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Euthanasieverbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus in Leipzig

Informations-Material fr Lehrer und Schler der 9. und 10. Klassen in Mittelschulen und Gymnasien in Leipzig
Stand: 5. Mrz 2007

Stadt Leipzig Dezernat fr Schule, Jugend, Soziales und Gesundheit

Gliederung

Einfhrung

1.2

Zeittafel

2 2.1

Textteil: Geschichte der Euthanasie-Verbrechen in Leipzig Die Vorbereitung der Ttungsaktion - Vorbereitung und Umsetzung des Gesetzes zur Verhtung erbkranken Nachwuchses in Leipzig Euthanasie -Verbrechen in Leipzig Vorbereitung der Kindereuthanasieverbrechen Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig Die Ermordung der erwachsenen geistig behinderten und psychisch kranken Menschen der Heil- und Pflegeanstalt Leipzig Dsen Die Opfer am Beispiel einer Urnengruppe des Ostfriedhofs Die Tter

7 7

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

9 9 10 16

2.3 2.4

18 20

Quellenverzeichnis

22

4 5

Glossar Recherchehinweise

24 26

1 Einfhrung Das vorliegende Material ist fr die Untersttzung des Unterrichts der Schulen vor allem der 9.-10. Klassen in Leipzig gedacht, damit der Unterricht in den Fchern Ethik, Geschichte und Religion im Zusammenhang mit der Vermittlung der Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland insbesondere der Verbrechen an den behinderten und seelisch kranken Menschen mit Leipziger Fakten behandelt werden kann. Dieses Dokument geht auf den Stadtratsbeschluss vom 13.12.2006 zurck, der ein Gedenken fr die Opfer der Euthanasieverbrechen, die Frderung der Erforschung des Themas und die Information der ffentlichkeit zum Ziele hat. Zuvor hatte, die schon in der DDR begonnene Aufarbeitung der nationalsozialistischen Euthanasiegeschichte - ermglicht durch die ffnung bis dahin verschlossener Archive (viele wichtige Dokumente befanden sich entweder noch in den Einrichtungen selbst beispielsweise im Krankenhaus Leipzig-Dsen oder waren im Bestand der Archive der Staatssicherheit der DDR) neue Erkenntnisse zu Tage gefrdert1, so dass dieses Kapitel der Geschichte des Nationalsozialismus erst nach der Wende genauer beurteilt werden konnte. In Leipzig erhielt die Forschung zum Thema 1998 durch einen zuflligen Fund auf dem stdtischen Friedhof Ost neuen Auftrieb. Dort wurde eine Urnengruppe mit insgesamt 35 Urnen gefunden, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von ehemaligen Patienten der Heil- und Pflegeanstalt (HPA) Leipzig-Dsen stammen, die im Rahmen der Ttungsaktion ber die sogenannte Zwischenanstalt Zschadra nach Pirna-Sonnenstein gebracht und dort 1940/41 vergast worden sind. Spter konnten noch weitere Opfer auf anderen Friedhfen gefunden werden. Inzwischen steht fest, dass auch viele Opfer der Kindermordaktion nicht nur hier in Leipzig gettet, sondern auch in einem nicht unerheblichen Anteil in Leipzig beerdigt worden sind. Ein erster wesentlicher Schritt in der Weiterfhrung dieser Arbeit der eine sehr positive und breite ffentliche Wrdigung fand - war die Entwicklung einer Wanderausstellung (505.Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig), die gemeinsam mit Schlern aus drei Schulen (Henriette-Goldschmitt-Schule, Petri-Mittelschule, Evangelisches Schulzentrum) und einem Schulalternativprojekt (Youth Start) im Rahmen der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zum 27.01.2007
1

Es entstanden in Folge wichtige Arbeiten wie: Roick, Christiane: Heilen, Verwahren, Vernichten. Die Geschichte der schsischen Landesanstalt Leipzig-Dsen im Dritten Reich 1999, bzw. Buhl, Christoph: Von der Eugenik zur Euthanasie 2001.

gestaltet wurde. Bei der Information der ffentlichkeit in Vorbereitung des Stadtratsbeschlusses ( LVZ Sonderseite vom 8.11.06; MDR-Sendung 25.01.07 Nah_dran) und bei der Erarbeitung der o.g. Ausstellung ergaben sich durch Rckmeldung von betroffenen Familien und durch Recherche neue Erkenntnisse, die in diese Darstellung eingeflossen sind. Dabei ist das Material modellhaft der besseren Verstndlichkeit halber - in vier Phasen untergliedert (1. Massensterilisation und Vorbereitung der Euthanasieverbrechen von 1933-1939; 2. Kindereuthanasieverbrechen von 1939-45; 3. Die T 4 Aktion die Ermordung der Erwachsenen geistig und seelisch behinderten Menschen der Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dsen von 1940 - 41 und 4. die Aktion Brandt oder Wilde Euthanasie nach dem August 1941 bis 1945 ) nur am Rande sei erwhnt, dass dies Einteilung recht willkrlich ist, und es immer Zusammenhnge zwischen den einzelnen Phasen und auch in der Organisation der Verbrechen selbst (z.B. in der Zentrale in Berlin ) gegeben hat. Zur besseren bersicht ist eine Zeittafel vorangestellt, in der die wesentlichen Daten und Geschehen wiedergegeben sind. Die fr Leipzig wesentlichen Dinge wurden dabei grau unterlegt. Im Anhang wurde - neben den blichen Quellenangaben auch weitergehende Informationen (wie Recherchehinweise und ein Glossar wesentlicher Begriffe aufgenommen) um Schlern und Lehrern eigene Recherchen zu ermglichen. Insgesamt wurde versucht die aktuellen Erkenntnisse der Forschung zu diesem Thema aufzunehmen, allerdings ist die Forschung insbesondere in Leipzig noch in Bewegung, so dass sehr schnell neue Erkenntnisse hinzukommen, die hier noch nicht bercksichtigt werden konnten. Es ist geplant auf der Internetseite der Stadt Leipzig (Gesundheitsamt; www.leipzig.de ), aktuelle Neuigkeiten der ffentlichkeit zur Verfgung zu stellen, hier knnen weitere Erkenntnisse nachgelesen werden.

1.2 Zeittafel 24.11.1859 Darwins Die Entstehung der Arten durch natrliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begnstigten Rassen im Kampf ums Dasein erscheint, wonach in der Natur die schlecht Angepassten durch natrliche Auslese (Selektion) ausgesondert werden. Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Ma und ihre Form. von Karl Binding (Prof.Dr. jur.; 40 Jahre Hochschullehrer in Leipzig, 1913 Ehrenbrger der Stadt) und Alfred Hoche verffentlich.

1920

1929

Wrde Deutschland jhrlich eine Million Kinder bekommen und 700.000 bis 800.000 der Schwchsten beseitigen, dann wrde am Ende das Ergebnis vielleicht sogar eine Krftesteigerung sein. Hitler in Mein Kampf 14. Juli - Sterilisationsgesetz beschlossen (tritt am 1. Januar 1934 in Kraft). Drastische Reduzierung der Pflegestze in psychiatrischen Anstalten. Beginn der Massensterilisation - in Leipzig werden bis 1940 allein in Leipzig-Dsen 583 Patienten sterilisiert (in ganz Deutschland 400.000 Menschen) Interne NS-Diskussion zur Euthanasie Ttung des Kindes Knauer in Leipzig Kinderklinik Oststrae

1933

1934

ab 1935 Sommer 1939

18.8.1939 21.9.1939 Okt. 1939

Geheimer Runderlass zur Erfassung behinderter Kinder. Beginn der Erfassung der Heil- und Pflegeanstalten. Hitler unterschreibt Euthanasie-Ermchtigung an Bouhler/Brandt und datiert sie auf den 1.9.39 (Kriegsbeginn) zurck. Kinderfachabteilung Grden nimmt Kinder-Euthanasie auf.

