1. Startseite
  2. Kultur
  3. Musik

Strauss’ „Capriccio“ konzertant in Salzburg – Der Sieg der Musik über fast alles

Kommentare

Das Salzburger Ensemble des „Capriccio“. Foto: Marco Borrelli/SF
Das Salzburger Ensemble des „Capriccio“. Foto: Marco Borrelli/SF © Marco Borrelli

Richard Strauss’ „Capriccio“ in Bestform bei den Salzburger Festspielen.

Es hat einen starken ironischen Einschlag, dass eine Diskussion über die Frage, ob auf der Bühne dem Wort oder der Musik der Vorrang gelten sollte, mit einem so dürftigen Text auskommen muss. Die Musik dazu aber: vom alten Richard Strauss.

„Capriccio“, 1942 in München uraufgeführt und nach dem Krieg im ohne Stunde Null auskommenden Musiktheaterbetrieb zunächst gar nicht so unbeliebt, wird heute aus vielen Gründen selten aufgeführt. Die Gründe liegen in den finsteren Umständen der Entstehungszeit und ihrer doch schwer erträglichen Totalausblendung im Werk. Sie liegen aber auch im Werk selbst, das formal seine Eigenheiten hat, vom ausführlichen Eingangsstreichersextett bis zum in sich gekehrten Ausklang mit der einzigen, allerdings hinreißenden Großgesangsnummer der Gräfin. Dazwischen herrscht fast durchgängig ein Konversationston – gewitzt heißt es hierzu einmal im Libretto: „Vergebens wartet man auf die Arien, sie klingen alle wie Rezitative!“ –, aber der Gehalt der Konversation ist allzu dröge.

Wenig subtil und eher halbherzig wird die Konkurrenz zwischen Wort und Musik mit dem Wettstreit eines Dichters und eines Komponisten um die Gunst einer verwitweten Gräfin ins Pikante gezogen, deren Bruder sich für das Musiktheater wenig interessiert und mit einer Schauspielerin kokettiert. Pfiffig, dass er zwischendurch ausruft „Schauder erfasst mich, sie bestellt eine Oper!“, ein textlicher Höhepunkt.

Es ist auf seine Weise tragisch, dass Strauss die ihm und seinen Wünschen gewachsenen Librettisten Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig an den Tod und die Judenverfolgung verloren hatte. Mit dem Uraufführungsdirigenten Clemens Krauss zusammen versuchte Strauss dem noch gemeinsam mit Zweig entworfenen, dann vom glücklosen Joseph Gregor zu Straussens totaler Unzufriedenheit fortgeführten „Capriccio“-Libretto selbst auf die Sprünge zu helfen. Sie zogen den Dirigenten Hans Swarowsky als Helfer hinzu. Jedoch sind die Lichtjahre, die zwischen dem „Capriccio“- und dem durchaus verwandten „Ariadne auf Naxos“-Text Hofmannsthals liegen, ein Grund zum Verzweifeln – oder an eine höhere Gerechtigkeit zu glauben.

Ohne die Oper Frankfurt, wo 2018 die blitzgescheite, quicklebendige Inszenierung von Brigitte Fassbaender zu erleben war – unter anderem mit der anregenden Volte, dass die Gräfin ins französische Résistance-Geschehen verwickelt ist –, würde man gar nicht an die szenische Wirkung dieses Werkes glauben. So aber war es nun fast schade, dass die Salzburger Festspiele es bei konzertanten Aufführungen beließen, allerdings hochkarätig, perfekt besetzt und so lebendig gespielt, wie es konzertant überhaupt nur möglich ist.

Christian Thielemann dirigiert die Wiener Philharmoniker, und während auf der Bühne der aufgeräumte Theaterdirektor, der mächtige Bass Mika Kares, gleich mal einschläft, leitet das seltsame Sextett mit leuchtender Raffinesse den Abend ein. Thielemann ist ein Strauss-Experte, der weiche Wiener Klang ist ohnehin wie dafür gemacht, aber alles erscheint noch dazu aufs Feinste zugespitzt und zart liniert und auch ungemein beherrscht. „Capriccio“ lässt kaum Momente prächtigen Aufblühens zu, aber im Großen Festspielhaus funkelt und glimmt es ohne Unterlass. Ein gut zweieinhalbstündiger Konzentrationsakt, auch das.

Das Orchester im (erhöhten) Graben, das Ensemble alleine auf der Bühne, wo es Platz hat und ihn nutzt. Eine noble Festspielauswahl: Der 31-jährige, bereits ganz weit oben angekommene Bariton Konstantin Krimmel als durchsetzungsfähiger Edeldichter braucht schon einen Sebastian Kohlhepp, damit der Komponist ihm als Tenor das Wasser reichen kann. Und wirklich offen bleibt, wer obsiegen wird, auf der Bühne, bei der Gräfin. Das ist die hier wahrhaft königliche Elsa Dreisig, deren silberner, vibratoreicher, aber tragfähiger, für eine Strausspartie traumhaft sensibler Sopran der Rolle so viel Milde, Schönheit, Würde und Niveau gibt wie nur möglich. Auch sie erst 33, unausdenkbar, wo das noch hinführen soll. Ève-Maud Hubeaux bietet mit einem dunkeltimbrierten Mezzo als Schauspielerin ein apartes Gegengewicht. Nur Bo Skovhus als Graf muss sich in der besuchten Vorstellung durch Christoph Pohl vertreten lassen, der sich geschmeidig einpasst.

Strauss selbst spricht von einem „Konversationsstück für Musik“, insofern stellt er klar, dass er die Frage, was wichtiger ist, bloß so beantwortet: Es muss jeweils genau richtig sein. Und notfalls gewinnt die Musik, wie hier.

Salzburger Festspiele im Großen Festspielhaus: 4. August. Der Mitschnitt fürs Radio ist unter oe1.orf.at/programm abrufbar. salzburgerfestspiele.at

Auch interessant

Kommentare

Teilen