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5.3.

Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen

Ein sprachliches Zeichen kann in unterschiedliche


paradigmatische Relationen eingebunden werden, die
damit zugleich Strukturmerkmale des Wortschatzes
einer Sprache darstellen. Z.B.

Belehrung

1
Belehren
Lehre
Lehrer
Gelehrt
Lehrling
usw.

2
Unterweisung
Unterricht
Ausbildung
Anleitung
Schulung
usw.

3
Bekehrung
Bekleidung
Beschreibung
Befolgung
usw.

4
Tuschung
Verschleierung
u.s.w

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.1 Wortfamilie

Kernlexem
Die in der Kolumne 1 aufgelisteten Zeichen haben mit dem Ausgangswort
Belehrung alle das Kernlexem Lehr- gemeinsam. Die sich hieraus
abzeichnende Struktur kann als lexemidentisches Feld bezeichnet
werden. Eine andere gebruchlichere Bezeichnung hierfr ist Wortfamilie.
Die lexemidentischen Strukturen des Lexikons haben ganz unterschiedliche
Gre; so umfasst die Struktur, in die das Verb ziehen gehrt ca. 1000
Einheiten bzw. Wrter, whrend das Feld um drohen von ganzen 7
Wrtern gebildet wird.
Die sprachstrukturelle Form der Wortfamilien ist die gegenseitige Sttzung,
Motivation der zugehrigen Wrter und damit im Hinblick auf den
Sprachteilhaber eine hochkonomische Reduzierung seiner aufzuwendenen
Lern- bzw. Gedchtniskapazitt.
Diese Funktion kann deutlich an Fllen nachgewiesen werden, in denen
durch die Sprachentwicklung ein Wort schlielich vollkommen isoliert
erscheint und dann verschwindet oder an eine phonematisch hnliche
Struktur angeschlossen wird, mit der es lexikalisch berhaupt nichts gemein
hat.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.1 Wortfamilie

1. Mittehlochdeutsch ln wt = Leinenes Bekleidungsstck. Da


wt in Isolierung geraten war, erfolgte eine Stellung zu der
Struktur Wand und es ergab sich aufgrund der lautgesetzlichen
Entwicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen
das Wort Leinwand" das mit Wand lexikalisch absolut keine
Gemeinsamkeit hat.
2. Latenisches arcuballista entwickelt sich zu mlat. (d.h. einer
mittelalterlichen vulgren Form des klassischen Latein) arbalista.
Dieses Wort wird nun bei der Aufnahme in das Lexikon der
deutschen Sprache an zwei phonematisch hnliche Strukturen
angeschlossen, mit denen es lexikalisch absolut nichts zu tun
haben kann und lautet dann: Armbrust.
Ein isoliertes Wort wird also phonematisch hnlichen
Verwandten zugesellt, es wird flschlich etymologisiert.
Derartig entstandene Wrter werden als Pseudoetymologien bzw.
Volksetymologie bezeichnet.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Die unter 2 in unserem Beispiel rubrizierte Kolumne listet


die Wrter auf, die im Verhltnis der partiellen
Synonymie zum Ausgangswort stehen.
Derartige Strukturen des Lexikons einer Sprache werden
als Wortfelder bezeichnet. Der Feld-Begriff soll dabei
charakterisieren, dass die Wrter wie in einem
Magnetfeld in Wechselbeziehungen zueinander
stehen und die signifis der einzelnen Zeichen durch die
der Nachbarn in dieser Struktur mitbestimmt werden.
Auf den Begriff der Erregung kann im Deutschen mit
folgenden Zeichen des Wortfeldes verwiesen werden:
Nervositt Verwirrung Tumult Wirbel Panik Alarmstimmung
Unruhe rger Zorn Wut Raserei Amok Ekstase usw.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Wortfeldtheorie
Die Wortfeld-Theorie wurde von Jost Trier in seinem berhmt
gewordenen Buch: Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des
Verstandes, 1931, publiziert und hat in Deutschland die
linguistische Richtung der Sprachinhaltsforschung hervorgerufen,
als deren bedeutendste Vertreter Leo Weisgerber und Helmut
Gipper zu nennen sind.
Sie geht davon aus, dass die Begriffsbildung, mit der sich eine
Sprachgemeinschaft ihre Umwelt verfgbar gemacht hat, durch
derartige Wortfelder reprsentiert wird. Innerhalb des Feldes erhlt
das einzelne Zeichen seine Bedeutung erst dadurch, dass es
Feldnachbarn hat, an deren Bedeutungen es anschliet bzw. von
deren Bedeutungen es teilweise berlappt wird oder diese
berlappt.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Bei dem Worfeld der Temperaturbezeichnungen