Ende Okt. 1939 1. Dez 1939 Februar 1940

Erfassung der Leipziger Patienten in der HPA Leipzig Dsen (am 6.1. 40 Meldebogen abgesandt) Ttungsanstalt Brandenburg beginnt. An ber 100 Leipziger Patienten wird von Dr. Renno und. Dr. Niezsche in Leipzig-Dsen die medikamentse Ttung erprobt (Luminalschema)

April 1940

Umzug der Euthanasie-Verwaltung in die Tiergartenstr. 4 (von diesem Zeitpunkt T 4 genannt). Erster groer Transport aus Leipzig-Dsen: 149 Mnner werden in die Zwischenanstalt nach Waldheim gebracht ( sie werden spter in der Ttungsanstalt Sonnenstein ermordet) Ttungsanstalt Hartheim beginnt. Ttungsanstalt Sonnenstein beginnt.(hier werden alle Leipziger Patienten gettet.) Entwurf eines Euthanasie-Gesetzes fertig (aber aus auenpolitischen Grnden von Hitler bis nach Kriegsende zurckgestellt). die erste Kinderfachabteilung in Leipzig erffnet: HPA Leipzig-Dsen

15.5.1940

Mai 1949 Juni 1940

Sommer 1940 Oktober 1940 April 1941 3.8.1941

Beginn der Aktion 14 f 13 (Ttung von KZ-Hftlingen durch T 4). Predigt Clemens August von Galen (Bischof von Mnster): "Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, da man den ,unproduktiven Menschen tten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden." Sog. Euthanasie-Stopp, aus auen- und innenpolitischen Grnden. Kinder-Euthanasie auf Jugendliche erweitert - 14 f 13 geht weiter zweite Kinderfachabteilung in Leipzig erffnet: Universittskinderklinik Oststrae Wannseekonferenz (Beschluss zur Ermordung der Juden Europas) Belzec beginnt (Leitung: Wirth, zuvor Hartheim). Sobibor beginnt (Leitung: Stangl, zuvor Hartheim). Treblinka beginnt (Leitung: Dr. Eberl, zuvor Brandenburg und Bernburg). Fortfhrung der organisierten Ttungen durch Medikamentenberdosierung und Nahrungsmittelentzug in der HPA Groschweidnitz fast alle Leipziger Patienten werden ab diesem Zeitpunkt dorthin verlegt Die Kinderfachabteilung der HPA Leipzig-Dsen wird nach Groschweidnitz verlegt wahrscheinlich 505 Kinder sind gettet worden weitere 300 werden in Groschweidnitz gettet Die HPA Leipzig Dsen hat noch 229 Patienten - zwischen 1.000 und 1.200 wurden ermordet

24.8.1941

Ende 1941

20.1.1942 Mrz 1942 Mai 1942 Juli 1942

Ab August 1942

7.12.1943

April 1945

2 Geschichte der Euthanasie-Verbrechen in Leipzig 2.1 Die Vorbereitung der Ttungsaktion - Vorbereitung und Umsetzung des Gesetzes zur Verhtung erbkranken Nachwuchses in Leipzig Anfang 1929 wurde aufgrund eines Rundschreibens der Deutschen Forschungsanstalt fr Psychiatrie des Kaiser-Wilhelm-Instituts (heutiges Max-PlanckInstitut) und seiner Genealogischen Abteilung auch in der Heil- und Pflegeanstalt Dsen eine intensive genealogische Forschung begonnen. Eine zu diesem Zwecke gegrndete (und personell ausgestattete) genealogische Abteilung wurde 1931 sogar durch eine weitere Arztstelle sowie eine Schwester erweitert, immer hufiger wurden deshalb Patienten in die genealogische Forschung aufgenommen. "Zur Begrndung der Wichtigkeit solcher Arbeiten auf mglichst breiter Grundlage ... sei kurz darauf hingewiesen, dass dank den Fortschritten der Medizin und der sozialen Frsorge auch minderwertige Menschen sich mehr als frher am Leben zu erhalten und zur Fortpflanzung zu gelangen vermgen. Insbesondere gelangen Geisteskranke mehr zur Fortpflanzung infolge der besseren Behandlung in den Heil und Pflegeanstalten und der sich daraus ergebenden Frhentlassung. Das hat zur Folge, dass Geisteskranke sich heute hufiger fortpflanzen als frher und dass ihre Nachkommenschaft, besonders da die geistig Gesunden sich weniger fortpflanzen, im Laufe einiger Generationen einen berwiegenden Teil unseres Volkes ausmachen wird. Das ist gleichbedeutend mit langsamer aber sicherer Degeneration. Um einer solchen Entwicklung Einhalt zu tun, ist es unter anderem ntig, dass die freiwillige Sterilisation, die zur Zeit noch durch das Strafgesetzbuch verboten ist, mit gewisser Einschrnkung freigegeben wird. Um aber den Gesetzgeber von dieser Notwendigkeit zu berzeugen, ist es wiederum ntig, ihm sichere Unterlagen dafr zu bringen ..."2 Mit dem Beginn der Vorbereitung des Sterilisationsgesetzes 1933 arbeiteten Anstalts-rzte und rzte des Gesundheitsamtes der Stadt sowohl im Erbgesundheitsamt des Landes als auch im Erbgesundheitsgericht mit.3 1933 beschlossen, trat das Gesetz zur Verhtung erbkranken Nachwuchses 1934 in Kraft. Die Umsetzung wurde in Leipzig aber schon seit 1933 vorbereitet. Damit bei der Durchfhrung unter die gesetzliche Richtlinie fallende Patienten nicht verloren gingen, wurden 1934 - weisungsgem - vom Leiter der Dsener Anstalt keine Patienten mehr entlassen. So wuchs die eigentlich fr ca. 800 Patienten errichtete
2

Brief vom Leiter der genealogischen Abteilung Dr. Berthold Berlit an die Anstaltsdirektion am 19. April 1931 3 Prof. Dr. Paul Schrder, Dr. med. Johannes Thies, Dr. Hans Karl Beusch, Dr. Johannes Hartmann, Dr. Erich Wendt, Dr. med. Gurnemanz Hoffmann

Anstalt 1934/35 in Ihrem Bestand auf 1.400 Patienten an. Aufgrund der schnell zunehmenden Zahl von Sterilisationen wurde schon im Mai 1935 in Dsen ein eigener Operationssaal eingerichtet, zum einen, um den Aufwand (die Patienten mussten in andere Kliniken gebracht werden) zu reduzieren, zum anderen aber sicher auch, weil die Anstalt die mit der Sterilisation verbundenen Einnahmen nicht verlieren wollte. Aus dem Bericht der Anstalt Dsen von 1937 geht hervor, dass allein bis zu diesem Zeitpunkt 484 Patienten (316 Mnner und 168 Frauen) sterilisiert worden sind, etwa 300 davon wurden in Dsen selbst operiert (s. Tabelle 1 und 2). Jahr 1935 1936 1937 Gesamt Mnner 79 62 57 198 Frauen 34 41 21 96

Tabelle 1: bersicht ber die Sterilisationen in der HPA Dsen ab Mai 1935 (insgesamt 294 Personen)

Jahr 1934 1935 1936 1937 Gesamt

Mnner 79 23 10 6 118

Frauen 57 11 -44 72

Tabelle 2: Von der HPA Dsen veranlasste, aber in der Frauenklinik bzw. Krankenhaus St. Jakob durchgefhrte Sterilisationen

Bis 1940 stieg diese Zahl noch auf ber 600 an. Dabei handelte es sich aber nur um Patienten der HPA Dsen, so dass fr die Stadt Leipzig insgesamt mit einer weit hheren Zahl gerechnet werden muss, da auch andere Patienten von Dsener rzten begutachtet und zur Sterilisation vorgeschlagen wurden5 . Die genaue Zahl der Sterilisationsopfer ist nicht bekannt.

