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Margareth Menezes im Palmengarten: Leben, Tod und Auferstehung

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Margareth Menezes, die auch Kulturministerin ist.
Margareth Menezes, die auch Kulturministerin ist. © José de Holanda

Margareth Menezes überwindet im Palmengarten die Gegenkräfte

Drei Trommler und Schlagzeuger tragen an diesem strahlenden Sommerabend in der Mousonturm-Reihe „Summer in the City“ im Palmengarten den hypnotischen Rhythmus der Musik. Zwei E-Gitarren kommen hinzu und die Keys, vor allem aber: Margareth Menezes. Im eidottergelben Ensemble aus Hose, Bluse, Umhang hat sie nicht nur die brasilianische Gemeinde im Nu in tanzende Ekstase versetzt, sondern auch die Brasilianer im Herzen. Zeit für die kleine Europatournee mit Frankfurter Finale musste Menezes sich von ihrem Hauptjob in der Heimat nehmen. Eigentlich hat sie da, seit eineinhalb Jahren, all die Dinge zu tun, die hohen Politikern obliegen. Mit 61 ist die Sängerin und Liedschreiberin zugleich Kulturministerin im Kabinett des brasilianischen Präsidenten, Lula da Silva.

Die üblichen Schubladen ordnen Menezes der Música popular brasileira zu, dem Sambareggae und der Axé-Musik. Aufgewachsen im ärmeren Teil von Salvador da Bahia, hat sie ihre Musik vom Singen in der Kirche und der Tradition Bahias, schrieb bereits als Teenager Songs und trat im Karneval und in Nachtclubs auf. Mit 21 kürte man sie zur besten Interpretin Bahias, mit 26 folgte das erste Album. Eine Puristin war sie nie. Musik für alle scheint ihr Ding.

Doppelbödige Lieder

Aber wie will man das so genau wissen, wenn man kein Wort versteht? Statt im Nebel zu stochern, gibt es zum Glück die nachträgliche Horizontverschmelzung per Internet. Einige Menezes-Texte stehen da auch in Übersetzung. Bei aller tänzerisch-karnevalesken Fröhlichkeit erweisen sich ihre Lieder als sehr doppelbödig, vergleichbar der Capoeira. Oberflächlich ist alles Tanz und Karneval, doch dicht unter der Oberfläche steckt etwas anderes verborgen. Wie die capoeira als Tanz camouflierter Kampfsport ist, so erzählt Menezes quer durch ihre Lieder von Welterklärungen und dem Stolz der Schwarzen.

„Pelourinho“, „Ellegibo“, „Dandalunda“ lauten die Titel: „Farao Divindade do Egito“, „Nego Doce“, „A Luz De Tieta“, „Toté de Maiangá“, „Alegria da Cidade“. Regelmäßig dreht sich ihr Narrativ um ägyptische Mythen und Dynastien, verschmolzen mit der afrobrasilianischen Mischreligion des Candomblé, seinen Göttern und Ritualen. Immerzu scheint sie zu sagen: Wir Schwarzen haben ein reiches kulturelles Erbe samt Quellen der spirituellen Kraft. Osiris, Horus und die Pharaos sind mit uns. Wie die Orixás des Candomblé, wie das weite Meer garantieren sie für Leben, Tod und Auferstehung, sind uns Bilder für den Kampf um Gleichheit und Anerkennung. Die leuchtende Stadt ist schon zu sehen, das Leiden wird unweigerlich enden, denn Sonne und Mond sind mit uns. Der Platz am Rand ist nicht für ewig. Ich höre den Ruf der Krieger im Wald, rieche den Duft des Gemeinschaftsmahls aus Yams. Mit unserer Musik und so vielem mehr sind wir Weltkultur in der Diaspora.

Nun wäre beim Ägyptologen Jan Assmann nachzulesen, dass Bezüge auf ägyptische Ur-Weisheit ein geschichtsmächtiges Missverständnis sind: eine späte gnostisch-esoterische Umdeutung ägyptischer Kultur (Pyramiden, Sphinx, Hieroglyphen), die uns nur vorgaukelt, alles habe einen Hintersinn: Fabeln für die Masse, Geheimwissen für Eingeweihte oder Herrscher.

Ob so eine Botschaft für Unterdrückte immer ein Geschenk ist? Aber die fröhlichen Lieder der Margareth Menezes machte sie noch kraftvoller und gemeinschaftsstiftender. Spannendes Konzert – selbst im Nachhinein.

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