eiskalt kalt khl lauwarm warm hei kochendhei
ist es nicht mglich, den exakten Temperaturgrad anzugeben, auf den mit einem
entsprechenden verbalen Zeichen verwiesen werden msste. Vielmehr ist die
sprachliche Bezeichnung nur in Relation zu den Feldnachbarn zu leisten:
khl ist wrmer als kalt, aber klter als lauwarm.
Ein Wortfeld ist die gegliederte Menge sinnverwandter, d.h. inhaltlich
zusammengehriger (begriffsverwandter) Wrter.
Z.B. die Verben des Gehens: gehen, laufen, wandern, rennen,
oder die Verben der Fortbewegung: gehen, fliegen, reiten, schwimmen
Diese Wrter sind in einem bestimmten Kontext austauschbar, d.h. es ergeben sich
beim Austauschen sinnvolle Stze, wenn auch mit unterschiedlichem Sinn.
z.B.: Wir gehen/reiten/fliegen langsam dahin.
(aber nicht: Wir brllen langsam dahin.)
oder: Sie gehen/laufen/wandern durch den Park.
(aber nicht: Sie schwimmen durch den Park.)

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Bei der Wortfeldforschung wurde erkannt, dass


die Bedeutungen der Wrter einander bedingen
und sich im Laufe der Zeit gegeneinander
verschieben; doch zunchst wurde noch nicht
der Strukturgedanke zu Hilfe genommen.
Bekannte Wortfelduntersuchungen betreffen z.B.
den Sinnbezirk des Verstandes (klug, schlau,
weise, listig), die Verben des Sterbens, der
Fortbewegung, der Nahrungsaufnahme usw.; die
Farben, Gewsser, Sitzgelegenheiten, rumliche
Adjektive u. dgl.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Die Relativitt der Bedeutungen zeigt sich


besonders deutlich am Beispiel eines unechten
Feldes (einer knstlichen Terminologie), wie es
verschiedene Schulnotenskalen darstellen:

1-4

sehr gut

1-5

sehr gut

1-6

sehr gut gut

gut
gut

gengend
befriedigend

ungengend
ausreichd. ungeng.

befriedigd. ausreich.

mangelh.

ungeng.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Die Wortfeldtheorie stellt fest, dass von Sprache zu


Sprache unterschiedlich die fr jede
Sprachgemeinschaft typische Begriffsbildung und damit
Verfgbarmachung der Umwelt sprachlich reprsentiert
ist, dass also ein sprachliches Netz die Welterfassung in
ihrer jeweiligen Spezifik wiedergibt, wobei es sich um
unterschiedliche Maschendichte im Netz handelt. Es ist
so denkbar und durch Untersuchungen auch
nachgewiesen, dass die sprachliche Reprsentation eine
von Sprache zu Sprache unterschiedliche Welterfassung
dokumentiert.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Z.B. gibt es in der rumnischen Sprache regional


geprgte Verwandtschaftsbezeichungen wie: cuscru,
soa, die im Deutschen keine quivalente haben.
Dieses Beispiel weist nach, dass die Maschen des
sprachlichen Netzes gerade dort am dichtesten durch
Wortfelder markiert ist, wo Schwerpunkte der fr eine
Sprachgemeinschaft typischen Begriffsbildung liegen.
Die Wortfeldtheorie bietet - unter aller Bercksichtigung
der hinsichtlich ihres methodischen Vorgehens
erhobenen Kritik ein Instrument, mit dem die
kulturspezifischen Differenzen des als Prozess immer
identischen semiotischen Vorganges nachgewiesen
werden knnen.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

