mehr Startups mit KI-Bezug als im Vorjahr
entstanden – die Zahl neuer Unternehmen steigt hier von 204 auf 341.
trauensgewinn und 8 % die Rechtssicherheit.

STARTUPS SIND EARLY ADOPTER


76 % der Startups nutzen regelmäßig GenAI-Tools wie ChatGPT,

02
vorwiegend in den Bereichen Marketing (80 %), Produkt (59 %)
und IT (49 %) – damit sind sie echte Vorreiter in der aktuellen
GenAI-Revolution.

GENERATIVE KI = JUNG + B2B


40 % der deutschen Startups mit GenAI-Fokus wurden in diesem

03 oder dem letzten Jahr gegründet. Dabei haben 93 % eine klare Aus-
richtung auf B2B-Kunden und rücken damit die Automatisierung der
etablierten Wirtschaft in den Mittelpunkt.

GEGEN DEN TRENDÄSENTIERT


Während globale Startup-Finanzierungen zwischen 2021 und 2023

04 um 57 % gesunken sind, zeigt sich im GenAI-Bereich ein Anstieg um


363 % auf 22,3 Milliarden Euro – das macht Künstliche Intelligenz
aktuell zum wichtigsten Sektor im Ökosystem.

GROSS DENKEN IST PFLICHT


Deutsche Startups mit GenAI-Fokus haben ein ausgeprägtes Growth-

05 Mindset. Von ihnen wollen 20 % mit ihrem Unternehmen eine Milliar-


denbewertung zum Exit erreichen – also zum Beispiel bei einem IPO
(ohne GenAI-Fokus: 3 %).

DEUTSCHLAND IST ABGEHÄNGT


In den USA wird pro Kopf die 12-fache Menge an Kapital in GenAI-

06 Startups investiert als in Deutschland. Der Abstand bei dieser Schlüs-


seltechnologie spitzt sich zu und ist etwa doppelt so groß wie bei
Startup-Investments insgesamt.

4 5
1. EIN NEUES
ZEITALTER KÜNSTLICHER
INTELLIGENZ

1.1. WENDEPUNKT IN DEN MAINSTREAM massiv verändert. Anstatt sich selbst stunden-
lang abzumühen, kann die KI auf Grundlage
Fast jeder kennt und immer mehr Menschen weniger Stichworte einen ersten Textaufschlag
nutzen ChatGPT. Wir lassen uns Texte schreiben, für uns erstellen. Dafür muss man aber wissen,
Infos zusammenfassen oder Präsentationen mit welchen Anweisungen oder Prompts man
bauen. Mit dieser Anwendung hat OpenAI alle das Programm am besten „füttert“. Bestimmte
bisherigen Nutzerrekorde übertroffen – nur Aufgaben verlieren damit an Bedeutung, gleich-
zwei Monate nach Launch im November 2022 zeitig kommen neue hinzu, für die spezifische
lag man bei 100 Millionen Usern und stellte so Skills gefragt sind. Das heißt für Unternehmen
einen neuen Rekord in Sachen Nutzerzuwachs und Beschäftigte gleichermaßen: Wer Gene-
auf (Reuters 2023). Zuletzt beeindruckten rative KI versteht und nutzt, ist gegenüber der
Video-Tools wie Sora von OpenAI und Pika die Konkurrenz klar im Vorteil.
breite Öffentlichkeit mit detailreichem Text-to-
Video-Content. Das Aufkommen einer Vielzahl Ziel dieser Studie ist es, ausgehend vom Wende-
von Anwendungen im Bereich Generative Künst- punkt GenAI aktuellen Veränderungen auf die
liche Intelligenz (GenAI) und ihre breite Nutzung Spur zu kommen und die zentralen Merkmale
markieren einen klaren Wendepunkt: Nachdem dieser Entwicklung zu identifizieren. Der Blick
in den letzten zehn Jahren vor allem theoretisch richtet sich dabei gezielt auf Startups, die nicht
und abstrakt über KI diskutiert wurde, ist sie nur Treiber dieser Innovation, sondern auch Ear-
nun in der Praxis und vor allem im „Mainstream“ ly-Adopter neuer Technologien sind. Ausgehend
angekommen. von diesem Fokus adressieren wir folgende Fra-
gen: Welche neuen Möglichkeiten zeichnen sich
An sich sind neue digitale Angebote nichts durch Generative KI ab? Welche Auswirkungen
Besonderes – dann gibt es eben noch ein haben die aktuellen Entwicklungen auf Wirt-
Streaming-Portal oder ein weiteres Tool zur schaft und Gesellschaft? Wer sind die jungen
Arbeitsorganisation. Die Dynamik im Bereich Unternehmen, die diese Veränderungen voran-
GenAI hat aber eine völlig andere Qualität: Hier bringen und was brauchen sie? Und: Wo stehen
kommt eine neue Technologie zum Einsatz, die Deutschland und Europa mit Blick auf diese
unsere Wirtschaft und unsere Art zu arbeiten Transformation im internationalen Wettbewerb?

6 7
1.2. REVOLUTION IN WIRTSCHAFT UND Use-Cases auf – im Medizinbereich schaffen es
GESELLSCHAFT Startups wie Ryver AI, die Diagnostik weiterzu-
entwickeln, während Startups wie Aleph Alpha
Laut Bill Gates hat das Zeitalter Künstlicher im B2B-Bereich die Unternehmensprozesse von
Intelligenz mit GenAI erst begonnen – was wir Kunden digitalisieren.
aktuell beobachten, so der Gründer von Micro-
soft, ist eine Revolution vergleichbar mit der des Die schnelle Ausbreitung befeuert die Ent-
Internets oder Smartphones (Gates 2023). Das wicklung Generativer KI und sorgt auch für
liegt daran, dass nun Dinge möglich sind, die es eine enorm hohe Geschwindigkeit technischer
vorher nicht waren. Während klassische KI-An- Innovation. Während wir Ende 2022 noch über
wendungen Daten analysieren, Muster erkennen recht rudimentäre Textproduktion staunten, war Bloomberg (2023) von einem jährlichen Wachs- nehmen und der industrielle Einsatz von Gen-
und so Vorhersagen entwickeln, kommt ein im Sommer 2023 die Bilderstellung mit Tools tum des GenAI-Marktes von 46 % auf etwa 1,3 AI-Anwendungen hat enorme positive ökono-
entscheidender Faktor hinzu: Die KI selbst er- wie Midjourney in aller Munde und seit einigen Billionen US-Dollar 2032 aus. mische Effekte. Gleichzeitig haben die Fragen,
schafft etwas. Mit dieser Fähigkeit entsteht eine Wochen beeindrucken KI-generierte Video- was KI tun darf, wo sie Schaden anrichtet und
Vielzahl neuer Anwendungsfelder. So kann man inhalte die breite Öffentlichkeit. Diese Tools Die gesamten volkswirtschaftlichen Auswirkun- wie das verhindert werden kann, nochmal an
heute auf Grundlage einiger Hinweise ein Buch machen deutlich, wie schnell die Potenziale von gen werden bei solchen Prognosen ausgeklam- Bedeutung gewonnen (Hirschfeld et al. 2021).
im Stil eines bekannten Autors verfassen oder GenAI sichtbar werden können. Entsprechend mert und sind immens (vgl. Kapitel 2.1). Klar ist: In Deutschland und Europa ist daher die Art der
ein klassisches Musikstück komponieren. Paral- optimistisch sind auch die Prognosen zum wirt- GenAI ist ein Wendepunkt im Bereich KI und hat Umsetzung des im März 2024 verabschiedeten
lel tun sich eine Vielzahl von komplexeren B2B- schaftlichen Impact der Technologie: So geht eine neue digitale Revolution in Gang gesetzt. AI-Acts ein großes Thema.
Die Entstehung und Ansiedlung von KI-Unter-

