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Zum Tod von Thomas Reis – „Meine Mutter ist auch gestorben“

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Thomas Reis, 2019.
Thomas Reis, 2019. © IMAGO/Funke Foto Services

Zum Tod des Kabarettisten und einstigen FR-Kolumnisten Thomas Reis.

Im November 2008 schrieb der Kabarettist Thomas Reis seine erste „Reis’ Parteitag“-Kolumne in der FR, „Wir sind Obama“ hieß sie. Blenden wir kurz rein. US-Präsident werde nun Barack Obama, weil sich das amerikanische Wahlvolk Bush (George W.) aus den Poren habe waschen müssen und „den Angehörigen einer Minderheit“ wählen, „einen Mann mit einem irisch-kenianischen Chromosomensatz, wahrlich erstaunlich, aber einen Intellektuellen, das ist unfassbar. Das ist so, als würde das nächste Konklave eine minderjährige alevitische Molekularbiologin zum Papst wählen“, so der Wahlkölner Reis. „Ich könnt heulen vor Rührung, wenngleich Obamas Wahl mein heiles, antiimperialistisches Weltbild auf den Kopf stellt.“ Alle Welt sei froh darüber, „sehen wir vom maßlos merkwürdigen Medwedew ab, dem Zar Putinistans“.

Überüberübernächste Wahl

So weit, so erschütternd im Jahr der überüberübernächsten US-Präsidentschaftswahl. Politisch klardenkende Kabarettisten fehlen immer, aber sie fehlen ganz besonders, wenn besonders viel los ist. Thomas Reis ist aber am 23. Juni gestorben, wie wir mit Verspätung erfuhren.

In Frankfurt war er als Kabarettist aus Fleisch und Blut vor allem dem Publikum der Käs bekannt, schreibend aber war „Reis’ Parteitag“ in der FR über Jahre einmal im Monat zu erleben und durchaus zu studieren. Reis, 1963 in Freiburg geboren, hatte seinerseits Geschichte studiert, davor war er als Sanitäter für die „Ärzte ohne Grenzen“ unterwegs gewesen. Er war Gründungsmitglied der Grünen. „Vielleicht bin ich noch immer Philanthrop. Oder möchte zumindest einer sein“, sagte er 2008 der FR.

Auch als Kabarettist startete er früh, gründete als 22-Jähriger mit einem Freund das „Duo Vital“, sieben Jahre später, 1992, kam sein erstes Soloprogramm heraus. „Als die Männer noch Schwänze hatten“, so dass sich gleich zeigte, dass Thomas Reis kein Blatt vor den Mund nahm und einen ausgeprägten Sinn für doppelte Böden hatte. Programmatische Titel, „Gibt’s ein Leben über 40?“, „Endlich 50!“, und tüchtig alberne Titel („Reis Last Minute“, sein Nachname gab ihm da auch schöne Möglichkeiten an die Hand) folgten dann alle paar Jahre. 2014 kam sein Buch „Unwörterbuch Politikerisch“ (Langenscheidt) heraus. Reis gewann etliche Preise, nicht alle, aber fast alle, die ein Kabarettist bekommen kann. Er trat im Fernsehen auf.

„Krieg ich das noch auf?“

Ende 2010 schrieb er im „Reis’ Gericht“ in der FR: „Das große Geschenk des Lebens ist ein zweischneidiges, denn dieses Geschenk ist endlich und sterben ist kein schöner Tod, da müssen wir nicht drüber diskutieren.“ Auch er altere und spiele zwar noch kein Bridge, „aber wenn ich einkaufen gehe, frage ich mich immer häufiger: Krieg ich das alles überhaupt noch auf? Lohnt sich das noch für einen wie mich?“

2023 gab es die Lungenkrebsdiagnose. In Köln gab er Anfang Juni diesen Jahres eine Abschiedsvorstellung auf der Senftöpfchen-Bühne, mit seinem nun letzten Programm „Du sollst nicht verblöden“. Es ging ihm sehr schlecht. Er muss unglaublich witzig gewesen sein. Er erinnerte daran, dass der Tod erblich ist. „Meine Mutter ist auch gestorben.“ Im Publikum wurde geweint, stand in der Zeitung. Ende Oktober wäre er 61 geworden.

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