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Medizinwelt schaut auf Offenbach

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Hauptrednerin und Organisator: Sheila Tlou und Professor Stephan Sahm diskutieren auf dem Wilhelmsplatz.
Hauptrednerin und Organisator: Sheila Tlou und Professor Stephan Sahm diskutieren auf dem Wilhelmsplatz. © ron

Professor Dr. Stephan Sahm und Aktivistin Sheila Tlou sprechen vor dem Kongress der European Society for Philosophy of Medicine and Health Care über Medizin und Ökonomie.

Offenbach – Mediziner und Aktivisten aus der ganzen Welt treffen sich am heutigen Mittwoch im IHK-Gebäude an der Frankfurter Straße, um über Medizin und Ökonomie, also auch über den gerechten Zugang zur Gesundheitsversorgung zu diskutieren. Dass sich die European Society for Philosophy of Medicine and Health Care (ESPMH) ausgerechnet in Offenbach trifft, ist dem diesjährigen Tagungspräsidenten zu verdanken. Der ist kein Unbekannter: Professor Dr. Stephan Sahm, ehemaliger Chefarzt des Kettelerkrankenhauses, Vorsitzender des Ethikkomitees der Klinik und Mitglied der ESPMH. Sahm ist stolz darauf, dass die Medizinwelt in den kommenden vier Tagen nach Offenbach schaut. Und obwohl die Organisation aufwendig ist, nimmt er sich die Zeit für ein Treffen.

Zum Gespräch am Wilhelmsplatz hat er Sheila Tlou mitgebracht, die als eine der 100 wichtigsten Frauen Afrikas gilt und eine anerkannte visionäre Führungspersönlichkeit, Vorkämpferin und Aktivistin im Gesundheitsbereich ist. Tlou wird die Eröffnungsrede des viertägigen Kongresses halten, an dem mehr als 120 Vertreter aus europäischen Ländern, aber auch unter anderem aus Kanada, Iran und Indien teilnehmen. Ihr Thema: „Fair access to health care – a global perspective“, also fairer Zugang zur Gesundheitsversorgung aus globaler Perspektive. Das Gespräch gibt einen Vorgeschmack auf die Debatten, die in den kommenden vier Tagen in Offenbach geführt werden.

Der Klimawandel verstärke die Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber, sagt Sheila Tlou: „Wir müssen Grenzen überwinden und brauchen lokalen und internationalen Zugang zu Medizin und Impfstoffen.“ Stephan Sahm nickt zustimmend und erwähnt, dass Deutschland die höchste Magnetresonanztomografen-Dichte auf der Welt vorweise. „Brauchen wir das?“, fragt er rhetorisch. Das Geld könne man viel besser in Impfmittel in ärmeren Ländern einsetzen, um Pandemien, wie aktuell die Mpox, zu verhindern. Das ist Sheila Tlous Thema: „Wir kommen alle von demselben Baum, wir müssen alle zusammenarbeiten.“ Und dafür brauche es viel Geld, sagt Stephan Sahm. Sheila Tlou erwidert: „Davon ist genug da. Wenn die Politiker wollen, können wir viel Geld haben.“ Das größte Problem sei Korruption, das Geld komme oft nicht da an, wo es hinsoll, sagt Sheila Tlou.

Zu ihrer Zeit als Gesundheitsministerin in Botswana habe sie erreicht, dass 20 Prozent der staatlichen Ausgaben in die Gesundheitsversorgung fließen. Sie verweist auf eine erfolgreiche Eindämmung der Sterberate am HI-Virus während ihrer Amtszeit. Das habe viel mit Aufklärung schon im jungen Alter zu tun. Das Ziel hat sie hartnäckig verfolgt: „Wenn es eine Cola schafft, die entlegenste Ecke der Kalahari-Wüste zu erreichen, dann klappt das auch mit Kondomen.“ Heute sei das erste, was man in einem botswanischen Hotelzimmer finde, die Bibel. Und gleich danach Kondome.

Auch bei der Malaria-Bekämpfung habe ihr Land große Fortschritte gemacht und schrammte mit unter 1 000 Fällen nahe an der Elimination vorbei. Doch das Problem: Krankheiten kennen keine Grenzen. „Wenn nicht alle Länder mitziehen, funktioniert es nicht“, betont Stephan Sahm. Sheila Tlou musste viel Überzeugungsarbeit leisten, viele Klinken putzen und hat sich so nicht nur in Afrika ein großes Netzwerk aufgebaut. Mittlerweile arbeiten die Nachbarländer im Süden Afrikas wesentlich besser zusammen, sagt sie.

Was das heißt, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, habe die Corona-Pandemie gezeigt, sagt Sheila Tlou. „Die Menschen haben Covid fast vergessen, die Wirtschaft aber nicht, es sind viele Geschäfte geschlossen.“ Sie plädiert für globalen Wissenstransfer, respektiere aber auch das geistige Eigentum. „Es geht darum, wirtschaftliche und gesundheitliche Interessen zu vereinen“, sagt Stephan Sahm, der eine Rede von Sheila Tlou im Januar in Rom hörte und im Anschluss direkt anfragte, ob sie nicht auch nach Offenbach kommen wolle. Die Botswanerin sagte zu. Was sie von dem Kongress erwartet? „Nicht, dass sich über Nacht was ändert.“ Es komme vor allem darauf an, Partnerschaften zu knüpfen. Die hat auch Stephan Sahm benötigt, um so einen großen Kongress auf die Beine zu stellen. Unterstützung bekam er vom Förderverein des Kettelerkrankenhauses und von der Dr.-Marschner-Stiftung.

Auch nach dem Kongress werden Stephan Sahm und Sheila Tlou weiter in Kontakt bleiben, schließlich verfolgen sie ein gemeinsames Ziel, bestmögliche Gesundheitsversorgung für alle – auch die ärmsten der Armen.

Für Sheila Tlou steht nach Offenbach der Kongo auf dem Flugplan. Und da geht es – na klar – um Gesundheitsversorgung.

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