Abb. 1: Weltweite Größe des GenAI-Marktes in Generative KI hat die bisher schnellste indus-
Milliarden US-Dollar trielle Revolution gestartet: Eine Transformation
Quelle: Bloomberg (2023) der Wissensarbeit. Nachdem sich der Staub
der ersten Begeisterung gelegt hat, merken viele der besten

© Manuel Schlüter
Unternehmen, dass die kritischsten Fragen keine einfachen
1304 Antworten haben und die Verantwortung nicht an Chatbots
delegiert werden kann. Während manche Unternehmen be-
1079 reits den ersten positiven ROI sehen und souveräne Lösungen
im Betrieb ausrollen, experimentieren andere noch mit Stan-
897 dardlösungen der großen Anbieter. Das beste Vorgehen ist
dabei nicht one-size-fits-all; jedes Unternehmen hat eigene
728 außergewöhnliche Möglichkeiten und die besten Handlungen
Durchschnittliches jährliches werden Imperien erschaffen – nur wer sich auf die Rolle als
Wachstum: 46 % 548 (zahlender) Kunde beschränkt darf sich nicht wundern, wenn
das Wertschöpfungspotential dieser neuen Ära vor allem an
399 Andere geht.“
304
217
137 JONAS ANDRULIS
23 40 67 Gründer & CEO Aleph Alpha
14

2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032

8 9
1.3. STARTUPS IM FOKUS
Während etablierte Tech-Konzerne KI-Innovati-
Die Entwicklung von „State-of-the-Art“ KI- on im Rahmen ihrer bestehenden Geschäftsmo-
Systemen findet heute überwiegend in der delle denken, sind es Startups, die neue Techno-
Wirtschaft statt (Stanford University 2023). logien wie GenAI schnell in die Praxis bringen
Während die Forschung die Grundlage gelegt und neue Lösungen entwickeln. Der Blick auf
hat, werden KI-Innovationen seitdem maß- Startups erlaubt es daher, zu verstehen, welche
geblich durch Unternehmen getragen, die die Potenziale in Generativer KI stecken und wie
nötigen Ressourcen, vor allem Daten, Rechen- sie gehoben werden können (Kapitel 2). Dabei
leistung und finanzielle Mittel bereitstellen. Was zeichnen sich Startups im Bereich GenAI durch
dabei jedoch meist übersehen wird, ist die Rolle ihre starke B2B-Orientierung, ihre Fähigkeit, Ka-
von Startups, die als junge Unternehmen Inno- pital einzusammeln, und ihre hohe Innovativität
vationen in die Praxis bringen. Am Ende waren aus (Kapitel 3). Ganz wichtig ist hier die inter-
es nicht Google, Meta oder Microsoft, die mit nationale Perspektive und die Standortbestim-
einer neuen Lösung die GenAI-Revolution aus- mung Deutschlands und Europas mit Blick auf
gelöst haben, sondern mit OpenAI ein Unter- AI und insbesondere GenAI-Startups (Kapitel 4).
nehmen, das noch keine 10 Jahre alt ist.

Abb. 2: Gründer*innen-Perspektive auf das eigene Unternehmen


Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024

87 % 9%
sehen große Chancen befürchten, dass ihr
und Möglichkeiten für aktuelles Geschäftsmo-
ihr Unternehmen durch dell durch GenAI gefähr-
Generative KI – 40 % det wird – jedes zweite
stimmen diesem Punkt Startup macht sich gar
sogar voll zu. keine Sorgen.

Die zentrale Datengrundlage der Studie bildet analysiert sowie punktuell Daten des Deutschen
eine eigene Befragung unter deutschen Start- Startup Monitors genutzt (Kollmann et al.
ups, die zwischen Januar und Februar 2024 2023). Zur Untersuchung internationaler Trends
durchgeführt wurde und Informationen von 306 und im Rahmen des Benchmarkings Deutsch-
Unternehmen enthält. Zur generellen Entwick- lands und Europas dienten zudem Daten der
lung in Deutschland wurden außerdem Han- Plattform Dealroom (2024).
delsregisterdaten von startupdetector (2024)

11
10 11
2. STARTUPS
ALS VORREITER NEUER
TECHNOLOGIE
2.1. TRANSFORMATION DER WIRTSCHAFTS- Gründer*innen, dass sich „unsere Art zu arbeiten
UND ARBEITSWELT grundlegend“ verändert. Die Transformation der
Wirtschaft und der Arbeitswelt gehen also Hand
Generative KI hat mit enormer Wucht ein- in Hand: So werden auf der einen Seite weitere
geschlagen und gerade durch neue Anwen- Tätigkeiten in Teilen oder ganz automatisiert,
dungsmöglichkeiten für Konsumenten ist die etwa das Kundengespräch über die Service-
Technologie schnell im globalen Bewusstsein Hotline, und auf der anderen Seite werden neue
angekommen. Die entscheidende ökonomische Fähigkeiten wie das Schreiben von Prompts
Bedeutung liegt jedoch in der Breite von Wirt- wichtiger.
schaft und Industrie: So gehen Schätzungen
von einem jährlichen wirtschaftlichen Impact
von bis zu 4,4 Billionen US-Dollar aus (McKinsey
2023), was der Größenordnung des deutschen
BIPs von knapp über 4,1 Billionen Euro für das
Jahr 2023 (Statistisches Bundesamt 2024) ent-
spricht. Im Kern geht es dabei um neue Mög-
lichkeiten der Effizienzsteigerung, die GenAI
gegenüber klassischen KI-Anwendungen in
einer Vielzahl von Branchen mit sich bringt.

Auch Startups bewerten GenAI als entscheiden-


den gesamtwirtschaftlichen Hebel: 64 % gehen
davon aus, dass GenAI die Produktivität auf ein
neues Level hebt und 61 % stimmen der Aus-
sage zu, dass es sich um einen zentralen Wachs-
tumstreiber handelt. Ein besonderer Schwer-
punkt liegt im Bereich der Effizienzsteigerung.
In diesem Kontext denken 68 % der befragten

12 13
Abb. 3: Blick auf die Gesamtwirtschaft
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024
Generative KI...
32 % 36 %
... ändert unsere Art zu arbei-
ten grundlegend
68 %
31 % 33 %
... hebt die Produktivität
auf ein neues Level
64 %
28 % 33 %
... wird zu einem zentralen 61 %
Wachstumstreiber
14 % 33 %
... stellt viele bestehende
Geschäftsmodelle in Frage
47 %
Abb. 4: Chancen Generativer KI aus Gründer*innen-Perspektive
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024 | Clusterung von Freifeldantworten
Stimme voll und ganz zu Stimme zu

Aber was genau zeichnet GenAI-Innovationen heute viele Anwendungen in der Praxis genutzt
32 % Automatisierung
aus, die die aktuelle Transformation tragen? werden. Generell steht aber auch bei vielen Knowledge 12 %
Wo sehen Startup-Gründer*innen die größten weiteren Antworten der Aspekt der Automati-
Chancen und Potenziale? Bei der Clusterung sierung im Fokus: Ob Kundenservice, Forschung
von knapp 250 Rückmeldungen auf diese offene oder Coding, die Chancen werden von Grün-
Frage rücken 32 % der Gründer*innen den Aspekt der*innen weniger in spezifischen Use-Cases als Support 10 %
der Automatisierung in den Fokus. Daneben vielmehr in der generellen Effizienzsteigerung 24 % Content Creation
kristallisiert sich insbesondere das Feld der gesehen.
Content-Creation (24 %) heraus, in dem schon
Datenanalyse 9%

