Louis Antoine de Bougainville

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Louis Antoine de Bougainville, Gemälde von Joseph Ducreux 1790
Reiseroute
Die Fregatte La Boudeuse

Louis Antoine de Bougainville (* 11. November 1729 in Paris; † 31. August 1811 ebenda) war ein französischer Offizier, Seefahrer und Schriftsteller. Er umsegelte als erster Franzose die Welt.

Leben und Wirken

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Herkunft und Ausbildung

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Bougainvilles Eltern waren Yves Pierre de Bougainville (1686–1754), ein Notar, und Marie Françoise Darboulin († 1734). Jean-Pierre de Bougainville und Marie Françoise Charlotte de Bougainville (1724–1813) waren seine Geschwister.

Zwischen 1754 und 1756 veröffentlichte er seinen zweiteiligen Traktat Traité du calcul intégral über Integralrechnung. 1755 wurde er Sekretär der französischen Botschaft in London.

Neufrankreich und die Falklandinseln

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1756 ging er für mehrere Jahre als Adjutant des Generals Louis-Joseph de Montcalm nach Neufrankreich, wo er während des Franzosen- und Indianerkriegs gegen Großbritannien kämpfte. In die Schlacht auf der Abraham-Ebene in der Nähe von Québec am 13. September 1759, in der die Franzosen eine entscheidende Niederlage erlitten und sein Vorgesetzter Montcalm tödlich verwundet wurde, konnte Bougainville mit den von ihm geführten Soldaten nicht mehr rechtzeitig eingreifen, da Montcalm sein Eintreffen nicht abgewartet hatte. Die Abwesenheit Bougainvilles war möglicherweise schlacht- und kriegsentscheidend. Als Oberst der Infanterie kehrte er aus englischer Gefangenschaft nach Frankreich zurück und trat 1763 mit dem gleichwertigen Rang eines Kapitäns in die Französische Marine über.

Mit aus Neufrankreich vertriebenen französischen Siedlern und dem Kapital von Verwandten begründete er 1764 eine Kolonie auf den heutigen Falklandinseln, die er nach der Stadt seiner Abreise, St. Malo, Les nouvelles Malouines benannte, und die bald an die 150 Einwohner zählte.

Weltumseglung 1766–1769

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Im Jahr 1766 erhielt Bougainville von der französischen Regierung unter Ludwig XV. den Auftrag, als erster Franzose die Welt zu umsegeln. Zu dieser Zeit befanden sich die europäischen Seefahrer noch auf der Suche nach der Terra Australis Incognita.

Zu Bougainvilles Weltumseglung gehörten die Fregatte Boudeuse und der Fleute Étoile, einem Versorgungschiff, statt. Am 1. November 1766 traf Bougainville in Begleitung des Prinzen von Nassau-Siegen in Nantes ein. Vier Tage später begaben sie sich auf der Loire über Paimbœuf nach Mindin, wo die Boudeuse auf die Reise vorbereitet wurde. Am 15. November stachen sie von Mindin aus in See.[1] Zwei Tage später gerieten sie in einen heftigen Sturm, bei dem unter anderem der Hauptmast beschädigt wurde. Bougainville musste daher am 21. November in den Hafen von Brest einlaufen, um Reparaturen vorzunehmen. Zusätzlich zu den Reparaturen wurden einige Umbauten am Schiff vorgenommen. Am 5. Dezember begannen sie mit der Überquerung des Atlantiks.[2][3] Die Étoile verließ am 1. Februar 1767 den Hafen von Rochefort. Mit an Bord waren der Naturforscher Philibert Commerson, dessen als Mann verkleidete Assistentin Jeanne Baret und der Astronom Pierre-Antoine Véron (1736–1770).

