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DFB-Elf: Sieger in der Niederlage

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Mastermind: Julian Nagelsmann.
Mastermind: Julian Nagelsmann. © dpa

Am Ende gingen die deutschen Fußballer als Verlierer vom Platz, die aber zu Siegern geworden sind in diesem Sommer, der zwar kein Märchen, aber eine schöne Geschichte geworden ist.

Natürlich geht es im Fußball um den Moment. Der blieb der deutschen Nationalmannschaft und mithin auch dem Land am Freitagabend nach einem bis auf die Knochen umkämpften, an Dramatik kaum zu überbietenden Spiel versagt. Aber das ist, so weh es Spielern, Trainern und den wiedergewonnenen Fans auch tun mag, eine zu verschmerzende Niederlage. Am Ende gingen Verlierer vom Platz, die tatsächlich aber auch zu Siegern geworden sind in diesem Sommer, der nicht zu einem Märchen geworden ist. Aber zu einer ganz schönen Geschichte dann doch.

Das Momentum blieb ihnen versagt, als Spanien die bessere Mannschaft war, aber es gibt neuen Raum für Entwicklung. Aus einer zerrütteten Truppe mit einem überforderten Bundestrainer und einem entkräfteten Manager auf Abruf, die in Katar jeder für sich wie Verdurstende aus dem Wüstensand gerobbt waren und es danach lange nicht zur Einigkeit geschafft hat, ist ein kraftvolles Zukunftsmodell geworden. Vielleicht färbt das ja, ein bisschen zumindest, auf ein erschöpftes Land ab, in dem anscheinend der Pessimismus überwiegt.

Allerdings, so ehrlich muss man sein, ist das Zukunftsmodell DFB-Team in einem Bereich eines mit beschränkter Haltbarkeit. Das Modell für die Zukunft sind mehr der neue Zusammenhalt in Team und Verband sowie der Mut und die Furchtlosigkeit eines hochtalentierten Bundestrainers, weniger ein bedeutender Teil des spielenden Personals: Der unersetzliche Toni Kroos, der noch mal alles gab, sowieso, aber auch Manuel Neuer, Ilkay Gündogan und Thomas Müller befinden sich allesamt weit in ihren Dreißigern und sind nah am Ende ihrer DFB-Karriere.

Ein Umbruch scheint geboten. Julian Nagelsmann hat, was richtig war, nicht über die Heim-EM hinausgedacht. Sondern ein Kurzzeitprojekt gestartet, das mit Blick auf die Weltmeisterschaft in zwei Jahren in den USA, Kanada und Mexiko aber nur einer neuen Sortierung bedarf, nicht einer grundsätzlichen Neuausrichtung.

Die zentrale Person dabei ist Nagelsmann selbst, der gelernt hat, seine Rolle mit Fachkunde, Intelligenz, Akribie, Verstand und Verantwortungsbewusstsein zu füllen, nicht bevorzugt mit jugendlichem Leichtsinn und lustigen Sprüchen (die er von Zeit zu Zeit gerne beibehalten darf). Er wird diesen Moment der tiefen Enttäuschung erst einmal sacken lassen müssen.

Der Power-Nagelsmann

Seine vier größten Spiele hat der Draufgänger nun allesamt verloren: 2020 das Champions-League-Halbfinale mit RB Leipzig gegen Paris Saint-Germain, 2021 das DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund, vor allem 2022 das Champions-League-Viertelfinale mit dem FC Bayern gegen Villarreal, nun das EM-Viertelfinale gegen Spanien. Ein guter Fachmann ist er dennoch.

Gegen Spanien hat er zur Pause geändert, was in der ersten Halbzeit nicht funktioniert hat, Wirtz und Andrich für Sané und Can gebracht, den er überraschend und erfolglos in die Startelf beordert hatte. Schließlich coachte er seine aufopferungsvoll kämpfenden Eleven in die Verlängerung. Die fanden genau die richtige Mixtur aus heißer Wucht und kalter Strategie, auch wenn es am Ende eines epischen Spiels dann doch nicht gereicht hat.

Der 36-Jährige hat zuletzt bekundet, dass er diesen Job auch als Perspektive für eine spätere Zukunft als Klubtrainer zu nutzen wissen möchte. Das ist klug kalkuliert. Nagelsmann hat zu viel Power, um einen Langfrist-Nationaltrainer abzugeben. Bis Sommer 2026 ist ein realistisches Zeitfenster für eine gedeihliche Zusammenarbeit, der DFB sollte weit vorbauen und dann schauen, ob er mit Jürgen Klopp zusammenkommt. Kein anderer könnte eines Tages prädestinierter und akzeptierter für diese anspruchsvolle Aufgabe sein.

Bis zur WM 2026 dürfte es Nagelsmann und seinen Männern kaum erspart bleiben, wieder durch ein paar Täler zu stapfen, denn bei aller nun abflauenden Begeisterung um Team und Trainer gehört auch dies zur Wahrheit: Deutschland ist im Fußball schon lange nicht mehr der Nabel der Welt, noch nicht einmal mehr der Nabel Europas.

Nicht zu vergessen: Der Heimvorteil fällt beim nächsten großen Turnier ersatzlos weg, er hat diesmal, neben sehr akzeptablen Vorstellungen, zu einer gütigen medialen und öffentlichen Begleitung geführt.

Das brachte einen Rückenwind, der am Ende dennoch nicht stark genug war, um das unglückliche DFB-Team über das Viertelfinale hinaus zu tragen.

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