14 % Innovation
Die Unternehmenskultur wird im Recruiting im-
mer wichtiger, lässt sich aber deutlich schwie-
riger messen als etwa die Arbeitserfahrung. Mit
der Empion-Methode machen wir diesen Bereich zum Teil des
Einstellungsprozesses und verbessern mit KI-basiertem Mat-
ching den Cultural Fit zwischen Bewerber*innen und Unter- 2.2. EARLY ADOPTER NEUER ANWENDUNGEN jedoch gewinnt der Nutzer, beispielsweise in
nehmen – so steigern wir die langfristige Retention.“ der Nachbearbeitung von Bildern im Dialog mit
KI war lange ein komplexes und schwer zu dem Programm, den Eindruck einer Zugänglich-
DR. ANNIKA VON MUTIUS durchdringendes Thema. Mit dem Launch von keit der Technologie – hier kann jeder direkt mit
Co-Founder und Co-CEO Empion ChatGPT und Co. hat sich das grundlegend der KI interagieren. Wen interessiert, dass hinter
verändert und KI ist heute eng mit der Nutzung Large-Language-Models wie GPT-4 ein langer
dieser oder ähnlicher Anwendungen verknüpft. Entwicklungsprozess liegt und ein komplexer
Bei der Erstellung von Texten, Bildern oder Algorithmus zum Einsatz kommt, der aus Wahr-
Videos durch GenAI bleiben die Details des scheinlichkeitsmodellen von Sprache bzw. Wör-
Entstehungsprozesses zwar auch eine Blackbox, tern inhaltlich passende Ergebnisse produziert,

14 15
Abb. 5: Einsatz von GenAI-Anwendungen im Unternehmen
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024

Bisher gar nicht 8%

Selten 16 %

Regelmäßig 41 %
In Prozesse integriert 35 %

davon

80 %
der kann sich heute mit einer Vielzahl an Stu- festen Platz, weitere 6 % planen den Einsatz in
dien und Podcasts leicht tiefer in das Thema absehbarer Zeit (Bitkom 2024). Ein wichtiger
einarbeiten. Entscheidend ist aber die einfache Grund für diesen Unterschied ist sicher der lo- 59 %
Nutzung der Tools, die den Einsatz in der Breite ckere Umgang der Startups mit der neuen Tech-
49 %
ermöglicht. nologie: So geben mit 65 % eine große Mehrheit 45 %
der Gründer*innen an, dass GenAI-Tools in ihrem
36 %
Heute kann jeder problemlos GenAI-Tools aus- Unternehmen genutzt werden dürfen, es dafür
probieren und es sind eben vor allem Startups, aber noch keine klaren Regeln oder Guidelines
21 % 18 %
die vorangehen. In 41 % der befragten Unter- gibt. So wird Mitarbeitenden oft die Freiheit ge- 16 %
nehmen kommen GenAI-Anwendungen regel- geben, Dinge auszuprobieren – besonders viel
mäßig zum Einsatz und weitere 35 % haben sie findet dies sicherlich im Bereich Marketing statt,
bereits fest in ihre Prozesse integriert. Die eta- in dem eine Vielzahl von Tools bei der Kreierung
blierte Wirtschaft ist dagegen deutlich zöger- von Inhalten unterstützt.
Marketing Produkt IT Sales Service Personal Finanzen Legal
licher – erst bei 3 % hat die Technologie einen und
Operations

KI-Anwendungen werden in immer mehr Feldern Mit dem umfassenden Einsatz von GenAI-An- bei GenAI sehen. Dabei spielt, wie im vorheri-
zur fast unverzichtbaren Technologie – gerade wendungen im Startup-Ökosystem verbinden gen Kapitel schon angesprochen, die Arbeits-
auch in der Industrie und Produktion. Mit dem Gründer*innen klare Ziele: Durchschnittlich welt und der richtige Einsatz von Talenten eine
Einsatz selbstlernender Systeme kann der Betrieb von An- geben sie an, dank entsprechender Tools im zentrale Rolle. Startups haben tendenziell junge,
lagen weiter optimiert und durch Predictive Maintenance Unternehmen bereits heute 22 % effizienter zu hoch gebildete und techaffine Beschäftigte
kostenintensive Ausfälle vermieden werden. Das lohnt sich arbeiten – mit Blick auf die Einschätzung der (Hirschfeld et al. 2023): genau die Personen, die
nicht nur für Konzerne, sondern auch für kleinere regionale Entwicklung der nächsten fünf Jahre steigt die- neue Technologien schnell adaptieren. Entspre-
Unternehmen.“ ser Wert sogar auf 53 %. Auch wenn die Aussa- chend bewerten 72 % der Startups die GenAI-
gekraft dieser Zahlen natürlich begrenzt ist, wird Fähigkeiten ihrer Beschäftigten als positiv.
LENA WEIRAUCH deutlich, welches Potenzial deutsche Startups
CEO & Co-founder ai-omatic

16 17
2.3. DER DISRUPTIONSMOMENT Startups spielen dabei nicht nur im Bereich der In Deutschland zeigt sich das unter anderem
Grundlagen und Modellentwicklung eine zen- bei den Startup-Neugründungen. Während der
Was wir aktuell im Bereich GenAI beobachten, trale Rolle, sondern vor allem mit Blick auf die Anteil an KI-Startups an den Neugründungen
ist ein echter Disruptionsmoment. Während praktische Anwendung und den Markthochlauf. zwischen 2019 und 2022 mit 6 bis 8 % relativ
die Entstehungsgeschichte von OpenAI als Neben den Tools der oben genannten Unterneh- stabil blieb, ist dieser Wert mit dem GenAI-
Forschungsprojekt und Stiftung eher untypisch men entwickelt sich im Startup-Ökosystem eine Boom im Jahr 2023 auf 14 % angestiegen.
ist, zeigen die weitere Entwicklung des Unter- Vielzahl von Unternehmen, die GenAI in unter- Insgesamt sind 2023 341 Startups mit KI-Bezug
nehmens und der schnelle Aufstieg anderer schiedlicher Weise im Rahmen ihres Geschäfts- neu entstanden – das ist ein Anstieg von 67 %
Startups, wie etwa Anthropic, dass die GenAI- modells nutzen oder Lösungen auf Basis der im Vergleich zum Vorjahr und das in Zeiten einer
Disruption maßgeblich von jungen Unterneh- Technologie aufbauen. Hierbei werden häufig insgesamt rückläufigen Gründungsdynamik.
men vorangetrieben wird. Auch in Europa sind sehr spezifische Use-Cases adressiert: Während Das Gleiche sehen wir im Investmentsektor:
mit Aleph Alpha und Mistral AI, 2019 bzw. 2023 vermutlich die meisten schon einmal einen Text Hier ist die Entwicklung, nach dem Rekord-
gegründet, zwei Startups am Markt, die als mit ChatGPT übersetzt haben, setzt das Mün- jahr 2021, im Jahr 2022 und vor allem 2023
Modellentwickler international konkurrenzfähig chener Startup Summ AI auf die Umwandlung rückläufig – sogar noch deutlicher als bei den
sind. Zwar sind die großen US-Techkonzerne, al- komplizierter Texte mithilfe von Generativer KI in Neugründungen. Auch hier entwickeln sich
len voran Microsoft, Google und Amazon, durch leichte Sprache. GenAI-Investments gegen den Trend klar positiv
ihre Investments in OpenAI, Anthropic, Inflection und mit OpenAI, Anthropic und Inflection sind
und Mistral durchaus präsent und präsentieren drei Startups aus diesem Sektor unter den fünf
auch eigene GenAI-Angebote – doch meist höchsten Finanzierungen im Jahr 2023 (mehr
nicht als Erstes. dazu in Kapitel 3.3).

Abb. 6: Zahl und Anteil der Startup-Neugründungen mit KI-Bezug Abb. 7: Größte Startup-Finanzierungen im Jahr 2023
Quelle: Eigene Analyse startupdetector Quelle: Eigene Analyse Dealroom | Es wurden alle von Dealroom zugeordneten
Bestandteile der Runden sowie Finanzierungsarten (z.B. Rechenkapazitäten,
Wandelanleihen) berücksichtigt.