Nach einer ereignislosen Überfahrt erreichte die Boudeuse am 31. Januar 1767 Montevideo und ankerte im Río de la Plata. Bougainville begab sich sofort nach Buenos Aires, um die letzten Details der Übergabe der Kolonie auf den Îles Malouines an die Spanische Krone zu klären. Am 1. März brach die Boudeuse, begleitet von den spanischen Fregatten Esmeralda und Liebre und der Tartane Nuestra Señora de los Remedios in Richtung der Îles Malouines auf, die sie am 22. März erreichte. Die formelle Übergabe der Siedlung fand am 1. April statt. Bougainville wartete hier bis zum 1. Juni auf die Ankunft der Étoile. Die Étoile hatte mittlerweile Montevideo erreicht und erhielt Befehl nach Rio de Janeiro weiterzusegeln, wo sie am 13. Juni 1767 eintraf. Eine Woche später waren beide Schiffe vereint.[4]

1768 erreichten die Schiffe den Pazifik. Hervorzuheben ist der Aufenthalt auf Tahiti vom 6. bis 15. April 1768, das Bougainville formell als Île de la Nouvelle Cythère (Neu-Kythira) für den französischen König in Besitz nahm. Den Sohn eines Stammesfürsten, Ahutoru († 1771) brachte Bougainville als ersten Polynesier mit nach Frankreich.

Er erforschte außerdem noch zahlreiche weitere pazifische Inseln, so die Neuen Hebriden, die Louisiaden und die Salomonen. Fast hätte Bougainville die Ostküste Australiens entdeckt, wandte sich aber östlich des Großen Barriereriffs nach Norden. Im September 1768 erreichte er die Molukken und kehrte schließlich über Batavia im März 1769 nach Saint-Malo zurück. Trotz der entbehrungsreichen Fahrt verlor er auf der Boudeuse nur sieben Seemänner.

Dienste für Frankreich, Tod

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1772 wurde Bougainville zum persönlichen Sekretär von Louis XV. erhoben. Er kämpfte 1779 bis 1782 als Chef d’escadre (Konteradmiral) und Kommandeur mehrerer Linienschiffe gegen die Briten in den Kämpfen der Amerikanischen Revolution. Unter anderem befehligte er die erste Schwadron der französischen Flotte in der siegreichen Seeschlacht vor der Chesapeake Bay (5. September 1781) gegen die britische Flotte. Für die Niederlage in der Seeschlacht von Les Saintes (12. April 1782) machte man aber vor allem ihn verantwortlich, ein Kriegsgericht beschränkte sich jedoch auf einen öffentlichen Tadel. Nach der Französischen Revolution bot man ihm 1791 das neugeschaffene Marineministerium und 1792 einen Vizeadmiralsposten an, Bougainville lehnte jedoch ab. Er ließ sich auf einem Besitz in der Normandie nieder. Den blutigen Terror, La Terreur überlebte er (1794 inhaftiert) trotz bekannt königstreuer Haltung nur durch den Sturz Robespierres am 28. Juli unversehrt. Die Ägyptische Expedition von 1798 bereitete er mit vor. 1799 wurde er Leiter des Pariser Längenbüros. 1801 mahnte er in einer Denkschrift an Napoleon zur erneuten Besetzung der Falklandinseln.

1809 war er in seiner letzten offiziellen Aufgabe Kriegsratsvorsitzender zur Untersuchung der Niederlage Frankreichs in der Schlacht von Trafalgar. Zu einer geplanten Nordpolreise kam es nicht mehr.

Am 25. Januar 1781 heiratete er Marie Joséphine Flore de Longchamps Montendre († 1806), das Paar hatte vier Kinder, u. a. Hyacinthe de Bougainville, der die Erde 1824–26 ostwärts umsegelte.

Louis Antoine de Bougainville starb im Alter von 81 Jahren in Paris. Sein Herz ruht auf dem Pfarrfriedhof der Kirche St-Pierre de Montmartre (Cimetière du Calvaire), der übrige Körper wurde in das Panthéon überführt.

Rezeption der Weltumseglung

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1771 erschien Bougainvilles Reisebericht Voyage autour du monde par la frégate du roi La Boudeuse et la flûte L'Étoile. Ein Jahr später erschien eine zweibändige Ausgabe im Oktavformat. Johann Reinhold Forster übersetzte den Reisenbericht 1772 ins Englische. Im gleichen Jahr erschien die erste deutsche Übersetzung. 1921 folgte eine Übersetzung ins Spanische.

