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Eröffnet Kroos die Rücktrittswelle? Nagelsmann und sein Umbruch light

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Ein Blick in die Zukunft der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Kroos hinterlässt eine große Leerstelle. Müller, Neuer und Gündogan überlegen, ob sie im DFB-Team weitermachen wollen und sollen.

Frankfurt am Main – Nach dem bitteren Ende bei der Heim-Europameisterschaft hat Thomas Müller hochgeschaut auf die Tribüne der Stuttgarter Fußballarena: „Ich habe noch mal die Kurve gesehen mit der Familie, da wird man ein bisschen melancholisch.“ Der bald 35-Jährige denkt nach 14 Jahren als Fußballspieler im Auftrag der Nation so: Einen Rücktritt werde es von ihm „nicht geben“, sehr wohl aber ein Gespräch mit dem Bundestrainer.

„Realistischerweise kann es schon sein, dass das mein letztes Länderspiel war. Vielleicht werden der Trainer und ich feststellen, dass das sinnvoller ist.“ Für den Ur-Bayern naht nach 131 Länderspielen das Ende im Adlertrikot. Nur Lothar Matthäus und Miroslav Klose haben öfter für Deutschland Fußball gespielt.

DFB-Umbruch? Manuel Neuer macht sich Gedanken

Manuel Neuer könnte sie mit derzeit 124 Länderspieleinsätzen allesamt überholen. Der 38 Jahre alte Torwart ließ offen, ob es im DFB-Team weitergeht. Er mache sich Gedanken, „nicht heute oder morgen. Das kann ein halbes Jahr oder länger dauern.“ Dann würde Neuer zumindest sechs Spiele der Nations League verpassen, die in diesem Herbst noch stattfinden. Der Bayern-Keeper verwies nach seinem achten großen Turnier auf das Beispiel Toni Kroos und dessen zeitweise selbst gewählte Ruhepause vom DFB.

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Auch bei Ilkay Gündogan, ab Oktober 34 Jahre alt, ist nach 82 Länderspielen noch keine abschließende Zukunftsentscheidung getroffen. Er müsse noch darüber nachdenken, ließ der Kapitän verlauten, der gegen Spanien nach einer knappen Stunde Niclas Füllkrug weichen musste. Bundestrainer Julian Nagelsmann äußerte sich nur zur Personalie Gündogan so deutlich: „Ich würde mich freuen, wenn Ilkay weitermacht.“ Grundsätzlich seien „große Spieler selber im Lead, das zu entscheiden“.

Kroos tritt zurück und verspürt „gewisse Leere“

Fixiert ist Toni Kroos’ Karriereende, dessen Abschiedspost bei Instagram 5,6 Millionen Menschen gelesen und mehr als 71 000 mehrheitlich wertschätzend kommentiert haben. Im Gespräch nach dem Viertelfinal-Aus gegen Spanien sagte Kroos, er verspüre eine „gewisse Leere“, wiewohl: „Die Zeit war sehr gut. Mir hat es großen Spaß gemacht. Ich bin sehr, sehr zufrieden. Ich habe ja nicht gesagt, es würde nur eine gute Zeit für mich, wenn ich zurückkomme und wir Europameister werden. Das wäre ein bisschen vermessen gewesen.“

Der 34 Jahre alte Weltstar war zum Abschied im Stadion von deutschen und spanischen Fans minutenlang gefeiert worden. Durch die Verlängerung hatte er sich gleichwohl unter Aufbietung der allerletzten Kräfte geschleppt. Kroos war es in Madrid ja schon nicht mehr gewohnt gewesen, über volle 90 Minuten zu gehen. Sein letztes von 114 Länderspielen gehörte nicht zu seinen besseren Auftritten, geriet aber dennoch zu einem würdigen Abschluss gegen das Land, in dem er fortan weiter mit der Familie zu Hause sein wird.