14 %
Unternehmen Unternehmenssitz Größe der Runde

1 10 Mrd. US-Dollar

8 % 8 % 341
7% 2 6,5 Mrd. US-Dollar
6%
248
204 3 2 Mrd. US-Dollar
189
151
4 1,3 Mrd. US-Dollar

5 1,2 Mrd. US-Dollar


2019 2020 2021 2022 2023

18 19
3. TEMPO UND
SKALIERUNG DURCH
STARTUPS

3.1. ANWENDUNGSTIEFE BEI STARTUPS bilden Startups, die mit der Entwicklung so-
genannter Foundation-Models die Kerntechno-
Wie bei jeder Innovation gilt: Nicht überall, wo logie Generativer KI voranbringen – das können
das Label GenAI draufsteht, ist es auch Kern der Large-Language-Models (LLMs) sein, die Texte
Sache. Daher ist es wichtig klarzumachen, wel- generieren, aber auch multimodale Modelle, bei
che Rolle Startups mit Blick auf GenAI konkret denen die Grenzen zwischen Sprache, Bildern
spielen und welche unterschiedlichen Aspekte und anderen Datentypen überwunden werden.
hier zum Tragen kommen. Wir wollen dazu drei Neben OpenAI sind hier in Europa vor allem
Anwendungsebenen definieren: Die erste Ebene Aleph Alpha und Mistral AI prominiente Beispiele.

Abb. 8: Einfluss Generativer KI auf das Geschäftsmodell und GenAI-Fokus im Produkt.


Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024

6% Keinen Einfluss

14 % Wenig Einfluss

33 % Mittleren Einfluss

18 % Großen Einfluss

30 % Sehr großen Einfluss – darunter:


19 % GenAI-Fokus
11 % Ohne Fokus

20 21
Eine weitere Unterscheidung kann zwischen nerierung, -analyse und -überarbeitung wie dell hat. Um hier einen noch stärkeren Fokus für der Unternehmen identifizieren, die im Fol-
General-Purpose-Modellen, die umfassende etwa Oxolo, ein Hamburger Startup zur KI-ge- die Analyse zu erzeugen, wurden die Startups genden als Startups mit GenAI-Fokus benannt
Aufgaben erfüllen sollen, und Use-Case spezifi- stützten Erstellung von Videos. Zum anderen außerdem gefragt, ob GenAI Bestandteil des werden. Vier von zehn dieser Startups wurden
schen Modellen vorgenommen werden. Insge- spielt die Automatisierung des Kundenservice Produkts oder der Dienstleistung des Unterneh- seit Anfang 2023 gegründet, was die aktuelle
samt gibt es weltweit mehr als 120 Unterneh- eine große Rolle, wie bei der SaaS-Lösung des mens ist. Auf dieser Grundlage ließen sich 19 % Dynamik im Feld nochmals unterstreicht.
men, die nach 2000 gegründet wurden und an Berliner Startups Parloa, die klassische Call-
GenAI-Modellen arbeiten (Dealroom 2024). center-Interaktion durch GenAI ersetzt. Auf der
dritten Ebene finden sich Startups, für die GenAI
Auf der zweiten Ebene finden sich Startups, die einen großen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell
auch als „Implementierer“ bezeichnet werden hat, die die Technologie aber nicht in ihr Produkt Deutsche Startups zeigen schon lange, dass KI-
könnten und die am Markt verfügbare Modelle integriert haben. Hier lassen sich auch Unter- basierte Lösungen einen enormen Beitrag zum
in den eigenen Tech-Stack einbauen, um auf nehmen einordnen, die GenAI-Anwendungen im Geschäftserfolg liefern können. Durch die aktu-
dieser Grundlage eigene Lösungen anzubieten Unternehmen umfassend nutzen – beispielswei- elle GenAI-Revolution rücken diese Chancen noch stärker in
oder zu erweitern. Diese Unternehmen sind für se bei der Entwicklung von Software. den Fokus und immer mehr Unternehmen wird bewusst, was
die breite Anwendung in der Praxis zentral und mit der Technologie möglich ist. Damit verändern sich tradi-
machen den überwiegenden Teil des GenAI- Wenn wir nun auf unsere durchgeführte Be- tionelle Branchen, wie der Kundenservice, grundlegend und
Ökosystems aus. Dabei können zwei Geschäfts- fragung blicken, sehen wir die allgemein hohe es entsteht eine Vielzahl neuer Gestaltungsspielräume“
felder identifiziert werden, in denen aktuell die Bedeutung von Generativer KI für Startups: 30
größte Dynamik herrscht: Das sind zum einen % der Startups haben angegeben, dass diese MALTE KOSUB
spezialisierte Anwendungen in der Content-Ge- einen sehr großen Einfluss auf ihr Geschäftsmo- CEO & Co-Founder Parloa

Abb. 9: Gründungsjahre der befragten Startups 3.2. POTENZIALE IM B2B-MARKT Zwar kennen wir die Mehrzahl der GenAI-Un-
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024 ternehmen aus Nutzersicht, doch die großen
Die Gruppe der Startups mit GenAI-Fokus ist Potenziale liegen in Chancen der Effizienzstei-
nicht mit GenAI-Startups im engeren Sinne gerung für die etablierte Wirtschaft. Hier kann
25 % gleichzusetzen: Es sind sowohl die Modell-Ent- Generative KI in den kommenden Jahren zu
Seit 2023 wickler, aber auch Startups, die GenAI-Lösun- einem Gamechanger werden: So zielen 93 % der
40 % gen in unterschiedlichem Grad in ihre Produkte GenAI-Fokus-Startups auf B2B-Kunden – deut-
integrieren. So ist Generative KI für 81 % der lich häufiger als Startups generell. Dabei sind
2021-2022
31 % Startups mit GenAI-Fokus als Fundament des 77 % der Auffassung, die Needs der etablierten
33 % Produkts (sehr) wichtig – für 93 % dient die Wirtschaft zu verstehen und 52 % auch der An-
Technologie der Verbesserung des eigenen sicht, den Mehrwert ihrer Lösungen gut erklären

2019-2020
18 % Angebots. Mit Blick auf die aktuelle Dynamik ist zu können. Doch aktuell ist der deutsche Mittel-
nicht verwunderlich, dass mit 23 % auch erst stand noch sehr zögerlich beim Einsatz von KI
12 % eine Minderheit dieser Gruppe von Unterneh- (Mittelstand-Digital 2021) und fast zwei Drittel
men mit ihrem Produkt bereits auf dem Markt der Startups mit GenAI-Fokus (65%) kritisieren
2014-2018
27 % ist und 19 % noch in der Planung des Roll-outs diese fehlende Bereitschaft, sich auf neue Tech-
16 % stecken – knapp sechs von zehn Unternehmen nologien einzulassen.
befinden sich sogar noch im Bereich des Proof
of Concept (31 %) oder noch früher in der F&E-
Startups ohne GenAI-Fokus Startups mit GenAI-Fokus Phase (27 %).

22 23
Abb. 10: Kundenfokus der Startups
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024

Startups ohne GenAI-Fokus Startups mit GenAI-Fokus

65 % B2B 93 % B2B

27 % B2C 5% B2C

Da die großen Hebel in der Entwicklung von sie aber auch die Zusammenarbeit mit anderen
B2B-Lösungen stecken, spielt die enge Ko- Startups (65 %) und wissenschaftlichen Ein-
operation zwischen etablierter Wirtschaft und richtungen (64 %). Die Entwicklung innovativer
Startups eine wichtige Rolle. Allgemein gilt: Technologien ist fast immer ein Zusammenspiel
Kooperationen sind ein zentraler Bestandteil unterschiedlicher Akteure: Für das deutsche
des Startup-Ökosystems – sei es zwischen Ökosystem mit vielen dezentralen Hochschu-
Startups, mit etablierten Unternehmen oder len und Forschungseinrichtungen sowie vielen
auch der Wissenschaft. Trotz ihres jungen Alters erfolgreichen Mittelständlern liegen hier Her-
haben schon 64 % der GenAI-Fokus-Startups ausforderungen, aber auch Chancen – gerade
Kooperationen mit etablierten Unternehmen diese muss man nutzen, wenn man langfristig
gestartet. Mindestens genauso wichtig sind für im internationalen Wettbewerb bestehen will.