Friedrich Melchior Grimm, damals federführend für die Correspondance littéraire, philosophique et critique verantwortlich, bat Denis Diderot, eine Buchbesprechung für den Bougainvilleschen Reisebericht zu verfassen. Diderot entsprach diesem Wunsch;[5] er weitete die Buchbesprechung von 1771 zu einem Essay aus, Supplément au voyage de Bougainville (1796)[6], in dem er die von Bougainville berichtete freundliche und offene Kultur der Polynesier einschließlich ihrer sexuellen Freizügigkeit betonte und als positives Beispiel der in seinen Augen schädlichen christlichen Moral Europas entgegenstellte. Diderot nutzte Bougainvilles Beobachtungen als Beleg für seine These, dass es den Menschen möglich sei, glücklich zu leben, wenn ihre Gesellschaft nach den Gesetzen der Natur ausgerichtet sei.[7]

Am 8. Januar 1756 wurde Bougainville als Mitglied („Fellow“) in die Royal Society gewählt.[8] Seit 1789 war er Mitglied der Académie des sciences.[9]

Antoine-Laurent de Jussieu benannte 1789 die Gattung Bougainvillea aus der Familie der Wunderblumengewächse (Nyctaginaceae) nach Bougainville.[10] Dabei verwendete er die latinisierte Form „Buginvillaea“[11] und schrieb den Gattungsnamen Philibert Commerson zu.

Napoleon verlieh ihm mehrere hohe Auszeichnungen: 1799 ernannte er ihn zum Senator, 1804 zum Großoffizier der Ehrenlegion und 1808 zum „Grafen des Kaiserreiches“ (Comte d'Empire).

Neben der größten Insel des Salomonenarchipels Bougainville, die politisch zu Papua-Neuguinea gehört, tragen auch ein Seegebiet vor Neuguinea, ein Tiefseegraben und das Korallenriff „Bougainville Reef“ vor Nordost-Australien den Namen Bougainvilles. Auf den Falklandinseln sind das Cape Bougainville und Port Louis nach ihm benannt.

Schriften (Auswahl)

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Traité du calcul intégral, Teil 1, 1754
  • Traité du calcul intégral, pour servir de suite à l’Analyse des infiniments petits de M. le marquis de l’Hôpital. 2 Bände, Desaint & Saillant, Paris 1754–1756 (Band 1, Band 2).
  • Voyage autour du monde par la frégate du Roi La Boudeuse et la flute l’Etoile en 1766, 1767, 1768, et 1769.
    • Saillant & Nyon, Paris 1771 (Digitalisat, Digitalisat).
    • 2 Bände, 8°, Saillant & Nyon, Paris 1772 (Band 1, Band 2).
    • A voyage round the world. Performed by order of His Most Christian Majesty, in the years 1766, 1767, 1768, and 1769. By Lewis de Bougainville, Colonel of Foot, and Commodore of the Expedition, in the Frigate La Boudeuse, and the Store-Ship L’Etoile. London 1772 (Digitalisat) – übersetzt durch Johann Reinhold Forster.
    • Reise um die Welt, welche mit der Fregatte la Boudeuse in den Jahren 1766, 1767, 1768 und 1769 gemacht worden. Caspar Fritsch, Leipzig 1772 (Digitalisat).
    • Viaje alrededor del mundo por la fragata del Rey La „Boudeuse“ y la fusta la „Estrella“ en 1767, 1768 y 1769. 2 Bände, Calpe, Madrid 1921 – übersetzt durch Josefina Gallego de Dantín.

Zeitschriftenbeiträge

  • Essai historique sur les navigations anciennes et modernes dans les hautes latitudes septentrionales. In: Mémoires de la classe des sciences morales et politiques. Band 3, 1801, II. Klasse, S. 40–60 (Digitalisat).
  • Notice historique sur les sauvages de l'Amérique septentrionale. In: Mémoires de la classe des sciences morales et politiques. Band 3, 1801, II. Klasse, S. 322–346 (Digitalisat).

Sonstige

  • Mémoire sur l’état de la Nouvelle-France à l’époque de la guerre de Sept Ans (1757). In: Pierre Margry (Hrsg.) Relations et mémoires inédits pour servir à l’histoire de la France dans les pays d’outre-mer. Paris 1867, S. 37–84 (Digitalisat, Reprint),