In den Aufgabenbereich der Semantik gehrt auch die


Erforschung der Ursachen und Grnde, die zu
Bedeutungsvernderungen fhren. Bei der historischen
Betrachtung werden Bedeutungsvernderungen
deutlich, besonders in zwei Dimensionen:
B.-erweiterung: mhd: vrouwe (adlige Frau) nhd: Frau
B.-verengung:
mhd. hochzt (allg.: Fest) nhd.
Hochzeit
B.-verbesserung: mhd: houbet (allg.: Kopf) nhd.
Haupt
B.- verschlechterung: mhd: wp (allg.: Frau) nhd.
Weib

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Die Bedeutungserweiterung von vrouwe zu Frau ist


brigens zugleich eine Verschlechterung, die eine
allgemeine Erscheinung darstellt:

mhd: (adlig)

- vrouwe

(Ehefrau)

- wp

Frau

- (neutral)

(Jungfrau)

-dierne

Weib

- (z.T. niedrig)

nhd: Dame

Dirne

- (hoch)

- (z.T. vulgr)

Damit ergibt sich ein gemeinsames Arbeitsgebiet fr die


Disziplinen Semantik, historische und Soziolinguistik,
denn die Erklrung fr den Vorgang kann nur
interdisziplinr aus sprachlichen, historischen und
sozialen Ursachen gefunden werden.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.2 Wortfeld

Idiolekt
Zur Untersuchung und Darstellung der semantischen
Strukturen eines Individualwortschatzes, eines
Idiolektes, ist die Wortfeld-forschung
nachgewiesenermaen die erfolgreichste, aussagekrf
tigste und am meisten gehandhabte Methode praktischer
semantischer Analyse berhaupt. Zahlreiche Texte und
Idiolekte der deutschen Sprache wie auch anderer z.B.
der rumnischen und englischen Sprache, und dies auch
fr vergangene Sprachepochen, sind mit dem Verfahren
der Wortfeldforschung untersucht worden, das damit
wichtige Beitrge zur jeweiligen
Sprachgeschichtsschreibung bereitstellen konnte.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.3 Morphemidentisches Feld

Unter 3 in unserem Beispiel von 5.3.5.1. ist eine


Liste von Wrtern aufgezeichnet, die nicht wie
das lexemidentische Feld hinsichltich eines
gemeinsamen Kernlexems bereinstimmen, die
vielmehr bei differierendem Lexem alle nach
dem gleichen Wortbildungsmuster
zusammengesetzt sind, und zwar mit dem
gleichen Prfix be- und dem gleichen Suffix ung, die also mit identischen Morphemen
gebildet sind.
Eine derartige Struktur nennen wir ein
morphemidentisches Feld.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.4 Antonymisches Feld

Im Lexikon lassen sich Strukturen aufweisen, die auf der


Bezeichnung von Gegenstzen beruhen, wie diese in der Liste
unter 4 in unserem Beispiel zum Ausdruck kommt. Derartige
Strukturen werden als antonymische Felder bezeichnet (von
griech. anti = gegen, entgegen und Onoma = Name).
Antonymische Strukturen werden hufig den Wortfeldern
subsumiert, aus Grnden der bersichtlichkeit werden sie hier
separat dargestellt.
Man kann immer wieder die berraschende Beobachtung machen,
dass es oft leichter fllt, zu einem Wort spontan das Antonym zu
finden als ein Synonym.
Liebe Hass ; Leben Tod; schlafen wachen; hufig selten;
sauber schmutzig;
frhlich traurig; Nutzen Schaden; Tag Nacht; damals heute

