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Steak

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Eine Wurst ist besser als keine Wurst. Noch besser ist eine geklaute Wurst.
Eine Wurst ist besser als keine Wurst. Noch besser ist eine geklaute Wurst. © imago/imagebroker

Spuren werden sie keine mehr finden: Ein Hund schnappt zu, ein Mensch hat das Nachsehen.

Zuerst muss man einen Riecher haben. Dafür, wo was zu holen ist. Den Braten riechen. Die Beute lokalisieren. Dann die Parameter abchecken: Ist zum Beispiel die Beute extra gesichert, womöglich mit einem Zaun, einer Alarmanlage oder mit einem Wachdienst? Das macht die Sache nicht unmöglich, aber schwieriger. In diesem Fall: nichts dergleichen! Das wird ein Geschenk.

Jetzt geht es an die konkrete Planung und die Werzeuge, die man braucht. Um das Gemälde „Der Schrei“ von Edvard Munch zu stehlen, reichte im Jahr 1994 eine Leiter und ein Gegenstand, um die Scheibe der Nationalgalerie in Oslo einzuschlagen. Der Dieb, der jetzt mit 57 Jahren gestorben ist, hinterließ noch den Zettel mit der Aufschrift „Tausend Dank für die schlechte Bewachung“. (Bei der Vertuschung war er allerdings nicht so gut, drei Monate später kamen ihm die Ermittler auf die Spur und fanden das Werk unter seinem Couchtisch. Der Dieb hatte das Bild gestohlen, weil er es großartig fand, wie er sagte.)

Es ist nicht so, dass ich Kunst stehlen wollte, was sollte ich damit, ich bin ja ein einfacher Hund. Also gut, eine prachtvolle Rottweilermischung mit imposantem Gebiss. Aber inspirierend ist das schon: sich einfach etwas zu nehmen. Weil man will. Weil man kann. Auf direktem Weg, ganz unkompliziert.

Fleischduft liegt in der Luft. Das Steak – medium rare – glänzt fettig in der Sonne einer Außenrestauration. Davor sitzt eine Frau, die gerade Messer und Gabel in die Hand nimmt. Ich werfe einen schnellen Blick zu Frauchen - es hat die Kapuze des Hoodies ins Gesicht gezogen und stiert auf den Bürgersteig vor sich, den wir entlangschlendern. Etwa 20 Meter vor der Außengastronomie trabe ich unerwartet los (bin wie immer unangeleint), dem Duft entgegen. Herrlich. Ich bin schon fast am Tisch mit dem Steak, Frauchen guckt aufs Handy.

Ich sage kurz „Hallo, darf ich?“ (in Hundesprache, aber die Menschen verstehen nicht), lege die sabbernden Lefzen auf den Tisch (perfekte Rottweiler-Kopfhöhe), schnappe zu, reiße das Steak mit einem Ruck vom Teller – und bin weg. So einfach geht das. Als jemand „Ey!“ ruft, zerlege ich die Beute schon grunzend auf dem Kopfsteinpflaster und renne dann davon. Frauchen zieht die Kapuze tiefer ins Gesicht und legt einen Schritt zu, als die Restaurantgäste ihr hinterherlaufen, sie beschimpfen und die Polizei rufen. Spuren werden sie keine mehr finden, die Beute ist vernichtet.

Sie glauben nicht, dass das so wirklich passiert? Wohl weil Sie keinen erzählenden Hunden trauen, noch dazu welchen, die sich für Kunstdiebstähle interessieren? Meinetwegen. Ist ja nicht mein Steak, das Sie da im Biergarten essen – obwohl … Wir werden sehen.

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