1. Startseite
  2. Kultur
  3. Literatur

Frankfurter Literaturm-Festival startet: Irritierend schön

Kommentare

Autorin Dana von Suf frin.
Autorin Dana von Suf frin. © IMAGO/Panama Pictures

Fünf Tage „On Beauty“: Das Frankfurter Literaturm-Festival startet in der Volksbühne.

Reine Schönheit hat die Tendenz, ins Ekelhafte zu kippen,“ sagt Juliane Rebentisch, Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, zum Auftakt der Frankfurter Literaturm-Biennale, die sich in diesem Jahr dem Thema „On Beauty“ widmet. Schönheit erlaube, so die Wissenschaftlerin, kein bloßes Festhalten am Bewährten, der Drang zum Wandel sei wesentlicher Teil zeitgenössischer Schönheitsvorstellungen.

Das Programm wirkt wie ein Gegenentwurf zum letzten Festival. Vor zwei Jahren war der Blick sorgenvoll und politisch ganz auf den Krieg in der Ukraine gerichtet. Jetzt geht es scheinbar nur um „Schönheit“. Ist etwa gerade entspannte Ablenkung angesagt? Am Eröffnungsabend in der Volksbühne bestimmt zunächst großbürgerliche Ästhetik den Ton. Rote Samtvorhänge, prächtige Blumenarrangements, Harfenklänge nach Kompositionen von Hindemith, Fauré und Scarlatti – wunderbar gespielt von Anne-Sophie Bertrand – erzeugen Wohlgefühl ohne Irritation. Noch. Denn schon am nächsten Tag wird es auch um Hässlichkeiten gehen, zum Beispiel, wenn die Autorin Moshtari Hilal über die existenzzerstörende Wirkung dieser persönlichen Zuschreibung spricht.

Was uns beigebracht wird

Am Auftaktabend blieb es jedoch vorwiegend bei theoretischen Begriffsklärungen. Im von Alf Mentzer moderierten Gespräch mit dem Lyriker Durs Grünbein, der Historikerin Dana von Suffrin und Juliane Rebentisch erklärt die Philosophin weiter, dass Schönheit – vor allem seit Kant – nicht mehr als eine im Objekt verankerte Eigenschaft begriffen werde. Das Erlebnis der Schönheit sei Teil der eigenen Wahrnehmung und Einbildungskraft. Wie sehr diese Wahrnehmung jedoch auch durch Erziehung und gesellschaftliche Prägung bestimmt wird, betont, erfrischend bodenständig, Dana von Suffrin. So habe sie als Studentin nicht nachvollziehen können, warum man das Deutsche Museum in München als ein in der NS-Zeit entstandenes Gebäude hässlich nannte, die antike Athener Akropolis hingegen schön.

Schönheit ist nicht zeitlos, sondern vom Zeitgeist geprägt. Darin sind sich auf dem Podium alle einig. „Reine Schönheit gibt es nicht“, so Rebentisch: Etwas sei schön, weil es nicht in Normen aufgehe, weil es uns endlos viel zu denken gebe und weil es zur Selbstreflexion anrege.

Für Grünbein ist Schönheit ein „prekärer Begriff“, der ähnlich wie in der griechischen Elegie, vor allem durch den Verlust erfahrbar werde. Das Erlebnis des Schönen könne auch irritieren. Der Komponist Karlheinz Stockhausen habe beispielsweise beim Anblick der in sich zusammenstürzenden Twin Towers aus der Distanz des reinen Betrachters von der Ästhetik des Augenblicks gesprochen. Dies sei möglich, so Rebentisch, weil Bilder zu interpretierende Gegenstände seien, die eine ästhetische Unbestimmtheit bergen. Sie seien, anders als ein Gerichtsbeweis, nicht auf Evidenz ausgerichtet. Im Theater könne darum selbst das Schrecklichste schönheitsfähig sein. Wie die Verknüpfung von Zeitgeist und Ästhetik in der Literatur gelingt, können die kommenden Festivaltage zeigen.

Auch interessant

Kommentare

Teilen