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Das Dorf der Kartonbetten

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„Village“-Manager Michaud.
„Village“-Manager Michaud. Brändle © Stefan Brändle

Die Olympia-Teilnehmenden im olympischen Dorf im Pariser Stadtteil Saint-Denis wohnen modern, aber spartanisch.

Laurent Michaud, der Direktor des olympischen Dorfes in Saint-Denis, ist ein guter Schweizer: Neutralität bei der Vergabe der Wohnungen hat für den 45-jährigen Manager oberste Priorität. Die großen Delegationen der USA, Chinas oder Brasiliens haben aus logistischen Gründen die erste Wahl. Russen und Ukrainer werden getrennt, auch Israeli und Araber. Aber nicht wegen der Sportler: „Die wollen in den meisten Fällen keine politischen Kriterien anwenden“, sagt Michaud auf einer Presseführung durchs „Village“. „Uns geht es einzig um die Sicherheit. Sie bestimmt über die Aufteilung der Athlet:innen“, sagt der Mann aus Lausanne, wo das Internationale Olympische Komitee sitzt.

Das olympische Dorf von Saint-Denis wurde in einer 52 Hektar großen Industrie- und Gewerbezone erstellt. Die würfelförmigen, fünf- bis achtstöckigen Gebäude werden fast 15 000 Gäste beherbergen – rund 10 300 Athlet:innen sowie 4500 Sportfunktionär:innen.

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Aus dem Schatten von Paris

Die 2800 Wohnungen haben keine Küchen, dafür ein Wohnzimmer und zwei oder drei Schlafzimmer. Der Komfort ist überall gleich – gleich spartanisch. Das funktionale Mobiliar erreicht knapp Ikea-Niveau. Ihre Nächte werden die Sportler:innen auf Kartonbetten verbringen. „Ein Gebot der Nachhaltigkeit“, erklärt Michaud, der seinen Job bei Nestlé aufgegeben hat, ohne zu wissen, wie es nach Olympia weitergeht.

Die Räume sind so spartanisch eingerichtet, dass ein US-Journalist auf der Führung spontan kommentiert, das Mobiliar mache ja „depressiv“. Michaud erwidert nach einem Selbstversuch, die Solidität und Bequemlichkeit der Bettstatt sei garantiert. Die Matratzen sind nur eine Handbreit dick. Dreigeteilt, erlauben sie je nach Anordnung drei Härte-Stufen, wie Michaud vorführt.

Die Wohnungen haben keine Klimaanlage. „Unsere Bodenlüftung ist ökologischer“, sagt Michaud. „Sie senkt die Temperaturen um immerhin acht Grad.“ Wenn also in Paris hochsommerliche 36 Grad herrschen, müssen die Athlet:innen bei 28 Grad schlafen. Auf Sonderwunsch stellt Michaud „ausnahmsweise“ mobile Kühlungsapparate zur Verfügung.

Alkohol – auch Champagner zum Feiern der Medaillen – ist im olympischen Dorf untersagt, wie der Schweizer klarmacht. Asketisch müssen die Sportler:innen mitnichten leben: Für sie stehen 300 000 Gratis-Kondome bereit. Wichtig ist Michaud vor allem, dass das olympische Dorf nach dem Ende der Spiele weiterlebt. Die Wohnungen werden allesamt verkauft – angesichts von 5000 bis 7000 Euro pro Quadratmeter hält sich das Interesse bisher allerdings noch in Grenzen.

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