Hält Manuel Neuer seinen Münchener Kollegen Thomas Müller in der Nationalmannschaft, oder zieht er ihn mit in den DFB-Ruhestand?
Hält Manuel Neuer seinen Münchener Kollegen Thomas Müller in der Nationalmannschaft, oder zieht er ihn mit in den DFB-Ruhestand? © IMAGO/Contrast

„Ein paar ältere Semester dabei“: Nagelsmann plant Umbruch light

Seine Frau Jessica Kroos schrieb bei Instagram: „Leider kannst du den Stolz in den Augen deiner Kinder auf der Tribüne nicht sehen, wenn du auf dem Platz bist, aber du kannst dir vorstellen, dass sie vor Stolz fast platzen und ich mit.“ Müller formulierte im selben Netzwerk: „Ich bin stolz, ein Teil dieses Teams zu sein und vor allem stolz, ein Deutscher zu sein.“ Er war kurz vor Ende der regulären Spielzeit eingewechselt worden, offenbarte Tempodefizite, war aber als Vorbereiter an zwei Großchancen beteiligt.

Unbestritten ist, dass der DFB-Kader über das Fehlen von Kroos hinaus anders aussehen wird, wenn sich die Nationalmannschaft am Montag, 2. September, wieder an Ort und Stelle im Adidas-Homeground in Herzogenaurach trifft, um sich auf die Nations-League-Spiele gegen Ungarn am 7. September in Düsseldorf und drei Tage später gegen die Niederlande in Amsterdam vorzubereiten. „Es ist nicht einfach, so ein mitreißendes Turnier zu haben, und in acht Wochen ist Nations League“, sagte Nagelsmann. „Wir haben schon einen Kader, der nicht extrem jung ist und ein paar ältere Semester dabei hat.“ Dennoch möchte der Bundestrainer „nur Nuancen verändern“.

Jüngere DFB-Spieler bei WM 2026 im Vorteil?

Auch Pascal Groß, Emre Can, Antonio Rüdiger und Niclas Füllkrug, Oliver Baumann und Marc-André ter Stegen haben die 30 bereits überschritten. Nagelsmann setzt mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2026 auf den Spirit und merkt an: „Wir haben viele 26-, 27-, 28-Jährige dabei, die noch eine WM spielen können.“ Es ergäbe „keinen Sinn, den Kader komplett durchzuwürfeln“.

In den USA, Kanada und Mexiko dürften indes die klimatischen Verhältnisse anspruchsvoll werden, zumal die Fifa wegen der Übertragungen in den Abendstunden nach Europa die noch nicht final festgelegten Anstoßzeiten früh in den Nachmittag legen könnte. Der Bundestrainer sollte das nicht unbeachtet lassen. Schon im um 18 Uhr angepfiffenen Viertelfinale gegen Spanien war zu erkennen, dass die jüngeren deutschen Spieler über mehr Ressourcen verfügten als die älteren.

Pavlovic und Groß als Kroos-Nachfolger in der Pole Position

Die Leerstelle, die Kroos hinterlässt, kann nicht übergangslos gefüllt werden. Nagelsmann nannte neben Pascal Groß (33) die Namen des kurz vor der EM an einer Mandelentzündung erkrankten Aleksandar Pavlovic (20) vom FC Bayern und des Stuttgarters Angelo Stiller (23). Gerade Stiller – wie Pavlovic bei den Bayern ausgebildet, dort aber gewogen und für zu leicht befunden worden – ähnelt in seiner Spielanlage der von Kroos. Der enorm passsichere Mittelfeldspieler verpasste den Sprung in den EM-Kader nur knapp. Nagelsmann hält, wie Klubtrainer Sebastian Hoeneß, zu Recht eine Menge von Stiller.

Zum Umbruch in der beabsichtigten Lightversion gehören auch die Abschiede des Teampsychologen Hans-Dieter Hermann und von Physiotherapeut Wolfgang Bunz, beide hochgeschätzte Experten, die nach 20 (Hermann) und 26 Jahren (Bunz) Nachfolgern Platz machen.

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