4 5

"davon 2 zur Strahlenbehandlung", Jahresbericht der HPA Dsen 1937 Im Schsischen Staatsarchiv Leipzig befinden sich 119 Gutachten von Personen, bei denen es sich mglicherweise nicht um Dsener Patienten handelt. (HPA Dsen) Eine Dissertation dieser Zeit trgt den Titel Die ersten 1000 Sterilisationen in Leipzig...

Eine weitere Gruppe von Behinderten, die unter die Aktion fielen und nicht so bekannt sind, ist die Gruppe der Gehrlosen. In einem Artikel der GehrlosenZeitung Leipziger Gemeinde erinnert an ersten Gehrlosengottesdienst vom 30.10.1997 wird darauf hingewiesen: Zur 175jhrigen Geschichte der Leipziger Gehrlosengemeinde gehre aber auch eine Zeit groer Bedrngnis, wie Pfarrer Stier betont. Denn fr die Nationalsozialisten galten taubstumme Menschen als lebensunwert und wurden im Rahmen des Euthanasie-Programms zur Sterilisierung gezwungen. Aus der Personalakte des Chirurgen Dr. V. geht hervor, dass es den beteiligten rzten auch um die Verbesserung des eigenen Gehaltes mit einer leicht durchfhrbaren Zusatzaufgabe ging. Dr. V. schaffte es bis zum Krieg zustzlich zu seiner eigentlichen chirurgischen Ttigkeit genau 1061 Sterilisationen durchzufhren und sterilisierte auch nach der kriegsbedingten Einstellung der Aktion fleiig weiter, so dass ihm in Anerkennungen dieser Leistungen im Februar 1943 das Kriegsverdienstkreuz verliehen wurde. Ausfhrlich ist dabei sein Zusatzgehalt aufgefhrt, dass so hoch wurde, dass die Kassenrztliche Vereinigung Sachsens sich gentigt fhlte, bei einer von ihm eingereichten Abrechnung auf die Ungleichbehandlung mit anderen Kollegen hinzuweisen (gemeint ist das vergleichsweise enorm hohe Einkommen des Dr. V.) und die Zahlung mit diesem Hinweis verweigerte.6 2.2 Euthanasie-Verbrechen in Leipzig Die schon oben genannten Arbeiten zur Euthanasiegeschichte Leipzigs beschreiben detailliert, wie die Vorbereitung und Durchfhrung der Ttung von geistig behinderten und psychisch kranken Menschen in der Zeit von 1939 bis 1945 vollzogen wurde. Insbesondere die Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dsen, die Universitt Leipzig und die Stadtverwaltung der Reichsmessestadt (insbesondere das Gesundheitsamt mit der Abt. IV Hygiene und Rassenpflege) spielten hier eine unrhmliche Rolle.

Schsisches Staatsarchiv Leipzig, HPA Zschadra

2.2.1 Vorbereitung der Kindereuthanasieverbrechen Im Jahr 1939 wurde auf Betreiben des Universittsprofessors fr Kinderheilkunde Prof. Werner Catel7 (Kinderklinik Leipzig, Universitt Leipzig) durch den Vater eines behindert geborenen Kindes an Hitler ein Gesuch um Gnadenttung gestellt. Wie der damalige Oberarzt bei Catel, Prof. Erich Hler8 , beschreibt , war der Leibarzt des Fhrers, Karl Brandt, in Leipzig, und lie ber Hler die Nachricht an Catel bermitteln, dass nach Belieben mit dem Kind zu verfahren9 sei. Das Kind Knauer wurde daraufhin im Zeitraum Ende 1938 bis Sommer 1939 hier in Leipzig gettet. Fr die Geschichtsforschung sind deshalb der Name Catel und die Stadt Leipzig mit der Kinderttungsaktion aufs Engste verbunden. In Folge dieses Gnadengesuches wurde die Kindereuthanasie aufgebaut, nach der Kinder, die unter so genannte Erbkrankheitsbedingungen fielen, durch Gesundheitsmter und Hebammen an eine Zentralstelle zu melden waren. Fr diesen so genannten Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden (ein Tarnname, der vortuschen sollte, dass es sich um eine wissenschaftliche Aktion handelte) wurde Prof. Catel Ende 1939 als Gutachter ttig. Als solcher entschied er nach Aktenlage ber Leben und Tod. Ein + bedeutete Behandlung (Ttung), ein nicht einbeziehen, ein B hie: Beobachtung. Fr die Ttung der Kinder wurden in bestimmten Kliniken Kinderfachabteilungen eingerichtet, in die diese Kinder dann eingewiesen, untersucht und bei Besttigung des Befundes gettet wurden. Aber auch der Tod war noch nicht das Ende der Verfolgung. Inzwischen ist bekannt, dass mit den Gehirnen der Opfer zielgerichtete Forschungen betrieben wurde. Besonders schlimm ist, dass in Publikationen und Lehrbchern der Nachkriegsjahre und bis in die jngste Vergangenheit hinein einige Gehirne als Beispiel abgebildet waren. Von namhaften Forschern (wie Prof. Julius Hallervorden in Berlin-Buch) wurden auch Opfer- Gehirne aus Leipzig verwendet.10 Beteiligt war hier Dr. Johannes Suckow (von 1934 bis 1939 in Dsen als Arzt ttig, 1942 nach Heidelberg abgeordnet), dessen Beteiligung erst 1987 ans Licht kam, nachdem er in verschiedensten herausgehobenen Positionen an der Universitt Leipzig und der Medizinischen Akademie Dresden ungehindert ttig war. Eine strafrechtliche Verfolgung fand nicht statt.

Prof. Catel war zu diesem Zeitpunkt sowohl bei der Universitt als auch bei der Stadt Leipzig beschftigt. 8 1899 in Leipzig geboren. Seit den zwanziger Jahren bis 1945 an der Leipziger Kinderklinik. Spter in der DDR als Chefarzt in Jena ttig. 9 Interview im November 2000 in Jena 10 Zit. n. Prof. Dr. med. Jrgen Pfeiffer - Tbingen.

10

2.2.2 Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig In der Stadt Leipzig gab es zwei Kinderfachabteilungen: - 1940 bis 1943 in der Heil- und Pflegeanstalt Dsen. - 1941 bis 1943 in der Kinderklinik der Universitt Es wird angenommen, dass in der Zeit von Oktober 1940 bis Februar 1943 allein in der Kinderfachabteilung Dsen 505 Kinder gettet worden sind. Darunter befanden sich auch Kinder aus anderen Regionen Deutschlands11 und Kinder von Kriegsgefangenen sowie jdische Kinder. ber einen Teil dieser Kinder wissen wir inzwischen etwas mehr.12 Wie Tabelle 3 zeigt sind von 328 hier getteten Kindern 129 in Leipzig beerdigt worden.

Zahl der getteten Kinder auerhalb beerdigt keine Angaben in Leipzig beerdigt Gesamt 88 111 129 328

davon Jungen 50 50 81 181

davon Mdchen 38 61 48 147

Tabelle3: bersicht ber Kinder-Opfer (Alter zwischen 3 und 14 Jahre) die im Zeitraum 23. November 1940 bis 30. Dezember 1942 in der KFA Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dsen gettet worden sind

11 12

Ein Zug mit 35 Kindern aus dem Rheinland ist belegt. Es handelt sich um eine Liste von 330 Kindern, die durch den ehemaligen konomischen Direktor des Bezirkskrankenhauses fr Psychiatrie Leipzig-Dsen recherchiert worden sind und deren Schicksal inzwischen mit Hilfe der Friedhofsabteilung erforscht wurde.

