Sa 17.08. 2024 09:00Uhr 35:00 min

MDR KULTUR - Feature Eiszeit. Die Geschichte der Eiskremproduktion in der DDR

Von Annett Gröschner

Komplette Sendung

Speiseeis 57 min
Bildrechte: Colourbox.de/AtlasStudio
MDR KULTUR - Das Radio Sa, 17.08.2024 09:00 09:35
Zur Kindheit von Annett Gröschner gehörte eine große Tiefkühltruhe, in der stets Eiskrem in großer Menge vorrätig war. Ihr Vater war beruflich mit der Entwicklung neuer Eissorten beschäftigt. Othello, Moskauer, Komet - jedes DDR-Kind kannte die Marken. Speiseeis war in der DDR auch Ersatz für Süßigkeiten, die wegen Kakaomangels nicht in ausreichender Menge hergestellt werden konnten Eisproduktion war staatswichtig, wurde schließlich zur Staatsaktion.

1972 entstand der Plan, die DDR-Eiskrem zu zentralisieren. Eine "Zentrale Erzeugnisgruppe Eiskrem" sollte die regionalen Eisbetriebe kontrollieren, die Eiskremsorten standardisieren und schließlich die Herstellung auf 5 Standorte konzentrieren. Wissenschaftliche Mitarbeiter wurden eingestellt. Doch sie verbrachten ihr Arbeitsleben mit Improvisationen, versuchten, neue Rezepturen zu entwickeln, wenn mal wieder das Milchfett knapp war oder ein Inhaltsstoff fehlte. Anfang der achziger Jahre war es ihnen gelungen, eine Eiskrem herzustellen, die ausschließlich Ersatzstoffe enthielt und auch genauso schmeckte, nach "nichts". 1990 besiegelte die deutsche Wiedervereinigung das Schicksal des DDR-Eises und der sozialistischen Eisgroßbetriebe. Westeis gegen Osteis, ein kurzer Krieg, der jedoch bis in die Familien ging.

Als sich Annett Gröschner unmittelbar nach der Wende das erste Westeis kaufte, gab es Familienkrach. Ihr Vater hatte schließlich jahrzehntelang an der Entwicklung von DDR-Eis gearbeitet, hatte von einem eigenen Geschmack geträumt und war davon überzeugt, daß "unseres" besser ist. Das Feature erzählt DDR-Geschichte aus einem besonderen Blickwinkel, als eine Mischung aus Kindheitserinnerungen, Familiengeschichten und Originaltönen. Zu Wort kommen Arbeiterinnen aus der zentralen Eisproduktion, ein privater Eiskremproduzent aus Leipzig, eine ehemalige Eisverkäuferin und natürlich die sogenannten "Verbraucher".


Annett Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, studierte Germanistik an der Humboldt-Universität Berlin und war Mitbegründerin der Frauenzeitschrift Ypsilon. Seit 1997 freiberuflich als Schriftstellerin und Journalistin tätig u.a. für die Berliner Seiten der FAZ (1999-2002), den Freitag, die taz u.v.a. Seit 2002 Arbeit als Dozentin für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus, 2009-2012 Dozentin für besondere Aufgaben am Institut für literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft der Universität Hildesheim. 2015-2020 Gastprofessorin für Kulturjournalismus an der UdK Berlin. Zahlreiche Stipendien und einige Preise, zuletzt Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg in der Sparte Literatur 2017.

(29 Min.)
Mitwirkende
Regie: Sabine Ranzinger
Produktion: Mitteldeutscher Rundfunk 1996

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Kultur

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