Nicht nur die großen Corporates, sondern gera-


de auch der Mittelstand ist bereit für KI-Anwen-
dungen – das Potenzial in dieser Kundengruppe
wird im Startup-Ökosystem aber noch zu häufig unter-
schätzt. Wenn beide Seiten voneinander lernen und man mit
gegenseitigem Verständnis zusammenarbeitet, dann kann so
auch die Breite der Unternehmen vom nächsten Digitalisie-
rungsschub profitieren.“

PHILIPP REISSEL
Co-Founder & CEO amberSearch

24 25
tische Gesundheitsdaten zu erzeugen – etwa schungsprozess so schneller und kosteneffizien-

DEEP DIVE Röntgenbilder oder Gensequenzen. Diese


können dann genutzt werden, um andere KI-Mo-
ter ablaufen. Ebenfalls prominent ist aktuell der
Einsatz von GenAI in der Pharma-Forschung,
delle zu trainieren, die sich beispielsweise auf in der Wirkstoffkandidaten erheblich schneller
die Diagnose von Krankheiten in Bilddateien identifiziert werden und damit der sonst sehr
spezialisieren. Der Vorteil ist, dass durch eine langwierige Prozess bis zum neuen wirksamen
GENERATIVE KI IM HEALTH-SEKTOR In den immer wichtiger werden Bereichen der größere Menge und Varianz in den Trainings- Medikament enorm abgekürzt werden kann.
GenAI-Assistenz und -Therapie sind Startups daten die Zuverlässigkeit dieser Anwendungen Generative KI beweist das eigene Potenzial also
Gesundheitssysteme, nicht nur in Deutschland, echte Vorreiter. Das Unternehmen Clare & Me, gesteigert wird. So kann auf die Nutzung von auch in Bereichen, die für viele einen entschei-
stehen vor eine Reihe großer Herausforderun- das sich auf Mental-Health konzentriert, bietet Patientendaten ergänzt werden und der For- denden Unterschied machen können.
gen, die sich in den kommenden Jahren noch Nutzerinnen Unterstützung und psychologische
verschärfen werden – ein wichtiger Aspekt ist Beratung via Chat und Telefon an. Dabei ver-
dabei der Fokus auf die Bedürfnisse der Pa- steht das Unternehmen das eigene Angebot als
tient*innen. Menschen brauchen eine möglichst Ergänzung des bestehenden Therapiesystems,
individuelle Betreuung, fühlen sich aber häufig das zusätzliche Betreuung bietet und die hohe Je mehr hochwertige Daten zur Verfügung ste-
nicht ausreichend informiert und müssen teils Nachfrage im Feld adressiert. Die Gefahr von hen, desto besser wird die KI-gestützte Medizin.
lange auf Arzttermine warten. Dem stehen ein Fehlern in der Diagnose oder Behandlung ist in Durch den Einsatz generativer KI erzeugen wir
enormer Kostendruck und der akute Fachkräfte- diesem Bereich ein großes Thema und wird von bei RYVER solche Daten und stellen den KI-Entwicklern in der
mangel gegenüber. All dies schafft Unzufrieden- den Startups auf unterschiedliche Weise durch Radiologie verschiedene synthetische, medizinische Bilder
heit, schürt Ängste und stellt nicht zuletzt ein die Verknüpfung mit dem Gesundheitssektor zur Verfügung. Dieser innovative Ansatz erhöht die Zuverläs-
reales Gesundheitsrisiko dar, wenn Patient*in- und medizinischen Personal adressiert. So ist sigkeit und Sicherheit von algorithmusbasierten Diagnosen.“
nen nicht oder zu spät adäquat behandelt etwa das Londoner Startup limbic, das eben-
werden. falls Software im Bereich mentale Gesundheit KATHRIN KHADRA
entwickelt, bereits stark im britischen Gesund- Co-Founder & Tech RYVER.AI
Diese Lücke zwischen dem Informations- sowie heitssystem verankert und arbeitet direkt mit
Behandlungsbedarf auf der einen und den vor- dem NHS, dem staatlichen Gesundheitsdienst,
handenen Kapazitäten des Gesundheitssystems zusammen.
auf der anderen Seite, kann mithilfe von GenAI
zwar nicht gänzlich geschlossen, aber zumin- Ein weiterer Bereich in dem GenAI-Startups im
dest minimiert werden. So existieren am Markt Gesundheitssektor einen wichtigen Beitrag leis-
bereits Lösungen, die dem medizinischen Perso- ten, ist die Forschung. Hier braucht es, umfang-
nal eine digitale Assistenz zur Seite stellen, die reiche und qualitativ hochwertige Daten, um
etwa Spracheingaben bei der Patientenbehand- Innovationen bei Therapieformen, Medikamen-
lung verarbeitet. Darüber hinaus gibt es digitale ten und in der Medizintechnik hervorzubringen.
therapeutische Unterstützungsangebote, die Eine zentrale Hürde, der sich Forschungsteams
per Chat oder Anruf rund um die Uhr erreich- aktuell noch gegenübersehen, ist die geringe
bar sind. Der Einsatz von GenAI-Lösungen setzt Datenverfügbarkeit, aufgrund rechtlicher Hür-
Vertrauen voraus, hat Grenzen und birgt Risiken, den im Umgang mit personenbezogenen Daten.
die man kennen und berücksichtigen muss – GenAI schafft hier in vielen Feldern völlig neue
geprüfte digitale Lösungen führen aber trotz Möglichkeiten, da durch die Technologie auf
unterschiedlicher Herausforderungen insge- Basis bestehender Informationen neue Daten zu
samt zu einer Verbesserung der Therapie, wenn Forschungszwecken generiert werden können.
etwa Krankheiten früher erkannt werden. So ist es durch Generative KI möglich, synthe-

26 27
Für Unternehmen, die entweder (zeitnah) pro- Der Wettbewerb zwischen jungen Unterneh-
fitabel sind oder einen klaren technologischen men ist bei einer so erfolgsversprechenden
Vorsprung vorweisen können, ist das heutige Technologie besonders intensiv und es bedarf
Finanzierungsumfeld trotz und teilweise auch großer Ambitionen, um hier das nötige Kapital
wegen der Krise ein vollkommen anderes: einzuwerben, schnell zu wachsen und sich am
GenAI-Startups konnten im Rekordjahr 2021 Markt durchzusetzen. Die Daten zeigen, dass
mit 4,8 Milliarden Euro etwa 1 % des weltweit dieses ausgeprägte unternehmerische Mindset
investierten Kapitals einsammeln – 2023 waren durchaus vorhanden ist: Unter den Startups mit
es mit 22,3 Milliarden Euro dann nicht nur etwa GenAI-Fokus streben fast zwei Drittel einen Exit
3.3. ZUSAMMENSPIEL VON AMBITION UND doppelt so hoch wie in den Vor-Corona-Jahren. viermal so viel, sondern auch 9 % aller Invest- an, während der Wert für die übrigen befragten
KAPITAL Doch mit der Zinswende und dem Eintrüben ments. Dieser klar positive Trend bildet ein ent- Unternehmen mit 40 % deutlich niedriger liegt.
der wirtschaftlichen Lage brachen die Zahlen scheidendes Fundament der GenAI-Revolution, Das hohe Ambitionslevel wird besonders deut-
Das Jahr 2021 wird vermutlich als ein einzig- deutlich ein – 2023 wurden mit 246 Milliarden da im Rahmen von KI-Modellen, aber auch bei lich, wenn man zusätzlich die Zieldimensionen
artiges Rekordjahr in die jüngere Startup-Ge- Euro etwa 57 % weniger investiert als 2021. vielen Anwendungen häufig noch Grundlagen analysiert: Unter Gründer*innen mit GenAI-Fo-
schichte eingehen: Nie floss mehr Geld in das Dieser Rückgang traf besonders Unternehmen, geschaffen und große finanzielle Mittel für die kus streben 20 % den Unicorn-Status an – nur
Ökosystem, gab es mehr Startup-Neugründun- bei denen der Weg zur Profitabilität unklar, Entwicklung der Technologie, die für die er- 3 % in der Vergleichsgruppe.
gen und Exits weltweit. Mit fast 600 Milliarden Marketingkosten hoch und der technologische folgreiche Skalierung nötig sind, bereitgestellt
Euro lagen die Investments in Startups mehr als Vorsprung gering waren. werden müssen.