11

Aus der Krankenakte von Heinz Harry: Heinz Harry wurde am 6. April 1928 geboren. Er wurde am 6. Februar 1942 in der Heilanstalt Leipzig Dsen aufgenommen, nachdem er zuvor einige Zeit in der Heilanstalt Hephata behandelt wurde. Er hatte keine Eltern mehr, beide waren bereits verstorben, stattdessen hatte er nur eine Gromutter und einen Vormund. Harry wurde auf ein Schreiben des Oberbrgermeisters hin, in dem geschrieben stand, dass das Kind aus Kriegsgrnden nach Leipzig Dsen verlegt werden soll, ohne das Wissen seiner Verwandten umverlegt. Die Verwandten sollten doch bitte informiert werden. Harry besa nur das ntigste: ein Unterhemd, ein Hemd, ein paar Socken, eine Unterhose, eine Hose und zwei Taschentcher. Anfang April wurde ein Schreiben an die Eltern von Harry gerichtet, in dem darauf aufmerksam gemacht wurde, dass Harry am 6. April das 14. Lebensjahr vollendet und die Verpflegungskosten von da an 3,50 RM betragen wrden. Harry wurde am 6. Juni 1942 in die Kinderklinik Leipzig verlegt, doch schon am 6. Juli 1942 verlegte man ihn wieder zurck in die Heilanstalt Leipzig -Dsen. Am 7.12.1942 erreichte ein Schreiben die Gromutter und den Vormund von Harry, welches ihnen mitteilte, dass Harry an einer pltzlichen Lungenentzndung erkrankt sei. Zwei Tage spter verstarb Harry. Das wurde seinem Vormund in einem Brief mitgeteilt, die Gromutter wurde nur mndlich von der Polizei informiert. Harrys Vormund bittet um die Einscherung seines Mndels, da er die Gromutter finanziell untersttz und nicht auch noch fr die Beerdigung aufkommen knnte. Harry solle bitte auf dem Grab seines Vaters beigesetzt werden. Dimitra Trantakis13

Foto 1: Ausstellung 505.Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig. Links vorn im Bild ist das Modell des Friedenspark (ehemaliger Neuer Johannisfriedhof) zu sehen, auf dem die Mehrzahl der Kinderopfer beerdigt wurden (Quelle: Gesundheitsamt)

13

505.Kindereuthanasierverbrechen in Leipzig. Schler der Petri-Mittelschule, 8. Klasse.

12

Von diesen hier beerdigten Opfern wurde die Mehrzahl auf dem Neuen Johannisfriedhof dem heutigen Friedenspark bestattet (siehe Tabelle 4). Auffllig ist, dass es sich in der Mehrzahl um kommunale Friedhfe handelt. Friedhfe Neuer Johannisfriedhof (heutiger Friedenspark) Ostfriedhof Sdfriedhof Friedhof Kleinzschocher Israelitischer Friedhof Friedhof Sellerhausen Nordfriedhof Friedhof Connewitz Friedhof Sttteritz Anzahl der Kinder 78 (52 Jungen,/26 Mdchen) 30 12 (16 Jungen und 14 Mdchen) (8 Jungen und 4 Mdchen) 2 2 2 1 1 1

Tabelle 4: Leipziger Friedhfe, auf denen ermordete Kinder bestattet wurden

Unter den in diese Untersuchung einbezogenen Kindern (328 von ca. 500 Opfern) fanden sich 51 Kinder, die aus Leipzig kommen. Tatschlich sind es aber mehr, wie die Liste der Hebammen zeigt, auf der 75 Leipziger Kinder verzeichnet sind.

13

Grafik 1 : Lageplan des Krankenhauses Leipzig-Dsen (etwa 1989), die markierten Huser (B3 Erdgeschoss; B8 14 1. Etage, C1 1.Etage) wurden 1941-1943 als Kinderfachabteilung zur Ttung von ber 500 Kinder verwendet. (Quelle: Gesundheitsamt)

Eines der ermordeten Leipziger Kinder ist Siegrid S. Dieses Mdchen, am 8. November 1939 in Leipzig geboren, wurde nicht einmal 1 1/2 Jahre alt, da sie - ber das Gesundheitsamt der Stadt mit einem formalen Schreiben an die Eltern am 5. Februar 1941 in die Kinderfachabteilung Dsen berwiesen wurde und hier - offiziell am 24.Mai 194115 - verstorben ist. Nachgewiesen ist, dass sie - wie viele Opfer der Kindereuthanasieaktion - auf dem Neuen Johannisfriedhof beigesetzt wurde (Grabsttte V 2 24 13). Dass es sich um ein Opfer der Aktion handelt, zeigt eine Liste des Gesundheitsamtes16, auf der die Vergtung der meldenden Hebamme (2,08 RM fr jede Meldung) und das Kind mit dem Vermerk als behindert dem Reichsausschuss gemeldet zu finden sind. In diesem Falle (es wurden von der Hebamme zwei Kinder gemeldet) wurden 4.16 RM am 19.Juni 1940 an die Adresse der Hebamme T. berwiesen. Vorausgegangen war dieser berweisung die Registratur der Meldung mit einem vorgefertigten Formular, das neben der zustndigen Abteilung des GA und dem Datum folgenden Text enthlt: Die Hebamme (Name), Leipzig (Adresse), hat eine Anzeige nach dem Runderlass vom 18.08.1939 ber das Kind (Name und Geburtsdatum des Kindes) erstattet. Im Auftrag (Unterschrift). Der Gesamtbetrag des Jahres 1939 - 12,48 RM (sechs Kinder) - wurde dem Reichsausschuss in Rechnung gestellt. Noch am 5. April 1945 wurde die letzte Meldung aufgenommen. Die Jahresabrechnung fr das Jahr 1944 (fnf Kinder) wurde sogar noch am 20.Juni 1945 (!) mit der Bemerkung Rckerstattung beantragt (Unterschrift) eingeleitet. Bis 1945 wurden insgesamt 75 Kinder gemeldet, im Gesundheitsamt auf diese Weise registriert und dem Reichausschuss mitgeteilt. Das weitere Schicksal dieser Kinder ist bisher nicht erforscht, nur fr Siegrid S. ist belegt, dass sie im Rahmen der Aktion gestorben ist, was Rckschlsse auf den Verbleib der - zum Teil anonymisiert festgehaltenen - Kinder zulsst.

14

Das heutige Parkkrankenhaus als Nachfolger des psychiatrischen Krankenhauses - befindet sich in Probstheida in der Nhe des Herzzentrums. Das Gelnde ist heute bis auf wenige Nutzungen weitgehend verlassen. 15 Es ist anzunehmen, dass der angegebene Todestag nicht stimmen wird, da zur Verbesserung der Pflegesatzeinnahmen in der Regel die Todeszeitpunkte nach hinten korrigiert wurden. 16 StadtAL, Gesundheitsamt, Nr. 504