Neuere deutsche Übersetzungen

  • Reise um die Welt. Über Südamerika und durch den Pazifik zurück nach Frankreich, 1766–1769. Herausgegeben und übersetzt von L. M. Hoffmann. Mit 25 zeitgenössischen Abbildungen und Karten. Edition Erdmann/Marix-Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-86539-816-1 [vollst. aus dem Frz. übertragen nach den Ausgaben Neuchâtel 1772 und Lille 1889]
  • Reise um die Welt. Durch die Inselwelt des Pazifik 1766–1769. Herausgegeben von Detlef Brennecke. Erdmann, Stuttgart u. a. 2002, ISBN 3-522-60042-8, (Alte abenteuerliche Reiseberichte).
  • Reise um die Welt, welche mit der Fregatte La Boudeuse und dem Fleutschiff L'Etoile in den Jahren 1766, 1767, 1768 und 1769 gemacht worden. Rütten und Loening, Berlin 1977.
  • La mission de M. de Bougainville en France en 1758–1759. In: Rapport de l’Archiviste de la province de Québec pour 1923–1924. 1924 (Digitalisat).
  • Michel Bideaux, Sonia Faessel (Hrsg.): Louis-Antoine de Bougainville. Voyage autour du monde. Kritische Ausgabe, Paris 2001, ISBN 2-84050-205-4.
  • John Dunmore (Hrsg.): The Pacific Journal of Louis-Antoine de Bougainville, 1767–1768. The Hakluyt Society, London 2002.
  • John Dunmore: Storms and Dreams: Louis de Bougainville: Soldier, Explorer, Statesman. Exisle, Auckland 2005, ISBN 0-7333-1458-9.
  • Matthias Glaubrecht: Louis Antoine de Bougainville. Oder: Die Enthüllung der Welt. Teil 1. in: Naturwissenschaftliche Rundschau. 10/2011, S. 523–531
  • Matthias Glaubrecht: Louis Antoine de Bougainville. Oder: Die Enthüllung der Welt. Teil 2. in: Naturwissenschaftliche Rundschau. 11/2011, S. 572–579 (PDF; 2,4 MB) (Memento vom 31. Mai 2014 im Internet Archive)
  • Étienne Taillemite: Bougainville et ses Compagnons Autour de Monde, 1766–1769. 2 Bände, Paris 1977.
  • Étienne Taillemite: BOUGAINVILLE, LOUIS-ANTOINE DE, Comte de BOUGAINVILLE. In: Dictionary of Canadian Biography. Band 5: 1801–1820. University of Toronto Press, Toronto 1983, ISBN 0-8020-3398-9 (englisch, französisch).
  • Beatrice Elisabeth Waggaman: Le Voyage autour du monde de Bougainville: droit et imaginaire. Presses universitaires de Nancy, Nancy 1992, ISBN 2-86480-476-X
Commons: Louis Antoine de Bougainville – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. John Dunmore (Hrsg.): The Pacific Journal of Louis-Antoine de Bougainville, 1767–1768. The Hakluyt Society, London 2002, S. XLIX.
  2. Voyage autour du monde par la frégate du Roi La Boudeuse et la flute l’Etoile en 1766, 1767, 1768, et 1769. Saillant & Nyon, Paris 1771, S. 20–21 https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8602974k/f37.item online]).
  3. Reise um die Welt, welche mit der Fregatte la Boudeuse in den Jahren 1766, 1767, 1768 und 1769 gemacht worden. Fritsch, Leipzig 1772, S. 2–3 (online).
  4. John Dunmore (Hrsg.): The Pacific Journal of Louis-Antoine de Bougainville, 1767–1768. The Hakluyt Society, London 2002, S. LI.
  5. Jürgen von Stackelberg: Diderot. Artemis-Verlag, München 1983, ISBN 3-7608-1303-8, S. 107
  6. Supplément au voyage de Bougainville ou Dialogue entre A et B, sur l’inconvénient d’attacher des idées morales à certaines actions politiques qui n'en comportent pas. In: Opuscules philosophiques et litteraires, la plupart posthumes ou inédites. Paris 1796, S. 187–270 (online).
  7. Philipp Blom: Böse Philosophen. Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung. dtv, München 2013, ISBN 978-3-423-34755-6, S. 324–328.
  8. Eintrag zu Bougainville; Louis Antoine de (1729–1811) im Archiv der Royal Society, London
  9. Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe B. Académie des sciences, abgerufen am 24. September 2019 (französisch).
  10. Antoine-Laurent de Jussieu: Genera plantarum secundum ordines naturales disposita, juxta methodum in Horto regio parisiensi exaratam, anno M.DCC.LXXIV. Paris 1789, S. 91 (online).
  11. Harold William Rickett: On Orthographic Changes. In: Taxon. Band 3, Nr. 5, 1954, S. 139 (doi:10.2307/1217324).