Abb. 11: Investments in Startups Abb. 12: Exit-Ambitionen der Gründer*innen


Quelle: Eigene Analyse Dealroom Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024

Keine Exit-Ambitionen
Weltweite Startup-Investments Weltweite Investments in GenAI-Startups
in Mrd. € & Unternehmen ab 2000 gegründet in Mrd. € & Unternehmen ab 2000 gegründet Startups ohne
GenAI-Fokus
60 %
22,3 Startups mit
GenAI-Fokus 34 %
579 +363 %
-57 %
Exit-Ambitionen

400 25 %
Unter 100
Millionen Euro
32 %
275 263 275
246
100 Millionen Euro bis 11 %
unter 1 Milliarde Euro
14 %
4,8 4,2
1,9 1 Milliarde 3%
0,4 1,4 Euro und mehr
20 %

2018 2019 2020 2021 2022 2023 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Startups ohne GenAI-Fokus Startups mit GenAI-Fokus

28 29
4. DEUTSCHLAND
IM INTERNATIONALEN
VERGLEICH
4.1. FOLGEN DES DIGITALEN RÜCKSTANDS diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, dass
sich der europäische Hoffnungsträger Mistral AI
Trotz der dynamischen Entwicklung im Bereich für die nächsten Schritte nun auch für ein Micro-
Generative KI in Deutschland und Europa offen- soft-Investment entschieden hat. Doch warum
bart der Blick auf die wichtigsten Unternehmen nehmen die etablierten Player eine so wichtige
die klare Führungsrolle der USA: So haben die Rolle für das GenAI-Ökosystem ein?
beiden GenAI-Player OpenAI und Anthropic seit
2018 etwa viermal so viel Kapital wie alle euro- In einer so kompetitiven Wettbewerbsumge-
päischen GenAI-Startups zusammen eingesam- bung wie dem GenAI-Markt stehen Startups
melt. Die großen Tech-Player Microsoft, Amazon vor einem Bündel an Herausforderungen. Zwei
und Google sind hier nicht nur als Konkurrenten Themen sind für mehr als die Hälfte der Start-
aktiv, sondern treten auch als Investoren auf: ups mit GenAI-Fokus zentral: Die hohe nötige
Ihre finanziellen und noch wichtiger infrastruk- Geschwindigkeit im Wettbewerb sowie Zugang
turellen Mittel sind für GenAI-Startups enorm und Kosten für Infrastruktur. Dabei sind diese
wichtig. So droht Europa wieder einmal in der Fragen sogar deutlich wichtiger als Themen wie
digitalen Welt den Anschluss zu verlieren. In beispielsweise Vertrauen (37 %) und Fachkräfte-

Abbildung 13: GenAI-Investments seit 2018


Quelle: Eigene Analyse Dealroom

10,3 Mrd. €

7,3 Mrd. €

4,5 Mrd. € Europa

30 31
Abb. 14: Herausforderungen für Startups mit GenAI-Fokus GenAI ist kostenintensiv – das gilt für die Ent-
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024 wicklung von Modellen, die technische Infra-
struktur und mit Blick auf Talente. Daher ist der
Finanzierungsrückstand deutscher und europäischer Start-
Geschwindigkeit bei ups in diesem Bereich eine Herausforderung. Um konkur-
Technologiewettbewerb 63 %
renzfähig zu sein heißt es, unsere Stärke in der KI-Forschung
Zugang und Kosten auf die Straße zu bringen und den breiten Mittelstand als
für Infrastruktur 53 %
Kundenbasis besser zu nutzen.“
Unsicherheiten beim
Thema Regulierung (AI-Act)
47 %
DR. PHILIP HUTCHINSON
Senior AI Strategist appliedAI Institute for Europe
Datenzugang und -qualität 45 %
Vertrauen der Kunden
herstellen 37 %
Gewinnung
qualifizierten Personals 33 % Abb. 15: Einfluss von Cloud–Computing auf das Geschäftsmodell von Startups
Quelle: Eigene Analyse des Deutschen Startup Monitors 2023 | Als Startups mit
Anpassungsfähigkeit /
Flexibilität von Modellen 24 % KI-Orientierung werden hier Startups berücksichtigt, für die KI einen sehr großen
Einfluss auf das Geschäftsmodell hat.

gewinnung (33 %). Viele der Herausforderungen Die Bedeutung bestimmter Basistechnologien
48 %
erklären den hohen Kapitalbedarf der Startups wird erkennbar, wenn man die Themen Cloud
im Bereich Generative KI – denn mehr Geld er- und KI gemeinsam betrachtet: In der Gruppe
laubt oft auch eine höhere Geschwindigkeit. der Startups, bei denen KI einen sehr großen
Einfluss auf das Geschäftsmodell hat, geben 48
Im Wettbewerb um die besten Investmentmög- % an, dass das auch für Cloud-Computing gilt.
lichkeiten können die Investoren aus der „alten“ Umso wichtiger ist es, das Thema Infrastruktur
Tech-Welt also ihren doppelten Vorteil ausspie- mitzudenken, wenn man GenAI in Deutschland
26 %
23 %
len – Kapital für die nötige Geschwindigkeit und und Europa voranbringen möchte. 21 %
eben den Zugang zu (günstigerer) Infrastruktur. 20 % 19 %
18 % 16 %

7%
2%

Überhaupt Wenig Mittlerer Großer Sehr großer


keinen Einfluss Einfluss Einfluss Einfluss Einfluss

Startups ohne bzw. mit schwacher KI-Orientierung Startups mit KI-Orientierung

32 33
4.2. EUROPA (WIEDER) NICHT VORNE DABEI Vorteilen bringen diese Unternehmen starke
Vertriebskanäle mit. Selten sind die großen
Wenn wir aus dem Startup-Ökosystem nun auf Player mit so einer Wucht in kurzer Zeit in einen
den Gesamtmarkt Generative KI blicken, wird neuen Technologiemarkt eingetreten. Dagegen
neben der starken Position von OpenAI noch nehmen die führenden europäischen Anbieter
einmal die Bedeutung von Microsoft, Amazon (bisher) nur eine Nischenposition ein, was nicht
Web Services und Google deutlich. Neben den nur volkswirtschaftlich, sondern auch gesell-
genannten finanziellen und infrastrukturellen schaftspolitisch ein Problem darstellt.

Abb. 17: Internationaler Wettbewerb um GenAI


Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024
Abb. 16: Marktanteile von führenden GenAI-Modell- und -Plattformanbietern
Quelle: IoT Analytics Wo liegt Europa im Rennen um GenAI?

7%

8% 18 % 48 % 29 % 4% 1%

2 % Anthropic

30 % 2 % AI21labs
Europa liegt hinten Europa liegt vorne
2 % Cohere

1 % Aleph Alpha Und wer gewinnt das Rennen?