14

Elfriede Elfriede ist am 25.04.1931 in Leipzig geboren. Ihr Vater ist Hndler. Ihre Mutter arbeitet nicht. Die Familie hat die polnische Staatsangehrigkeit und sie sind Juden. Die Eltern von Elfriede stellen einen Antrag fr das Krankenhaus Leipzig Dsen. Am 22.05.1933 wird sie erst mal in Dsen aufgenommen. Die Diagnose lautet Idiotie. Am 21.11.1933 wird der Antrag abgelehnt und sie kam dann nach Chemnitz. Am 02.06.1933 schreibt der Vater einen Brief nach Chemnitz, er mchte sich erkundigen wie es Elfriede geht, ob sie sich gut entwickelt oder schon Gehversuche gemacht hat. Am 06.06.1934 kam die Antwort: Es geht ihr verhltnismig gut. Sie hatte nach der Nasendiphtherie noch eine Diphtherie des Rachens bekommen, beides ist abgeklungen, aber sie ist noch etwas mitgenommen. Am 02.04.1936 informiert das Krankenhaus Chemnitz die Eltern das Elfriede einen Katarrh der Atemwege hat, es besteht die Gefahr das sie krperlich zurck geht. Am 02.05.1936 schreibt der Vater, dass er nicht die Mittel hat um seine Tochter zu besuchen und bittet ber den Zustand seiner Tochter schriftlich informiert zu werden. Am 09.02.1939 wird ein Brief an die Eltern geschickt das Elfriede wieder besucht werden kann, doch der Brief kam zurck. Am 30.05.1940 wird sie nach Arnsdorf berwiesen. Am 17.03.1941 wird sie wieder nach Dsen verlegt. Am 16.08.1941 stirbt Elfriede an Darmkatarrh. Der behandelnde Arzt war Dr. Mittag. Mareike Lahm17 In den Akten der Heil- und Pflegeanstalt Dsen findet sich auch ein Schreiben einer Frau vom 5. Februar 1944, die darum bittet, ein Kind im Alter von ein bis zwei Jahren aus der Anstalt zu bernehmen, was natrlich schriftlich abgelehnt wird (HA Dsen 44 Seite 30 u. 31). Dass es sich bei den Betroffenen der Kindereuthanasieaktion nicht nur um so genannte erbkranke Kinder handelt, sondern dass sie dazu gemacht werden, zeigt ein Schreiben vom 28.Mai 1943, in dem der Reichsstatthalter in Sachsen, Dr. Pfotenhauer, darum bittet, drei schwachsinnige Kinder aus Brunsdorf zu bernehmen. Immer wieder finden sich Hinweise in der Literatur, dass Kinder aus dem Jugendhilfebereich ebenfalls erfasst und gettet worden sind.

17

505.Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig Schlerin der Petri-Mittelschule, 8. Klasse.

15

Grafik 2: Kopie des vorgefertigten Schreibens des Stadtgesundheitsamtes Leipzig, Abteilung 4 Erb- und Rassenpflege, welches den Eltern der gemeldeten Kinder suggerieren sollte, dass sich bei der Unterbringung des Kindes in der Kinderfachabteilung um eine moderne Behandlung mit dem Ziel der Linderung der Behinderung handelt. Tatschlich ging es fast ausschlielich um die Ttung des Kindes. (Quelle: Schsisches Staatsarchiv Leipzig, HA Dsen, 187)

16

2.2.3 Die Ermordung von erwachsenen geistig behinderten und psychisch kranken Menschen der Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dsen Schon vor der planmigen Ttung wurden Anfang 1940 ber 100 Patienten der HPA Dsen durch berdosierung von toxischen Medikamenten in der Anstalt gettet. Der von Hermann Paul Nitsche18 veranlasste Versuch diente der Prfung, welche Ttungsmethode angewendet werden soll - das hierbei entwickelte Luminalschema wurde nach der offiziellen Einstellung der Ttung durch Vergasung ab Sommer 1941 verstrkt wieder eingesetzt. Die offizielle Erwachseneneuthanasie begann im Dezember 1939 in der Heil- und Pflegeanstalt Dsen durch die Erfassung der unter die Euthanasiekriterien fallenden Patienten.19 In Folge dieser Begutachtungen durch die beteiligten rzte der Anstalt wurden ab Mrz 1940 Transporte mit Patienten in verschiedene Zwischenanstalten (Waldheim, Hochweitzschen, Zschadra) durchgefhrt, von denen aus ab Juni 1940 Patienten in die Ttungsanstalt Pirna-Sonnenstein gebracht und hier durch CO-Gas gettet wurden. Fast 900 Patienten gingen in diesem Zeitraum auf Transport wie Tabelle 6 zeigt.
Transport Zwischenanstalt mnnl. Patienten 28. Mrz 15. Mai 16. Mai 17. Mai 16. Juli 18. Juli 23. August 4. September 6. September 18. September 3. Oktober Sternburg/Sudetengau Waldheim Hubertusburg Hubertusburg Zschadra Groschweidnitz Arnsdorf Arnsdorf Groschweidnitz Arnsdorf Arnsdorf gesamt 149 163 124 26 51 513 25 57 102 35 6 70 58 358 weibl. Patienten 5 nachgewiesene Ttungen 109 80 8 5 22 8 3 9 244 (von 871)

Tabelle 6: Transporte in die Zwischenanstalten aus der HPA Dsen 194020

18

am 25.11.1876 in Colditz bei Leipzig geboren, Direktor der Heilanstalten Leipzig-Dsen und Sonnenstein, medizinischer Leiter der Euthanasieaktion, nach Kriegsende in Dresden zum Tode verurteilt 19 Eingang der Meldebgen und Abgang der bearbeiteten Meldebgen sind belegt Schsisches Staatsarchiv Leipzig, HA Dsen 20 Die Transporte sind durch verschiedene Recherchen belegt, knnen durch die Aufnahmebcher der Anstalt selbst sehr detailliert nachgewiesen werden. Die Namen der Opfer liegen dem Autor vor.

17

Tabelle 7 macht deutlich, dass die HPA Dsen im Zeitraum 1939 - 45 kontinuierlich nach unten gefahren wurde. Zugleich ist zu erkennen, dass die Sterblichkeitsrate sehr hoch war und insbesondere 1940 und 1943 groe Gruppen der Patienten verlegt wurden. Jahr Bestand im Januar aus anderen Anstalten zuverlegt insg. behandelte Patienten in andere Anstalten wegverlegt insg. verstorben 166 312 269 251 305 19 32
Tabelle 7: Krankenbewegung in Leipzig Dsen 1939-45

1939 1490 384 2382 297

1940 1436 165 1976 890

1941 558 138 1147 130

1942 511 60 1148 13

1943 686 105 1323 506

1944 259 0 415 116

1945 229 3 347 52

Die Patienten, die 1940 zwischenverlegt wurden, ereilte ein grausames Schicksal. Sie wurden in planmig organisierten Transporten durch die grau angestrichenen Busse der GEKRAT21 zur Ttungsanstalt Pirna- Sonnenstein gebracht. Der Ablauf dort wird wie folgt beschrieben: Nachdem die Busse das bewachte Eingangstor passiert hatten, wurden die Opfer vom Pflegepersonal in Empfang genommen. In einem Raum im Erdgeschoss des Hauses C 16 mussten sie sich entkleiden, in einem weiteren wurden sie einzeln den rzten vorgefhrt. Die Musterung diente hauptschlich der Festlegung einer glaubhaften Todesursache, die spter auf der Sterbeurkunde erscheinen sollte. Danach wurden jeweils etwa 20 bis 30 Menschen in die als Duschraum getarnte Gaskammer im Keller gefhrt. Ein Arzt drehte den Gashahn an den Kohlenmonoxidflaschen auf und beobachtete den qualvollen, mehrere Minuten dauernden Todeskampf. Nach dem Absaugen des Gases zogen Leichenverbrenner die Toten aus der Gaskammer.22 Auch nach der offiziellen Beendigung der Ttungsaktion im August 1941 wurden psychisch kranke Menschen aus Leipzig gettet, wie Tabelle 7 zeigt. Stndig sinkende Tagesrationen fhrten nicht selten zum Hungertod. Dass dies nicht unplanmig verlief, zeigt sich z.B. in einer Akte des Landgerichtes ber die gerichtliche Unterbringung aus dem Jahr 1943/44, in der etwa 200 Patienten
21

GEKRAT Gemeinntzige Transportgesellschaft - Tarnorganisation, die die Transporte organisierte und durchfhrte. 22 Begleitband zur stndigen Ausstellung der Gedenksttte Pirna-Sonnenstein, Dresden und Pirna 2001, Seite 63

