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Immer noch Zombieland? Wie das Ausland auf Frankfurt blickt

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Die Zustände im Bahnhofsviertel sorgen derzeit für einige sehr kritische Blicke auf Frankfurt. Nun warten die belgische Polizei die Fußballfans vor der Gegend.
Die Zustände im Bahnhofsviertel sorgen derzeit für einige sehr kritische Blicke auf Frankfurt. Nun warten die belgische Polizei die Fußballfans vor der Gegend. © epd

Schon wieder: Nun warnt auch Belgiens Polizei zur EM Fußballfans vorm Bahnhofsviertel. Die CDU warnt vor „Schaden für die Stadt“.

Frankfurt -Zur Fußball-Europameisterschaft will sich Frankfurt von seiner besten Seite zeigen. Doch da gibt es ein Problem: das Bahnhofsviertel und seine Drogenszene. Immer wieder berichten auch ausländische Medien über die dortigen Zustände, zeigen abschreckende Bilder aus dem Quartier - wie Anfang dieser Woche die belgische Tageszeitung „Het Nieuwsblad“.

Vor dem Spiel zwischen Belgien und der Slowakei in Frankfurt hatte das Blatt einen belgischen Polizisten zitiert, der die Fans der „Roten Teufel“ davor warnte, das Frankfurter Bahnhofsviertel zu betreten. „Dort ist der Konsum von harten Drogen, gerade auf der Straße, normal. Passanten werden dort belästigt, Drogenkonsumenten fragen nach Geld. Es ist dort nicht sicher“, sagte der Polizist und Fan-Experte Jan Vanmaercke, der sich gemeinsam mit Kollegen vorab in der ganzen Stadt umgeschaut hatte, dem „Niuewsblad“. „Wir bitten die Belgier, die mit dem Zug kommen, das Bahnhofsviertel so schnell wie möglich zu verlassen.“ Im Rest von Frankfurt sieht die belgische Delegation aber keine Probleme.

„The Sun“ warnte vor „gefährlichstem Slum in Deutschland“

Jüngst hatte auch die britische Boulevardzeitung „The Sun“ die Fans der „Three Lions“, die zu Tausenden am heutigen Donnerstag in der Stadt erwartet werden, wenn England gegen Dänemark spielt, vor dem Bahnhofsviertel gewarnt. Von einem „Zombieland“ war die Rede, vom „gefährlichsten Slum Deutschlands“, von Schießereien auf offener Straße, Schlägereien und Raubüberfällen.

IHK: International schlechtes Image „sollte zu denken geben“

„Die nationale und internationale Wahrnehmung der Stadt und die daraus resultierende Berichterstattung über das Bahnhofsviertel sollte allen politisch Verantwortlichen zu denken geben“, sagt Ulrich Caspar, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt. Die wirtschaftliche Prosperität einer Region hänge auch davon ab, dass die Rahmenbedingungen in Sachen Infrastruktur, Sauberkeit, Sicherheit und Erreichbarkeit passen müssen, um Fachkräfte in die Region zu locken. „Restaurantbesitzer, Einzelhändler, Immobilienunternehmer, Banken und Repräsentanzen großer Konzerne: Alle schildern uns, dass ihr Geschäft unter der aktuellen Situation leidet“, so Caspar. Er fordert daher mehr Video-Sicherheitstechnik, eine restriktive Waffenverbotssatzung und aufsuchende Drogen- und Hilfsangebote.

Eine „intensive, aufsuchende Sozialarbeit“ im Bahnhofsviertel fordert auch die CDU-Fraktion im Römer. „Wir müssen den Menschen dort helfen“, sagt Martin-Benedikt Schäfer, sicherheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Römer, der auch schon im Urlaub auf das Bahnhofsviertel angesprochen wurde. „Die Zustände dort schaden dem Ansehen unserer Stadt.“

OB Mike Josef widerspricht: „Bild von Frankfurt ist ein anderes“

Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sieht das anders. „Das Bild von Frankfurt im Ausland ist ein anderes“, sagt er. „Frankfurt ist mehr als das Bahnhofsviertel.“ Er habe sich in dieser Woche mit vielen Fußballfans aus der Ferne unterhalten, mit Repräsentanten aus der Slowakei und aus Belgien. Alle hätten sie versichert, die Stadt in guter Erinnerung zu behalten. Womit er nicht sagen wolle, dass im Bahnhofsviertel „alles rosig“ sei. Im Gegenteil. „Mir ist klar, dass wir dort dringend etwas machen müssen“, sagt Josef. „Wir müssen das öffentliche Bild ändern und die Sicherheit gewährleisten.“ Der OB weist aber auch daraufhin, dass in den vergangenen zwölf Monaten, seit Beginn seiner Amtszeit, im Bahnhofsviertel schon viel passiert sei. So ist in dem Quartier etwa die Zahl der Streifen von Landes- und Stadtpolizei nahezu verdoppelt und eine Waffenverbotszone eingerichtet worden. Zudem sind Videoüberwachungsanlagen in Stand gesetzt und zwei Anlagen neu in Betrieb genommen worden. Auch neue Toilettenanlagen sind geplant. „Mit diesen Maßnahmen sind wir aber noch lange nicht am Ende“, sagt Josef. So müsse man etwa den Frankfurter Weg in der Drogenpolitik ändern. „Daran arbeiten wir, aber das braucht Zeit.“

Und so berichten auch nicht alle ausländischen Medien nur negativ über Frankfurt. Es gibt durchaus wohlwollende Recherchen wie etwa von der schwedischen Boulevardzeitung „Expressen“, die sich die Mühe gemacht hat, einen Reporter ins Bahnhofsviertel zu schicken, um dem Artikel der britischen Kollegen auf die Spur zu gehen. Und so beschreibt Linus Petersson im „Expressen“, was er in dem Viertel gesehen hat. Dass es dreckig ist. Dass es schlecht riecht, dass es Drogen gibt. Und dass es Menschen gibt, die krank sind und Hilfe brauchen. Sein Fazit aber lautet: Die England-Fans müssen keine Angst im Bahnhofsviertel haben. „Zumindest nicht vor Zombies“, heißt es in dem Artikel.

Guardian: „Liebe auf den zweiten Blick“

Die britische Tageszeitung „The Guardian“ findet nur positive Worte für Frankfurt. Gut, in dem Artikel mit der Überschrift „Lust auf ein Bierchen vor dem Spiel? Wenn Sie zum Fußballspiel in Frankfurt sind, trinken Sie lieber Apfelwein statt Bier“ hat der Autor offensichtlich das Bahnhofsviertel gemieden, dafür Sachsenhausen und seine Apfelweinlokalitäten besucht - mit dem Ergebnis: „Frankfurt ist eine Stadt der Liebe auf den zweiten Blick“, schreibt der Reporter. Und weiter: „Es mag kein Ort von unmittelbarer Schönheit sein, aber wenn man an der Oberfläche kratzt, findet man grüne Oasen und vielseitige Kulturen, die darauf warten, einen willkommen zu heißen, oft unter Fichtenkränzen und mit gerippten Gläsern.“ (Julia Lorenz)

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