39 % 1 % Hugging Face

1 % Alibaba Cloud

1 % IBM 4%
1 % Baidu 20 %
6 % Weitere Unternehmen

68 %

Die Einschätzungen der Gründer*innen zur ausgemacht. Diese Zahlen lassen sich einerseits
aktuellen Lage Europas im internationalen Wett- als nüchterne Einschätzung der internationalen
bewerb sind daher nicht überraschend und sehr Kräfteverhältnisse lesen, müssen aber anderer- Erfolgsfaktor genauer in den Blick zu nehmen – gemein „nur“ um den Faktor 6. Nicht nur fehlen
deutlich: Zwei Drittel sehen Europa im interna- seits auch Anstoß zu einer offenen Debatte dar- den Zugang zu Kapital. Kapitel 3 hat deutlich in Europa die starken Tech-Player als Großinves-
tionalen Wettbewerb hinten. Während Europa über sein, welche Rolle Deutschland und Europa gemacht, dass trotz angespannter Investment- toren, es stellt sich zusätzlich die Frage, ob In-
über KI-Regulierung streitet, gehen andere mit Blick auf GenAI spielen können und sollen. lage im GenAI-Ökosystem deutlich mehr Kapital vestoren generell skeptisch auf das (regulative)
Weltregionen deutlich schneller voran. Aus Sicht investiert wurde: Doch dieses Kapital verteilt Umfeld in Europa blicken. Ohne Kapital laufen
der Gründer*innen ist der Ausgang des GenAI- Nachdem auf die infrastrukturellen Nachteile sich weltweit ungleich. Bei den Pro-Kopf-In- wir Gefahr, eine der zentralen Zukunftstechno-
Rennens zwar noch nicht ganz eindeutig – aber eingegangen wurde und bevor wir auf das The- vestments liegt Deutschland um den Faktor 12 logien in Europa nur zu nutzen, aber nicht zu
wird zwischen den USA (68 %) und China (20 %) ma Regulierung blicken, gilt es einen zentralen hinter den USA – bei Startup-Investments all- prägen.

34 35
Abb. 18: Startup-Investments 2020-2023 pro Kopf
Quelle: Eigene Analyse Dealroom

Startups allgemein

514 € 6x 3.234 €

GenAI-Startups

7€ 12x 83 €

Für europäische Startups im Bereich der 4.3. REGULIERUNG – ZUSÄTZLICHES Konfrontiert mit den üblichen Fragen und
GenAI wird es zunehmend entscheidend, Ethik HEMMNIS? Thesen der Debatte wird erkennbar, dass sich
und Datenschutz als Kernwerte zu etablieren. Startups relativ klar positionieren. Zwar wer-
Dies ist nicht nur im Kontext der EU-Anforderungen wichtig, Neben dem Kapitalzugang und der technischen den die positiven Aspekte des AI-Acts, näm-
sondern dient auch weltweit als einzigartiges USP. Unsere Infrastruktur ist es vor allem der regulatorische lich Vertrauen und Rechtssicherheit, durchaus
Zukunftsvision beinhaltet die Entwicklung von generativen Rahmen, der sich zwischen Deutschland bzw. gesehen, doch gleichzeitig wird die Gesetz-
KI-Lösungen, die diese Prinzipien respektieren und fördern. Europa und den USA grundlegend unterschei- gebung überwiegend als Wettbewerbsnachteil
Indem wir im B2B-Sektor und mit etablierten Unternehmen det und mit Blick auf Tech-Innovationen eine und Innovationshemmnis bewertet – und für
zusammenarbeiten, eröffnen wir Innovationsmöglichkeiten zentrale Rolle spielt. Im Mittelpunkt steht hier Unternehmen mit GenAI-Fokus zeigt sich das
im Automobil- und Smart City-Bereich, die im Einklang mit der kürzlich verabschiedete AI-Act, der vor allem sogar noch deutlicher. Interessant ist außerdem,
dem Datenschutz eine vertrauenswürdige digitale Zukunft wegen seiner Orientierung an generellen Risiken dass selbst unter den Startups mit GenAI-Fo-
schaffen.“ der Technologie anstatt an einer engeren und kus nur 50 % angeben, gut über die Inhalte des
klareren Regulierung konkreter Anwendungsbe- AI-Acts Bescheid zu wissen. Daraus lässt sich
MARIAN GLÄSER reiche immer wieder kritisiert wird. Mit der Stu- auch die Aufgabe europäischer Politik ableiten,
Co-Founder & CEO brighter AI die wollen wir aber gar nicht in diese (vergange- regulatorische Veränderungen noch besser zu
ne) Debatte einsteigen, sondern die Perspektive kommunizieren und gerade jüngere Unterneh-
der Gründer*innen auf diese Thematik erfassen men, die noch nicht in Brüssel aktiv sein können,
und wiedergeben. einzubinden und so zusätzliche Unsicherheiten
zu vermeiden.

36 37
Abb. 19: Allgemeiner Blick auf den AI-Act
Quelle: Eigene Startup-Befragung 2024

Der AI-Act... Startups ohne GenAI-Fokus Startups mit GenAI-Fokus

... sorgt für Vertrauen


4% 38 % 7% 41 %
in der Gesellschaft
6% 38 % 8% 41 %
... schafft
Rechtssicherheit
23 % 28 % 33 % 35 %
... hemmt Innovation
in Europa

... ist ein Wettbe-


19 % 25 % 29 % 29 %
werbsnachteil

Stimme voll und ganz zu Stimme zu

Bei der Frage nach den konkreten Auswirkungen konkrete Ausgestaltung der Aufsicht und damit
des AI-Acts auf das eigene Startup mit GenAI- verbundene Anforderungen nun eine ganz ent-
Fokus bestätigt sich diese Einschätzung: Auch scheidende Rolle spielen. Wenn hier, gerade in
hier stehen die negativen Effekte, der zusätzliche Deutschland, der übliche Verwaltungsprozess in
bürokratische Aufwand (61 %) und die reduzierte all seiner Wucht zum Tragen kommt, könnte es
Geschwindigkeit und Innovationsfähigkeit (47 für deutsche Startups im GenAI-Bereich noch
%) klar im Fokus. Dies deutet darauf hin, dass die schwieriger werden.

Nach wie vor herrscht mit Blick auf den euro-


päischen AI-Act bei Startup-Gründer*innen
eine enorme Unsicherheit – an zu vielen Enden
ist nicht klar, welche Auswirkungen in der Praxis zu erwar-
© Michael Schuff

ten sind. Um hier kein Innovationshemmnis entstehen zu


lassen, braucht es in der Umsetzung jetzt Signale, welche
Spielregeln von wem gesetzt werden und welche Aufwän-
de damit für Startups entstehen.“

DANIEL ABBOU
Geschäftsführer KI Bundesverband

38 39
Generative KI hat unsere Wirtschaft und Gesell- brauchen wir erfolgreiche GenAI-Unternehmen

5. AUSBLICK: EUROPA schaft die letzten beiden Jahre bereits stark ver-
ändert, doch die großen Chancen und Risiken
in und aus Europa – in einem starken und fairen
Wettbewerb mit den US-Playern. Noch haben

MUSS HANDELN
liegen noch vor uns. Wenn wir die GenAI-Welt wir die Chance, diesen Technologietrend in
mit unseren Wertvorstellungen prägen und Europa mitzugestalten.
die Wertschöpfung in Europa stärken wollen,

Nach der Verabschiedung des AI-Acts erklär- wenn wir in Europa kein Microsoft, Google oder
te der europäische Wettbewerbskommissar Amazon haben, gilt es nun all unsere Stärken Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit deutscher
Thierry Breton, dass Europa nun mit der welt- aus Forschung, etablierter Wirtschaft und Talent und europäischer GenAI-Startups stärken
weit ersten umfassenden KI-Regulierung zum zusammenzuwerfen, um unsere Chancen bei wollen, sind gezielte Maßnahmen erforder-
„global standard-setter in AI“ geworden sei. der GenAI-Revolution nicht schon in der ersten lich. Wir müssen dringend mehr Kapital mobilisieren. Der
Unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der Runde aufzugeben. Wachstumsfonds der Bundesregierung, der wichtige Inno-
Aussage und Gesetzgebung sollte aber zumin- vationsbereiche wie KI unterstützt, ist ein positiver Schritt
dest die Frage in den Raum gestellt werden: Den entscheidenden Baustein für erfolgreiche und trägt dem großen Potenzial Deutschlands mit seiner
Was braucht es, damit Europa nicht nur bei der KI-Unternehmen haben wir in Deutschland und Forschungsstärke Rechnung. Wenn wir an der Schnittstelle
KI-Regulierung, sondern auch der KI-Umsetzung Europa: Talent mit Ideen. Das zeigen uns junge von Finanzierung, Forschung und Ausgründung ansetzen
konkurrenzfähig wird? Unternehmen wie Aleph Alpha oder Mistral AI, und unsere Anstrengungen deutlich ausbauen, können wir
aber auch viele weniger bekannte Startups mit noch stärker vom KI-Boom profitieren.“
Die erste und vielleicht etwas simple Antwort teilweise hochspezialisierten Use-Cases sehr
auf die Frage lautet: Es braucht mehr Startups. deutlich. Das allein reicht jedoch nicht aus und NICOLE BÜTTNER
Trotz des positiven Trends der letzten Jahre wie der Report zeigt, müssen wir vor allem an Gründerin & CEO Merantix Momentum,
stehen wir beim Thema Generative KI noch drei Feldern ansetzen: stellvertretende Vorsitzende Startup-Verband
immer ganz am Anfang einer Entwicklung. Auch

Auch wenn europäische GenAI-Startups viel Geld einsammeln konnten: In Euro-

01
pa fehlt es an Kapital für große Runden. Ziel muss es sein, sowohl mehr Kapital
für größere VC-Fonds zu aktivieren als auch Corporates zu animieren, im GenAI-
Umfeld zu investieren.

