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Ausweisung wegen Social-Media-Post: Experte warnt nach Faeser-Vorstoß – „Schwierige Fragen“

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Wer Terror im Netz verherrlicht, soll nach dem Willen von Innenministerin Nancy Faeser das Land verlassen. Ein Terrorexperte findet das nachvollziehbar – warnt aber.

Berlin – Der Hass keimt im Netz. Schon lange beobachten Sicherheitsbehörden, dass Extremisten in den sozialen Medien immer aktiver werden und Propaganda betreiben. Es sei eine regelrechte „Radikalisierungsmaschine der Extremisten“ in Gang, sagte etwa vor wenigen Wochen NRW-Innenminister Herbert Reul: „Nicht nur auf der Straße, sondern vor allem im Netz. Und da wird es gefährlich.“

Islamisten und Hamas-Anhänger werden bei TikTok und Co. immer aktiver

Neben Rechtsextremisten sind vor allem radikale Islamisten und Hamas-Anhänger besonders umtriebig, erst recht seit dem 7. Oktober und dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Die Hamas-nahe Gruppierung Samidoun etwa befürwortet immer wieder öffentlich Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ansichten und unterstützt Vereinigungen, die Anschläge androhen. Anhänger der islamistischen Szene im Berliner Stadtteil Neukölln verteilten Süßigkeiten als Ausdruck der Freude über den Hamas-Terrorangriff.

Aktionen wie diese befeuern regelrechte Hass-Tiraden im Netz. Vor allem bei TikTok und auf X gab es zuletzt etwa nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim Applaus von radikalen Islamisten. Experten fürchten, dass durch die Social-Media-Propaganda die Gefahr der Radikalisierung von Einzeltätern steigt. Auch Sulaiman A., der aus Afghanistan stammende Täter von Mannheim, galt lange als gut integriert.

„Wie konnte er sich so radikalisieren? Woher kam sein Hass?“, fragte zuletzt Michael Mertens, Co-Chef der Gewerkschaft der Polizei, im Gespräch mit dieser Redaktion. Und lieferte einen Teil der Antwort selbst: „Die Wurzel des Übels liegt auch in den sozialen Medien, wo Gewaltvideos gezeigt und Hass und Hetze propagiert werden. Von politischer Seite müssen dringend wirksame Gegenmaßnahmen kommen.“ Eine solche Gegenmaßnahme plant jetzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Nancy Faeser will härtere Abschieberegeln gegen Terror-Befürworter

Geht es nach dem Willen der SPD-Politikerin, sollen Ausländer ohne regulären Aufenthaltsstatus, die Terrortaten verherrlichen, künftig nicht mehr in Deutschland leben dürfen. Schon ein Hass-Post bei TikTok und Co. reicht, dann müssten sie das Land verlassen. Am Donnerstag (27. Juni) will Faeser eine entsprechende Verschärfung des Ausweisungsrechts ins Kabinett einbringen. Rückendeckung gibt es bereits vom grünen Koalitionspartner und zum Teil auch vonseiten der Union.

Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project (CEP)
Dr. Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project (CEP). Die NGO setzt es sich zum Ziel, der Bedrohung durch extremistische Ideologien entgegenzuwirken und Unterstützungsnetzwerke von Terrororganisationen unter Druck zu setzen. © Privat

Terrorexperte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project hält den Vorstoß für grundsätzlich nachvollziehbar: „Wenn eine Person in Deutschland nur einen temporären Aufenthaltsstatus hat und im Netz solche Aussagen tätigt, kann nicht erwartet werden, dass dies ohne Konsequenz hingenommen wird und die Allgemeinheit das Risiko, welches diese Person potenziell darstellt, zu tragen hat“, sagte er im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Terrorexperte: Risiko, dass Einzelne gewalttätig werden, steigt

Denn es sei in der Tat davon auszugehen, dass bei Personen, die im Netz Terrorangriffe verherrlichen oder gutheißen, das Risiko höher ist, dass diese ebenfalls gewalttätig werden. Allerdings birgt eine solche Verschärfung des Ausweisungsrechts, wie sie Faeser vorschwebt, auch Fallstricke. „Während diese Logik zwar grundsätzlich nachvollziehbar ist, werden jedoch in der Anwendungspraxis schwierige rechtliche Fragen zu beantworten sein“, gibt Experte Schindler zu bedenken.

Zum Beispiel: wie weit sind Aussagen noch durch die Redefreiheit abgedeckt – und wann ist der Punkt erreicht, an dem Terroranschläge befürwortet werden? „Daher stellt sich die Frage, wie praktisch anwendbar die neue Regelung ist, oder ob diese nicht zu einer potenziellen Welle von Gerichtsverfahren führen wird, ohne tatsächlich die offensichtlich intendierte Abschreckungswirkung zu entfalten“, so Schindler.

Serap Güler
Serap Güler (CDU) ist seit 2021 Bundestagsabgeordnete. © Peter Sieben

Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler, die Faesers Idee grundsätzlich goutiert, mahnt zur Vorsicht. „Diese Verschärfungen müssen nun sauber umgesetzt werden: Internet-Beiträge sind schnell und mit wenigen Klicks verbreitet. Die Menschen müssen wissen, welches Verhalten konkret zur Abschiebung führen kann“, sagte Güler im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich bin gespannt, ob die Verschärfungen tatsächlich so umgesetzt werden. Bisher fällt die Innenministerin vor allem mit Ankündigungen und langen Prüfverfahren auf.“

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