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gemeldet sind. Von diesen Patientenmeldungen ist die Mehrzahl mit dem Vermerk verstorben versehen, ein Groteil davon wurde ber Dsen nach Groschweidnitz verlegt und war innerhalb weniger Tage nach der Einweisung tot. Einige Beispiele des Landgerichts Leipzig ber die gerichtlichen Unterbringungen im Jahr 1943/44, die den Schicksalsweg der einzelnen Patienten belegen sollen: - Herr G. geb. 10.08.22 aus Italien (Zwangsarbeiter in Leipzig) wurde wegen einer reaktiven Psychose am 20.11.1944 in Dsen aufgenommen, am 19.12.1944 nach Groschweidnitz verlegt und ist am 25.12.1944 (im Alter von 22 Jahren) "verstorben" - Frau M. geb. 1.11.1909 wegen akuter Psychose am 18.12.1943 in Dsen aufgenommen, am 10.1.1944 nach Groschweidnitz verlegt, dort am 15.1.1944 "verstorben" - Frau A. geb. 5.5.1903 wird am 22.8.1944 in Colditz wegen Man.Depr. Irresein aufgenommen, am 12.9.1944 nach Groschweidnitz verlegt und "verstirbt" dort am 8.10.1944 In "gnstigen" Fllen liegt zwischen der Verlegung nach Groschweidnitz und dem Tod ein Zeitraum von einem Jahr, in der Regel sind es aber nur 14 Tage, in vielen Fllen nur vier oder fnf. Insgesamt geht man von einer Grenordnung von 1000 bis 1200 Leipziger Menschen aus, die auf diese Art und Weise um ihr Leben gekommen sind. Im Jahr 1945 waren in der HPA Dsen noch 229 Patienten am Leben. Diese Patienten haben nur deshalb berlebt, weil sie mit ihrer Arbeitskraft das Funktionieren des Krankenhauses (in der Kche, Wscherei, Verwaltung u. a.) garantierten.

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2.3 Die Opfer am Beispiel einer Urnengruppe des Ostfriedhofs In der Grabgruppe, die im Ostfriedhof gefunden wurde, finden sich Eintrge, die in den Aufnahmebchern Dsens wiedergefunden wurden, so Herr K., geb. am 2.4.1898 unter der Nummer 263 (laufende Nummer 13003), der am 11.10.1938 in Dsen aufgenommen wurde und am 17.5.1940 nach Hubertusburg verlegt wurde. Der Transport an diesem Tag umfasste insgesamt 124 mnnliche Patienten. Die Grabkarte bzw. Untersuchung in Sonnenstein weist als Sterbedatum den 19.3.1941 im Alter von 42 Jahren und als Sterbeort Hartheim aus. Letzteres darf bezweifelt werden, da aus Tarnungsgrnden immer eine andere Ttungsanstalt angegeben worden ist. Die Grabstelle I B 15 14 Nr. 269 auf dem Ostfriedhof, die Herrn K. zugewiesen wurde, drfte mit Sicherheit ein Urnenversand aus Sonnenstein sein.

Grafik 3: Lage des Urnengrabes von Leipziger Patienten der HPA Leipzig Dsen auf dem Ostfriedhof (Grabfeld I B) in unmittelbarer Nhe des Eingangs Oststrae (Quelle: Grnflchenamt/Abt. Friedhfe Gesundheitsamt)

Eine zweite psychisch kranke Frau, namens Z., geb. am 11.5.1876 in Groenhain, wurde am 4.10.1934 unter der Nr. 179, lfd. Nr. 7462 in Dsen aufgenommen. Sie wurde am 13.8.1940 (Nachweis im Aufnahmebuch Dsen) nach Arnsdorf in eine sogenannte Zwischenanstalt verlegt. Lt. Gedenksttte Pirna-Sonnenstein erfolgte die Einscherung am 29.1.1941 in Sonnenstein. Die Grabkarte weist aus

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Tarnungsgrnden Hartheim als Einscherungsort aus. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 5.6.1941 auf dem Ostfriedhof Leipzig (Grabstelle I B 15 11, Nr. 266). Herr R. wurde am 28.6.1902 an unbekanntem Ort geboren. ber ihn schreibt Frau Roick: R. wurde, nachdem er die Schule mit durchschnittlichen Leistungen absolviert hatte, Klempner. Er bte diese Ttigkeit fnf Jahre aus, wechselte dann in die Landwirtschaft und ging 1936 auf Wanderschaft. Man griff ihn auf und fhrte ihn der Leipziger Arbeitsanstalt zu. Von dort kam er 1937 nach Dsen. R. hatte schon seit Jahren Zuckungen in den Extremitten, er klagte ber sein schlechter werdendes Gedchtnis, fiel durch Auffassungsstrungen und Kritiklosigkeit auf. Man diagnostizierte ein Chorea Huntington. Herr R. wurde sterilisiert. Seine Frau lie sich scheiden. R. blieb in der Anstalt und half bei der Arbeit soweit es ihm mit seinen ausfahrenden Bewegungen mglich war. Im Mai 1940 wurde R. nach Hubertusburg verlegt, dort kam der 38jhrige ber Arnsdorf im August 1940 in eine Vernichtungsanstalt.23 Die Einscherung erfolgte am 30.9.1940 nach Aussagen der Gedenksttte Sonnenstein in Bernburg. Die Grabkarte weist aus Tarnungsgrnden Hartheim als Einscherungsort aus. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 23.6.1941 auf dem Ostfriedhof Leipzig (Grabstelle I B 15 13). Die Ttung von psychisch kranken Menschen blieb im brigen nicht auf die Heil- und Pflegeanstalt Dsen beschrnkt, vielmehr wurden Alten- und Pflegeheime und auch die stdtische Arbeitsanstalt, die zu diesem Zeitpunkt mit vielen ehemaligen Dsener Patienten belegt war, in die Aktion einbezogen, wie die Forschung zur Ttungsanstalt Sonnenstein inzwischen ergeben hat. Einrichtung Alters- u. Pflegeheim Thekla, Leipzig Stdt. Pflegehaus Lpz., Tubchenweg 4 Altersheim Leipzig-Schnefeld Altersheim Leipzig-Eutritzsch Frsorgeamt Plagwitz, Leipzig Frsorgeheim Leipzig-Connewitz Stdt. Arbeitsanstalt Leipzig
Tabelle 8: Kommunale Alten- und Pflegeheime in Sachsen 1940/4124

Betten (Aug. 1941) 111 230 65 90 120 145 400

Fragebg. 110 292 24 18 34 37 187

23 24

Roick S. 115 nach Bundesarchiv Potsdam EVZ IV / 8, Akte 4 Nach der Liste vom 31.08.1941, S. 9 - 13; BA Koblenz, R 96 I / Bd. 6 Zit. n. Schilter 1999

21

2.4 Die Tter Eines der noch am wenigsten erforschten Kapitel der Verbrechen ist die Rolle der Tter. Herausragend und in seiner Bedeutung ber Leipzig hinaus bekannt, ist Prof. Dr. Werner Julius Eduard Catel (1894 1981), der als Direktor der Universittskinderklinik von 1933 bis 1946 in Leipzig ttig war. Er wird am 27. Juni 1894 in Mannheim geboren und stand seit 1. Juli 1922 in stdtischen Diensten. (Seine Leipziger Wohnung befand sich brigens im Kickerlingsberg 12, in Gohlis.) Er galt als einer der Initiatoren der Kindereuthanasieverbrechen, sein Einsatz als berzeugungstter kann inzwischen als belegt gelten. Neben seinem Einsatz in Leipzig ( er inspizierte eigenstndig nicht nur die Kinderfachabteilung an seiner Klinik, vielmehr war er auch wchentlich in der Dsener Kinderfachabteilung anwesend, wie Zeugenaussagen belegen) war er als einer der drei Hauptgutachter zur Beurteilung der gemeldeten Kinder in Berlin ttig. Trotz dieser herausragenden Mitschuld wurde Catel nie belangt. Nur auf intensiven Druck musste er 1960 seinen Lehrstuhl an der Universitt Kiel rumen. Er starb 1981 unbehelligt in Kiel. Noch im Jahr 1964 schrieb Der Spiegel Als Professor fr Kinderheilkunde besitzt Werner Catel europischen Rang. Sein dreibndiges Werk Differenzialdiagnose von Krankheitssymptomen bei Kindern und Jugendlichen gilt als eines der modernsten des Fachgebietes. Die Pflege des gesunden und kranken Kindes, mittlerweile in achter Auflage und ebenfalls in mehreren Sprachen, ist das deutsche Standard-Lehrbuch fr die Schwestern-Ausbildung. (Der Spiegel, Aus Menschlichkeit tten?, Heft Nr. 8, 17. Februar 1964).25 Auch Dr. Georg Renno (1907-1997) der einen groen Teil seiner Ttigkeit als Arzt in der HPA Leipzig-Dsen verbrachte (dort mit Nitsche [s.u.] die Ttungsvariante mit Luminal erprobt hat) - war ber die Stadt Leipzig hinaus bekannt, er war als Ttungsarzt in der Ttungsanstalt Hartheim bei Linz eingesetzt. Auch er bleibt bis 1955 unbehelligt. Danach folgen mehrere Verfahren, die aber aufgrund des Gesundheitszustandes des Angeklagten immer wieder vertagt und am 19. Dezember 1975 endgltig eingestellt werden.