Der hohe Anteil an B2B-Modellen im GenAI-Bereich zeigt die Verzahnung mit

02
der etablierten Wirtschaft: Hier liegen nicht nur Chancen für den direkten Ver-
trieb, sondern auch spannende Daten, die GenAI-Startups für die Entwicklung
spezifischer Modelle und Use-Cases nutzen könnten.

All das kann nur funktionieren, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen ge-
rade in der frühen Phase für die Mehrzahl der GenAI-Unternehmen bürokratie-

03
arm ausgestaltet sind. Das heißt nicht, auf Regulierung generell zu verzichten,
sondern sich auf wettbewerbliche Herausforderungen und Hochrisikofelder zu
fokussieren.

43
40 41
LITERATUR- UND
QUELLENVERZEICHNIS
Kollmann, Tobias; Hirschfeld, Alexander; Gilde, Jannis; Walk, Vanusch; Pröpper, Anna (2023)
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Generative AI to Become a $1.3 Trillion Market by 2032, Research Finds. Verfügbar unter: Verfügbar unter:
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Dealroom (2024) Mittelstand-Digital (2021)


Global data platform for intelligence on startups, innovation, high-growth companies, ecosystems Künstliche Intelligenz im Mittelstand - So wird KI für kleine und mittlere Unternehmen zum Game
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Gates, Bill (2023)
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Hirschfeld, Alexander; Guenther, Sebastian; Gilde, Jannis; Walk, Vanusch; Ansorge, Mia; Kostadi- te-2023-02-01/
nova, Denitsa; Ortega Sanchez de Lerin, Gonzalo; Enstedt, Jessica; Haeser, Theresa (2023)
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ket%20for%20foundational%20models,reach%20%2492B%20in%202030 produkt/Tabellen/bip-bubbles.html

42 43
HERAUSGEBER- Vanusch Walk ist im Forschungsbereich des
Startup-Verbands für datenbasierte Analysen

UND AUTORENSCHAFT
zuständig und an der Ausarbeitung der Stu-
dien des Verbands als Mitautor beteiligt. Er hat
Volkswirtschaftslehre und Public Economics in
Frankfurt (Oder), Warschau, Brüssel und Ber-
lin studiert und praktische Erfahrungen in der
Wirtschaftsforschung sowie der Verbandsarbeit
Startups sind die treibende Wirtschaftskraft Startup-Verband einen gleichberechtigten Aus- gesammelt.
unserer Zukunft. Visionäre Gründerinnen und tausch zwischen Startups, etablierter Wirtschaft
Gründer setzen mit Mut große Ideen in die Tat und Politik. Der vorliegende Report ist die dritte
um. Als Repräsentant und Stimme der Startups Veröffentlichung im Themenfeld Startups und
in Deutschland engagiert sich der Bundesver- KI und ergänzt die Studienreihe mit einem Blick Mia Ansorge ist Teil des Forschungsbereichs
band Deutsche Startups e.V. seit seiner Grün- auf die aktuell wichtigste Entwicklung im Sektor. des Startup-Verbands und unter anderem
dung im Jahr 2012 für ein gründungsfreund- Co-Autorin von Publikationen wie dem Migrant
liches Deutschland und vertritt derzeit mehr als Founders Monitor. Mia hat BWL mit Fokus auf
1200 Mitglieder. In seinem Netzwerk schafft der Entrepreneurship und digitale Geschäftsmodel-
le in Berlin und Sydney studiert. Ihre Startup-
Reise begann bereits vor ihrer Verbandstätigkeit
mit Stationen in verschiedenen Startups.

Dr. Alexander Hirschfeld leitet den Forschungs-


bereich beim Startup-Verband und ist für alle
Publikationen rund um das Startup-Ökosystem
verantwortlich. Er hat im Fach Soziologie zum
Wandel der Arbeitswelt promoviert und an
unterschiedlichen Universitäten im In- und Aus-
land zum Verhältnis zwischen Wirtschaft und
Technik gelehrt und geforscht.

Jannis Gilde verantwortet beim Startup-Ver-


band verschiedene Studienprojekte sowie das
Partner-Netzwerk des Deutschen Startup Moni-
tors. Sein Fokus liegt auf der Analyse regionaler
Innovationsökosysteme sowie zentraler Trends
bei Neugründungen und Investments. Zuvor stu-
dierte er Politik- und Verwaltungswissenschaft
an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen
sowie der Freien Universität Berlin.

44 45
PARTNER
UND FÖRDERER
hubraum ist der Tech-Inkubator der Deutschen Seed-Finanzierung sowie Zugang zu Infrastruk-
Telekom. Durch die Zusammenführung von tur und zukünftigen Technologien der Deut-
Startups in der Frühphase und dem führenden schen Telekom an. Darüber hinaus profitieren
europäischen Telekommunikationsunternehmen die Startups von Co-Working-Space, Mentoring,
fördert hubraum den Innovationstransfer und Netzwerk-Veranstaltungen und Verbindungen zu
schafft neue Geschäftsmöglichkeiten für beide den Geschäftsbereichen der Deutschen Telekom.
Seiten. Seit 2012 arbeitet hubraum von seinen
Standorten in Berlin, Krakau und Tel Aviv aus mit
dem digitalen Ökosystem zusammen. hubraum
bietet verschiedene Innovationsprogramme und

Axel Menneking ist Vice President Startup Incu- David Schröder treibt als Senior Partnering
bation & Venturing bei der Deutschen Telekom. Experte bei der Deutschen Telekom die Entwick-
Seit 2016 leitet er hubraum, den Tech-Inkubator lung neuer Geschäfte und das Wachstum durch
der Deutschen Telekom. Zuvor hatte Axel ver- Kooperationen mit Startups und Scaleups voran.
schiedene Führungspositionen im Produktmar- Im AI Competence Center der Deutschen Tele-
keting und -management in den Bereichen Fast kom konzentriert er sich auf die Identifizierung
Moving Consumer Goods, Strategieberatung, von (generativen) KI-Technologien und Partnern,
Internet-Startups und Telekommunikation inne. um die interne Transformation voranzutreiben
Axel Menneking hat Wirtschaftsingenieurwesen und disruptive Erlebnisse für Privat- und Ge-
studiert und hält einen Executive MBA der ESCP schäftskunden zu schaffen. Er hat Politikwis-
Europe Business School. senschaft, Wirtschaftsrecht und Psychologie
studiert und ist aktiver Startup-Mentor und
zertifizierter professioneller Coach.
Laurita Mora ist Marketing Communications
Manager und Program Manager für GenAI bei
hubraum in Berlin. Zuvor war sie in verschiede-
nen Innovationsthemen für die Deutsche Tele-
kom unterwegs, u.a. in den Bereichen IoT und
Smart Cities. Sie hat International Management
und Interkulturelle Kommunikation studiert und
hält einen Global MBA.

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