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„Sanatorio Express“ mit der Kammeroper Frankfurt – Finnische Leidenschaft

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Sie müssen zueinander kommen: Sopran und Tenor, Annette Fischer und David Jakob Schläger im „Sanatorio Express“. Foto: Wolfgang Fuhrmannek
Sie müssen zueinander kommen: Sopran und Tenor, Annette Fischer und David Jakob Schläger im „Sanatorio Express“. Foto: Wolfgang Fuhrmannek © Wolfgang Fuhrmannek

Die Frankfurter Kammeroper zeigt Iiro Rantalas „Sanatorio Express“ als deutsche Erstaufführung im Palmengarten.

Die Frage, welche Richtungen das Musiktheater im ausgehenden 20. Jahrhundert noch hätte einschlagen können, wird im Einzelfall immer wieder erstaunlich beantwortet. Im Frankfurter Palmengarten kann man sich jetzt „Sanatorio Express“ von Iiro Rantala in deutscher Erstaufführung anhören, eine in Form, Schlagerpotential und inhaltlichem Quatsch veritable Opera buffa, der man eine Uraufführung im 2018 nur im Falle einer Ausgrabung zugetraut hätte. Auf die Schnelle im Radio würde man womöglich auf frühen Rossini tippen. Wegen der schmucken Ensemble, wegen des kräftigen Zugs zur hellen Aufregung. Aber auch die silberne Operettenzeit klingt an, wenn es süß und gesellschaftstanzbar wird.

Es handelt sich aber um das Werk eines finnischen Jazzers, Jahrgang 1970, geschrieben auf ein Libretto der Bestsellerautorin Minna Lindgren, Jahrgang 1963. Nach der Premiere an der Nationaloper in Helsinki ging die Produktion auf Tournee durchs Land.

In Windeseile anders werden

Natürlich macht die Handlung – in Frankfurt auf Deutsch gesungen in der eigens erstellten Übersetzung des Dirigenten, Stanislav Rosenberg – klar, dass es sich zwar um Quatsch handelt, aber um Quatsch unserer Tage. Im „Sanatorio Express“ wollen verschiedene Zeitgenossinnen und Zeitgenossen in Windeseile schlank oder glücklich oder beides werden. Oft wissen sie selbst nicht recht, was genau sie wollen. Vor allem der Tenor ist so unausgeglichen, dass der sich praktisch nicht mehr rühren kann. Man mag ihn sehr. Ein guter Ausgang zeichnet sich aber erst ab, als sich alle besinnen und Neues wagen. In unerwarteten Paarungen geht es Richtung Happyend.

Die Kammeroper Frankfurt geht natürlich volles Risiko, indem sie ein unbekanntes und anscheinend doch ziemlich feingehäkeltes Werk unter freiem Himmel vorstellt. Die kleine Orchesterformation unter Rosenbergs Dirigat spielt wirklich sehr schlank (setzen Sie sich diesmal nicht zu weit nach hinten, so schön es da ist), die Stimmen sind gut, aber gefordert. Auf der Bühne müssen sie zudem auf Zack sein. Dzuna Kalnina, die hier ihr Regiedebüt gibt, sorgt dafür, dass das Tanzbare auch ein bisschen getanzt wird.

Frank Keller (Bühne/Licht) und Katharina Kraatz (Kostüme) zeigen eine absolut vorstellbare Sanatoriumsatmo. Man will da auf keinen Fall sein, aber man schaut sich so etwas immer gerne an. Die Farben, bei denen man begreift, dass sie Wohlbefinden ausstrahlen sollen, und gleich wird einem unbehaglich. Groß ist vor allem der Tresen, hinter dem nicht nur die Rezeptionistin waltet, Cornelia Haslbauer, die wie jede anständige Rezeptionistin auch das Zentralgestirn des Ganzen: immer da, immer bereit für einen kleinen Kommentar. Hier sind auch die Schlagwerke untergebracht, optisch eine gute Idee und klanglich effektvoll.

Als scheuer Tenor macht der junge David Jakob Schläger seine Sache ausgezeichnet, Annette Fischer kann ihren Sopran tüchtig hochfahren, wenn die Wucht einer Diva gefragt ist. Ein Bariton ist ihr fast schon Ex-Mann, Christoph Kögel, der sich für den windigen Klinikchef, Alexander Winn, interessiert, während natürlich Sopran und Tenor intuitiv zusammengehören. Ein Quartett singt und tanzt dazu, Schauspieler Harald Mathes putzt und summt vor sich hin. Stundenlang. Kalnina ignoriert nicht, dass das alles im Land der Kaurismäki-Filme stattfindet. Man ist leidenschaftlich und doch verhalten. Könnte man im Winter gerne noch einmal drauf zurückkommen.

Frankfurter Kammeroper im Palmengarten: 17., 19., 20., 24., 26., 27., 31. Juli. www.kammeroper-frankfurt.de

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