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IOC-Präsident Bach ist bei Putin in Ungnade gefallen

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Was wurde da wohl ins Ohr geflüstert? IOC-Präsident Thomas Bach (li.) mit dem russischen Präsidenten Putin bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi.
Was wurde da wohl ins Ohr geflüstert? IOC-Präsident Thomas Bach (li.) mit dem russischen Präsidenten Putin bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi. © AFP

Lange gilt IOC-Präsident Thomas Bach als russlandfreundlich und verschafft sich dadurch wohl Vorteile – das könnte jetzt vorbei sein.

Die Eröffnung der Olympischen Spiele steht kurz bevor, das Internationale Olympische Komitee schaltet in diesen Tagen in den Modus feierlicher Erwartung, die Hymnen auf Paris 2024 dürften schon geschrieben sein – doch für Thomas Bach, den Präsidenten des IOC, ist es auch die Zeit, in der er am stärksten hinterfragt wird als „Herr der Ringe“. Zumal gerade ein Punkt in der Funktionärslaufbahn des Fechters erreicht scheint, an dem sein einst großer Förderer ihn fallen lässt: Wladimir Putin.

„Putins Olygarch“ heißt das lesenswerte Buch (dtv, 314 Seiten, 20 Euro), das kürzlich erschienen ist, geschrieben haben es Johannes Aumüller und Thomas Kistner, die Sportpolitik-Experten der „Süddeutschen Zeitung“. Das Titelbild zeigt Thomas Bach, wissend lächelnd, und Russlands Präsident Wladimir Putin nahe an seinem Ohr, als flüstere er dem Deutschen die Direktiven ein. Gemäß den Autoren war das so, und dass Bach als „Olygarch“ bezeichnet wird, ist kein Schreibfehler, sondern ein Wortspiel. Oly – Olympia. Aber Putin lenkte Bach wie seine Oligarchen, die Erfüllungsgehilfen, die er begünstigte – und die an ihn zurückzahlen müssen.

Dass die Sowjetunion immer schon Einfluss auf die olympische Bewegung nahm, darf als gesicherte Erkenntnis gelten. Juan Antonio Samaranch, der prägendste Präsident des IOC (1980 bis 2001), war Botschafter Spaniens in Moskau und arbeitete wohl dem Geheimdienst KGB zu. In der Neuzeit war es dann der Tauberbischofsheimer Wirtschaftsanwalt Bach, den Russland unterstützte. Aumüller und Kistner stützen ihre Argumentation auf eine eidesstattliche Erklärung des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB), Alfons Hörmann.

2011 stand der Allgäuer Hörmann noch dem Deutschen Ski-Verband vor, er organisierte die alpinen Weltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen, die Bach, damals selbst noch DOSB-Boss, besuchte – sich aber mittendrin abmeldete. Mit dem Hinweis auf „absolute Vertraulichkeit“ habe er Hörmann gegenüber geäußert, „dass er auf Einladung von Wladimir Putin nach Moskau fliegen würde. Herr Bach hat damals explizit davon gesprochen, dass er hierfür mit einem Privatflieger nach Moskau eingeflogen und auch wieder ausgeflogen werde“. So zitieren die Buch-Autoren Hörmann. „Herr Putin habe, so Herr Bach mir gegenüber weiter, ihm gesagt, dass er mit seiner Kandidatur als IOC-Präsident einverstanden sei und diese aktiv unterstützen werde.“

Dr. Thomas Bach wurde schließlich IOC-Präsident, und seine Haltung kann man mit russlandfreundlich beschreiben. Aumüller und Kistner verweisen auf Telefonlisten, die im Kreml geführt werden und in denen die jährlichen Geburtstagsanrufe von Bach bei Putin festgehalten sind. Mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen kam es in der gemeinsamen Amtszeit nie zu einem Austausch unter vier Augen.

Putin konnte sich über Bach jedenfalls nicht beschweren. Nach dem staatlich organisierten Doping bei den russischen Winterspielen 2014 in Sotschi schlug das IOC die Türe für russische Sportler, Athletinnen und Teams nicht zu. Putin saß 2022 bei den Winterspielen in Peking auf der Tribüne und begrüßte zwei Hundertschaften, die für das Russische Olympische Komitee starteten. Vier Tage nach der Schlussfeier überfiel Putin die Ukraine. In vielen Sportarten wurden russische Athletinnen und Athleten in der Folge von der Teilnahme ausgeschlossen – bei Olympia aber nicht generell. Doch die Teilnahmebedingungen für 2024 unterliegen Einschränkungen, von denen Moskau sich brüskiert fühlt. Bach gilt nun nicht mehr als Freund.

Von russischer Seite wurde er im Internet bloßgestellt. Zusammen mit Margaritis Schinas, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, ging er im März Wladimir Kusnetzow und Alexej Stoljarow auf den Leim. Als „Vovan und Lexus“ schlüpfen die in andere Identitäten, verwickeln prominente westliche Politiker in vermeintlich informelle Gespräche, die sie aber aufzeichnen und öffentlich machen. „Prank“ nennt man so etwas, harmlos ausgedrückt einen Streich. Als falscher Selenskij sprachen Vovan und Lexus mit Ex-US-Präsident George W. Bush – und als angeblicher Vorsitzender der Afrikanischen Union mit Bach und dem EU-Mann über die Politisierung des Sports.

Bach versucht in dem Gespräch, den Russen, den er für einen Afrikaner hält, von der Teilnahme afrikanischer Länder an den von Russland organisierten Konkurrenzveranstaltungen zu Olympia wie den Freundschaftsspielen vom 15. bis 29. September in Moskau und St. Petersburg abzubringen. 27 Minuten lang lässt Bach sich vorführen. Sein Sprecher beim IOC, Christian Klaue, schrieb von einer „russischen Desinformations- und Verleumdungskampagne gegen das IOC und seinen Präsidenten“.

Das ist sie natürlich. Und dennoch ist augenscheinlich, dass sich Bachs Karriere im Sinkflug befindet. „Ein paar wichtige Seilschaften sind dahin“, heißt es im Buch „Putins Olygarch“. Womöglich habe sich Bach „ein paar Feinde zu viel gemacht – draußen, in der richtigen Welt.“

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