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.4 Antonymisches Feld

Zu dieser Beobachtung stimmt, dass sogar im Bereich der Wortbildung ein umfangreiches Morpheminventar zur
Bildung von lexikalischen antonymischen Strukturen bereitgestellt ist in Form von Prfixen:
auf -/zuauf-/zumachen
schlieen
schlagen
ein-/ ausein-/auspacken
laden
geben
be-/ entbe-/entladen
waffnen
sorgen
ver-/ entver-/enthllen
schleiern
riegeln
zu-/entzu-/entkorken
laufen
UnGlck
Unglck
Lust
Unlust
Geduld
Ungeduld
MissErfolg
Misserfolg
Trauen
Misstrauen
billigen
missbilligen
usw.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.4 Antonymisches Feld

Besonders viele Adjektive lassen sich zu antonymischen Paaren


ordnen, wobei besonders interessant ist, dass viele Bezeichnungen
auf die mittels Adjektiven verwiesen wie z.B.
gro klein; dick dnn; hoch tief; gut bse; billig teuer
usw.
sich nicht etwa auf naturgegebenen Antonymien beziehen:
So ist z.B. ein kleiner Hund grer als eine groe Maus.
Diese Antonymien beziehen sich vielmehr wiederum auf
Erwartungs- bzw. Erfahrungsnormen einer ganz bestimmten Sprach
gemeinschaft, die sich als kulturelle Spezifika also wie bei den
Wortfeldstrukturen schon dargestellt im Lexikon einer Sprache
niederschlagen.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.1 Paradigmatische Strukturen
5.3.5.1.4 Antonymisches Feld

Die Tatsache, dass antonymische Strukturen berhaupt


so stark im Lexikon nachgewiesen sind, spiegelt nichts
anderes als ein generelles Prinzip menschlicher
Kognition wider. Beim geistigen Erfassen eines
Sachverhaltes oder unserer Umwelt sind wir gezwungen,
permanente Substitutionen vorzunehmen und zu
beurteilen, ob etwas vorhanden ist, stattfindet oder nicht.
Gegenberstellung und Gegensatzbildung sind
elementare Verfahren menschlicher Orientierung, die
sich selbstverstndlich auch in der Sprache
kondensieren.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

Wenn in Kapitel 5.2.2. auf die Notwendigkeit der Unterscheidung


zwischen der Bedeutung eines verbalen Zeichens und dem Sinn
einer uerung hingewiesen wurde unter Verweis auf den Satz:
*Colourless green ideas sleep furiously
so kann dieser Sachverhalt hier nun detaillierter, quasi unter der
Lupe, dargestellt werden.
Syntagmatische Normen
Sprachliche Zeichen mssen in einer uerung, d.h. in ihrer
linearen Anordnung, nicht nur in grammatischer, sondern in
semantischer Hinsicht den syntagmatischen Normen der
entsprechenden Sprache gengen. Dies bedeutet, dass unter
semantischem Aspekt ein Zeichen eine ganz bestimmte Distribution
haben kann bzw. muss, die gleichzeitig andere Distributionen
ausschliet:
So schlieen sich colourless und green ebenso gegenseitig in der
linearen Abfolge aus wie colourless green und ideas usw.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

Die sprachlichen Zeichen mssen unter semantischem Aspekt also


miteinander vertrglich kombiniert werden. So setzt z.B. in Prdi
katsstellung das Verb
bellen als Subjekt Hund
grunzen
Schwein
fressen
Tiere
essen
Menschen
voraus.
Als Objekte fordert das Verb
angeln Fische
fllen Bume
reiten Reittiere
lenken Fahrzeuge.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