25

Aus : 505.Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig Ausstellung der Stadt Leipzig zum 27.01.2007

22

Herausragend bekannt war auch der mehrfache Leiter der HPA Leipzig Dsen, Prof. Dr. Hermann Paul Nitzsche. Ab Mai 1940 war er als Obergutachter in der T4-Zentrale ttig. Er ist einer der wenigen die verurteilt werden, er wird 1948 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Auch Dr. Mittag der Leiter der "Kinderfachabteilung" in Leipzig-Dsen wird nach 1945 verhaftet, er entzieht sich aber der Verurteilung und begeht 1946 Selbstmord (er spritzt sich in der Haftanstalt Radebeul 30 aufgelste Luminaltabletten) Weniger bekannt weil eher im Hintergrund ttig - wurde der Dsener Arzt Dr. Suckow. Er arbeitete 1942 bis 1943 innerhalb der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten Berlin (Tarnorg. der Euthanasieverbrechen) in der Forschungsabteilung der Psychiatrisch Neurologischen Klinik Heidelberg bei dem berchtigten Euthanasie-Arzt Dr. Carl Schneider. Erst 1987 wurde die T4 Vergangenheit bekannt. Trotzdem kam es zu keiner Verurteilung, er starb 1994 in Dresden.26. 3 Quellenhinweise 505. Kindereuthanasie-Verbrechen in Leipzig. Wanderausstellung, entstanden unter Beteiligung von Schlern der Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig, des Evangelisches Schulzentrum Leipzig, der Petri-Mittelschule und des SchulalternativProjekt Youth Start auf Initiative der Stadt Leipzig ( Berit Lahm, Fachreferentin Extremismus und Gewaltprvention Jugendamt Leipzig / Thomas Seyde, Psychiatriekoordinator, Gesundheitsamt Leipzig) .27.01.2007

Benzenhfer, Udo/Hamann-Roth, Matthias [Hrsg.]: Studien zur Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus, Kinderfachabteilungen und NS-Kindereuthanasie, GWAB-Verlag, Wetzlar, 1.Bd, 2000 Betroffeneninitiative Durchblick e.V. und Schsische Gesellschaft fr Soziale Psychiatrie [Hrsg.]: Symptom, Leipziger Beitrge zu Psychiatrie & Verrcktheit, Druckerei Risse Leipzig, Nummer 4, 1996 Buhl, Christoph: Von der Eugenik zur Euthanasie. Eine Spurensuche in Leipzig. SaxVerlag, An der Halde 12, 04824 Beucha, Stadtgeschichte, Mitteilungen des Leipziger Geschichtsvereins e. V. ISBN: 3-934544-31-2 (Teil 1), Jahrgang 2002, 3-934544-38-X (Teil 2), Jahrgang 2003 Finzen, Asmus: Auf dem Dienstweg, Die Verstrickung einer Anstalt in die Ttung psychisch Kranker, Rehburg-Loccum, Psychiatrie-Verlag, 1983 Kiess, Wieland/Riha, Ortrun/Keller E.[Hrsg.]: 110 Jahre Universittsklinik und Poliklinik fr Kinder und Jugendliche in Leipzig, S. Karger AG, Basel, 2003
26

Roick 1997

23

Propping,P./Schott,H. [Hrsg]: Wissenschaft auf Irrwegen, Rassenhygiene-Eugenik, Bouvier Verlag Bonn Berlin, 1992

Biologismus-

Roick, Christiane: Heilen, Verwahren, Vernichten. Die Geschichte der schsischen Landesanstalt Leipzig-Dsen im Dritten Reich. Universitt Leipzig,1999, Diss. Schsische Landeszentrale fr politische Bildung/Kuratorium Gedenksttte Sonnenstein e.V. [Hrsg.]: Nationalsozialistische Euthanasie-Verbrechen in Sachsen, Beitrge zu ihrer Aufarbeitung, Dresden, Pirna, 1. Auflage, 1993 Sahle, Rita [Hrsg.]: Wrterbuch zur Geschichte der Sozialen Arbeit Leipzig, Quadrat Medien Leipzig, 1999 Schilter, Thomas: Unmenschliches Ermessen Die nationalsozialistische Euthanasie-Ttungsanstalt Pirna-Sonnenstein 1940/41, Dresden, Gustav Kiepenheuer Verlag , 1.Auflage, 1999 Schrter, Sonja: Psychiatrie in Waldheim/Sachsen (1716-1946), Ein Beitrag zur Geschichte der forensischen Psychiatrie in Deutschland, Frankfurt/M., MabuseVerlag, 1994 Schulmuseum Leipzig Werkstatt fr Schulgeschichte Leipzig [Hrsg.]: Geteilte Erinnerungen, Jugend in Leipzig unterm Hakenkreuz, Schler fragen Zeitzeugen berichten, Passage-Verlag Leipzig, 2006 Stadtinterne Recherche (Psychiatriekoordinator, Stadtarchiv, Grnflchenamt Abteilung Friedhfe) Stiftung Schsische Gedenksttten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft [Hrsg.]: Pirna-Sonnenstein Von einer Heilanstalt zu einem Ort Nationalsozialistischer Ttungsverbrechen, Begleitband zur stndigen Ausstellung der Gedenksttte Pirna-Sonnenstein, Dresden, Pirna, 1.Auflage, 2001 Thom,A./Caregorodcev,G.I. [Hrsg.]: Medizin unterm Hakenkreuz, VEB Verlag Volk und Gesundheit Berlin, 1. Auflage, 1989

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4. Glossar

Aktion Brandt:

Ttungen nach dem sogenannten Euthanasie-Stopp, ebenfalls zentral gesteuert griechisch, schner Tod

Euthanasie:

Euthanasie-Ermchtigung:

Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender rzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewhrt werden kann. gez.: Adolf Hitler, 1.Sept. 1939 24.8.1941, Ende der ersten Phase der Euthanasie

Euthanasie-Stopp:

Gemeinntzige Kranken-TransportGmbH (Gekrat):

organisierte Transporte in Mordanstalten

Gemeinntzige Stiftung fr Anstaltspflege:

Wirtschafts- und Personalabteilung der T4-Organisation

Kind K.:

im Sommer 1939 in Leipzig gettet, Beginn der Kinder-Euthanasie

Kinderfachabteilung:

Tarnname fr ber 30 Kinderttungsanstalten, in denen bis 1945 etwa 5000 Kinder und Jugendliche ermordet wurden

Luminal-Schema:

von Dr. Nitsche Anfang 1940 in LeipzigDsen entwickelt, basiert darauf, dass mangelhaft ernhrte Patienten mit leichten berdosierungen gettet werden dienten der Erfassung der VergasungsOpfer

Meldebgen:

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Meldepflicht behinderter Kinder:

streng vertraulicher Runderlass des Reichsministers des Innern vom 18.8.1939

Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten:

