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Bill Viola ist tot – Raffinesse und Pathos

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Bill Viola in Florenz, 2017.
Bill Viola in Florenz, 2017. © AFP

Immer auf dem Weg zum Licht: Zum Tod des Videokünstlers Bill Viola, der 73 Jahre alt wurde.

Als Bill Viola, von Fans der psychedelischen Videokunst für seine Inszenierungen als „Hightech-Caravaggio“ gefeiert, 2019 den Praemium Imperiale des japanischen Kaiserhauses bekam, gab es schon Anzeichen der zerstörerischen Krankheit. Am Freitag ist er nun im Alter von 73 Jahren in New York an den Folgen seiner Alzheimer-Erkrankung gestorben, wie am Wochenende bekannt wurde.

Mit hochdramatischen, bewegten Video-Bilder, mit elektronischen Klängen, Sprache und existenziellen Körper-Natur-Gebärden, verschaffte der New Yorker aus Queens, Jahrgang 1951, der Videokunst einen Podestplatz in der spätmodernen Kunstgeschichte. Freilich entwickelten sie sich im Spätwerk immer häufiger auch zu enormen Überwältigungsszenarien.

In einem Seitenschiff der Londoner St. Paul’s-Kathedrale sah man 2014 vier Gestalten auf riesigen Monitoren mit den Naturgewalten Feuer, Erde, Wasser, Luft kämpfend. An einem Seil gefesselt hing kopfunter Marsyas – das gehäutete Opfer eines zürnenden Gottes aus der griechischen Sage, das „durch den Tod ins Licht gleitet“, so der Künstler damals zur Vernissage.

Eine Art Selbstbild. Aus Violas Biografie ist bekannt, dass er als Sechsjähriger eine Nahtoderfahrung hatte. Er war von einem Floß in einen tiefen See gestürzt, erlebte nach seinen späteren Angaben „ohne Angst eine seltsame, lichterfüllte Unterwasserwelt“.

Von Leben und Tod gequält

Er wurde gerettet. Aber der Kampf mit den Ur-Elementen, den Bill Viola – schon 1995 auf der Biennale in Venedig, 2002 im Berliner Gropius-Bau und 2017 in den Hamburger Deichtorhallen – einem frappierten Publikum vorführte, war pathosprall „erweitert“ von der Selbstqual zur Selbsterlösung. Man musste quasi miterleben, wie der Held von den vier Elementen malträtiert wurde, bevor er, wie der gekreuzigte Jesus, ins Licht glitt.

Der Videokünstler – dessen Arbeit nebenbei einen wichtigen Beitrag dazu lieferte, dass Video und Kunst inzwischen unangefochten zusammen in ein Wort passen – sprach von den Qualen der Menschen durch die Massenmedien in Zeiten von Krieg, Klimakrise, schier unlösbaren Konflikten weltweit. Und dem Dauerbombardement der Bild- und Wort-Berichte in der Medienindustrie. Viola sah seine Kunst als „Anklage gegen die Untätigkeit der Zuschauenden“. Immer mehr geriet er in die Rolle eines Gurus.

Schon 1990 hatte das Frankfurter MMK bei Viola eine Video-Klang-Installation angefragt. Bei der Museumseröffnung 1991 war „The Stopping Mind“ erstmals zu erleben. Wohl die grandiose technische Raffinesse, nicht aber das überzogen Pathetische in seiner Ästhetik hat die heutige Videoszene von Viola, der selbst von Medien-Pionieren wie Nam June Paik, Bruce Nauman und Vito Acconci gelernt hatte, übernommen.

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