Semantische Kongruenz
Wie im syntaktischen Bereich ist auch im semantischen
also eine bereinstimmung, eine semantische
Kongruenz erforderlich.
Der Linguist Eugenio Coseriu (Lexikalische Solidaritten.
In: Poetica 1. 1967, 293 303.) nennt die Bedingungen,
die die Zeichen unter semantischem Aspekt hinsichtlich
ihrer normgerechten Distribution erfllen mssen,
lexikalische Solidaritten. Auf diesen terminologischen
Vorschlag aufbauend erweist sich der Ansatz einer
Forschungsrichtung der Semantik, der sogenannten
Komponentenanalyse, als leicht zugnglich.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

Semen
Bei der Darstellung des Problems der Bedeutung ist
darauf hinzuweisen, dass man sich das signifi eines
verbalen Zeichens (Semem) als ein Bndel von
semantischen Merkmalen, Semen, vorzustellen habe.
Hieran kann jetzt angeknpft werden. Lexikalische
Solidaritt und damit eine von der syntagmatischen
Norm gedeckte Kombination von Zeichen ist dann
gegeben, wenn sie bereinstimmende semantische
Merkmale und nicht ein einziges entgegengesetztes,
kontradiktorisches Merkmal haben.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

Dies aber ist z.B. der Fall bei dem Zusammentreffen von
green, das unter anderem das semantische Merkmal
[+farbig] und colourless, welches das semantische
Merkmal [-farbig] trgt.
Um zu den oben stehenden Beispielen
zurckzukommen: Das Verb bellen kann im Deutschen
auch durchaus ein anderes Subjekt als Hund haben:

Der Chef bellt schon wieder den Portier an.


Der Mann frisst.
Er grunzt zufrieden.
Die Blondine angelt sich einen Millionr.
Der Boxer fllt seinen Gegner.
usw.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

In all diesen Beispielstzen wird die Norm der


lexikalischen Solidaritten leicht verletzt. Im Fall der
Ersetzung von Hund durch Chef in dem Satz
Der Chef bellt ihn schon wieder an
sind die semantischen Merkmale [+belebt] neben allen
anderen erhalten, nur das Merkmal [+tierisch] ist durch
das Merkmal [-tierisch] ersetzt. Damit aber ist die
bertragung der primren syntagmatischen Struktur auf
einen sekundren Geltungsbereich geleistet. Das aber
wird bezeichnet als eine Metapher (von griech. meta
=hinber und phoro = ich trage).
Metaphorik ist die bertragung einer semantischen
Struktur durch einen graduellen Versto gegen die
Norm der lexikalischen Solidaritten.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.5. Strukturen im Wortschatz
5.3.5.2 Syntagmatische Strukturen

Proportional zu der Verletzung dieser Norm wird die


Metapher schwerer verstndlich bzw. ausdeutbar und
der Text damit unzugnglicher bzw. hermetischer.
Als Beispiel hierfr sei der Anfang eines Gedichts von
Paul Celan (1920 1979) zitiert:
Die Krge
An den langen Tischen der Zeit
zechen die Krge Gottes.
Sie trinken die Augen der Sehenden leer und die Augen der Blinden
die Herzen der waltenden Schatten,
die hohle Wange des Abends.

(zit. aus Spillmann, 1992: 142)

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

Das signifi des verbalen Zeichens kann als Bndel von semantischen
Merkmalen aufgefasst werden.
Diese Merkmale knnen nun im Einzelnen bestimmt werden:
Die signifis der angegebenen verbalen Zeichen haben z.B. folgende
Merkmale:
Mann
Frau
(+ Mensch)
(+ Mensch)
(+ erwachsen)
(+ erwachsen)
(+ mnnlich)
(+ weiblich)
usw.
Die signfis der unten stehenden Zeichen haben folgende Merkmale:
Schimmel
Rappe
Fuchs
(+Lebewesen)
(+Lebewesen)
(+Lebewesen)
(+Tier)
(+Tier)
(+Tier)
(+Pferd)
(+Pferd)
(+Pferd)
(+wei)
(+schwarz)
(+braun)

