1. Startseite
  2. Sport

Bundestrainer: Das Vermächtnis der Vorgänger

Kommentare

Sieht man nicht alle Tage: Joachim Löw mischt sich unters Publikum beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn.
Sieht man nicht alle Tage: Joachim Löw mischt sich unters Publikum beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn. © IMAGO/Jan Huebner

Joachim Löw ist Privatier, Hansi Flick bald in Barcelona – doch in Julian Nagelsmanns Kader stecken auch ihre Ideen.

Joachim Löw bekommt man nur selten zu sehen. Vor drei Jahren hatte er sich vom DFB verabschiedet. Ein paar Monate später gab es eine (schmucklose) Verabschiedung in Wolfsburg, Löw tauchte ein paarmal im Südwesten in Bundesligastadien auf und besuchte die Trauerfeier für Franz Beckenbauer im Januar 2024 in München. Ansonsten war er Privatier. Ohne Expertenjob. Ohne Talkshowauftritte.

Die Ausnahme bildete sein freundliches Mitwirken am ARD-Podcast „Wir Weltmeister“ und der zugehörigen TV-Dokumentation. Zehn Minuten Gesprächszeit wollte sein Berater anfangs zusagen, doch Löw redete mit Hörfunkreporter Martin Roschitz einen ganzen Tag. Er empfing im Freiburger Parkhotel, in dem er Büroarbeiten erledigt und seine Mahlzeiten einnimmt. Löw hat sich völlig seinem badischen Dialekt ergeben und in seiner Heimat eingeigelt.

14 Spieler kamen unter Löw

Dieser Tage aber war der Alt-Bundestrainer VIP-Gast beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn. Die Vergangenheit schaute bei der Gegenwart vorbei. Bei der von Julian Nagelsmann trainierten Nationalmannschaft, in der noch immer ein bisschen was von Löw steckt. 14 der 26 EM-Spieler stießen unter Löw zum Kader, angefangen bei Manuel Neuer, den er zur WM 2010 nach erst fünf Länderspielen zur Nummer eins machte.

Dossier: Fußball-EM 2024

Spielpläne, Interviews, Liveticker und das EM-Tagebuch von FR-Sportreporter Jan Christian Müller - unsere komplette Berichterstattung im Onlinedossier zur Fußball-EM.

Unser Magazin „Fußball am Main“ aus der Reihe „FR-Geschichte“ stellt die starken EM-Teams, Stars und Schwiegersöhne vor - durchaus mit einem Augenzwinkern. Und natürlich kommt der Service nicht zu kurz - hilfreich etwa, wenn Sie sich auf einen Stadionbesuch vorbereiten möchten. Gehen Sie top informiert in die EM - und bestellen Sie jetzt unser FR-Geschichte-Magazin.

Zu Ilkay Gündogan hielt Löw während dessen Verletzungsphasen immer Kontakt, er überredete ihn in den schwierigen Zeiten wie nach der Erdogan-Trikotaffäre 2018, Nationalspieler zu bleiben. Dass Jamal Musiala sich nach im englischen Nachwuchssystem verbrachten Jahren für die deutsche A-Nationalmannschaft entschied, ist Löws Vermächtnis. Er warb nachhaltig um den Bayern-Jungstar und nominierte ihn für die EM 2021. Kai Havertz in der Spitze spielen zu lassen, auch das stammt von Löw – und zwar aus einer Zeit, als diese Rolle für Havertz im Verein noch nicht die Regel war.

2021 übergab Joachim Löw an seinen früheren Assistenten und Vertrauten Hansi Flick, es schien die logische Thronfolge zu sein. Flick scheiterte, wurde im September nach dem 1:4 gegen Japan freigestellt – ein traumatisches Ende, Flick tauchte unter, er musste sich sammeln. Nun bereitet er sich auf die große Aufgabe FC Barcelona vor.

Obwohl Julian Nagelsmann als das lockere und pragmatische Gegenmodell zum verkrampft nach Lösungen suchenden Flick angesehen wird, finden sich im aktuellen Team sehr wohl Spurenelemente von Hansi Flick.

Die Entscheidungen, Ilkay Gündogan zum Kapitän zu machen sowie Joshua Kimmich aus dem Mittelfeld abzuziehen und auf die rechte Abwehrseite zu versetzen, waren Flicks letzte Eingriffe in die Struktur, ehe der DFB sich von ihm trennte. Sein letzter Neuling, ebenfalls gegen Japan eingesetzt, war Pascal Groß, der Geheimtipp aus der Premier League. Niclas Füllkrug wurde ebenfalls auf seine schon eher alten Tage Nationalspieler unter Flick – allerdings hatte der Trainer bei der Berufung des damaligen Bremers lange gezögert; er gab erst öffentlichem Druck nach und überwand sich, als die Fifa die WM-Kader auf 26 Plätze erweiterte. Vorausgesehen hatte Flick aber die Entwicklung von Jonathan Tah, den selbst Experten bei der Aufzählung potenzieller Innenverteidiger immer vergaßen. Flick erinnerte explizit an den Leverkusener.

Wieder im Geschäft

Als Flick vor drei Jahren anfing, gestattete ihm der Verband einen großen Trainerstab mit vier Mitarbeitern. Danny Röhl und Marcus Sorg mussten mit ihrem Chef gehen, Torwarttrainer Andreas Kronenberg, der für den DFB beim SC Freiburg gekündigt hatte, und Standardtrainer Mads Buttgereit übernahm Nagelsmann in sein Team.

Hans-Dieter Flick ist nach seinem DFB-Aus wieder im Geschäft, Joachim Löw, obwohl mit 64 noch nicht im Rentenalter, lässt keinen Drang zur Fortsetzung der Berufstätigkeit erkennen. Wenn es Gerüchte um Löw gibt, beziehen sie sich auf Zsolt Löw, den Assistenztrainer von Thomas Tuchel. Aber vielleicht bekommt Jogi Löw durch Stadionerlebnisse ja wieder Lust auf Zukunft.

Auch interessant

Kommentare

Teilen