Tarnorganisation der T4, die die Opfer erfasste und auswhlte

Reichsauschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden: Sterilisierungsgesetz:

pseudowissenschaftliche Abteilung der Kinderttungs-Organisation

Gesetz zur Verhtung erbkranken Nachwuchses (14.7.1933)

T4:

Dienststelle in der Tiergartenstrae 4 in Berlin, Euthanasiezentrale (Sprachgebrauch der Nachkriegszeit)

wilde Euthanasie:

Ttungen nach dem 24.8.1941 (s. Aktion Brandt)

Zwischenanstalten:

ab Herbst 1940 kamen Patienten zunchst in Z., bevor man sie in eine Ttungsanstalt brachte

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5 Recherchehinweise
Einrichtung / Bestand Stadtarchiv Leipzig Patientenakten, Dokumente des Gesundheitsamtes (Das Archiv untersttzt ausdrcklich Schler und Klassen bei der Recherche und dem Kennen lernen des Archivs Ansprechpartner: Frau Horn-Colditz Tel. 0341 2429-105 Fax: 0341 2429-121 E-Mail: [email protected] ) Adresse Tel: ffnungszeiten: Erreichbarkeit:/ Haltesstelle Mo, Mi Straenbahn 09:00 15:00 Uhr Linie 3, 13 Die Volksgarten 10:00 18:00 Uhr Linie 8 Do Torgauer Platz 10:00 19:00 Uhr

0341 24290 Torgauer Str. 74 04318 Leipzig

Universittsarchiv Leipzig Personalakte Prof. Catel

Oststr. 40 - 42 0341 9904920 04317 Leipzig

Die 09:00 18:00 Uhr Mo-Fr 09:00 15:00 Uhr Mo, Die 08:00 16:00 Uhr; Mi, Do 08:00 18:00 Uhr; Fr 08:00 13:00 Uhr

Straenbahn Linie 4 Riebeck/Oststrae Straenbahn Linie 7, 8 Endstation Sommerfeld

Staatsarchiv Leipzig

Schongauer- 0341 2555500 str. 1 04328 Leipzig

Akten zur Grndung der Kinderfachabteilung In Leipzig-Dsen; Patientenakten Schsisches Psychiatriemuseum Ausstellung zur Geschichte und Entstehung der Psychiatrie in Sachsen (sehr sehenswert !) Eintritt: 1 Wanderausstellung 505. Kindereuthanasieverbrechen In Leipzig Stadt Leipzig Vortrag zum Thema fr Lehrer und Schler durch Herrn Seyde auf Anfrage mglich (Tel. 0341 123-6806; [email protected]) Immer im Wechsel an verschiedenen Schulen Ausstellungskoordination bei Frau Lahm Jugendamt 0314 123-4314 [email protected] Mainzer Str. 7, 0341 1406140 04109 Leipzig

Mi Sa Straenbahn 13:00 18:00 Uhr Linie 1, 2, 14 Marschnerstrae (und nach Vereinbarung)

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Foto 2: Ausstellungserffnung 27.01.2007; 505Kindereuthanasieverbrechen in Leipzig Der 1. Brgermeister und Beigeordnete fr Allgemeine Verwaltung, Herr Mller, im Gesprch mit Schlerinnen Sally Thiele (links) und Sarah Jacobi (Mitte) der Henriette-Goldschmidt-Schule. (Quelle: Jugendamt)

,Euthanasie im Nationalsozialismus Persnliche Rckmeldung (wertend) dieser Ausstellung Im Rahmen des Religionsunterrichtes war ich am 8. Februar 2007 im Leipziger Rathaus. Es wurde dort eine Ausstellung ber Euthanasiegezeigt, die zur Aufklrung dienen sollte. Die Art der Prsentation dieses Themas haben mich jedoch zunchst weniger berzeugt, da man sich in dieser groen Halle fast verlor und die Informationsaufsteller viele Fragen offen lieen. Dies nderte sich aber, nachdem ich alles in Augeschein genommen hatte. Dennoch htte ich mir gewnscht, dass eine Aufsichtsperson fr Fragen und Antworten anwesend gewesen wre. Jedoch wurde durch die Schlichtheit, der auf ca. 2 Meter hohen Tafeln dargestellten Schicksale, nur die zentrale Thematik in Augenschein genommen, womit man sich ohne Ablenkungen in Ruhe auf diese Lebensgeschichten konzentrieren konnte. Was den Menschen im Nationalsozialismus angetan wurde, ist so unfassbar, dass es nur sehr schwierig ist, eine eigene Auswertung ber diese Ausstellung zu schreiben. Die Darstellung dieser Menschen (oft auch Kinder), die nach Meinung des Nationalsozialismus den gesunden Erbstrom verhinderten und der Volksgemeinschaft htten schdigen knnen, war sowohl ergreifend als auch nicht nachvollziehbar. Die Unbehaglichkeit, die schon allein durch diese groe Halle
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gegeben war, wurde noch verstrkt. Zwischen den ersten zwei Aufstellern wurde eine Anstaltsszene nachempfunden. Ein altes, rostiges, matratzenloses Bett stand in Fensternhe, damit man es nicht bersehen konnte. Direkt daneben stand ein alter mit Glas ummantelter, abgeschlossener Medizinschrank, in dem verschiedene Instrumente und Spritzen aufgereiht waren. Erst im Nachhinein merkte ich, wie schnell man sich damit in die Lage der damaligen Anstalts-Insassen hinein versetzten konnte. Man konnte das Grauen somit erahnen. 1933 begann diese Hetze, im Zuge der Machtergreifung der NSDAP, in der alle Menschen, welche nicht dem arischem Ideal entsprachen verfolgt, gefangen, weggeschlossen und entsorgt wurden. Alkoholiker, Homosexuelle, Auslnder, Schwererziehbare, Asoziale, psychisch Kranke und Behinderte wurden in speziell eingerichtete Anstalten geschickt (auch Krankenhuser), aus der fast niemand lebend wieder heraus kam. Das Gesetz zur Verhtung erbkranken Nachwuchses wurde bereits 1933 verabschiedet, mit dem die Massensterilisation legalisiert wurde. Tausende litten unter diesen Hllenqualen. Es schockiert mich zutiefst, wie man die Menschenrechte so mit Fen treten konnte, aber noch mehr verachte ich die Menschen, die zu diesen Ausfhrungen berhaupt in der Lage waren. Es wurde ein Fall, von einem kleinen Jungen erzhlt (ich glaube Peter hie er), welcher gerade mal 2 Jahre alt war und wegen einem Leiden in eine Medizinische Einrichtung kam. Seine Eltern durften ihn weder besuchen noch bekamen sie Ausknfte ber den Zustand ihres Kindes. Schon kurze Zeit spter wurde eine schlichte Benachrichtigung vom Tod des Jungen an die Eltern geschickt. Der Leichnam wurde gleich darauf verbrannt, sodass niemand je erfuhr was mit dem kleinen Peter eigentlich passierte. Im extremen Gegensatz dazu, fand ich es sehr makaber, dass gleich neben den Opfern, fast schon in Lebensgre, die damaligen rzte portraitiert wurden. Diese rzte, die nach dem 2. Weltkrieg dann noch lange praktizierten, waren fr die Reinigung und Heilung des Volkskrpers zustndig und fhrten es auch aus. Noch nicht mal alle wurden fr ihre Ideologie bestraft, dass machte mich wtend. Die Ausstellung ist meiner Meinung nach ein MUSS fr jeden, denn ber Euthanasie wird noch viel zu wenig gesprochen und aufgeklrt. Durch diese Art der Vorstellung dieser Thematik wird sehr NAH und AUTHENTISCH berichtet, was damals geschah und auch heute immer noch existiert. Der Kampf gegen das VERGESSEN! Christin Tlle (Schlerin des Oswald Gymnasiums bermittelt durch ihre Lehrerin Frau Bhme.)

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