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

Die Gesamtmenge aller semantischen


Merkmale, Seme, aus denen sich das signifi
eines Zeichens zusammensetzt, wird als
Semem des Zeichens bezeichnet.
Ausgehend von der Sprachtheorie des
dnischen Linguisten Louis Hjelmslev haben vor
allem die franzsischen Linguisten A. J. Greimas
und B. Pottier Verfahren entwickelt und
vorgestellt, die die semantische Mikrostruktur
von Ausschnitten aus dem Lexikon, die nichts
anderes als Wortfelder sind, darstellen. Dies
geschieht in Form einer Matrix.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

Schon anhand dieser sehr beschrnkten


Matrix kann man aufweisen, dass verbale
Zeichen sich mindestens durch ein
differierendes Sem unterscheiden, wie am
Beispiel Mann Frau bzw. Junge
Mdchen deutlich wird.
Die Bedeutungsunterschiede zwischen Wrtern,
z.B. den Angehrigen eines Wortfeldes oder
einer Synonymreihe lassen sich mit dieser
Methode erfassen und detailliert darstellen.

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse
Sem.
Merkmal

Mann

Frau

Junge

Mdchen

Kind

(belebt)

(menschl.)

(mnnl.)

(weibl.)

(erwachsen)

(verheiratet)

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

Seme werden auch als Komponenten bezeichnet, und mit ihrer Hilfe
knnen Komponentenanalysen durchgefhrt werden.
Die Komponentenanalyse liegt auch der Semantik in der GTG zugrunde.
Zunchst enthalten schon die Lexikoneintrge der Basiskomponente
semantische Merkmale. (s. u.)
+konkr

+anim

+hum

-konkr
-anim

-hum

+weibl
(-mnnl)
z.B.:

Frau

-weibl
(+mnnl)
Mann

Maus

Stein

Idee

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

Die semantische Interpretation der Tiefenstruktur


erfolgt aber erst in der semantischen
Komponente der GTG. Chomskys Schler
Katz, Fodor u.a. gingen davon aus, dass dort
ebenfalls ein Lexikon sowie sogenannte
Projektionsregeln fungieren. Das Lexikon
enthlt die Lesarten (readings) eines Lexems,
d.h. die Bedeutungen etwa von Homonymen
oder polysemen Wrtern. Hier das Beispiel
bachelor aus Katz/Fodor (original):

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

bachelor
[NOUN]

(Human)

(Animal)

(Male)

(Male)

(Adult)

(Young)
(Knight)

(never married)
(Serving
under the
standard
of another)
((Sel. Regeln))
(dt.)
Junggeselle

(Young)
(Having the
academic degree
conferred for
completing the
first 4 years
of college)

((SR))

((SR))

Schildknappe

Baccalaureus

(When without
mate during
breeding time)

((SR))

Seehund

5.3. Die Zeicheninterpretation: Semantik


5.3.6 Komponentenanalyse

Die Projektionsregeln leiten die Satzbedeutungen ab, indem sie die


Lesarten der Lexeme im Satz zusammenfgen, soweit sie kompatibel sind,
d.h. zusammenpassen.
Nicht nur bachelor hat mehrere signifis, sondern auch etwa ball, auf
deutsch Ball, Kugel, groes Tanzfest. So ergeben sich im Satz
verschiedene Kombinationsmglichkeiten, die die Lexeme mehr oder
weniger disambiguieren, d.h. monosemieren (eindeutig machen), vgl.:
A bachelor ist playing with a ball.
- (nicht: Tanzfest)
A bachelor is invited to a ball.
- (nur: Tanzfest)
Dabei spielen die SR (selectional restrictions Selektionsbeschrnkungen,
semantische Valenzen) auch des Verbs eine entscheidende Rolle, womit
auch eine Verbindung zur Valenzgrammatik gegeben ist.
Die praktische Anwendung der Semantik ist vielfltig und betrifft die
Lexikographie, das Definieren, Interpretieren und die Stilistik ebenso wie die
Sprachdidaktik, bersetzung und maschinelle Sprachverarbeitung.

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